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Luschtig
Bülent Ceylan ist bekannt für seine wallende Mähne, seinen bodenständigen Dialekt und seine Lust, in unterschiedlichste Rollen zu schlüpfen. Der 47-jährige Mannheimer, der 2019 in der ersten Folge der TV-Show „The Masked Singer“ als stimmgewaltiger weißer Engel brillierte, feiert heuer sein 25jähriges Bühnenjubiläum und präsentiert im November seine aktuelle Show „Luschtobjekt“ ein letztes Mal in Wien und Graz. 2024 feiert sein neues Programm „Yallah hopp!“ Premiere.
Ganz blöd gefragt: Es gibt eine Aufzeichnung von „Luschtobjekt“ in der ARD-Mediathek – warum sollten wir unsere gemütliche Couch verlassen und zu dir in die Live-Show gehen? Weil man die einzigartige Live-Stimmung überhaupt nicht mit einer TV-Aufzeichnung vergleichen kann! Ich improvisiere sehr gern, beziehe mich auf aktuelle Begebenheiten und gehe direkt auf das Publikum im Saal ein. Ich spiele nicht nur stur mein Programm herunter. Damit bringe ich übrigens meine Techniker immer wieder durcheinander, weil ich mich selten an den geplanten Ablauf halte. Und das ist gut so, denn dadurch bleiben wir alle konzentriert. Der Crew wird mit mir nie langweilig – und dem Publikum garantiert auch nicht!
Du hast „Luschtobjekt“ in einer Zeit geschrieben, als die Welt eine ganz andere war: Die Premiere war 2020 wenige Tage vor dem ersten Corona-Lockdown. Ist das Programm heute noch so erfolgreich, weil es unsere Sehnsucht nach der guten, alten Zeit bedient?
„Luschtobjekt“ hat sich natürlich mit der Zeit weiterentwickelt. Ich habe einige Teile upgedated und erzähle zum Beispiel, wie es mir als Comedian in diesen zwei Jahren ergangen ist, als ich nicht auftreten durfte. Dass ich zum Beispiel draufgekommen bin, dass meine Frau Hochdeutsch spricht. Oder wie viele Kinder ich überhaupt habe (lacht) Grundsätzlich ist „Luschtobjekt“ ein Programm, dessen Themen direkt aus meinem Leben stammen. Und es ist gar nicht so anrüchig, wie der Titel vielleicht vermuten lässt – auch, wenn ich mir zum Beispiel die Frage stelle, ob es vegane Kondome geben kann, in denen kein Fleisch steckt ...
In „Luschtobjekt“ schlüpfst du nicht nur in deine klassischen Figuren wie den grantigen Hausmeister Mompfred oder die überdrehte Anneliese, sondern neuerdings auch in den etwas naiven Thor. Ich liebe es, mich in diese Figuren fallen zu lassen! Sie erlauben es mir, verschiedenste gesellschaftliche Probleme auf ganz unterschiedliche Art zu beleuchten und anzusprechen. Und es ist immer wieder eine Herausforderung, mich in diese Charaktere hineinzuversetzen – die natürlich gar nicht so dumm sind, wie sie auf den ersten Blick vielleicht wirken. Ich kann über diese Figuren das Publikum zum Lachen bringen und gleichzeitig viele wichtige Botschaften vermitteln.
Du bist als Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters in Mannheim zur Welt gekommen und aufgewachsen – und engagierst dich pointiert gegen Fremdenhass und Rassismus. Wie gehst du mit Stimmen um, die sagen: „Wenn’s ihm hier nicht passt, dann soll er doch zurück in die Türkei“? Solche Sachen höre ich immer wieder. Aber es sind ja nicht nur Nazis, Foto: die mich beschimpfen. Als ich vor ein paar Jahren meine Meinung zum türkischen Präsidenten Erdogan geäußert habe, sind einige meiner türkischen Landsleute noch viel lauter auf die Barrikaden gestiegen.
Hast du manchmal Angst? Schau, ich bin nur ein Comedian. „Nur“ unter Anführungszeichen. Auf der Bühne spreche ich Themen an, die mir wichtig sind – manchmal ganz ohne Pointe. Denn wir haben wirklich ernsthafte Probleme – nicht nur den Krieg vor unserer Haustür. Vor allem die Klimakatastrophe, deren Auswirkungen wir längst merken, sollte uns rasch zu einem weltweiten Umdenken bringen. Unsere Kinder werden uns sonst zur Verantwortung ziehen: „Warum habt ihr damals nichts gesagt? Warum habt ihr damals nichts getan?“
Du bist ja selbst Vater von vier Kindern – die du in deinen Programmen zwar immer wieder erwähnst, aber ansonsten wie auch deine Ehefrau ganz bewusst aus der Öffentlichkeit heraushältst. Ich liebe Kinder, ohne Kinder geht gar nichts. Ich habe seit 2017 meine eigene Stiftung, mit der ich versuche, Kinder, denen es finanziell nicht so gut geht, zu fördern und zu unterstützen. Ich finde aber, dass sich der Staat noch viel stärker einbringen müsste. Wenn ich lese, dass der Deutschen Bundeswehr 100 Milliarden zur Verfügung gestellt werden sollen, dann sage ich: Okay, aber steckt auch 100 Milliarden in Kinderprojekte! n Bülent Ceylan gastiert mit „Luschtobjekt” am 4. November in der Wiener Stadthalle F, am 5. November in der Helmut List Halle.
Du zählst zu den erfolgreichsten Comedians im deutschsprachigen Raum und feierst heuer dein 25-jähriges Bühnenjubiläum. Wenn du in der Zeit zurückreisen könntest: Wie würde der damals 22-jährige Bülent reagieren, wenn du ihm erzählst, wie sich sein Leben entwickelt hat? Er würde in Ohnmacht fallen. Mein Traum war damals, eines Tages Kleinkunstbühnen mit 120, vielleicht 150 oder im Optimalfall sogar 200 Plätzen auszuverkaufen. Jetzt spiele ich in den größten Hallen des Landes – und sogar im Ausland! Für mich ist es eine riesige Ehre, in Österreich auftreten zu dürfen.
Ursprünglich wolltest du aber Sänger in einer Metalband werden. Dieser Traum scheint sich jetzt auch zu erfüllen. Richtig! Ich durfte 2019 bei „Masked Singer“ mitmachen. Das war der absolute Wahnsinn! Vor kurzem habe ich einen Plattenvertrag unterschrieben und gehe jetzt mit großartigen Musikern von Bands wie Unheilig und Selig ins Studio. Wir nehmen Songs mit Botschaft und einem gewissen Augenzwinkern auf – aber keinen Klamauk! Wenn alles klappt, werde ich kommendes Jahr nicht nur als Kabarettist, sondern tatsächlich als Sänger einer Metalband auf der Bühne stehen.