STUDIE: Informationsdeprivierte & News-Avoiding

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PUBLIC VALUE

STUDIE

PUBLIC VALUE JAHRESSTUDIE

S ÖFFENTLICH-RECHTLICHE QUALITÄT IM DISKURS

INFORMATIONSDEPRIVATION & NEWS-AVOIDING EINE HERAUSFORDERUNG FÜR DEMOKRATIE UND ÖFFENTLICH-RECHTLICHE MEDIEN


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DIE 5 QUALITÄTSDIMENSIONEN INDIVIDUELLER WERT

GESELLSCHAFTSWERT

ÖSTERREICHWERT

VERTRAUEN SERVICE UNTERHALTUNG WISSEN VERANTWORTUNG

VIELFALT ORIENTIERUNG INTEGRATION BÜRGERNÄHE KULTUR

IDENTITÄT WERTSCHÖPFUNG FÖDERALISMUS

INTERNATIONALER WERT

UNTERNEHMENSWERT

EUROPA-INTEGRATION GLOBALE PERSPEKTIVE

INNOVATION TRANSPARENZ KOMPETENZ

Public Value, die gemeinwohlorientierte Qualität der öffentlich-rechtlichen Medienleistung des ORF, wird in insgesamt 18 Kategorien dokumentiert, die zu fünf Qualitätsdimensionen zusammengefasst sind. Mehr dazu auf zukunft.ORF.at.

HERAUSGEBER UND HERSTELLER: Österreichischer Rundfunk, ORF Würzburggasse 30, 1136 Wien

DESIGN: ORF Marketing & Creation GmbH & Co KG FÜR DEN INHALT VERANTWORTLICH: ORF-Generaldirektion Public Value

1. Auflage, © ORF 2020 Reaktionen, Hinweise und Kritik bitte an: zukunft@ORF.at

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– gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse” des Österreichischen Umweltzeichens, ORF Druckerei, UW 1237


VORWORT

ANYBODY OUT THERE? MEDIENQUALITÄT IM RELEVANZ-CHECK Wenn die weltweite Corona-Krise der letzten Monate etwas mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hat, dann wohl die Erkenntnis, wie wichtig – geradezu überlebenswichtig – es ist, dass Menschen gut informiert sind. Dass sie auf der Grundlage ausreichender und korrekter Nachrichten imstande sind, verantwortlich für sich selbst und für andere zu handeln. Dazu brauchen sie jedoch faktentreue, vertrauenswürdige, überprüfte und überprüfbare Information und ausreichend Orientierungswissen, um sich in der Flut an Bildern, Nachrichten, Schlagzeilen und – wie sich zeigt – Falschmeldungen zurecht zu finden. Angesichts der Pandemie wurde rasch klar: Dieses Wissen ist eine Grundlage für jene Sicherheit, die im Ausnahmezustand einer Krise – im privaten Umfeld, aber auch im öffentlichen Leben – unverzichtbar ist. Mit äußerst unwillkommener Dramatik wurde durch den Corona-Ernstfall deutlich, wie sehr Bürgerinnen und Bürger demokratischer Gesellschaften von verlässlicher Information abhängig sind. Die Relevanz von Medienqualität im digitalen Zeitalter ist auch die grundlegende Fragestellung des vorliegenden Studienprojektes: Erreichen Qualitätsmedien die gesamte Bevölkerung? Woher nehmen Menschen, umgeben von einer Vielzahl an Informationsquellen jene Nachrichten, die für sie relevant und überprüfbar sind? Sind Qualitätsmedien ausreichend verständlich und zugänglich, um nicht nur einzelne Zielgruppen, sondern die gesamte Öffentlichkeit anzusprechen? Welche Auswirkungen hat die massive digitale Disruption, die die Mediennutzung der Menschen durch neue Kommunikationstechnologien massiv verändert hat und welche Schlüsse ergeben sich daraus für die Medienmacher/innen? Eine erste Bilanz der Corona-Krise ergibt ein für öffentlich-rechtliche Medien erstaunliches und zufriedenstellendes Ergebnis: In der Krise wenden sich Menschen starken, bewährten Medienmarken, in besonderem Ausmaß öffentlich-rechtlichen Medien zu. In Österreich hat die Berichterstattung des ORF in den Wochen der Krise 94% der Bevölkerung erreicht. Einzelne Informationssendungen und -formate in TV, Radio und Online verzeichneten historische Höchstquoten. Auch die – unabhängig vom ORF – erhobenen Umfragewerte während der Wochen der Krise zeigen eine deutliche Zunahme der Vertrauenswürdigkeit der ORF-Be-

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richterstattung um beeindruckende 44 Prozent. Ist damit die Welt der öffentlich-rechtlichen Medien wieder in Ordnung? Können sich Qualitätsmedien nun in der Sicherheit wähnen, dass ihre Kompetenz automatisch erkannt und geschätzt wird? Funktioniert unsere Medienwelt tatsächlich noch so, wie wir es jahrzehntelang gewohnt sind? Die Antwort darauf führt jedenfalls zu neuen Herausforderungen: Wie die Analysen von Mark Eisenegger, der in der vorliegenden Arbeit den wissenschaftlichen Problemaufriss leistet, zeigen, ist die aktuelle Situation der Mediennutzung geradezu dramatisch. In der Schweiz stellen die größte Mediennutzungsgruppe jene Menschen dar, die keinen Zugang zu redaktionellen Medien haben oder suchen (mit 36% in der Gesamtbevölkerung und 53% in der Personengruppe der unter 29jährigen). Derartige Daten sind nicht nur eine existenzbedrohende Gefahr für Qualitätsmedien, sondern auch eine Gefahr für die Demokratie. Entscheiden demnach in der Medienwelt von Morgen unüberprüfbare Algorithmen im personalisierten Social-Media-Unviersum darüber, wer wann welche Nachrichten erhält? Können Mediennutzer/innen sich tatsächlich auf „news will find me“ verlassen? Wie können Qualitätsmedien Relevanz erreichen, um nicht von Boulevard und inszenierter Empörungsbewirtschaftung verdrängt zu werden? Diese Fragen haben das vorliegende Studienprojekt inspiriert und stimuliert. In der Reihe der ORF-Public Value-Jahresstudien behandeln sechs Wissenschaftler/innen die skizzierten Forschungsfragen. Um einen vielschichtigen Blick auf laufende und erwartbare Entwicklungen und eine ebenso internationale wie interdisziplinäre Perspektive zu ermöglichen, wurden – so wie in den vergangenen Jahren – deutschsprachige öffentlich-rechtliche Medien sowie der internationale Dachverband der öffentlich-rechtlichen Medien, die „European Broadcasting Union“ eingebunden und Wissenschaftler/innen unterschiedlicher Disziplinen beauftragt: • Für die SRG analysiert und definiert Mark Eisenegger (Universität ­Zürich) die „News-Deprivation“ in der Schweiz. • Der Beitrag der ARD fasst in der wissenschaftlichen Arbeit von Angela Rühle („media perspektiven“) aktuelle Mediennutzungsdaten aus Deutschland zusammen, die sich auf die Segmentierung und Polarisierung der Medienöffentlichkeit beziehen. • Der Bayerische Rundfunk, seit vielen Jahren bewährter Partner in den Public Value-Initiativen des ORF, hat Olaf Jandura (Universität München) beauftragt, die gesellschaftliche Heterogenität als Herausforderung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu untersuchen.

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VORWORT

• Die „Media Intelligence“ Abteilung der „European Broadcasting Corporation/EBU“ beteiligt sich an dem Studienprojekt mit einem experimentellen Selbstversuch des dänischen Medienexperten Thomas Baekdal, der sich praxisnah und aus individueller Sicht mit den sich verändernden Informationsgewohnheiten und dem Phänomen der „News Avoidance“ beschäftigt. • Der ORF schließlich hat mit der Fokusgruppenanalyse von Beate Großegger (Institut für Jugendkulturforschung) einen Reality-Check der Mediennutzung der „Digital Natives“ durchgeführt und • mit der Analyse von Thomas Steinmaurer (Universität Salzburg) eine Reflexion der digitalen Disruption und gesellschaftlichen Fragmentierung beigetragen, die eine Weiterentwicklung des von ihm – im Auftrag des Public Value-Kompetenzzentrums des ORF – entwickelten Konzeptes des „Public Network Values“ darstellt. Corona hat zahlreiche Ängste ausgelöst und geltende Sichtweisen von einem Tag auf den anderen verändert. Vor allem aber haben die Folgen der weltweiten Krise die Bedeutung der Zugänglichkeit, Verständlichkeit und Relevanz von Qualitätsmedien deutlich gemacht. Das ist vor allem für öffentlich-rechtliche Medien eine Herausforderung, die sich zurecht als „Rundfunk der Gesellschaft“ verstehen. Wir bedanken uns bei allen beteiligten Wissenschaftler/innen und hoffen, dass die Ergebnisse des vorliegenden Studienprojekts einen Beitrag zum zukunftsorientierten Qualitätsmediendiskurs leisten.

KONRAD MITSCHKA

KLAUS UNTERBERGER

ORF GENERALDIREKTION / PUBLIC VALUE

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INHALT

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«NEWS-DEPRIVATION» ALS HERAUSFORDERUNG FÜR MODERNE DIGITALE GESELLSCHAFTEN UNIV.-PROF. DR. MARK EISENEGGER JÖRG SCHNEIDER, M.A. LISA SCHWAIGER, M.A. UNIVERSITÄT ZÜRICH

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SPAGAT ZWISCHEN KRITISCH-ENGAGIERTEN UND SOZIALAUTORITÄREN UNIV.-PROF. DR. OLAF JANDURA, LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN

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JUNGE „NEWS-AVOIDER/INNEN“ ALS ZIELGRUPPE DR.IN BEATE GROSSEGGER, INSTITUT FÜR JUGENDKULTURFORSCHUNG

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NUTZUNG UND BEWERTUNG VON NACHRICHTEN­ ANGEBOTEN IN INFORMATIONSFERNEN ZIELGRUPPEN ANGELA RÜHLE, MEDIA PERSPEKTIVEN

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EXPERIMENTING WITH NEWS FATIGUE AND NEWS AVOIDANCE THOMAS BAEKDAL, BAEKDAL MEDIA

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DIGITALE DISRUPTIONEN UND GESELLSCHAFTLICHE FRAGMENTIERUNG UNIV.-PROF. DR. THOMAS STEINMAURER, UNIVERSITÄT SALZBURG

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«NEWS-DEPRIVATION» ALS HERAUSFORDERUNG FÜR MODERNE DIGITALE GESELLSCHAFTEN UNIV.-PROF. DR. MARK EISENEGGER, JÖRG SCHNEIDER,M.A. LISA SCHWAIGER, M.A. UNIVERSITÄT ZÜRICH

Unsere Studie zeigt seit dem Jahr 2009 eine kontinuierliche Zunahme der so genannten «News-Deprivation». Bei der Gruppe der «News-Deprivierten» handelt es sich um Newsnutzer_innen, die im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt mit News unterversorgt sind und nur sehr punktuell und nebenher über soziale Medien mit News versorgt werden. Die «News-Deprivierten» stellen mit einem Anteil von 37% im Jahr 2020 in der Schweiz mittlerweile die klar größte Gruppe dar. Das entspricht einer bemerkenswerten Zunahme von 16 Prozentpunkten seit dem Jahr 2009. Es kann angenommen werden, dass sich die Problematik in den anderen Ländern im D-A-CH-Raum in ähnlicher Weise stellt. Dies zeigen die Vergleichsdaten aus dem Reuters Digital News Report. Fokussiert man die Gruppe der intentionalen Newsverweigerer, die so genannten «NewsAvoiders», so zeigen sich für Deutschland, Österreich und die Schweiz vergleichbare Werte. In der Schweiz ist «News-Avoidance» 2019 bei 26% der Newsnutzer_innen zu beobachten, in Deutschland bei 25% und in Österreich bei 30%. Alle drei Länder sind geprägt von einem Mediensystem mit starkem öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Trotz länderspezifischen Unterschieden kann man davon ausgehen, dass unsere Befunde zur «News-Deprivation» auf den deutschsprachigen Raum verallgemeinert werden können. Die hohen Anteile der «News-Deprivation» bzw. «News-Avoidance» sind für das demokratische Gemeinwesen problematisch. Unsere Vertiefungsstudie zur Themenwahrnehmung belegt, dass die «News-Deprivierten» komplexere, gesellschaftspolitische Themen weniger wahrnehmen. Demgegenüber führt die unterdurchschnittliche Versorgung mit News dazu, dass emotionalisierende, personalisierte und bedrohliche Ereignisse überproportional stark wahrgenommen werden, die gleichzeitig in den sozialen Netzwerken besonders stark viral gehen. Dennoch sind die «News-Deprivierten» für den Informationsjournalismus keineswegs verloren. Unsere qualitative Studie belegt, dass diese Zielgruppe Nachrichten vor allem dann rezipiert, wenn im persönlichen Netzwerk – sowohl online wie auch offline – darauf hingewiesen wird, sei es durch Personen des öffentlichen Lebens (Influencer_innen) oder

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aus dem privaten Umfeld. Es handelt sich dann um Beiträge, welche insbesondere junge Erwachsenen in ihrer persönlichen Lebenswelt berühren. Allgemeiner stoßen News bei den «News-Deprivierten» auf Interesse, wenn sie ein Mittel der eigenen Identitäts- und Gemeinschaftspflege darstellen. News haben Nachrichtenwert, wenn sie in sozialen Medien Aufmerksamkeit erregen können, sie also das Potenzial haben, soziales Netzwerkkapital zu vergrößern. Besteht diese Chance, machen sich vor allem junge Nutzer_innen situativ durchaus auch aktiv auf die Informationssuche. Die journalistische Herausforderung besteht somit darin, der «NewsDeprivation» entgegenzuwirken, indem insbesondere die Bedürfnisse der jungen Zielgruppe verstanden und bedient werden. Gemäß Selbstauskunft der jungen Erwachsenen sollen News Smartphone-kompatibel, ansprechend (z.B. audiovisuell) aufbereitet, leicht verständlich und gut in den Alltag integrierbar sein. Wichtig ist auch die Personalisierung: Junge Erwachsene wollen sich im Zeitalter der «Influencer_innen» mit der Person «hinter» der Nachricht identifizieren können. Ein Mehrwert journalistischer Angebote ergibt sich für die Jungen auch dann, wenn Beiträge unterschiedlicher Medienmarken auf einer einzigen Plattform konsumiert werden können. Wohl ebenso wichtig wie eine zielgruppengerechte journalistische Ansprache ist es allerdings, die essenzielle Bedeutung des Journalismus für die Demokratie und die Gesellschaft wieder stärker an die junge Zielgruppe zu vermitteln. Hier sind nicht zuletzt auch die Bildungsinstitutionen stärker in die Pflicht zu nehmen. News-Avoidance und News-Deprivation 1 Der digitale Wandel veränderte individuelle Nachrichtennutzungsmuster, wie sich auch Newsangebote durch die Digitalisierung verändert und vervielfacht haben. Neben traditionelle Nachrichtenmedien wie Tageszeitungen und Informationssendungen von Radio und Fernsehen treten Newsportale im Internet und Social-Media-Plattformen, die neue Formen der Newsrezeption mit sich bringen. Die Angebote konkurrieren somit unter den Bedingungen einer verschärften Aufmerksamkeitsökonomie um die Newskonsument_innen (Franck, 2007; Webster, 2014; Van Aelst et al., 2017). Das «Medien-Menü» bzw. die Kombination unterschiedlicher Medien, die eine Person üblicherweise nutzt, lässt sich als Medienrepertoire definieren (Hasebrink & Popp, 2006; Hasebrink & Hepp, 2017). Im Rahmen unserer diachronen Studien (Schneider & Eisenegger, 2019) konzentrieren wir uns auf die Nutzung von Medien zu Informationszwe1

Vgl. Schneider und Eisenegger (2019)

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cken und sprechen daher von Newsrepertoires (Edgerly, 2015; Schneider & Eisenegger, 2016; Swart, Peters & Broersma, 2017). Die Mediennutzung allgemein und die Newsnutzung im Besonderen vollziehen sich zunehmend in einem «high-choice media environment» (Van Aelst et al., 2017). Die Newsnutzung steht dabei in Konkurrenz zu anderen Motiven der Mediennutzung, wie der Alltagsorganisation, interpersonellen Kommunikation, sozialen Kontaktpflege oder Unterhaltung. Diese unterschiedlichen Mediennutzungsmotive verschränken sich zunehmend auf Social-Media-Plattformen, die mit ihrem interaktiven Dispositiv die Trennung zwischen Produzent_in und Konsument_in von Inhalten auflösen. So entstehen neue Muster der Rezeption und Verbreitung von News, was zu einer Ausdifferenzierung von Newsrepertoires führt. Dies birgt gleichzeitig die Gefahr einer Fragmentierung des Publikums mit sich, wonach die gesellschaftliche Integrationsfunktion medienöffentlicher Kommunikation nicht mehr ausreichend erfüllt wird (Prior, 2005, 2007; Hasebrink, 2008; Stroud, 2010, 2011). Es wird unwahrscheinlicher, dass das Publikum eine verbindende Wahrnehmung der Gesellschaft ausbildet, wenn sich die individuellen Newsrepertoires aufgrund der fortlaufenden Ausdifferenzierung des Informationsangebotes potenziell weniger überlappen. Aber auch auf der Verhaltensebene zeigen sich Einflüsse des persönlichen Nachrichtennutzungsmusters. Studien belegen, dass der Grad der politischen Partizipation in Abhängigkeit von den Newsrepertoires variiert (Hyunwoo & JungAe, 2014; Young & Anderson, 2017; Mourão et al., 2018; Edgerly et al., 2018). So haben die Intensität des Newskonsums und die Informiertheit über gesellschaftsrelevante Vorgänge etwa einen Einfluss, inwieweit sich die Bürger_innen in zivilgesellschaftlichen Initiativen engagieren (Ksiazek, Malthouse & Webster, 2010). Die internationale Forschung zu Newsrepertoires konstatiert in diesem Zusammenhang den Gegensatz zwischen «News-Seekers» und «NewsAvoiders» (z.B. Ksiazek et al., 2010; Levendusky, 2013; Strömbäck, 2017). Während die einen aktiv nach News suchen, vermeiden die anderen willentlich den Konsum von Nachrichten. Unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten ist «News-Avoidance» besonders problematisch, da sie unmittelbar mit geringer gesellschaftlicher Teilhabe einhergeht (Blekesaune, Elvestad & Aalberg, 2012). «News-Avoiders» verfügen über ein geringeres politisches Wissen, welches aber für die Teilhabe am politischdemokratischen Prozess erforderlich ist (Hyunwoo & JungAe, 2014). Außerdem korreliert «News-Avoidance» negativ mit dem politischen Interesse, dem Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen und insbesondere der Demokratiezufriedenheit (Strömbäck, 2017). Seit 2016 erforschen wir die Newsrepertoires der Schweizer_innen und entwickelten eine Typologie zur Beschreibung der unterschiedlichen

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Nachrichtennutzungsmuster (Schneider & Eisenegger, 2016). Diese Typologie erweitert die Dichotomie von «News-Seekers» und «NewsAvoiders», indem sie zwischen diesen Extremtypen weitere Muster der Newsrezeption aufdeckt. Was als «News-Avoidance», also die bewusste Verweigerung von Nachrichtenangeboten, definiert ist, wird in unserer Typologie weniger als intentionale Strategie denn als Resultat des Wechselspiels von Newsangeboten und Nachfragemustern aufgefasst. Wir ziehen deshalb den Begriff der «News-Deprivation», der einen Zustand der Unterversorgung bezeichnet, gegenüber dem in internationalen Studien verwendeten Begriff der «News-Avoidance» vor. Unter «News-Deprivation» verstehen wir demnach weniger eine absichtliche Vermeidung von Nachrichten, als vielmehr eine mangelnde Nachrichtenrezeption, die mitunter auf den hauptsächlich genutzten Medienquellen (v.a. Social Media) beruht. Der objektive Mangel an News lässt sich mit dem Begriff der Deprivation als sozial und gesellschaftspolitisch bedenklichem Zustand auf den Punkt bringen, der eine unterdurchschnittliche Nutzung von bzw. Versorgung mit News beschreibt. Die charakteristische Unterversorgung mit News (Informationsdefizit) geht einher mit einer Verkümmerung der individuellen Fähigkeiten, News angemessen zu verarbeiten und in Abwägung unterschiedlicher Interpretationsangebote eine validierte Meinung auszubilden (Kompetenzdefizit). Es ist anzunehmen, dass «News-Deprivation» somit die Ausübung demokratischer Grundrechte erschwert und im weiteren Verlauf tendenziell mit dem Rückzug aus der öffentlichen Sphäre einhergeht (Partizipationsdefizit). Ebenso besteht eine erhöhte Gefahr, anfällig für vereinfachende und irrationale Deutungsangebote zu werden (z.B. Desinformation oder Populismus). Es sei aber unterstrichen, dass die Forschung hierzu erst noch empirische Belege liefern muss. Aus soziodemographischer Sicht ist das Desinteresse an News nur partiell mit Bildungsdefiziten zu erklären. Der Anteil der jungen Erwachsenen mit nur einem obligatorischen oder angestrebten Bildungsabschluss ist bei allen drei Repertoiretypen der sogenannten «New World», mit Nutzungsakzent auf digitalen Medienangeboten, gleich. «News-Deprivation» und gehobene Bildungsabschlüsse schließen sich entsprechend nicht aus. Vielmehr handelt es sich bei «News-Deprivation» um ein Phänomen, das zunehmend in allen Schichten und Milieus verbreitet ist (Schneider & Eisenegger, 2016, 2018). Die Bezeichnung eines Repertoiretyps als «News-Deprivierte» sorgte in der Öffentlichkeit bisweilen für Kontroversen und wurde von journalistischer Seite vereinzelt kritisiert. In diesem Zusammenhang war von «Wissenschafter-Arroganz» (Zimmermann, 2016/2017) und «GescheitSprech» (Bernet, 2018) die Rede. Zumindest scheint der Begriff der Deprivation, der einen objektiven Mangel bezeichnet, einen Nerv zu treffen.

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Die «News-Deprivierten» und ihr Anwachsen waren oft der Aufhänger journalistischer Berichterstattung (Huber, 2016; Stadler, 2018; Lüthi, 2019). Beim Begriff der «News-Deprivation» geht es aber nicht um das Bashing der Nutzer_innen, sondern um die präzise Benennung eines zentralen Befunds: Ein bedeutender Anteil der Bevölkerung wird nicht ausreichend mit qualitativ hochwertigen News versorgt, was ernst zu nehmende gesellschaftliche Folgen zeitigen kann. Dies impliziert Heraus- und Anforderungen an unterschiedliche Akteur_innen aus Wissenschaft, Medien und Medienbildung, wie sie folgend erläutert werden. Kommunikations- und Medienwissenschaftler_innen sind in diesem Kontext gefordert. Die Newsrepertoireforschung ist als Beitrag für eine öffentliche Kommunikationswissenschaft zu verstehen, die ihre Relevanz dadurch unter Beweis stellt, dass sie Implikationen ihres Forschungsgegenstands für die Gesellschaft zum zentralen Fokus ihrer wissenschaftlichen Arbeit macht. Die Forschung zu Newsrepertoires leistet diesen Beitrag, indem sie nicht isoliert einzelne Medienangebote und ausgewählte Mediennutzungen in den Blick nimmt. Stattdessen wird die gesamte Mediennutzung untersucht, so dass sichtbar wird, wie die Digitalisierung die persönlichen Newsrepertoires verändert und welche gesellschaftlichen Folgen diese Veränderungen haben. Medienmacher_innen und Kommunikationsverantwortliche stehen vor der Aufgabe, mit ihren journalistischen Angeboten die Nutzer_innen dort zu erreichen, wo sie medial unterwegs sind. Nicht nur bei den «News-Deprivierten» sind dies vor allem die digitalen Medienwelten. Mit den «Intensivnutzer_innen» und den «Global Surfers» werden weitere Typen identifiziert, die digitale Newsangebote intensiv nutzen. Sie zeigen, wie vielfältig und dynamisch neue Muster der Newsnutzung sind und welche Ansatzpunkte vorhanden sind, auch in digitalen Medien mit qualitativ hochwertigem Journalismus ein Publikum zu finden. Die Newsrepertoires helfen, die Adressaten der eigenen Inhalte und ihr Nutzungsverhalten besser zu verstehen. Damit liefern sie Medienmachern und Kommunikationsverantwortlichen eine wichtige Voraussetzung, um zielgruppengerechte Nachrichtenangebote zu schaffen und innovative Strategien der Informationsvermittlung zu verfolgen. Bildungsinstitutionen sehen sich in der Pflicht, die Nachfrage nach Newsqualität zu stärken, indem sie vor allem bei den jüngeren Mediennutzer_innen ein Bewusstsein für die Relevanz von qualitativ hochwertigen News schaffen. Doch es sind nicht nur die jungen Mediennutzer_innen, die mehr und bessere Newsangebote in ihre Repertoires integrieren sollten. Alle stehen vor der Aufgabe, in einer Medienwelt, in der jede_r selbst zum Content-Produzenten werden kann – und sei es allein durch die Kommentarfunktion –, verantwortungsvoll mit Fakten und News umzugehen. Die Nutzer_innen müssen sich dieser neuen Rolle bewusst

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werden und eine «redaktionelle Gesellschaft» bilden (Pörksen, 2018). Damit ist gemeint, dass jede_r Nutzer_in von Social-Media-Plattformen journalistische Maximen verinnerlichen sollte. Auch hier sind die Bildungsinstitutionen gefordert, das Wissen über solche Standards eines gesitteten öffentlichen Austauschs bereitzustellen und gesellschaftlich zu fördern. News-Avoidance im internationalen Vergleich Der Anteil des Verhaltensmusters der «News-Avoidance», durch das der Typ der «News-Avoiders» definiert ist, liegt in westlichen Demokratien zwischen 15% und 41%, wie die jährlichen Nutzungsstudien des Reuters Digital News Report (Reuters Institute, 2017, 2019) zeigen. Gefragt wird hierbei, wie oft es vorkommt, dass die Befragten willentlich vermeiden, Nachrichten zu konsumieren. Befragten, die sich oft oder manchmal so verhalten, wird «News-Avoidance» bescheinigt (vgl. Abbildung 1).

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Abbildung «News-Avoidance» im internationalen 2019 vs. Abbildung 1:1:«News-Avoidance» im internationalen Vergleich,Vergleich, 2019 vs. 2017 2017

Die Abbildung zeigt die Anteile der Mediennutzer_innen, die oft oder manchmal Nachrichten w vermeiden in 18 westlichen für 2019 Vergleich zu 2017. meiden in 18 westlichen Länder für Länder 2019 im Vergleich zu im 2017. Die Abbildung zeigt die Anteile der Mediennutzer_innen, die oft oder manchmal Nachrichten willentlich ver-

Lesebeispiel: Der Anteil für «News-Avoidance» steigt in UK – vermutlich aufgrund der Brexit-Streitereien –

Lesebeispiel: Der Anteil für «News-Avoidance» steigt in UK – vermutlich aufgrund der Brexit-Streitere

sehr stark an: von 24% im Jahr 2017 auf 35% im Jahr 2019.

stark an: von 24% im Jahr 2017 auf 35% im Jahr 2019.

In skandinavischen Ländern ist die «News-Avoidance» weniger ausgeprägt (max. 22%), während in den politisch zunehmend polarisierten In skandinavischen Ländern ist mit dieihren «News-Avoidance» weniger ausgeprägt (max angelsächsischen Gesellschaften fragmentierten Medienmilieus das Phänomen erheblich häufiger polarisierten beobachtet wird (Grossbritanni-Gesellschaften m während in den politisch zunehmend angelsächsischen en 35% und USA Medienmilieus 41%, mit steigender Im D-A-CH-Raum, mit fragmentierten das Tendenz). Phänomen erheblich häufiger beobachte nationalen Mediensystemen, die stark öffentlich-rechtlich verfasst sind, (Grossbritannien USA 41%, mitDeutschland steigender 25%, Tendenz). Im D-A-CH-Rau liegt der Anteil auf35% einemund ähnlichen Niveau: Schweiz nationalen Mediensystemen, die stark öffentlich-rechtlich verfasstmit sind, liegt der An 26% und Österreich 30%. In allen 18 erfassten westlichen Ländern Ausnahme von Australien «News-Avoidance» zugenommen. einem ähnlichen Niveau: hat Deutschland 25%, Schweiz 26% undGerade Österreich 30%. In in Österreich ist ein signifikanter Anstieg um 6 Prozentpunkte von 2017 erfassten westlichen Ländern mit Ausnahme von Australien hat «News-Avo auf 2019 zu verzeichnen.

zugenommen. Gerade in Österreich ist ein signifikanter Anstieg um 6 Prozentpunkte v auf 2019 zu verzeichnen.

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Die News-Konsumation über Social Media ist ein Faktor, der «News-Avoidance» Länder, die einen höheren Anteil von Nutzer_innen haben, deren Hauptquelle für New


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Die News-Konsumation über Social Media ist ein Faktor, der «News-Avoidance» fördert. Länder, die einen höheren Anteil von Nutzer_innen haben, deren Hauptquelle für News Social Media sind, weisen tendenziell auch einen höheren Anteil an «News-Avoidance» auf (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Social Media als Hauptquelle und «News-Avoidance» im internationalen Vergleich Abbildung 2: Social Media als Hauptquelle und «News-Avoidance» im internationalen Vergleich Die Abbildung zeigt auf der x-Achse die Anteile der Mediennutzer_innen, deren Hauptquelle für News So Die Abbildung derAnteil x-Achseder die Anteile der Mediennutzer_innen, deren Hauptquelle News Social Ländern. Media sind,zeigt undauf den «News-Avoidance» auf der y-Achse in 18fürwestlichen Media sind, und den Anteil der «News-Avoidance» auf der y-Achse in 18 westlichen Ländern.

Lesebeispiel: für «News-Avoidance» UK von imJahr Jahr Lesebeispiel: Der Der AnteilAnteil für «News-Avoidance» steigt in UK von steigt 24% imin Jahr 2017 auf 24% 35% im 20192017 – auf 35% im Jahr 201 vermutlich bedingt die Brexit-Streitereien vermutlich bedingt durchdurch die Brexit-Streitereien – stark an. – stark an.

Besonders hohe Anteile von Social Media als Hauptquelle und «NewsAvoidance»hohe finden sich in denSocial USA, Media während skandinavische Besonders Anteile von alswiederum Hauptquelle und «News-Avoidance» finden s Länder den Gegenpol mit beiderseits niedrigen Anteilen bilden. In denmit beiderseits niedrig in den USA, während wiederum skandinavische Länder den Gegenpol D-A-CH-Ländern gibt jede_r Zehnte Befragte an, sich hauptsächlich via Anteilen bilden. den D-A-CH-Ländern gibt jede_r Zehnte Befragte an, sich hauptsächl Social Media überIndas aktuelle Geschehen zu informieren. via Social Media über das zu informieren. Da der Medienkonsum von aktuelle jüngerenGeschehen Nutzer_innen stark über Social Media stattfindet, ist zu vermuten, dass bei ihnen die «News-Avoidance» Da der Medienkonsum jüngeren Nutzer_innen stark über Social ausgeprägter ist als bei von anderen Altersgruppen. Im D-A-CH-Raum zeigtMedia stattfindet, ist vermuten, dass Media bei als ihnen die «News-Avoidance» sich, dass Social Hauptquelle für News mit einemausgeprägter deutlich hö- ist als bei ande heren Anteil von «News-Avoidance» korrespondiert (vgl. Abbildung Altersgruppen. Im D-A-CH-Raum zeigt sich, dass Social Media als3).Hauptquelle für News

einem deutlich höheren Anteil von «News-Avoidance» korrespondiert (vgl. Abbildung 3).

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Abbildung 3: «News-Avoidance» bei unterschiedlichen Gruppen im D-A-CH-Raum

Abbildung 3: «News-Avoidance» bei unterschiedlichen Gruppen im D-ADie Abbildung zeigt die Anteile für «News-Avoidance» für die Bevölkerung, die Jungen bis 29 Jahre und CH-Raum Media-Newskonsument_innen in den drei D-A-CH-Ländern. Die Abbildung zeigt die Anteile für «News-Avoidance» für die Bevölkerung, die Jungen bis 29 Jahre und Social-Media-Newskonsument_innen in den drei D-A-CH-Ländern.

Lesebeispiel: In Österreich zeigen 37% der Jungen bis 29 Jahre das Verhalten der «News-Avoidance».

Lesebeispiel: In Österreich zeigen 37% der Jungen bis 29 Jahre das Verhalten der «News-Avoidance».

In Deutschland und der Schweiz ist der Anteil der «News-Avoidance» bei In Deutschland und der Schweiz ist der Anteil derals«News-Avoidance» bei Social-M Social-Media-Nutzer_innen 13 Prozentpunkte höher in der GesamtNutzer_innenin 13Österreich Prozentpunkte höher 6alsProzentpunkte in der Gesamtbevölkerung, in Österreich imme bevölkerung, immerhin höher. Während in der Schweiz und Österreich Anteil der «News-Avoiders» unter den der «News-Avo Prozentpunkte höher. Währendder in der Schweiz und Österreich der Anteil Jungen ebenfalls deutlich erhöht ist, um 5 bzw. 7 Prozentpunkte, liegt unter den Jungen ebenfalls deutlich erhöht ist, um 5 bzw. 7 Prozentpunkte, liegt der Ant der Anteil bei den Jungen in Deutschland auf dem Niveau der Gesamtden Jungen in Deutschland auf dem Niveau der Gesamtbevölkerung. bevölkerung. Zusammenfassend lässt sich konstatierten, dass sich in den D-A-CHZusammenfassend lässt sich konstatierten, dass in den D-A-CH-Ländern rund ein Vier Ländern rund ein Viertel der Menschen zumindest manchmal den NachMenschen zumindest manchmal den entziehen. ImMedia Nutzerkreis, der sich vor richten entzieht. Im Nutzerkreis, der Nachrichten sich vor allem via Social invia Socialliegt Media informiert, liegt der Anteil der «News-Avoiders» sogar deutlich über formiert, der Anteil der «News-Avoiders» sogar deutlich über einem Drittel. Drittel. Repertoiretypologie und Anteilsentwicklung 2

Repertoiretypologie und Anteilsentwicklung Dass Nachrichten über das aktuelle Geschehen nicht an die Mediennutzer_innen gelangen, liegt nicht nur an deren intentionalem Verhalten. Vielmehr bewegen sich viele Nutzer_innen in Medienwelten, in denen Dasswenige Nachrichten über das aktuelle Geschehen nicht an die Mediennutzer_innen gelangen nur Newsangebote zu finden sind. Deshalb fokussieren wir mit unserer Repertoiretypologie stärkerVerhalten. auf die tatsächliche mitviele Nutzer_in nicht nur an deren intentionalem Vielmehr Versorgung bewegen sich News. In einer alljährlich durchgeführten Mediennutzungsstudie des Medienwelten, in denen nur wenige Newsangebote zu finden sind. Deshalb fokussieren w fög in Zusammenarbeit mit GfK Switzerland werden seit 2009 rund 3400 2

unserer Repertoiretypologie stärker auf die tatsächliche Versorgung mit News. In Mediennutzungsstudie des fög in Zusammenarbeit mit 2 alljährlich Vgl. Schneiderdurchgeführten und Eisenegger (2019, 2020) Switzerland werden seit 2009 rund 3400 Onlineinterviews jeweils zum Jahresb durchgeführt. Die Grundgesamtheit, die durch die Befragung erreicht wird, i 15 Wohnbevölkerung in der Deutschschweiz und der Suisse romande im Alter zwischen 1


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Onlineinterviews jeweils zum Jahresbeginn durchgeführt. Die Grundgesamtheit, die durch die Befragung erreicht wird, ist die Wohnbevölkerung in der Deutschschweiz und der Suisse romande im Alter zwischen 16 und 69 Jahren. Der Kern der Befragung ist seit 2009 unverändert, so dass die Datenreihe inzwischen zwölf Erhebungswellen umfasst. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 41‘118 Personen zu ihrer Mediennutzung befragt. Anhand der erhobenen Mediennutzungsdaten lassen sich Newsrepertoires bilden. Für jede Befragte und jeden Befragten wird das individuelle Repertoire von Medienangeboten bestimmt, das sie oder er verwendet, um sich zu informieren. Befragte mit ähnlichen Newsrepertoires werden induktiv durch Clusteranalysen zu Repertoiretypen zusammengefasst. Über die zwölf Erhebungswellen von 2009 bis 2020 lassen sich kontinuierlich sechs Repertoiretypen beschreiben (Schneider & Eisenegger, 2016, 2018, 2019, 2020). Wir unterscheiden folgende sechs Repertoiretypen, die sich der alten oder der neuen Medienwelt zuordnen lassen. Sie lassen sich anhand ihrer typischen Newsmedienprofile identifizieren (vgl. Abbildung 4). Old-World-Repertoiretypen

New-World-Repertoiretypen

Homeland Oriented

Intensivnutzer_innen

Radio

79%

Abopresse

TV

67%

TV

Abopresse

66%

Online

So cial Media Online

11%

So nntag/Magazin

11%

Pendlerzeitungen

Blo gs

52% 49%

Global Surfer

Bo ulevardpresse

Online

76%

Online TV

65% 62%

Radio Abopresse

56% 41% 14%

Old World & Onlinependants

62% 61% 47% 25% 22%

Abopresse

5%

Bo ulevardpresse

4%

News-Deprivierte

Abopresse

88%

Online Radio

74%

So cial Media

72% 40%

Radio Pendlerzeitungen

77%

TV

So cial Media Online

79%

36% 28%

TV

64%

Pendlerzeitungen

TV Radio Blo gs So nntag/Magazin

57%

So nntag/Magazin

77%

Pendlerzeitungen

61%

Pendlerzeitungen

79%

So cial Media

73%

So cial Media

Bo ulevardpresse

73% 64%

Blo gs

Old World Boulevard

Blo gs

36%

So nntag/Magazin Blo gs

74%

Bo ulevardpresse

3% 1%

Blo gs

77%

So cial Media

16%

So nntag/Magazin Bo ulevardpresse

85% 79%

Radio

19%

Pendlerzeitungen

93%

So nntag/Magazin

29%

Abopresse

11%

Bo ulevardpresse

0%

16

20% 7% 5% 3% 1%


« N E W S - D E P R I VAT I O N » A L S H E R A USF O R D E RU N G F Ü R M O D E R N E D I G I TA L E G E SE L L S C H A F T E N

Abbildung 4: Profile der Repertoiretypen (Schneider & Eisenegger, 2019; aktualisierte Daten für 2020) Die Abbildung zeigt die Profile der Repertoiretypen anhand der wichtigsten Medienkategorien. Abgebildet sind die Anteile der Befragten, die als Nutzungshäufigkeit des Medientyps zu Informationszwecken «oft» oder «sehr oft» angegeben haben. Lesebeispiel: Bei den «News-Deprivierten» nutzen 72% Social Media oft oder sehr oft zu Newszwecken.

Old-World-Repertoires sind dadurch gekennzeichnet, dass die klassischen Nachrichtenmedien Presse, Radio und Fernsehen die Newsnutzung dominieren (Schneider & Eisenegger, 2019). Zu dieser alten Medienwelt zählen «Homeland Oriented», «Old World Boulevard» und «Old World & Onlinependants». Die Hauptquellen sind die (regionale) Tageszeitung, Fernsehen und Radio, wobei sowohl die nationalen öffentlichrechtlichen Sender als auch regionale private Sender genutzt werden. Onlinenews über Nachrichtenportale spielen für «Old World Boulevard» und «Old World & Onlinependants» ebenfalls eine wichtige Rolle. Die einen nutzen die Newssites der Boulevardmedien sowie sonstige unterhaltungs- und sportorientierte Websites, wobei ebenso Social Media in Anspruch genommen werden. Die anderen steuern die Websites derjenigen Newsanbieter an, die sie auch offline nutzen. «Homeland Oriented» haben zwar einen Internetzugang, konsumieren jedoch kaum Nachrichten online. Social Media werden nur selten für Newszwecke genutzt. Bei allen drei Repertoiretypen folgt die Nachrichtennutzung den Rezeptionsritualen der alten Medienwelt mit der morgendlichen Zeitung, den begleitenden Radionachrichten den Tag über und der abendlichen Nachrichtensendung im Schweizer Fernsehen und auf dem regionalen Privatsender. Onlinemedien werden ins Newsrepertoire integriert, insofern dort Inhalte der klassischen Medien angeboten werden. Doch bleibt ihre Nutzung der Logik der Massenmedien verhaftet, d.h., die Inhalte werden vor allem linear rezipiert. In der neuen Medienwelt sind sie damit eher Digital Guests. New-World-Repertoires sind dagegen für Digital Natives oder zumindest Digital Immigrants kennzeichnend, die in der neuen, digitalen Medienwelt zu Hause sind. Die Zuordnung eines Repertoires zur neuen Medienwelt erfolgt nicht allein aufgrund der dort stattfindenden Newsnutzung. Personen mit New-World-Repertoires befriedigen auch weitere Nutzungsbedürfnisse vor allem online, z.B. Unterhaltung oder soziale Kontaktpflege. Insgesamt verbringen diese Nutzer_innen mit und in digitalen Medien deutlich mehr Zeit als diejenigen der Old-World-Repertoires. Für viele «Intensivnutzer_innen», «Global Surfers» und «News-Deprivierte» sind Nachrichtenportale im Internet die Hauptquelle für News. Bei den «Intensivnutzer_innen» ist die (überregionale) Tageszeitung nach wie vor die Hauptquelle, während bei den «News-Deprivierten» Social Media die

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Hauptquelle sind – so viele wie bei keinem anderen Repertoiretyp. Pendlerzeitungen sind für «News-Deprivierte», «Global Surfers» und «Intensivnutzer_innen» nach wie vor wichtige Newsmedien, selbst wenn ihre Bedeutung abnimmt. Gesamthaft sind die Newsrepertoires der «Old World» 2020 nur noch bei rund einem Viertel der Schweizer Mediennutzer_innen zu verzeichnen, während sie zu Beginn der Zeitreihe 2009 bei der Hälfte zu beobachten waren (vgl. Abbildung 5) (Schneider & Eisenegger, 2020).

Abbildung 5: Abnahme der «Old-World-Newsrepertoires» (Schneider & Eisenegger, 2020) Abbildung 5: Abnahme der «Old-World-Newsrepertoires» (Schneider & Eisenegger, 2020) Die Abbildung zeigt die Anteilsentwicklungen der drei Repertoiretypen der alten Welt im Zeitraum von 2009

Die Abbildung zeigt die drei Repertoiretypen der alten Welt im Zeitraum von Update 2009 unterzogen, indem So 2020. Von 2016 aufAnteilsentwicklungen 2017 (gepunktetederLinie) wurde die Repertoirebildung einem bis 2020. Von 2016 auf 2017 (gepunktete Linie) wurde die Repertoirebildung einem Update unterzogen, Media und ausländischen Fernsehsendern stärker berücksichtigt wurden. indem Social Media und ausländischen Fernsehsendern stärker berücksichtigt wurden.

Lesebeispiel: «Old Worldnimmt Boulevard» von auf 15.1% imJahr Jahr 2009 Lesebeispiel: Der Der AnteilAnteil für «Oldfür World Boulevard» von 15.1%nimmt im Jahr 2009 7.5% im 2020 ab. auf 7.5% im Jahr 2020 a

Spiegelbildlich zu den Anteilsverlusten der «Old World» sehen wir einen Zuwachs bei d Repertoiretypen der «New World» (vgl. Abbildung 6).

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Lesebeispiel: Der Anteil für «Old World Boulevard» nimmt von 15.1% im Jahr 2009 auf 7.5% im Jahr « N E W S - D E P R I VAT I O N » A L S H E R A USF O R D E RU N G F Ü R M O D E R N E D I G I TA L E G E SE L L S C H A F T E N

Spiegelbildlich zu den Anteilsverlusten der «Old World» sehen wir einen Zuwachs Repertoiretypen der «New World» (vgl. Abbildung 6).

Spiegelbildlich zu den Anteilsverlusten der «Old World» sehen wir einen Zuwachs bei den Repertoiretypen der «New World» (vgl. Abbildung 6).

Abbildung 6: «Zunahme der New-World-Newsrepertoires» (Schneider & Eisenegger, 2020) Die Abbildung zeigt die Anteilsentwicklungen der Repertoiretypen der neuen Welt im Zeitraum von 2009 bis 2020. Von 2016 auf 2017 (gepunktete Linie) wurde die Repertoirebildung einem Update unterzogen, indem Social Media und ausländische Fernsehsender stärker berücksichtigt wurden. Lesebeispiel: Der Anteil der «News-Deprivierten» nimmt von 20.7% im Jahr 2009 auf 36.7% im Jahr 2020 zu.

Im Folgenden werden die Repertoiretypen beschrieben, um zu zeigen, wie sich die Newsnutzung konkret vollzieht. Darüber hinaus wird verdeutlicht, in welchen Milieus die Repertoires typischerweise eingebettet sind und welche Entwicklungen in den kommenden Jahren zu erwarten sind. «Homeland Oriented» – Abnahme von 9% im Jahr 2009 auf 6% im Jahr 2020 Die auffälligsten Kennzeichen der «Homeland Oriented» sind die starke Konzentration ihrer Newsnutzung auf lokale und regionale Medienangebote und der weitgehende Verzicht, digitale Medien zu Informationszwecken zu nutzen. Die Newsrezeption folgt alltäglichen Routinen. Eine wichtige Rolle spielt das Radio, wobei sowohl private Sender (von den jüngeren Vertreter_innen) als auch Angebote des Service public mit sei-

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nen regionalen und nationalen Sendegefäßen (von den älteren Vertreter_innen) gehört werden. Die Rezeption erfolgt linear und in der Regel als Begleitmedium. Podcasts, die als digitale Adaption und Weiterentwicklung klassischer Audioformate wachsenden Zuspruch erfahren, erreichen die «Homeland Oriented» nicht. Die «Homeland Oriented» sind in sozialstruktureller Hinsicht eher weiblich, älter, haben niedrige bis mittlere Bildungsabschlüsse und wohnen mehrheitlich in ländlichen Regionen. Sie wachsen zunehmend aus dem befragten Sample, das Personen bis 69 Jahre umfasst, heraus. In der Gesamtbevölkerung ist ihr Anteil sicher etwas höher. Trotz der älter werdenden Gesellschaft ist nicht zu erwarten, dass dieser Repertoiretyp anteilmäßig zulegen wird, denn die nachwachsenden Senioren haben Newsrepertoires ausgeprägt, die ebenfalls zunehmend digitale Medien integrieren. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass sie zu den «Homeland Oriented» wandern werden. «Old World Boulevard» – Abnahme von 15% im Jahr 2009 auf 8% im Jahr 2020 Die Newsrepertoires der «Old World Boulevard» zeichnen sich durch die Nutzung von Boulevardmedien aus. Die Newsnutzung ist ein ritualisierter Vorgang, der in festgelegten Rhythmen in den Alltag eingebettet ist. Das Interesse an Softnews und Sport führt zu einer Nutzung entsprechender Informationsangebote sowohl offline wie online. Die Verlagerung von boulevardesken Inhalten auf Websites und Social-MediaPlattformen spiegelt sich in ihrem Nutzungsverhalten. Die «Old World Boulevard» sind sozialstrukturell gesehen das männliche Pendant zu den «Homeland Oriented». Im Vergleich zu Letzteren wird ein höheres Zeitbudget auf die Mediennutzung verwendet. News werden in der Regel bewusst und nicht als Begleitverhalten rezipiert. Die Newsrezeption steht dabei in Konkurrenz zum unterhaltenden Medienkonsum. Es ist zu erwarten, dass dieser Repertoiretyp weiterhin die ihn interessierenden Inhalte durch entsprechende Angebote abdecken kann, sei es offline oder online, insofern insbesondere digitale Medien ihren starken Fokus auf Human Interest und Unterhaltung beibehalten. «Old World & Onlinependants» – Abnahme von 25% im Jahr 2009 auf 12% im Jahr 2020 Nutzer_innen mit einem Newsrepertoire des Typs «Old World & Onlinependants» sind nach wie vor klar in der traditionellen Medienwelt beheimatet. Die festen Nutzungsroutinen, die rund um die klassischen Nachrichtenmedien gepflegt werden, werden aber ergänzt durch die Onlinependants dieser Medienangebote. Sie folgen damit dem oftmals in den Rundfunkmedien gegebenen Hinweis, dass weitere Informationen zum Thema «auf unserer Website» zu finden sind. Personen mit diesen

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Newsrepertoires haben typischerweise mittlere bis höhere Bildungsabschlüsse. Sie nehmen regelmäßig ihr Wahlrecht wahr. Die Entwicklungsperspektive dieses Repertoiretyps läuft darauf hinaus, mehr und mehr klassische Nachrichtenmedien durch Onlineangebote zu ersetzen. «Old World & Onlinependants» werden zumindest in Bezug auf schriftliche News zunehmend zu «Online Only». Die klassische gedruckte Zeitung wird dabei nicht zwingend durch das bezahlte Onlineabonnement ersetzt. Sehr oft verlagern sie ihren Newskonsum auf kostenlose Angebote und wandern somit zu anderen Repertoiretypen ab: Die Anteile von «Old World & Onlinependants» werden daher weiter schwinden. «Intensivnutzer_innen» – relative Stabilität von 14% im Jahr 2009 und 11% im Jahr 2020 «Intensivnutzer_innen» haben ein breites Interesse an News. Damit geht ein hohes Qualitätsbewusstsein einher. «Intensivnutzer_innen» kennen die Reputation und Images von Medienangeboten. Die Newsnutzung und der Rückgriff auf prestigeträchtige Medienangebote sind für sie eine Möglichkeit der Status-Distinktion. Man hebt sich mit dem gehobenen Newskonsum von anderen ab. Das tun diese expressiven Mediennutzer_innen z.B., indem sie News-Start-ups unterstützen. Sie kommen dem Idealbild der informierten und Positionen diskursiv abwägenden Staatsbürger_innen, die selbst zivilgesellschaftlich und politisch aktiv sind, am nächsten. «Intensivnutzer_innen» verfügen über höhere Bildungsabschlüsse und haben höhere Einkommen als der Bevölkerungsdurchschnitt. Sie sind typischerweise Bildungsbürger_innen. Die Entwicklungsperspektive für die «Intensivnutzer_innen» ist durchaus positiv. Auch wenn er keine Anteile zulegen wird, umfasst dieser Repertoiretyp eine stabile Minderheit von rund 10%. «Intensivnutzer_innen» suchen und finden Qualität in allen Medientypen. Sie wissen, wo sie die Inhalte beziehen können, die sie interessieren. Zugleich sind sie offen und lassen sich auf neue Inhalte ein. Da sie darüber hinaus bereit sind, für News zu bezahlen, geben sie Macher_innen von gehaltvollem Journalismus Hoffnung auf eine Zukunft. «Global Surfer» – Zunahme von 16% im Jahr 2009 auf 26% im Jahr 2020 Die Newsrepertoires der «Global Surfers» umfassen vor allem digitale Medien und internationale Angebote. Gedruckte News konsumiert der «Global Surfer» lediglich, wenn er zu einer Pendlerzeitung greift. Er nutzt so gut wie keine schweizerische Tagespresse und auch in Radio und TV setzt er auf ausländische Nachrichtensendungen. Mit seiner stark internationalisierten Mediennutzung ist der «Global Surfer» der Gegenpart zu den «Homeland Oriented». Zwischen den Newsrepertoires dieser bei-

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den Typen gibt es die wenigsten Überlappungen. Der typische «Global Surfer» ist berufstätig, gut gebildet und urban. Der Anteil von Personen mit nicht schweizerischer Staatsangehörigkeit ist um 30% höher als im Bevölkerungsdurchschnitt. Die Zeichen für diesen Repertoiretyp stehen auf Wachstum. Zum einen nehmen die «Global Surfers» Newsrepertoires auf, die durch die Verabschiedung von den klassischen Nachrichtenmedien aus der Old World herausfallen. Zum anderen kommen ehemalige «News-Deprivierte» hinzu, wenn sie ihren Newskonsum steigern. Die «Global Surfers» sind als informationsaffine, aber bislang unterversorgte Mitbürger_innen durchaus eine Potentialgruppe für Newsangebote. Die Herausforderung besteht darin, ihnen Angebote zu unterbreiten, die zu ihrem digitalen Medienverhalten passen. «News-Deprivierte» – Zunahme von 21% im Jahr 2009 auf 37% im Jahr 2020 Die Newsrepertoires der «News-Deprivierten» sind wie eingangs definiert durch einen unterdurchschnittlichen Newskonsum über alle Medien hinweg gekennzeichnet. Die geringe Newsnutzung der «News-Deprivierten» findet über digitale Medien statt. Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen, dass Befragte, die sämtliche Medien unterdurchschnittlich zu Newszwecken nutzen und allein bei Social Media an die durchschnittliche Nutzungsfrequenz heranreichen, Kandidat_innen für den Deprivationstyp sind. Waren zu Beginn unserer Zeitreihe Pendlerzeitungen das Medium, über welches sie noch am ehesten von aktuellen Informationen erreicht wurden, sind es heute Social-Media-Plattformen. Klassische Printmedien fallen als Newsquellen vollständig weg. Die geringe Nachfrage nach News wird in diesem Repertoiretyp durch die Gratislieferungen abgedeckt, die online und via Social Media auf den Bildschirm gespült werden. Es ist zu erwarten, dass der Anteil der «News-Deprivierten» weiter steigen wird. Der Repertoiretyp integriert einerseits Newsrepertoires, die aus der alten Medienwelt herausfallen, weil die ritualisierten Nutzungen der klassischen Newsmedien verschwinden. Andererseits wachsen neue Mediennutzer_innen heran, denen die klassischen Newsmedien fremd sind. Bei den 16- bis 29-Jährigen machen die «News-Deprivierten» rund die Hälfte aus. Das entspricht dem in internationalen Studien gemessenen Anteil der «News-Avoiders» unter jungen Menschen (Edgerly et al., 2018). Diese Generation, die mit der Gratiskultur der Pendlerzeitungen und der ins Internet gestellten Zeitungsartikel aufgewachsen ist, hat praktisch keine Zahlungsbereitschaft für News und insgesamt nur ein geringes Bewusstsein für qualitativ hochwertige News. Gleichwohl interpretieren wir die geringe Newsnutzung nicht als intentionale Newsverweigerung.

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Der Einbau von Social Media in das Newsrepertoire 3 Ein wichtiger Treiber für die Differenzierung der Newsrepertoires ist die Nutzung von Social-Media-Plattformen (Schneider & Eisenegger, 2020). Je nach Repertoiretyp werden Social Media unterschiedlich in das eigene Medien- und damit Newsrepertoire eingebaut. Die Nutzungsmotive und konkreten Verwendungen der Plattformen sind mehrschichtig, wie durch die Analyse der Social-Media-Nutzungen dargelegt werden konnte (Schneider & Eisenegger, 2019, 2020). Die Unterscheidung der Newsrepertoires läuft einerseits über die genutzten Plattformen (insbesondere: Facebook, Twitter, YouTube, Instagram, Snapchat, WhatsApp, XING/ LinkedIn) und andererseits über Nutzungsmotive (zentral sind: das Socializing, also das Kommunizieren und In-Kontakt-Bleiben mit Freund_innen und Bekannten, die Unterhaltung, das Folgen bekannter Personen (z.B. auch Influencer_innen), die Information und das Produzieren eigener Inhalte). Über alle Repertoiretypen hinweg dominieren Socializing und Unterhaltung, gefolgt vom Zweck, bekannten Personen zu folgen. Sich über Nachrichten zu informieren, ist ein nachgeordnetes Nutzungsmotiv. Nur eine Minderheit produziert selbst Inhalte, die sie über Social Media veröffentlichen. Die meisten Plattformverwendungen haben die Repertoiretypen der «New World». Sie nutzen in der überwiegenden Mehrheit mehrere Plattformen und geben in der Regel mehrere Nutzungsmotive pro Plattform an. Die vielfältigste Social-Media-Nutzung mit der im Vergleich höchsten Bedeutung der Newsnutzung weisen «Intensivnutzer_innen» auf. Sie sind öfter selbst aktiv, indem sie Inhalte produzieren und veröffentlichen. «Global Surfers» und «News-Deprivierte» sind sich sehr ähnlich, wenn man die zusammengefassten Plattformverwendungen in der Abbildung betrachtet. Gleichwohl zeigt sich, dass die beiden Typen unterschiedliche Plattformen für ihre Nutzungsmotive bevorzugen. So nutzen «Global Surfers» Twitter signifikant häufiger, insbesondere um Personen, die öffentlich bekannt sind, zu folgen und sich über aktuelle News zu informieren. Die Businessplattformen XING und LinkedIn werden von ihnen ebenfalls stärker frequentiert, vor allem um sich zu vernetzen. Dagegen sind «News-Deprivierte» sehr viel stärker bei Snapchat und Instagram anzutreffen, wobei News nur eine marginale Rolle spielen. Socializing und Unterhaltung stehen für sie im Vordergrund. Wenn sie selbst Inhalte produzieren und veröffentlichen, dann bevorzugt auf diesen beiden Plattformen.

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Vgl. Schneider und Eisenegger (2019, 2020)

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Die Repertoiretypen der «Old World» nutzen Social-Media-Plattformen signifikant wenig Sie kombinieren kaum verschiedene Nutzungsmotive auf einer Plattform. Stattdes Die Repertoiretypen «Old World» nutzen Social-Media-Plattformen verwenden sie eineder Plattform in der Regel zu dem Zweck, der mit dieser Plattfo signifikant weniger. Sie kombinieren kaum verschiedene Nutzungsmoüblicherweise verknüpft wird. Am ausgeprägtesten ist die Social-Media-Nutzung bei «O tive auf einer Plattform. Stattdessen verwenden sie eine Plattform in der Worldzu Boulevard». Die Boulevardinhalten inzwischen zu einem Groß Regel dem Zweck, derVersorgung mit dieser mit Plattform üblicherweisewird verknüpft über Am Social Media sichergestellt, während die klassische Boulevardzeitung an Bedeutu wird. ausgeprägtesten ist die Social-Media-Nutzung bei «Old World Boulevard». Versorgung «Old mit Boulevardinhalten wird inzwischen zu Onlinemedien, ble einbüßt. DieDie Nutzergruppe World & Onlinependants» nutzt zwar einem Großteil über Social Media sichergestellt, während aber bei Social-MediaAnwendungen zurückhaltend. Fürdie dieklassische Newsversorgung spielen Soc Boulevardzeitung an Bedeutung einbüßt. Die Nutzergruppe «Old World Media-Plattformen wichtige Rolle. Die bleibt wenigsten Social-Media-Verwendungen & Onlinependants» keine nutzt zwar Onlinemedien, aber bei Socialerwartungsgemäß der zurückhaltend. Repertoiretyp «Homeland Oriented». Inspielen Bezug auf Social Media s MediaAnwendungen Für die Newsversorgung Social-Media-Plattformen keine wichtige Rolle. ein Die Großteil wenigsten Socialdessen Vertreter_innen bestenfalls Nachzügler, von ihnen verzichtet vollstän Media-Verwendungen hat erwartungsgemäß der Repertoiretyp «Homeauf Social Media.

land Oriented». In Bezug auf Social Media sind dessen Vertreter_innen bestenfalls eindigitalen Großteil von ihnen an verzichtet vollständig auf Neben demNachzügler, Anteil der Medien der Newsnutzung markiert vor allem Social Media. Gesamtumfang der Newsnutzung die Unterschiede zwischen den Repertoiretypen (v Neben dem Anteil der digitalen Medien an der Newsnutzung markiert Abbildung 7). Gesamtumfang der Newsnutzung die Unterschiede zwivor allem der schen den Repertoiretypen (vgl. Abbildung 7).

Abbildung Verortung Repertoiretypen nach Quantität und Digitali-der Newsnutzung (Schne der der Repertoiretypen nach Quantität und Digitalisierungsgrad Abbildung 7:7:Verortung sierungsgrad der Newsnutzung (Schneider & Eisenegger, 2019; aktuali& Eisenegger, 2019; aktualisierte Daten für 2020) sierte Daten für 2020)

DieAbbildung Abbildung die Repertoiretypen den quantitativen Gesamtumfang auf der x-Ac Die zeigt zeigt für diefür Repertoiretypen den quantitativen Gesamtumfang der Newsnutzung aufder derNewsnutzung xund den Anteil Medien der Newsnutzung aufDerder y-Achse. summiert Der Gesamtumfang summiert Achse und den Anteil digitaler digitaler Medien an deran Newsnutzung auf der y-Achse. Gesamtumfang

Nutzungsfrequenzen aller abgefragten Newsmedien auf und transformiert den Wert auf eine Skala Newsnutzung von 0 (gar keine Newsnutzung) bis 100 (Newsnutzung rund um die Uhr). Dargestellter Bereich 10 (sehr gering) über 30 (mittel) bis 5024 (sehr hoch). Anteil der digitalen Newsnutzung (Social Media, Onl Newssites und Blogs) im Gegensatz zur traditionellen Newsnutzung (Print, Radio und Fernsehen).


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die Nutzungsfrequenzen aller abgefragten Newsmedien auf und transformiert den Wert auf eine Skala der Newsnutzung von 0 (gar keine Newsnutzung) bis 100 (Newsnutzung rund um die Uhr). Dargestellter Bereich von 10 (sehr gering) über 30 (mittel) bis 50 (sehr hoch). Anteil der digitalen Newsnutzung (Social Media, Online-Newssites und Blogs) im Gegensatz zur traditionellen Newsnutzung (Print, Radio und Fernsehen). Lesebeispiel: Die «Intensivnutzer_innen» haben einen Gesamtumfang der Newsnutzung von 40 (hoch) und einen digitalen Nutzungsanteil von 45%.

Die «Intensivnutzer_innen» haben den absolut größten Umfang an Newsnutzung. Sie nutzen sehr viele unterschiedliche Medien regelmäßig und ausgiebig. Sie bilden damit den Kern der Gruppe, die als «NewsSeekers» bezeichnet werden. Den Gegenpol bilden erwartungsgemäß die «News-Deprivierten». Sie nutzen von allen Repertoiretypen am wenigsten News. Diese Unterversorgung mit News ist nur bei einem Teil das Ergebnis einer bewussten Vermeidungsstrategie. «News-Avoiders», im engeren Sinn charakterisiert durch eine Totalverweigerung von News, sind nur eine Minderheit, denn punktuell und themenspezifisch zeigen die «News-Deprivierten» sehr wohl Newsinteresse. Wir stellen bei den «News-Deprivierten» keine systematische Strategie der Newsverweigerung fest, so dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, sie zukünftig wieder stärker an News heranzuführen, wenn sie auf Newsangebote zugreifen können, die zu ihrem Medienverhalten passen. Zwischen diesen beiden Repertoiretypen, die vor allem durch die Quantität ihrer Newsnutzung Gegenpole bilden, lassen sich mit je eigenen Profilmerkmalen die anderen Repertoiretypen verorten. Die Old-World-Repertoires mit der Boulevard-Orientierung und der Integration der Onlinependants haben inzwischen einen digitalen Anteil bei der Newsnutzung, der an jenen der New-World-Repertoires heranreicht. Das liegt vor allem daran, dass die traditionellen Newsmedien mehr und mehr durch Onlinependants ersetzt werden: Beim Typ «Old World & Onlinependants» ist es vor allem die Tageszeitung, die durch Newssites konkurrenziert wird; beim Typ «Old World Boulevard» ist es die Boulevardzeitung, die durch softnewshaltige Angebote im Internet und auf Social- Media-Plattformen verdrängt wird. Dagegen verbleiben die «Homeland Oriented» mit ihrer quantitativ unterdurchschnittlichen Newsnutzung weitgehend in der alten Medienwelt. Die wahrgenommenen Themenagenden im Jahr 2019 4 Neben der detaillierten Erfassung der Mediennutzung, die der Bildung der Newsrepertoires dient, werden in den jährlichen Befragungen die persönlichen Themenagenden anhand von Kommunikationsereignissen 4

Vgl. Schneider & Eisenegger (2020)

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bestimmt. Dazu werden jeweils 20 resonanzstarke Kommunikationsereignisse, d h. Berichterstattungsthemen und Einzelereignisse aus dem Vorjahr definiert. Die Befragten geben an, welche fünf «Ereignisse und Themen sie selbst am intensivsten verfolgt» haben. Die aus den persönlichen Themenagenden aggregierte Bevölkerungsagenda listet auf, welche Kommunikationsereignisse die Bevölkerung 2019 wahrgenommen hat (vgl. Abbildung 8).

Abbildung 8: Ranking von 20 in der Bevölkerung wahrgenommenen Kommunikationsereignissen aus dem Jahr 2019 (Schneider & Eisenegger, 2020)

Abbildung 8: Ranking von 20 in der Bevölkerung wahrgenommenen Kom-

Die Abbildung zeigt, welche Kommunikationsereignisse aus dem Jahr 2019 von&der Schweizer Bevölkerung munikationsereignissen aus dem Jahr 2019 (Schneider Eisenegger, 2020) besonders intensiv verfolgt wurden. Aus 20 Kommunikationsereignissen, die in der Schweizer Die Abbildung zeigt, welche Kommunikationsereignisse aus dem Jahr 2019 von der Schweizer Bevölkerung Medienöffentlichkeit besonders viel Resonanz erzeugten, sollten die Befragten auswählen und priorisieren.

besonders intensiv verfolgt wurden. Aus 20 Kommunikationsereignissen, die in der Schweizer Medienöffent-

Lesebeispiel: Die Nationalratswahlen mit der sogenannte «Grünen Welle» im Bundeshaus wählten 37% der lichkeit besonders viel Resonanz erzeugten, sollten die Befragten auswählen und priorisieren. Befragten unter ihre Top-5-Kommunikationsereignisse des Jahres 2019. Für 11% war es das Lesebeispiel: Die Nationalratswahlen mit20der sogenannte Welle» im Bundeshaus 37% der Kommunikationsereignis, das sie von den vorgelegten am «Grünen intensivsten verfolgt hatten (Platz wählten 1).

Befragten unter ihre Top-5-Kommunikationsereignisse des Jahres 2019. Für 11% war es das Kommunikationsereignis, das sie von den 20 vorgelegten am intensivsten verfolgt hatten (Platz 1).

Die Politik von US-Präsident Donald Trump an der Spitze der Themenagenda der Bevölkerung erscheint als medialer Selbstläufer. Mehr als jede_r Zweite hat Donald Trump auf der Die Politik von US-Präsident Donald Trump an der Spitze der Themepersönlichen Jahresagenda. Die Nachfrage nach Berichten über Trump ist ungebrochen. Als nagenda der Bevölkerung erscheint als medialer Selbstläufer. Mehr als Kommunikationsereignis weist Trump typische Merkmale des Boulevards auf: jede_r Zweite hat Donald Trump auf der persönlichen Jahresagenda. Die Personenfixierung, bewusste Grenzüberschreitungen einerseits und skandalisierende Nachfrage nach Berichten über Trump ist ungebrochen. Als KommuniBerichterstattung andererseits.

kationsereignis weist Trump typische Merkmale des Boulevards auf: Per-

Der Brexit kommt bei der Bevölkerung auf den zweiten Platzeinerseits der Themenagenda. Da sonenfixierung, bewusste Grenzüberschreitungen und skanwiederholt Termine für finale Entscheidungen gesetzt wurden, denen die Berichterstattung und dalisierende Berichterstattung andererseits. das Publikum entgegenfiebern konnten, erhielt das Kommunikationsereignis fortlaufend Der Brexit kommt bei der Bevölkerung auf den zweiten Platz der TheResonanz. Zudem sorgte wohl die teilweise als kontrovers wahrgenommene Persönlichkeit von menagenda. Da wiederholt Termine für finale Entscheidungen gesetzt Boris Johnson für Aufmerksamkeit. Dabei kamen ähnliche boulevardeske Nachrichtenlogiken wie bei Donald Trump zum Tragen.

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wurden, denen die Berichterstattung und das Publikum entgegenfiebern konnten, erhielt das Kommunikationsereignis fortlaufend Resonanz. Zudem sorgte wohl die teilweise als kontrovers wahrgenommene Persönlichkeit von Boris Johnson für Aufmerksamkeit. Dabei kamen ähnliche boulevardeske Nachrichtenlogiken wie bei Donald Trump zum Tragen. Während die ersten beiden Kommunikationsereignisse keinen eigentlichen Bezug zur Schweiz haben, kommt auf den dritten Platz eine internationale Bewegung, die ebenso in der Schweiz zu einem politischen Phänomen wurde. Die Bewegung «Fridays for Future» beziehungsweise die Klimabewegung erhielt in den etablierten Newsmedien von Beginn an hohe und verbreitet wohlwollende Resonanz. Der Tenor in Social Media war demgegenüber deutlich kontroverser. Auffällig ist, dass dieses drittplatzierte Kommunikationsereignis ebenfalls maßgeblich durch den Fokus auf eine Person – Greta Thunberg – geprägt ist. Auf Platz vier steht mit dem «Brand der Kirche Notre-Dame in Paris» ein Kommunikationsereignis, bei dem ein einzelner Vorfall Auslöser der Berichterstattung war. Die mediale Resonanz war im Unterschied zu den Top-3-Kommunikationsereignissen auf einige Tage konzentriert. Die Wahlen zum Nationalrat, dem Schweizer Parlament, waren das herausragende politische Ereignis innerhalb des politischen Systems der Schweiz. Sie landen aber nur auf dem fünften Platz der Themenagenda der Schweizer Bevölkerung. Die Orientierung am vorgegebenen politischen Prozess einer Wahl sorgt für eine kontinuierliche Berichterstattung über mehrere Wochen hinweg. Die Reihenfolge auf der Agenda der Schweizer Bevölkerung zeigt die zentralen Kommunikationsereignisse des Jahres auf. Doch auch Themen und Ereignisse, die in der Agenda der Gesamtbevölkerung weiter hinten rangieren, bilden für bestimmte Nutzer_innen wichtige Kommunikationskontexte für gesellschaftliche und politische Debatten. Im Vergleich zeigen sich aufschlussreiche Unterschiede der Themenagenden zwischen den Newsrepertoiretypen. Die Unterschiede äußern sich in der über- bzw. unterdurchschnittlichen Beachtung von Kommunikationsereignissen, also gerade in den Abweichungen von der Themenagenda der Gesamtbevölkerung. Bisweilen werden dadurch Fragmentierungstendenzen sichtbar, vor allem wenn bestimmte Themenfelder und Bezugsräume auf den Agenden der Repertoiretypen systematisch ausgeblendet werden. Die Nationalratswahlen stehen bei den Repertoiretypen der «Old World» ganz oben. Diese Wahlen werden von ihnen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung signifikant stärker verfolgt. Die weiteren Kommunikationsereignisse auf der Agenda können ebenfalls der nationalen Politik zugeordnet werden: Volksabstimmung zur Steuerreform und EU-Rahmenabkommen. Es zeigt sich, dass der Bezug zur Schweiz und die Politikorientierung für die Agenden der Repertoiretypen der

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«Old World» typisch sind (vgl. Abbildung 9). Nationalratswahlen, "Grüne Welle" im Bundeshaus Volksabstimmung zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) Diskussionen über das EU-Rahmenabkommen Kontroverse um Bundesanwalt Lauber wegen FIFA-Ermittlungen Brexitstreit und Sieg von Boris Johnson bei den Unterhauswahlen Qualifikation der Schweizer Fussball-Nati für die EURO 2020 Ibiza-Affäre um Vizekanzler Strache in AT, Ende ÖVP -FP Ö-Koalition Politik von Donald Trump als US-Präsident Rechtsterror in DE: P olitikermord Kassel, Synagogenanschlag Halle Internationale Wirtschaftspolitik zw. Freihandel und Strafzöllen Bürgerkriege und Unruhen im Nahen Osten Streit Credit-Suisse-Banker Thiam und Khan, Beschattungsaffäre Brand der Kirche Notre-Dame in Paris Unternehmenskrise bei Boeing, Flugzeugabstürze der 737 MAX "Gelbwesten" in FR, Streiks gegen Macrons Reformpolitik Lancierung des 5G-Mobilfunknetzes Greta Thunberg und die Klimabewegung "Fridays for Future" Flüchtlingskrise und Seenotrettung im Mittelmeer Kontroverse zwischen Impfgegnern und Impfbefürwortern Frauenstreiktag in der Schweiz -6

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Abbildung 9: Themenagenda 2019 der Repertoiretypen der «Old World» (Schneider & Eisenegger, 2020) Die Abbildung zeigt standardisierte Residuen (als statistisches Maß der Abweichung vom Durchschnitt), die angeben, wie über- bzw. unterdurchschnittlich ein Kommunikationsereignis von den Repertoiretypen der «Old World» im Vergleich zum Gesamtsample wahrgenommen wird. Eine Abweichung von mehr als zwei Punkten verweist auf substanzielle Unterschiede zum Gesamtsample, während geringere Abweichungen vom 0-Wert auf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Gesamtsample hindeuten. Lesebeispiel: Die Nationalratswahlen stehen bei den Repertoiretypen der «Old World» deutlich häufiger auf der persönlichen Agenda. Dagegen ist kein Kommunikationsereignis signifikant seltener vertreten als auf der Agenda der Gesamtbevölkerung.

Dabei zeigen die einzelnen Repertoiretypen der «Old World» unterschiedliche Schwerpunkte. Die «Homeland Oriented» haben den stärksten Heimatfokus. Ihre Agenda scheint vor allem durch die Schweiz-Seiten der Tageszeitungen bestückt zu werden. Bei «Old World Boulevard» sticht die Sportorientierung heraus. Die Qualifikation der Schweizer Fußballnationalmannschaft für die Endrunde der Europameisterschaft wird von diesem Repertoiretyp bevorzugt auf die Agenda gesetzt. Die «Old World Boulevard & Onlinependants» tragen wesentlich zur nationalen Politikorientierung bei. Langfristige und komplexere politische Themen sind bei diesem Repertoiretyp überrepräsentiert. Insgesamt weicht die Agenda der Repertoiretypen der «Old World» kaum vom Bevölkerungsdurchschnitt ab. Die Themenwahrnehmung der verschiedenen Repertoiretypen der «New World» unterscheiden sich dagegen stärker vom Bevölkerungsdurchschnitt. Je mehr Onlinemedien und vor allem Social Media genutzt wer-

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den, desto größer sind die Unterschiede in den Themenagenden, die sie wahrnehmen und mit gesteigertem Interesse verfolgen. Besonders die «Intensivnutzer_innen» weisen eine sehr eigenständige Themenagenda auf, die stark vom Bevölkerungsdurchschnitt abweicht (vgl. Abbildung 10). Kontroverse um Bundesanwalt Lauber wegen FIFA-Ermittlungen Ibiza-Affäre um Vizekanzler Strache in AT, Ende ÖVP -FP Ö-Koalition Diskussionen über das EU-Rahmenabkommen Internationale Wirtschaftspolitik zw. Freihandel und Strafzöllen Streit Credit-Suisse-Banker Thiam und Khan, Beschattungsaffäre Rechtsterror in DE: P olitikermord Kassel, Synagogenanschlag Halle Volksabstimmung zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) "Gelbwesten" in FR, Streiks gegen Macrons Reformpolitik Bürgerkriege und Unruhen im Nahen Osten Qualifikation der Schweizer Fussball-Nati für die EURO 2020 Brexitstreit und Sieg von Boris Johnson bei den Unterhauswahlen Unternehmenskrise bei Boeing, Flugzeugabstürze der 737 MAX Nationalratswahlen, "Grüne Welle" im Bundeshaus Flüchtlingskrise und Seenotrettung im Mittelmeer Politik von Donald Trump als US-Präsident Frauenstreiktag in der Schweiz Kontroverse zwischen Impfgegnern und Impfbefürwortern Lancierung des 5G-Mobilfunknetzes Greta Thunberg und die Klimabewegung "Fridays for Future" Brand der Kirche Notre-Dame in Paris -6

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Abbildung 10: Themenagenda 2019 der «Intensivnutzer_innen» (Schneider & Eisenegger, 2020) Die Abbildung zeigt standardisierte Residuen (als statistisches Maß der Abweichung vom Durchschnitt), die angeben, wie über- bzw. unterdurchschnittlich ein Kommunikationsereignis im Vergleich zum Gesamtsample wahrgenommen wird. Eine Abweichung von mehr als zwei Punkten verweist auf substanzielle Unterschiede zum Gesamtsample, während geringere Abweichungen vom 0-Wert auf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Gesamtsample hindeuten. Lesebeispiel: Die Kontroverse um Bundesanwalt Lauber und diejenige um den österreichischen Vizekanzler Strache stehen bei den «Intensivnutzer_innen» deutlich häufiger auf der persönlichen Agenda. Dagegen ist der Brand von Notre-Dame signifikant seltener vertreten als auf der Agenda der Gesamtbevölkerung.

Selbst bei den unterrepräsentierten Kommunikationsereignissen (Brand von Notre-Dame, Klimabewegung, 5G-Mobilfunknetz) kommt es bei den «Intensivnutzer_innen» nicht zu einer Unterversorgung mit entsprechenden Informationen. Sie konsumieren und verarbeiten so viele News, dass sie auch über diese Ereignisse informiert sind, obwohl sie diese vergleichsweise weniger stark wahrgenommen haben. Aufschlussreich ist, welche Kommunikationsereignisse sie stärker als alle anderen Newsrepertoiretypen verfolgen. Zum einen handelt es sich um rechtsstaatlich relevante, politisch-wirtschaftliche Affären (Bundesanwalt Lauber, österreichischer Vizekanzler Strache, Credit-Suisse-Top-Manager Thiam und Khan), zum anderen um wirtschaftspolitische Themen,

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die weniger mit einem einzelnen Ereignis verknüpft sind, sondern sich als grundsätzliche Debatten über einen längeren Zeitraum erstrecken (EU-Rahmenabkommen, internationale Wirtschaftspolitik). «Global Surfers» verfolgen ebenfalls wirtschaftliche Themen wie Freihandel und Strafzölle intensiver als andere. Für sie sind Internationalität bzw. die internationalen Beziehungen der Schweiz das prägende Kennzeichnen ihrer persönlichen Themenagenda. In diesem Zusammenhang werden auch Skandalisierungen, die sich auf Unternehmen beziehen, stark wahrgenommen. Dem gegenüber stehen originäre schweizerische Kommunikationsereignisse am Ende ihrer Themenagenda, z.B. die Nationalratswahlen oder der Frauenstreik (vgl. Abbildung 11). Internationale Wirtschaftspolitik zw. Freihandel und Strafzöllen Unternehmenskrise bei Boeing, Flugzeugabstürze der 737 MAX Streit Credit-Suisse-Banker Thiam und Khan, Beschattungsaffäre Brexitstreit und Sieg von Boris Johnson bei den Unterhauswahlen "Gelbwesten" in FR, Streiks gegen Macrons Reformpolitik Diskussionen über das EU-Rahmenabkommen Politik von Donald Trump als US-Präsident Flüchtlingskrise und Seenotrettung im Mittelmeer Bürgerkriege und Unruhen im Nahen Osten Rechtsterror in DE: P olitikermord Kassel, Synagogenanschlag Halle Volksabstimmung zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) Ibiza-Affäre um Vizekanzler Strache in AT, Ende ÖVP -FP Ö-Koalition Lancierung des 5G-Mobilfunknetzes Kontroverse um Bundesanwalt Lauber wegen FIFA-Ermittlungen Greta Thunberg und die Klimabewegung "Fridays for Future" Qualifikation der Schweizer Fussball-Nati für die EURO 2020 Kontroverse zwischen Impfgegnern und Impfbefürwortern Frauenstreiktag in der Schweiz Brand der Kirche Notre-Dame in Paris Nationalratswahlen, "Grüne Welle" im Bundeshaus -6

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Abbildung 11: Themenagenda 2019 der «Global Surfers» (Schneider & Eisenegger, 2020) Die Abbildung zeigt standardisierte Residuen (als statistisches Maß der Abweichung vom Durchschnitt), die angeben, wie über- bzw. unterdurchschnittlich ein Kommunikationsereignis im Vergleich zum Gesamtsample wahrgenommen wird. Eine Abweichung von mehr als zwei Punkten verweist auf substanzielle Unterschiede zum Gesamtsample, während geringere Abweichungen vom 0-Wert auf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Gesamtsample hindeuten. Lesebeispiel: Internationale Wirtschaftspolitik steht beim Repertoiretyp «Global Surfer» deutlich häufiger auf der persönlichen Agenda. Dagegen sind die Nationalratswahlen signifikant seltener vertreten als auf der Agenda der Gesamtbevölkerung.

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Es bestätigt sich die Annahme, dass «Global Surfers» kaum in die schweizerischen Debatten eingebunden sind. Ihr Fokus liegt viel stärker auf politischen und ökonomischen Kommunikationsereignissen des internationalen Geschehens. Noch stärkere Abweichungen von der durchschnittlichen Themenagenda der Bevölkerung als bei den Typen der «Intensivnutzer_innen» und «Global Surfers» zeigen sich bei den Frauenstreiktag in der Schweiz Brand der Kirche Notre-Dame in Paris Kontroverse zwischen Impfgegnern und Impfbefürwortern Greta Thunberg und die Klimabewegung "Fridays for Future" Lancierung des 5G-Mobilfunknetzes Flüchtlingskrise und Seenotrettung im Mittelmeer Bürgerkriege und Unruhen im Nahen Osten "Gelbwesten" in FR, Streiks gegen Macrons Reformpolitik Politik von Donald Trump als US-Präsident Qualifikation der Schweizer Fussball-Nati für die EURO 2020 Rechtsterror in DE: P olitikermord Kassel, Synagogenanschlag Halle Unternehmenskrise bei Boeing, Flugzeugabstürze der 737 MAX Ibiza-Affäre um Vizekanzler Strache in AT, Ende ÖVP -FP Ö-Koalition Nationalratswahlen, "Grüne Welle" im Bundeshaus Streit Credit-Suisse-Banker Thiam und Khan, Beschattungsaffäre Volksabstimmung zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) Kontroverse um Bundesanwalt Lauber wegen FIFA-Ermittlungen Brexitstreit und Sieg von Boris Johnson bei den Unterhauswahlen Internationale Wirtschaftspolitik zw. Freihandel und Strafzöllen

«News-Deprivierten» (vgl. Abbildung 12). Diskussionen über das EU-Rahmenabkommen -6

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Abbildung 12: Themenagenda 2019 der «News-Deprivierten» (Schneider & Eisenegger, 2020) Die Abbildung zeigt standardisierte Residuen (als statistisches Maß der Abweichung vom Durchschnitt), die angeben, wie über- bzw. unterdurchschnittlich ein Kommunikationsereignis im Vergleich zum Gesamtsample wahrgenommen wird. Eine Abweichung von mehr als zwei Punkten verweist auf substanzielle Unterschiede zum Gesamtsample, während geringere Abweichungen vom 0-Wert auf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Gesamtsample hindeuten. Lesebeispiel: Der Frauenstreik steht bei den «News-Deprivierten» deutlich häufiger auf der persönlichen Agenda. Dagegen ist die Diskussion über das EU-Rahmenabkommen signifikant seltener vertreten als auf der Agenda der Gesamtbevölkerung.

Bei den «News-Deprivierten» sind komplexere Kommunikationsereignisse des politischen Meinungs- und Entscheidungsfindungsprozesses in ihrer Themenwahrnehmung stark unterrepräsentiert (Schneider & Eisenegger, 2020). Wirtschaftspolitische Debatten überschreiten die Aufmerksamkeitsschwelle der «News-Deprivierten» ebenfalls so gut wie nie. Dafür sind andere Kommunikationsereignisse auf der Themenagenda übervertreten. Gemeinsam ist den zuvorderst platzierten Kommunikationsereignissen, die besonders für die «News-Deprivierten» und für keinen anderen Repertoiretyp charakteristisch sind, dass sie auf S ­ ocial

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Media eine vergleichsweise hohe und oftmals kontroverse Resonanz ausgelöst haben. In den Vorjahren landeten z. B. die #MeToo-Debatte oder der Skandal über Datenmissbrauch bei Facebook ganz vorne in ihrer Agenda. Beim Brand von Notre-Dame waren Social Media für die Zeitspanne des Geschehens sozusagen weltweit auf das Einzelereignis synchronisiert (Global Editors Network, 2019). Der Frauenstreiktag und die Klimabewegung waren mit einer großen Mobilisierung verbunden, die bestimmte Milieus (linksstehende und feministisch engagierte Personen einerseits, ökologisch bewegte Jugendliche andererseits) politisch aktiviert haben. Ebenso lässt sich der sechste Platz auf der Agenda, die Flüchtlingskrise und die Seenotrettung im Mittelmeer, als Themenfeld interpretieren, das solidarisierende Aktionen hervorgebracht hat. Hier bestätigt sich der Befund früherer Studien, wonach das gesellschaftspolitische Bild der «News-Deprivierten» stärker durch bedrohliche Themen geprägt ist (Schneider & Eisenegger, 2016, 2018). Weit vorne sind auch Themen mit potenziell verschwörungstheoretischem Charakter wie die Kontroverse zwischen Impfbefürworter_innen und -gegner_innen sowie die 5G-Debatte. Allen genannten Kommunikationsereignissen ist gemeinsam, dass sie nicht selten mit problematischen Kommunikationsformen auf sozialen Medien einhergehen. So verbreiteten erste, zeitgleich zur Brandkatastrophe von Notre-Dame gepostete Social-MediaMeldungen die falsche Behauptung, dass ein Terrorakt stattgefunden und den Brand entfacht habe (persönlich.com, 2019). Der Frauenstreiktag, die Klimabewegung und die Seenotrettung wurden online bisweilen aggressiv abwertend kommentiert und Exponentinnen der Bewegungen (Feminist_innen im Allgemeinen oder Greta Thunberg und Carola Rackete als exemplarische Aktivistinnen) teils grob beleidigt. Zu den Kontroversen um das Impfen und die 5G-Mobilfunktechnologie kursieren im Netz und auf Social Media viele unseriöse Informationen bis hin zu kruden Verschwörungsnarrationen. Es zeigt sich aber auch, dass es sich bei dieser Gruppe keineswegs um intentionale Newsverweigerer handelt. Insbesondere bei Themen, die mit gesellschaftlichen Mobilisierungsprozessen einhergehen und stark mit Identifikationsfiguren verknüpft sind, sind auch die «News-Deprivierten» stark an Informationen interessiert.

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Repertoiretypische Themenagenden5 Repertoiretypische Themenagenden 5

Über die qualitativen Fallbeispiele konkreter Kommunikationsereignisse des Jahre

Über die qualitativen Fallbeispiele konkreter Kommunikationsereignishinausgehend, lassen sich die persönlichen Themenagenden quantifizierend auswe se des Jahres 2019 hinausgehend, lassen sich die persönlichen Themejährlichen quantifizierend Befragungswellen wurden In seitjährlichen 2009 inzwischen 240 Kommunikationsere nagenden auswerten. Befragungswellen wurden 240Unterschiede Kommunikationsereignisse erhoben. erhoben.seit Es 2009 zeigt inzwischen sich, dass die zwischen den Repertoiretypen unabhän Es zeigt sich, dass die Unterschiede zwischen den Repertoiretypen unGeschlecht und Alter sowie thematischen Interessen der Befragten signifikant sind. abhängig von Geschlecht und Alter sowie thematischen Interessen der Befragten signifikant Im Hinblick auf densind. Hardnews- bzw. Softnews- Gehalt der Themenagenden ergeb Im Hinblick auf den Hardnews- bzw. Softnews- Gehalt der Themenagensignifikante Unterschiede zwischen den Repertoiretypen (vgl. Abbildung 13). den ergeben sich signifikante Unterschiede zwischen den Repertoiretypen (vgl. Abbildung 13).

Abbildung 13: Hardnews- und Softnews-Kommunikationsereignisse auf den Themenagenden der Repert Abbildung 13: Hardnews- und Softnews-Kommunikationsereignisse auf (Schneider & Eisenegger, 2020) den Themenagenden der Repertoiretypen (Schneider & Eisenegger, 2020)

Die zeigt,zeigt, welchenwelchen Gesellschaftssphären die wahrgenommenen Kommunikationsereignisse auf DieAbbildung Abbildung Gesellschaftssphären die wahrgenommenen Kommunikationsereigniss

der persönlichen Themenagenda zuzuordnen sind. Aufgrund der Vorauswahl von 20der resonanzstarken Kom- von 20 resona persönlichen Themenagenda zuzuordnen sind. Aufgrund Vorauswahl munikationsereignissen des jeweiligen Vorjahres ist die Varianz der Anteilswerte beschränkt. Umso mehr Kommunikationsereignissen des jeweiligen Vorjahres ist die Varianz der Anteilswerte beschränkt. Um sind geringe Anteilsunterschiede bedeutsambedeutsam und statistisch signifikant. sindselbst selbst geringe Anteilsunterschiede und statistisch signifikant. Lesebeispiel: Die «Intensivnutzer_innen» haben auf ihrer Agenda mit 51% Politik- und 27% Wirtschaftskom-

Lesebeispiel: Die den«Intensivnutzer_innen» auf ihrer munikationsereignissen höchsten Hardnews-Anteil aller haben Repertoiretypen.

Agenda mit 51% PolitikWirtschaftskommunikationsereignissen den höchsten Hardnews-Anteil aller Repertoiretypen.

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Es erscheint plausibel, dass «Old World Boulevard» auf seiner Themenagenda den höchsten Anteil an Softnews, das heißt an Sport und HumanInterest-Kommunikationsereignissen aufweist. Der reine Es erscheint plausibel, dass «Old World Boulevard» auf Human-Inteseiner Themenagenda den h

Anteil an Softnews, das heißt an Sport und Human-Interest-Kommunikationserei

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Vgl. Schneider und Eisenegger (2020)

Vgl. Schneider und Eisenegger (2020)

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aufweist. Der reine Human-Interest-Anteil ist allerdings bei den «News-Deprivierten» höchsten. Den Gegenpart bilden die «Intensivnutzer_innen», die neben Politikthem rest-Anteil ist allerdings bei den «News-Deprivierten» am höchsten. Den insbesondere Wirtschaftsthemen prominent auf Politikthemen ihrer Agenda haben. Ähnlic Gegenpart bilden die «Intensivnutzer_innen», die neben insbesondere Wirtschaftsthemen prominent auf ihrer Anteilsverteilungen haben die «Global Surfers» und Agenda die «Oldhaben. World & Onlinependant Ähnliche Anteilsverteilungen haben die «Global Surfers» und die «Old obwohl sie ihre News aus relativ unterschiedlichen Newsrepertoires beziehen.

World & Onlinependants», obwohl sie ihre News aus relativ unterschiedlichen beziehen. Bei denNewsrepertoires geografischen Bezugsräumen unterscheiden sich die Themenagenden der «Homela Bei den geografischen Bezugsräumen unterscheiden sich die ThemenaOriented» und der «Global Surfers» am stärksten (vgl. Abbildung 14). genden der «Homeland Oriented» und der «Global Surfers» am stärksten (vgl. Abbildung 14).

Abbildung 14: Geografische Bezugsräume der Kommunikationsereignisse in den Themenagenden Abbildung 14: Geografische Bezugsräume der KommunikationsereignisRepertoiretypen (Schneider & Eisenegger, 2020) se in den Themenagenden der Repertoiretypen (Schneider & Eisenegger, 2020) Die Abbildung zeigt, welchen geografischen Bezugsräumen die wahrgenommenen Kommunikationsereignisse

Die Abbildung zeigt, welchen geografischen Bezugsräumen die wahrgenommenen Kommunikationsereignisder persönlichen Themenagenda zuzuordnen sind. Aufgrund der Vorauswahl von 20 resonanzstar se auf der persönlichen Themenagenda zuzuordnen sind. Aufgrund der Vorauswahl von resonanzstarken Kommunikationsereignissen des jeweiligen Vorjahres ist die Varianz20der Anteilswerte beschränkt. Umso m Kommunikationsereignissen des jeweiligen Vorjahres ist die Varianz der Anteilswerte beschränkt. Umso sind selbst geringe Anteilsunterschiede bedeutsam und statistisch signifikant. mehr sind selbst geringe Anteilsunterschiede bedeutsam und statistisch signifikant.

Lesebeispiel: «Global haben aufmitihrer Agenda den höchsten Lesebeispiel: «Global Surfers»Surfers» haben auf ihrer Agenda 39% den höchstenmit Anteil39% mit ausschließlich inter- Anteil mit ausschließ internationalem Bezug und 36% den geringsten Anteil mit ausschließlichem Bezug zur Schweiz. nationalem Bezug und mit 36% denmit geringsten Anteil mit ausschließlichem Bezug zur Schweiz.

Wie ihre Bezeichnungen andeuten, haben die einen stärker das regionale und nationale Geschehen vor Augen, während die anderen eher internaWie ihre Bezeichnungen andeuten, haben die einen stärker das regionale und nation tionale Ereignisse wahrnehmen. Die geografischen Perspektiven markieGeschehen vor Augen, während die anderen eher internationale Ereignisse wahrnehmen. D ren einen Unterschied zwischen Newsrepertoires der «Old World» und der geografischen Perspektiven markieren einen Unterschied zwischen die Newsrepertoires der «O «New World». Die Themenagenden der traditionellen Repertoiretypen, weiterhinund vor der allem durchWorld». nationale Medienangebote geprägt sind, haben Repertoiretypen, World» «New Die Themenagenden der traditionellen eher einenvor Bezug zur durch Schweiz. Die stark digitalisierten Repertoiretypen, die eher einen Bezug z weiterhin allem nationale Medienangebote geprägt sind, haben

Schweiz. Die stark digitalisierten Repertoiretypen, die News zunehmend über die Plattform der internationalen Tech-Giganten 34 konsumieren, tendieren eher zu internationa Kommunikationsereignissen. Die Vorauswahl der resonanzstärks Kommunikationsereignisse eines Jahres bringt es mit sich, dass vor allem Ereignisse, die s


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News zunehmend über die Plattformen der internationalen Tech-Giganten konsumieren, tendieren eher zu internationalen Kommunikationsereigmit Staaten, Institutionen Organisationen beschäftigen, abgefragt werden. Dies nissen. Die Vorauswahl der oder resonanzstärksten Kommunikationsereignisse einesohne Jahres bringt mit sich, dass vor allem Ereignisse, sich mit in den Agend Anteil bzw. mitesgeringerem Personenfokus zeigt sichdie folgerichtig Staaten, Institutionen oder Organisationen beschäftigen, abgefragt werRepertoiretypen (vgl. Abbildung 15). den. Dieser hohe Anteil ohne bzw. mit geringerem Personenfokus zeigt sich folgerichtig in den Agenden aller Repertoiretypen (vgl. Abbildung 15).

Abbildung 15.: Personenfokus in den Themenagenden der Repertoiretypen (Schneider & Eisenegger, 20 Abbildung 15.: Personenfokus in den Themenagenden der Repertoiretypen (Schneider & Eisenegger, Die Abbildung zeigt, wie stark2020) der Personenfokus bei den wahrgenommenen Kommunikationsereignisse

Die Abbildung zeigt, wie stark der Personenfokus bei den Kommunikationsereignissen persönlichen Themenagenda ist. Aufgrund der wahrgenommenen Vorauswahl von 20 resonanzstarken Kommunikationser

auf persönlichen Vorjahres Themenagendaistist.die Aufgrund der Vorauswahl von 20 resonanzstarken Kommunikatidesderjeweiligen Varianz der Anteilswerte beschränkt. Umso mehr sind selbs onsereignissen des jeweiligen Vorjahres ist die Varianz der Anteilswerte beschränkt. Umso mehr sind selbst Anteilsunterschiede bedeutsam und statistisch signifikant. geringe Anteilsunterschiede bedeutsam und statistisch signifikant.

Lesebeispiel: «News-Deprivierte» ihrer Agenda 26% den Lesebeispiel: «News-Deprivierte» haben auf ihrerhaben Agenda mitauf 26% den höchsten Anteil mitmit Personenthema-

höchsten

An

Personenthematisierung undAnteil mit 4% den höchsten Anteil mit starkem Personenfokus. tisierung und mit 4% den höchsten mit starkem Personenfokus.

Die «News-Deprivierten» und die «Global Surfers», deren Newsrepertoires am stärksten digitalisiert nehmen relativ oft KommunikatiDie «News-Deprivierten» und sind, die «Global Surfers», deren Newsrepertoires am s onsereignisse wahr, bei denen Personen im Mittelpunkt der News stedigitalisiert sind, nehmen relativ oft Kommunikationsereignisse wahr, bei denen Perso hen. Hier schlägt sich das stark personalisierte Angebot der Social Media Mittelpunkt der News stehen. Hierqualitative schlägt sich das aus starkderpersonalisierte Angebot de in den Themenagenden nieder. Der Befund ThemenaMedia der in «News-Deprivierten» den Themenagendenfürnieder. Der qualitative Befund aus genda das Jahr 2019 bestätigt sich durch dieder Themenage quantitative Auswertung der Kommunikationsereigniswahrnehmung «News-Deprivierten» für das Jahr 2019 bestätigt sich durch die quantitative Auswert der letzten zwölf Jahre. Der Anteil der Kommunikationsereignisse mit eiKommunikationsereigniswahrnehmung der letzten zwölf Jahre. Der Ante nem Bewegungscharakter ist bei allen Repertoiretypen der «New World» Kommunikationsereignisse mit 16). einem Bewegungscharakter ist bei allen Repertoirety eindeutig höher (vgl. Abbildung

«New World» eindeutig höher (vgl. Abbildung 16).

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Abbildung 16: mit Bewegungscharakter in den Themenagenden der Repertoirety Abbildung 16:Kommunikationsereignisse Kommunikationsereignisse mit Bewegungscharakter in den (Schneider & Eisenegger, 2020) Themenagenden der Repertoiretypen (Schneider & Eisenegger, 2020) Die Abbildung zeigt, wie stark bei den wahrgenommenen Kommunikationsereignissen auf der persönlichen

Die Abbildung zeigt, wie stark bei den wahrgenommenen Kommunikationsereignissen auf der persönlic Themenagenda ein Bewegungscharakter vorhanden ist. Aufgrund der Vorauswahl von 20 resonanzstar Kommunikationsereignissen des jeweiligen Vorjahres ist die Varianz der Anteilswerte beschränkt. Umso Kommunikationsereignissen des jeweiligen Vorjahres ist die Varianz der Anteilswerte beschränkt. Umso m mehr sind selbst geringe Anteilsunterschiede bedeutsam und statistisch signifikant. sind selbst geringe Anteilsunterschiede bedeutsam und statistisch signifikant. Themenagenda ein Bewegungscharakter vorhanden ist. Aufgrund der Vorauswahl von 20 resonanzstarken

Lesebeispiel: «News-Deprivierte» haben auf ihrer Agenda mit 10,5% den höchsten Anteil von Kommunikationsereignissen und hohem Bewegungscharakter. Lesebeispiel:mit mittlerem «News-Deprivierte» haben auf ihrer

Agenda mit 10,5% den höchsten Anteil Kommunikationsereignissen mit mittlerem und hohem Bewegungscharakter.

Ganz besonders hoch ist dieser Anteil bei den «News-Deprivierten». Typische Themen und Ereignisse, die von ihnen in den letzten Jahren intensiv verfolgt wurden, waren neben den aktuellen KommunikationsGanz besonders hoch ist dieser Anteil bei den «News-Deprivierten». Typische Themen u ereignissen der Klimabewegung «Fridays for Future» mit Greta ThunEreignisse, die von und ihnendem in den letzten Jahren intensiv verfolgt waren neben d berg als Exponentin Frauenstreiktag in der Schweiz, 2019 wurden, die aktuellen Kommunikationsereignissen der Klimabewegung «Fridays #MeToo-Debatte über Sexismus in den Jahren 2017 und 2018 sowie die for Future» mit Gr Proteste der gegen die Banken 2011. 2019 die #MeToo-Deba Thunberg alsOccupy-Wallstreet-Bewegung Exponentin und dem Frauenstreiktag in der Schweiz Wie stark die hohe Affinität zu Kommunikationsereignissen mit Beweüber Sexismus in den Jahren 2017 und 2018 sowie die Proteste der Occupy-Wallstre gungscharakter bei den Repertoiretypen der «New World» und vor allem Bewegung gegen die Banken auf 2011. bei den «News-Deprivierten» die Nutzung von Social Media zurückzuführen ist, zeigt sich bei einem erneuten Blick auf die KommunikatiWie stark die hohe Affinität zu Kommunikationsereignissen mit Bewegungscharakter bei d onsereignisse von 2019 (vgl. Abbildung 17).

Repertoiretypen der «New World» und vor allem bei den «News-Deprivierten» auf die Nutzu von Social Media zurückzuführen ist, zeigt sich bei einem erneuten Blick auf Kommunikationsereignisse von 2019 (vgl. Abbildung 17).

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Abbildung 17: Themenagenda 2019 der Nutzer_innen mit hoher Social-Media-Intensität (Schneider & Eisenegger, 2020)

Abbildung 17: Themenagenda 2019 der Nutzer_innen mit hoher SocialDie Abbildung zeigt (Schneider standardisierte & Residuen, die angeben, Media-Intensität Eisenegger, 2020) wie über- bzw. unterdurchschnittlich

ein Kommunikationsereignis vom Repertoiretyp Vergleich zum bzw. Gesamtsample wahrgenommen Die Abbildung zeigt standardisierte Residuen, dieim angeben, wie überunterdurchschnittlich ein Kom-wird. Eine Abweichung von mehr als zwei Punkten verweist auf substanzielle Unterschiede zum Gesamtsample, während munikationsereignis vom Repertoiretyp im Vergleich zum Gesamtsample wahrgenommen wird. Eine Abweigeringere Abweichungen vom 0-Wert auf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Gesamtsample hindeuten. chung von mehr als zwei Punkten verweist auf substanzielle Unterschiede zum Gesamtsample, während Lesebeispiel: Die Klimabewegung bei den Nutzer_innen mit hoher Social-Media-Intensität deutlich geringere Abweichungen vom 0-Wertsteht auf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Gesamtsample hin- häufiger auf der persönlichen Agenda. Dagegen ist die Volksabstimmung zur Steuerreform signifikant seltener vertreten deuten. als auf der Agenda der Gesamtbevölkerung. Lesebeispiel: Die Klimabewegung steht bei den Nutzer_innen mit hoher Social-Media-Intensität deutlich

häufiger auf der persönlichen Agenda. Dagegen ist die Volksabstimmung zur Steuerreform signifikant seltener vertreten als auf der Agenda der Gesamtbevölkerung.

Fasst man Nutzer_innen mit hoher Social-Media-Intensität in eine Gruppe zusammen, zeigt sich, dass auf der aggregierten Themenagenda dieser Social-Media-Nutzer_innen die Fasst man Nutzer_innen mit hoher Social-Media-Intensität in eine GrupKlimabewegung «Fridays for Future» mit Greta Thunberg als Exponentin und der pe zusammen, zeigt sich, dass auf der aggregierten Themenagenda dieFrauenstreiktag die Plätze eins und drei einnehmen.

ser Social-Media-Nutzer_innen die Klimabewegung «Fridays for Future» mit Greta Thunberg als Exponentin und der Frauenstreiktag die Plätze eins und drei einnehmen.

Qualitative Einsichten in die medialen Lebenswelten junger Erwachsener6 Wie in den quantitativen Ergebnissen der in Kapitel 2 beschriebenen NewsrepertoireForschung ersichtlich, steigt vor allem der Anteil hinsichtlich der Nachrichtennutzungsmuster 6

Vgl. Schwaiger (2020)

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Qualitative Einsichten in die medialen Lebenswelten junger Erwachsener 6 Wie in den quantitativen Ergebnissen der Newsrepertoire-Forschung ersichtlich, steigt vor allem der Anteil hinsichtlich der Nachrichtennutzungsmuster der «New World», mit einer starken Affinität für OnlineNewsmedien und für Social Media. Vor allem bei der jungen Zielgruppe steigt der Social-Media-Konsum zu Nachrichtenzwecken von Jahr zu Jahr, während die Nutzung traditioneller Nachrichtenangebote abnimmt (Schneider & Eisenegger, 2019). Insbesondere der Anteil an «News-Deprivierten» steigt unter den Schweizer_innen järhlich (Schneider & Eisenegger, 2020), auch im internationalen Vergleich (Niederlande, Deutschland) zeigen sich analoge Tendenzen (Geers, 2020; Kümpel, 2020). Mit dem Ziel, vertiefte Einblicke in die Lebenswelten von jungen Erwachsenen, die hauptsächlich über Social-Media Nachrichten konsumieren, zu bekommen, untersuchten wir die Zielgruppe ergänzend zur quantitativen Erhebung mithilfe eines qualitativen Studiendesigns. Dabei fokussierten wir nicht ausschließlich die Nachrichtennutzung junger Erwachsener in Form der Newsrepertoires, sondern weiteten den Blick auf Medienrepertoires, also die Gesamtheit aller Medien, die von Individuen zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden (Hasebrink & Hepp, 2017). Wir analysierten, welche Medienkanäle bei jungen Erwachsenen besonders populär sind und ermittelten die Gründe und Motive, warum diese bevorzugt werden. Ein zentrales Forschungsziel war es, Faktoren herauszudestillieren, gemäß denen die Gruppe der Digital Natives wieder stärker für Informationsjournalismus zurückgewonnen werden können. Insgesamt wurden 19 Schweizer_innen zwischen 20 und 25 Jahren mit unterschiedlichen Bildungsniveaus für die Studienteilnahme gewonnen. Alle Teilnehmenden nutzen laut Selbstauskunft für den Nachrichtenkonsum in erster Linie Social Media, während sie traditionelle Medien wie Presse, Radio oder TV kaum oder gar nicht nutzen. Um die Studienteilnehmer_innen in ihrer Lebenswelt abzuholen, wurde eine spezielle Online-Plattform genutzt, die mit persönlichem Link über PC, Tablet und Smartphone aufrufbar war. Insgesamt absolvierten die Studienteilnehmer_innen vier Aufgaben, auf die sie mittels persönlichen Zugangslinks zugreifen konnten. Darunter ein einstündiger Live-Chat, Medientagebücher, Forumsdiskussionen und Sortieraufgaben. Die Studie wurde online vom 18. bis zum 29. Mai 2020 durchgeführt. Sämtliche Beiträge der Teilnehmenden wurden qualitativ inhaltsanalytisch ausgewertet.

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Vgl. Schwaiger (2020)

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Die Befunde zeigen, dass es starke Unterschiede zwischen den bevorzugten Medienkanälen der Jungen und der subjektiven Einschätzung derer Glaubwürdigkeit gibt. Unabhängig vom Bildungsniveau der Studien­ teilnehmenden sind es vor allem die audiovisuellen Social-­ Media-Plattformen YouTube, Instagram und Spotify, die von den jungen ­Schweizer_innen im Alltag – auch nebenbei oder zur Ablenkung – häufig genutzt werden. YouTube kann als Hauptmedienquelle für die untersuchte Zielgruppe betrachtet werden und überzeugt aufgrund der Kombination von Information und Unterhaltung. Instagram dient einerseits zur Vernetzung mit Freundinnen und Freunden, aber auch dazu, Lifestyle-Beiträge zu konsumieren. WhatsApp wird vordergründig zum Austausch mit Freund_innen sowie der Familie genutzt, z.B. im Rahmen von WhatsApp-Gruppenchats. Google ist primäre Informationsquelle bei den Jungen und überzeugt aufgrund der einfachen Handhabung und schnellen Recherchemöglichkeiten. Die Audioplattform Spotify, für deren Nutzung ein Großteil der Jungen bereit ist zu zahlen, ersetzt das klassische Radio mehr und mehr. Zusätzlich zu den persönlichen Musikpräferenzen wird die Plattform für das Hören von Podcasts genutzt. Wie zu erwarten, liegen die klassischen Nachrichtenkanäle TV, Radio und Presse am äußeren Rand des Kreises. Sie werden demnach seltener genutzt und als «altmodisch» eingeschätzt. Wenn, dann wird auf die Online-Nachrichtenseiten oder News-Apps einzelner Medientitel zurückgegriffen (vgl. Abbildung 18).

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seltener genutzt und als «altmodisch» eingeschätzt. Wenn, dann wird auf die On Nachrichtenseiten oder News-Apps einzelner Medientitel zurückgegriffen (vgl. Abbildung PUBLIC VALUE ST UDIE

Abbildung 18: Nutzungshäufigkeit von Medienkanälen (Schwaiger, 2020) Abbildung 18: Nutzungshäufigkeit von Medienkanälen (Schwaiger, 2020)

Die Darstellung zeigt die Nutzungshäufigkeit unterschiedlicher Medienkanäle unter den 20- bis 25-jä Studienteilnehmer_innen. Je Kanal näherin ein Kanal inplatziert der Kreismitte platziert umso häufiger wird er genutzt. Studienteilnehmer_innen. Je näher ein der Kreismitte ist, umso häufiger wirdist, er genutzt. Die Darstellung zeigt die Nutzungshäufigkeit unterschiedlicher Medienkanäle unter den 20- bis 25-jährigen Lesebeispiel: Die Plattformen YouTube, Instagram, WhatsApp und Google werden von den Jungen besonders

Lesebeispiel: Die Plattformen YouTube, Instagram, WhatsApp und Google werden von den Jungen beso

häufig genutzt.

häufig genutzt.

Ein gänzlich anderes Bild zeigt sich, wenn die 20- bis 25-Jährigen nach der Glaubwürdigkeit der Medienkanäle gefragt werden. Entgegen der geEin gänzlich anderes Bildwerden zeigt sich, wenn die 20-Medienkanäle bis 25-Jährigen ringen Nutzungshäufigkeit die traditionellen TV,nach der Glaubwürdi der Medienkanäle gefragt werden. Entgegen der geringen werden Radio und Presse als besonders glaubwürdig erachtet. PrinzipiellNutzungshäufigkeit gehen die Studienteilnehmenden bei professionellen Informationsmedien von glaubwürdig erac traditionellen Medienkanäle TV, Radio und Presse als besonders einer höheren journalistischen Qualität und dem Einhalten journalistiPrinzipiell gehen die Studienteilnehmenden bei professionellen Informationsmedien aber scher Standards aus, weshalb sie diese als glaubwürdig erachten. Google einer journalistischen Qualität undeingeschätzt, dem Einhalten journalistischer Standards wird vorhöheren allem deshalb als relativ glaubwürdig da die Nutzer_innen hier selbst in der Hand haben, welche Quellen der vorgeschlagenen Treffer sie rezipieren. Social-Media-Plattformen hingegen werden – trotz der hohen Nutzungshäufigkeit – als am wenigsten glaubwürdig

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glaubwürdig eingeschätzt, da die Nutzer_innen hier selbst in der Hand haben, welch der hingegen werd « N E Wvorgeschlagenen S - D E P R I V A T I O N » A L S HTreffer E R A U S F O Rsie D E Rrezipieren. U N G F Ü R M O D ESocial-Media-Plattformen RNE DIGITA L E GE SEL L SCH A F T EN der hohen Nutzungshäufigkeit – als am wenigsten glaubwürdig eingeschätzt. Dies Aussage der Studienteilnehmer_innen vor allem daran, dass jede_r auf Social Med verbreiten Dies kann,liegtdarunter auchderdesinformative Beiträge vor wie Fake New eingeschätzt. laut Aussage Studienteilnehmer_innen allem daran, dass jede_r auf Social Media Inhalte verbreiten kann, darVerschwörungstheorien (vgl. Abbildung 19). unter auch desinformative Beiträge wie Fake News oder Verschwörungstheorien (vgl. Abbildung 19).

Abbildung 19: Glaubwürdigkeit von Medienkanälen (Schwaiger, 2020) Abbildung 19: Glaubwürdigkeit von Medienkanälen (Schwaiger, 2020)

DieDie Darstellung zeigt diezeigt Glaubwürdigkeit unterschiedlicher Medienkanäle unter den 20- bis 25-jährigen Darstellung die Glaubwürdigkeit unterschiedlicher Medienkanäle unter den 20- bis Studienteilnehmer_innen. Je näher ein Kanal in der Kreismitte platziert ist, umso glaubwürdiger wird er ein-umso glaubwürdig Studienteilnehmer_innen. Je näher ein Kanal in der Kreismitte platziert ist, geschätzt.

eingeschätzt.

Lesebeispiel: Die traditionellen Medienkanäle TV, Radio und Presse werden von den Jungen als besonders

Lesebeispiel: Die traditionellen Medienkanäle TV, Radio und Presse werden von den Jungen als glaubwürdig eingeschätzt. glaubwürdig eingeschätzt.

Bezogen auf das Informationsverhalten konnte festgestellt werden, dass das Smartphone eine zentrale Rolle in den Alltagswelten der jungen Schweizer_innen einnimmt. Wichtigerkonnte noch als Social Media-Apps Bezogen auf das Informationsverhalten festgestellt werden, dass das Smartp erweisen sich Smartphones als zentrales Nadelöhr, durch das Inforzentrale Rolle in den Alltagswelten der jungen Schweizer_innen einnimmt. Wichtige mationen ggf. zu den Nutzer_innen gelangen. Als ständiger Begleiter

Social Media-Apps erweisen sich Smartphone als zentrales Nadelöhr, durch das Infor

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nutzen die Jungen Apps und Social-Media-Kanäle im Sinne einer täglichen Routine. Entsprechend stößt die junge Zielgruppe eher zufällig auf Nachrichten, z.B. wenn Freund_innen oder Influencer_innen Beiträge teilen. Wenn die Jungen Beiträge interessant finden, nutzen sie Google, um weiter zu recherchieren. Eine zentrale Rolle bei der Informationsbeschaffung nehmen auch die persönlichen Netzwerke ein. Die Jungen gelangen so beispielsweise über WhatsApp auf News und diskutieren diese allenfalls in Chats. Mindestens genauso wichtig ist allerdings der persönliche Austausch, z.B. beim Abendessen im familiären Kreis oder mit Freund_innen. Hier wird vor allem geschätzt, dass unterschiedliche Meinungen und Ansichten aufeinanderstoßen. Gesellschaftliche Ereignisse bleiben den Jungen besonders dann im Gedächtnis, wenn sie sich mit den Themen identifizieren können und wenn das Thema in sozialen Netzwerken einen hohen Tauschwert erhält, d.h. mit Resonanz in der eigenen Community gerechnet werden kann, wenn es geteilt wird. Dies war beispielsweise bei mobilisierenden Themen wie Fridays for Future oder dem Frauenstreik der Fall, was sich auch in unseren quantitativen Analysen zeigte. Vom professionellen Informationsjournalismus wünschen sich die Jungen einerseits, dass nicht nur Artikel einer einzigen Medienmarke auf Plattformen zur Verfügung stehen und andererseits, dass Beiträge den persönlichen Interessen entsprechend vorselektiert werden. Dies könnte beispielsweise in Form von medienübergreifenden Apps umgesetzt werden und würde voraussetzen, dass Medienhäuser verstärkt miteinander kooperierten. Die Studie zeigte zwar deutlich, dass für Nachrichten mit persönlichem Bezug und subjektivem Interesse eine höhere Bereitschaft besteht, diese zu rezipieren. Wenn Nachrichtenbeiträge aufgrund persönlicher Interessen selektiert werden, ist allerdings nicht gewährleistet, dass Nutzer_innen über die Gesamtgesellschaft und unterschiedliche Gesellschaftssphären ausreichend informiert werden. Hier sind Ansätze gefragt, die erlauben, den persönlichen wie auch gesellschaftlichdemokratischen Anforderungen gerecht zu werden. Auch die Darstellungsform von journalistischen Inhalten muss sich an die Lebenswelten der Jungen anpassen. Weil Social Media einen wesentlichen Stellenwert für diese Zielgruppe haben, müssten auch professionelle journalistische Beiträge entsprechend aufbereitet werden. Sobald Junge ihren persönlichen Bezug zu einem Thema finden, erkennen sie den Mehrwert professioneller journalistischer Angebote und sind allenfalls sogar dazu bereit, für diese zu zahlen. Zusammenfassend zeigt unsere qualitative Studie, dass die jungen Schweizer_innen, unabhängig von ihrem Bildungsstand, kritisch und reflektiert sind. Sie sind sehr wohl empfänglich für professionellen Journalismus, allein wegen seiner Glaubwürdigkeit. Das Interesse an Nach-

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richten ist stark von personalisierten Faktoren beeinflusst (fög, 2020, S. 15ff.): Nachrichten werden vor allem dann rezipiert, wenn im persönlichen Netzwerk – sowohl online wie auch offline – darauf hingewiesen wird, sei es durch Personen des öffentlichen Lebens (Influencer_innen) oder aus dem privaten Umfeld. Es handelt sich dann um Beiträge, welche die Jungen in ihrer persönlichen Lebenswelt berühren. Allgemeiner stoßen News auf Interesse, wenn sie ein Mittel der eigenen Identitätsund Gemeinschaftspflege darstellen. Genutzte und geteilte News sollen zur eigenen Identität, zur eigenen Community, mit der man sich identifiziert, passen. News haben Nachrichtenwert, wenn sie in sozialen Medien Aufmerksamkeit erregen können, sie also das Potenzial haben, soziales Netzwerkkapital zu vergrößern. Trifft dies zu, macht sich die junge Nutzergruppe durchaus auch einmal aktiv auf die Suche nach zusätzlichen Informationen. Insofern sind junge Erwachsene, insbesondere die, die den «News-Deprivierten» zugerechnet werden können, für den Informationsjournalismus keineswegs verloren. Kommunikationsereignisse mit Mobilisierungscharakter (z.B. «Fridays for Future» oder #MeToo), die das Potenzial haben, die eigenen Community zu bewegen, oder auch personalisierte Themen mit Identifikationspotenzial können die untersuchte Gruppe der jungen Erwachsenen situativ durchaus stark zum Newskonsum animieren. Das Interesse an News steigt auch dann, wenn das Gefühl wachst, etwas in der eigenen Community verpasst zu haben oder nicht mitreden zu können. Die journalistische Herausforderung besteht darin, den Bedürfnissen der jungen Zielgruppe gerecht zu werden und trotzdem zu erreichen, dass sie sich ein Bild der Gesellschaft, unabhängig von individuellen Interessen, machen können (Schwaiger, 2020). Fazit Das Ziel der vorliegenden Studie war es, einen Überblick über aktuelle Befunde zur Newsrepertoireforschung, mit einem Fokus auf die so genannte «News-Deprivation» respektive «News-Avoidance», zu geben. In unseren seit 2009 jährlich durchgeführten Analysen der Schweizer Bevölkerung zeigte sich das klare Bild, dass das Nachrichtennutzungsmuster der «Old World» zunehmend von der «New World» verdrängt wird. Dabei stellen «News-Deprivierte», also Personen mit einer Unterversorgung an Nachrichten über unterschiedliche Medienkanäle hinweg, mit einem Anteil von 37% heute deutlich die Mehrheit, gefolgt von den «Global Surfers» mit 26%. Der Anteil der «News-Deprivierten» hat sich demnach seit 2009 um 21% erhöht. Die beiden Repertoiretypen der «New World» repräsentieren die veränderte Mediennutzung in modernen, di-

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gitalen Gesellschaften und sollten von Medienmacher_innen als ökonomisch interessante Zielgruppen angesprochen werden. Als Digital Natives und Digital Immigrants sorgen sie für eine entsprechende Dynamik im Medienmarkt, da sie traditionelle Nachrichtennutzungsmuster weiter umkrempeln. Im Sinne einer Integrationsfunktion öffentlicher Kommunikation stellt sich die Aufgabe und gleichzeitig Herausforderung, diese Mediennutzer_innen an professionellen Informationsjournalismus zu binden, politisch einzubinden und zu aktivieren. Dies ist unabdingbar für ein funktionierendes, demokratisches System (Schneider & Eisenegger, 2020). Ein Blick auf die Themenwahrnehmung unterschiedlicher Repertoiretypen verdeutlicht diese Herausforderung. So zeigen sich insbesondere bei den «News-Deprivierten» klare Muster, wonach komplexe, gesellschaftspolitische Kommunikationsereignisse in der Themenwahrnehmung unterrepräsentiert sind. Vielmehr sind es skandalisierende, emotionalisierte und personalisierte Nachrichten, welche die «News-Deprivierten» überdurchschnittlich stark rezipieren. Auch Themen mit verschwörungstheoretischem, polarisierendem Charakter haben die «News-Deprivierten» mitunter auf der Agenda, wobei es weitere Forschung zur Frage braucht, ob die «News-Deprivierten» solchen problematischen Inhalten kritisch begegnen. Gleichzeitig zeigte sich aber auch, dass mobilisierenden Themen, wie der #MeToo-Debatte oder «Fridays for Future», überdurchschnittlich starke Beachtung geschenkt wird. Dabei handelt es sich um Kommunikationsereignisse mit Bewegungscharakter, die Identifikationsmöglichkeiten eröffnen. Dies zeigt, dass es sich bei den «News-Deprivierten» in der Regel nicht um intentionale Newsverweigerer handelt, die sich vielmehr je nach Situation sogar sehr stark für gesellschaftspolitisch relevante Nachrichten interessieren (Schneider & Eisenegger, 2020). In internationalen Studien wird vor allem mit dem Begriff der «NewsAvoidance» gearbeitet, also einer intentionalen Nachrichtenvermeidung. Die Befunde hierzu, basierend auf den Daten des Reuters Institute (2017, 2019), zeigen, dass der Anteil an Personen mit entsprechendem Nachrichtennutzungsmuster im deutschsprachigen Raum auf einem vergleichbaren Niveau liegt. In der Schweiz trifft die «News-Avoidance» auf 26% der Newsnutzer_innen zu, in Deutschland auf 25% und in Österreich sogar auf 30%. Die drei Länder sind geprägt von einem öffentlichrechtlichen Mediensystem, wonach eine Vergleichbarkeit zwischen den Ländern gewährleistet ist. Wir gehen daher davon aus, dass unsere Befunde der «News-Deprivation» auf den deutschsprachigen Raum generalisiert werden können. «News-Deprivation» ist in der Tat eine Herausforderung für moderne, digitale Gesellschaften. Dies sollte aber kein Grund zur Resignation für

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Medienschaffende darstellen. Dass «News-Deprivierte» durchaus noch empfänglich für Nachrichten sind, zeigten insbesondere unsere qualitativen Befunde zu den medialen Lebenswelten junger Erwachsener. Die junge Gruppe ist zwar am stärksten von einer «News-Deprivation» betroffen, dennoch sind sie durchaus kritisch-reflektiert, was ihre Nachrichtennutzung angeht. Obwohl die Jungen vor allem über Social Media Nachrichten konsumieren, sind es noch immer die klassischen Medienkanäle, die am glaubwürdigsten eingeschätzt werden. Die junge Zielgruppe geht hier davon aus, dass eine journalistische Professionalität gewahrt wird, während auf Social Media ein_e jede_r Inhalte verbreiten kann, wie z.B. auch desinformative Beiträge. Obwohl das Smartphone einen wesentlichen Stellenwert in den jungen Lebenswelten einnimmt, spielt noch immer der persönliche Austausch mit Freund_innen und Familie eine große Rolle für die Jungen. Über Nachrichten informieren sie sich demnach nicht nur über digitale Medien, sondern auch in ihren persönlichen Netzwerken. Wie sich auch in unseren quantitativen Befunden zeigte, entwickelt die junge Zielgruppe durchaus sogar sehr starkes Interesse an News. Dies vor allem dann, wenn es sich um Nachrichten der persönlichen Lebenswelt handelt, mit denen sie sich identifizieren können. So beispielsweise mobilisierende Themen wie der Schweizer Frauenstreik. Vom professionellen Informationsjournalismus wünscht sich die junge Zielgruppe, dass stärker auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird. Beiträge müssen ansprechend aufbereitet werden (z.B. audiovisuell), es muss Möglichkeiten zum Dialog geben und die Nachrichtennutzung muss in den Alltag integrierbar sein. Dies beispielsweise indem Nachrichten unterschiedlicher Medienanbieter auf einer Plattform gesammelt werden. Sobald sich für die Jungen ein Mehrwert daraus ergibt, steigt auch die Zahlungsbereitschaft für professionelle Medienangebote (Schwaiger, 2020). «News-Deprivierte» sind zusammenfassend betrachtet demnach nicht für den Journalismus verloren. Es müssen aber attraktive Angebote geschaffen werden, welche die Nutzer_innen in ihren Lebenswelten ansprechen. Zusätzlich müssen vor allem Junge im Zuge der Mediensozialisation gestärkt werden, so dass sie sich ihrer demokratischen Verantwortung stärker bewusst werden. •

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SPAGAT ZWISCHEN KRITISCH-ENGAGIERTEN UND SOZIALAUTORITÄREN UNIV.-PROF. DR. OLAF JANDURA

LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN

Die Kommunikationsräume und Kommunikationsmöglichkeiten ändern sich derzeit rasant. Im Zuge der Liberalisierung des Rundfunksystems und der Digitalisierung haben sich in den letzten 30 Jahren die für die Nutzerinnen und Nutzer verfügbaren Informationsangebote vervielfältigt. Dieses diversifizierte Angebot wird von dem Publikum nachgefragt und trägt zu einer Auflösung des vormals bestehenden dispersen Massenpublikums und somit auch eines gemeinsamen Verständigungsrahmens über gesellschaftlich relevante Themen und Sachverhalte bei (z.B. Bennett & Iyengar, 2008; Katz, 1996). In der Kommunikationswissenschaft werden die zunehmende Segmentierung und die befürchtete Fragmentierung des Publikums mit dem öffentlichkeitstheoretischen Bedrohungsszenario des Zerfalls der Gesellschaft in sich gegenseitig nicht zur Kenntnis nehmende Teilgruppen verbunden (van Aelst et al., 2017). Begriffe wie ›Echokammern‹ (Sunstein, 2007), ›Filterbubbles‹ (Pariser, 2011) oder „Medienenklaven“ (Weeks et al., 2016) stehen stellvertretend für den befürchteten Verlust einer integrierten Öffentlichkeit (Imhof, 2011). Auch wenn die Forschung für die Existenz solcher Filterblasen keine hinreichenden empirischen Befunde findet (Thies, 2017), ist dennoch fraglich, ob der Journalismus als gesellschaftliches Beobachtungssystem die ihm übertragene öffentliche Aufgabe noch vollumfassend erbringen kann. Der Journalismus hat hierbei eine dienende Funktion. Er soll umfassend über die relevanten Themen in Politik und Gesellschaft berichten und somit Themen für die Anschlusskommunikation in der Gesellschaft bereitstellen. Durch seine vielfältige und vielseitige Berichterstattung spiegelt er verschiedene in der Gesellschaft vertretene Meinungen und Positionen zu diesen Themen und unterstützt so die Meinungsbildung in der Bevölkerung. (Weiß & Jandura, 2017: 11). Aufgrund seiner binnenpluralistischen Organisationsform und seines Grundversorgungsauftrages ist der öffentlichrechtliche Rundfunk in besonderer Weise von dieser Entwicklung herausgefordert. Mit seiner Berichterstattung soll er die Grundlage für eine freie Meinungsbildung in der Gesellschaft schaffen. Dies gelingt, indem unterschiedliche zeitliche Horizonte und Aufmerksamkeitsverteilungen in der Gesellschaft synchronisiert werden (Eurich, 2000). Die plurale,

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positionsreiche Berichterstattung über das aktuelle Geschehen in Politik und Gesellschaft schafft dabei Themen für gesellschaftliche Anschlusskommunikation in verschiedenen Ebenen der Öffentlichkeit (Donges & Jarren, 2017). Die periodische Aktualität und synchrone sowie diachrone Einordnungsleistung in der Berichterstattung führen dazu, dass neben der Fokussierung auf das aktuelle Geschehen auch ein Vergangenheitsbezug hergestellt wird und Zukunftsoptionen diskutiert werden. In dieser Weise ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk „schlechthin konstituierend“ für die Demokratie (Weiß & Jandura, 2017). Damit sich diese demokratische Gestaltungsmacht auch entfalten kann, ist eine permanente und kritische Auseinandersetzung mit der Qualität der Angebote (Neuberger, 2019) ebenso relevant, wie die im Folgenden zu vertiefende Analyse der Reichweite der Informationsangebote. Nutzungsstatistiken Ein Blick in die Nutzungsstatistiken verdeutlicht, dass nicht die gesamte Bevölkerung von öffentlich-rechtlichem Qualitätsjournalismus erreicht wird. Regelmäßig werden Studien publiziert, die die Korrelate zwischen der Zuwendung zu öffentlich-rechtlichen Rundfunkangeboten – variiert nach Gesamtangebot, Publikum bestimmter Ausspielkanäle (z.B. Radio, z.B. Online) oder Sendungen (z.B. Nachrichtensendungen) – und verschiedenen soziodemographischen Variablen offenlegen. Die Befunde ähneln sich dabei stark. Je weniger streng die Nutzerdefinition ausfällt, desto größer ist die berichtete Reichweite. So stellten van Eimeren und Egger in ihrer Studie zur Reichweite des ARD-Verbundes fest, dass innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen die ARD fast jeden erreicht (96%), die Wochenreichweite mit 95 Prozent nur knapp darunter liegt und die Tagesreichweite 82,5 Prozent beträgt (van Eimeren & Egger, 2018). Aufgesplittert werden diese Ergebnisse häufig nach verschiedenen Soziodemographika präsentiert, bei denen verschiedene Alters- und Bildungsgruppen, die Frage, ob man im Osten oder Westen wohnt und das politische Interesse von besonderer Bedeutung sind. Zubayr und Gerhard (Zubayr & Gerhard, 2019: 96) zeigen seit Jahren, dass die Marktanteile, die Das Erste und das ZDF in der Gruppe der 14-49jährigen erzielen, weit geringer sind als in der Gruppe der älteren Zuschauer. Zudem unterscheidet sich die Affinität zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der jüngeren Altersgruppe nochmals stark. So nutzen die 14-24jährigen im geringeren Maße die Angebote als die 25-49jährigen. Auswertungen, die die Formalbildung der Befragten mit berücksichtigen, weisen eine U-Funktion auf. Die Reichweite in der mittleren Bildungsgruppe ist niedriger als in der Gruppe der formal niedrig und der formal hoch Gebildeten. Ferner werden die Angebote von ARD und ZDF von Personen

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mit hohem politischem Interesse häufiger genutzt und im Westen der Republik intensiver verfolgt als im Osten (van Eimeren et al., 2017). Die Verwendung dieser Soziodemographika für die Publikumsbeschreibung ist in der Markt- und Meinungsforschung üblich. Ihr Einsatz wird darüber legitimiert, dass sie für das Publikum leicht zugänglich sind und jeder schnell eine Vorstellung von den jeweiligen Bevölkerungssegmenten hat (Schweiger, 2007: 23). An ihnen wird jedoch kritisiert, dass es sich bei diesen Variablen um Stellvertretervariablen handelt, also Variablen, die für andere soziologische Konstrukte stehen. So lässt sich aus der Kombination von Alter, Geschlecht, Bildung und Einkommen gut auf den sozioökonomischen Status oder den sozialen Habitus einer Person schließen. Aus der Wissenskluftforschung ist bekannt, dass ein niedriger sozioökonomischer Status zu einer geringeren Zuwendung zu politischen Informationsmedien führt (Zillien, 2009). Auf der Basis der Bourdieuschen Habitus-Kapital-Theorie kann ein gleicher Befund gezeigt werden. Ein niedriger sozialer Status einer Person geht mit einer geringen Nutzung von Prestigemedien einher (Meyen, 2007). Neben diesen auf der Mikroebene verbleibenden Ansätzen wird die Beschreibung des Publikums durch Milieuansätze ergänzt. Als Erweiterung werden hierbei neben Faktoren auf der stratifikatorischen Dimension (z.B. Bildung, Einkommen) auch Variablen der horizontalen Differenzierung (z.B. Werthaltungen, Einstellungen) berücksichtigt (Hradil, 2006). Eine solche Segmentierung des Publikums erfolgt z.B. bei den SINUS-Milieus oder den verschiedenen Evolutionsstufen der Mediennutzungstypologien (MNT) von Hartmann und verschiedenen Koautoren (Hartmann & Schlomann, 2015). Die Ausweisung von Reichweiten und Marktanteilen auf der Basis beider Milieutypologien verdeutlicht, dass die öffentlich-rechtlichen Informationsangebote in den so gebildeten Segmenten unterschiedlich relevant sind. Dies lässt sich gut mit Studien illustrieren, die die Marktanteile der Nachrichtensendungen segmentspezifisch ausweisen. So liegt die Spannbreite der Marktanteile der Tagesschau, die in der gesamten Bevölkerung 35,2% der Zuschauer erreichte, zwischen 12,1% in der jüngsten Zielgruppe, den Jungen Wilden, und 46,5% bei den vielseitig Interessierten (Neuwöhner & Schäfer, 2007). Doch nicht nur die Nutzung, sondern auch die Relevanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird unterschiedlich bewertet. Befragt nach dessen Zukunftsaussichten stimmten der Aussage „Die öffentlich- rechtlichen Radio- und Fernsehprogramme bleiben unverzichtbar“ mit dem expeditiven Milieu (76%) und dem Prekären Milieu (78%) bei einem Bevölkerungsdurchschnitt von 83 Prozent zwei der SINUS-Milieus unterdurchschnittlich zu (Engel & Mai, 2015: 435). Dieser Befund verdient größere Aufmerksamkeit, da die beiden betreffenden Milieus in dem durch den Habitus auf

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der stratifikatorischen Dimension und der Werteinstellung auf der segmentären Dimension aufgespannten Merkmalsraum sehr unterschiedlich platziert sind. Das expeditive Milieu ist ein Gesellschaftssegment mit einer postmodernen Werteorientierung, das sehr stark vernetzt und national wie international mobil ist. Es ist gekennzeichnet durch formal hohe Bildungsabschlüsse und eher hohe Einkommen. Das prekäre Milieu hingegen ist in dem unteren Habitusschichten angesiedelt. Ausgrenzungserfahrungen und Deprivation sind hier stark verbreitet (SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH, 2018). Nachrichtenvermeider Der Blick auf das Publikum – auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Im Zuge der Digitalisierung hat es eine Vervielfältigung der Informationsmöglichkeiten gegeben. Neben den traditionellen Medienanbietern, die auch im Internet ihre Onlinependants (z.B. tagesschau.de, faz.de) anbieten, treten mit Nachrichtenportalen von Mail- und Telekommunikationsanbietern (z.B. web.de, telekom.de), sozialen Medien wie facebook oder twitter und algorithmisch personalisierten Nachrichtensites (upday, googlenews) Konkurrenten um die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger. Die Zunahme der ubiquitären Verfügbarkeit der Angebote geht einher mit der Abnahme der sogenannten „duty to keep informed“ (McCombs M. E. & Poindexter, 1983). Vielmehr scheint sich in bestimmten Bevölkerungsgruppen die Ansicht zu verbreiten, dass Informationen, wenn sie wichtig sind, schon den Weg zu einem schaffen (Donsbach et al., 2012). Dies führte auch zu einem Wechsel der Beobachterperspektive von den Nutzern hin zu den Vermeidern von Informationsangeboten. In der Forschung werden zwei Analyseebenen einer solchen Segmentierung bzw. Fragmentierung des Publikums diskutiert. Eine Fragmentierung ist einerseits dann gegeben, wenn sich das Publikum in Nutzer (News-Seeker) und Vermeider (News-Avoider) von Informationsangeboten differenzieren lässt (u.a. Ksiazek et al., 2010). Andererseits kann von einer Fragmentierung des Publikums der Informationsmedien gesprochen werden, wenn das Publikum über verschiedene Medienangebote so verstreut ist, dass es kaum noch gemeinsam genutzte Nachrichtenangebote gibt. Diese zweite Ebene der Publikumsfragmentierung wurde bislang nur selten untersucht (Jandura & Friedrich, 2015). Bei der Analyse von Nachrichtenvermeidern fällt im deutschsprachigen Raum derzeit die Aufmerksamkeit auf die Ergebnisse einer seit 2009 regelmäßig durchgeführte Studie zu den Nachrichtenrepertoires in der

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Schweiz (u.a. Eisenegger & Schneider, 2016). Der Grundgedanke dieser Typologie ist aus der Medienrepertoireforschung entlehnt. Jeder einzelne setzt sich sein eigenes Medienrepertoire aus verschiedenen Interessen und/oder gesuchten Gratifikationen zusammen. Über das statistische Verfahren der Clusteranalyse lassen sich dann Gruppen von Personen identifizieren, so genannte Medienrepertoiretypen, die sehr ähnliche Nutzungsentscheidungen treffen. Diese Typen werden dann auf der Basis ihrer Mediennutzung und ihrer soziodemographischen Merkmale beschrieben (u.a. Hasebrink & Popp, 2006). Was für das gesamte Medienangebot möglich ist, lässt sich auch auf den Bereich der Nachrichtenangebote übertragen. Auch hier bilden sich in Folge der stetigen Zunahme der Angebotsvielfalt differenziertere Muster der Zuwendung zu Informationen. Für die Bildung von Nachrichtenrepertoiretypen wurde seit 2009 bei jährlich ca. 3.400 Befragte der Deutschschweiz und der Suisse Romande die Nutzungsintensität einer Vielzahl von Off- und Onlinequellen erfasst. Diese Informationen bilden die Grundlage der Verdichtung zu sechs Nachrichtenrepertoiretypen, die entlang der Orientierung an traditionellen und neuen Nachrichtenrepertoires sortiert werden. Zu den Typen mit traditionellen Repertoires zählen die Homeland-Oriented, deren Informationskonsum sich auf das Radio, die Abonnementzeitungen und das Fernsehen konzentriert. Bei der Gruppe, die als Old-World-Boulevard bezeichnet wird, spielen Boulevardzeitungen, Onlinequellen, TV und Social Media eine zentrale Rolle, Im Repertoiretyp Old World und Onlinependents wird sich aus Abozeitungen bzw. ihre Angebote im Netz, aus dem Radio und dem Fernsehen informiert. Zu den so genannten New-World-Newsrepertoires zählen die Intensivnutzer, die sich aus einem sehr breiten Angebotsspektrum traditioneller (z.B. TV, Radio, Zeitungen) wie auch Onlinequellen (Online, Social Media, Blogs) über das politische Geschehen informieren. Die Global Surfer verzeichnen ihren Nutzungsschwerpunkt in der Onlinewelt und wenden sich Zeitungen eher wenig zu. Als News-Deprivierte werden diejenigen Befragten bezeichnet, die sich von journalistischen Angeboten eher abwenden und sich hauptsächlich über Social Media informieren (Schneider & Eisenegger, 2019). Über einen 10-Jahreszeitraum lässt sich zeigen, dass sich die Veränderungen in der Medienlandschaft, vor allem der Rückgang der Zuwendung zu Printangeboten, in der Verteilung dieser Milieus in der Bevölkerung niederschlägt. So ist der Anteil aller an traditionelle Medienangebote gebundene Nachrichtenrepertoiretypen stark zurückgegangen. Bei den onlineaffinen Segmenten trifft diese Entwicklung nur auf die Intensivnutzer zu. Hingegen ist der Anteil der Global Surfer von 16% auf 25%

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und der der News-Deprivierten von 21% auf 36% gestiegen (ebenda: 34). Gerade die Zunahme letzterer Gruppe ist aus demokratietheoretischer Perspektive kritisch zu sehen, da die Vermeidung von Nachrichten mit verschiedenen anderen affektiven, kognitiven und konativen Indikatoren, die die Teilhabe am Gemeinwesen beschreiben, einhergeht. So sind das Interesse für Politik und die Demokratiezufriedenheit geringer ausgeprägt, Nachrichtenvermeider verfügen über ein geringeres politisches Wissen und nutzen die Teilhabemöglichkeiten im geringeren Maße (u.a. Blekesaune et al., 2012). Basierend auf diesen Überlegungen zur Segmentierung und Fragmentierung des Publikums und in Kenntnis der Entwicklung von Medienrepertoiretypen in der Schweiz stellen sich für die Analyse der Situation in Deutschland daher zunächst zwei Fragen: (1) Wie lässt sich die Gruppe der Nachrichtenvermeider in Deutschland fassen? (Ebene 1 der Fragmentierung) und (2) Gibt es unter den Informationsnutzern einen Nachrichtenrepertoiretyp, bei dem Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine nur untergeordnete Rolle spielen? (Ebene 2). Diesen Fragen ging eine Onlinebefragung im Januar 2020 in Deutschland nach, die für Onliner im Alter von 18 bis 69 Jahren repräsentativ ist.1 Für jeweils acht verschiedene Nachrichtenquellen aus dem Offline- und dem Onlinebereich wurde die regelmäßige Nutzung an mindestens drei Tagen in der Woche2 – ein im Vergleich zu anderen Studien strenger Nutzungsindikator3 – erfragt. Was sind die wichtigsten Nachrichtenquellen? Wie auch im Reuters Digital News Survey 2019 (Hölig & Hasebrink, 2019) dokumentiert, nehmen mit den Nachrichtensendungen von ARD und ZDF (54%), den lokalen und regionalen Tageszeitungen (47%) und den Nachrichtensendungen der privaten Anbieter (40%) drei traditionelle Informationsquellen die Spitzenplätze ein. Im Ranking folgen soziale Medien wie Facebook und Twitter (36%) und Onlinenachrichtenangebote der Qualitätsmedien wie spiegel.de oder süddeutsche.de (34%). Die geringste Rolle im Informati1  Die Befragung wurde als Gemeinschaftsprojekt des Instituts für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München und des Instituts für Sozialwissenschaften der HHU Düsseldorf unter Leitung von Prof. Olaf Jandura durchgeführt und unter anderem durch Mittel aus der Fördermaßnahme Lehre@LMU finanziell unterstützt. Die Auswertungen beruhen auf einem bereinigten Datensatz von 1.244 Befragten der über das Feldinstitut RESPONDI in Köln erhoben wurde. Die Befragten wurden auf die Freiwilligkeit der Teilnahme und die Anonymität der Daten hingewiesen. Für die Teilnahme erhielten sie vom Institut ein Incentive. 2  Frageformulierung: „Welche der folgenden Kanäle haben Sie innerhalb der letzten Woche an drei oder mehr Tagen verwendet, um offline [2. Frage online] auf Nachrichten zuzugreifen? Wie ist das mit …“ 3  Im Vergleich zu anderen Studien die weniger strenge Reichweitenindikatoren (z.B. Reichweite innerhalb der letzten 2 Wochen bzw. Wochenreichweite) anlegen, zielte die Frage auf die regelmäßige Informationsnutzung ab. Durch die Vorgabe einer Tageszahl sollten zwischen den Personen unterschiedlich ausgelegte relative Angaben (z.B. sehr oft, oft etc.) konkreter erfasst werden.

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onsrepertoire spielen die Mediatheken der privaten Programme (12%), Boulevardzeitungen (11%) und Podcasts (9%) (Tabelle 1). Auf Basis der Auskünfte zur Nutzung dieser 16 Informationsangebote wurden sodann über eine Clusteranalyse neun verschiedene Informationsrepertoires in der Bevölkerung gebildet. Tabelle 1: Reichweite von Informationsangeboten Frage: „Welche der folgenden Kanäle haben Sie innerhalb der letzten Woche an drei oder mehr Tagen verwendet, um offline [2. Frage online] auf Nachrichten zuzugreifen? Wie ist das mit …“ Prozent Nachrichtensendungen in der ARD oder dem ZDF 54 lokalen oder regionalen Tageszeitungen, die in Ihrer Gegend erscheinen 47 Nachrichtensendungen bei privaten Anbietern wie z.B. RTL, Sat.1 oder ProSieben 40 soziale Medien wie z.B. Facebook, Twitter 36 Nachrichtenangeboten wie z.B. Spiegel Online oder sueddeutsche.de 35 Anzeigenblätter, die ein oder zweimal die Woche kostenlos ins Haus kommen 30 Portale wie z.B. web.de oder t-online.de 26 Mediatheken öffentlich-rechtlicher Angebote 26 Überblicksseiten wie z.B. google news, Samsung upday 25 Informationsprogramme im Radio wie WDR 5, B5 oder Deutschlandfunk 23 politischen Wochenzeitungen und Zeitschriften wie Spiegel oder Zeit 18 E-paper von Tageszeitungen 17 überregionale Tageszeitungen wie Süddeutschen Zeitung oder FAZ 16 Boulevardangeboten wie z.B. Bild.de, tag24.de 15 Mediatheken privater Angebote 12 Boulevardzeitungen wie z.B. Bild, tz, Mopo oder Express 11 Podcasts 9 Repräsentative Onlinebefragung unter 18-69jährigen Deutschen im Januar 2020, n=1.234 Befragte

Vergleichbar mit der Schweizer Studie (Schneider & Eisenegger, 2019) lassen sich die Segmente entlang der Zuwendung zu traditionellen und zu Onlineangeboten differenzieren. So zählen 12 Prozent der Befragten zum Repertoiretyp mit einem vormals klassischen Medienrepertoire. Zur regelmäßigen Information nutzen 95 Prozent die öffentlich-rechtlichen Rundfunknachrichten und 63 Prozent lokale und regionale Tageszeitungen. Alle anderen Angebote spielen eine geringe Rolle. Nennenswert wären noch die Anzeigenblätter, die von jedem vierten regelmäßig genutzt werden. Ebenfalls an die traditionellen Medien gebunden, sind die Regionalorientierten (17%). Fast alle Befragte in diesem Cluster wer-

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den über private Nachrichtensendungen erreicht (99%), 74 Prozent verfolgen Nachrichten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bei 60 Prozent zählt die Tageszeitung und bei 45 Prozent das kostenlose Anzeigenblatt zum regelmäßigen Informationsrepertoire. Bei den Radionutzern (8%) wird jede/jeder im Segment von Informationsprogrammen wie dem Deutschlandfunk, B5 oder dem WDR5 erreicht. Als relevante Quelle folgen die Nachrichtensendungen in ARD und ZDF (79%), die lokale Tageszeitung (78%) sowie die Anzeigenblätter (68%). Für alle drei stark an traditionelle Angebote gebundene Gruppen gilt, dass Onlinemedien für die regelmäßige Information, wenn überhaupt, nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Für das Segment der Onliner (16%) gilt diese Aussage unter anderen Vorzeichen. Als einzige Gruppe informieren sich die Befragten dieses Typs fast ausschließlich aus dem Internet. Dabei sind Nachrichtenangebote wie spiegel.de oder soziale Medien mit 78 Prozent bzw. 73 Prozent die wichtigsten Informationsquellen. Für weitere vier Segmente spielen Off- und Onlinequellen eine gleichberechtigte Rolle im Informationsrepertoire. Sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der genutzten Angebote. In der Gruppe der Boulevard und Social Mediaaffinen (10%) sind die Nachrichten der privaten Fernsehprogramme (90%), Social Media-Angebote (83%), Nachrichtenseiten im Netz (63%) und die lokalen Tageszeitungen (63%) die zentralen Informationsquellen. Die Allesnutzer (6%) weisen eine überdurchschnittliche Zuwendung zu Qualitäts- und Boulevardangeboten auf. Öffentlich-rechtliche Fernsehsender (89%) und die Metdiatheken dieser Sender (76%) werden ebenso genutzt wie die Nachrichten der privaten Programme (86%), Tageszeitungen (92%), Anzeigenblätter (80%) und Überblicksseiten im Netz (73%). Die Gruppe der qualitätsorientierten Allesnutzer (7%) kennzeichnet die Zuwendung zu einem breiten Profil an Qualitätsmedien. Öffentlich-rechtliche Nachrichten (99%) und öffentlich-rechtliche Mediatheken (81%) zählen hier ebenso zum Informationsmenü, wie die Tageszeitung (81%) und Qualitätsangebote im Netz, wie spiegel. de (72%). Die vierte Gruppe, die sich sowohl aus traditionellen wie aus Onlinemeiden informiert, sind die Informationsprofis (6%). Hier zählen die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, überregionale Tageszeitungen (87%), politische Wochenzeitungen (78%) ebenso zu Informationsinfrastruktur wie Nachrichtenangebote wie spiegel online und süddeutsche.de (81%) oder soziale Medien (78%). Als letzte Gruppe verbleibt mit den Nachrichtenvermeidern (17%) ein Segment, deren Zugehörige sich weder in der Offline- noch in der Onlinewelt regelmäßig über Politik informieren (Tabelle2).

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Tabelle 2: Verteilung der Nachrichtenrepertoiretypen

* Öffentlich-rechtlicher Rundfunk – aggregierte Reichweite der Items Nachrichten in ARD und ZDF, Mediatheken öffentlich-rechtlicher Programme sowie Informationsprogramme im Radio wie BR5 **aggregierte Reichweite zu überregionale Tageszeitungen, politische Wochenzeitschriften & Angebote wie spiegel-online oder sueddeutsche.de ***aggregierte Reichweite der Nachrichten privater Programme, Boulevardzeitungen & Boulevardangebote Online ****aggregierte Reichweite von Social Media Angeboten, Nachrichtenaggregatoren sowie Seiten wie t-online.de, web.de *****aggregierte Reichweite regionale und lokale Tageszeitungen sowie Anzeigenblätter

Den Forschungsfragen folgend wird nun der Blick auf zwei Milieus gerichtet, die von den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenangeboten nicht oder nur kaum regelmäßig erreicht werden. Dies wären einerseits die Nachrichtenvermeider (16%) und andererseits die Gruppe der Onliner (17%), bei denen nur 42 Prozent der Segmentzugehörigen öffentlichrechtliche Informationsangebote regelmäßig nutzen. Nachdem die Mediennutzung dieser Gruppen bekannt ist, sollen nun deren soziale Position und die politischen Einstellungen analysiert werden. Mit einem Anteil von 61% sind Frauen bei den Nachrichtenvermeidern im Vergleich zur Bevölkerung überdurchschnittlich zu finden. Zudem ist die mittlere Altersgruppe der 25-49jährigen mit einem Anteil von 46% überrepräsentiert. Formal niedrige Bildungsabschlüsse dominieren. So verfügen 35% über einen Hauptschul- und 40% über einen Realschulabschluss. Die Erwerbstätigkeitsquote und damit verbunden das Einkommen ist im Vergleich zu allen anderen Segmenten am geringsten. Gleiches gilt für das politische Interesse. Bei den Onlinern ist das Geschlechterverhältnis hingegen ausgewogen. Hier dominieren die jüngeren Altersgruppen. Der Anteil der 18-24 Jährigen ist mit 33% 2,5x so hoch wie in der Stichprobe. Weitere 46% der Onliner sind 25-49 Jahre alt. In der im städtischen Milieu angesiedelten Gruppe verfügen zwei Drittel über das Abitur als Bildungsressource und das Einkommen unterscheidet sich wie das politische Interesse nicht wesentlich vom Bevölkerungsdurchschnitt (Tabelle 3). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Analyse von Gruppen

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in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht oder nur unterdurchschnittlich genutzt wird, die Perspektive der Beschreibung der Nutzerzahlen in bestimmten Segmenten der Gesellschaft ergänzt und das Wissen um das Publikum des öffentlich-rechtlichen Qualitätsjournalismus in Deutschland vielversprechend erweitert. Beide Perspektiven sind allerdings gegenüber der segmentären Differenzierung der Gesellschaft, die derzeit die größte Herausforderung für das Kommunikationssystem darstellt, blind. Als segmentäre Differenzierung wird der Zerfall der Gesellschaft entlang unterschiedlicher Wertepositionen bezeichnet (Jarren, 2018). Um verstehen zu können, in welchen Bereichen der öffentlichrechtliche Rundfunk sein Publikum verliert, müssen daher die für die Bürgerinnen und Bürger relevanten handlungsleitenden politischen Wertepositionen mit deren Mediennutzung in Verbindung gebracht werden. Tabelle 3: Charakterisierung der Nachrichtenvermeider und Onliner

Politisch-Kommunikative Milieus als Analysematrix Eine Möglichkeit bietet mit den politisch-kommunikativen Milieus (Weiß, 2009) ein Ansatz, der sowohl die gut dokumentierte Stratifikation als auch die geforderte Berücksichtigung der Segmentierung des Publikums aufgreift. Als politisch-kommunikative Milieus werden Gruppen Gleichgesinnter bezeichnet, deren Nähe oder Distanz zum politischen System, deren politische Wertorientierungen und Einstellungen, Sozialisationserfahrungen, Partizipationsmuster, aber auch deren verschiedene Modi der politischen Kommunikation systematisch miteinander verzahnt sind (Mahrt & Begenat, 2013). Diese Milieus werden zum einen auf der Basis der Positionierung der Befragten auf der stratifizierenden Ebene, d.h. der Nähe und Distanz zur politischen Sphäre und zum anderen auf Basis der Einstellungen zu den zentralen Wertekonflikten der Gesellschaft auf der segmentierenden Dimension gebildet. Die deutsche Gesellschaft wird dabei durch zwei Konfliktlinien besonders geprägt. Bei der sozioökonomischen Konfliktlinie steht der Wunsch nach einer sozialstaatlichen, egalitären Ordnung einer

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marktliberalen, auf den individuellen Nutzen orientierten Ordnung gegenüber. Die zweite Konfliktline bilden unterschiedliche gesellschaftspolitische Vorstellungen, die in einem Spektrum zwischen libertären, die freie Entfaltung des einzelnen Bürgers betonenden und autoritären, auf die Durchsetzung von Recht und Ordnung achtenden Einstellungsmustern verortet werden können (Kösters & Jandura, 2018). Insgesamt zwölf unterschiedliche Segmente der Kombination aus Nähe und Distanz zum politischen System und der Werteorientierung können so ermittelt werden. Deutlich wird dabei, dass auf den beiden Konfliktachsen verlaufende politische Segmentierungsprozesse auf allen Ebenen der Staatsbürgerschaft zu finden sind. So treten Milieus mit einer libertären und solidarischen Orientierung ebenso in Erscheinung wie Milieus mit einer libertären und marktliberalen, einer autoritären und marktliberalen sowie autoritären und solidarischen Grundorientierung. Die aktiven Staatsbürgerschaft – also diejenigen Befragten mit einer sehr hohen politischen Selbstwirksamkeit und einem sehr hohen Responsivitätsvertrauen – differenziert sich in drei Milieus mit jeweils unterschiedlichen Positionen auf der segmentären Dimension. Gleiches gilt für die durch eine durchschnittliche Selbstwirksamkeit und ein durchschnittliches Responsivitätsvertrauen gekennzeichnete loyal-passive Mitte. Aber auch die eine größere Distanz zur politischen Sphäre aufweisenden Milieus bilden keine homogene Gruppe, sondern unterscheiden sich in ihrer Werteorientierung. So spalten sich die Teilnahmslos-Distanzierten, die sowohl eine sehr niedrige politische Selbstwirksamkeit als auch ein geringes Responsivitätsvertrauen aufweisen in eine Gruppe mit libertär-sozialstaatlichen Einstellungen (Prekär-Distanzierte) und eine Gruppe mit eher autoritär und marktliberalen Einstellungen (Autoritätsorientiert wenig Interessierte) (Abbildung 1). Auf der Basis dieser Typologie lassen sich unterschiedliche politische Kommunikationsmodi wie auch das subjektive mediale Repräsentationsgefühl der Befragten sehr gut beschreiben (Jandura et al., 2018; Kösters & Jandura, 2018). Zudem sind Rückschlüsse auf die Integration verschiedener Segmente in die Gesellschaft möglich. So existieren neben den gesellschaftlich gut integrierten Milieus vier Milieus, die aufgrund ihrer Grundhaltungen auf der segmentären oder der stratifikatorischen Dimension problematische Tendenzen aufweisen. So koppeln sich zum einen mit den Prekär-Distanzierten und die Autoritätsorientierten wenig Interessierten zwei Milieus aufgrund ihrer starken Distanz von der politischen Sphäre und der damit verbundenen geringen Zuwendung zu Informationsangeboten vom öffentlichen Raum ab. Zum anderen schotten sich mit den Milieus der Konkurrenzorientierten Rechten und der Sozialautoritären zwei Milieus von den Arenen der öffentlichen Kommunikation ab und bleiben eher in ihrer politischen Kommunikation unter sich (ebenda: 48)

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Abbildung politisch-kommunikativer Milieus in Deutschland 2020

Neben dieser analytischen Fassung der Heterogenität der Gesellschaft hat die Milieutypologie das Potential auch Ansatzpunkte zur Verortung der Vermeider und Wenignutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu liefern. Hierfür werden die jeweils im Datensatz vorhandenen Informationen zur Zugehörigkeit zu den in diesem Beitrag vorgestellten Nachrichtenrepertoiretypen und die zu den im Beitrag präsentierten politischkommunikativen Milieus miteinander kombiniert. Es wird zunächst deutlich, dass die Nachrichtenvermeider in allen 12 Milieus vertreten sind. Auffällig ist, dass sie überdurchschnittlich in Milieus vertreten sind, die sich von einer integrierten Öffentlichkeit abkoppeln, abschotten oder zumindest dieser kritisch gegenüberstehen. So zählen gut drei von zehn Nachrichtenvermeider zu dem abgekoppelten politischen Milieu der Prekär-Distanzierten (15%) und der Autoritätsorientiert wenig Interessierten (16%). Knapp ein weiteres Viertel ist den abgeschotteten Milieus der Sozialautoritären (13%) und der Konkurrenzorientierten Rechten (11%) zuzuordnen. Zudem zählen 11 Prozent zu den staatsskeptischen Individualisten, ein Milieu mit einer durchschnittli-

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chen politischen Selbstwirksamkeit aber einem unterdurchschnittlichen Responsivitätsvertrauen. Mit den Onlinern steht ein zweites Milieu mit einer unterdurchschnittlichen Zuwendung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Fokus. Auch diese Gruppe ist über alle Milieus verteilt. Im Gegensatz zu den Nachrichtenvermeidern zählen die meisten Onliner jedoch zu den in die politische Öffentlichkeit gut integrierten Milieus der Gesellschaft – 25 Prozent unauffällige Sozialdemokraten, 10 Prozent Kritisch-Engagierte, 13 Prozent gemäßigt Marktautoritäre, 7 Prozent der Marktorieniert Involvierte (Tabelle 4). Tabelle 4: Nachrichtenvermeider und Onliner gegliedert nach politisch-kommunikativen Milieus

Aus dieser Übersicht wird deutlich, dass es sich sowohl bei den Nachrichtenvermeidern als auch bei den Onlinern um keine homogenen Segmente der Gesellschaft handelt. Vielmehr spiegelt sich in ihnen auch die gesellschaftliche Heterogenität wider. Aus dieser Feststellung lässt sich wiederum ableiten, dass die öffentlich-rechtlichen Informationsangebote aus unterschiedlichen Beweggründen, Motiven und Interessen gemieden oder unterdurchschnittlich genutzt werden und dass es unterschiedlicher Strategien bedarf, um diese Rezipientenkreise zu erreichen. Reaktionsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Eine Entwicklung von Reaktionsmöglichkeiten für Medienschaffende auf die Stratifizierung der Gesellschaft muss folglich auf den Eigenschaften des zu erreichenden Publikums aufbauen. Hierfür bietet die Typologie der politisch-kommunikativen Milieus ein heuristisches Potential.

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Wie eben festgestellt, besteht ein Großteil der Nachrichtenvermeider aus abgekoppelten und sich abschottenden Segmenten der Gesellschaft, während das Segment, das nur unterdurchschnittlich den öffentlichrechtlichen Rundfunk nutzt, im politisch integrierten Raum agiert und sich nur durch die ausschließliche Onlinenutzung von den anderen Mediennutzungsgruppen unterscheidet. Im Folgenden werden daher Überlegungen skizziert, die auf die Gewinnung einerseits abgekoppelter oder abgeschotteter Milieus und andererseits auf Onliner abzielen. Von den abgekoppelten Milieus der Prekär-Distanzierten und der Autoritätsorientiert wenig Interessierten ist bekannt, dass diese ihre Informationen nicht aus Nachrichtensendungen, sondern eher aus dem Bereich des Boulevardjournalismus erhalten. Zudem fühlen sie sich mit den ihnen wichtigen Themen und Positionen in der Medienberichterstattung nur im geringen Umfang repräsentiert. (Kösters, Jandura 2018: 45, Jandura, Kösters, Wilms 2018: 122). Eine Integration dieser Gruppen in das Publikum des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und somit in einen gesellschaftsweiten öffentlichen Aushandlungsprozess wäre über Informationsangebote möglich, die die Stilmittel des Boulevards mit dem öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag koppeln. Eine Grundlage hierfür könnten aus dem partizipatorischen Demokratiemodell abgeleitete Ansprüche an Medieninhalte bilden, die das Ziel verfolgen, Interessen des Publikums zu vertreten und dieses zur aktiven Teilhabe zu motivieren. Einer Differenzierung boulevardesker Indikatoren nach Reinemann et al. folgend (Reinemann et al., 2011), lassen sich die Ansprüche auf den Dimensionen Inhalt, Produktion, Kontextualisierung, Wirkungspotential und Stil unterscheiden. So wären bei der Themenauswahl neben den gesamtgesellschaftlich relevanten Themen auch Themen anzusprechen, die sich stärker mit den Bedürfnissen in diesen Milieus auseinandersetzen. In beiden Milieus wären dies aufgrund der teilweise prekären Lebensumstände Themen wie Einkommen, Armut oder Altersarmut. Bei der Akteursauswahl ist darauf zu achten, dass neben den politischen Eliten auch Entscheidungsbetroffene des politischen Handelns in ihrem Alltag dargestellt werden. Diese sollten jedoch nicht als spektakuläre Einzelschicksaale, sondern als im statistischen Sinne typische Fälle mit einer Identifikationsmöglichkeit für die Zuschauer dargestellt werden. Auch stilistisch ergeben sich aus dem partizipatorischen Öffentlichkeitsverständnis andere Anforderungen an die Informationsvermittlung. Emotional aufgeladene Appelle oder narrative Erzählstrukturen sind dann nicht negativ zu bewerten, wenn sie in Verbindung mit den Inklusions- und Partizipationszielen stehen (Kösters & Friedrich, 2017). Einer der boulevardesken Politikberichterstattung innewohnender Negativismus kann diesen Zielen jedoch entgegenwirken. So zeigen Wir-

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kungsstudien, dass in der Zielgruppe dieser Angebote ein Negativismus eher demobilisierend wirkt (Schuck et al., 2013). Fallbeispiele gelungener Problemlösung und Partizipation regen hier stärker zur Teilhabe an (Friedrich & Jandura, 2012). In den sich von der Öffentlichkeit abschottenden Milieus der konkurrenzorientierten Rechten und der Sozialautoritären sind populistische Einstellungen wie z.B. eine sehr starke Elitenkritik bei einer wahrgenommenen hohen politischen Selbstwirksamkeit und stark negative Einstellungen zur Migrationsfrage sehr weit verbreitet. Diese populistischen Einstellungen korrelieren sehr stark mit einem pauschal negativen Medienbild (Schindler et al. 2018), das in repräsentativen Bevölkerungsbefragungen seit 2015 bei einem Teil der Bevölkerung festgestellt wurde (van Eimeren et al., 2017), Schultz et al., 2017). Diesen Vorstellungen liegen teilweise naive Medientheorien (Naab, 2013) und Vorstellungen von Medienwirkungen zu Grunde, die in homogenen Anschlussdiskursen innerhalb dieser Gruppen verstärkt werden. Ähnlich wie die abgekoppelten Milieus fühlen sich die Befragten, die den abgeschotteten Milieus zuzurechnen sind, subjektiv in der Medienberichterstattung nur unterdurchschnittlich repräsentiert. Sie erfahren von allen Gruppen ihren größten Rückhalt in den Medien mit Abschottungspotential, d.h. in den alternativen Medien oder auf Facebook (Jandura & Kösters, 2018). Die Forschung konnte verschiedene Ursachen zur Vermeidung der Zuwendung zu Qualitätsjournalismus in diesen Gruppen identifizieren. So betont Hagen (Hagen, 2015: 159), dass neben der Reaktanz erzeugenden verstärkten Medialisierung der Gesellschaft mit dem Internet die Möglichkeiten der mit den eigenen Voreinstellungen stimmigen Informationsrezeption (Selektive Exposure) verstärkt wurden. Die mit den Vorstellungen einer Homogenität des Volkes entgegenlaufende plurale und vielfältige Medienberichterstattung vieler Medienangebote kann so vermieden werden (Schindler et al., 2018). Zudem sind aber auch Qualitätsmängel im Journalismus (Hagen, 2015) eine mögliche Ursache der Abkehr von auch öffentlich-rechtlichem Qualitätsjournalismus. In dem sich stetig entwickelnden Qualitätsdiskurs in den Redaktionen aber auch in der Medienqualitätsforschung (Neuberger, 2019) wäre zu überprüfen, inwieweit die auf etablierte politische Akteure zentrierte politische Berichterstattung erweitert werden kann, inwieweit Perspektiven, die den demokratischen politischen Grundhaltungen (z.B. eher autoritäre und marktliberale Vorstellungen) dieser Milieus entsprechen auch Eingang in die Berichterstattung finden (Scheufele & Engelmann, 2013) und inwieweit die Lebenswirklichkeit dieser Milieus, deren räumliche Schwerpunkte nicht in den Großstädten, sondern eher in den mittleren Städten liegen, reflektiert werden. Die Verlängerung der Tagesthemen

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um eine größere regionale Repräsentanz im Programm zu erreichen und die Vertiefung der redaktionellen Verankerung des BR in den Regionen Bayerns, können als Schritte in die richtige Richtung gewertet werden. Der Wirkungskraft subjektiver naiver Medientheorien über systematisch die Gesellschaft manipulierende Medien ließen sich Erklärstücke, wie die Auswahl von Medieninhalten zu Stande kommt (Transparenz), entgegensetzen. Damit würde man auch die Zuschauer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erreichen, die die Angebote zwar nutzen, ihnen aber nicht vertrauen, sondern diese zur Bestätigung der eigenen kritischen Position immer wieder heranziehen (Tsfati & Cappella, 2003). Die Analyse der Mediennutzungsgewohnheiten der Onliner verdeutlicht, dass diese Gruppe keineswegs die Angebote des Qualitätsjournalismus im Netz meiden. Im Vergleich zu spiegel.de oder den Onlineseiten der Süddeutschen Zeitung sind sie nur unterdurchschnittlich in den Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu finden. Im Gegensatz zu den abgekoppelten und abgeschotteten Milieus fühlen sich die Onliner mit ihren Positionen in der Berichterstattung medial repräsentiert. Beide Argumente sprechen dafür, dass in dieser Gruppe nicht die Inhalte der Berichterstattung ausschlaggebend für die Vermeidung sein dürften, vielmehr wären strukturelle Hemmnisse zu adressieren. Diese liegen im Fall der Gruppe der Onliner eindeutig bei den Entfaltungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet. Die Übertragung der Kanaleigenschaften eines linearen Programms erweitert um die Eigenschaften von Telemedien in das Internet führt im Vergleich zu den privatwirtschaftlich agierenden Angeboten, die alle Möglichkeiten zur Informationsaufbereitung einsetzen können, zu einer strukturellen Benachteiligung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Verweildauerkonzept, Beschränkung von Textangeboten). Schaut man auf die Ergebnisse der Schweizer Studie zu den Nachrichtenrepertoires lässt sich zeigen, dass diese Gruppe – in der Schweiz die Global Surfer genannt – neben den Informationsdeprivierten das Informationsrepertoire sind, welches sich vergrößert und in das neue Mediennutzungsgenerationen hineinsozialisiert werden. Die Beschränkungen für den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk können somit auch ursächlich für die sinkende Inklusion dieser Zielgruppe sein.

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Schlussbetrachtung Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist in Zeiten einer zunehmenden Optionsvielfalt bei der Auswahl an Informationsquellen ein zentraler Bestandteil der kommunikativen Infrastruktur der Gesellschaft. Durch sein Gebot der Binnenpluralität ist er in einem Angebotsmarkt, in dem die Außenpluralität über die Vielfalt am Kiosk oder im Internet zur dominierenden Angebotsform wird, wichtiger denn je. Über die Auswahl relevanter Themen, eine hohe Akteurspluralität sowie eine zivilisierte Präsentation der Informationen bieten die Informationsangebote von ARD und ZDF Orientierung, synchronisieren die Gesellschaft und führen zu einem breiten Verständnis für eine plurale, heterogene Gesellschaft (Weiß et. al 2015). Die Nutzerstatistiken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der letzten Jahrzehnte zeigen jedoch, dass diese für das demokratische Gemeinwesen relevanten Inhalte einen kleiner werdenden Teil der Gesellschaft erreichen. Die Mediaforschung dokumentiert dabei zum einen die Reichweiten in ausgewählten Zielgruppen und zum anderen die Entwicklung der Nachrichtenvermeider bzw. der gesellschaftlichen Segmente, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unterdurchschnittlich nutzen. Um dem Inklusionsauftrag gerecht zu werden, sollen Medienschaffende Möglichkeiten finden sämtliche Gruppen eines segmentierten Publikums zu erreichen. Die Grundlage für zu entwickelnde Strategien ist die Kenntnis der Motive und Beweggründe der Nichtnutzer, die keine homogene Gruppe in der Gesellschaft darstellen. Anhand einer Typologie von politisch-kommunikativen Milieus konnte im Beitrag gezeigt werden, dass eine analytische Kombination aus stratifikatorischer und segmentärer Differenzierung der Gesellschaft in der Lage ist, verschiedene Milieus mit differierenden Ansprüchen an die Medienberichterstattung zu identifizieren. In dem Beitrag wurden hierfür drei Anspruchsgruppen mit unterschiedlichen Motiven und Beweggründen herausgearbeitet. Eine zielgruppengerechte Ansprache dieser verschiedenen Gruppen würde dem Gedanken einer Inklusion möglichst vieler Gesellschaftsschichten Rechnung tragen. •

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JUNGE „NEWS-AVOIDER/INNEN“ ALS ZIELGRUPPE DR. IN BEATE GROSSEGGER

INSTITUT FÜR JUGENDKULTURFORSCHUNG

Junge Zielgruppen sind ein anspruchsvolles Publikumssegment, das gilt unter Medienmacherinnen und Medienmachern als offenes Geheimnis. Sie zeigen hohe Unterhaltungsorientierung, geringe Medienmarkenbindung, haben knappe Zeitbudgets, nutzen vorzugsweise Onlineangebote, haben kurze Aufmerksamkeitspannen, sind auf Bildkommunikation fixiert, haben hohe Ansprüche an die visuelle Umsetzung, und, wenn es um tagesaktuelle Information geht, erwarten sie sich top-aktuell und auf hohem journalistischen Niveau kompakt strukturierte Info-Happen für den schnellen Überblick. Nur eine kleine Gruppe ist an politischer Information aktiv interessiert, eine wachsende Gruppe junger Menschen gibt sich politikmüde und geht, wie Studien zeigen, zu tagesaktueller Information zunehmend auf Distanz.1 Öffentlich-rechtliche Medien stehen vor der Herausforderung, eine Grundversorgung mit tagesaktueller Information auch für diese schwierige und zugleich anspruchsvolle Zielgruppe zu garantieren. Die Schlüsselfrage lautet: Wie muss tagesaktuelle Information aussehen bzw. angeboten werden, damit sich junge Menschen, die eine distanzierte Haltung gegenüber Politik und Politikjournalismus einnehmen, auf das Angebot einlassen? Um Antworten zu finden, hat das Institut für Jugendkulturforschung im Auftrag des ORF-Public-Value-Kompetenzzentrums eine Zielgruppenexploration im Publikumssegment junger politikdistanzierter News-Avoider durchgeführt.2 In einem ersten Schritt interessierten ganz allgemein die Medienrepertoires und Informationsnutzungsstile junger „Digital Natives“. In einem zweiten Schritt rückten die Publikumsbedürfnisse politikferner und news-distanzierter Jugendlicher und junger Erwachsener und die Frage, wie öffentlich-rechtliche Medien im Sinne einer informativen Grundversorgung auf diese sehr spezielle Zielgruppe reagieren können und müssen, in den Fokus.

1  Institut für Jugendkulturforschung 2020, fög/Universität Zürich 2019 2  Die vom Institut für Jugendkulturforschung im Auftrag des ORF-Public-Value-Kompetenzzentrums durchgeführte Zielgruppenexploration beinhaltet eine Sekundäranalyse zu Medienrepertoires, Politikinteresse und Zugang zu politischer Information in jungen Zielgruppen sowie, ergänzend dazu, eine qualitative Vertiefung im Publikumssegment politikferner und news-distanzierter Jugendlicher und junger Erwachsener.

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News im Medienmix junger Zielgruppen: online und, wenn möglich, in Echtzeit Die Zielgruppe der 16- bis 29-jährigen ist mit digitalen Technologien aufgewachsen. Souverän bewegt sie sich in einer zunehmend komplexeren Onlinewelt. Selbstbewusst agiert sie in der Rolle einer treibenden Kraft der digitalen Transformation. Die Medienrepertoires junger „Digital Natives“ sind mit denen älterer Mediengenerationen kaum vergleichbar. Inhalte, die vormals vom linearen Fernsehen abgedeckt wurden, werden von jungen Zielgruppen heute über unterschiedliche Ausspielkanäle genutzt: Mediatheken bzw. Online-Angebote der Fernsehanstalten, YouTube, Metamediatheken wie Apple-TV oder Streamingdienste wie Netflix.3 Neben Kommunikation, Surfen, Shoppen und Spielen hat in jungen Zielgruppen insbesondere die mediale Internetnutzung hohe Bedeutung: also beispielsweise „das (zeitversetzte) Ansehen von Videos, etwa über Mediatheken, Videoportale wie YouTube oder Streamingdienste, das Hören von Audios, Podcasts, Radiosendungen oder Musik zum Beispiel über Musik-Streamingdienste wie Spotify sowie das Online-Lesen von Zeitungen oder Zeitschriften, von Texten auf diversen Onlineangeboten der Fernsehsender, aber auch über verschiedene Social-Media-Angebote.“4 Fernsehen ist im Medienalltag junger Zielgruppen nach wie vor präsent, allerdings erreicht man über das klassische lineare Fernsehen einen deutlich kleineren Ausschnitt der jungen Zielgruppen als mit Onlineangeboten: 4 von 10 16- bis 29-jährigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Österreich (38%) sehen täglich fern, Internet allgemein ist hingegen für 9 von 10 Jugendlichen und jungen Erwachsenen (91%), Online-Social-Media-Nutzung für 75% und Video-/VoD-Nutzung für 46% ein Fixbestandteil im täglichen Medienmix.5 Radio wird im Job oder beim Autofahren nebenbei gehört und ist für junge Zielgruppen demnach ein klassisches „Ambientmedium“. In Sachen Bewegtbild setzen junge „Digital Natives“ auf vielfältige Nutzungswege, wobei der Trend in Richtung non-lineares TV geht.6 Flexibel auf eine sich dynamisch verändernde Medien- und Digital-Technologielandschaft zu reagieren, ist für sie selbstverständlich. Nur mehr ein Drittel der 16- bis 29-jährigen Österreicherinnen und Österreicher (33%) 3  Beisch/Koch/Schäfer 2019: 379 4  Beisch/Koch/Schäfer 2019: 377 sowie 378f 5  RTR 2018: 41ff 6  Studien kommen in Österreich und Deutschland hier zu einem ganz ähnlichen Befund, vgl. RTR 2018 sowie Frees/Kupferschmitt/Müller 2019.

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nutzt hauptsächlich lineares Programmfernsehen, ein weiteres Drittel (32%) greift hingegen häufig auf Video-Angebote, TV-Theken oder Streaming-Angebote zu, weitere 24% nutzen VoD (Video-Angebote, TV-Theken oder Streaming-Angebote) zumindest gelegentlich.7 Zudem ist YouTube in jungen Zielgruppen zu einer populären Variante des „Internetfernsehens“ geworden, vor allem bei männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Wie die österreichische Jugendwertestudie 2019 zeigt, sind rd. 3 von 4 Jungs und jungen Männern im Alter von 16 bis 29 Jahren (72%) YouTube-Intensivnutzer. Bei den Mädchen und jungen Frauen ist der Anteil etwas geringer, doch auch hier fällt immerhin jede Zweite (50%) in die Gruppe der YouTube-Intensivnutzer.8 YouTube ist für junge Zielgruppen nicht nur Entertainment, sondern spielt auch in der informationsorientierten Mediennutzung eine gewisse Rolle. Auf YouTube finden sich Tutorials zu allen möglichen und unmöglichen Themen. Für junge „Digital Natives“ fungiert YouTube damit heute als funktionales Äquivalent zum klassischen Schulfernsehen der 1980er Jahre. Darüber hinaus ist YouTube auch für Freizeit- und Hobbykurs-Anbieter zu einem echten Konkurrenzfaktor geworden. Kurzum: Onlineangebote sind aus Sicht junger Zielgruppen unverzichtbar. Und dies zeigt sich nicht zuletzt auch im News-Bereich. Generell lässt sich in der Nachrichtennutzung eine Verschiebung weg vom Fernsehen hin zu Online-Angeboten beobachten. Angebote, die nicht einfach Onlineausgaben traditioneller Angebote in Fernsehen, Radio und Print sind, sondern eine neue, eigenständige digitale Angebotsform darstellen, wie beispielsweise Google News, Reddit oder News-Apps, bespielen den Informationsmarkt. Informationsintermediäre, also soziale Netzwerke wie Facebook oder Instagram, Videoportale, Instant-Messenger oder Suchmaschinen wie Google, stellen ein neues Phänomen im News-Sektor dar. Sie heben die klassische Trennung von redaktionellem Nachrichtenanbieter und Nachrichtennutzer auf, agieren als Vermittler, die den Nutzerinnen und Nutzern Inhalte aus unterschiedlichen Quellen zugänglich machen, und fungieren, um mit Uli Gleich zu sprechen, zudem als „Filter, Sortierer und Personalisierer: Sie beeinflussen, welche Informationen bzw. Nachrichten im Netz gefunden werden können (Filterfunktion), sie haben Einfluss darauf, welche Seiten hohe Aufmerksamkeit erhalten (Sortierfunktion) und sie produzieren unter Zuhilfenahme von Algorithmen personalisierte Angebote für Nutzer (Personalisierung).“9 7  RTR 2018: 55 8  Definition Intensiv-Nutzer: nutze häufig, vgl. Institut für Jugendkulturforschung/tfactory 2019: 7 9  Gleich 2019: 132

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Begrifflich assoziieren junge Zielgruppen mit Nachrichten bzw. News tagesaktuelle Berichterstattung. Und sie denken dabei vor allem auch an tagesaktuelle politische Ereignisse. Wählt man, wie in der 2018 veröffentlichten RTR-Studie „Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im VOD-Zeitalter“ einen weiten Newsbegriff, der Hard-News und Soft-News gleichermaßen berücksichtigt, also neben Politik und Wirtschaft, auch Sport, Kultur und Wissenschaft sowie Lifestyle- und Society-Berichterstattung miteinbezieht, zeigt sich, dass die Top-5-Themenpräferenzen der 16- bis 29-jährigen klar in Richtung tagesaktuelle Ereignisse, Politik und Sport gehen. Auf die Frage „Welche Art von News und Nachrichten interessieren dich am meisten?“ nennen 52% der 16- bis 29-jährigen Politik, 48% internationale Nachrichten, 44% Ereignisse aus Österreich, 39% lokale Ereignisse und immerhin 28% Sport.10 Rd. zwei Drittel der 16- bis 29-jährigen Österreicherinnen und Österreicher (64%) nutzen News-Angebote meistens über Internetplattformen, rund jede/r Fünfte über Smartphone-Apps (21%) oder Social Media (19%). Nach online kommt TV: Fernsehen wird immerhin von einem Drittel der jungen Zielgruppen als bevorzugter Newskanal genannt. Eine insgesamt eher nachrangige Rolle im Bereich „junger Nachrichtenmedien“ spielen hingegen Radio (22% Nennungen) und Print (24%).11 Social Media nehmen im Kommunikations- und Informationsrepertoire Jugendlicher und junger Erwachsener eine sehr zentrale Rolle ein und haben, wie die Jugendmedienforschung zeigt, auch im News-Bereich Bedeutung. Allerdings handelt es sich bei den via Social Media bevorzugt genutzten News nicht um Hard News, sondern Soft News mit jugendkultureller Note bzw. jugendkulturrelevantem Lifestyleakzent. Hard News aus dem Bereich der Politik haben selbst bei stärker politikinteressierten bildungsnahen YouTube-Usern nachrangige Bedeutung. Die vom Institut für Jugendkulturforschung 2018 veröffentlichte Studie „Jugend und digitale Medien“ zeigt so etwa, dass in der jugendkulturorientierten Kernzielgruppe der 16- bis 24-jährigen selbst in den Bildungsschichten lediglich knapp jede/r Vierte Politik unter den auf YouTube am liebsten genutzten Themenrubriken nennt. Angeführt wird das Ranking der beliebtesten YouTube-Genres übrigens von Musik, und zwar klar vor Sport und Tutorials.12

10  RTR 2018: 61 11  RTR 2018: 63 12  Institut für Jugendkulturforschung 2018: 9

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Smartphone und mobiles Internet ermöglichen es, jederzeit und überall online zu gehen. Dies führt dazu, dass junge Online-User von redaktionellen Medien erwarten, dass diese sie über aktuelles Geschehen in Echtzeit am Laufenden halten. Das heißt, Nachrichtenmedien, die aus Sicht junger Zielgruppen „state oft the art“ sind, versorgen ihr Publikum mit allen relevanten „Breaking News“. Unterhaltung wird vielfach zeitversetzt „on demand“ konsumiert. Die hohe Angebotsdichte und die wachsende Vielfalt der Ausspielkanäle treiben redaktionelle Medien heute in einen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit und das Interesse der jungen „Digital Natives“. Sie konkurrieren um deren zunehmend knappe Zeitbudgets. Kurze Aufmerksamkeitsspannen und geringe Monotonietoleranz sind für „Digital Natives“ geradezu typisch. Content-Anbieter stehen demnach nicht nur vor der Aufgabe, journalistische Qualität schnell, idealerweise in Echtzeit, bereitzustellen, sondern sie müssen Content dabei auch möglichst kompakt halten. In die Praxis gewendet, heißt dies, Push-Kommunikation mit interessanten kleinen Info-Happen für den schnellen Überblick anzubieten und im Sinne von Pull-Kommunikation für Interessierte Hintergrundberichterstattung optional und „on demand“ zur Verfügung zu stellen. Für öffentlich-rechtliche Medien bietet der Informations- und Kommunikationskosmos, den die jungen „Digital Natives“ bewohnen, zweifelsohne Herausforderungen. Und diese Herausforderungen wachsen, wenn es darum geht, eine informative Grundversorgung für die Gruppe politikferner und news-distanzierter „Digital Natives“ sicherzustellen. Phänomen News-Gap: Politikinteresse wie auch Vertrauen in redaktionelle Medien segmentieren nach Milieus Wie die Jugendforschung zeigt, stehen junge Menschen zu Politik generell in einem schwierigen Verhältnis. Die Jugendforschung spricht von Politikmüdigkeit, aber auch von Politiker- und Politikerinnenverdrossenheit. Tatsache ist, dass heute quer durch die jungen Sozial- und Bildungsmilieus ein kritischer Blick auf politische Institutionen und deren Repräsentanten vorherrscht, nicht zuletzt deshalb, weil den politischen Akteuren und Akteurinnen eine Entkopplung von den Lebensrealitäten des Durch-schnittsösterreichers und der Durchschnittsösterreicherin und damit verbunden Blindheit gegenüber den Themen und Problemen, die die sogenannten normalen Leute beschäftigen, unterstellt wird.

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Wie die österreichische Jugendwertestudie 2019 zeigt, meinen 84% der 16- bis 29-jährigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen: „Die meisten Politiker haben keine Ahnung, wie es den Menschen geht“. Diese offenkundige Politiker- und Politikerinnenverdrossenheit sagt nun aber nicht unbedingt etwas über das Politikinteresse und, damit verbunden, das Interesse an qualitativ hochwertiger Politikberichterstattung aus.13 Was das politische Interesse wie auch das Vertrauen in redaktionelle Medien betrifft, zeigt die Jugendforschung einen scharfen Bruch zwischen den Bildungsmilieus. Junge Menschen mit niedriger und mittlerer formaler Bildung, die in der gesellschaftlichen Debatte auch als Modernisierungsverlierer bezeichnet werden, geben sich in Bezug auf Politik und Journalismus deutlich distanzierter als die bildungsnahe Jugend, die sich gesellschaftlich eher auf der Gewinnerseite sieht.14 • In den jungen Bildungsschichten geben immerhin 26% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an, an Politik sehr interessiert zu sein, weitere 40% bezeichnen sich als zumindest etwas interessiert. 36% haben Vertrauen in Journalisten und deren Arbeit, lediglich 16% sind der Überzeugung, dass man nicht alles glauben könne, was die Medien berichten. • In der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit niedriger und mittlerer formaler Bildung sieht die Situation hingegen anders aus. Der Anteil der politisch Interessierten ist deutlich niedriger: Lediglich 16% zeigen hier sehr großes Interesse, weitere 34% sind etwas interessiert. Das heißt, jeder und jede Zweite mit niedriger oder mittlerer formaler Bildung hat kaum bis überhaupt kein Interesse an Politik. Zudem ist eine stärkere Entfremdung von redaktionellen Medien zu beobachten. Nur 23% artikulieren Vertrauen in den Journalismus. Der Aussage „Man kann nichts mehr glauben, was in den Medien berichtet wird“ stimmen in der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit niedriger und mittlerer Bildung 40% voll und ganz zu, weitere 41% zumindest eher zu. Um es auf den Punkt zu bringen: Vor allem in den gesellschaftlichen Verlierermilieus oder, besser gesagt, in jenen Milieus, in denen sich junge Menschen angesichts aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen selbst als Verlierer sehen, wirkt die zu diagnostizierende Politikmüdigkeit ne13  Institut für Jugendkulturforschung/tfactory 2019: 33 14  Im Folgenden wird der Begriff Modernisierungsgewinner synonym mit „Jugendliche und junge Erwachsene mit höherer formaler Bildung“ und der Begriff Modernisierungsverlierer synonym mit „Jugendliche und junge Erwachsene mit niedriger und mittlerer formaler Bildung“ verwendet.

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gativ auf das Interesse an Politik in tagesaktuellen Nachrichten zurück.15 Bei jungen Menschen mit niedriger und mittlerer formaler Bildung beobachten wir eine große Gruppe, die sich von gesellschaftlichen und politischen Fragen unserer Zeit zurückzieht und selbstbewusst sagt: „Ich kümmere mich nur wenig um Dinge außerhalb meiner privaten Welt“ (54%).16 Politikverdrossenheit ist milieuunabhängig, Politikinteresse und Vertrauen in redaktionelle Medien differenziert nach Milieus Die meisten Politiker haben keine Ahnung, wie es den Menschen geht17 Modernisierungsgewinner: 85%

Modernisierungsverlierer: 84%

Ich bin sehr an Politik interessiert Modernisierungsgewinner: 26%

Modernisierungsverlierer: 16%

Ich habe sehr viel/ziemlich viel Vertrauen in Journalisten Modernisierungsgewinner: 36%

Modernisierungsverlierer: 23%

Man kann nichts mehr glauben, was in den Medien berichtet wird18 Modernisierungsgewinner: 16%

Modernisierungsverlierer: 40%

Institut für Jugendkulturforschung/tfactory (2019): Jugendwertestudie, rep. für 16- bis 29-jährige, n=1.000 17 18

Jugendliche und junge Erwachsene stellen bei brennenden gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit keinesfalls eine in sich homogene Zielgruppe dar. In Bezug auf Themensensibilität wie auch Themenbewertung tut sich eine für außenstehende Beobachterinnen und Beobachter nicht immer sofort erkennbare Bruchlinie zwischen den Milieus auf. Um zwei konkrete Beispiele zu nennen: Bei Fridays For Future wie auch im Zusammenhang mit Seenotrettungen im Mittelmeer – beides Themen, die in der tagesaktuellen Berichterstattung 2019 eine große Rolle spielten – zeigt sich das deutlich, und zwar sowohl in den quantitativen Daten als auch in der qualitativer Vertiefung. Fridays For Future erreicht in den Bildungsschichten einen deutlich höheren Bekanntheitsgrad: 8 von 10 Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus den bildungsnahen Modernisierungsgewinnermilieus haben von Fridays For Future bereits gehört, in Milieus, in denen sich potentielle Verlierer und Verliererinnen mit mittlerer und niedriger formaler Bildung bewegen, ist Fridays for Future gerade einmal jeder und jedem Zweiten bekannt. 15  Institut für Jugendkulturforschung/tfactory 2019: 25, 33, 15 16  Top-2-Boxes auf Skala 1 bis 4: stimme voll und ganz/eher zu, vgl. Institut für Jugendkulturforschung 2020: 5 17  Top-2-Boxes auf Skala 1 bis 4: stimme voll und ganz/eher zu 18  Top-Box auf Skala 1 bis 4: stimme voll und ganz zu

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Darüber hinaus wird Fridays for Future in den bildungsnahen Gewinnermilieus auch von deutlich mehr Jugendlichen und jungen Erwachsenen als wichtige Initiative gesehen. In Milieus mit niedriger und mittlerer formaler Bildung halten hingegen mehr junge Menschen die Argumentation von Fridays For Future für übertrieben und dementsprechend ist die Meinung, man habe Besseres zu tun, als bei Fridays-For-Future-Demonstrationen mitzumachen, hier anteilsmäßig stärker vertreten. In der Themenakzentsetzung wie auch in der positiven Berichterstattung der Qualitätsmedien über Fridays For Future finden sich diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen naturgemäß nicht angemessen wieder.19 Bekanntheit und Bewertung von Fridays For Future Bekanntheit der Initiative Fridays For Future Modernisierungsgewinner: 82%

Modernisierungsverlierer: 52%

Bewertung von Fridays For Future durch Jugendliche und junge Erwachsene, die die Initiative kennen Fridays For Future ist eine wichtige Initiative Modernisierungsgewinner: 61%

Modernisierungsverlierer: 40%

Die Argumentation von Fridays For Future finde ich übertrieben Modernisierungsgewinner: 12%

Modernisierungsverlierer: 25%

Ich habe etwas Besseres zu tun, als bei den Demonstrationen von Fridays For Future mitzumachen Modernisierungsgewinner: 20%

Modernisierungsverlierer: 33%

Institut für Jugendkulturforschung/tfactory (2019): Jugendwertestudie, rep. für 16- bis 29-jährige, n=1.000

Ähnlich zeigt sich das Bild im Zusammenhang mit Seenotrettungen von Flüchtlingen im Mittelmeer, einem zweiten großen Thema unserer Zeit, das in den Medien dementsprechend große Berücksichtigung findet. Kapitänin Carola Rackete stößt, wenn, dann eher in den Bildungsschichten, auf Bewunderung dafür, dass sie gegen alle Widerstände versucht, Flüchtlinge zu retten. Dass man Flüchtlingen, die in Booten in Seenot kommen, ohne Wenn und Aber helfen müsse, gilt in den bildungsnahen Milieus als mehrheitsfähig, in mittleren und niedrigen Bildungsmilieus ist diese Meinung hingegen Minderheitenprogramm.20

19  Institut für Jugendkulturforschung/tfactory 2019: 27ff 20  Institut für Jugendkulturforschung/tfactory 2019: 31

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Bewertung der Seenotrettungen im Mittelmeer Wenn Flüchtlinge in Booten in Seenot kommen, muss ihnen ohne Wenn und Aber geholfen werden Modernisierungsgewinner: 57%

Modernisierungsverlierer: 37%

Ich bewundere Kapitänin Carola Rackete dafür, dass sie gegen alle Widerstände Flüchtlinge zu retten versucht Modernisierungsgewinner: 40%

Modernisierungsverlierer: 20%

Institut für Jugendkulturforschung/tfactory (2019): Jugendwertestudie, rep. für 16- bis 29-jährige, n=1.000

Doch nicht nur in Bezug auf politische Ansichten gibt sich das junge Publikum gespalten. Auch in Bezug auf Akzeptanz und Nutzung von politischer Information in redaktionellen Medien zerfällt das junge Publikum in unterschiedliche Nutzergruppen, wobei jene Gruppe, die qualitätsjournalistischen Informationsangeboten distanziert gegenübersteht, in den so genannten Verlierermilieus, wie die Forschung zeigt, besonders stark vertreten sind. 50 Prozent der jungen Zielgruppe sind Hard-News-Avoider und Entkoppelt-Deprivierte Junge Menschen beziehen ihre Informationen über tagesaktuelle Ereignisse zunehmend weniger über qualitätsjournalistische Anbieter und Angebote, dies markiert einen generellen Trend. Die Autoren und Autorinnen der deutschen Shell Jugendstudie weisen darauf hin, dass Internet und Social Media klassischen Medien im Bereich der gezielten politischen Informationssuche bei deutschen Jugendlichen mittlerweile bereits den Rang ablaufen.21 Das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich zeigt darüber hinaus für die Schweiz, dass im jungen Publikumssegment rd. 50% mit redaktionellen Angeboten im News-Bereich unterversorgt sind und spricht in diesem Zusammenhang von News-Deprivierten.22 Laut Schweizer Jahrbuch „Qualität in den Medien“ zeichnen sich NewsDeprivierte durch einen unterdurchschnittlichen News-Konsum über alle Medien hinweg aus und sind demnach „vor allem quantitativ mit News unterversorgt“, so die Studienautoren.23 21  Deutsche Shell 2019: 14 22  fög/Universität Zürich 2019: 13 23  fög/Universität Zürich 2019: 3

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In den individuellen Medienrepertoires der News Deprivierten haben Social Media hohen Stellenwert, klassische redaktionelle Medien mit qualitätsjournalistischen Inhalten spielen hingegen eine nachrangige Rolle. Wenn redaktionelle Inhalte genutzt werden, tendieren News-Deprivierte zu Gratismedien. Ihr Blick auf das tagesaktuelle Geschehen ist nicht davon geprägt, größere Zusammenhänge zu begreifen, sondern sie fokussieren eher auf Einzelereignisse, Krisen, Katastrophen und Skandale.24 Für Österreich zeigt das Institut für Jugendkulturforschung in der Studie „Generation Rückzug“25 ähnliche Befunde, wobei in dieser Studie, die auf einer Repräsentativ-Umfrage unter 1.000 jungen Österreicherinnen und Österreichern basiert, anders als bei den Schweizer Kollegen nicht so sehr die Medienrepertoires, sondern vor allem die Motive junger Zielgruppen für die Nutzung bzw. Nicht-Nutzung von politischer Information in der tagesaktuellen Berichterstattung interessierte. Im Rahmen der Studie „Generation Rückzug“ wurden 16- bis 29-jährige gebeten, sich in Bezug auf Politik in den Nachrichten zu positionieren. Angelehnt an die Nutzertypologie der ORF-Public-Value-Jahresstudie 2010/11, konnten sie sich als Info-Seeker, welche großen Wert darauf legen, über aktuelle politische Ereignisse in Österreich und in der Welt top-aktuell informiert zu sein, als Info-Scanner, die vor allem vor Wahlen Interesse an politischer Information zeigen, sich danach aber wieder ausklinken, oder als Info-Avoider, die zwar vielseitig interessiert sind, Politik aber nicht zu ihren Schwerpunktinteressen zählen und zu Politik in den Nachrichten daher auf Distanz gehen, deklarieren. Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer, die sich in keinem dieser drei Typen widerfanden, hatten darüber hinaus die Option, mit „Keiner der drei trifft auf mich zu“ zu antworten und ihr persönliches Verhältnis zu Politik in den Nachrichten mit eigenen Worten zu erläutern bzw. zu begründen. Diejenigen der 1.000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich als Info-Seeker, Info-Scanner oder Info-Avoider deklarierten, wurden ebenfalls gebeten, ihr Interesse an bzw. ihre Distanz zu Politik in den Nachrichten zu begründen; auch hier wurde ungestützt abgefragt. Die Antworten der Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer wurden im Anschluss an die Befragung für die statistische Auswertung vercodet. Die qualitative Inhaltsanalyse ermöglichte es, aus lebensweltlicher Perspektive tiefergehende Einblicke in Informationsnutzungs- wie auch Informationsverweigerungsmotive zu gewinnen.

fög/Universität Zürich 2019: 12f Institut für Jugendkulturforschung 2020: 11ff

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Wie die Daten dieser aktuellen Repräsentativstudie zeigen, ist Politik in den Medien im jungen Publikum nach wie vor eher Männersache. In der Gruppe der hoch interessierten und gut informierten Info-Seeker, die die politische Info-Elite darstellen, sind junge Männer im Vergleich zu jungen Frauen überrepräsentiert. Insgesamt macht die Gruppe der InfoSeeker, die eine interessierte und sehr aktive Informationshaltung zeigen und denen es wichtig ist, über politische Ereignisse in Österreich und der Welt top-aktuell informiert zu sein, lediglich ein knappes Viertel (24%) des jungen Publikums aus. Ein weiteres Viertel (27%) lässt sich immer dann, wenn politische Themen zum Medienereignis werden, beispielsweise vor Wahlen oder am Wahltag, mobilisieren, danach lässt ihr Interesse an Politik in den Nachrichten wieder deutlich nach. Die Hälfte des jungen Publikums formiert sich hingegen aus jungen Menschen mit offen deklarierter Distanz zu Politik in den Nachrichten: 23% deklarieren sich als Hard-News-Avoider, weitere 26% fallen in die Gruppe der Entkoppelt-Deprivierten, die in ihrer Grundhaltung den Hard-NewsAvoidern ähneln, im Vergleich zu diesen aber noch stärkere Politikentfremdung zu erkennen geben.26 Entkoppelt-Deprivierte sind in Jugendmilieus mit niedriger und mittlerer formaler Bildung deutlich überrepräsentiert. Ausgeprägte Entkopplung von qualitätsjournalistischen Angeboten der politischen Information ist in Österreich demnach ganz klar ein Bildungsschichtphänomen.27 Politik in den Nachrichten: Soziodemographie der Nutzer-Typen – Altersgruppe: 16- bis 29-jährige

26  Politikdistanz und politisches Desinteresse wurden von Seiten der Entkoppelt-Deprivierten noch schärfer formuliert als von Hard-News-Avoider; zudem war der Anteil derer, die nicht argumentieren konnten, warum Politik für sie uninteressant und politische Information daher irrelevant sei, sondern mit Statements wie „Ist halt so“ reagierten, in der Gruppe der „Entkoppelt-Deprivierten“ höher. 27  Institut für Jugendkulturforschung 2020: 11ff

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Hard-News-Avoider und Entkoppelt-Deprivierte charakterisieren sich durch eine grundsätzlich skeptische, tendenziell unzufriedene und aufgrund dessen teils auch teilnahmslos-distanzierte Haltung zur Politik. Und dies hält sie zu politischer Information in den Nachrichten letztlich auch auf Distanz. Hard-News-Avoider und Entkoppelt-Deprivierte sind, wie die Statements, mit denen sie ihre ablehnende Haltung gegenüber Politik in den Nachrichten begründen, zeigen, von einer tiefgehenden Politikentfremdung geprägt, wobei bei genauerer Analyse unterschiedliche Dimensionen der Politikentfremdung zu Tage treten: Erstens ist eine tiefgehende Politiker- und Politikerinnenverdrossenheit, die die jungen Hard-NewsAvoider und Entkoppelt-Deprivierten mit ihrer Enttäuschung über ständigen Streit und gebrochene Wahlversprechen begründen, zu nennen, zweitens sind es subjektiv empfundene Repräsentationsdefizite, also das Gefühl, dass sich die Politik um die eigenen Sorgen und Probleme nicht kümmere und für den persönlichen Alltagsvollzug nichts bringe, drittens wird fehlendes Vorwissen bzw. mangelhafte politische Bildung dafür verantwortlich gemacht, dass man Politik nicht versteht, und, weil man sie nicht versteht, Politik in den Nachrichten eben auch nicht interessant findet, und schließlich viertens wird das demokratische Recht, unpolitisch bzw. politisch desinteressiert zu sein, selbstbewusst vorgebracht. Zwei von drei Hard-News-Avoidern und Entkoppelt-Deprivierten argumentieren ihr Desinteresse an Politik in den Nachrichten mit einer dieser vier Dimensionen von Politikentfremdung.

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Wie Politik-News-Entfremdete ihre Distanz zu Politik in den Nachrichten begründen

Eine grundsätzliche Entfremdung von redaktionellen Medien ist in dieser Zielgruppe hingegen weitaus weniger stark Thema. Nur 10% zeigen kritische Distanz gegenüber dem Politikjournalismus: zum Teil, weil sie ihm unterstellen, nicht objektiv zu sein, sondern als verlängerter Arm der Parteizentralen zu agieren (Jugendliche und junge Erwachsene, die so denken, sagen beispielsweise „Nachrichten sind auch nicht immer die Wahrheit“, „Ich habe das Gefühl, dass man den Medien nicht richtig vertrauen kann“ oder „Nur Lügereien von dem ganzen Rundfunk, den Zeitungen und der Politik“), zum Teil aber auch deshalb, weil es dem Politikjournalismus schlicht und einfach nicht gelingt, Politik für diese spezielle Zielgruppe interessant zu vermitteln und Politikberichterstattung für sie damit relevant zu machen. Die Kritik, die junge Hard-News-Avoider und Entkoppelt-Deprivierte diesbezüglich vorbringen, ist unmissverständlich, sie sagen: „Für mich wird Politik zu undurchsichtig dargestellt“, „Es sind viele irrelevante Themen“ oder „Es ist zu fad“.28 Bemerkenswert ist 28  Institut für Jugendkulturforschung 2020: 11ff

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übrigens, dass immerhin 16%, spontan gefragt, nicht begründen können, warum Politik in den Nachrichten für sie uninteressant ist. Um es auf den Punkt zu bringen: Aus lebensweltlicher Sicht der HardNews-Avoider und Entkoppelt-Deprivierten trägt die Politik und nicht der Politikjournalismus Hauptschuld daran, dass sie zu politischen News auf Distanz gehen. Das mag engagierte Politikjournalisten und Politikjournalistinnen beruhigen, am Problem der informativen Unterversorgung eines beachtlichen Teils junger Menschen ändert dies jedoch wenig. Wenngleich Kritik an der journalistischen Praxis auf einem Nebenschauplatz spielt, muss man sich mit der Frage befassen, was der Politikjournalismus zukünftig tun kann, um die bislang informativ unterversorgte Gruppe junger HardNews-Avoider und Entkoppelt-Deprivierter besser zu erreichen. Hier setzt die vom Institut für Jugendkulturforschung im Auftrag des ORFPublic-Value-Kompetenzzentrums durchgeführte qualitative Vertiefung an, die in einem partizipativen Setting Themenauswahlprozesse und Vermittlungsformate aus lebensweltlicher Sicht der Zielgruppe exploriert. Methodisch wurde dabei auf eine Deep-Insight-Fokusgruppe zurückgegriffen, also eine Fokusgruppendiskussion, für die Diskussionsteilnehmerinnen und Diskussionsteilnehmer in einem aufwändigen Screeningverfahren ausgewählt wurden. Alle Diskussionsteilnehmerinnen und Diskussionsteilnehmer charakterisieren sich durch Politikdistanz sowie Distanz gegenüber Politik in den Nachrichten (politisch interessierte Jugendliche und junge Erwachsene, Info-Seeker sowie Bildungseliten wurden ausgescreent). Die Diskussionsteilnehmerinnen und Diskussionsteilnehmer zeichnen sich (wie vom Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich für den Typus der News-Deprivierten als charakteristisch beschrieben) zudem durch hohe Social-Media-Affinität und mangelnde Bereitschaft, für qualitätsjournalistische Angebote Geld auszugeben, aus.29 Im Rahmen der Deep-Insight-Fokusgruppe interessierte, • was sich politikdistanzierte junge Menschen von News erwarten bzw. nach welchen Kriterien sie zwischen gut gemachten, interessanten und uninteressanten Nachrichten unterscheiden, und,

29  Institut für Jugendkulturforschung 2020: 11ff

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• wie junge politikdistanzierte Zielgruppen Themen auswählen und Nachrichtenformate gestalten würden, wenn sie für ihresgleichen Nachrichten produzieren müssten, oder anders gesagt: was passiert, wenn Hard-News-Avoider und Entkoppelt-Deprivierte in die Rolle von „News-Makers“ schlüpfen. Wenn News, dann gute News: Wie der Informationskosmos junger politikdistanzierter Zielgruppen funktioniert Politikdistanzierte junge Zielgruppen bewegen sich in einem Informationskosmos, der mit dem, den politikinteressierte Bildungsschichten bewohnen, scharf kontrastiert. Ihr Medienmix charakterisiert sich durch hohe Online-Orientierung und intensive Social-Media-Nutzung, was letztlich auch für politikinteressierte Jugendliche und junge Erwachsene typisch ist. Anders als die Politikinteressierten spielt tagesaktuelle Information in ihren Medienmenüs, wie die vom Institut für Jugendkulturforschung durchgeführte Deep-Insight-Fokusgruppe in Übereinstimmung mit Forschungsbefunden zum wachsenden Anteil News-Deprivierter im jungen Publikum in der Schweiz zeigt, allerdings eine Nebenrolle. Im Bereich der Bewegtbildnutzung dominieren in dieser Zielgruppe ganz klar die Entertainment-Motive, wobei sich junge Unterhaltung zunehmend in die Online-Welt verlagert: Stichwort „Netflix und Co.“. Tatsache ist, dass lineares Fernsehen in der Altersgruppe, über die wir hier sprechen, oft schon allein deshalb kein Thema mehr ist, weil im eigenen Haushalt die technische Infrastruktur, sprich: das Fernsehgerät, fehlt. Um es mit den Worten eines Deep-Insight-Fokusgruppenteilnehmers zu sagen: „Ich habe keinen Fernseher daheim, ich streame alles.“ So gesehen ist auch verständlich, dass man TV-Sender-Bindung in dieser Zielgruppe kaum mehr erwarten darf. Redaktionellen Informationsangeboten in Radio, Fernsehen und Tageszeitung, also in den klassischen Medien, begegnet diese Zielgruppe ohne großes Involvement. Als Grundregel gilt: Für unsere Generation kommt online zuerst, nur wenn das Internet ausfällt oder wir aus irgendeinem Grund plötzlich keinen Online-Zugang hätten, würden wir auf klassische Medien ausweichen. Alternativ oder ergänzend dazu könnten sich politikdistanzierte Jugendliche und junge Erwachsene auch durchaus vorstellen, sich ihre informative Grundversorgung bei überdurchschnittlich gut informierten Menschen aus dem persönlichen Umfeld zu holen.

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Die Informationsinteressen dieses speziellen Zielgruppensegmentes fokussieren erwartungsgemäß auf Special Interests (zum Beispiel Gaming, Tiere, Auto/Motorsport etc.). Auch Wirtschaftsthemen sind, vor allem wenn sie mit Erfolgsbiographien bzw. Geschichten über Unternehmer und Unternehmerinnen, die den sozialen Aufstieg geschafft haben, für diese spezielle Zielgruppe, die generell sozial schwächeren Milieus entstammt, interessant. Wobei sich in beiden Fällen eine klare Präferenz für leicht konsumierbare Dokutainment-Formate beobachten lässt. Gute Information definiert die Zielgruppe als Information, die neue Einblicke in persönlich relevante Themen ermöglicht und die neu im Sinne von „nicht an jeder Hausecke zu haben“ ist. Was für die Zielgruppe „informativ“ ist, entscheidet sich am Orientierungs-, aber auch am Gebrauchswert, den die Jugendlichen der jeweiligen Information zusprechen: Junge Männer, die sich in einer Clique von Auto-Freaks bewegen und auch selbst am eigenen Auto basteln, finden beispielsweise Auto- und Motorberichterstattung informativ. Altersgleiche mit anderen Schwerpunktinteressen verorten das, was für sie informativ ist, hingegen in anderen Themenwelten. Information punktet mit neuen Einblicken, Gebrauchswert und ­Anschluss an Special-Interests words of relevant mouth: „Mich interessieren außergewöhnliche Nachrichten: etwas, was nicht alltäglich ist. Ja, da bleibe ich dann schon hängen und höre zu.“ words of relevant mouth: „Für mich wären Videospiele interessant, aber nicht von der Industrieseite her, sondern von der Spieler-Perspektive: also Leute, die kritisieren.“ words of relevant mouth: „Bei mir sind es Autos, weil ich auch selber ein Auto habe und ich eben noch mehr von Autos erfahren möchte, weil ich mein Auto auch selbst repariere.“ words of relevant mouth: „Also, ich finde Sendungen interessant, die mir einen Benefit von Wissen verleihen. Zum Beispiel habe ich vor kurzem eine Doku gesehen über die Lehman-Brothers-Pleite: wie sich das aufgebaut hat. Das war irrsinnig interessant. Da bleibe ich sofort hängen.“

Politikberichterstattung bietet aus Sicht von Hard-News-Avoidern und Entkoppelt-Deprivierten nur in Ausnahmefällen Orientierungs- und/ oder Gebrauchswert, beispielsweise vor Wahlen, wenn ganz Österreich über Politik spricht. Dann informieren sich oft auch politikdistanzierte Jugendliche und junge Erwachsene, und zwar um sich eine eigene politische Meinung bilden und mitreden zu können, und, wenn sie von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, um eine Entscheidungsgrundlage für ihre persönliche Wahlentscheidung zu haben.

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Wahlen aktivieren bei Politikdistanzierten zum Teil punktuelle ­Aufmerksamkeit words of relevant mouth: „Politik, das ist ein schwieriges Thema, würde ich sagen. Heutzutage versucht man immer die andere Partei irgendwie anzupatzen. Skandal da und Skandal dort. Es kommt jeden Tag was Neues. Irgendwann schalte ich dann ab.“ words of relevant mouth: „Bei mir ist das auch ähnlich: Vor der Wahl, also während der Wahlsaison, die Elefantenrunden, da schaue ich mir höchstens dann die vom ORF in der Mediathek an.“ words of relevant mouth: „Was auf jeden Fall interessant ist, ist nach der Wahl die Ergebnisse. Wählerströme jetzt nicht unbedingt. Aber nach der Wahl einschalten und schauen, wieso was gewählt worden ist und was die Ziele sind, sozusagen um mich zu informieren, was auf mich zukommen könnte, ist schon interessant.“

Nach der Wahl ziehen sich diese politikdistanzierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen von der Politik aber wieder zurück. Das heißt, sie zeigen dann kein aktives Informationsinteresse an tagesaktueller politischer Information mehr, sind, wie die Deep-Insight-Fokusgruppe zeigt, deshalb aber auch nicht gänzlich uninformiert. Politikdistanzierte junge Zielgruppen zeigen kein aktives ­Informationsmotiv, sind aber auch nicht gänzlich uninformiert words of relevant mouth: „Man wird zwangsinformiert durch die Zeitung, würde ich jetzt mal sagen. Wenn ich in der Arbeit Zeit habe, lese ich Zeitung oder ich schaue es am Computer in der Arbeit an.“ words of relevant mouth: „Ja, oder die Freunde reden darüber und man schaut dann nach, was die Freunde gesagt haben.“ words of relevant mouth: „Über Politik informiere ich mich überhaupt nicht – es ist gerade mal das was ich, wenn ich im Auto fahre, im Radio mitkriege. Und das war es.“

Daneben gibt es aber auch eine Gruppe, die selbst Informationen, die lediglich nebenbei oder im Hintergrund laufen, abblockt, und zwar mit dem Argument: Worüber in Nachrichten berichtet wird, deprimiert mich. Diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen stoßen sich am journalistischen Prinzip „Only bad news are good news“ und empfinden die Allgegenwart des Negativen persönlich belastend.30

30  Die Ergebnisse der im Rahmen der Public-Value-Jahresstudie 2019/20 durchgeführten Deep-Insight-Fokusgruppe zeigen in Übereinstimmung mit der qualitativen Grundlagenforschung des Instituts für Jugendkulturforschung, dass dieses Argument vor allem von jungen Frauen in die Debatte gebracht wird

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Was gegen Hard News spricht: Nachrichten sind deprimierend words of relevant mouth: „Mich interessieren eigentlich überhaupt keine Nachrichten, weil es gibt die Nachrichten, alle hören sich das an, aber es kann so oder so niemand wirklich was ändern. Es werden in den Nachrichten einfach nur Themen gesagt, wo sich Leute darüber aufregen. Also schaue ich es mir gar nicht an.“ words of relevant mouth: „Ich rege mich einfach viel zu sehr darüber auf. Ich halte mich fern. Wenn jetzt zum Beispiel in einem Land eine komplette Katastrophe ist: Ich sehe es und es macht mich traurig. Ich höre über Trump und ich schäme mich dafür. Deswegen versuche ich mich davon fern zu halten.“

Bemerkenswert ist, dass Hard-News-Avoider und Entkoppelt-Deprivierte, ungeachtet ihrer selbstbewusst deklarierten Politikdistanz, hohe Ansprüche an den Journalismus haben. Von Nachrichtenanbietern erwarten sie sich eine seriöse Informations-dienstleistung. Bei Nachrichten denken sie an „Hard News“ zu Politik- und Wirtschaftsthemen. Für sie gilt, Qualitätsjournalismus verzichtet auf „Soft News“. Vor allem Lifestyle ist für sie „gossip“ und gefährdet das seriöse Image eines Nachrichtenformates, auch dann, wenn Lifestyle lediglich als kleines Tüpfelchen auf dem „i“ zur Auflockerung der trockenen tagesaktuellen Berichterstattung dient (abgesehen davon beziehen Jugendliche und junge Erwachsene die für sie relevante Lifestyle-Information ohnehin über jugendkulturorientierte Social Media, d.h. Lifestyle in den Nachrichten erübrigt sich). Mit dem Begriff „News“ verbindet die Zielgruppe das Neue, etwas, worüber noch nicht ausreichend berichtet wurde, aber auch neue, interessante Blickwinkel auf Themen, die nicht völlig unbekannt sind. Gute „News“ begnügen sich aus ihrer Sicht nicht damit, Themenwiederholungen zu bringen, sondern sie liefern frische Perspektiven, die dazu inspirieren, über berichtete Themen nachzudenken. „Interessant“ sind Themen, die in irgendeiner Form an persönliche Erfahrungen anknüpfen und etwas aufgreifen, worüber man bereits ein wenig Bescheid weiß, worüber man jedoch noch nicht alles weiß, oder auch, was man im Detail noch ausreichend versteht. Das gilt so wie bei Special Interests auch für Politikberichterstattung: Die interessantesten Nachrichtenthemen sind aus Sicht der Zielgruppe diejenigen, wo man sich schon ein wenig auskennt, wo man aber noch etwas dazu lernen bzw. etwas erfahren kann, was man noch nicht wusste. Das ist im Grunde auch nicht weiter verwunderlich. Wie die Neurowissenschaften zeigen, sucht das Gehirn in der Informationsverarbeitung zunächst immer nach Bekanntem: „Wir nehmen vor allem und zuallererst wahr, was unseren Erwartungen entspricht. Menschen widmen den Informationen mehr Aufmerksamkeit, die ihre Vorerfahrungen bestätigen.“31 31  Korte 2019: 103

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Österreichische Politik liegt im Interessantheitsranking der Zielgruppe übrigens nicht unbedingt ganz oben. Aus Sicht politikdistanzierter Jugendlicher und junger Erwachsener gibt es in der österreichischen Politik zu viel Streit und bei großen Fragen unserer Zeit geht politisch zu wenig weiter. Das nervt. Nicht zuletzt deshalb empfinden sie Nachrichtensendungen oft als zu innenpolitiklastig und wünschen sich mehr Ausland. Die Generation, über die wir hier sprechen, ist in einer medial hoch vernetzten und globalisierten Welt herangewachsen. Daher ist es auch für politikferne Vertreterinnen und Vertreter dieser Generation ganz selbstverständlich, über die Grenzen Österreichs und auch über die Grenzen Europas hinauszublicken. Österreich rückt für die Zielgruppe allerdings dann in den Vordergrund, wenn Krisen in unserer politischen Landschaft aufpoppen, über die jeder spricht oder von denen sie im Alltagsvollzug vielleicht sogar selbst in irgendeiner Weise betroffen sind. Nachrichten sind für Politikdistanzierte zu innenpolitikfixiert words of relevant mouth: „Wenn ich die Sendung wirklich einschalte, dann will ich nicht nur über Österreich hören. Wenn ich jetzt den ORF hernehme, kommt sofort die Innenpolitik. Es gibt keine einzige Nachrichtensendung, wo nicht irgendetwas aus Österreich ist und darüber Länge mal Breite gesprochen wird.“ words of relevant mouth: „Im ORF ist halt meistens immer Österreich. Ja, und es zieht sich einfach zu lange.“

Das Vertrauen politikdistanzierter junger Zielgruppen in Nachrichtenmedien ist generell eher gering. Dies zeigt die Jugendwerteforschung und es wird auch durch die im Rahmen der Public-Value-Jahresstudie 2019/20 durchgeführte Deep-Insight-Fokusgruppe mit politikfernen jungen Erwachsenen bestätigt. Grund dafür ist allerdings, wider Erwarten, nicht ein Phänomen, das in der Fachliteratur unter dem Titel „Repräsentationslücke“ diskutiert wird: nämlich, dass etablierte Medien die Lebenswelt politikfernen Zielgruppen aus unteren Sozialmilieus nicht ausreichend abbilden, sich politikferne Menschen vom Politikjournalismus nicht ausreichend wahr- bzw. nicht ernstgenommen fühlen und sich daher abwenden.32 Grund ist hier vielmehr, dass die Zielgruppe den Politikjournalismus, wie sie es nennt, als „nicht neutral“, sondern als verlängerten Arm und Sprachrohr der Parteipolitik empfindet, was redaktionelle Nachrichtenmedien unter Propaganda- bzw. Manipulationsverdacht stellt und die kritische Haltung der Zielgruppe gegenüber zu viel Innenpolitik in den Nachrichten noch bestärkt.

32  Jandura/Kösters/Wilms 2018: 118

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Politikferne junge Menschen tendieren also dazu, redaktionellen Medien zu unterstellen, dass sie nicht unvoreingenommen und neutral berichten. Damit begründen sie ihre kritische Haltung bzw. Entfremdung von redaktionellen Nachrichtenmedien. Wie Politikdistanzierte ihre Entfremdung von redaktionellen Medien begründen words of relevant mouth: „Die wenigsten Internetseiten, Tageszeitungen, Radiosendungen sind neutral, sondern die haben immer so einen Hintergrund.“ words of relevant mouth: „Die haben schon alle eine gewisse Richtung.“ words of relevant mouth: „Also manche Sachen werden so groß gemacht. Und von manchen Sachen weiß einfach niemand.“ words of relevant mouth: „Bei mir ist es so, dass, wenn mich was interessiert, dass ich dann selber im Internet recherchiere, oder mir eine Dokumentation online anschaue. Ich bin jetzt nicht abhängig von diversen Sendungen oder so.“

Dass Medien bevorzugt die eigene Meinung ausdrücken bzw. Sprachrohr für die eigenen politischen Ansichten sein sollten, wird von politikfernen Jugendlichen und jungen Erwachsenen gar nicht unbedingt gewünscht. Ein Diskussionsteilnehmer merkt dazu kritisch an: „Das wäre mir nicht wirklich so recht, die sollten ja neutral sein. Und seine eigene Meinung zu hören, bringt ja auch nichts.“33 Was diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen von redaktionellen Qualitätsmedien vielmehr erwarten, ist, dass sie die Breite des in der Bevölkerung vorfindbaren Meinungsspektrums abbilden, und zwar idealerweise, ohne zu werten oder dem einen bzw. dem anderen Standpunkt den Vorzug zu geben. Damit ermöglichen sie dem Publikum nämlich, sich selbst eine Meinung zu bilden. Das ist übrigens genau das, was politikdistanzierte Jugendliche und junge Erwachsene mit „objektiv“ und „neutral“ verbinden und was sie als Qualitätsmerkmal seriöser journalistischer Arbeit verstehen.

33  In diesem Zusammenhang merken die Fokusgruppendiskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer durchaus kritisch an, dass die Logik der personalisierten Information, wie wir sie aus Social Media kennen, in seriösen Nachrichtenmedien keinen Platz haben sollte. Personalisierte Information drängt den User in die digitale Echokammer und unterstützt, insbesondere wenn es um Weltanschauung und Politik geht, eine Fragmentierung politischer Diskursräume, in denen sich Nutzer und Nutzerinnen mit ähnlichen Standpunkten konzentrieren und dabei die Standpunkte Andersdenkender zunehmend aus dem Blick verlieren. Die politikfernen Fokusgruppenteilnehmer und -teilnehmerinnen sehen darin zwar kein demokratiepolitisches Problem. Sie halten es aber persönlich für nicht wünschenswert, dass News-Anbieter ihre bestehende Meinung zementieren, anstatt zum „Weiterdenken“ anzuregen.

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Sie sehen es also als Aufgabe der redaktionellen Medien und insbesondere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der Fragmentierung der politischen Diskursräume etwas entgegenzusetzen und ihr Publikum zum Nachdenken über eigene und andere Positionen zu bringen: durch objektive Berichterstattung, die auch kontroverse Standpunkte zulässt und zur Debatte stellt. Und sie haben dabei auch eine ganz klare Vorstellung davon, was für sie und ihresgleichen Nachrichtenwert hat. Nachrichtenwert ist definiert über: • Aktualität, wobei man hier sehen muss, dass die im digitalen Zeitalter sozialisierten jungen Zielgruppen Aktualität in Echtzeitdimensionen denken und daher für „Breaking News“ besonders empfänglich sind; • Kuriosität und kreative neue Blickwinkel: Skurrile Themen, aber auch eine unkonventionelle Bearbeitung klassischer Nachrichtenthemen wirken als Aufmerksamkeitsmagnet; • Dramatik: Konflikte und Skandale binden Aufmerksamkeit, aber auch Erfolgsgeschichten interessieren – in sozial schwächeren Milieus vor allem Geschichten aus dem Leben von Menschen, die den sozialen Aufstieg geschafft haben; • Tragweite bzw. Bedeutung für das eigene Leben: Persönliche Betroffenheit steigert das Interesse, abstrakte politische Debatten, die aus Sicht der Zielgruppen mit dem Alltag junger Durchschnittsmenschen nichts zu tun haben, stoßen hingegen auf Ablehnung; • Identifikation mit den Akteuren und Akteurinnen: Vor allem bei Straßeninterviews, die die authentische Perspektive der Menschen von nebenan symbolisieren, bedeutet das, ganz gezielt Interviewpartner und Interviewpartnerinnen auszuwählen, in denen sich politikdistanzierte Jugendliche und junge Erwachsenen wiedererkennen, es bedeutet aber auch einen Interviewstil zu wählen, der Politikfernen das Gefühl gibt, dass man ihnen und ihresgleichen – ungeachtet etwaiger Wissensdefizite – mit Respekt begegnet. Wir können als Zwischenfazit also festhalten: Newsdistanziert-politikferne junge Zielgruppen sind weder zu dumm für eine kritische Bewertung journalistischer Praxis, noch sind sie, was journalistische Qualität betrifft, schlecht informiert. Sie finden aus unterschiedlichen Gründen aber keinen Zugang zur klassischen Agenda der politischen Nachrichtenmedien. Und um ihr Vertrauen in den Politikjournalismus ist es alles in allem nicht gut bestellt. Vertrauen in redaktionelle Medien zu stärken, wäre demnach wichtig. Gelingen kann dies am besten, wenn man mit zielgruppenspezifischen Formaten sowie mit auf Bilder- und Sprachwel-

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ten der politikdistanzierten und explizit nicht-bildungsnahen Milieus abgestimmten Informationsbeiträgen auf die Zielgruppe zugeht. Wie das konkret aussehen könnte, auch dazu hat die Deep-Insight-Fokusgruppe Ideen entwickelt. Politikdistanzierte als Medienmacher: Nachrichtenauswahl und attraktive Formate aus Sicht der Zielgruppe „News-Making“ für junge politikferne Publikumsschichten folgt einer einfachen Logik: In der Kürze liegt die Würze. Darüber hinaus gilt: „Hard News“ zum tagesaktuellen politischen Geschehen ja, aber bitte nicht zu viel Politik an einem Stück. Journalistinnen und Journalisten bilden, wie man weiß, das tagesaktuelle Geschehen nicht einfach nur ab, sie agieren als „Gatekeeper“, wählen Themen aus, gewichten sie und versehen sie mit einem Interpretationsrahmen. Und sie folgen dabei erprobter Routinen guter journalistischer Praxis. Was passiert nun aber, wenn man politikferne Jugendliche, die zu tagesaktuellen Nachrichten auf Distanz gehen, in die Rolle der „Gatekeeper“ versetzt. Welche Themenakzente setzen sie, wie wählen sie Nachrichtenthemen aus und wie begründen sie ihre Themenauswahl? Das hat im Rahmen der für den Public-Value-Jahresschwerpunkt 2019/20 durchgeführten Deep-Insight-Fokusgruppe interessiert. Antworten liefert ein im Rahmen der Fokusgruppe durchgeführtes Kreativmodul, in dem politikferne junge Erwachsene in geschlechtergetrennten Gruppen Vorschläge für die Themenauswahl einer für sie und ihresgleichen attraktiven Nachrichtensendung entwickelten. Die Kreativgruppen bekamen dabei folgende zehn, zum Zeitpunkt der Durchführung der Fokusgruppe tagesaktuelle Themen vorlegt und sollten für eine junge Nachrichtensendung fünf davon auswählen: Landtagswahl in der Steiermark: Gewinne für ÖVP und Grüne (1); Wiener FPÖ hortete Goldbarren in Osttirol (2); Hongkong: Klarer Sieg für demokratisches Lager (3); Tesla entwickelt Cybertruck und hat bereits 150.000 Bestellungen (4); Verlust der Sperrminorität: SPÖ verliert im Bundesrat an Gewicht (5); Kurz droht in Causa Casinos mit Klagen (6); Gewalt gegen Frauen – Tatort zuhause: Wo Frauen besonders gefährdet sind (7); Kein zweites Handelsabkommen zwischen USA und China absehbar (8); Deutschland: Verstärkter Kampf gegen Antisemitismus gefordert (9); Taylor Swift große Siegerin bei American Music Awards (10).34 34  Landtagswahl in der Steiermark: Gewinne für ÖVP und Grüne: https://orf.at/stories/3145352/, Wiener FPÖ hortete Goldbarren in Osttirol: https://wien.orf.at/stories/3022544/, Hongkong: Klarer Sieg für demokratisches Lager: https://orf.at/#/stories/3145359/, Tesla entwickelt Cybertruck und hat bereits

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• Die Wahl der jungen Frauen fiel auf: „Gewalt gegen Frauen – Tatort zuhause: Wo Frauen besonders gefährdet sind“, „Wiener FPÖ hortete Goldbarren in Osttirol“, „Tesla entwickelt Cybertruck und hat bereits 150.000 Bestellungen“, „Kurz droht in Causa Casinos mit Klagen“ und „Landtagswahl in der Steiermark“ – und zwar in der genannten Reihenfolge; das heißt, das innenpolitische Thema der Woche, in der die Deep-Insight-Fokusgruppe durchgeführt wurde, nämlich die steirische Landtagswahl, reihten sie an den Schluss – frei nach dem Motto: Noch schnell „etwas Informatives zum Schluss: kurze prägnante Info – einfach so: Zahlen, Fakten, fertig ...“ • Die Wahl der jungen Männer zeigt einen etwas globalere Perspektive mit folgendem Themenvorschlag: „Kein zweites Handelsabkommen zwischen USA und China absehbar“, „Hongkong: Klarer Sieg für demokratisches Lager“, „Gewalt gegen Frauen – Tatort zuhause: Wo Frauen besonders gefährdet sind“, „Wiener FPÖ hortete Goldbarren in Osttirol“ – als Kurzmeldung im News-Ticker-Stil – und als letzter Beitrag „Tesla entwickelt Cybertruck und hat bereits 150.000 Bestellungen“. • Die Themen „Verlust der Sperrminorität: SPÖ verliert im Bundesrat an Gewicht“ und „Deutschland: Verstärkter Kampf gegen Antisemitismus gefordert“ sowie „Taylor Swift große Siegerin bei American Music Awards“ wurden von beiden Gruppen aussortiert. Begründung: Unter Sperrminorität im Bundesrat können wir uns nichts vorstellen, verstärkter Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland schien uns einfach nicht so interessant und Taylor Swift ist „gossip“, passt daher nicht in ein seriöses Nachrichtenformat. Als maximale Sendungsdauer für eine Nachrichtensendung fassten beide Gruppen zehn Minuten ins Auge. In der Auswahl der Vermittlungsformate setzten die Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf den ersten Blick konventionell an. Interview-O-Töne sind in Nachrichtensendungen aus Sicht der Zielgruppe unverzichtbar, bevorzugte Interviewpartner sind Experten und Expertinnen, Betroffene und bei Straßeninterviews auch ganz normale Leute von nebenan. Für Auslandsberichtserstattung greift man, so wie es im Journalismus üblich ist, auf Auslandskorrespondentinnen und Auslands-korrespondenten zurück. Soweit, so klassisch. 150.000 Bestellungen: https://orf.at/#/stories/3145285/, Verlust der Sperrminorität: SPÖ verliert im Bundesrat an Gewicht: https://orf.at/#/stories/3145340/, Kurz droht in Causa Casinos mit Klagen: https://orf.at/#/stories/3145350/, Gewalt gegen Frauen – Tatort zuhause: Wo Frauen besonders gefährdet sind: https://orf.at/stories/3144891/, Kein zweites Handelsabkommen zwischen USA und China absehbar: https://orf.at/#/stories/3145362/, Deutschland: Verstärkter Kampf gegen Antisemitismus gefordert: https://religion.orf.at/stories/2994844/, Taylor Swift große Siegerin bei American Music Awards: https://orf.at/#/stories/3145358/

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Bei genauerem Hinsehen gibt die Zielgruppe „politikferne Jugendliche und junge Erwachsene“ dem von ihr vorgeschlagenen Nachrichtenformat aber durchaus eine eigene, sehr spezifische Note: • Die Zielgruppe denkt bei Nachrichten an eine Mischung aus NewsTicker und Mini-Magazin. • Was allem voran auffällt, ist die eher unkonventionelle Themenanordnung, die von der gewohnten Praxis „Zuerst Innenpolitik, dann Außenpolitik und, sofern Zeit ist, noch ein wenig Kultur“ deutlich abweicht. Bei Politikfernen ist es eine strategische Überlegung, nicht mit harten (innen)politischen Themen zu beginnen, sondern ein leichteres Thema an den Anfang zu stellen. Und bei politikfernen Zielgruppen ebenfalls wichtig: Nicht zu viel Politik an einem Stück. Besser scheint es den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, in der Sendungsgestaltung zwischen harten, tagespolitischen und „Auflockerungsthemen“ zu switchen – allerdings ohne in Richtung „gossip“ abzugleiten. Das ist aus Sicht der Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Grundvoraussetzung, um zu verhindern, dass Politikdistanzierte, sobald die Nachrichtensendung kommt, wegschalten. Harte innenpolitische Fakten wären, grafisch aufbereitet, kurz zu präsentieren. Expertinnen und Experten sollten die politischen Ereignisse dann in einer verständlichen Sprache erklären und dabei auch erläutern, was dies für das Leben in Österreich bzw. für die Menschen im Alltag bedeutet. Bei politischen Themen sind als Interviewpartnerinnen und Interviewpartner vor allem Leute, die Insider-Wissen bzw. bislang unveröffentlichte Insider-Informationen haben, aber auch Leute, die komplexe Zusammenhänge gut erklären und für die Zielgruppe in ihrer Alltagsrelevanz verständlich machen können, interessant. Interviews mit Betroffenen geben den Storys einen wohltuenden Anstrich der Authentizität. Skandalthemen wirken als Aufmerksamkeitsmagnet, doch sollte man sie aus Sicht der Zielgruppe eher vorsichtig und dosiert nutzen, da Politikdistanzierte auch und gerade deshalb zur Politik auf Distanz gehen, weil sie von den ewigen Streitereien und Skandalen die Nase voll haben. • Darüber hinaus empfehlen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen für klassische Nachrichtensendungen eher unüblichen bunten Mix aus Genres und Darstellungsformaten, um mit kurzen Aufmerksamkeitspannen und geringer Monotonietoleranz, durch die sich das digital sozialisierte junge Publikum charakterisiert, konstruktiv umzugehen und die Aufmerksamkeit junger Zuseherinnen und Zuseher zu binden. Konkret heißt das, die wichtigsten Fakten verständlich und kompakt aufbereiten – dazu braucht es entsprechende Grafik, aber auch Geschichten, die zwar ebenfalls kompakt sein sollten, für die jedoch im Vergleich zu den harten Fakten etwas mehr Sendezeit zu reservieren wäre. Anleh-

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nung an Produktvideoästhetik ist in der Erzählsprache, abhängig vom Thema, aus Sicht der Zielgruppe durchaus denkbar und wünschenswert. Bei einem Beitrag über Teslas Cybertruck würde sich dies beispielsweise anbieten: Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen denken an ein gut produziertes, durchaus auch stylisches Video, das zeigt, was dieser Cybertruck alles kann, eventuell kombiniert mit einem Testbericht. Innovative Bildsprache ist in politikdistanzierten jungen Zielgruppen ohne Zweifel eine Türöffnerstrategie. Anekdotisches Erzählen und bildhafte Sprache sind vor allem bei abstrakten politischen Themen unverzichtbar, wenn es gelingen soll, mit einem Nachrichtenangebot in den Aufmerksamkeitshorizont derer, die sich kaum für Politik interessieren, zu treten. Das heißt: Kein Verlautbarungsjournalismus – eigene Recherche, statt redigierter Pressemeldungen, Beiträge, die kontroverse Standpunkte abbilden und neue Blickwinkel auf ein Thema ermöglichen, und das alles bitte nicht in Politikwissenschafts- oder Pressekonferenzdeutsch! Eine Sendung, die so gemacht ist, könnte aus Sicht der Jugendlichen und jungen Erwachsenen übrigens auch auf YouTube laufen: „Ich kann es mir als YouTube-Sendung gut vorstellen“, so einer der Deep-Insight-Fokusgruppenteilnehmer über den von seiner Kreativgruppe eingebrachten Vorschlag für eine Nachrichtensendung. Nicht nur der politischen Kommunikation der Parteien, auch dem Politikjournalismus mangelt es an Kompatibilität mit den Lebenswelten politikferner Zielgruppen. Der Kommunikationsexperte Jens-Uwe Meyer spricht von „Bubble Communication“. „»Bubble Communication« heißt: Ich rede in meiner Sprache mit denen, die meine Sprache sprechen“, so Meyer.35 Das sei geradezu typisch für politische Pressemitteilungen: „Der Großteil der Öffentlichkeit verabschiedet sich dabei von der Politik. Frustriert und gelangweilt von einer Kommunikation, die so kreativ ist wie ein Telefonbuch.“36 Zugegeben, das sind drastische Worte, in denen sich politikferne junge Menschen jedoch zu hundert Prozent wiederfinden und die sie darin bestärken, Politikberichterstattung zu meiden. Hier gilt es anzusetzen. Und wie sieht es mit der Moderation aus? Für die Moderation bietet sich eine gemischtgeschlechtliche Doppelconference an, da aus Sicht der Zielgruppe, abhängig vom jeweiligen Thema, einmal eine Frau, das andere Mal ein Mann das Thema glaubwürdiger vermitteln kann.37 Ansonsten wird von Moderatorinnen und Moderatoren ein in politischen Fragen 35  Meyer 2011: 17 36  Meyer 2011: 17 37  Der Beitrag zu häuslicher Gewalt gegen Frauen sollte im Sinne einer glaubwürdigen und aus Publikumsperspektive stimmigen Anmutung beispielsweise von einer Frau anmoderiert werden.

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betont neutrales Auftreten erwartet. Was Kleidung und Outfit betrifft, bevorzugen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen seriösen, aber nicht zu perfekten Stil – männliche Nachrichtenmoderatoren in Anzug und Krawatte sind für den Geschmack der Zielgruppe oft etwas zu perfekt gestylt. Als Ideal nennen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen „casual business“, d.h. Hemd, aber ohne Krawatte. Und im Sommer bei Temperaturen über 30° Celsius braucht es aus Sicht der Zielgruppe, sofern man ein schönes Kurzarmhemd trägt, auch kein Sakko. All dies gilt es zu berücksichtigen. Und dann wäre da noch etwas: Nachrichtenangebote für politik-news-distanzierte junge Zielgruppen sollten kurz, besser gesagt: im Mini-Format gestaltet sei. Und sie sollten online verfügbar und unterwegs multimodal nutzbar sein. Die ZIB100 ist ein Prototyp: Sie wird sehr positiv bewertet und hat aus Sicht der Zielgruppe durchaus auch noch Entwicklungspotential. Was macht die ZIB100 für die Zielgruppe politikferner jungen Erwachsener nun so attraktiv? Die Antwort ist einfach. Die ZIB100 ist das ideale Format für informationsüberlastete, hoch mobile junge Menschen, die, wenn sich kurze Zeitfenster im Alltag bieten, sofort ihr Smartphone zu Hand nehmen: beispielsweise in der U-Bahn am Weg von A nach B: • Die ZIB100 ist kurz, sprich: für kurze Aufmerksamkeitsspannen gemacht. • Sie ist smartphonekompatibel, das heißt, sie reagiert darauf, dass in jungen Zielgruppen das Smartphone mittlerweile das wichtigste Endgerät für Internetnutzung ist. • Und sie steht für ein multimodales Angebot, das in hohem Maße kompatibel mit mobiler Nutzung ist: Wer den Ton wegschaltet, weil er im öffentlichen Raum die Zeitgenossen nicht stören will, liest einfach am Bildschirm mit und hat auch im Lautlos-Modus volle Information. Womit die ZIB100 punktet: kurz und optimal für multimodale Nutzung unterwegs words of relevant mouth: „Es ist kurz und knapp gehalten. Alles da: Es sind die wichtigsten Informationen.“ words of relevant mouth: „Ich finde es gut, dass es für Handys gemacht worden ist. Man kann die Nachrichten auch mitlesen. Wenn man jetzt beispielsweise in der UBahn ist und den Ton nicht einschalten kann, dann kann man mitlesen.“

Die ZIB100 ist für die Zielgruppe vor allem deshalb attraktiv, weil sie ultrakurz ist. Sie zeigt vor, was perfekter „Lead-Stil“ ist: Das Wichtigste im ersten Satz. Wobei die ZIB100 im Grunde für „Lead-Stil XL“ steht: Das Wichtigste im ersten Satz und dann noch ein zweiter oder dritter Satz und sogleich zum nächsten

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Thema. Bei so kurzen, schnellen Formaten wie der ZIB100 kommt der WortBild-Kongruenz im Hinblick auf die Informationsverarbeitung und Verständlichkeit besondere Bedeutung zu, umso vorteilhafter ist es, dass man, auch wenn der Ton angeschaltet ist, zum gesprochenen Wort mitlesen kann. Das Potential eines Formats wie der ZIB100 zeigt sich darin, dass die Deep-Insight-Fokusgruppenteilnehmerinnen und -teilnehmer mehr davon wünschen, also nicht nur eine ZIB100 pro Tag, sondern über den gesamten Tag verteilt alle zwei oder drei Stunden eine neue Ausgabe. Wichtig dabei: Was bereits gesendet wurde, gehört aus Sicht der Zielgruppe in die Mediathek. Für die junge digitale Generation sind Echtzeitfaktor und „Breaking News“ Qualitätskriterien. Und sie messen auch innovative Formate wie die ZIB100 daran, inwieweit sie diesen entsprechen. Bei einem Format wie der ZIB100 erwartet sich die Zielgruppe mehrmals täglich neue Themen. Hier besteht aus Sicht der Zielgruppe noch Entwicklungsbedarf. Dennoch ist die ZIB100 im direkten Vergleich mit der ZIB, der etablierten Nachrichtensendung im Hauptabendprogramm, die um 19:30 auf ORF2 läuft, aber auch im Vergleich mit dem speziell für junges Publikum gestalteten ZIB-Magazin auf ORF 1, Testsieger. Dem ZIB-Magazin wird immerhin eine junge frische Bildsprache attestiert, die ZIB hingegen wird als zu „klassisch“ beschrieben, wobei klassisch für eine langweilige Präsentation, zu lange Beiträge und auch zu viel Politik an einem Stück steht – all das, was aus Sicht der Zielgruppe Nachrichten in öffentlichrechtlichen Medien ausmacht und wozu sie auf Distanz gehen.38 Soweit zu den Nachrichtenformaten, wie sie sich aus Sicht politikferner junger Menschen darstellen. Das Thema „Politik“ hat ihrer Ansicht nach allerdings nicht nur in Nachrichtenformaten Platz. Entertainment-Angebote, die tagesaktuelles Geschehen aufgreifen, sind ebenfalls akzeptiert, beispielsweise wäre denkbar, in Comedy-Sendungen Aktuelles aus der Politik in einer schrägen und witzigen Art und Weise in der Zielgruppe zur Debatte zu stellen. Erreichen würde man damit vor allem das junge männliche Publikum, zumal dieses comedy-affiner ist als junge Frauen. 38  Im Rahmen der Deep-Insight-Fokusgruppe wurde ein ZIB-Magazin-Beitrag, ein ZIB-Beitrag, ein ZIB100-Beitrag sowie ein Einstieg in ein Video des Influencers Rezo, welches die EU-Urheberrechtsreform, Artikel 13 und Uploadfilter thematisiert, von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Vergleich bewertet: Die ZIB100 war klarer Punktesieger und erreichte 34 von max. 40 Punkten, Platz 2 belegte der ZIB-Magazin-Beitrag, der im Stil der Comedy „Echt fett“ auf einen innerparteilichen Konflikt einer österreichischen Oppositionspartei einging, von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen allerdings nicht als Nachrichtenbeitrag, sondern als Entertainment mit tagesaktuellem Background verstanden wurde und insgesamt 25 Punkte erhielt. Platz 3 belegte mit 20 Punkten Rezos YouTube-Video, wobei hier angemerkt wurde, dass Rezos Stil für ein redaktionelles Nachrichtenmedium zu unseriös und daher unpassend ist. Den letzten Platz belegte der ZIB-Beitrag mit 18 Punkten, der als zu lang, zu „klassisch“ und damit letztlich auch als zu langweilig bewertet wurde.

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Und auch im Radio bietet sich an, nicht nur in den Nachrichten Aktuelles aus der Politik zu thematisieren, sondern ebenso in Unterhaltungssendungen anzuteasen und Politik-distanzierte damit zu einer Auseinandersetzung mit politischen Fragen unserer Zeit einzuladen. Radio spielt im Alltag der jungen Zielgruppen zwar alles in allem eine Nebenrolle, es ist als klassisches Nebenbei-Medium im beruflichen Umfeld und vor allem auch während des Autofahrens aber durchaus präsent. Eine besondere Rolle im Zur-Debatte-Stellen von in weiterem Sinne politischen Themen kommt hier den Moderatorinnen und Moderatoren der Unterhaltungssendungen zu, insbesondere den Starmoderatoren und Starmoderatorinnen, die sich hoher Popularitätswerte erfreuen, was sie in gewisser Weise zu Vertrauten der Hörerinnen und Hörer macht. Wenn es darum geht, politikferne Zielgruppen für eine stärkere Auseinandersetzung mit politischen Themen zu sensibilisieren, liegt in diesen Vertrauten des Hörerpublikums möglicherweise ein Potential, das es noch zu schöpfen gilt, zumal das unterhaltungsorientierte politikferne Hörerpublikum sie näher am persönlichen Alltag erlebt und ihnen letztlich auch eher Aufmerksamkeit schenkt. Politikberichterstattung für News-Avoider und Entkoppelt-Deprivierte: ein Fazit Politikdistanzierte galten über lange Zeit als klassische „Nicht-Zielgruppe“ des Politikjournalismus. Repräsentative Studien aus Österreich und der Schweiz zeigen, dass diese „Nicht-Zielgruppe“ insbesondere in jüngeren Bevölkerungsschichten wächst. Vor allem öffentlich-rechtliche Medien stehen hier in einer Verantwortung: Sie können dieser Entwicklung nicht einfach tatenlos zusehen, sondern müssen sich mit der Frage beschäftigen, welche neuen Programmangebote es braucht, um auch und gerade der Zielgruppe der Politikfernen zumindest einen groben Überblick über aktuelle politische Ereignisse in Österreich und der Welt zu ermöglichen und damit eine informative Grundversorgung sicherzustellen. Wenn wir uns mit dieser schwierigen Zielgruppe beschäftigen, dürfen wir nicht den Fehler begehen, junge politikdistanzierte Menschen zu unterschätzen. Sie haben zweifellos ein kompliziertes Verhältnis zu Politik und zum Politikjournalismus und auch Probleme mit politikbezogenem Expertendeutsch. Aber sie sind nicht dumm. Und sie sind, sozialisiert in einer hoch komplexen und in sich differenzierten Medienwelt, vor allem auch sehr reflektiert und kritisch, was journalistische Qualität und zielgruppenorientierte Vermittlungskonzepte betrifft. Das heißt, sie haben sehr genaue Vorstellungen von objektiver Politikberichterstattung:

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Sie erwarten sich seriöse „Hard News“ statt boulevardesker „Soft News“. Und sie kritisieren an der gängigen politikjournalistischen Praxis nicht, wie man vielleicht vermuten würde, Repräsentationslücken im Sinne von „Meine Welt kommt in Nachrichten gar nicht vor“, sondern thematisieren in der Bewertung von bestehenden Nachrichtenangeboten allem voran Umsetzungslücken, und zwar sowohl, was die Themensetzung und Themenaufbereitung als auch was zielgruppenrelevante Ausspielkanäle betrifft. Die Frage, die sich politikdistanzierte junge Zielgruppe stellen, ist: „Was bringt es mir, Nachrichten anzusehen, wo ich mich für Politik doch gar nicht interessiere?“ Sie haben den Eindruck, Nachrichtenmacher und Nachrichtenmacherinnen hätten hier nicht wirklich eine gute Antwort parat. Insbesondere bei innenpolitischen Themen fragt sich die Zielgruppe: „Wie verändert sich unser Leben, wenn Politiker und Politikerinnen die Maßnahmen, die sie diskutieren, beschließen?“ Und da vielfach das Vorwissen fehlt, um komplexe Zusammenhänge zu verstehen, erhoffen sie sich von qualitätsjournalistischen Angeboten Unterstützung. Wichtig wäre, tagesaktuelle Information so anzubieten, dass sie an die Alltagserfahrungen, aber auch Sorgen und Ängste der Zielgruppe stärker anschlussfähig ist. Tatsache ist nämlich, „dass Menschen Neues am besten aufnehmen, wenn es zu etwas passt, was sie bereits kennen.“39 Nachrichtenmacherinnen und Nachrichtenmachern muss es gelingen, herauszustellen, wie sich konkrete tagespolitische Ereignisse auf das Leben in Österreich auswirken, sprich: wie Politik Gesellschaft gestaltet. Wobei man nicht verschweigen sollte, dass Innenpolitik aus Sicht der Zielgruppe das vergleichsweise weniger Interessante in der tagesaktuellen Berichterstattung ist. Wenn es nach politikdistanzierten jungen Zielgruppen geht, könnten Nachrichten mit weniger Innenpolitik auskommen und dafür mehr spannende und unkonventionelle Beiträge zu Ereignissen aus der großen weiten Welt bringen. Und sie wünschen sich auch „informativere“ Inhalte, d.h. Inhalte, die die speziellen Informationsinteressen der Zielgruppe besser berücksichtigen. Themen, die aus Perspektive des Politik-Insiders interessant erscheinen, gehen an den Bedürfnissen politikdistanzierter junger Zielgruppen häufig vorbei.

39  Meyer 2011: 135

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Um junge politikdistanzierte Zielgruppen zu erreichen, bedarf es eines Verzichts auf Expertendeutsch und einer bewussten Orientierung am Exemplarischen, Stichwort „Storytelling“: also Beispiele, die an konkrete Alltagserfahrungen der Zielgruppe anschlussfähig sind, Geschichtenerzählen vor Erörterung komplexer Zusammenhänge, sprich: narrative, statt diskursiv-argumentative Kommunikation. Und es braucht vor allem auch kurze Formate, die online, von unterwegs aus, in kleinen Zeitfenstern des Alltags via Smartphone genutzt werden können – so wie es die ZIB100 bereits anbietet. Allerdings wünscht sich die Zielgruppe mehr davon: alle zwei oder drei Stunden eine neue Ausgabe, auch mit neuen Themen. Wie für digitale junge Zielgruppen generell typisch, zeigen auch junge Politikferne eine klare Präferenz für top-aktuelle Neuigkeiten, die nicht bereits zum x-ten Mal berichtet wurden. Wer Interesse hat, würde via Mediathek „on demand“ auch auf frühe Ausgaben zugreifen, es bräuchte am Ende der aktuellen Ausgabe der ZIB100 lediglich einen kleinen Hinweis – frei nach dem im Entertainmentbereich gängigen Motto: „Was bisher geschah …“ Politikferne junge Zielgruppen stehen an einem anderen sozialen Standort als politikinteressierte junge Info-Seeker. Und öffentlich-rechtlicher Rundfunk funktioniert an jedem sozialen Standort ein wenig anders. Um die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verantwortungsvoll und zugleich an den Bedürfnissen der politikfernen Zielgruppen orientiert zu erfüllen, ist Mut zum Perspektivwechsel nötig: raus aus der Pressekonferenz- und Politikwissenschaftsblase, um die Welt bzw. tagesaktuelle Themen durch die Brille der Politikfernen zu sehen. Von der Idee, es gäbe eine fertige Lösung bzw. ein einfach anzuwendendes Kochrezept, um informative Grundversorgung für hoch mobile, digitale und zugleich politikferne junge Menschen zu garantieren, sollten wir uns verabschieden, denn die Auseinandersetzung mit dieser schwierigen Zielgruppe hat eben erst begonnen. Aber immerhin hat sie nun endlich begonnen. Der erste wichtige Schritt ist getan. Worum es geht, ist, die klassische „Nicht-Zielgruppe“ des Politikjournalismus, die Politikdistanzierten, endlich besser kennenzulernen. Das betrifft zum einen die Frage, nach relevanten Themen und Aufhängern, die politische Themen in den Aufmerksamkeitshorizont der Politikdistanzierten treten lassen. Es betrifft, vor allem im Hinblick auf zielgruppenorientierte Formate, zum anderen aber auch Kommunikationsroutinen, die sich in Zeiten des dynamischen digitalen Wandels insbesondere in den digitalorientierten jungen Zielgruppen sehr rasch verändern. Mit anderen Worten: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss an den sich dynamisch entwickelnden Online-User-Kulturen der Jugend dranbleiben. •

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LITERATUR Beaufort, Maren: Bildung als demokratischer Auftrag, in: ORF (Hg.): Der Auftrag: Bildung im digitalen Zeitalter. Public-Value-Jahresstudie 2016/2017, S. 63-80 Beisch, Natalie; Koch, Wolfgang; Schäfer, Carmen: ARD-ZDF-Onlinestudie 2019: Mediale Internetnutzung und Video-on-demand gewinnen weiter an Bedeutung, in: Media Perspektiven 9/2019, S. 374-388 Dessler, Matthias; Telle, Gina: Meinungsführer in der interdisziplinären Forschung. Bestandsaufnahme und kritische Würdigung, Wiesbaden: Gabler Edition Wissenschaft, 2009 Deutsche Shell (Hg.): Jugend 2019. Eine Generation meldet sich zu Wort, Weinheim: Beltz, 2019 fög – Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft/Universität Zürich (Hg.): Qualität der Medien. Bedeutungsverlust traditioneller Newsmedien und die Entstehung neuer Nutzungsmuster – wie Digitalisierung Newsrepertoires verändert. Reihe Studien 1/2019, Zürich, 2019 Frees, Beate; Koch, Wolfgang: ARD/ ZDF-Onlinestudie 2018. Zuwachs bei medialer Internetnutzung und Kommunikation, in: Media Perspektiven 9/2018, S. 398-413

Frees, Beate; Kupferschmitt, Thomas; Müller, Thorsten: ARD/ZDFMassenkommunikation Trends 2019: Non-lineare Mediennutzung nimmt zu, in: Media Perspektiven 7-8/2019, S. 314-333 ARD-Forschungsdienst: Auswirkungen von Echokammern auf den Prozess der Meinungsbildung, in: Media Perspektiven 2/2019, S. 82-85 Gleich, Uli: Agenda Setting in der digitalen Medienwelt. Evolution eines Ansatzes der Medienwirkungsforschung, in: Media Perspektiven 3/2019, S. 126-140 Grassmuck, Volker: Der Bildungsauftrag öffentlich-rechtlicher Medien, in: ORF (Hg.): Der Auftrag: Bildung im digitalen Zeitalter. Public-ValueJahresstudie 2016/2017, S. 91-222 Institut für Jugendkulturforschung: Jugend und digitale Medien. Repräsentativ-Umfrage unter 16- bis 24-jährigen bildungsnahen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Österreich. Tabellenband (Eigenstudie des Instituts für Jugendkulturforschung), Wien, 2018 Institut für Jugendkulturforschung: Generation Rückzug? Jugend in der Gegenwartsgesellschaft. Tabellenband (Eigenstudie des Instituts für

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Jugendkulturforschung), Wien, 2020 Institut für Jugendkulturforschung/ tfactory: Jugendwertestudie 2019, Tabellenband (Eigenstudie des Instituts für Jugendkulturforschung in Kooperation mit tfactory), Wien, 2019 Jackob, Nikolaus; Schultz, Tanjev; Jacobs, Ilka; Ziegele, Marc; Quiring, Oliver; Schemer, Christian: Medienvertrauen im Zeitalter der Polarisierung. Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2018, in: Media Perspektiven 5/2019, S. 210-220 Jandura, Olaf; Kösters, Raphael; Wilms, Lena: Mediales Repräsentationsgefühl in der Bevölkerung. Analyse nach politisch-kommunikativen Milieus, in: Media Perspektiven 3/2018, S. 118-127 Korte, Martin: Wir sind Gedächtnis. Wie unsere Erinnerungen bestimmen, wer wir sind, München: Pantheon, 2019 Meyer, Jens-Uwe: Kreative PR (2., überarbeitete Auflage), Konstanz: UVK, 2011 ORF (Hg.): Jugend und Gesellschaftspolitik. Public-Value-Jahresstudie 2010/2011, Wien, 2011 RTR (Hg.): Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im VOD-Zeitalter, Wien, 2018


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NUTZUNG UND BEWERTUNG VON NACHRICHTENANGEBOTEN IN INFORMATIONSFERNEN ZIELGRUPPEN ANGELA RÜHLE

MEDIA PERSPEKTIVEN

Die Digitalisierung der Gesellschaft befindet sich im Jahr 2020 auf einem neuen Höhepunkt. Laut den neuesten Ergebnissen der ARD/ZDF-Onlinestudie nutzen 94 Prozent der Bevölkerung in Deutschland zumindest selten das Internet.1 So viele wie noch nie. Das Internet hat sich damit längst als eine Plattform etabliert, auf der neben vielfältigen Angeboten aus dem Unterhaltungsbereich auch umfassende Informationen abgerufen werden können. Neben etablierten Informationsangeboten, die ihre Inhalte nun auch auf digitalem Wege verbreiten, hat sich eine Vielzahl neuer Angebote gesellt, die auch neue Formen der Informationsvermittlung umfassen. Die Entwicklung der Nachrichten- und Informationsnutzung wird somit von einer Vervielfachung des Angebots und der Informationsquellen geprägt. Zudem ermöglicht auch die Habitualisierung mobiler Geräte wie Laptops, Tablets und vor allem Smartphones, die potentiellen Nutzungssituationen für Nachrichten zu vervielfachen. Viele Menschen sind mittlerweile „always on“, können somit jederzeit auf das Internet und die dort zu findenden Informationsangebote zugreifen. Informationen können, je nach der aktuellen Rezeptionssituation und -stimmung, in kleinen Happen oder als ausführliche Hintergrundstücke genutzt werden. Sie sind jederzeit – unabhängig von Zeit und Ort – verfügbar. Vielleicht werden sie auch gar nicht bewusst gesucht, sondern beiläufig wahrgenommen. Mit anderen Worten: Die Optionen, an Nachrichten und Informationen zu gelangen, haben sich vervielfacht. Diese Evolution des Nachrichten- und Informationsangebots hat auch die Nutzungsgewohnheiten grundlegend verändert. Die Menschen sind nun vielfach nicht mehr damit beschäftigt, (kompetent gemachte) Nachrichten zu finden, sondern vielmehr damit, aus der (unübersehbaren) Vielfalt der Angebote jene zu selektieren, die für sie interessant und relevant sind. Die Informationssuche kann deutlich stärker auf persönliche Interessenfelder fokussiert werden. Für die Bewertung des Angebots – 1  Vgl. hierzu den Beitrag von Natalie Beisch und Carmen Schäfer der im September-Heft der Zeitschrift Media Perspektiven erscheinen wird.

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NUTZUNG UND BEWERTUNG VON NACHRICHTENANGEBOTEN IN I N F O R M AT I O NSF E R N E N Z I E L G RU P P E N

die Grundlage für eine Auswahl ist – gewinnen Faktoren wie persönliche Relevanz, die Vertrauenswürdigkeit der Quelle und auch die soziale Relevanz an Bedeutung. Lernen (i.S.v. sich weiterentwickeln), neue Dinge erfahren/erleben und die soziale Komponente von Informationen sind hier einige Stichworte, die die Motivation prägen.2 Junge Menschen, als Early-Adopter neuer Technologien, adaptieren diese neuen Optionen in besonderem Maße. Sie sind weniger von traditionellen Mediennutzungsgewohnheiten geprägt und offener und flexibler in der Aneignung neuer Techniken. Insoweit erlaubt ihr Informationsverhalten einen Blick in die Zukunft der Informationsnutzung zu werfen. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass jede Lebensphase mit spezifischen Informationsbedürfnissen einhergeht, was sich im Generationenvergleich in sich wandelnden Informationsbedürfnissen nachweisen lässt. Zahlreiche Studien zeigen, dass insbesondere jüngere Nutzergruppen Nachrichten nicht mehr über sogenannte klassische Medienangebote wie Fernsehen, Radio oder gedruckte Zeitungen beziehen, sondern zu einem wachsenden Anteil internetbasierte Informationsquellen nutzen. Dabei wird allerdings keineswegs nur auf Internet-Only-Angebote (z.B. Social Media) zurückgegriffen, sondern auch die Onlineportale etablierter redaktioneller Qualitätsmedien spielen hier eine Rolle.3 Forschungsergebnisse zeigen, dass es verschiedene Faktoren sind, die die Nachrichtenrezeption beeinflussen. Neben demografischen Faktoren können das das genutzte Gerät, das persönliche Interesse an Informationen oder eine eher aktiv oder passiv ausgerichtete Nutzungsroutine sein. So zeigt sich, dass Personen, die das Smartphone verwenden, um sich zu informieren, häufiger und gleichzeitig kürzer pro Tag Kontakt mit Nachrichten haben. Das „News Snacking“, also das kurze Anschauen von Nachrichten (oder auch nur Überschriften), ist hier verbreiteter als über andere Nutzungsformen.4 Bei Menschen, die sich ausschließlich über Social-Media-Angebote informieren, findet sich häufig eine eher beiläufige Nachrichtennutzung, die keine aktive Informationssuche darstellt, sondern passiv ausgerichtet ist und durch die Haltung „News find me“ charakterisiert wird. Diese Haltung geht mit geringerem politischem Interesse und einer geringeren Partizipationsbereitschaft einher.5 2  Vgl Baekdal, Thomas in diesem Heft 3  Vgl. Hölig, Sascha/Uwe Hasebrink: Reuters Institute Digital News Report 2020. Ergebnisse für Deutschland. Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts. Projektergebnisse Nr. 50. https://leibniz-hbi. de/uploads/media/default/cms/media/66q2yde_AP50_RIDNR20_Deutschland.pdf (abgerufen am 1.9.2020). Hier S. 17 ff. 4  Vgl. ARD-Forschungsdienst: Nachrichtennutzung im Internet. In: Media Perspektiven 1/2020, S. 33-38. 5  Vgl. ebd., S. 35.

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Charakteristika der Nachrichten- und Informationsnutzung in Deutschland Im Jahr 2017 untersuchte die von ARD und ZDF durchgeführten Studie „Medien als Träger politischer Information“, welche Medienangebote genutzt werden, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren und wie diese beurteilt werden. Auf Basis dieser Studie lassen sich Aussagen sowohl zu den Nutzungsgewohnheiten der Bevölkerung in Deutschland machen, als auch Gruppen identifizieren, die eine Distanz zu den etablierten Nachrichten- und Informationsmedien aufweisen. Seitdem haben sich die Informationsroutinen der Menschen sicherlich verändert, trotzdem bietet die Studie einen guten Ansatzpunkt, die Bedeutung einzelner Angebotsformen zu beurteilen. Für die Studie „Medien als Träger politischer Information“ wurden zwischen Januar und April (30.1. – 13.4.) insgesamt 2 017 computergestützte Telefoninterviews (CATI) mit einer repräsentativen Auswahl der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren geführt. Um zu erfassen, welche medialen Angebote rezipiert werden, um sich ein Bild über das aktuelle Geschehen zu machen, wurden die Befragten aufgefordert anzugeben, wie häufig sie Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen über ausgewählte Medienangebote nutzen. Differenziert wurde dabei zwischen Beiträgen und Sendungen des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehen, privaten Radio- und Fernsehangeboten, überregionalen Tages- oder Wochenzeitungen oder -magazinen, regionalen Tageszeitungen, Boulevardzeitungen oder -zeitschriften, Internetseiten oder Nachrichtenportalen („Informationsprovider“), Blogs oder sozialen Netzwerken sowie Videoplattformen. Dabei stand die Herkunft des Nachrichten- bzw. Informationsinhalts im Fokus. Es wurde nicht unterschieden, über welches Gerät oder welche Mediengattung ein Inhalt gefunden wurde, sondern welchen redaktionellen Ursprung die jeweilige Information hatte. Dies bedeutet, dass zum Beispiel nach „Artikeln von regionalen Tageszeitungen, …, egal ob gedruckt oder im Internet“ oder „Beiträgen oder Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen …, egal ob im Fernsehen oder im Internet“ gefragt wurde. Mit Hilfe dieser Operationalisierung sollte gewährleistet werden, dass Informationsinhalte eines Anbieters erfasst werden, unabhängig davon, über welchen Ausspielweg sie von den Rezipienten genutzt wurden.6

6  Zur ausführlichen Beschreibung der Methodik der Studie siehe Engel, Bernhard/Angela Rühle: Medien als Träger politischer Information. Ergebnisse aus der Studienreihe „Medien und ihr Publikum“ (MiP). In: Media Perspektiven 7-8/2017, S. 388-407, hier S. 389.

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Traditionell spielen die etablierten, redaktionell verantworteten Medienangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der (Tages-) Presse eine zentrale Rolle für die Informationsroutinen der Menschen. Diese Funktion wird trotz einer Vielzahl neuer Angebote weiterhin erfüllt. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt dabei nach wie vor eine zentrale Rolle zu. Dessen Fernseh- und Radioprogramme sind für einen Großteil der Menschen die erste Wahl, wenn es darum geht, sich über das aktuelle Geschehen zu informieren. Öffentlich-rechtliches Fernsehen ist die Informationsquelle, die von den meisten Menschen aufgesucht wird (vgl. Abbildung 1). Am zweithäufigsten werden öffentlich-rechtliche Radioangebote genutzt. An dritter Stelle folgen regionale Tageszeitungen. Private Radio- und Fernsehprogramme sind im Vergleich etwas weniger in die Informationsroutinen integriert. Als deutlich weniger relevant erweisen sich auch überregionale Zeitungen bzw. politische Magazine. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Publikationsfrequenz der Titel hier eine Rolle spielen könnte und zudem gerade überregionale Wochenzeitungen und politische Magazine aufgrund ihrer ausführlichen Hintergrundberichterstattung einerseits ein potenziell hochinteressiertes Publikum ansprechen, andererseits aber auch einen höheren Zeitaufwand bei der Nutzung generieren. Geringe Bedeutung, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren, haben dagegen Boulevardzeitungen und -zeitschriften. Damit werden vor allem redaktionell und professionell erstellte Angebote ausgewählt, wenn nach Informationen zum aktuellen Geschehen gesucht wird.7 Neben diesen „klassischen“ Medienmarken ist aber eine Vielzahl weiterer Angebote getreten. Mit der Habitualisierung des Internets haben sich eine Reihe von Informationsquellen etabliert, die häufig ohne Anbindung an eine klassische Medienmarke sind. Neue Formen des Journalismus (z.B. in Form von politischen Blogs oder Internet-Nachrichtendiensten), User-Generated-Content oder auch interpersonale Kommunikationsformen (z.B. in Chats und sozialen Netzwerken) erweitern das Spektrum Möglichkeiten, Informationen zum aktuellen Geschehen zu erhalten. Auch diese haben mittlerweile im Informationsalltag der Bevölkerung etabliert. Unter den abgefragten digitalen Informationsangeboten werden am häufigsten die sogenannten Informationsprovider genutzt. Darunter wurden einerseits Internetseiten oder Nachrichtenportale von Providern und Suchmaschinen verstanden, andererseits Nachrichtenportale, die nur im Internet präsent sind, z.B. Google News oder die „HuffPost“, deren deutsche Ausgabe allerdings 2019 eingestellt wurde. Die 7

Für eine ausführliche Beschreibung der Nutzungsroutinen vgl. Engel/Rühle (Anm. 6), S. 396 ff.

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Onlineangebote anderer Nachrichtenanbieter, z.B. von Rundfunkanstalten, Zeitungen oder Zeitschriften (z.B. Spiegel), wurden hier nicht subsummiert, sondern sind in den Nutzungswert der jeweiligen Mutterplattformen eingeflossen. Nachrichtenprovidern kommt — gemessen an der Nutzungsfrequenz — in etwa die gleiche Bedeutung wie überregionalen Presseangeboten zu. Blogs, soziale Netzwerke und Videoplattformen waren 2017 noch von geringer Bedeutung für die tägliche Informationsroutine. Ähnliches gilt für Videoplattformen wie YouTube. Sie spielen zwar für die Informationsroutine zum aktuellen Geschehen nur eine geringe Rolle, es ist jedoch davon auszugehen, dass ihnen eine Rolle bei der Vermittlung anderer Informationen, zum Beispiel im Bereich der Lernvideos, zukommt. Obwohl sich die Nutzung beider Plattformen seitdem weiter habitualisiert hat, bleibt eine Skepsis gegenüber dem Informationsgehalt von sozialen Netzwerken und Videoplattformen aktuell — zumindest im Hinblick auf Informationen zum politischen Geschehen. In der ARD/ ZDF Massenkommunikation Langzeitstudie gaben im Frühjahr 2020 nur knapp 5 Prozent an, dass sie Videoportale oder soziale Netzwerke „am ehesten“ wählen würden, um sich über das politische Geschehen zu informieren.8 Auch wenn die Abgrenzbarkeit der verschiedenen Angebote zunehmend verschwimmt – man denke beispielsweise an die YouTube-basierten Angebote der öffentlich-rechtlichen Plattform funk –, kann zusammenfassend eine grobe Kategorisierung der Angebote erfolgen. Von großer Bedeutung für das Informationsverhalten der Bevölkerung in Deutschland sind weiterhin klassische und redaktionell verfasste Medienmarken, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk und regionale sowie überregionale Presseangebote. Als neues Angebot spielen hier Nachrichtenportale im Internet, die ebenfalls zum Teil redaktionell erstellt werden, eine relevante Rolle. Ebenfalls redaktionell verantwortet, aber von geringerer Bedeutung für die Informationsroutinen, sind die Angebote des privaten Rundfunks sowie Boulevardmedien. In einer dritten Gruppe können jene Angebote subsummiert werden, die noch von geringerer Bedeutung für das tägliche Informationsverhalten sind 8  Zu den Ergebnissen der ARD/ZDF Massenkommunikation Langzeitstudie 2020 siehe Kupferschmitt, Thomas/Thorsten Müller: ARD/ZDF-Massenkommunikation 2020: Mediennutzung im Intermediavergleich. Aktuelle Ergebnisse der repräsentativen Langzeitstudie. In: Media Perspektiven 7-8/2020, S. 390-409; Breunig, Christian/Marlene Handel/Bernhard Kessler: Massenkommunikation 1964-2020: Mediennutzung im Langzeitvergleich. Ergebnisse der ARD/ZDF-Langzeitstudie. In: Ebd., S. 410-432 sowie www.ard-zdf-massenkommunikation.de.

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und die auf interpersonaler Kommunikation basieren und/oder keinen professionelljournalistischen Hintergrund haben (User-GeneratedContent). Das bestätigen auch die aktuellen Ergebnisse der ARD/ZDF Massenkommunikation Langzeitstudie 2020. Dort wurde gefragt, wo man sich „am ehesten“ über das politische Geschehen informiert. 58 Prozent gaben dabei an, dass sie am ehesten Informationsangebote des öffentlichrechtlichen Rundfunks wählen. Knapp ein Viertel greift auf Zeitungen oder Zeitschriften zurück. Nur für eine Minderheit von 8 Prozent, sind private Radio- oder Fernsehprogramme die bevorzugte Informationsquelle.9 Bewertung von Informationsangeboten zum aktuellen Geschehen Mit der Vervielfältigung des Informationsangebots durch die Digitalisierung hat die Unterscheidung von relevanten und irrelevanten Angeboten an Bedeutung gewonnen. Entscheidend für die Auswahl eines Medienangebots ist die Erwartung, das jeweilige aktuelle Nutzungsbedürfnis zu befriedigen. Dieses ist eng mit individuellen Erwartungen im Hinblick auf die Qualität der Nachricht, die Vertrauenswürdigkeit der Nachrichtenquelle oder den Unterhaltungswert verknüpft.10 Journalistische Qualitätskriterien spielen eine wichtige Rolle, wenn es um die Leistungserwartungen an den Rundfunk geht. In der Studie „Medien als Träger politischer Information“ wurde deshalb auch untersucht, wie die Umsetzung dieser Anforderungen von den Nutzern bewertet wird. Die Befragten wurden gebeten, die Leistung der jeweiligen Informationsquelle im Hinblick auf journalistische Qualitätsmerkmale, wie Glaubwürdigkeit und Neutralität („berichten über Dinge, wie sie wirklich sind“), die Relevanz der vermittelten Informationen und die Aspekte „macht mir Spaß“ und „vertraue ich“ das jeweilige Nachrichten- und Informationsangebot zu bewerten. Bei der Relevanz wurde unterschieden zwischen gesellschaftlich relevanten Informationen (Citizen Value) und Informationen, die für den persönlichen Lebensbereich eine Bedeutung besitzen (Personal Value). Um eine Bewertung wurden nur die Befragten gebeten, die das jeweilige Angebot schon einmal genutzt haben, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren.

9  Vgl. ebd. 10  Vgl. hierzu Holtmannspötter, Eva/Christian Breunig: Massenkommunikation Trends 2017: Öffentlich-rechtliche und private Programmangebote im Leistungsvergleich. Ergebnisse aus der Studienreihe „Medien und ihr Publikum“ (MiP). In: Media Perspektiven 7-8/2017, S. 375-387.

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Eine überaus hohe Wertschätzung wird den öffentlich-rechtlichen Nachrichten und Informationsangeboten entgegengebracht (vgl. Tabelle 1). Hervorgehoben werden hierbei vor allem die gesellschaftliche Relevanz der Informationen sowie deren hohe Qualität. Die herausragendste Eigenschaft des öffentlich-rechtlichen Angebots wird von rund zwei Dritteln der Menschen darin gesehen, die Themen aufzugreifen, die für die Gesellschaft wichtig sind. Zum Vergleich: Bei den besonders kritisch bewerteten Blogs und sozialen Netzwerken, der Boulevardpresse und Videoplattformen sieht nur eine Minderheit von unter einem Fünftel gesellschaftlich relevante Themen behandelt. Rund zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen realitätsnah berichtet („berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind“) und glaubwürdig ist. Fast ebenso viele der Zuschauer billigen der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zum aktuellen Geschehen zudem zu, auch für den persönlichen Lebensbereich relevant zu sein. Rund 60 Prozent vertrauen ARD und ZDF und nutzen diese gerne („machen mir Spaß zu nutzen“). Die Informationsqualität von Videoplattformen sowie – am untersten Ende der Skala – Blogs und sozialen Netzwerken wird dagegen eher kritisch bewertet. Gerade bei Blogs und sozialen Netzwerken ist der Spaßfaktor sowie die persönliche Relevanz der Inhalte von größerer Bedeutung als journalistische Qualitätsmerkmale. Diese werden den Angeboten nur von gut einem Zehntel zugeschrieben, was sich auch darin niederschlägt, dass weniger als jeder zehnte Befragte dem Angebot traut. Der Abstand zu den klassischen, redaktionell gemachten Angeboten ist hier besonders groß. Eine deutlich größere Rolle spielt bei Blogs und sozialen Netzwerken aber die Relevanz der Inhalte. Auch wenn das Zustimmungsniveau hier gering ist, werden bei der gesellschaftlichen Relevanz (18 %) und der persönlichen Relevanz (16 %) die höchsten Werte erzielt. Auch bei Videoplattformen – wie zum Beispiel YouTube – steht die Vermittlung von Informationen zum politischen und aktuellen Geschehen nicht im Mittelpunkt des Geschäftsmodells. In der Wahrnehmung ihrer Informationsfunktion werden ihnen ähnliche Eigenschaften wie Blogs und sozialen Netzwerken sowie Boulevardinhalten zugeschrieben. Das Zustimmungsniveau liegt hier aber etwas höher.11

11

Zur ausführlichen Beschreibung siehe ebenfalls Engel/Rühle (Anm. 7), S. 396 ff.

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Informationsroutinen im Zielgruppenvergleich Das Interesse, an Nachrichten und Informationen zu gelangen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zentral sind einmal soziodemografische Faktoren. So lässt sich belegen, dass für jüngere Menschen hedonistische Motive eine größere Rolle bei der Medienauswahl spielen, als dies in älteren Bevölkerungsgruppen der Fall ist. Umgekehrt sind sie deutlich weniger an der Vermittlung von politischen Informationen interessiert: Ein Ergebnis, das eine gewisse Distanz junger Zuschauer zu politischen Informationen zeigt. Dementsprechend hat die Suche nach Nachrichten und Informationen für die jüngere Generation einen geringeren Stellenwert als dies in fortgeschrittenerem Alter der Fall ist. Aber auch persönliche Einstellungen, beispielsweise das Interesse an Politik sowie eine persönliche Nähe oder Distanz zum politischen Geschehen oder auch, ob man der Berichterstattung der Medien vertraut und der Meinung ist, dass diese das Geschehen abbilden, wie es wirklich ist, spielen eine Rolle bei der Auswahl, ob und welches Medienangebot zu Informationszwecken gesucht wird. Wie wirken sich diese Faktoren nun auf die Nutzung verschiedener Informationsangebote aus? Auf Basis der Studie „Medien als Träger politischer Information“ lassen sich erhebliche Unterschiede in den Informationsroutinen zwischen den verschiedenen Altersgruppen und nach dem politischen Interesse feststellen, aber auch danach, ob man dem politischen Geschehen kritisch oder distanziert gegenübersteht sowie ob das von den Medien vermittelte Bild mit dem eigenen Weltbild übereinstimmt. Informationen zum aktuellen Geschehen stellen nur einen Ausschnitt des Angebots dar, den die verschiedenen Medienmarken zu bieten haben. Es liegt deshalb nahe, dass diese vor allem von den Personen gesucht und genutzt werden, die ein besonderes Interesse für das aktuelle Geschehen zeigen. Ein wichtiges Motiv, Informations- und Nachrichtenangebote in den Medien zu nutzen, ist somit das persönliche Interesse am politischen Geschehen. Personen die weniger oder überhaupt nicht am politischen Geschehen interessiert sind, zeigen dagegen eine erhebliche Distanz zu den etablierten journalistischen Informationsangeboten (vgl. Tabelle 2). Sie greifen gerne auch auf Blogs und soziale Netzwerke oder Videoplattformen zu, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren. Mit 13 Prozent täglicher Nutzung (Blogs und soziale Netzwerke) bzw. 7 Prozent (Videoplattformen) liegt ihre Nutzung hier – neben den ebenfalls stark genutzten Boulevardmedien – über dem Durchschnitt. Sie greifen deutlich seltener auf die klassischen Informationsanbieter wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder Presseprodukte sowie auf Nach-

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richtenprovider im Internet zurück. Nur gut jeder Fünfte dieser Gruppe nutzt täglich die Informationsangebote des öffentlich-rechtlichen Radios oder Fernsehens, regionale Tageszeitungen werden von weniger als jedem Zehnten genutzt. Die Ergebnisse zeigen, dass das Interesse am politischen Geschehen die Nutzung etablierter journalistischer Informationsangebote häufig miteinander einhergehen und Personen, die sich nur wenig interessieren, eine überdurchschnittliche Affinität zu Blogs, sozialen Netzwerken und der Boulevardpresse zeigen. Dies könnte darauf hindeuten, dass aufgrund des geringen Interesses etablierte Informationsangebote nicht aktiv aufgesucht werden, sondern Informationen eher „en passant“, bei der Nutzung anderer Angebote, mitgenommen werden. Ausgehend von den altersspezifischen Einstellungsunterschieden im Hinblick auf das politische Interesse überrascht es nicht, dass sich die tägliche Informationsroutine zwischen den verschiedenen Generationen erheblich unterscheidet. Personen ab 50 Jahren informieren sich – nicht zuletzt aufgrund ihrer „gelernten“ Nutzungsroutinen – vor allem über klassische Medienangebote. Jüngere nutzen – als traditionelle Early-Adopter neuer Technologien – dagegen in überdurchschnittlichem Maße die Informationsoptionen über das Internet (vgl. Tabelle 3). Auch in den jüngeren Altersgruppen lässt sich mit zunehmendem Alter eine stetig zunehmende Nutzung der Angebote klassischer Medienmarken sowohl aus dem Radio- und Fernsehbereich als auch von Presseangeboten feststellen. Öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme werden aber nur von 16 Prozent, öffentlich-rechtliche Radioangebote von 13 Prozent der 14 bis 29-Jährigen täglich zu Informationszwecken genutzt. Am häufigsten informieren sich Personen dieser Altersgruppe bei privaten Radioangeboten (26 %), vor Blogs und sozialen Netzwerken (23 %) und Nachrichtenprovidern (21 %). Aber auch Videoplattformen werden überdurchschnittlich häufig genutzt, um sich zu informieren. Rund 15 Prozent der 14 bis 29-Jährigen tun dies täglich, im Vergleich zu 5 Prozent im Bevölkerungsdurchschnitt. Insgesamt ist in der jungen Zielgruppe eine deutliche Distanz gegenüber Informationsangeboten festzustellen, die sich darin äußert, dass täglich insgesamt weniger Informationen und Nachrichten zum aktuellen Geschehen gesucht werden, als dies im Bevölkerungsdurchschnitt der Fall ist. Dieses Bild relativiert sich etwas, wenn man betrachtet, welche Informationsquellen im Laufe einer Woche gesucht werden und somit in den Bereich der regelmäßig genutzten Angebote fallen. Auch hier zeigen sich die skizzierten altersspezifischen Nutzungspräferenzen. Das meistgenutzte Informationsangebot zum aktuellen Geschehen sind hier allerdings öffentlich-rechtliche Fernsehinhalte, zu denen eine Mehrheit

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von rund 53 Prozent der Jüngeren mindestens wöchentlich Kontakt hat. An zweiter Stelle folgen Blogs und soziale Netzwerke (51 %) vor Informationsprovidern (49 %), Inhalten des privaten Fernsehens bzw. Radios und regionalen Tageszeitungen (je 47 %). Trotz dieses zumindest für das öffentlich-rechtliche Fernsehen erfreulichen Ergebnisses lässt sich zusammenfassend doch eine deutliche Distanz junger Zielgruppen zu den traditionellen und redaktionell ausgerichteten Qualitätsmedien feststellen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Sozialisation in einer digitalisierten Medienwelt zeigen sie eine deutlich größere Nähe zu internetbasierten Informationsangeboten und hier vor allem zu solchen, die potenziell nicht redaktionell verantwortet sind. Als weiteres Kriterium, das für die Auswahl eines Informationsangebots relevant ist, erweist sich die Haltung, wie der politische Betrieb sowie die mediale Berichterstattung darüber wahrgenommen werden. Entgegen den Erwartungen nutzen auch Personen, die das politische Geschehen kritisch sehen („politische Zweifler“)12, am häufigsten öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehangebote, um sich täglich zu informieren. 43 Prozent dieser Gruppe wählen täglich öffentlich-rechtliche Radioangebote, 41 Prozent öffentlich-rechtliche Fernsehangebote zu Informationszwecken (vgl. Tabelle 4). Danach folgen die Angebote privater Rundfunkanbieter (36 % Radio, 34 % Fernsehen) vor regionalen Tageszeitungen (30 %). Trotzdem zeigt sich in dieser Gruppe eine deutliche Distanz zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen und zu regionalen wie überregionalen Presseerzeugnissen, die sie deutlich weniger täglich nutzen als der Bevölkerungsdurchschnitt. Überdurchschnittlich häufig informieren sie sich dagegen über Inhalte des privaten Fernsehens (34 %, Gesamt 25 %), in Blogs oder sozialen Netzwerken oder über Videoplattformen sowie über private Radioinhalte und Boulevardmedien. Knapp ein Fünftel dieser Gruppe nutzt täglich Blogs oder soziale Netzwerke (Gesamt 11 %) zur Informationsnutzung, und auch die Bedeutung von Videoplattformen liegt mit gut 8 Prozent deutlich über dem Bevölkerungsschnitt (5 %).

12  Hierunter wurden Personen subsummiert, die zu folgenden Statements eine hohe Zustimmung zeigten: „Ich kann verstehen, dass manche Leute derzeit die Werte Deutschlands in Gefahr sehen“, „die etablierten Parteien haben die wichtigsten Probleme Deutschlands nicht im Griff“, „die Politiker kümmern sich nicht viel darum, was Menschen wie ich denken“ sowie „ich glaube, dass in den Medien häufig absichtlich die Unwahrheit gesagt wird“. Der Anteil der politischen Zweifler belief sich 2017 auf 14 Prozent. Vgl. Eimeren, Birgit van/Erk Simon/Andreas Riedl: Medienvertrauen und Informationsverhalten von politischen Zweiflern und Entfremdeten. Analysen auf Basis der Studie „Medien als Träger politischer Information“ („Medien und ihr Publikum“) 2017 und der BR-Studie „Informationen fürs Leben“ 2016. In: Media Perspektiven 11/2017, S. 538-554.

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Darin manifestiert sich eine gewisse Distanz zu den Inhalten der klassischen Qualitätsmedien, die unabhängig vom politischen Interesse ist, und auch nicht mit mangelnder Anerkennung der Relevanz der Medien für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess gleichgesetzt werden kann. Ein Drittel der politischen Zweifler äußert nämlich durchaus sehr starkes Interesse am politischen Geschehen, ein weiteres Drittel durchschnittliches Interesse. Die Leistungen der Medien im Hinblick auf einen gesellschaftlichen Mehrwert der Berichterstattung (Public Value) und als Orientierungshilfe werden von einer deutlichen Mehrheit dieser Gruppe anerkannt. Es sind eher Zweifel an der journalistischen Qualität – beispielsweise an der Objektivität und Vollständigkeit der Berichterstattung –, die die Distanz zu den klassischen Informationsangeboten begründet.13 Als weiterer relevanter Faktor für das Vertrauen in politische Institutionen hat sich in der Politikwissenschaft das Konzept der „politischen Wirksamkeit“ (Political Efficacy) erwiesen. Personen, die sich selbst nur ein geringe politische Einflussmöglichkeit zuschreiben, zeigen in der Regel eine geringere politische Beteiligung und weisen auch ein spezifisches Nutzungsverhalten im Hinblick auf ihre Informationsroutinen auf.14 Im Gegensatz zu den politischen Zweiflern zeigen diese politisch Entfremdeten tatsächlich eine erhebliche Distanz zum politischen Geschehen. Nur rund ein Zehntel dieser Gruppe gibt an, sehr stark oder stark am politischen Geschehen interessiert zu sein. Rund 48 Prozent schätzen sich als durchschnittlich interessiert ein, aber rund 43 Prozent geben an, sich weniger oder überhaupt nicht für Politik und das öffentliche Leben zu interessieren. Dies spiegelt sich auch in ihrer Mediennutzung wider. Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen werden insgesamt deutlich weniger genutzt, als dies im Bevölkerungsdurchschnitt der Fall ist, unabhängig davon, wo diese zu finden sind. Besonders groß ist die Distanz zu Informationsinhalten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, die nur von gut einem Viertel (26 %) dieser Gruppe täglich genutzt werden und zu regionalen Presseangebote (15 %). Boulevardzeitungen und -zeitschriften (14 %) sowie private Fernsehangebote (28 %) werden dagegen häufiger zu Informationszwecken genutzt als dies im Bevölkerungsdurchschnitt der 13  gl. van Eimeren/Simon/Riedl (Anm. 12), S. 542 ff. 14  Zur Definition wurde die „Political-Efficacy-Kurzskala (PEKS)“ eingesetzt. Die empfundene interne und externe politische Wirksamkeit wurde dabei mittels der Aussagen „wichtige politische Fragen kann ich gut verstehen und einschätzen“, „ich traue mir zu, mich an einem Gespräch über politische Fragen aktiv zu beteiligen“, „die Politiker kümmern sich darum, was einfache Leute denken“ sowie „die Politiker bemühen sich um einen engen Kontakt zur Bevölkerung“ ermittelt. Vgl. hierzu ausführlich ebd., S. 547 ff.

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Fall ist. Dies unterstreicht einen gewissen Rückzug aus dem politischen Meinungsbildungsprozess. Trotz dieser allgemeinen Distanz zu journalistischen Qualitätsmedien werden Informationen zum aktuellen Geschehen am häufigsten über öffentlich-rechtliche Radioprogramme bezogen. 36 Prozent informieren sich dort täglich. Auch hier kann aber vermutet werden, dass die Informationsnutzung „en passant“ erfolgt und andere Programminhalte bei der Nutzung im Vordergrund stehen. Eine geringe Rolle für die Informationsroutine spielen in dieser Gruppe auch rein digitale Angebote. Sowohl Nachrichtenprovider (6 % vs. 15 Gesamt) als auch Blogs und soziale Netzwerke (7 % vs. 11 % Gesamt) sowie Videoplattformen (2 % vs. 5 % Gesamt) werden deutlich seltener zu Informationszwecken genutzt als im Bevölkerungsdurchschnitt. Hier zeigt sich möglicherweise auch ein Alterseffekt, der durch eine geringere Wahrnehmung der politischen Selbstwirksamkeit in höheren Altersgruppen bedingt ist.15 Eine überdurchschnittliche Nutzung von Blogs und sozialen Netzwerken, der Boulevardpresse und von Videoplattformen zeigt sich dagegen bei Personen, die nur wenig oder gar keine Übereinstimmung zwischen ihrem eigenen Weltbild und dem von den Medien vermitteltem Bild empfinden. Auch in dieser Gruppe informieren sich die Menschen am häufigsten über Angebote des öffentlich-rechtlichen Fernsehens oder Radios, das von rund 40 Prozent der Befragten täglich hierfür genutzt wird (vgl. Tabelle 5). An dritter Stelle folgen regionale Tageszeitungen (31 %) vor privaten Radioangeboten (30 %). Die Distanz gegenüber diesen redaktionell verantworteten Inhalten etablierter Medienmarken ist aber unübersehbar. Personen, die die von den Medien vermittelten Informationen als divergent zu ihren persönlichen Eindrücken und Auffassungen empfinden, suchen Informationen zum aktuellen Geschehen dagegen in überdurchschnittlichem Maße über interpersonelle Kommunikationsformen. 15 Prozent dieser Gruppe beziehen täglich Informationen über Blogs oder soziale Netzwerke, was den Gesamtwert von 11 Prozent deutlich übersteigt. Etablierte Medienmarken – mit Ausnahme der Boulevardpresse – werden dagegen weniger häufig genutzt als im Bevölkerungsdurchschnitt. Eine Divergenz zwischen dem eigenen und dem von den Medien vermitteltem Bild geht häufig einher mit einem geringeren Interesse am politischen Geschehen. Personen, die politisch stark oder durchschnittlich interessiert sind, weichen in der Bewertung der Kongruenz zwischen Lebens- und Medienrealität nur gemäßigt vom Durchschnitt ab. Eklatant ist aber, dass Personen, die weniger oder gar nicht an Politik in15

Vgl. ebd., S. 549.

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teressiert sind, die Berichterstattung deutlich häufiger als der Bevölkerungsschnitt als nicht-kongruent empfinden und somit auch eine größere Distanz zu etablierten Qualitätsmedien aufweisen. Bewertung ausgewählter Informationsangebote Betrachtet man nun die Leistungsbewertung der Angebote in diesen Gruppen, so zeigen sich charakterisierende Unterschiede, die zum Teil das Nutzungsverhalten erklären können. Da für die aktuelle Themenstellung die Angebote des öffentlich-rechtlichen Fernsehens – als qualitativ hochwertige, professionell gemachte Inhalte – auf der einen Seite und internetbasierte Angebote, denen eine deutlich geringere Qualitätserwartung entgegengebracht wird – insbesondere interpersonalen Formen wie Blogs & sozialen Netzwerken – auf der anderen Seite stehen, sollen diese exemplarisch für die Bandbreite des Angebots näher analysiert werden. Im Folgenden soll nun ein Blick darauf geworfen werden, welche charakteristischen Abweichungen vom Gesamturteil sich in den Zielgruppen zeigen, die qualitativ hochwertigen Informationsangeboten eher fernstehen und welche Rückschlüsse sich daraus ziehen lassen. Trotz der Distanz, die junge Zuschauergruppen in Alter zwischen 14 und 29 Jahren zu den klassischen Informationsangeboten in ihrer Nutzungsroutine zeigen, bewerten sie die Programmleistungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens positiv. Die hier erzielten Zustimmungswerte bleiben zwar unter dem Niveau der Gesamtbevölkerung, das Leistungsprofil des öffentlich-rechtlichen Fernsehens unterscheidet sich in den Augen der jungen Nutzer aber nur in einzelnen Punkten von anderen Altersgruppen. Gut 60 Prozent sind der Meinung, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen gesellschaftlich relevante Themen setzt, und eine Mehrheit der jungen Menschen bewertet die Berichterstattung als realitätsnah und glaubwürdig und vertraut dem Angebot. Eine etwas größere Distanz lässt sich bei der persönlichen Relevanz und dem Unterhaltungswert erkennen. Auch hier finden aber 48 bzw. 44 Prozent das Angebot ansprechend (vgl. Tabelle 6). Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung beurteilen Jüngere die Informationsangebote von Blogs und sozialen Netzwerken deutlich positiver. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sehen sie deutlich geringere Qualitätsunterschiede zwischen den Informationen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und jenen, die sie in Blogs und sozialen Netzwerken finden (vgl. Abbildung 2). Deutliche Unterschiede zum Gesamturteil zeigen sich erneut in der Relevanz, die junge Nutzer den Informationsangeboten in Blogs und sozialen Netzwerken zuschreiben. 38 Prozent

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finden, dass sie gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen (Gesamt 18 %), 35 Prozent sehen eine persönliche Relevanz (Gesamt 16 %). Bezüglich der journalistischen Qualitätskriterien sind aber auch junge Nutzer kritisch. Nur rund ein Fünftel bewertet die Inhalte als glaubwürdig oder realitätsnah. Vertrauen in die Informationen von Blogs und sozialen Netzwerke haben nur 16 Prozent. Der größten Bewertungsunterschied zwischen Jung und Alt findet sich aber im Hinblick auf den Unterhaltungswert des Angebots. 46 Prozent der 14 bis 29-Jährigen geben an, Spaß zu haben, wenn sie Informationsangebote in Blogs und sozialen Netzwerken nutzen (Gesamt 20 %). Sich über das aktuelle Geschehen in Blogs oder sozialen Netzwerken zu informieren, macht jungen Menschen damit mehr Spaß, als entsprechende Informationen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu nutzen (44 %). Die größere Distanz der jungen Generation zu den Informationsangeboten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens liegt also weniger in einer distanzierten Haltung zu dessen journalistischer Leistung, sondern zeigt eher Hinweise auf eine geringere Relevanz der Themen für ihren persönlichen Lebensbereich – möglicherweise auch aufgrund des geringeren politischen Interesses in dieser Gruppe – sowie eine Dissonanz mit dem hedonistischen Unterhaltungsbedürfnis dieser Generation. Von allen untersuchten qualitätsfernen Zielgruppen zeigen jüngere Zuschauer aber noch die größte Nähe zu den Leistungen des öffentlichrechtlichen Fernsehens. Ihre hohe Affinität zu Blogs und sozialen Netzwerken speist sich dagegen einmal aus dem Spaß, den sie – sicher auch durch den interpersonalen Kommunikationsrahmen – aus dem Angebot ziehen, andererseits finden sie hier auch eher Inhalte, die unabhängig von ihrem journalistischen Qualitätsniveau für sie und ihre Lebenssituation Bedeutung haben. Zahlreiche Parallelen lassen sich in der Beurteilung des öffentlichrechtlichen Fernsehens durch politische Zweifler sowie Personen, die eine Divergenz zwischen der Medienberichterstattung und ihrem eigenen Weltbild empfinden, feststellen (vgl. Abbildung 3). Sie zeigen insgesamt ein geringeres Zustimmungsniveau als junge Nutzer. Eine Mehrheit beider Gruppen erkennt aber einen gesellschaftlichen Mehrwert („bringen Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind“) in der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (politische Zweifler 55 %; Personen mit dissonantem Weltbild 54 %), auch wenn dieser Wert rund 20 Prozentpunkte unter dem Vergleichswert der Gesamtbevölkerung liegt (vgl. Tabellen 7 und 8). Eine objektive Berichterstattung sowie einen Unterhaltungswert schreiben in beiden Gruppen gut 40 Pro-

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zent dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu. Während die politischen Zweifler aber in etwas höherem Maße eine persönliche Relevanz der Themen empfinden (46 % versus 42%), zeigt sich bei ihnen ein deutlich geringeres Vertrauen in die Berichterstattung, als dies bei den Menschen der Fall ist, die die Berichterstattung als nicht übereinstimmend mit ihrem Weltbild empfinden (33 % versus 39 %), und sie finden die Berichterstattung auch weniger glaubwürdig (40 % versus 44 %). Beide Gruppen erweisen sich damit als eher kritisch, was die Qualität und den Unterhaltungswert des öffentlich-rechtlichen Fernsehens angeht. Bei den Zweiflern schlägt sich zusätzlich das eigentlich große Interesse an Politik nieder, bei einer gleichzeitig kritischen Haltung gegenüber der Glaub- und Vertrauenswürdigkeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, die möglicherweise durch abweichende Meinungen im Hinblick auf die berichteten Sachverhalte begründet ist. Die größere Distanz der politischen Zweifler zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird auch dadurch belegt, dass sie sowohl regionalen Tageszeitungen und dem öffentlich-rechtlichen Radio, als auch den Angeboten des privaten Rundfunks mehr Vertrauen entgegenbringen und diese für glaubwürdiger halten. Personen, deren Weltbild nicht mit der Berichterstattung übereinstimmt, werten hier dagegen nur regionale Tageszeitungen und öffentlich-rechtliches Radio höher. Im Gegensatz zur Bewertung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens unterscheidet sich die Einschätzung der Leistung von Blogs und sozialen Netzwerken deutlich zwischen beiden Gruppen. Während Personen, die Abweichungen zwischen ihrem eigenen und den von den Medien vermittelten Weltbild sehen, die Informationsleistung von Blogs und sozialen Netzwerken weitgehend so beurteilen wie der Bevölkerungsdurchschnitt, ziehen Menschen, die eine kritische Distanz zum politischen Geschehen haben, ein deutlich positiveres Fazit (vgl. Abbildung 4). Personen, die eine Dissonanz zwischen dem eigenen und dem durch Medien vermittelten Weltbild sehen, zeigen auch gegenüber Blogs und sozialen Netzwerken eine überdurchschnittlich kritische Haltung im Hinblick auf deren Glaubwürdigkeit, Objektivität und Vertrauenswürdigkeit. Ihre Zustimmungswerte liegen hier noch einmal 1 bis 3 Prozentpunkte unter dem Wert der Gesamtbevölkerung (8 bis 10 %). Sie schreiben diese Eigenschaften am stärksten regionalen Pressemedien zu, gefolgt vom öffentlich-rechtlichen Radio. Auch politische Zweifler bewerten die Glaubwürdigkeit von Blogs und sozialen Netzwerken kritisch (10 %). Sie sehen auch deutlich stärker als der Bevölkerungsdurchschnitt persönlich relevante Themen abgedeckt (20 % vs. 16 % Gesamt) und empfinden die Berichterstattung – möglicherweise aufgrund höherer Übereinstimmungen mit ihrer kritischen Grundhaltung

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– als objektiver (15 % vs. 12 %). Dementsprechend bringen sie den Informationen auf Blogs und in sozialen Netzwerken überdurchschnittliches Vertrauen entgegen (13 % vs. 9 %). Beide Gruppen eint eine kritische Haltung zu den Inhalten der Berichterstattung, die sich aber bei den politischen Zweiflern – aufgrund ihres höheren politischen Interesses- noch deutlicher in einer kritischen Haltung manifestiert. Möglicherweise besteht ein Unterschied zwischen beiden qualitätsfernen Zielgruppen darin, dass die eigenen Ansichten nicht in den medialen Informationsangeboten wiedergefunden werden (abweichendes Weltbild) und bei den politischen Zweiflern eine Haltung dazukommt, die dies als absichtsgeleitetes systemisches Defizit sieht und deshalb verstärkt Informationen in „alternativen“ Quellen sucht. Personen, die nur eine geringe politische Wirksamkeit empfinden (politisch Entfremdete) oder sich nach eigenen Angaben nur wenig oder gar nicht für das aktuelle politische Geschehen interessieren, zeigen insgesamt die größte Distanz zu den Informationsleistungen der klassischen Medienanbieter. Dies trifft sowohl auf Presseerzeugnisse als auch auf die Programme des öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunks zu. In diesen beiden Gruppen werden die geringsten Zustimmungswerte bei der Leistungsbeurteilung erzielt (vgl. Tabelle 9 und 10). Auffällig ist zudem, dass zwischen den Nachrichten und Informationsangeboten des öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkangebots geringere Leistungsunterschiede gesehen werden, als dies in vielen anderen Zielgruppen der Fall ist. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen wird trotz dieser Distanz zu den traditionellen Informationsmedien als das Angebot gesehen, dem politisch wenig interessierte Personen am meisten Vertrauen entgegenbringen (28 %), dem die relevanteste Berichterstattung im Hinblick auf gesellschaftliche und persönliche Themen zugeschrieben wird (36 bzw. 30 %) und das am glaubwürdigsten berichtet (32 %). Im Hinblick auf den Unterhaltungswert und die Objektivität wird lediglich das öffentlich-rechtliche Radioangebot noch etwas besser bewertet. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung wird die Distanz jedoch deutlich. Die Zustimmungswerte liegen insgesamt 30 bis 40 Prozentpunkte niedriger. Die Gruppe der Menschen, die nur eine geringe politische Selbstwirksamkeit empfinden, zeigt sogar eine noch größere Distanz zum Informationsangebot von ARD und ZDF. Zwar wird diesen von allen abgefragten Angeboten am häufigsten zugeschrieben, dass sie gesellschaftlich relevante Themen bringen (40 %) und den größten Unterhaltungswert (29 %) besitzen, insgesamt ist das Zustimmungsniveau aber noch einmal geringer als bei den politisch wenig Interessierten. Hinzu kommt

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jedoch, dass nur etwa ein Viertel auch journalistische Qualitätskriterien erfüllt sieht und der Berichterstattung nur zu einem kleinen Teil Vertrauen schenkt (25-28 %). Die Akzentuierung unterscheidet sich in beiden Gruppen aber leicht (vgl. Abbildung 5). Während die politisch gering Interessierten dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine geringere gesellschaftliche Relevanz zuschreiben („bringt Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind“) (36 % versus 40 %), schätzen sie dessen Relevanz für das persönliche Personen mit gering empfundener politischer Selbstwirksamkeit äußern zudem die kritischste Haltung aller Vergleichsgruppen im Hinblick auf die journalistische Qualität und Vertrauenswürdigkeit des Angebots. Nur ein Viertel empfindet diese als glaubwürdig, rund 28 Prozent haben den Eindruck, dass über die Dinge berichtet wird, „wie sie wirklich sind“. Dementsprechend hat auch nur ein Viertel der Befragten dieser Gruppe Vertrauen in das öffentlichrechtliche Fernsehen. Obwohl die Vergleichswerte bei den politisch gering Interessierten nur um rund 3 Prozentpunkte höher liegen, könnte dies darauf hindeuten, dass neben einem allgemein gering ausgeprägtem Interesse an Nachrichten und Informationen im Allgemeinen auch eine größere Unzufriedenheit mit der journalistischen Qualität des Informationsangebots eine Rolle spielt. Dies bedeutet, dass neben Desinteresse auch Enttäuschung ein Faktor ist, der die Bewertung beeinflusst. Für beide Gruppen kann somit konstatiert werden, dass sie aufgrund ihres gering ausgeprägten Interesses am politischen Geschehen eine erhebliche Distanz zu den Nachrichten- und Informationsangeboten im Allgemeinen aufweisen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gilt auch in diesen Gruppen aber noch immer als die vertrauenswürdigste und qualitativ hochwertigste Informationsquelle, aber nur eine Minderheit bewertet dessen Leistungen positiv. Das Desinteresse am politischen Geschehen, das beide Gruppen charakterisiert, bezieht sich nicht nur auf die klassischen Informationsanbieter. Sowohl den politisch gering Interessierten als auch den Personen mit gering empfundener Selbstwirksamkeit ist gemeinsam, dass auch Blogs und soziale Netzwerke für sie keinen Qualitätsvorteil im Hinblick auf ihren Informationswert besitzen. Die Leistungsbewertung fällt hier im Wesentlichen nicht positiver aus, als dies im Bevölkerungsdurchschnitt der Fall ist. Politisch gering Interessierte schreiben Blogs und sozialen Netzwerken zwar in überdurchschnittlichem Maße zu, unterhaltsam zu sein (25 % vs. 20 % Gesamt), gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen (20 % vs. 18 % Gesamt) und glaubwürdig zu sein (12 % vs. 11 % Gesamt), es lässt sich jedoch keine besondere Affinität im Vergleich zu anderen Informationsquellen belegen (vgl. Abbildung 6).

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Bei den Personen, die nur eine geringe politische Wirksamkeit empfinden, manifestiert sich ihre Entfremdung vom politischen Geschehen und der Berichterstattung auch darin, dass sie den neuen digitalen Informationsangeboten, über die auch mittels interpersonalen Kommunikationsformen Informationen rezipiert werden könnten, von allen Gruppen die geringsten Zustimmungswerte im Hinblick auf ihre Informationsleistungen zuschreiben. Spaß an der Nutzung zu haben ist auch hier die Eigenschaft, die den Angeboten noch am ehesten zugeschrieben wird (15 %). Relevante Themen – egal ob gesellschaftlich oder persönlich – sieht nur noch gut ein Zehntel behandelt. Für glaubwürdig, objektiv oder vertrauenswürdig hält nur eine kleine Minderheit zwischen 3 und 6 Prozent das Informationsangebot in Blogs und sozialen Netzwerken. Dies offenbart eine erhebliche Distanz zur Informationsleistung des Angebots, die offenbar auch nicht durch positive Nutzungserfahrungen in anderen Themenbereichen – z.B. interpersonale Kommunikation – überlagert werden. Es liegt deshalb nahe anzunehmen, dass die Distanz zu Informationen zum aktuellen Geschehen sich somit nicht aus den Eigenschaften der verschiedenen Informationsanbieter speist. Vielmehr scheint das allgemeine Desinteresse an der Thematik das Nutzungsverhalten zu prägen. Sollten über die interpersonale Kommunikation via Chat Informationen nebenbei wahrgenommen werden, zeigt dies keine positive Auswirkung auf die Bewertung von Blogs und sozialen Netzwerken als Nachrichten- und Informationsquelle, und es ist nicht davon auszugehen, dass Informationen auf Blogs und sozialen Netzwerken bewusst gesucht werden, da ihre Qualität höher als die anderer Angebote geschätzt wird. Schlussfolgerungen und Ausblick 2020 Mit der fortschreitenden Digitalisierung haben sich die Optionen, Nachrichten und Informationen zu nutzen vervielfacht. Die Herausforderung für viele Menschen besteht nun weniger darin, kompetent gemachte Nachrichten zu finden, sondern eher aus einer Vielzahl der Angebote jene zu selektieren, die Relevanz besitzen, egal ob persönliche oder gesellschaftliche. Persönliche Dispositionen, die jeweilige Nutzungssituation und auch das genutzte Gerät beeinflussen die Nachrichtennutzung. Mit der Studie „Medien als Träger politischer Information“ konnte bereits 2017 belegt werden, dass sich spezifische Charakteristika im Informationsverhalten verschiedener Bevölkerungsgruppen nachweisen lassen, die eine Distanz zu den Informationsangeboten des öffentlichrechtlichen Rundfunks aufweisen.

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Diese Distanz hat auch im Jahr 2020 weiter Bestand. Digital Natives, Personen mit geringem politischen Interesse und solche, die die Medienrealität nicht als mit der selbst erlebten Wirklichkeit übereinstimmend empfinden, greifen seltener auf Sendungen und Beiträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zurück, wenn sie sich über das politische Geschehen informieren wollen. Die Langzeitstudie ARD/ ZDF-Massenkommunikation zeigt einen deutlichen Abstand in diesen Gruppen, wenn es darum geht, welche Informationsquelle „am ehesten“ oder „an zweiter Stelle“ genutzt wird. Während 83 Prozent aller Befragten die Informationen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bzw. Radio wählen würden, sind es in diesen distanzierten Zielgruppen „nur“ gut zwei Drittel.16 Trotzdem sind die Informationsangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch in den kritischen Gruppen das meistgenutzte Angebot (vgl. Abbildung 7). Das unterstreicht, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk trotz einer größeren persönlichen Distanz hohe Kompetenz im Hinblick auf sein politisches Informationsangebot zugeschrieben wird. Eine große Mehrheit bestätigt auch 2020 dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in seinem Gesamtprogramm gesellschaftlich relevante Themen zu bringen (Public Value; 82 %), glaubwürdige und kompetent gemachte Inhalte zu bieten (jeweils 78 %) und auch eine persönliche Relevanz (Personal Value) zu besitzen („bieten Inhalte, die für mich wichtig sind“ 70 %) (vgl. Abbildung 8). Mithin Kompetenzen, die für ein qualitativ hochwertiges Informationsangebot unverzichtbar sind. Knapp zwei Drittel fühlen sich zudem „voll und ganz“ oder „weitgehend“ gut unterhalten (64 %). Etwas kritischer werden die Aspekte Unabhängigkeit, die Übereinstimmung des Programmangebots mit dem persönlichen Geschmack („bieten genau die Inhalte die mir gefallen“) und der Beitrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum gesellschaftlichen Zusammenhalt gesehen. Aber auch diese Eigenschaften werden dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk von einer Mehrheit attestiert. Für die verschiedenen Gruppen, die eine Distanz zum öffentlich-rechtlichen Informationsangebot aufweisen, lassen sich auch 2020 sowohl gemeinsame als auch heterogene Motivlagen erkennen, die ihre Zurückhaltung erklären können. So sind junge Menschen als Early-Adopter neuer Technologien grundsätzlich aufgeschlossener für neue und digitale Angebote. Eine Rolle spielt sicherlich auch, dass der Umgang mit digitalen Anwendungen für die Digital Natives tatsächlich keine Zugangshürde darstellt, wie dies in 16  Da in der Studie weder Fragen zu einer kritischen Haltung gegenüber dem Politikbetrieb noch zur politischen Selbstwirksamkeit gestellt wurden, kann für diese Zielgruppen keine Aussage gemacht werden.

116


NUTZUNG UND BEWERTUNG VON NACHRICHTENANGEBOTEN IN I N F O R M AT I O NSF E R N E N Z I E L G RU P P E N

älteren Nutzergruppen der Fall sein kann. Zudem wachsen sie gerade in ihre Nutzungsroutinen hinein und werden weniger von etablierten Gewohnheiten geleitet. Dementsprechend offen sind sie für Informationsoptionen, die ihrer noch stark hedonistisch geprägten Orientierung entsprechen, nämlich Spaß bei der Nutzung zu haben und Inhalte zu finden, die auf ihre Interessen und auch Rezeptionsbedürfnisse zugeschnitten sind. Ihre überdurchschnittliche Präferenz für Informationsangebote auf Videoplattformen und in sozialen Netzwerken, die ebenfalls von der ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie bestätigt wurde, speist sich aus diesen Aspekten. Obwohl dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen auch ein hohes Maß an journalistischer Kompetenz und gesellschaftlicher Relevanz zugeschrieben wird, bleibt der Spaß an dessen Nutzung sowie die Befriedigung, dort Sendungen und Beiträge zu finden, die ihnen gefallen, hinter dem Bevölkerungsdurchschnitt zurück. Bei der Bewertung sozialer Netzwerke, die für 12 Prozent der 14 bis 29-Jährigen die erste Wahl sind, wenn Informationen zum politischen Geschehen gesucht werden (Gesamt 5 %), werden gerade die Übereinstimmung mit dem persönlichen Themeninteresse und Geschmack, der Unterhaltungswert des Angebots sowie dessen kompetent gemachten Inhalte hervorgehoben (vgl. Abbildung 9). Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigen diese Ergebnisse die Herausforderung auf, die jungen Menschen, die generell eine positive Einstellung gegenüber dem öffentlich-rechtlichen System und dessen Qualitätsniveau haben, mit gezielten Angeboten, die ihren Bedürfnissen entsprechen, anzusprechen. Mit der Etablierung der YouTube-basierten Plattform funk ist hier bereits ein vielversprechender und gut angenommener Schritt gemacht worden. Für die weitere strategische Ausrichtung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots ist dies ein ermutigender Anfang. Menschen, die sich nur in geringem Umfang für das aktuelle politische Geschehen interessieren, zeigen erwartungsgemäß die größte Distanz zu öffentlich-rechtlichen Informationsangeboten, aber auch zu allen anderen abgefragten Informationsanbietern. In dieser Gruppe scheint tatsächlich das Desinteresse an der Thematik der entscheidende Faktor zu sein. Dies äußert sich darin, dass auch den Informationsangeboten anderer Anbieter, wie dem privaten Rundfunk oder sozialen Netzwerken, kein entscheidender Qualitätsvorteil in der Leistungsbewertung zugeschrieben wird. Obwohl Menschen mit geringem politischen Interesse in der Studie Massenkommunikation 2020 überdurchschnittlich häufig die Angebote privater Rundfunksender als bevorzugte Informationsquelle angeben, drückte sich dies bei der Befragung „Medien als

117


PUBLIC VALUE ST UDIE

Träger politischer Information“ nicht in einer höheren Qualitätsbewertung der Informationsangebote aus. In der Bewertung des Gesamtprogramms zeigten sich dagegen in dieser Gruppe in der Studie Massenkommunikation durchaus überdurchschnittliche Zustimmungswerte im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit, Kompetenz, gesellschaftliche und persönliche Relevanz sowie auf den Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt (vgl. Abbildung 10). Es liegt deswegen nahe anzunehmen, dass diese Gruppe aufgrund ihres geringen Interesses an der Thematik, Informationen zum aktuellen Geschehen nicht aktiv sucht, sondern die Informationen „mitnimmt“, die im Rahmen der allgemeinen Mediennutzung angeboten werden. Die Informationsnutzung steht somit nicht im Zentrum der Motivation, ein Medienangebot auszuwählen. Diese Zielgruppe mit qualitativ hochwertigen Informationsangeboten zu erreichen, kann potenziell am ehesten gelingen, wenn die Informationen in ein attraktives Programmumfeld eingebunden werden, das auch andere Programmelemente enthält und so die geringe Motivation, Informationen zu nutzen, nicht überfordert. Menschen, die das von den Medien vermittelte Bild der Realität als dissonant zu ihrer eigenen Wahrnehmung sehen, zeigen eine überdurchschnittlichen Nutzung von Informationsangeboten in Blogs und sozialen Netzwerken, auf Videoplattformen sowie in Boulevardmedien. Diese geht jedoch nicht einher mit einer überdurchschnittlichen Qualitätserwartung an die entsprechenden Plattformen. Die Distanz zu den Informationsangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks speist sich eher aus einer kritischen Haltung gegenüber der Vertrauenswürdigkeit, Glaubwürdigkeit und Objektivität der Berichterstattung sowie aus einer geringen persönlichen Relevanz. Hier manifestiert sich eine inhaltliche Dissonanz zur Berichterstattung. Unabhängig vom Informationsangebot wird dem Gesamtprogramm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens von dieser Gruppe die geringste Kompetenz (69 % vs. 78 % Gesamt) und Unabhängigkeit (48 % vs. 54 % Gesamt) zugeschrieben (vgl. Abbildung 12). Die programmliche Qualität von ARD und ZDF wird von dieser Gruppe vergleichsweise kritisch gesehen. Mutmaßlich sind hierfür die Abweichungen zwischen dem persönlichen Meinungsbild und dem von den Medien vermittelten Bild entscheidend. Die gesellschaftliche wie persönliche Relevanz von Informationen auf sozialen Netzwerken wird demgegenüber als relativ hoch erachtet, auch wenn dies mit einem geringen Vertrauen und einer geringen Erwartung in die Glaubwürdigkeit einhergeht. Charakterisierend scheint für diese Zielgruppe damit eine kritische Haltung gegenüber der Qualität des öffentlich-rechtlichen Informationsangebots zu sein, die mit abweichenden inhaltlichen Bewertungen der Sachlage

118


NUTZUNG UND BEWERTUNG VON NACHRICHTENANGEBOTEN IN I N F O R M AT I O NSF E R N E N Z I E L G RU P P E N

einherzugehen scheint. Die Skepsis gegenüber dem medialen Informationsangebot zeigt sich aber auch im Hinblick auf soziale Netzwerke, die zwar häufiger genutzt, aber trotzdem nicht weniger skeptisch gesehen werden. Verstärkt zeigt sich dieses Phänomen bei den politischen Zweiflern, die aufgrund ihres größeren politischen Interesses eine noch größere Distanz zu den Programmleistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeigen und gleichzeitig eine höhere Zufriedenheit mit der Informationsqualität in Blogs und sozialen Netzwerken äußern. Da sich hier die Distanz zum Qualitätsjournalismus aus einer inhaltlichen Divergenz zu speisen scheint, ist es schwierig, dem mit journalistischen Mitteln entgegenzutreten. Hier ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor allem gefordert, neutral und objektiv zu berichten und alle Meinungen der Gesellschaft adäquat abzubilden. Für die Zukunft stellt sich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Herausforderung, angesichts einer weiteren Fragmentierung der Angebote und Nutzungsgewohnheiten, weiterhin für möglichst viele Menschen relevant und auffindbar zu bleiben. Er kann hier auf einem hohen Niveau an Leistungen und Qualitäten aufbauen, die ihm weite – und auch eher kritisch eingestellte – Teil der Bevölkerung zuschreiben. Der Bedarf an qualitativ hochwertigen Informationen wird auch durch eine Vielzahl alternativer Angebote nicht an Wert verlieren. 61 Prozent der Befragten in der ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020 sind „voll und ganz“ der Meinung, dass verlässliche Informationen in Zukunft noch bedeutsamer werden, 85 Prozent stimmen dem „voll und ganz“ oder weitgehend zu.17 Dass öffentlich-rechtliche Fernseh- und Radioangebote in dieser fragmentierten Medienwelt unverzichtbar bleiben, glauben 72 Prozent. Das sind ermutigende Zeichen, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk nutzen sollte, seinen Mehrwert offensiv und vielfältig in die digitalisierte Welt zu tragen. •

17

Vgl. ARD/ZDF Massenkommunikation Langzeitstudie 2020, www.ard-zdf-massenkommunikation.de

119


PUBLIC VALUE ST UDIE

Abbildung 1 Nutzung von Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen

49

in Beiträgen/ Sendungen im ö.-r. Fernsehen

75 43

in Beiträgen/Sendungen im ö.-r. Radio

64 37

in Artikeln von regionalen Tageszeitungen

63 34

in Beiträgen/Sendungen im privaten Radio

53 25

in Beiträgen/Sendungen im privaten Fernsehen

51 15

Nachrichtenprovider*

37 14

in Artikeln v. überregionalen Tages-, Wochenzeitungen/politischen Magazinen zu Zeitgeschehen u. Politik

38 11

in Blogs oder sozialen Netzwerken

24 täglich 9

in Artikeln von Boulevardzeitungen oder -zeitschriften

auf Videoplattformen

24

mind. 1x p.W.

5 15

* Hierunter wurden zusammengefasst: auf Internetseiten oder Nachrichtenportalen von Providern und Suchmaschinen oder Internetseiten oder Apps von Nachrichtenangeboten, die nur im Netz präsent sind. Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 J., n = 2 017. Quelle: ARD/ZDF Studie Medien als Träger politischer Information.

Abbildung 2 Leistungsbewertung ö.-r. Fernsehen und Blogs/soziale Netzwerke 14-29 Jährige

vertraue ich 80 70 60 50 machen mir Spaß zu nutzen

bringen die Themen, die für mich wichtig sind

40 30 20 10 0

berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind

bringen die Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind

sind glaubwürdig Gesamt ör Fernsehen

14-29 ör Fernsehen

Gesamt Blogs & soz. Netzwerke

Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 J., n = 2 017. Quelle: ARD/ZDF Studie Medien als Träger politischer Information.

120

14-29 Blogs & soz. Netzwerke


NUTZUNG UND BEWERTUNG VON NACHRICHTENANGEBOTEN IN I N F O R M AT I O NSF E R N E N Z I E L G RU P P E N

Abbildung 3 Leistungsbewertung ö.-r. Fernsehen Politische Zweifler und Personen mit dissonatem Weltbild zur Medienberichterstattung

vertraue ich

80 70 60 50

machen mir Spaß zu nutzen

bringen die Themen, die für mich wichtig sind

40 30 20 10 0

berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind

bringen die Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind

sind glaubwürdig pol. Zweifler

dissonantes Weltbild

Gesamt ör Fernsehen

Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 J., n = 2 017. Quelle: ARD/ZDF Studie Medien als Träger politischer Information.

Abbildung 4 Leistungsbewertung Blogs/soziale Netzwerke Politische Zweifler und Personen mit dissonatem Weltbild zur Medienberichterstattung

vertraue ich 30,00 25,00 20,00 machen mir Spaß zu nutzen

bringen die Themen, die für mich wichtig sind

15,00 10,00 5,00 0,00

berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind

bringen die Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind

sind glaubwürdig

Gesamt

pol. Zweifler

Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 J., n = 2 017. Quelle: ARD/ZDF Studie Medien als Träger politischer Information.

121

dissonantes Weltbild


PUBLIC VALUE ST UDIE

Abbildung 5 Leistungsbewertung ö.-r. Fernsehen Personen mit geringem politischen Interesse und geringer politischer Selbstwirksamkeit

vertraue ich 80,00 70,00 60,00 50,00 machen mir Spaß zu nutzen

bringen die Themen, die für mich wichtig sind

40,00 30,00 20,00 10,00 0,00

berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind

bringen die Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind

sind glaubwürdig

Gesamt

geringes pol. Interesse

geringe pol. Selbstwirksamkt.

Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 J., n = 2 017. Quelle: ARD/ZDF Studie Medien als Träger politischer Information.

Abbildung 6 Leistungsbewertung Blogs/soziale Netzwerke Personen mit geringem politischen Interesse und geringer politischer Selbstwirksamkeit

vertraue ich 30,00 25,00 20,00 machen mir Spaß zu nutzen

15,00

bringen die Themen, die für mich wichtig sind

10,00 5,00 0,00

berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind

bringen die Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind

sind glaubwürdig Gesamt

geringes pol. Int.

geringe pol. Selbstwirksamkt.

Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 J., n = 2 017. Quelle: ARD/ZDF Studie Medien als Träger politischer Information.

122


NUTZUNG UND BEWERTUNG VON NACHRICHTENANGEBOTEN IN I N F O R M AT I O NSF E R N E N Z I E L G RU P P E N

Abbildung 7 Zugangswege zu politischer Information

83

24

68

67

am ehesten

69

68

an zweiter Stelle 23

26

55

24 41

58

24 44

42

45 16

14-29

geringes dissonantes Gesamt politisches Weltbild Interesse

23

15

8 4

13

11

geringes dissonantes Gesamt politisches Weltbild Interesse

privaten Radio- oder Fernsehanbietern, egal ob im Radio/TV/Inet

öffentlich-rechtlichen Radio- oder Fernsehanbietern, egal ob im Radio/TV/Inet

17

12

7 14-29

56

29

31

28

15

8 Gesamt

28

36

26

22

53

44

14-29

26 19

20

12

12

7

8

28

24

24

25

8 5

geringes dissonantes Gesamt politisches Weltbild Interesse

YouTube oder anderen Videoplattformen

13

14-29

geringes dissonantes Gesamt politisches Weltbild Interesse

Zeitungen oder Zeitschriften. egal ob gedruckt oder im Internet

15 12 14-29

20

19

10

10

10

9

geringes dissonantes politisches Weltbild Interesse

Facebook, Instagram oder anderen sozialen Medien

Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 J., n = 3 003. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020.

Abbildung 8 Leistungsbewertung ö.-r. Fernsehen Trifft "voll und ganz"/"weitgehend" zu, in

82 80

78 77

78 77 70

73

76 71

77 70

69 64

61 60 62

60 54 54

51

54

55

59 54

53

48

50

53

46 46 37

bieten glaubwürdige Inhalte

bieten kompetent gemachte Inhalte

sind unabhängig von politischen und wirtschaftlichen Interessen

Gesamt

14-29

bieten unterhaltsame Inhalte

bieten Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind geringes pol. Interesse

Basis: Deutschpr. Bevölkerung ab 14 J., n = 3 003 Quelle: ARD/ZDF Massenkommunikation Langzeitstudie 2020.

123

bieten Inhalte, die für bieten genau die Inhalte, mich wichtig sind die mir gefallen

dissonantes Weltbild

tragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei


PUBLIC VALUE ST UDIE

Abbildung 9 Leistungsbewertung soziale Netzwerke Trifft "voll und ganz"/"weitgehend" zu, in %

91

81

81

85

71

57

54 43

37

35 27

41 41

41

44

55 50

54 53 54

37

27 27

26

24

bieten glaubwürdige Inhalte

45

33

29

29

45

53 47

bieten kompetent gemachte Inhalte

sind unabhängig von politischen und wirtschaftlichen Interessen

Gesamt

bieten unterhaltsame Inhalte

14-29

bieten Themen, die für bieten Inhalte, die für bieten genau die Inhalte, mich wichtig sind die mir gefallen die Gesellschaft wichtig sind geringes pol. Interesse

tragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei

dissonantes Weltbild

Basis: Deutschpr. Bevölkerung ab 14 J., n = 3 003 Quelle: ARD/ZDF Massenkommunikation Langzeitstudie 2020.

Abbildung 10 Leistungsbewertung privates Fernsehen Trifft "voll und ganz"/"weitgehend" zu, in %

91 81

81

85

71

54 43 35 27

37

41 41

41 33

29

29

26

24

bieten glaubwürdige Inhalte

bieten kompetent gemachte Inhalte

45

44

57

55 50

47

54 53 54

37

27 27

sind unabhängig von politischen und wirtschaftlichen Interessen

Gesamt

45

53

14-29

bieten Inhalte, bieten unterhaltsame bieten Themen, die für Inhalte die Gesellschaft wichtig die für mich wichtig sind sind

geringes politisches Interesse

bieten genau die Inhalte, die mir gefallen

tragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei

dissonantes Weltbild

Basis: Deutschpr. Bevölkerung ab 14 J., n = 3 003 Quelle: ARD/ZDF Massenkommunikation Langzeitstudie 2020.

Tabelle 1 Bewertung von Informationsangeboten zum aktuellen Geschehen Gesamt, trifft voll und ganz/weitgehend zu, in %, Sortiert nach öffentlich-rechtlichem Fernsehen überregionale regionale Zeitungen/Zeitschrift ö.-r. Fernsehen ö.-r. Radio Tageszeitungen en/Magazine Boulevardpresse bringen die Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind 71 64 64 53 berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind 66 61 62 49 sind glaubwürdig 66 63 65 51 bringen die Themen, die für mich wichtig sind 64 57 57 47 vertraue ich 62 59 60 47 machen mir Spaß zu nutzen 60 58 55 43 Frage: Jetzt geht es um Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen. Sagen Sie mir bitte zu den folgenden Aussagen, inwieweit diese zutreffen: Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n= 2 017). Quelle: ARD/ZDF-Studie Medien als Träger politischer Information, 2017.

124

privates Fernsehen privates Radio 17 45 14 41 14 42 14 37 14 38 19 43 voll und ganz, weitgehend, weniger oder gar

Blogs & soziale Nachrichtenprovider Netzwerke 46 39 48 34 49 34 41 34 44 28 46 34 nicht.

18 12 11 16 9 20

Videoplattformen

17 13 13 15 12 18


NUTZUNG UND BEWERTUNG VON NACHRICHTENANGEBOTEN IN I N F O R M AT I O NSF E R N E N Z I E L G RU P P E N

Tabelle 2 Nachrichten- und Informationsnutzung nach politischem Interesse Nutzungsfrequenz täglich in % Gesamt Politisches Interesse Nutze Nachrichten/Informationen zum täglichen Geschehen in sehr stark/ wenig/ Beiträgen/Sendungen/Artikeln des… ziemlich stark durchschnittlich überhaupt nicht öffentlich-rechtlichen Fernsehen 49 63 37 öffentlich-rechtlichen Radio 43 51 38 regionalen Tageszeitungen 37 48 28 privaten Radio 34 34 36 privaten Fernsehen 25 24 25 auf Internetseiten oder Nachrichtenportalen von Providern und Suchmaschinen oder Internetseiten oder Apps von Nachrichtenangeboten, die nur im Netz präsent sind 15 20 11 überregionalen Tageszeitungen, Wochenzeitungen oder politischen Magazinen zu Zeitgeschehen und Politik 14 19 12 Blogs oder sozialen Netzwerken 11 10 11 Boulevardzeitungen oder -zeitschriften 9 8 10 auf Videoplattformen 5 5 5 Frage: Ich nenne Ihnen einige Medien. Sagen Sie mir bitte jeweils, wie oft Sie dort Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen nutzen: täglich, mehrmals pro Woche, einmal pro Woche, mehrmals pro Monat, einmal pro Monat, seltener oder nie. Bitte denken Sie auch an das Internet, Apps und soziale Netzwerke. Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n= 2 017).

22 19 10 25 26

9 1 13 11 7

Quelle: ARD/ZDF-Studie Medien als Träger politischer Information, 2017.

Tabelle 3 Nachrichten- und Informationsnutzung nach Altersgruppen Nutzungsfrequenz täglich in % Nutze Nachrichten/Informationen zum täglichen Geschehen in Beiträgen/Sendungen/Artikeln des… öffentlich-rechtlichen Fernsehen öffentlich-rechtlichen Radio regionalen Tageszeitungen privaten Radio privaten Fernsehen auf Internetseiten oder Nachrichtenportalen von Providern und Suchmaschinen oder Internetseiten oder Apps von Nachrichtenangeboten, die nur im Netz präsent sind überregionalen Tageszeitungen, Wochenzeitungen oder politischen Magazinen zu Zeitgeschehen und Politik Blogs oder sozialen Netzwerken Boulevardzeitungen oder -zeitschriften auf Videoplattformen

Gesamt

Alter 49 43 37 34 25

14-29 Jahre

16 13 11 26 14

30-49 Jahre

34 37 26 38 24

ab 50 J.

73 59 54 35 30

15

21

18

11

14 11 9 5

10 23 6 15

15 15 6 4

16 3 12 2

Frage: Ich nenne Ihnen einige Medien. Sagen Sie mir bitte jeweils, wie oft Sie dort Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen nutzen: täglich, mehrmals pro Woche, einmal pro Woche, mehrmals pro Monat, einmal pro Monat, seltener oder nie. Bitte denken Sie auch an das Internet, Apps und soziale Netzwerke. Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n= 2 017) Quelle: ARD/ZDF-Studie Medien als Träger politischer Information, 2017. Tabelle 4 Nachrichten- und Informationsnutzung politische Zweifler und politisch Entfremdete (political efficacy) Nutzungsfrequenz täglich in % Nutze Nachrichten/Informationen zum täglichen Geschehen in Beiträgen/Sendungen/Artikeln des…

Gesamt

Politische Zweifler

Politisch Entfremdeten

öffentlich-rechtlichen Fernsehen

49

41

26

öffentlich-rechtlichen Radio

43

43

36

regionalen Tageszeitungen

37

30

15

privaten Radio

34

36

24

privaten Fernsehen

auf Internetseiten oder Nachrichtenportalen von Providern und Suchmaschinen oder Internetseiten oder Apps von Nachrichtenangeboten, die nur im Netz präsent sind

25

34

28

15

16

6

überregionalen Tageszeitungen, Wochenzeitungen oder politischen Magazinen zu Zeitgeschehen und Politik

14

12

13

Blogs oder sozialen Netzwerken

11

18

7

Boulevardzeitungen oder -zeitschriften

9

12

14

auf Videoplattformen

5

8

2

Frage: Ich nenne Ihnen einige Medien. Sagen Sie mir bitte jeweils, wie oft Sie dort Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen nutzen: täglich, mehrmals pro Woche, einmal pro Woche, mehrmals pro Monat, einmal pro Monat, seltener oder nie. Bitte denken Sie auch an das Internet, Apps und soziale Netzwerke. Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n= 2 017). Quelle: ARD/ZDF-Studie Medien als Träger politischer Information, 2017.

125


PUBLIC VALUE ST UDIE

Tabelle 5 Nachrichten- und Informationsnutzung Übereinstimmung Medienbild Nutzungsfrequenz täglich in % Gesamt Nutze Nachrichten/Informationen zum täglichen Geschehen in Beiträgen/Sendungen/Artikeln des… öffentlich-rechtlichen Fernsehen öffentlich-rechtlichen Radio regionalen Tageszeitungen privaten Radio privaten Fernsehen auf Internetseiten oder Nachrichtenportalen von Providern und Suchmaschinen oder Internetseiten oder Apps von Nachrichtenangeboten, die nur im Netz präsent sind

Vermitteltes Bild der Berichterstattung stimmt mit eigenem Bild überein

49 43 37 34 25

voll und ganz/weitgehendweniger/ gar nicht 54 41 45 39 40 31 36 30 26 23

15

16

15

überregionalen Tageszeitungen, Wochenzeitungen oder politischen Magazinen zu Zeitgeschehen und Politik 14 15 13 Blogs oder sozialen Netzwerken 11 8 15 Boulevardzeitungen oder -zeitschriften 9 9 9 auf Videoplattformen 5 5 6 Frage: Ich nenne Ihnen einige Medien. Sagen Sie mir bitte jeweils, wie oft Sie dort Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen nutzen: täglich, mehrmals pro Woche, einmal pro Woche, mehrmals pro Monat, einmal pro Monat, seltener oder nie. Bitte denken Sie auch an das Internet, Apps und soziale Netzwerke. Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n= 2 017). Quelle: ARD/ZDF-Studie Medien als Träger politischer Information, 2017.

126


ö.-r. Radio

52 45 46 44 38 41 Sie

regionale Tageszeitungen

127

Quelle: ARD/ZDF-Studie Medien als Träger politischer Information, 2017.

ö.-r. Fernsehen

43 41 44 46 46 39

Blogs & soziale Nachrichtenprovider Netzwerke 37 33 34 32 28 26

überregionale Zeitungen/Zeitschrift Blogs & soziale en/Magazine Boulevardpresse privates Fernsehen privates Radio Nachrichtenprovider Netzwerke 57 52 18 48 48 60 56 48 18 38 49 47 60 51 15 40 49 47 56 45 17 31 44 39 46 44 16 37 40 52 39 36 20 42 43 50 mir bitte zu den folgenden Aussagen, inwieweit diese zutreffen: voll und ganz, weitgehend, weniger oder gar nicht. regionale Tageszeitungen

überregionale Zeitungen/Zeitschrift en/Magazine Boulevardpresse privates Fernsehen privates Radio bringen die Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind 55 50 45 34 18 52 bringen die Themen, die für mich wichtig sind 46 42 46 29 13 41 machen mir Spaß zu nutzen 43 40 51 31 20 48 berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind 42 47 42 25 14 47 sind glaubwürdig 40 46 47 27 14 48 vertraue ich 33 42 43 23 13 41 Frage: Jetzt geht es um Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen. Sagen Sie mir bitte zu den folgenden Aussagen, inwieweit diese zutreffen: voll und ganz, weitgehend, weniger oder gar nicht. Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n= 2 017).

Tabelle 7 Bewertung von Informationsangeboten zum aktuellen Geschehen Politische Zweifler, trifft voll und ganz/weitgehend zu, in % Sortiert nach öffentlich-rechtlichem Fernsehen

Quelle: ARD/ZDF-Studie Medien als Träger politischer Information, 2 017.

ö.-r. Fernsehen ö.-r. Radio bringen die Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind 61 berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind 56 sind glaubwürdig 54 vertraue ich 51 bringen die Themen, die für mich wichtig sind 48 machen mir Spaß zu nutzen 44 Frage: Jetzt geht es um Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen. Sagen Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n=2 017).

Bewertung von Informationsangeboten zum aktuellen Geschehen 14-29 J., trifft voll und ganz/weitgehend zu, in % Sortiert nach öffentlich-rechtlichem Fernsehen

Tabelle 6

Videoplattformen

Videoplattformen

19 20 26 15 10 13

38 21 19 16 35 46

23 14 25 16 14 13

34 26 25 23 31 42

NUTZUNG UND BEWERTUNG VON NACHRICHTENANGEBOTEN IN I N F O R M AT I O NSF E R N E N Z I E L G RU P P E N


49 44 45 45 40 41 Sie

überregionale Zeitungen/Zeitschrift Blogs & soziale en/Magazine Boulevardpresse privates Fernsehen privates Radio Nachrichtenprovider Netzwerke 51 40 16 36 39 36 41 34 17 36 40 29 45 33 12 30 38 26 48 37 10 29 39 25 43 37 12 28 32 29 44 33 13 26 35 19 mir bitte zu den folgenden Aussagen, inwieweit diese zutreffen: voll und ganz, weitgehend, weniger oder gar nicht. regionale Tageszeitungen

128 ö.-r. Radio

40 37 29 29 28 34 26 28 25 28 25 26 Geschehen. Sagen Sie mir

Quelle: ARD/ZDF-Studie Medien als Träger politischer Information, 2017.

ö.-r. Fernsehen bringen die Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind machen mir Spaß zu nutzen berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind bringen die Themen, die für mich wichtig sind sind glaubwürdig vertraue ich Frage: Jetzt geht es um Nachrichten und Informationen zum aktuellen Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n= 2 017).

Bewertung von Informationsangeboten zum aktuellen Geschehen Geringe pol. Selbstwirksamkeit, trifft voll und ganz/weitgehend zu, in % Sortiert nach öffentlich-rechtlichem Fernsehen

Tabelle 10

Quelle: ARD/ZDF-Studie Medien als Träger politischer Information, 2017.

überregionale Zeitungen/Zeitschrift en/Magazine Boulevardpresse 28 22 25 19 14 16 24 23 20 18 20 12 bitte zu den folgenden Aussagen, inwieweit diese zutreffen: voll

regionale Tageszeitungen

Blogs & soziale privates Fernsehen privates Radio Nachrichtenprovider Netzwerke 17 38 24 17 15 30 30 12 10 27 29 13 12 24 20 12 11 28 24 10 14 25 20 10 und ganz, weitgehend, weniger oder gar nicht.

überregionale regionale Zeitungen/Zeitschrift Blogs & soziale ö.-r. Fernsehen ö.-r. Radio Tageszeitungen en/Magazine Boulevardpresse privates Fernsehen privates Radio Nachrichtenprovider Netzwerke bringen die Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind 36 36 31 20 14 36 31 24 sind glaubwürdig 32 31 23 15 11 26 28 15 berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind 31 32 22 16 11 25 29 17 bringen die Themen, die für mich wichtig sind 30 22 20 16 11 23 22 20 vertraue ich 28 24 21 14 8 20 25 13 machen mir Spaß zu nutzen 25 29 16 10 15 27 29 18 Frage: Jetzt geht es um Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen. Sagen Sie mir bitte zu den folgenden Aussagen, inwieweit diese zutreffen: voll und ganz, weitgehend, weniger oder gar nicht. Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n= 2 017).

Tabelle 9 Bewertung von Informationsangeboten zum aktuellen Geschehen Personen mit geringem politischen Interesse, trifft voll und ganz/weitgehend zu, in % Sortiert nach öffentlich-rechtlichem Fernsehen

Quelle: ARD/ZDF-Studie Medien als Träger politischer Information, 2017.

ö.-r. Fernsehen ö.-r. Radio bringen die Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind 54 machen mir Spaß zu nutzen 45 berichten so über die Dinge, wie sie wirklich sind 44 sind glaubwürdig 44 bringen die Themen, die für mich wichtig sind 42 vertraue ich 39 Frage: Jetzt geht es um Nachrichten und Informationen zum aktuellen Geschehen. Sagen Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n= 2 017).

Tabelle 8 Bewertung von Informationsangeboten zum aktuellen Geschehen Personen mit dissonantem Weltbild, trifft voll und ganz/weitgehend zu, in % Sortiert nach öffentlich-rechtlichem Fernsehen

12 15 6 10 5 3

20 12 10 15 9 25

18 21 10 8 16 8

Videoplattformen

Videoplattformen

Videoplattformen

6 8 6 4 6 2

18 16 16 16 11 23

18 20 14 12 17 13

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EXPERIMENTING WITH NEWS FATIGUE AND NEWS AVOIDANCE THOMAS BAEKDAL BAEKDAL MEDIA

One of the most important trends facing the news industry is the increasing trend that we see around news fatigue and news avoidance. We have seen many studies trying to identify what is happening and what kind of impact it has. But what is the larger trend? What are the patterns and the behaviors we see with it? Even more importantly, what does it actually mean? As a media analyst, I spend a lot of time reading studies and analyzing the data, but while the many studies can give a general view of things, what they can’t do is to help you understand the nuances of it. To learn about that, you need to try it. This is not unique to the media, of course. This is true for everything. If, for instance, you are charged with fixing the problem with public transport, you can do studies to get the data about what the volume of use is, and you can do surveys to get people to tell you what kind of problems they have. But it isn‘t until you start taking the bus yourself, on a daily basis, that you start to understand it. This is what this report is about. We are going to talk about the problem with news fatigue and news avoidance, what some of the studies are telling us, what the larger trends are, but more importantly, I’m going to tell you what happens when you actually experiment with it. What would happen, for instance, if you stopped following the news for a month? Would you become less informed? Does that change your attitude towards news? But even more critically, what kind of things can we, as publishers and broadcasters, learn from it? News fatigue and news avoidance are not the same Before we start to go into the details of things, it’s important to understand the difference between news fatigue and news avoidance. While I’m using them interchangeably, as a publisher/broadcaster, they represent two separate audience segments. When someone becomes a news avoider, it means that they have made the decision that news is no longer valuable to them, and have decided to simply cut it from their lives. In fact, many news avoiders would even define news as being detrimental to them, either because they feel it’s just a waste of their time, because of some misguided belief that news is not what it seems, because of experiences they might have had of not being able to trust the news, or worse, that people think news is harmful to their mental wellbeing.

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One example of this is a recent study about news avoidance in both the UK and Spain (1), And among other things, they found this: “We found that news avoiders saw news as having limited informational benefits and high costs in terms of time, emotional energy, and mental effort. They also did not see consuming news as a civic duty to be pursued despite the costs, nor did they have strong ties to communities that highly valued news consumption. This meant they had few social incentives to return to news habitually and that connections between distant-seeming topics in the news and immediate concerns were rarely reinforced.” Regardless of what the reason is behind this, it’s a critical problem. This is a segment of people who are now actively discouraging themselves from following the news. This is a big problem. Think about how we might try to solve this. We can’t just tell them to “support the news because it’s important!”. This is not going to work because this audience is telling us that our journalism isn’t valuable to them. They are questioning the way we define journalism and our focus. So, the trend around news avoiders particularly is something we need to be extremely mindful of. If this trend starts to grow (which is what we see today), that means we need to change journalism more than ever. On the other hand, news fatigue is something very different (although it can lead to news avoidance later). People who say that they are fatigued with the news have not given up on the news. In fact, it’s often the opposite. People who say that they are fatigued with the news have often ended up in this situation because they have been spending too much time on it. In other words, they actually want the news, but there is just so much of it, it’s so messy, chaotic, and overwhelming, that they can’t handle it anymore. It’s like an addiction. Their FOMO (fear of missing out) has caused them to become so over-saturated with news that they are burning out. We see this effect a lot around political coverage. One example of this was with Brexit in the UK. This was a news topic that was covered in the extreme by broadcasters and publishers alike, and every single day, people (in the UK) were inundated by it. Obviously, this was a very important news topic, but think about what actually happened. Think about the timeline of public sentiment. Well, we started in 2016, when the UK had the Brexit Referendum, and where a slight majority (51.89%) voted to leave the EU, with another 48.11% voting to remain. Then as the years went by and people started realizing what Brexit would mean for the UK, public sentiment started to change. By December 2018, the polls had turned the other way. According to a YouGov survey at the

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time, 59% would vote to remain in the EU, and only 41% would vote to leave. (2) But the story went on, and by 2019, in a study by Reuters Institute and the University of Oxford (3), a staggering 35% said they felt fatigued by the news and had started avoiding it. As they said: “The UK’s prolonged and tortuous exit from the European Union has dominated the news agenda over the last year, generating widespread Brexit fatigue. [...] More than a third (35%) say they often or sometimes avoid the news in the UK and the majority of these cite Brexit as the main reason. Avoiders say coverage negatively affects their mood or they feel powerless to affect events. Partly as a result, and with the exception of television (+5pp), there has been no Brexit bounce for the media, with online usage flat and newspapers on the slide.” And by October 2019, Sky News launched a ‘Brexit-free’ news channel to meet the demands of their increasingly fatigued audience. People were burning out on the news. And then, by the end of 2019, the UK had an election, and Boris Johnson‘s only political message was: “Get Brexit Done”. And he won an overwhelming victory, with Boris Johnson’s Conservative party gaining 47 seats, while Labour lost 59 seats. This is news fatigue in action. People were so burned out by the constant news that they just stopped focusing on it. And Boris Johnson used this effect to his advantage. The more we covered it, the more hopeless the never-ending discussions seemed, and the better it was for him. In other words, people got so worn out by the whole thing that they just wanted to get it over with. And this is an important thing to understand about news fatigue. It erodes the power of the press. As journalists, we define our role as being able to “hold those in power to account”. But we didn’t manage to do that here. Once people started being fatigued with the news, we lost our ability to keep people informed and to question the decisions or statements of those in power. So, news fatigue is not just a problem from an audience perspective, where you might lose traffic or views. It’s also a problem for our society as a whole. People are not capable of handling a 24 hour news cycle. That’s what this trend is showing us. And as publishers, we need to think about this. More than that, the worst thing you can do is just to publish more news, more live feeds, and more of everything. Because if you do that, news fatigue turns into news avoidance. And, of course, this isn’t unique to Brexit. In the US, a study from PEW found that around 70% felt exhausted or worn out by the news. (4) And we see similar patterns from around the world.

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Chart 1. News fatigue among US adults (%, 2016-2019)

Total information-gathering time, and news time One thing that is important for this discussion is that there is a difference between following the news and the total time spent for informationgathering as a whole. Just because someone says that they have stopped spending time with the news, doesn’t mean that they have stopped getting information via many other channels. In fact, people today are likely exposed to far more news than any generation in the past. Think about the difference between the past generations and what we see today. If you look at the past generation’s media consumption, the time spent with activities that could be considered ‘getting informed’ was very limited. Many people would subscribe to a morning newspaper, which they would read for 15 minutes over breakfast. Then when they got home from work, they might spend another 15 or so minutes reading a bit more, until turning to TV, where they might watch a half-hour news broadcast before tuning into their favorite TV show instead. In other words, people didn’t spend that much time with the news.

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Compare this to today where people are constantly connected via their mobile phones, where everyone is checking things 100s of times each day, and where news shows up pretty much everywhere (although often not intentionally). The result is that today, even when people are not specifically choosing to watch the news, they are still constantly reminded of it. But also think about the things that we don’t usually consider to be news, but are still information gathering. YouTube is a good example of this. If you ask people why they use YouTube, many people will tell you that it’s to learn. If fact, one interesting thing to look at is the very youngest generation. In the UK, Ofcom did a study of kids between 5 and 15, where they asked them about how they were using their time online, including how they watched things like TV. (5) And not surprisingly YouTube was a big factor in their media consumption. Chart 2. Children’s preference for watching programmes on TV versus YouTube videos (2017/2018)

But what is interesting isn’t just that they are watching YouTube, but why they have turned to that channel. The study identified three main reasons for watching: These were: Hobbies and passions. Lots of children watched videos related to their offline interests – such as tutorials to further their passion for music or football. Vloggers and community. Many children watched ‘vloggers’ or YouTubers, often connecting with them through a shared passion such as sports or crafts, and enjoying becoming part of their ‘follower’ community. Lots of the children said they looked up to their favourite vloggers as role models, or regarded them as a friend who could provide support or advice. Other forms of entertainment videos, like unboxings or forms of play.

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Think about how different this is from traditional TV. This is focused on learning, on experiencing new things, and on information gathering. This is an entirely different way of using your time than just sitting down and watching a TV show (where you don’t really think that much during the broadcast). In other words, young people have changed the way they use their time. But what does this have to do with news fatigue and news avoidance? Well, it has everything to with how we use our time. Remember, news avoiders often cite their reason as being that news is not worth their time, both in terms of actual time spent, but also the time that they use when thinking about news-related things. As I mentioned before from the report about news avoiders in the UK and Spain: “We found that news avoiders saw news as having limited informational benefits and high costs in terms of time, emotional energy, and mental effort.� Today, we live in a world where thousands of things are demanding our attention every single day, combined with a trend that people are increasingly seeking information that is more personally useful and relevant to them. In other words, people now define managing their time as one of the most important factors, and these same people are now saying that news is not an efficient means of getting informed. Take a news story like the protests in Hong Kong. We might argue that this is important news, but think about it in terms of people using their time. For someone living in Europe, how much time during a week would be relevant to spend on just that story, when at the same time there are also thousands of other stories that command your attention? We can illustrate it like this:

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Figure 1. People’s use of time

The way many young people use YouTube is in the top two spots. They are either spending time watching things that directly relate to something they need, or with something that they have a direct interest in. Of course, it’s not 100% like this, but YouTube for many is about learning and exploring. But, again, take a news topic like the protests in Hong Kong. Where is that? Well, the topic itself might be categorized as something that people might benefit from knowing (the purple box). But in terms of time, it‘s much less personally useful. And then when we take this story, and we start to inundate people with all the details of it, turning it into a live stream, publishing or broadcasting hundreds of things about it, suddenly this time spent becomes a negative. Now we are wasting people’s time instead.

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Figure 2. People’s use of time in news

This again, is what drives news fatigue and avoidance. People who have become news avoiders have cut away the bottom two elements, and are very aggressively managing their ‘news time’. But, at the same time, they are extremely well informed about other things. They have not stopped gathering information and becoming informed. They have cut away all the news that doesn’t help them. This is a critical thing to understand about this trend. The experiment So far we have talked about the trends, the patterns and some of the studies about news fatigue and news avoidance. But as I wrote in the beginning, you don’t fully learn something until you have tried it. This leads us to the experiment. As a media analyst, I wanted to better understand these trends, and so I decided to do something crazy. Last year, I set aside an entire month where I would become a total news avoider. But let me explain a little bit about my run up to this. As part of my job, I’m obviously inundated with the news and problems in the media every single day. Every channel I use is media related, and my analysis is often focused on the way we work in the media industry, and what kind of impact (often unintentionally) this has. As a result, I often had periods of time where I was just really annoyed with the news. It’s not important what it is specifically that annoyed me, but I often had days where I would get up in the morning and see something in the news ... and it would irritate me because of how badly

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it was reported. And it had a very negative impact on me. I felt stressed because of it, which is silly, but more than that, it actually impacted my work, where I wouldn‘t be able to focus on whatever I was actually supposed to write about that day. Even worse, sometimes I would tweet about it. And not only would this take time for me to write, the worst part was the discussions afterwards, where, throughout the entire day, people would reply to me and discuss whatever it was we were talking about. Don’t get me wrong, I love having a good discussion. But discussing something based on a quick annoyance is not very helpful. And so, all the way back in 2017, following the drama and over-saturation of the just-finished US election, I decided to try to manage it. In other words, I had reached the first stage of news fatigue. What I did to begin with was to manage the noise of specific forms of news. For instance, on Twitter, I set up a filter that would block all tweets about Trump, and most other issues related to US politics. I didn’t do this because I didn’t want to hear about it. I did it because I was hearing so much about it, often countless times each and every day, that I was going to go mad if I had to read yet another tweet about it. I also started using temporary blocks, when a news topic went from something that I would benefit from knowing, to just becoming a form of noise. To give you an example. Remember when an airplane went missing and the media went completely crazy covering it (even though nobody had any idea what had happened)? Getting a brief news report that it had happened might be useful to know, but seeing the hundreds of stories afterwards was not. So being able to block that topic temporarily was extremely useful. Another example is Facebook. I have a filter for blocking any mention of Facebook, which I turn on whenever the media industry has another one of their anti-Facebook moments. What I mean is that, every now and then, media-Twitter becomes insanely obsessed about yet another scandal on Facebook and suddenly 80% of your tweets that day are about just that one thing. This is not helpful, and so I have this filter that I can turn on for 24 hours, or maybe 7 days, that just filters out all future mentions of Facebook from my feed. This way, all the other content that has been drowned out is resurfaced and I can actually start looking at all the other useful information again. Mind you, when I tell people this, some get really outraged that I‘m filtering out journalists talking about Facebook. But remember, I‘m not doing this because I don‘t want to hear about it. I‘m doing it because I have already heard about it. So I don‘t use these filters to block out information. I use them to control the flow of it. I found it to be absolutely

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critical to my use of not just Twitter, but news consumption in general. Being able to control your flow of news, makes the news itself far more valuable as a whole. And this was how it all started for me. But then, I also started seeing a general increasing trend around news avoidance, and I even have some friends who told me they had given up on the news, and so I wanted to know more. Specifically, I wanted to know whether the experience I already had would continue if you went all the way. Mind you, as a media analyst, I had no intention of becoming a long-term news avoider. Following the media is an essential part of my job. But what would happen if you did avoid it for a while? I wanted to test many of the assumptions that people made. For instance, one thing that many news avoiders say is that they don’t have to follow the news because, if something is important enough, they will hear about it anyway. But is that really true? Are you still informed even if you don’t actively read the news? Is our connected world still bringing us the information? So, in March 2019, I did my experiment. My plan was simple. I would not consume any short-form media, meaning no newspapers, no magazines, TV news, but also things like Twitter and Facebook. Instead I would rely only on long-form media channels, like going back to my RSS feeds, relying more on newsletters, on podcasts, or simply not consuming the day-to-day news at all. Of course, I didn’t just want to do this blind. I wanted to be able to test whether I had missed something. And so, as part of this, I also set up a service that would automatically capture a screenshot of the full front pages of all the major newspapers. The idea then would be to look back at these, analyze how important it would have been for me to know all the stories covered during this test, and whether or not I had missed them. This was the setup, and on a Friday morning, I put the plan into action. So what happened? Remember that I said I was doing this for a month? Well, this was not the initial plan. Instead, I originally only planned to do this for a week, because doing it for a month seemed crazy. But I discovered that I was fully addicted to reading the news. What I mean by this is that, even though I decided not to read the news, I would just randomly do it anyway without really thinking about it. For instance, I would be on the phone with someone, and during this call my fingers would open up a new tab in my browser and visit a newspaper, and then I would start looking at the news. I didn’t even realize that I was doing it until a few minutes later. I’m reminded of the way people talk about addictions to other forms of media. For instance, a while back Casey Neistat, the famous YouTuber, talked about his addiction to social media. (6) He said:

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“I have a problem. It‘s serious! No, this is not a joke. I have a bonafide, like proper, no sarcasm, but proper addiction to social media.” “Let me just qualify what that means.” “I used the word addiction, by the way, very lightly. I have friends who have struggled with chemical addictions. It‘s not that. Maybe a better description for it would be to call it ‘a destructive habit’ because it has a negative impact on my life. But what it looks like is this.” “I can‘t have a conversation, I can‘t sit through a movie, I can‘t hang out in real life with friends, I can‘t make it through dinner, I can‘t make it through a conversation, I can‘t drive my car more than a couple of blocks (very dangerous) without thumbing through social media. And this isn‘t something I justify, like it‘s for work, or I need to know. It‘s a mindless scrolling with that thing you do on Twitter, that thing you do on Instagram. There‘s nothing behind it. There‘s no benefit. There‘s no upside … just scrolling.” This was the same thing that I was doing. Except, I wasn’t doing this with social media. I was doing this with the news. You might say that as a media analyst, I had a good excuse for doing this, since following the news is part of my job. But, it was scary to realize just how addicted I was to checking the news, and how I was doing it as a form of distraction. But what was really worrying was how long it took me to change this habit. It took most of the first week before I finally started to not read the news all the time. And during the first week, I didn‘t actually learn anything about news fatigue, I only learnt that I was addicted to news. And so when the week was over and the experiment was planned to end, I decided to extend it to a full month. So, after this initial week, I finally got to a point where I wasn‘t just checking the news without thinking, and I got to experience what true news avoidance is really like. And it was very interesting. In the second week I started feeling FOMO, the fear of missing out, and I was thinking that I needed to check the news because, what if there was something that I needed to know? But what was really interesting was that, after a while, my FOMO completely went away. I went from being anxious about not reading the news, to ... well... just not thinking about it. Nor did I feel it had any impact on my work. Slowly, over the next couple of weeks, my mental state started to change. I started feeling a big difference in my everyday mood. I felt less stressed, less angry, and this specifically made a big difference in the mornings.

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Before, I would wake up and read the news as the first thing I did every day, and I would get annoyed about a million different things. But now that I was no longer reading the news, I would just get up and focus on whatever I had planned to do. In other words, I didn‘t get distracted before the start of each day. The result was that my FOMO was completely replaced by JOMO, or the ‘Joy Of Missing Out’. I started enjoying not reading the news, and started to not want to go back. And so, after this month of experimenting, I now fully understood why some of my friends had become news avoiders. It is wonderful. And as a media analyst, this scares me. But it’s one thing to look at what I learned as a person, what can we learn from this as an industry? News doesn‘t just come to you The first thing I learned was that the news doesn’t just come to you the way many people think. As I mentioned before, this is a common argument that, if something is important enough, you will hear about it regardless. Well, the month where I did this experiment was in March 2019, and during that month there were several big news stories. There was the Mueller report related to the US presidency, there was a lot of news around Brexit, we saw a number of big terror attacks, not to mention the Notre Dame fire. There were also big stories not related to politics, like the first ever picture of a black hole. And yes, during my month of not reading the news, I did hear about all of these. But I didn’t hear about them in a way that you might expect. The black hole event, for instance, didn‘t get to me via anyone in the media. Instead, I learned about this from a mathematician that I follow, and then I learned even more from some of the astrophysicists that I also follow. But none of my media friends really focused on it, because they were all so focused on whatever political thing was happening that day. It was kind of the same with the two big terror attacks that happened. I did hear about them, but I didn‘t hear about the attacks themselves, instead I heard about it because of how everyone in the media went into one of their anti-Facebook outrage moments. In other words, I didn‘t hear about the terror attacks in the form of news. I only heard about it in the form of media outrage towards Facebook. And this was very typical of the news that got to me over that month. It was the same with the Mueller report. I didn‘t hear anything about what was in it, but I heard about how journalists were outraged by something about it. In other words, instead of getting news, I just got outrage. And when people say that ‚if the news is important enough, you will hear about it‘, this is not true. You don’t hear about the news, you hear about

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the outrage. And I only heard about the topics that drove the most outrage. What you are not hearing about is actual useful news, and you are not getting the news in a newslike way. What I mean is that there is a very big difference between being outraged and getting the news. Outrage is an emotional response. You are just reacting to something, whereas real news is educational. It‘s something that you learn from. And during this month, I wasn‘t getting the real news at all. Looking at a month’s worth of headlines The other experiment I wanted to test was how relevant the news was, and so, after my experiment was over, I spent an entire day looking through all the screenshots of all the front pages over the past month. This was a very interesting experience. The first thing I learned was that news is much more varied and interesting when you are not looking at it on a daily basis. Take the New York Times as an example. Before I did this experiment, I was generally checking the New York Times every day, and often more than once per day. And the impression I had from this was that the New York Times was very Trump-focused. But after taking a month off news, and then looking at all the front pages as a whole, I noticed a much more varied, much more interesting, and much more journalistic coverage than what I had felt before. This is fascinating because it illustrates something about our consumption models. If people just read the news as it comes in, we put people into a type of anxiety inducing ‘reacting to the news’ mode. If you wait until a few days later and take the news in as a whole, you end up with a much more informed view of the world. This is something we can learn from. If we can get people out of that day-to-day outrage, we have something bigger to work with. There is a potential here that we might be able to do something with. However, there were also several bad things about this. Specifically two things stood out. The first bad thing was that, as I was spending this day catching up, I was overwhelmed by how negative the news was, and I could feel all the stress and anxiety coming back to me. Not reading the news for a month, and then suddenly spending an entire day reading up on it all was... quite literally ...unpleasant. I have no better way to say this, but reading the news was a terrible experience. And more than that, it didn‘t feel like it was reflective of reality. Instead, it felt as if it was some kind of parallel universe where the journalists were trying to create a type of forced negativity. This is also something you will hear news avoiders talk about. They will argue that not reading the news gives them a more realistic view of the world. And while this might not be 100% true, it was shocking to see just how negatively focused the news was. The second problem was about relevancy ... or the lack thereof.

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When I was looking through all these front pages I had captured, I had a notepad next to me, and my plan was to write down all the news stories that were relevant to me, and that I might not have heard about. After going through all the front pages from all the newspapers, my notepad was … blank! No seriously. I didn’t find a single story that I was sorry to have missed. Not one! Don‘t get me wrong, I found many news articles that I had missed, in fact, I was astonished by how few things I had actually heard about. As I said earlier, when you don‘t read the news, you only hear about the big stories that drive outrage, but every other story disappears. So, almost every story in the news for that month was about something I just hadn‘t seen or heard about at all. This was a bit surprising to me. But, even so, when I tried to evaluate whether it was relevant for me to know about all these missed stories, none of them felt like they had enough relevance. Let me give you an example. During this month, there was one story in most of the Danish newspapers about a cruise ship that had suffered engine problems in a bad storm, and the passengers had to be evacuated. And this was apparently a big news story. I had not heard about this at all, and when I read about it a month later, it just didn‘t feel relevant. I mean, it was bad for the people who had to be rescued, and there were some who got injured. But there was nothing in this story that had any lasting importance. This was just another accident like any other. Sure, it was a big cruise ship, but there are thousands that are killed in traffic each month. The news itself didn‘t have any permanent impact. It was the same with political news. This was something all the newspapers covered extensively, and I‘m sure that on the day it was published it felt really important to talk about. But when you read those stories a month later, there had already been 5 or 6 other scandals, and they all just seemed so incredibly pointless. Instead of actually addressing the issues, it seemed like everyone was just running around doing nothing. So, my list of relevant stories that I had missed and needed to know about was empty. And we have a phrase that characterizes this. We call this ‚throw-away-news‘. But more than that, I think a big reason why I didn‘t write any articles down was because it was just exhausting to look at all those random news stories. There might have been some very important news in the middle of all this, but the volume was overwhelming.

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E X P E R I M E N T I N G W I T H N E W S FAT I G U E A N D N E W S AVO I DA N C E

The aftermath As I am writing this report, it is now a year later, and I have obviously gone back to reading the news every day. It’s my job to follow the news. But there are so many things that we can learn from this. As publishers, we need to think much more about people’s time, and what type of value we put into that. And we need to think much less about just getting the most amount of pageviews. Of course, if I had said this 10 years ago, you would have thought of me as a maniac, but today we face a different reality. Not only do we see this growing trend around news fatigue and news avoidance, but also the trends around declining ad revenues and the increasing importance of subscriptions (and other direct monetization options). What is fascinating about all this is that it all fits very nicely together. The single best way to drive subscribers is to focus on more valuable things to give to people … and this is exactly what people want now. Pageviews are no longer the most important factor for publishers. For me, personally, this whole experience changed my news habits a lot, and it also changed the way I work as an analyst. The first change was that I became far more aware of the value of news, perhaps even obsessively. When I look at newspapers or broadcasters today, I bring what I learned from this experience with me, and question whether what they are doing might drive news fatigue, or how valuable it really is. The second change is that I have almost completely stopped ‘snacking’ on the news, because this was the thing I discovered to be the most pointless. Instead, I now follow the news in much the same way as my parents, meaning I only check the news during specific ‘news-moments’ maybe twice per day. I also no longer read the news at all during the morning, because I found this to be the most disruptive thing I could do. Since most news is so negative and about topics I can’t do anything about anyway (and often not even relevant to me personally), starting my day getting outraged is terrible. As a news publisher, this might not be what you want to hear, but maybe there is something we can learn from this as well. Maybe we should think about what moment a morning really is, and give people a different type of news at that time that is less negatively focused and far more actionable and useful to people for the day ahead? Wouldn’t that be amazing? Finally, this experience has also completely changed my thinking around social media, and in particular, Facebook. Today, we see many studies around news consumption and they tell us that a massive amount of people get their news via Facebook. And because of this, I see many publishers say that “because that’s where all the people are, we should be there too!” But think about that from the perspective of news fatigue.

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Facebook is like a really crowded and noisy room, where thousands of things are constantly shouted at you. And so, what we are saying is: “We should also be in this incredibly noisy room!”. Does that seem like a good place to be? No. This is exactly the type of place that makes news seem like it‘s less valuable to spend time on, and that drives up news fatigue because of how much volume there is. And after having done this experiment, I don’t want news to be in this space at all. Facebook is great for funny posts between friends, but it’s a terrible place for news. What we should do instead is to encourage people to move out of this noisy place, and instead have dedicated and focused news moments. Places where people choose to go specifically to get informed by the news. This way we can solve most of the problems we have. We can separate ourselves from all the noise, and we can focus on creating a more intimate and valuable news moment, which is critical for any publisher who wants to be closer to their communities or be more trustworthy. Again, five years ago, this would have been bad advice, because we needed the views to drive all the ad revenue. But look at the world today. •

REFERENCES (1) Palmer, R., and Toff, B. (2020): “What Does It Take to Sustain a News Habit? The Role of Civic Duty Norms and a Connection to a ‘News Community’ Among News Avoiders in the UK and Spain”, International Journal of Communication, vol. 14 https://ijoc.org/index.php/ijoc/article/ view/12252/3012 (2) Kellner, P. (2018): “The polls are clear: support for staying in the EU has rocketed”, The Guardian, 20 December https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/dec/20/polls-stay-euyougov-brexit-peoples-vote

(3) Newman, N. (2019): “Digital News Report”, Reuters Institute for the Study of Journalism, University of Oxford http://www.digitalnewsreport.org/survey/2019/united-kingdom-2019/ (4) Gottfried, P. (2020): “Americans’ news fatigue isn’t going away – about two-thirds still feel worn out”, Pew Research Center, 26 February https://www.pewresearch.org/facttank/2020/02/26/almost-seven-inten-americans-have-news-fatigue-more-among-republicans/ (5) Ofcom (2019): “Why children spend time online”, Ofcom, 29 January

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https://www.ofcom.org.uk/aboutofcom/latest/media/media-releases/2019/why-children-spend-timeonline (6) Casey Neistat: “Good Bye Social Media”, YouTube https://www.youtube.com/ watch?v=6DfP10OeDP0


DIGITALE DISRUPTIONEN UND GESELLSCHAFTLICHE FRAGMENTIERUNG UNIV.-PROF. DR. THOMAS STEINMAURER UNIVERSITÄT SALZBURG

Mit der durch die Digitalisierung in Gang gesetzten Transformation moderner Mediendemokratien in Gesellschaften der Nach- oder Spätmoderne gehen nicht nur tiefgreifende soziokulturelle und ökonomische Wandlungsprozesse einher, es haben sich auch für Politik und Demokratie schlechthin die Rahmenbedingungen deutlich verändert und jene Stimmen vermehrt, die von einer veritablen Krise der Demokratie – auch in ihrem Verhältnis zum Kapitalismus sprechen. (vgl. Ketterer/Becker 2019) Und mit der weitreichenden Digitalisierung der kommunikativen Infrastruktur verändern sich die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für demokratische Vergesellschaftungs- und Kommunikationsprozesse grundlegend. Standen zu Beginn der Internet-Entwicklung die Hoffnungen auf verbesserte Partizipation, offene Diskursformen und demokratische Deliberationsprozesse im Zentrum vieler netzwerkeuphorischer Positionen, richtet sich aktuell der Fokus insbesondere auf die Risiken und Krisenerscheinungen, die sich auf Effekte der Digitalisierung zurückführen lassen. Schenken wir Autoren wie Gerhard Pörksen Glauben, sind wir in einer Gesellschaft der „großen Gereiztheit“ (vgl. Pörksen 2018) angekommen, die an einer Überhitzung ihrer Debattenkultur leidet, wie sie etwa durch Fake News, Social Bots und Diskursaufladungen in digitalen Echokammern befeuert werden. Zusätzlich haben wir es mit politischen Popularisierungs- und Radikalisierungstendenzen zu tun, die mit Reputations- und Vertrauensverlusten in klassische Medieninstitutionen einhergehen. Diese Phänomene tragen zu einer Erodierung deliberativer Diskursqualitäten bei und gefährden die Stabilität der öffentlichen Debattenkultur. Bereits mit der Zunahme der Ausdifferenzierung des Informations- und Medienangebots wurde – so die klassische „Kettenhypothese“ – von der Gefahr einer Fragmentierung des Medienpublikums wie auch entlang politischer Milieus (vgl. Begenat 2017) ausgegangen. Die Entwicklung derartiger Phänomene ist zudem mit einer sich verändernden Form der Mediennutzung und der Einstellung zu Medien in Verbindung zu bringen. So finden wir in der Gesellschaft einen

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bestimmten Bevölkerungsanteil, der sich seitens der Politik nur noch bedingt vertreten sieht, eine geringe politische Selbstwirksamkeit verspürt und sich sozioökonomisch „abgehängt“ fühlt. Dies trifft zu einem gewissen Teil insbesondere für bildungsferne Schichten zu, die tendenziell etwa auch klassischen Medien ein geringes Vertrauen entgegenbringen. Derartige Phänomene äußern sich in veränderten Nutzungsformen im Hinblick auf Informationen und Nachrichten. So haben wir es, wie Schneider/Eisenegger (2019) hervorheben, mit dem Phänomen einer wachsenden News-Deprivation bzw. mit der Gruppe von „News Avoidern“ in der Gesellschaft zu tun. In Summe lassen diese Befunde keine positiven Perspektiven erkennen und geben Anlass zur Befürchtung, dass sich derartige Fragmentierungs- und Desintegrationstendenzen in der Gesellschaft eher verstärken. Gegenläufig zu diesen Entwicklungen sind allerdings auch Phänomene zu beobachten, die gerade auf der Ebene digitaler Netzwerke neue Dynamiken einer integrativen Vergesellschaftung erkennen lassen. Sowohl neue theoretische Ansätze wie auch Befunde aus der empirischen Forschung weisen auf Muster geänderter sozialer Integration bzw. auf gestiegene Chancen der Informationsnutzung und des politischen Interesses hin. Gerade neue Netzinitiativen und auch zivilgesellschaftliche Bewegungen zeigen auf, wie auf der Ebene digitaler Kollaboration und Interaktion Integrationseffekte zu erzielen sind. Insgesamt ist also von einer als ambivalent zu beurteilenden Entwicklung auszugehen, wenn es um die Frage der Fragmentierung in einer sich zunehmend digitalisierenden Gesellschaft geht. Im folgenden Beitrag sollen daher Überlegungen angestellt werden, wie den aktuell feststellbaren Entwicklungen zu begegnen ist und auf Basis welcher – gerade auch digitalen – Innovationen (Re-)Integrationseffekte zu erzielen wären. Diesen Herausforderungen sehen sich insbesondere Institutionen des „Service Public“ gegenüber, deren Aktivitäten nicht zuletzt auf der Basis ihres gesetzlichen Auftrags auf eine Vollversorgung der Bevölkerung mit ihren Angeboten abzielen und gerade auf der Ebene digitaler Innovationen neue Anstrengungen zu unternehmen haben, um im Zeitalter der Digitalisierung die von ihnen erwarteten gesellschaftlichen Funktionen erfüllen zu können. In diesem Zusammenhang gilt es neue Anforderungen und Aufträge für ihr digitales Engagement zu formulieren, um einen substanziellen Beitrag für das gesellschaftliche Gemeinwohl und demokratische Strukturen leisten zu können.

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Neue Horizonte der Weiterentwicklung Wie oben bereits angesprochen, sehen wir uns aktuell einer Reihe von Phänomenen gegenüber, die in Summe ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotenzial für die Sicherstellung einer integrativ wirkenden kommunikativen Infrastruktur für die Gesellschaft darstellen und damit insgesamt für die Demokratie zu einem Risikofaktor werden können. Mit der Weiterentwicklung der Digitalisierung auf der Ebene zunehmend datengetriebener Netzwerkprozesse, die wir als Datafication bezeichnen können, spitzen sich zudem einzelne Phänomene digitaler Kommunikation – wie die des individuellen Targetings von Userinnen und Usern und der Ökonomisierbarkeit ihrer Datenspuren – noch einmal zu und entwickeln damit eine nicht zu unterschätzende Brisanz für Demokratie und Gesellschaft. Gesellschaftsdiagnosen, die von einer sich fortsetzenden Digitalisierung in der Netzwerkgesellschaft ausgehen, die Beschleunigung des sozialen Wandels in das Zentrum stellen (vgl. Rosa 2005) oder eine verfeinerte Granulierung der Gesellschaft im Sinne ihrer „Singularisierung“ (vgl. Reckwitz 2018) – als Weiterentwicklung von Individualisierungsprozessen (vgl. Beck 1986) – formulieren, beschreiben aktuell eine Entwicklung hin zu einer sich weiter ausdifferenzierenden Gesellschaft. Passoth und Rammert (2019) sprachen jüngst – in ihrem Versuch einer Abstrahierung der zuvor genannten Prozesse und in Weiterentwicklung der klassisch Luhmann’schen funktionalen Differenzierung – vom Konzept einer fragmentalen Differenzierung, die von neuen Transformationsbewegungen – z.B. disruptiven und granulären Formen – ausgehen und geänderte Modi der gesellschaftlichen Differenzierung feststellen. Insgesamt gehen die Autoren einem praxeologischen Konzept folgend von einer „Vielfalt von Differenzierungen (aus), von verteilten Praktiken und iterativen Prozessen der horizontalen und vertikalen Aufgliederung und Reproduktion, die sich nicht notwendig zu einem Ganzen zusammenfügen oder sich auch nur darauf beziehen müssen“. (Passoth/Rammert, 2019, 170) Es entwickelt sich also – so die These – auf einer abstrakten Ebene ein neues Muster der gesellschaftlichen Differenzierung, das „praktisch ‚hinter dem Rücken‘ und ‚über den Köpfen‘ (…) gemischte Konstellationen und auch neue Muster der Koordination erzeugt.“ (Passoth/Rammert 2019, 148) Damit eröffnen sie einen aktuellen und komplexen analytischen Blick auf derzeitige Gesellschaften, der sich auf übergreifende Mechanismen zwischen unterschiedlichen Sektoren der Gesellschaft herausbildet. „Gesellschaft geht dann auf in multiplen, fragmentalen, variablen, gegenwärtigen, aber praktisch relevanten Entwürfen und Designs ganzer Gesellschaften.“ (Passoth/

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Rammert, 2019, 171) Die Autoren richten so einen nuancierten Blick auf tradierte Muster der gesellschaftlichen Differenzierung, weisen insbesondere auch auf Innovationsfelder und reflexive Praktiken hin und zeigen, dass sich Gesellschaft aktuell über neue Formen der inneren Koordination verändert. Ohne an diesem Punkt diesen Zugang weiter zu vertiefen, lassen diese Hinweise den Schluss zu, dass durchaus auch neue und innovative Vergesellschaftungsmuster entstehen, die den beschriebenen Desintegrationseffekten etwas entgegenzusetzen in der Lage sind, vermutlich aber instabilerer und flüchtigerer Natur sein dürften, wie das etwa auch Wittel (2006) mit dem Phänomen der Netzwerksozialität versucht hat zu beschreiben. Für die Entwicklung der kommunikativen Infrastruktur der Gesellschaft deuten sich damit im Übergang in die Digitalisierung neue Vergesellschaftungsmuster an, die sich von den klassischen, bislang diskutierten Strukturierungsmustern der industriellen Nachmoderne unterscheiden. Jedenfalls wird, so Jarren, die „bislang vorherrschende nationalstaatliche wie hierarchisch-elitistische Ordnung der Massenmedien durch eine eher heterarchisch-dynamische Kommunikationsordnung bottom up ersetzt werden (…). Diese Ordnung entspricht einem stärker auf unmittelbare Beteiligung und die Übernahme von Verantwortung durch den Einzelnen geprägten Kommunikationssystem.“ (Jarren 2015, 46f) Damit stellt sich auch die Frage, in welchem Ausmaß neue Vernetzungsdynamiken in der Lage sind, den bereits entstandenen Fragmentierungsdynamiken und Desintegrationstendenzen etwas entgegenzusetzen. Adolf/Deike (2017), auf die weiter unten noch eingegangen wird, weisen etwa darauf hin, dass gerade aus Effekten der digitalen Vernetzung Dynamiken der Fragmentierung und Desintegration zum Teil aufgefangen werden. Andererseits ist auch, wie dies Passoth/Rammert (2019) argumentieren, gerade durch den Einfluss der Digitalisierung mit neuen Musterbildungen zu rechnen, die sich quer zu gesellschaftlichen Segmentierungen vollziehen und damit neue Formen von Integrationseffekten generieren. Wie sich diese Entwicklung weiter vollzieht und welche analytischen Konsequenzen daraus gezogen werden können, wird jedenfalls zu einem zentralen Thema einer transdisziplinär ausgerichteten Forschung werden. Wenn wir explizit nun den Fokus auf aktuelle Phänomene der Digitalisierung richten, treffen wir auf Wandlungsprozesse, die mit einer Reihe von kritischen und für die Demokratie bedrohlichen Entwicklungen unmittelbar in Verbindung zu bringen sind. So haben wir es insbesondere auf der Ebene der algorithmengesteuerten Netzwerkkommunikation, wie sie etwa durch Social Networks vorangetrieben wird, mit Effekten einer Abschottung unterschiedlicher Diskurswelten – bekanntermaßen

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beschrieben von Eli Pariser (2011) als das Phänomen der Filter-Bubbles – zu tun. Ebenso beobachten wir Phänomene einer Überhitzung der öffentlichen Debattenkultur in digitalen Echokammern und das Aufkommen von neuen Formen des Hate Speech, allesamt Prozesse, die einer Polarisierung und Radikalisierung öffentlicher Diskursformen Vorschub leisten und neue toxische Öffentlichkeiten entstehen lassen. Auch die Wirkung von Fake News und ihre beschleunigte Verbreitung über Social Bots stellen eine Gefahr für öffentliche Deliberationsprozesse dar. Zudem treffen wir in bestimmten Sektoren der Gesellschaft auf eine Haltung, die sich durch eine wachsende Diskreditierung öffentlicher Institutionen und damit auch Institutionen der klassischen Medien äußert, wenn diese etwa als „Lügenpresse“ diffamiert werden. All diese Phänomene sind zunächst in Summe dazu angetan, jene Tendenzen zu stärken, die zu einer Vertiefung der digitalen Spaltung der Gesellschaft beitragen. Die Heterogenisierung und Diversifizierung kommunikativer Netzwerkprozesse, deren Sharing- und Adressierungsmodi zunehmend algorithmenbasiert ablaufen und vornehmlich für die Adressierung individueller Profile ausgelegt sind, dürften dabei insbesondere Individualisierungs- und Singularisierungsprozesse stützen. Diesen Differenzierungsprozessen dürften aber auch neue Integrationsformen gegenüberstehen, die aus digitalen Vergemeinschaftungsprozessen hervorgehen und Integrationseffekte hervorbringen, die den oben beschriebenen Entwicklungen etwas entgegensetzen. Passoth/ Rammert (2019) sprechen von einer gesteigerten Orientierung an Innovationen in den unterschiedlichen Bereichen (vgl. Passoth/Rammert 2019) die es auch im digitalen Medien- und Kommunikationssektor – wie etwa auf der Ebene neuer Formen der Vernetzung von Wissen und Information – festzustellen sind. Das Projekt Wikipedia könnte als eines dieser kollektiv erzeugten Projekte gesehen werden, ebenso aber neue kollaborative Sharing-Projekte oder auch digitale Plattformen, die sich der Aufdeckung von Fake News widmen. Damit sind auch gemeinwohlorientierte Plattformenmodelle und Initiativen aus der Open Source oder Free Software-Bewegung angesprochen, deren Zielorientierung in der Entwicklung neuer, nicht-kommerziell ausgerichteter Vernetzungsformen liegt und auf die Idee der Entwicklung eines Public Open Space für Demokratie und Gesellschaft abzielt. Gerade vor diesem Hintergrund gilt es insbesondere auch für öffentlich-rechtliche Anbieter, innovative Ansätze zu entwickeln und dabei primär die Zielorientierung des gesellschaftlichen Gemeinwohls und der gesellschaftlichen Integration in das Zentrum zu rücken.

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Digitale Informationswelten und neue Nachrichtenflüsse Im Rahmen der Diskussion, wie es gelingen kann, in sich zunehmend vernetzenden und diversifizierenden Kommunikationsinfrastrukturen neue Formen von Öffentlichkeit(en) herzustellen, die insbesondere auf demokratische Deliberationsprozesse abzielen, ist die Frage der Bereitstellung, Verbreitung und Nutzung von Informationen von entscheidender Bedeutung. Wir wissen, dass sich in hybriden Medien- und Kommunikationsenvironments neue Muster der Bereitstellung von Informationen und neue Formen von Nachrichtenflüssen etablieren sowie sich Medienrepertoires zunehmend ausdifferenzieren. (vgl. Hasebrink/ Domeyer 2010) Auf der Ebene der Nutzung von Nachrichten lassen sich im Kontext heute vielfach komplexer Informationsumgebungen allenfalls ambivalente Befunde feststellen. Grundsätzlich treffen wir einerseits auf Studien, in der vor einer wachsenden Fragmentierung der Gesellschaft durch die Einwirkung von Echokammern oder Filter Bubbles gewarnt wird. (vgl. Sunstein 2009) Andererseits deuten Ergebnisse insbesondere aus der Publikumsforschung trotz komplexer werdender Informationsumgebungen auf gegenteilige Entwicklungen hin. (vgl. Webster 2014) So kamen Fletcher/Nielsen (2017) etwa in einer ländervergleichenden Analyse zur Frage einer möglichen Fragmentierung auf Basis des News-Konsums zu dem Schluss, dass Online-News-Publika nicht fragmentierter wären als Offline-Publika. Auch Begenat (2017) fand in seiner Studie zur Fragmentierung politischer Milieus und deren Medienkonsumverhalten heraus, dass sich Fragmentierungseffekte durch sich stark ausdifferenzierende Onlineangebote nicht belegen ließen, allerdings auch nicht von einer gemeinsam geteilten Themenbasis zwischen unterschiedlichen Milieus auszugehen sei, die eine integrative Kraft entfalten könnten. Zudem zeigte sich in dieser in Deutschland durchgeführten Untersuchung, wie sehr etwa das Milieu der „Sozial Autoritären“ mit einer mittleren formalen Bildung und einer eher passiven Staatsbürgerrolle, die mit eher sozialstaatlichen und stark autoritären Wertvorstellungen einhergeht, durch Abschottungstendenzen charakterisiert ist. „Das Milieu grenzt sich und die eigenen robusten Überzeugungen teilweise deutlich gegenüber anderen Sichtweisen ab und wählt ein Repertoire an politikbezogenen Quellen, das die eigene Empörung und den Argwohn eher stützt. Es offenbart ein tiefes Misstrauen gegenüber den Massenmedien und verschließt sich Argumenten politisch Andersdenkender. Eine wechselseitige Bezugnahme mit anderen Argumenten findet hier kaum noch statt.“ (Begenat 2017, 202) Dieses Ergebnis zeugt von Differenzierungsformen, die sich als analoge und soziale Filter-Bubbles in bestimmten politi-

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schen Milieus beschreiben lassen und vermutlich auch mit Phänomenen einer gewissen „News-Deprivation“ in Verbindung zu bringen sind. Auch Mothes (2017) weist darauf hin, dass die gesellschaftlichen Effekte zunehmender Informationskomplexitäten auf die soziale Integration widersprüchlich ausfallen und auf der Basis des Faktors der Zufälligkeit, mit der man insbesondere in digitalen Environments mit Nachrichten in Berührung kommt, sich zwei Sichtweisen herausbilden. Während ein Teil der Studien zeigt, dass mit einem erhöhten Grad an Komplexität im Zusammenhang mit der Digitalisierung die zufällige Begegnung, auf Nachrichten zu stoßen, unwahrscheinlicher wird, weisen andere empirische Befunde in die Richtung, dass gerade durch eine zunehmende Angebotsvielfalt – etwa im Umfeld von Social Media – die Wahrscheinlichkeit zunimmt, auf Nachrichten zu stoßen. (vgl. Mothes 2017). Brundidge bezeichnet das Phänomen, wonach über eine größer werdende Zahl von „weakened social boundairies“ über Social Networks Kontaktwahrscheinlichkeiten mit Nachrichten zunehmen, als eine „Inadvertency“ im Sinne einer Unachtsamkeit gegenüber Inhalten. (vgl. Mothes 2017, 68) Mothes schlägt schließlich vor, die von ihr aufgezeigten Nachfrage- und Angebotsperspektiven um Aspekte zu erweitern, die einerseits den Stellenwert der Aufmerksamkeitssteigerung zu Soft-News-Angeboten in den Blick nimmt, andererseits aber auch gerade Abstumpfungseffekte durch den Konsum von boulevardesken News berücksichtigt. Hinsichtlich des Stellenwerts der Nachrichtennutzung kennen wir – wie eingangs dargestellt – das Phänomen der News-Deprivierten, also Nutzerinnen und Nutzer, die insbesondere hinsichtlich der Quantität mit Nachrichten unterversorgt zu sein scheinen. Diese Gruppe ist eher an kostenlosen „Soft-News“ aus dem Netz als an klassisch nachrichtenorientierten Angeboten interessiert. Schneider/Eisenegger verweisen auf einen Anstieg zwischen 2009 und 2019 von 21 % auf 36 %. „Dieser Zuwachs ist bedenklich, denn die Intensität und Qualität der Newsnutzung korreliert u.a. mit der politischen Beteiligung und dem Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen. Bleiben in den Social Media die diagnostizierten Nutzungsmuster, in denen News von anderen Nutzungsmotiven weitgehend verdrängt werden, auch zukünftig dominierend, dann ist absehbar, dass die News-Deprivation weiter ansteigen wird“. (Schneider/ Eisenegger 2019, 1) Im Segment der digital affinen jugendlichen Nutzerinnen und Nutzer (zwischen 16 und 29 Jahren) wird mittlerweile sogar die Marke von 56 % erreicht. In ihrer Untersuchung zu unterschiedlichen Typologien von Social Media-Nutzerinnen und -Nutzern kamen die Autoren zu dem Ergebnis, „dass die Einbußen in der Newsversorgung, die durch den Bedeutungsverlust der traditionellen Newsmedien zu verzeichnen sind, bislang nicht durch die entstehenden neuen Muster der

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Newsnutzung über Social Media ausgeglichen werden“. (Schneider/Eisenegger 2019, 1) Zudem gilt es die Gruppe der „News-Avoider“ in den Blick zu nehmen, die laut Studien in westlichen Demokratien zischen 15 und 41 Prozent liegen dürften. (Vgl. Schneider/Eisenegger 2019, 4; vgl. dazu auch Strömbäck/Djerf-Pierre/Shehata 2013) Und international zeigen die Daten des Digital News Reports, dass mittlerweile mehr als 50 % der erwachsenen Nutzerinnen und Nutzer ihre Informationen aus algorithmengetriebenen Quellen beziehen. Insgesamt bergen diese Verschiebungen die Gefahr einer sich fortsetzenden Zunahme gesellschaftlicher Fragmentierungs- und Desintegrationseffekte und ein neues Risikopotenzial für den algorithmischen Strukturwandel der Öffentlichkeit. (vgl. Hagen et al. 2017) Aktuelle Entwicklungen zur Nachrichtennutzung für Österreich lassen sich aus den Daten des Digital News Report ablesen, die ein differenziertes Bild der Nutzungswirklichkeit geben. Der Report für 2019 zeigt, dass rund 10 % der in der Studie befragten Personen mittlerweile Soziale Medien als ihre Hauptnachrichtenquelle nutzen, bei den jüngeren Usergruppen (zwischen 18-24 Jahren) sind das bereits 36 %. Zudem finden generell rund 30 % über Social Media Zugang zu Online-Nachrichten. (vgl. Gadringer et al. 2019, 16) In Bezug auf die Kategorie der News-Avoider gibt es den Hinweis, dass der Anteil derer, die angeben, manchmal aktiv auf News zu verzichten, bei einem Viertel der Befragten liegt (24,2 %). Für etwa 36 % kommt dagegen ein Verzicht auf Nachrichten nicht in Frage. (vgl. Gadringer et al. 2019, 32) In Bezug auf die Fragmentierungsthese interessiert der Befund, dass die Wahrnehmung, sich seitens der Politik nicht mehr vertreten zu fühlen, insbesondere für Personen mit ex­ tremen politischen Einstellungen zutrifft. (vgl. Gadringer et al. 2019, 89) Immerhin rund 66 % der befragten Personen gaben an, dass die Politik ihre Interessen nicht vertreten würde (vgl. Gadringer et al. 2019, 87), eine Zahl, die in Bezug auf den gesellschaftlichen Inklusionsaspekt nicht beruhigen kann. Immerhin zeigt sich, dass Partizipationsformen mit Nachrichten – insbesondere bei jüngeren Nutzerinnen und Nutzern – steigt und gleichzeitig der passive Konsum zurückgeht. (vgl. Gadringer et al. 2019, 16) Blickt man auf Analysen aus Deutschland, zeigt sich auch dort, dass generell das Internet als Quelle für Informationen und Nachrichten gegenüber klassischen Medien wichtiger wird, das klassische lineare Fernsehen allerdings als Quelle für News immer noch deutlich dominiert. Etwa ein Drittel der Befragten kann zu den nachrichtenbezogenen Internetnutzern gezählt werden, bei den jungen Nutzerschichten sind es 50 %. Rund 10 % verwenden Soziale Medien als ihre Hauptnachrichtenquelle. (vgl. Hölig/Hasebrink 2019, 5) Hinsichtlich der Vermeidung von Nachrichten gaben (leicht gestiegen gegenüber 2017) 54 % der befragten

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Personen an, die „zumindest vereinzelt nachrichtliche Informationen in den Medien aus dem Weg gehen“. Der Anteil derer, die dies häufig tun, lag 2019 bei 5 %. (vgl. Hölig/Hasebrink 2019, 12) Grundsätzlich lässt sich – verfolgt man die sich längerfristig abzeichnenden Tendenzen – vermuten, dass im Zeitverlauf das digital basierte Informationsverhalten jedenfalls zunehmen wird. Es wird zu weiteren Verschiebungen hin in digitale Informationsenvironments und dafür typische Nutzungsstile kommen, einerseits vorangetrieben durch neue technische Möglichkeiten und algorithmenbasierte Adressierungsformen, andererseits getragen von neuen Nutzungspraktiken digitaler Technologien, die sich über Kohorten hinweg neu verfestigen und jeweils wieder weiterentwickeln werden. So stellt sich etwa die Frage, inwieweit die Versorgung mit Nachrichten vermehrt passiv über die Zuspielung bestimmter Inhalte zu individuellen Profilen erfolgt und die Nachrichtenauswahl damit nicht mehr aktiv von den Userinnen und Usern selbst vorgenommen wird, sondern vermehrt über digitale Akteure und Technologien erfolgt. Wenn sich derartige Nutzungsstile verfestigen und sich gewissermaßen über Kohorten vererben, wird zu beobachten sein, wie derartige Muster mit dem Interesse an Politik und Formen der Partizipation in Verbindung stehen. Längsschnittstudien für Deutschland (vgl. Emmer et al. 2011) zeigen etwa, dass die Intensität der politischen Beteiligung durch Potenziale der digitalen Vernetzung insgesamt schwach zunimmt. (vgl. Vowe 2014, 37) Deutliche Veränderungen zeigen sich in der Gruppe der jungen, politisch engagierten und digital affinen Menschen. Sie integrieren all ihre Aktivitäten über das Smartphone und zeigen Handlungshabitualisierungen, die sie nicht mehr zu traditionellen Medien wird zurückkehren lassen. „Digital Citizens werden sich mit dem Älterwerden nicht mehr in traditionelle Formen der Kommunikation eingewöhnen, also nicht anfangen, gedruckte Zeitungen zu lesen, oder Parteiversammlungen zu besuchen.“ (Vowe 2014, 41f) Diesem innovativen Segment von (zum Zeitpunkt der Studie) etwa 16 % der Bevölkerung, aus der sich ein neues Elitesegment herausbildet, steht eine große Gruppe einer „schweigenden Mehrheit“ gegenüber, die in dieser Größenordnung über den Studienverlauf zwischen 2002 und 2009 in etwa gleich groß geblieben ist und neben einem höheren Alter über einen niedrigeren Bildungsgrad verfügt. Es handelt sich also dabei etwa um die „Hälfte der deutschen Bevölkerung, (die) um jegliche politische Kommunikation einen weiten Bogen macht“. (vgl. Vowe 2014, 40) Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die Hinweise zur Gruppe der „politischen Zweiflerinnen und Zweifler“, die nach van Einerem/Simon/Riedl (2017) rund 14 % der Bevölkerung (in Deutsch-

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land) ausmacht und die sich durch eine niedrige formale Bildung auszeichnet und überproportional zur Gruppe der Nichtwählerinnen und -wähler zu zählen ist. Typisch für diese Gruppe ist ein hohes Vertrauen in Informationen aus Social Media und ein geringes Vertrauen in klassische Medien. (vgl. van Einerem/Simon/Riedl 2017, 553) Ein Blick auf aktuelle Nutzungsmuster von Nachrichten im Social MediaBereich zeigt zunächst, dass jene Nutzerinnen und Nutzer, die bereits über ein hohes Nachrichteninteresse verfügen, auch auf diesen Plattformen von diesen profitieren. (vgl. Kümpel 2019) Allerdings fallen Userinnen und User, die kein gesteigertes News-Interesse zeigen, auf derartigen Plattformen auch zunehmend in dieser Hinsicht zurück. Damit werden Wissensklüfte gestärkt, ein gewisser Matthäus-Effekt sichtbar (vgl. Kümpel 2019, 203) sowie Abschottungstendenzen weiter prolongiert. Die Autorin resümiert daher auch, „dass sich die Schere zwischen wenig und stark an Nachrichten bzw. niedrig- und hochgebildeten Nutzern durch die Charakteristik der Facebook-Informationsumgebung weiter öffnet“. (Kümpel 2019, 204) Positive Effekte lassen sich erkennen, wenn über glaubwürdige Kontakte Zugänge zu Nachrichten hergestellt werden. Diese Phänomene stützen jedenfalls die These eines sich vergrößernden Digital Divide, denn es schöpfen insbesondere bildungs- und statushöhere Nutzersegmente die Partizipationspotenziale des Internets besser aus, wobei digitale Partizipationsformen eher komplementär zu klassischen Formen politischer Aktivitäten treten und diese nicht ersetzen. Bildungsferne Schichten nutzen, wie wir aus Studien wissen, das Netz generell weniger informations- bzw. politikorientiert. (vgl. Bonfadelli 2016) Diese Hinweise auf Fragmentierungseffekte in bestimmten Sektoren spiegeln auch Ergebnisse aus der klassischen Zuschauerforschung von Hörfunk und Fernsehen wider. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Abrissentwicklungen von Teilen des Publikums, die insbesondere im Bereich der jungen Publikumssegmente zu finden sind, aber auch Teile des Publikums betrifft, die sich aufgrund ihrer Einstellung zu öffentlichrechtlichen Medien anderen Anbietern oder Angeboten ausschließlich im digitalen Umfeld zuwenden. Auch wenn Jandura et al. zeigen, dass es dem öffentlichen-rechtlichen Rundfunk noch am ehesten gelingt, Effekte der politischen Repräsentation zu generieren (vgl. Jandura/Kösters/ Wilms 2018, 122), bergen aktuell zu beobachtende Desintegrationseffekte enorme Herausforderungen, denen vermutlich nur mit neuen Strategien auf unterschiedlichen Ebenen – sowohl auf dem Sektor neuer journalistischer Formate wie auch digitaler Innovationen – zu begegnen sein wird.

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Neue Integrationsleistungen durch digitale Netzwerke? Den oben angesprochenen und in der Literatur vielfach anzutreffenden negativen Einschätzungen über die Entwicklung gesellschaftlicher Kohäsionsprozesse der Kommunikation stehen auch positive Entwürfe und Befunde gegenüber, die insbesondere im Hinblick auf die notwendige Weiterentwicklung digitaler Infrastrukturen für Demokratie und Gesellschaft Perspektiven eröffnen. Auf neue integrative Tendenzen der Digitalisierung im Sinne einer ReIntegration oder auch Neukonfiguration gesellschaftlich fragmentierter Einheiten weisen Passoth/Rammert (2019) hin und zeigen diese beispielhaft an bestimmten Dimensionen auf: „wie etwa zeitlich durch punktuelle Nachrichtenschnipsel, die in immer kürzeren Nachrichtenzyklen gesendet werden, sachlich durch Stichwortthemen und ‚hash tags‘, die zunehmend mit anderen Rubriken vermischt werden, und sozial durch wenig differenzierte und begründete ‚Likes‘ und asymmetrische ‚Dislike‘Möglichkeiten, die sich zu spontan und wechselhaft sich bildenden virtuellen Meinungsgemeinschaften führen.“ (Passoth/Rammert 2019, 156) Ähnlich stellen Adolf/Deicke (2017) fest, dass aus netzwerkbasierten Informations- und Kommunikationsformen, wie sie etwa für Social Network Sites typisch sind, Potenziale der Anschlusskommunikation und Referenzen zirkulieren, die eine Basis für kommunikative Integrationsdynamiken bilden. Sie beziehen sich auf das Konzept der „vernetzten Individualisierung“ und erwarten gerade aus dieser für digitale Netzwerke typischen Sozialisationsdynamik neue integrative Effekte von Sozialität. Aufbauend auf Konzepten einer relationalen Soziologie argumentieren sie, dass die „Netzwerke der digitalen Ära die Gesellschaft mit dem wichtigsten Bindemittel sozialer Kohäsion (…), nämlich Kommunikation“, versorgen. In dieser Funktion würden Social Networks auch dafür sorgen, „die teilweise schwindende Integrationsfunktion der Massenmedien auf(zu)fangen“. (Adolf/Deicke 2017, 44) Zu untersuchen, welche Bindungswirkung und Stabilität Netzwerkprozesse der Kommunikation hervorbringen, die aus nun neuen Formen der digitalen Vernetzung hervorgehen, wird Aufgabe vertiefender, auch empirischer Studien sein müssen. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass sich gesellschaftliche Differenzierung aktuell auch nach neuen Mustern vollzieht, dabei sich auf der einen Seite vermutlich Dynamiken der Fragmentierung weiter verfestigen, sich aber gleichzeitig neue Modi der Vergesellschaftung herausbilden. Wie das Kräfteverhältnis dieser beiden ambivalenten Dynamiken zueinander einzuschätzen ist und wie groß der jeweilige Impact aus den heute hybriden Informa-

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tions- und Kommunikationsenvironments einzuschätzen ist, stellt sich aktuell als eine zentrale Forschungsfrage dar. Jedenfalls wird es für klassische Medien und insbesondere für Anbieter des „Service Public” neue Modelle zu entwickeln gelten, um im Umfeld digitaler Netzwerke die von ihnen auch erwarteten Integrationsleistungen für Demokratie und Gesellschaft erbringen zu können. Im letzten Abschnitt sollen daher dahingehende Perspektiven aufgezeigt werden, mit denen den dargestellten Ambivalenzen wirksam begegnet werden kann. Herausforderungen und Entwicklungshorizonte für Public Service Broadcaster Wenn wir davon ausgehen, dass es im Zusammenhang mit einer sich vertiefenden Digitalisierung zu neuen Formen der Vergesellschaftung kommt, in deren Zusammenhang sowohl Dynamiken der Fragmentierung, aber auch neue Muster der sozialen Vernetzung wirksam werden, gilt es für klassische Medieninstitutionen, wie die Public Service Anbieter, darauf zu reagieren. Wie im Beitrag angesprochen stellt sich vor dem Hintergrund der aktuellen digitalen Disruptionen für Anbieter des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks nicht nur die Problematik, dass es auf der Ebene junger Publikumsschichten zu Abbruchtendenzen kommt, sondern möglicherweise auch jene Publikumssegmente immer schwerer erreicht werden, die als eher bildungsferne Schichten sich zunehmend von klassischen Informationsangeboten abwenden, sich auch gegenüber der Politik generell als Zweiflerinnen und Zweifler kategorisieren lassen und sich auch seitens klassischer Medienanbieter als nicht (mehr) repräsentiert wahrnehmen. Die Nutzertypologie der „News-Deprivierten“ oder auch „News-Avoider“ dürfte sich aus diesen beiden Segmenten speisen und jene Gruppe bilden, die im Spektrum digitaler Netzwerke insbesondere im Feld der Social Media oder anderen Plattformen mit Informationen im weitesten Sinn in Berührung kommen bzw. diese dort zugespielt erhalten. Diese vielfach durch technologische und damit in Verbindung stehende kommunikations-infrastrukturelle Veränderungen induzierten Publikums- und Nutzungsverschiebungen dürften nicht ohne Konsequenzen für Prozesse der politischen Kultur bleiben, sondern generell weitere Fragmentierungseffekte für die Gesellschaft insgesamt mit sich bringen.

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Für klassische Medienanbieter wie den „Service Public“, zu deren Kernauftrag – neben anderen Aufträgen – nicht nur die Erbringung qualitativ hochwertiger und ausgewogener Informationsangebote gehört, sondern deren Programmangebote auch einen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration zu leisten haben, stellen die oben genannten Entwicklungen auf unterschiedlichen Ebenen eine Herausforderung dar bzw. müssen als ein Auftrag der Weiterentwicklung auch innovativer Instrumente und Formate erkannt werden. Zum Abschluss dieses Beitrags werden daher Entwicklungsperspektiven angesprochen, die es für Public Service Broadcaster ernst zu nehmen gilt, wenn sie sich weiter als „Vollversorger“ der Gesellschaft mit öffentlich-rechtlichen Angeboten verstehen wollen. Vor dem Hintergrund der oben angesprochenen Entwicklungen lässt sich auf mindestens drei Ebenen die Notwendigkeit von Weiterentwicklungen und Innovationen festmachen, wobei die angesprochenen Perspektiven in den unterschiedlichen Entwicklungsfeldern zueinander in einem Wechselverhältnis zu begreifen sind. Mit diesen Ebenen ist zum einen das Feld der Medienregulierung angesprochen, als zweites Entwicklungsfeld die Weiterentwicklung von journalistischen Produkten und Angebotsformen und schließlich der große Bereich der technologischen Innovationen im Sinne der Weiterentwicklung digitaler Aktivitäten und neuer Formen der Vernetzung. Im Hinblick auf die Medien- und Kommunikationsregulierung bzw. Media-Governance soll an dieser Stelle nur kurz eingegangen werden, da dieser Aspekt nicht im Zentrum der vorliegenden Fragestellungen steht und in diesem Kontext grundsätzlich als eine Voraussetzung notwendiger Entwicklungen zu sehen ist. Es gilt aber jedenfalls darauf hinzuweisen, dass die sich vor dem Hintergrund der aktuell sich vollziehenden Transformationsdynamiken der Digitalisierung, die etwa neue globale Monopole hervorgebracht hat und mit der Tendenz in Richtung einer sich vertiefenden Datafikation gänzlich neue Entwicklungshorizonte eröffnet, vormals gesetzlich festgehaltene Restriktionen für Public Service Broadcaster als nicht mehr zeitgemäß erweisen. Insbesondere einst aus Wettbewerbsgründen getroffene Beschränkungen wie die 7-Tage-Regelung für die Bereitstellung von Programmen im Online Bereich oder gar die Beschränkung von Content-Angeboten im regionalen Online-Sektor für PSM, um nur zwei konkrete Punkte zu nennen, stellen sich im Kontext der aktuell real wirksamen Marktbedingungen und der tatsächlichen Konkurrenzlage als Restriktionen dar, die es abzubauen gilt. Es sind heute die großen Plattformmonopolisten als jene Marktdominatoren, die für alle klassischen Medien gleichermaßen einen neuen Wettbewerb eröffnet haben und Marktressourcen gleich welcher Art aus den nationalen Märkten abziehen. Innerstaatliche Be-

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schränkungen oder gar eine künstliche Reduzierung der Angebotsvielfalt erscheinen unter den neuen Rahmenbedingungen sowohl unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten, aber auch wettbewerbsorientierten Regulierungsrationalitäten kontraproduktiv. Abgesehen von den zu überwindenden Restriktionen im Bereich der ökonomischen Handlungsspielräume für Public Service Anbieter gilt es insbesondere für die Fragestellungen möglicher Fragmentierungseffekte, aber auch vor dem Hintergrund neuer notwendiger digitaler Innovationen darüber nachzudenken, welche Maßnahmen zunächst auf der Ebene programmlicher Weiterentwicklungen zu setzen wären, um Integrationseffekte auf der Seite der Publikumsbeteiligung bzw. -nachfrage (wieder) zu erzielen. In einem ersten Schritt scheint eine wichtige Stoßrichtung in der bereits gestarteten Initiative zu liegen, Rezeptionsbarrieren auf gestalterischer Ebene abzubauen, also etwa Nachrichten auch auf einem einfachem Komplexitätsgrad anzubieten. Dahingehend werden seitens des ORF bereits entsprechende Nachrichtenformate angeboten, die einer möglichen Überforderung für bestimmte Nutzergruppen, Nachrichten sinnvoll einordnen zu können, begegnen. (vgl. Purcell et al. 2010, Zerba 2011 in Mothes 2017, 77) Dabei gilt es insbesondere sicherzustellen, dass die Verringerung des Komplexitätsniveaus von Newsangeboten nicht mit einer Boulevardisierung einhergeht, da sonst – auch wenn kurzfristig damit die Nachfrage und Zuwendungswahrscheinlichkeit gesteigert werden könnte – mit Abstumpfungseffekten zu rechnen ist. (vgl. Mothes 2017) Ein weiterer Zugang, der als vielversprechend gelten kann, dürfte darüber hinaus in der Auswahl journalistisch aufbereiteter Themen zu finden sein, die sich durch eine große Nähe zu den Lebensrealitäten unterschiedlicher Publikumssegmente auszeichnen. Ungeachtet bereits unternommener Anstrengungen in diese Richtung gilt es weiter darüber nachzudenken, wie es gelingen kann, Angebote für Publikumsschichten zu entwickeln, die sich derzeit nicht mehr in den klassischen Formaten des Rundfunks oder in digitalen Formaten vertreten oder repräsentiert sehen. Jandura/Kösters/Wilms (2018) weisen etwa darauf hin, dass sich die/der Einzelne dann in die Vielfalt der politischen Debatte einordnen kann, wenn sie/er auch ihren/seinen eigenen Standpunkt vertreten findet. Wie in der finalen Fassung des Beitrags noch weiter auszuführen sein wird, gelte es entsprechende Formate zu entwickeln, die v.a. auch crossmedial Anschlusspunkte für die Integration in breitere gesellschaftliche Zusammenhänge offerieren. Auf der

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Ebene der Weiterentwicklung programmlicher Formate sollten unter Bedachtnahme aktuell sich vollziehender digitaler Disruptionen daran gedacht werden, entsprechende journalistische Ansätze weiterzuentwickeln, die sich der Thematisierung bzw. dem Aufzeigen von Fake News, Verschwörungstheorien und Falschinformationen mit entsprechenden Formaten widmen. Gerade in diesem Sektor bedarf es der öffentlichen Auseinandersetzung mit jenen toxischen Diskursen, die für demokratische Öffentlichkeiten eine zunehmende Herausforderung darstellen. Diese Ansätze auf der Ebene journalistischer Programmformate sollten dazu beitragen, Abschottungstendenzen von Publikumssegmenten und daraus entstehenden gesellschaftlichen Fragmentierungstendenzen entgegenzuwirken bzw. aktiv entsprechende Integrationsangebote zu initiieren. Und abschließend gilt es noch den Sektor der Weiterentwicklung digitaler Innovationen und entsprechender Weiterentwicklungen in diesem Bereich anzusprechen, aus dem heraus auch Potenziale im Sinne einer Reintegration bzw. Neukonfiguration von Integrationsleistungen zu erschließen wären. Eine zentrale Voraussetzung für ein sinnvolles Engagement im Online-Bereich stellen – ausgehend vom Modell des Public Network Value (vgl. Steinmaurer/Wenzel 2015) – zunächst Fragen einer breiten Auffindbarkeit unterschiedlicher Angebotsformen (klassische wie auch im Netz) sowie die Verfügbarkeit von Themen im Sinne einer Stärkung der „Findability“ und „Accessability“ von Angeboten im Netz dar. In diesem Zusammenhang gilt es nicht nur neue eigenständige und jeweils themenorientierte Netzwerkangebote zu entwickeln, um die Nutzerinnen und Nutzer erreichen zu können, sondern auch gleichzeitig die Idee zu verfolgen, durch eine Präsenz in den Social Media wie Facebook oder You Tube jene Publikumsschichten (wieder) zu erreichen, die dazu tendieren, sich zunehmend weniger den Angeboten klassischer Medien zuzuwenden. Damit wäre die Möglichkeit gegeben, die Nutzerinnen und Nutzer auch in jenen Netzwerken zu erreichen, wo sie mit unsicheren Informationsqualitäten konfrontiert sind und Ankerpunkte für vertrauensvolle Inhalte erhalten. Weitere mögliche Ansatzpunkte im Hinblick auf die Erzielung von Integrationseffekten könnten im Ansatz liegen, neue Angebotsformen mit dem Ziel einer Synchronisierung von (Teil-)Öffentlichkeiten zu entwickeln. Dazu bedürfte es neuer (Netz)Formate, in denen unterschiedliche Nutzergruppen in einen Dialog geführt werden und insbesondere lebensweltlich sehr nahe am Publikum angesiedelte Angebotsformen zu gemeinsamen Themenhorizonten geschaffen werden. Auch eine Integration partizipativer und bürgerschaftlicher Content-Produktionen

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und Interaktionen mit dem Publikum unmittelbar aus ihren lebensweltlichen Kontexten heraus könnten in diesem Zusammenhang entsprechende Integrationseffekte im Sinne der Erzielung eines „Social Value“ von PSM erzielen. Denkbar ist auf der Ebene der Kooperation und Vernetzung mit externen Partnern weiters ein Zusammenwirken mit anderen qualitätsorientierten Anbietern, in dessen Rahmen gemeinsame Aktivitäten der Aufbereitung gesellschaftlich relevanter Themenwelten vorstellbar wären. Ein in diesem Zusammenhang bereits diskutierter ORF-Player könnte hier für weitere Vernetzungen qualitätsorientierter Angebote einen Basis-Host schaffen. Im Sinne der Stärkung des Public Value in der übernationalen Perspektive könnte an Projekte wie die „Europeana“ als europaübergreifende Zutrittsplattform für Kunst- und Kulturprojekte angeschlossen werden und entsprechende neue technische wie auch inhaltliche Verlinkungen zu Themen der europäischen Politik entwickelt werden und so Vernetzungen eröffnen, die niederschwellig die Sinnhaftigkeit und Relevanz des politischen Projekts eines gemeinsamen Europa vermitteln. Grundsätzlich sind also eine Reihe von Möglichkeiten gegeben, die auf der Ebene technischer Innovationen Möglichkeiten der kommunikativen Integration schaffen können, um politisch inaktive bzw. den klassischen Medien gegenüber überwiegend resistent bis misstrauisch eingestellte Milieu-Gruppen zu inkludieren und sie anschlussfähig für kommunikative Vergesellschaftungsprozesse zu halten. Insgesamt ist es für alle drei genannten Felder jedenfalls zentral, als Zielperspektive aller Maßnahmen das Primat der Demokratie- und Gemeinwohlorientierung anzustreben. Als Leitgedanke sollte dafür auch die Idee der Entwicklung eines Open Public Spaces im Vordergrund stehen, der der gesellschaftlichen Verantwortung des „Service Public“ verpflichtet ist und als solcher auch Möglichkeiten schafft, einerseits aktuell wirksamen Segmentierungsbewegungen etwas entgegenzusetzen und andererseits Anreize für neue themengebundene Vernetzungen schafft. •

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TEXTE, DOKUMENTE UND STUDIEN ZUM ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN QUALITÄTSDISKURS (U.A.):

PUBLIC VALUE STUDIE Die Rolle öffentlich-rechtlicher Medien im Internet

Public Social Value u. a. Univ.-Prof.in Dr.in Sonja Kretzschmar (Universität München) Prof. Graham Murdock (Loughborough University) Univ.Prof. Dr. Jens Lucht, Univ.Prof. Dr. Mark Eisenegger (Universität Zürich)

Victor Mayer-Schönberger (Oxford University)

Die volkswirtschaftlichen Effekte des ORFFernsehens

Der Auftrag: Bildung im digitalen Zeitalter

Matthias Firgo, Oliver Fritz (WIFO), Gerhard Streicher (Joanneum Research)

Unterhaltung als öffentlich-rechtlicher Auftrag Gabriele Siegert, M. Bjorn von Rimscha, Christoph Sommer (Universität Zürich)

Der Auftrag: Demokratie

Public Network Value Thomas Steinmaurer, Corinna Wenzel (Universität Salzburg)

Generation What

u. a. Prof. Dr. Hartmut Rosa, Universität Jena Dr.in Maren Beaufort, ÖAW Univ.-Prof.in Dr.in Katharine Sarikakis, Universität Wien Prof. Dr. Bernhard Pörksen, Universität Tübingen

u. a. von Prof. Dr. Bernd Holznagel (Universität Münster) Univ.-Prof. Dr. Christian Fuchs (University of Westminster) Univ.-Prof. Dr. Stephen Cushion (Cardiff University)

Mag. Daniel Schönherr, SORA

PUBLIC VALUE DOKUMENTE Gesetze und Regulative | Expert/innengespräch Kultur, Religion I Qualitätsprofile Fernsehen/Info | Fernsehen/Wissenschaft-Bildung-Service-Lebenshilfe | Radioprogramme | Fernsehen/Sport | Fernsehen/Unterhaltung

PUBLIC VALUE TEXTE Quelle vertrauenswürdiger Informationen

Public Value

Univ.-Prof. Dr. Dieter Segert, Texte 1

DDr.in Julia Wippersberg, Texte 2

Medien-Unterhaltung als Service Public

Public Value als Wertschöpfungsbegriff?

Univ.-Prof. em. Dr. Louis Bosshart, Texte 12

Univ.-Prof. Mag. DDr. Matthias Karmasin, Texte 6

Das Naserümpfen der Eliten

Channelling diversity

Mag.a Dr.in Karin Pühringer, Texte 11

Die komplexe Welt erklären Dir. Uwe Kammann, Texte 4

Kultur im Fernsehen Univ.-Prof. Dr. Hannes Haas, Texte 10

Nur was wirkt, hat Wert Dir. Prof. Dr. Helmut Scherer, Texte 5

Österreichwert oder mehr Wert Dr. Georg Spitaler, Texte 11

Welche Diversität für welchen Public Value? Mag.a Dr.in Petra Herczeg, Texte 7

Zum Systemrisiko der Demokratie Univ.-Prof. Dr. Kurt Imhof, Texte 3

Univ.-Prof.in Dr.in Gunilla Hultén, Texte 13

Crisis or dismantlement? Univ.-Prof.in Dr.in Isabel Fernández-Alonso und Dr. Marc Espin, Texte 13

Den öffentlichen Rundfunk entfesseln Dr. Vinzenz Wyss, Texte 13

Eurovision and the „new” Europe Univ.-Prof.in Dr.in Karen Fricker, Texte 14

Pluralism and public service media Petros Iosifidis, Texte 13

The four horsemen of the post-broadcast era Univ.-Prof. Dr.Marko Ala-Fossi, Texte 13

We are all Greeks Univ.-Prof.in Dr.in Katharine Sarikakis, Texte 9

Zwischen Auftrag und Kommerzialisierung

Auf dem Weg zum Publikum

Univ.-Prof. Dr. Minas Dimitriou, Texte 11

Dr. Florian Oberhuber, Texte 8

Identität und Medien

Die Zukunft des Fernsehens

Univ.-Prof. Dr. Karl Vocelka, Texte 3

Dr. Alexander Wrabetz, Texte 8

zukunft.ORF.at


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