Handelszeitung Special Standort Ostschweiz

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| 5. Juni 2014

Special

Premiere für die ProOst Die neue Veranstaltung öffnet 300 Hochschulabsolventen die Türen zu 30 Arbeitgebern. Seite 54

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Standort Ostschweiz Ein überregionaler Wirtschaftsdoyen Treffen mit Erich Walser, Verwaltungsratspräsident der Helvetia-Gruppe in St. Gallen und von Huber +Suhner in Herisau AR. SEITE 53

Ein Plädoyer für den Standort St. Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter erklärt, warum in der Region die Wirtschaft floriert. SEITE 55

Chefs verraten ihre Hidden Champions Köpfe hinter bekannten Ostschweizer Firmen wie Bühler, Goba, Metrohm, Model oder Wicor sagen, welche KMU imponieren. AB SEITE 56

14 Ostschweizer Milliardenbetriebe Landkarte mit Zahlen und Fakten zur St. Gallen Bodensee Area, zum Beispiel die grössten Arbeitgeber vor Ort. SEITEN 58/59

Von der Fabrik ins Management Wer bei der seit kurzem kotierten SFS Holding Karriere macht, hat wahrscheinlich zuerst eine Lehre absolviert. SEITE 62 St. Gallen Bodensee Area: Die Kantonswappen von Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St. Gallen und Thurgau stehen für den drittgrössten Wirtschaftsraum der Schweiz.

VERANTWORTLICH FÜR DIESEN SPECIAL: NORMAN C. BANDI

FOTO-PORTFOLIO

Wirtschaftsförderung Die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St. Gallen und Thurgau buhlen zusammen um weltweit tätige Unternehmen – jetzt werben sie neu um Hochschulabsolventen. NORMAN C. BANDI

Der Mangel an studierten einheimischen Fachkräften akzentuiert sich im drittgrössten Wirtschaftsraum des Landes, der St. Gallen Bodensee Area. Unter dieser Dachmarke betreiben die vier Kantone Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St. Gallen und Thurgau seit zweieinhalb Jahren gemeinsam internationale Standortpromotion und Ansiedlungsunterstützung, um weltweit tätige Unternehmen in die Ostschweiz zu locken oder in der Region zu halten. Im «war for talents» nehmen sich die Wirtschaftsförderer nun der (Rück)gewinnung von Hochschulabsolventen an. Erst-

mals veranstaltet die St. Gallen Bodensee Area am 15. August 2014 die ProOst, die im Congress Center Einstein in St. Gallen 300 Young Professionals mit 30 Top-Arbeitgebern aus der Ostschweiz zusammenbringen soll (siehe Seite 54). Doch was macht die Region für hiesige Hochschulabsolventen zum attraktiven Arbeits- und Lebensraum? «Auf relativ kleinem Raum finden sich in der St. Gallen Bodensee Area interessante Firmen, von Start-ups und Nischenplayern über sogenannte Hidden Champions, also relativ unbekannte KMU, die in ihrem Markt jedoch Marktführer sind, bis hin zu globalen Grosskonzernen», antwortet Beat Ulrich, Leiter Hauptabteilung Standortförderung

im Amt für Wirtschaft und Arbeit des Volkswirtschaftsdepartements des Kantons St. Gallen, stellvertretend für die 14 Delegierten der St. Gallen Bodensee Area, die gegen aussen offiziell mit einer Stimme auftreten (siehe Seite 59). Nebst der beruflichen Vielfalt biete die Region landschaftlich viel Abwechslung und so eine Vielfalt von Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung; beispielsweise am Vormittag Wandern im Alpstein, Mittagessen in den Gassen von St. Gallen, am Nachmittag Schwimmen im Bodensee. «Und das alles erreichbar mit dem Velo.» Nicht zuletzt sind laut der St. Gallen Bodensee Area die Lebenshaltungskosten signifikant tiefer als in anderen Regionen des

Landes. Die Work-Life-Balance werde hier tatsächlich grossgeschrieben. Und was wird unternommen, damit in der Ostschweiz geborene Talente nach ihren Lehr- und Wanderjahren im In- und Ausland nach Hause zurückkehren? Beat Ulrich erklärt im Namen seiner Kollegen: «Mit einer aktiven Positionierung des Ostschweizer Arbeitsmarktes zeigt die St. Gallen Bodensee Area die Möglichkeiten und die Vielfalt in der Region auf. Weiter wird mit Veranstaltungen wie der ProOst auf die dynamischen Unternehmenskulturen, die hohe Lebensqualität, hervorragende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, modernes Stadtleben und ländliche Idylle in der Ostschweiz aufmerksam gemacht.»

Fotos: Diverse Quellen

ZVG

Talente zurückgewinnen

Die Bilder zeigen Patrons, die die Wirtschaft in der St. Gallen Bodensee Area mit ihren Konzernen oder KMU prägen. Im Bild unten Pierin Vincenz, Chef der Raiffeisen Schweiz.

Impressum Redaktion und Verlag, Axel Springer Schweiz, Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich



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ZVG

HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Erich Walser (67): Verwaltungsratspräsident, Helvetia-Gruppe, St. Gallen; Verwaltungsratspräsident, Huber+Suhner, Herisau AR; Verwaltungsratsmitglied, Metrohm, Herisau AR; Geburtsort: Heiden AR; Heimatort: Wald AR; Wohnort: Rehetobel AR; Arbeitsort: St. Gallen; Familie: Verheiratet, zwei Kinder; Ausbildung: Lic. oec. HSG, lic. iur. Universität Bern.

«Appenzeller lassen sich nicht ins Bockshorn jagen» Erich Walser Der Verwaltungsratspräsident der Helvetia-Gruppe und von Huber+Suhner über die Wirtschaftsleistung seiner Ostschweizer Heimat im nationalen und internationalen Kontext. INTERVIEW: MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

Sie sind ein waschechter Vorzeige-Appenzeller und leben im kleinen Ausserrhoder, verzeihen Sie, «Kaff» Rehetobel. Trotzdem gehören Sie zu den wichtigen Wirtschaftsführern der Ostschweiz. Erich Walser: Das ist kein Widerspruch, vielmehr ein Privileg. In der Heimat zu wohnen und gleichzeitig interessante Aufgaben in international tätigen Unternehmen wahrzunehmen. Was will man mehr? In der Ostschweiz fühle ich mich wohl, hier habe ich meine Wurzeln und hier kann ich auch immer wieder Kräfte für meine Arbeit sammeln. Sie haben die Helvetia jahrelang gemanagt, zeitweise in Personalunion als Konzernchef und Verwaltungsratspräsident, was Ihnen Kritik eintrug, obwohl niemand etwas Ungereimtes entdecken konnte und Sie sich bei der Suche nach einem Nachfolger als CEO Zeit liessen. Ach, wissen Sie, Appenzeller lassen sich nicht so rasch ins Bockshorn jagen. Spass beiseite: Es war uns klar, dass das keine langfristige Lösung sein kann. Die Kritik war wirklich sehr moderat. Das hat wohl auch damit zu tun, dass die Helvetia als erfolgreiche mittelgrosse Gesellschaft in der Ostschweiz nicht die gleiche mediale Aufmerksamkeit hat, wie sie ein Grossunternehmen in Zürich geniesst. Hat das mehr mit dem Standort oder mit der Grösse zu tun? Die Ostschweizer Wirtschaftslandschaft ist voll von KMU, die weltweit präsent sind und Produkte anbieten, die ihresgleichen suchen. Aber wir hängen das nicht gerne an die grosse Glocke, obwohl es hier viele Unternehmen gibt, die schon sehr lange erfolgreich sind. Die Helvetia wurde 1858 von ostschweizerischen Pionieren gegründet. Die Raiffeisen Schweiz geht ebenfalls auf eine Ostschweizer Initiative zurück. Jedenfalls gibt es sehr viele Wirtschaftsführer, die damals wie heute an diesen Standort glauben. Weshalb? Ganz einfach: In dieser Region gibt es arbeitsethische Tugenden, die schon immer geschätzt wurden und heute zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Zum Beispiel? In unserer Wirtschaftsregion lassen sich beispielsweise Arbeitnehmer nicht so rasch krankschreiben – und das ist kaum eine Frage des Klimas. Das wird Ihnen jede Krankenkasse bestätigen. Aber gibt es noch andere Vorteile? Ja. Bei uns – ich spreche von der Helvetia – ist die Fluktuationsrate sehr klein. Das gilt auch für viele andere Unternehmen in der Region. Daraus darf man schliessen, dass die Menschen sich in ostschweizerischen Betrieben gut aufgehoben fühlen. Jetzt kann man Ihnen entgegenhalten: Die Ostschweizer sind halt weniger mobil. Sie sind durchaus mobil, aber wissen Vor- und Nachteile eines Arbeitsplatzwechsels gut abzuwägen und lassen sich nicht so rasch durch kurzatmige Analysen oder Lockrufe mit unrealistischen Versprechungen verunsichern. Sie können in Ihrer Position ja sehr wohl mit der Helvetia und Huber+Suhner vergleichen. Beide Unternehmen, deren Verwaltungsratspräsident Sie sind, stehen gut in der Wirtschaftslandschaft da. Auch Metrohm, wo sie dem Verwaltungsrat

angehören, zählt zu den begehrten Arbeitgebern. Das könnte dazu beitragen, dass sich Arbeitnehmer keine Gedanken über ihre Zukunft machen müssen. Wenn die erwähnten Unternehmen sich solche Tugenden zu Herzen nehmen und internalisieren, geht es nicht nur unserer Wirtschaftslandschaft, sondern auch der ganzen Schweiz gut. Die Botschaft ist angekommen. Haben Sie denn gar nichts zu bemängeln? Doch: Es herrscht hierzulande eine Haltung vor, die davon geprägt ist, dass Bescheidenheit eine Zier sei. Das finde ich auch richtig. Aber manchmal dürften wir Ostschweizer angesichts der grossen Leistungen auf vielen Gebieten – ich denke jetzt etwa an die technischen, textilen und kulinarischen Errungenschaften – schon etwas selbstbewusster auftreten. Das sagt einer, der am liebsten im Hintergrund bleibt und heilfroh ist, wenn er nicht ins mediale Scheinwerferlicht gerät. Jetzt haben Sie mich auf dem linken Fuss erwischt, aber nach meiner Überzeugung sollen eben nicht die Personen, sondern die erfolgreichen Unternehmen im Fokus stehen.

Was auffällt: Wir haben viele erfolgreiche Unternehmer in der Region, aber sie engagieren sich kaum mehr in der Politik. Auch Peter Spuhler hat ihr den Rücken gekehrt. Sie könnten sehr viel ausrichten. Es gibt viele Möglichkeiten, der «res publica» etwas zurückzugeben. Für ein Unter-

«Manchmal dürften wir Ostschweizer angesichts der grossen Leistungen schon selbstbewusster auftreten.» nehmen einzustehen und es erfolgreich zu führen, ist eine davon. Und die Ansprüche an die Unternehmensführung sind hoch, da gilt es den Einsatz der eigenen Kräfte abzuwägen. Was sagen Sie zur oft geäusserten vorwurfsvollen Feststellung, die Schweiz höre östlich von Winterthur auf? Das wird wohl eine rein zürcherische Perspektive sein. Wenn der Anziehungsgrad von Zürich ab Winterthur nachlässt, bildet die Ostschweiz mit ihren angrenzenden europäischen Nachbarn einen eigenständigeren Wirtschaftsraum. Und

DIE UNTERNEHMEN

Drei Schwergewichte der Ostschweizer Wirtschaft Helvetia Der Konzern mit Sitz in St. Gallen ist in über 150 Jahren aus verschiedenen in- und ausländischen Versicherungsunternehmen zu einer europaweit tätigen Assekuranzgesellschaft herangewachsen. Heute verfügt die Helvetia über Niederlassungen in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Spanien, Italien und Frankreich und organisiert Teile ihrer Investment- und Finanzierungsaktivitäten über Tochter- und Fondsgesellschaften in Luxemburg und Jersey. Die Gruppe ist im Leben-, Schaden- und Rückversicherungsgeschäft aktiv und erbringt mit rund 5200 Mitarbeitenden Dienstleistungen für mehr als 2,7 Millionen Kunden. 2013 resultierte mit einem Umsatz von 7,5 Milliarden Franken ein Gewinn von 363,8 Millionen Franken.

Huber+Suhner Die beiden traditionsreichen Familienunternehmen R.+E. Huber und Suhner & Co. fusionierten 1969. Die neue Huber+Suhner hat ihren Sitz seither in Herisau AR. Der weltweit tätige Konzern entwickelt und produziert Komponenten und Systemlösungen zur elektrischen sowie optischen Übertragung von Daten und Energie. Mit Kabeln, Verbindern, Systemen und Antennen aus den Technologiesparten Hochfrequenz, Fiberoptik und Niederfrequenz bedienen rund 3500 Mitarbeitende Kunden in den Märkten Kommunikation, Transport und Industrie. 2013 konnte Huber+Suhner den Umsatz um 3,1 Prozent auf 719,7 Millionen Franken steigern. Der Gewinn erhöhte sich um 51,9 Prozent auf 32,5 Millionen Franken.

Metrohm Das 1943 gegründete Unternehmen mit Sitz in Herisau AR ist ein global führender Hersteller von Präzisionsgeräten für die chemische Analytik. Im Bereich der elektrochemischen Ionenanalytik ist Metrohm nach eigenen Angaben seit Jahren Weltmarktführer. «Doch wir bieten weit mehr als Geräte. In unseren Labors entwickeln wir massgeschneiderte Applikationen, die unseren Kunden helfen, die Qualität ihrer Produkte zu sichern, Vorschriften zu erfüllen und Prozesse zu optimieren», heisst es auf der Website. Die Gruppe mit den Tochtergesellschaften Applikon Analytical und Metrohm Autolab beschäftigt über 1600 Mitarbeitende in 100 Kompetenzzentren. Der jährliche Umsatz liegt bei 350 Millionen Franken.

ich bin gar kein Freund des Jammerns: Die Ostschweizer Politik muss sich halt immer wieder neu Gehör verschaffen in Bern – oftmals in Konkurrenz mit anderen Regionen. Es gibt ja immer wieder Erfolge zu verzeichnen, wie die Verlegung des Bundesverwaltungsgerichts nach St. Gallen gezeigt hat. Die Wirtschaft muss sich ohnehin beständig mit anderen messen. Wir tun das in der Ostschweiz mit Erfolg. Sie halten offenbar gar nicht so viel von regionaler Differenzierung. Ich bin überzeugt, dass Unternehmen, die erfolgreich sein wollen, sich genauso gut behaupten müssen, ob sie in Herisau oder Solothurn sitzen. Doch ich weiss natürlich, dass die Geografie und die Geschichte sehr wohl Bestimmungsfaktoren für eine regionale Wirtschaft sind. Im Idealfall können wir aus diesen Kraft schöpfen und sie für unsere Tätigkeiten nutzen. Das müssen Sie verdeutlichen. Die Ostschweiz ist in der wirtschaftlichen Entwicklung sehr stark von der Textilindustrie geprägt worden, was sich zu gewissen Zeiten als hinderlich für andere Industrien erwiesen hat. Für die Helvetia als ursprüngliche Transportversicherungsgesellschaft der Textilindustrie war diese zu Beginn natürlich ein Treiber zur Internationalisierung. Oder etwa zum Thema Geografie: Die Ostschweiz hat mit Süddeutschland, Vorarlberg und Liechtenstein wirtschaftlich extrem starke ausländische Nachbarregionen. Das ist befruchtend. Doch könnten wir in der Ostschweiz noch mehr aus diesem Potenzial schöpfen. Warum erfolgt dies nicht? St. Gallen ist eine tolle Stadt, aber verglichen mit den beiden Referenzregionen, die ich im Auge habe, nämlich Basel und Genf, ist sie doch nicht der alles überragende, grosse wirtschaftliche Magnet, auch für die ausländischen Regionen. Die Attraktivität der Ostschweiz besteht ja gerade darin, dass sich hier – über die Landesgrenzen hinweg betrachtet – zusammen mit St. Gallen eine Vielzahl mittelgrosser Zentren befinden, die sich gegenseitig wirtschaftlich und kulturell positiv beeinflussen.


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Firmen suchen Nachwuchs

«Haben hohen Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften»

ProOst Hochschulabsolventen können sich am 15. August 2014 über ihre Karrierechancen bei 30 globalen Top-Arbeitgebern in der Ostschweiz informieren. NORMAN C. BANDI

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SRF/OSCAR ALESSIO

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iele Ostschweizer Absolventen von Fachhochschulen (siehe Seite 57) und Universitäten (siehe Seite 55) suchen ihren ersten Arbeitgeber in den grossen Zentren des Landes oder im Ausland. Nach ihren Lehr- und Wanderjahren werden jedoch Themen wie berufliche Rückkehr, Familie und Kinder, eigenes Wohnobjekt oder WorkLife-Balance wichtiger. Genau an diesem Übergang setzt die neue Hochschulabsolventen-Veranstaltung ProOst an. Sie wird von der St. Galler Together AG organisiert – unter anderem Veranstalter der Absolventenmessen in Bern und Basel oder Master-Messe in Zürich – und von den vier Partnerkantonen Appenzell Ausserrhoden (AR), Appenzell Innerrhoden (AI), St. Gallen (SG) und Thurgau (TG) getragen. Gemeinsam treten sie für die Wirtschafts- und Standortförderung unter dem Dach St. Gallen Bodensee Area (siehe Seite 59) auf. Die ProOst-Premiere findet am Freitag, 15. August 2014, statt. Am Vormittag ist die Reihe an Unternehmensbesichtigungen bei acht Top-Arbeitgebern aus der Ostschweiz, am Nachmittag gibt es Informationsstände und Firmenpräsentationen inklusive Rahmenprogramm im Congress Center Einstein in St. Gallen. Hier präsentieren sich 30 Anbieter von B wie Bühler über H wie Helvetia oder M wie Migros bis W wie Würth. Hauptsponsor ist Metrohm, Co-Sponsoren sind Huber+Suhner, Raiff-

Lukas Studer (37): Der Sportreporter und TV-Moderator beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) in Zürich ist Exil-Thurgauer und führt am 15. August 2014 durch die Premiere der Hochschulabsolventen-Veranstaltung ProOst in St. Gallen.

eisen Schweiz und SFS. Den Abend kann man im Rahmen von St. Gallerfest 2014 in der Altstadt gemeinsam ausklingen lassen. Der Fassanstich ist um 19.00 Uhr.

Nicht nur arbeiten, sondern auch leben Der ganztägige Anlass soll 300 Young Professionals aller Studienrichtungen eine Übersicht über ihre Karrierechancen und die Stellenangebote bei multinationalen und regionalen Unternehmen in der St. Gallen Bodensee Area geben. Gleichzeitig soll er die hohe Lebensqualität im drittgrössten Wirtschaftsraum der Schweiz mit einem Einzugsgebiet von rund 2 Millionen Menschen aufzeigen. Kurzum: Die Teilnehmer erfahren gegen einen Unkostenbeitrag von 50 Franken, wo es sich arbeiten und wohnen lässt. Angesprochen

werden gemäss den Organisatoren der Together AG Hochschulabsolventen im Alter von 30 bis 40 Jahren, die • in der Ostschweiz wohnen, aber für die Arbeit wegpendeln, • in einer anderen Region wohnen, aber für die Arbeit herpendeln, • ausserhalb wohnen und arbeiten, aber in der Ostschweiz gross wurden, • ausserhalb wohnen und arbeiten, aber in der Ostschweiz studiert haben. Durch den Tag führt der Exilthurgauer Lukas Studer, TV-Moderator beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) in Zürich. Er ist in Scherzingen TG aufgewachsen undhatdiePädagogischeMaturitätsschule in Kreuzlingen TG besucht. www.proost.ch

Leica Geosystems ist eines von rund 30 Unternehmen aus den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St. Gallen und Thurgau, das sich an der Premiere von ProOst aktiv präsentiert. Aus welchen Gründen engagieren Sie sich? André Schwarz: Wir sind einer der grössten Arbeitgeber der Region. Als technisch innovatives Unternehmen haben wir einen hohen Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften und Mitarbeitenden mit Hochschulausbildung, die sich auf dem aktuellen Stand der Technik befinden. Die neue Veranstaltung ProOst bietet uns die Möglichkeit, unser Unternehmen und das attraktive Arbeitsumfeld, das wir unseren Mitarbeitenden bieten, qualifizierten Hochschulabsolventinnen und -absolventen vorzustellen. Leica Geosystems ist zudem eine von acht Arbeitgeberinnen, die man am 15. August 2014 «live» erleben kann. Was erwartet die Teilnehmer bei der Unternehmensbesichtigung? Sie können einen spannenden Einblick gewinnen, wie ein Ostschweizer Unternehmen seit rund 200 Jahren dazu beiträgt, die Zukunft unserer Erde zu gestalten. Wir sind stolz darauf, dass wir in unserer Marke Tradition und Hightech vereinen und dass unsere Produkte und Lösungen – oft weltweit einzigartige Innovationen – dazu beitragen, dass wir einer der Marktführer im Bereich Geodatenlösungen sind. Welchen Stellenwert haben Hochschulabsolventinnen und -absolventen aus der Ostschweiz für Sie als global tätiger Entwickler und Produzent von Vermessungsinstrumenten?

André Schwarz Vice President Human Resources, Leica Geosystems, Heerbrugg SG

Der grösste Teil unserer Produkte wird an unserem Standort in Heerbrugg im St. Galler Rheintal entwickelt. Hochschulabsolventinnen und -absolventen aus der Ostschweiz haben daher einen hohen Stellenwert für uns. Trotzdem können wir unseren Bedarf an Fachkräften nicht nur lokal decken – zusätzlich brauchen wir auch international erfahrene Mitarbeitende mit ganz spezifischem Know-how. An Ostschweizern mit einem Abschluss in welchen Studienrichtungen sind Sie weshalb interessiert? Wir suchen insbesondere Ingenieurinnen und Ingenieure der Fachrichtungen Vermessung, Software, Geodäsie, Elektronik und Mechanik. Stichwort Work-Life-Balance: Warum ist die Ostschweiz ein guter Ort, um nicht nur zu arbeiten, sondern auch zu leben? Hier in der Ostschweiz dürfen wir wirklich sagen, dass wir dort leben und arbeiten, wo andere ihre Ferien verbringen. Die Region bietet enorm hohe Wohn- und Lebensqualität – eine wichtige Grundlage für die Work-Life-Balance. INTERVIEW: NORMAN C. BANDI


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St. Galler Eliteschule HSG Die Universität St. Gallen hilft sowohl lokalen als auch externen Studierenden, in der Region einen Job zu finden.

KEYSTONE

NORMAN C. BANDI

Karin Keller-Sutter (50): Ständerätin des Kantons St. Gallen (FDP), Bern; Geburtsort: Niederuzwil SG; Heimatort: Jonschwil SG und Kirchberg SG; Wohnort: Wil SG; Arbeitsort: Diverse Schweizer Städte; Familie: Verheiratet; Ausbildung: Dolmetscherschule Zürich.

Im Herzen Europas Karin Keller-Sutter Die St. Galler Ständerätin über den bodenständigen Charakter der Ostschweizer und die Affinität zu ihren Produkten und Menschen. MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

S

ie gilt als eine der am besten vernetzten Frauen in der Schweiz und ihre Wortgewandtheit ist beeindruckend. Als ehemalige Konferenzdolmetscherin gehört die St. Galler Ständerätin Karin KellerSutter nicht zu den Politikern, die über Sprachbarrieren stolpern. Überhaupt stolpert sie über nix. Weder über aggressive Politiker, die ihr nur zu gerne ein Bein stellen würden, noch über Menschen, die ihr den Erfolg neiden. Die ehemalige Regierungsrätin gilt als erfahrene und trittsichere Parlamentarierin. Als sie ins «Stöckli» gewählt wurde, waren manche in Sorge: Sie ist in Wil SG aufgewachsen, wo sie heute noch lebt, hat den Kontakt zu sämtlichen Bevölkerungsschichten gepflegt – vor allem lagen ihr die KMU am Herzen, stammt sie doch selbst aus diesem Milieu.

Die ostschweizerische Seele Aber die Befürchtungen, dass KellerSutter in Bundesbern ihre heimatlichen Wurzeln verliert, bewiesen sich als unbegründet. Selbst als der Blick in ihren Terminkalender immer schlimmer wurde, setzte sie alles daran, auch an Veranstaltungen teilzunehmen, wo Ostschweizer aus allen politischen Lagern ihre Sorgen deponieren konnten. Besonders überraschte die FDP-Ständerätin mit einem Projekt, das sie mit ihrem SP-Kollegen Paul Rechsteiner lancierte. Gemeinsam erkämpften sie die Integration der Rheintallinie zwischen Chur und St. Gallen in den Fernverkehr. «Das Alpenrheintal gehört zu den zehn attraktivsten Wirtschaftsregionen Europas – denken wir nur an SFS, Stadler Rail oder andere exportorientierte Unternehmen.» Karin Keller-Sutter wird nicht müde, zu erwähnen, dass dem Rest des Landes zu wenig bewusst ist, wie sehr die Ostschweiz seit der EU-Ost-Erweiterung mitten im Herzen Europas liegt und von den Vorteilen des Dreiländerecks am Bodensee massiv profitieren konnte. Gerade deshalb will sie für weitere Verkehrsoptimierungen kämpfen. Im Vordergrund stehe nach dem Bahnausbau die Engpassbeseitigung auf der Autobahn A1 in St. Gallen, die sowohl für die Ost-West-Achse als auch für die gesamte Ostschweiz von Bedeutung sei. Also alles eitel Sonnenschein, wenn es um die Zukunft der Wirtschaftslandschaft dieser Region geht? «Natürlich nicht», sagt Keller-Sutter. Die Ostschweiz habe zwar eine vielseitige Wirtschaftsstruktur mit einer starken Industrie. Der Dienstleistungssektor sei jedoch noch ausbaufähig. Die starken KMU im Kanton St. Gallen und in der Ostschweiz generell trügen dazu bei, dass die Ostschweiz weniger stark auf Konjunkturschwankungen reagierte. «Wir

konnten uns auch während der Finanzund Wirtschaftskrise gut behaupten.» Problematisch sei indes nach wie vor der starke Franken und der Fachkräftemangel. Dafür lobt Keller-Sutter den bodenständigen Charakter der Ostschweizer. Vielleicht sei es gerade diese Affinität zu Produkten, die man selber herstelle und deren Werdegang man noch verfolgen könne, der die hiesigen Arbeitnehmenden auszeichne. Auch die immer wieder gerügte Verschlossenheit der Ostschweizer, die man als Aussenstehender nicht einfach im Sturm erobert, lässt sie nicht gelten. Der legendäre St. Galler FDP-Ständerat Ernst Rüesch, der nie zögerte, auf alle Seiten «Bless und Schimmel auszuteilen» – für alle Nicht-Ostschweizer «die

«Das Alpenrheintal gehört zu den zehn attraktivsten Wirtschaftsregionen.» Karin Keller-Sutter Ständerätin, Kanton St. Gallen, Bern

Kappe zu waschen» – habe, auf dieses Thema angesprochen, einmal gesagt: «Die Ostschweizer sind wie eine Flasche Ketchup, man muss lange schütteln, bis etwas kommt, dann aber schüttet der St. Galler seine Seele aus.»

Tugenden anstatt Tamtam Auf ihren Auftritten muss Karin KellerSutter die Leute nicht wie eine KetchupFlasche schütteln. Meistens fliegen ihr die Herzen zu. Dazu mag beitragen, was ein Appenzeller Bauer mal an einer Landsgemeinde sagte, den wir beim obligaten Kauf des «Landsgemeindechroms» trafen. Das ist ein Gebäck, das man der Familie nach dem grossen Ritual heimbringt. «Choge hübsch isch sie scho ond gschid escht no.» An Komplimente ist sich die St. Galler Politikerin gewöhnt, aber überbewerten möchte sie das nicht. «Mir sind die Tugenden der Arbeitnehmenden in der Region wichtiger. Das Klima in den Verwaltungen ist lösungsorientiert. Die Unternehmen schätzen ihre Mitarbeitenden. Und was mir besonders gefällt: Probleme werden hier einfach pragmatisch und nicht mit grossem Tamtam und vom hohen Ross aus angegangen.» Was bestimmt auch erkläre, dass es nicht jeden, der hier ausgebildetwerde,wodasBerufsbildungssystem einen sehr hohen Stellenwert habe, gleich ins goldene Dreieck ziehe. Bei der Universität St. Gallen (HSG) sowie der Fachhochschule Ostschweiz (FHO) sieht es laut jüngsten Umfragen allerdings etwas anders aus. Wobei wir sie dazu nicht befragen wollten, schliesslich ist sie Vizepräsidentin der Stiftung für Internationale Studien an der HSG.

Die Universität St. Gallen (HSG) wurde 1898 als Handelsakademie gegründet und ist heute eine universitäre Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen. An ihr studieren derzeit 7666 Talente: 3932 auf Bachelor-Stufe, 2986 auf MasterStufe, 725 in Doktoratsprogrammen und 23 in Zertifikatsprogrammen. Daneben gibt es jährlich über 5000 Teilnehmende an Weiterbildungsangeboten der HSG, zahlreiche davon aus der Ostschweiz. Der Anteil sämtlicher 5060 Schweizer Studierenden aus den vier Kantonen der St. Gallen Bodensee Area beträgt gemäss der Universität St. Gallen zurzeit: • Appenzell Ausserrhoden 2,47 Prozent, • Appenzell Innerrhoden 0,71 Prozent, • St. Gallen 17,31 Prozent, • Thurgau 6,72 Prozent.

Augenmerk auf Ostschweizer Betriebe Der prozentuale Studierendenanteil aus diesen vier Kantonen sei recht stabil, so Marius Hasenböhler, Leiter Kommunikation der Universität St. Gallen. Die HSG und ihre Institute unternehmen ihm zufolge einiges, damit ihre loka-

len Hochschulabsolventen in der Heimat- schweiz-Rückkehrer nach St. Gallen, sonregion den Berufseinstieg machen. «Unser dern auch Arbeitnehmende aus aller Career Services Center, kurz CSC-HSG, Welt», sagt der Leiter Kommunikation. richtet ein spezielles Augenmerk auf OstUnd durch die zahlreichen Weiterbilschweizer Firmen, nicht nur bezüglich dungsangebote an der HSG kämen viele Einstiegsstellen, sondern auch betreffend Menschen in die Ostschweiz, nicht wenige Praktika und Aushilfsjobs für Studie- davon blieben. «Ebenso ist das Chapter rende», sagt Hasenböhler. Die HSG ist Mit- St. Gallen innerhalb des HSG-Alumniglied bei der Wirtschaft Region St. Gallen Netzwerks sehr aktiv. Es bietet viele wert(WISG), bei der Industrie- und Handels- volle Kontakte für Rückkehrwillige.» kammer St. Gallen-Appenzell (IHK) und Für die HSG als die Universität der Ostin der St. Gallen Bodensee Area (SGBA), schweiz sei die regionale Verankerung um die universitäre Hochein sehr wichtiges Anliegen. schule mit der regionalen «Daher haben wir uns sponVon den 7666 Wirtschaft zu vernetzen. tan bereit erklärt, ProOst zu Studierenden «Über das Center for Entreunterstützen. Viele Studiepreneurship fördert die rende kommen aus der Restammt ein Universität St. Gallen zudem gion und viele Absolventen Fünftel aus AI, Absolventen, die Start-ups bleiben auch hier und steugründen – nicht wenige davon AR, SG und TG. ern damit zum ‹brain gain› in der Region St. Gallen. Mit bei.» Veranstaltungen wie dem gleichen Ziel engagiert sich die HSG ProOst unterstützten die weitere Positioauch im Verein Startfeld», ergänzt Hasen- nierung der Region als Wissensplatz mit böhler. Darüber hinaus habe die HSG ihren zahlreichen Angeboten und Anbieetwa beim Projekt «IT St. Gallen rockt» tern in der Bildungsbranche. mitgemacht (www.itrockt.ch) und sei über «Zudem profitiert die HSG von solchen viele Praxisprojekte von Studierenden und Bemühungen als Arbeitgeber und kann Instituten mit zahlreichen Unternehmen als führender Weiterbildungspartner den in der Region vernetzt. Anlass selber bereichern», ergänzt HasenAbsolventen, die nach ihren externen böhler. «Im Weiteren sind solche InitiatiLehr- und Wanderjahren zurückkehren ven wichtig, weil die Ostschweiz vor allem wollen, unterstützt die HSG ebenfalls. ein sehr starkes KMU-Netz hat und es für «Die Universität St. Gallen gehört selber Rückkehrwillige nicht ganz einfach ist, zu zu den zehn grössten Arbeitgebern in der erfahren, wo es geeignete Stellen gibt.» Region und bietet zahlreiche attraktive KMU hätten nicht die gleichen Ressourcen Arbeitsplätze in Lehre, Forschung und fürs Personalmarketing wie Konzerne. Da Verwaltung. So gelangen nicht nur Ost- seien Beziehungen hilfreich.

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«CEO, bin i da?» Gabriela Manser Die Besitzerin von Goba über ihr Appenzell Innerrhoden und Ostschweizer «Eigenbrötler» mit Visionen.

Leitsprüchen. Die Zahlen geben ihr Recht: Mehr als 16 Millionen Flaschen Mineralwasser pro Jahr mit einem «special touch», mittlerweile ein Umsatz im tiefen zweistelligen Millionenbereich und eine ständige Aufstockung der Belegschaft.

MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

G

Hier gibt man sich bescheiden Gabriela Manser hat Frauengeschichte geschrieben, ohne dies zu wollen. Und erst noch in einem Halbkanton, in dem das Wahl- und Stimmrecht für ihre Geschlechtsgenossinnen zu den allerhärtesten Pflastern gehörte – erst am 27. November 1990 eingeführt – und die GenderDiskussion ein Fremdwort ist. «CEO, bin i da?», fragte sie in einem ihrer ersten Interviews in reinstem Appenzeller Dialekt. Die ehemalige Kindergärtnerin und Schulleiterin wurde mit dem begehrten «Prix Veuve Clicquot» ausgezeichnet. Aber wer mit ihr spricht, spürt keinen Hauch von Hybris. In anderen Worten: Sie könnte damit prahlen und sich abfeiern lassen. Sie hat diese Auszeichnung bekommen. Damit basta. Wahrscheinlich wäre sie ohne solche Preise genau die Gleiche geblieben – einfach eine waschechte Appenzellerin, die sich vorgenommen hat, ihren Weg zu gehen. Manser verkörpert eine Ostschweizer Tugend, welche sich durch die gesamte Wirtschaftslandschaft dieser Region zieht. Hier gibt man sich bescheiden. Das gilt nicht nur für sie, sondern auch für die vielen florierenden KMU, allen voran in der Textilindustrie. Dazu nur ein paar wenige ANZEIGE

PAOLO DUTTO

abriela Manser, Hauptaktionärin der Goba (Mineralquelle Gontenbad), ist seit rund 15 Jahren Chefin eines der kleinsten und erfolgreichsten Mineralwasser- und Getränkeproduzenten des Landes. Aus einem unscheinbaren Innerrhoder KMU hat sie ein strahlendes Kleinod geschaffen und gehört mittlerweile zu den Vorzeigefrauen der Schweizer Wirtschaft – mit Ideenreichtum und grossem, ostschweizerisch herbem Charme. Strohblondes kurzes Haar, schwarzumrandete In-Brille, witzig und energisch, aber unbestechlich: Manser wirkt auf Anhieb irgendwie ein bisschen aufmüpfig. Versteht sich von selbst, dass sie ohne Marketing- und Kommunikationsagentur auskommt. Sie ist PR in Reinkultur – einfach anschauen und zuhören.

Gabriela Manser (52): CEO und Verwaltungsratspräsidentin, Goba (vormals Mineralquelle Gontenbad), Gontenbad AI; Mitarbeitende: 43; Geburtsort: Appenzell AI; Heimatort: Appenzell AI; Wohnort: Trogen AR; Arbeitsort: Gontenbad AI; Familie: Partnerschaft mit Thomas Luminati; Ausbildung: Kindergärtnerin und Schulleiterin, Managementseminar HSG.

Beispiele: Forster Rohner. Das Unternehmen ist auf jedem Catwalk der Welt präsent, sogar die Frau des US-amerikanischen Präsidenten setzt auf dieses Haus. Oder Albert Kriemler, einziger Star-Designer der Schweiz, der mit seinen Kreationen nie auf internationalen Laufstegen

fehlt. Oder Bischoff Textil. Die Firma ist für die Damen der «haute volée» ein Begriff, wenn es um verführerische Dessous geht. Was hat Gabriela Manser in dritter Generation anders gemacht als ihre Vorfahren, die halt bloss Mineralwasser aus dem Gontenbad verkauften – für Nicht-

Ostschweizer: Das ist einen Katzensprung von Appenzell entfernt. Im hohen Takt kommen Innovationen auf den Markt, etwa «Iisfee», «Flauder» oder «Goba Cola». Manser tritt mit ihrem «Chalte Kafi» jetzt neu in den Energiedrink-Markt ein. «Das Undenkbare denken», gehört zu ihren

Ostschweizer Hidden Champions Wie lauten ihre ganz persönlichen Vorlieben für den Erfolg ostschweizerischer Unternehmertugenden, die mit typischen Beispielen – bewusst nicht aus der eigenen Branche – belegt werden sollen? Auch hier überrascht Manser. Während viele aus Gründen der Befürchtung, wenn sie Hidden Champions erwähnen sollen, Angst vor bösen Reaktionen von Übergangenen haben, sprudeln Namen nur so heraus, wie das «laute» Mineralwasser, das sie anbietet. Im Sortiment gibt es ebenfalls noch «leise» und «still». Manser kennt offenbar keinen Neid auf Erfolgreiche. Alle zu erwähnen, die sie bewundert, sprengte den Rahmen. Appenzeller Bier, Appenzeller Käse, Appenzeller Alpenbitter und Appenzeller Biberli. Aber eigenwillig, wie sie ist, nennt sie jemanden, den unsereiner überhaupt nicht kennt, weil er in einer Nische tätig ist: Hans-Dieter Reckhaus, ein erfolgreicher deutscher Unternehmer, der sich in seiner appenzellischen Wahlheimat zusammen mit seiner Familie wohlfühlt. Er hat die Bedeutung der Insekten für die Menschheit entdeckt. «Das ist mein Favorit», sagt Manser. Und erwähnt, was den meisten eine Plage ist – Fliegen, Wespen und alle Viecher, die man normalerweise lieber nicht im Haus hat. Reckhaus ist auch nicht gerade erpicht darauf, auf Asseln zu treffen, wenn er aufsteht. Seine Firma stellt nämlich Insektizidprodukte her. Gerade deshalb hat er das Label Insect Respect entwickelt, ein Gütezeichen für mehr Nachhaltigkeit mit Insekten. Damit schafft er einen Ausgleich und hilft, dass Menschen erkennen, dass grausliche Viecher eben nicht nur schädlich, sondern ebenso arterhaltend sind und helfen, dass Blüten bestäubt werden und das ökologische Gleichgewicht bewahrt bleibt. Das ist so speziell an Gabriela Manser. Sie wagt sich in Bereiche vor, die gar nicht appenzellisch sind, und hat trotzdem Erfolg – mit ihren immer wieder neuen Getränkeversionen, aber auch mit ihrem Einstehen für «Ägene», also «Eigenbrötler», so nennt man dort Menschen, die halt nicht der Norm entsprechen. Und dieser Halbkanton ist voll davon.


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HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Treibende Praxiskraft FHO Die Fachhochschule der Ostschweiz trägt als grösste regionale Bildungsinstitution zur Nachwuchsförderung bei.

RENÉ RUIS

NORMAN C. BANDI

Daniel Model (54): CEO und Verwaltungsratspräsident, Model-Gruppe, Weinfelden TG; Mitarbeitende: 3158; Geburtsort: Winterthur; Heimatort: Winterthur; Wohnort: Vaduz FL; Arbeitsort: Weinfelden TG; Familie: Verheiratet, drei Kinder; Ausbildung: Dr. oec. HSG.

Im Rausch von Möhl Daniel Model Der Patron der Model-Gruppe über gute Verpackung, andere wirtschaftliche Talente aus dem Thurgau und den von ihm gegründeten Nicht-Staat. MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

D

ieses transnational tätige Thurgauer Unternehmen behauptet sich mit der industriellen Herstellung von Verpackungslösungen aus Voll- und Wellkarton in einem harten globalen Wettbewerb und hält trotzdem am einheimischen Hauptstandort in Weinfelden TG fest. Wie schafft das die Model-Gruppe eigentlich? Ein Blick auf die jüngsten Zahlen zeigt: Die Wellkartonproduktion in Tonnen ist im vergangenen Jahr angestiegen, die Zahl der Arbeitsplätze ebenfalls. Das gilt ebenfalls für den Umsatz, der sich der Marke von 700 Millionen Franken im Jahr nähert. Aber Daniel Model, Konzernchef und Verwaltungsratspräsident – bekannt als äusserst kritischer Zeitgenosse –, relativiert sofort: «Das sind konsolidierte Zahlen.» Will heissen, dass auch ausländische Niederlassungen dazu beitragen, in denen die Produktionskosten günstiger sind und die Märkte wachsen. Aber für ihn ist eine Verlagerung des Zentrums, wo das Unternehmen wurzelt, trotzdem kein Thema.

«Der Staat soll zum Nutzen seiner Bürger arbeiten wie eine Firma für ihre Kunden.» Daniel Model CEO und VRP, Model, Weinfelden TG

Im Gespräch macht der dynamisch wirkende Unternehmer sofort deutlich, dass das Wachstum nicht in erster Linie auf dem schweizerischen Markt generiert wurde. Dieser ist ein zunehmend härteres Pflaster. Die Branche ist in jüngster Zeit ziemlich durchgeschüttelt worden – durch Übernahmen, Fusionen und Konkurse. Wer sich behaupten will, muss einen langen Schnauf haben. Den hat Model offenbar, wenngleich durchschimmert, dass seine Geduld nicht unendlich ist.

Ostschweizer Hidden Champions Das hat vor allem mit Models Staatsverständnis zu tun. Er kämpft gegen den grassierenden Etatismus in der Schweiz und hat daher einen eigenen Nicht-Staat gegründet. Das Angstmachen vor grossen und kleinen Katastrophen habe bei den Schweizerinnen und Schweizern dazu geführt, dass immer mehr Freiheit gegen Sicherheit eingetauscht wird. Ein Blick in die Anreizstruktur des Wohlfahrtsstaates zeigt: Belohnt wird das Unerwünschte wie Krankheit, Armut und Arbeitslosigkeit. Da ökonomische Anreize wirken, wächst das Unerwünschte auch über den Import, sodass eine Masseneinwanderungsinitiative viele Befürworter findet.»

Trotz solchen Vorkommnissen gehört Daniel Model nach wie vor zu den vielen Vollblutunternehmern, die mit dem Standort Ostschweiz rechnen, weil die Loyalität seiner Mitarbeitenden und die Produktivität hoch sind. Aber er rühmt ebenso kleinere Unternehmen aus seiner Region – eben Hidden Champions, die er bewundert. Zum Beispiel die erfolgreiche Mosterei Möhl in Arbon TG mit ihrem Renner Shorley. Das Unternehmen wurde vor 120 Jahren gegründet und blüht immer noch. In der KMU-Landschaft keine Selbstverständlichkeit. Die heutigen Inhaber Ernst und Markus Möhl haben ihr erstes Geld mit dem Auflesen von Fallobst verdient. Pro Kilo gab es 2 Rappen. Solche Betriebe sind ganz nach dem Gusto von Model. Das gilt auch für die Firma Rausch in Kreuzlingen TG. Sie hat als eine der ersten erkannt, wie wichtig den Menschen ihre Haarpracht ist. Ein Blick auf das üppige Angebot verschiedener Anbieter gegen schüttere Stellen auf dem Kopf genügt. Dass Inhaber Marco Baumann sogar den Vatikan beliefert, wo silbergraue üppige Mähnen bei den Päpsten in sind, ist längst kein Geheimnis mehr.

Ein Rebell gegen zu viel Staat Aber das sind nicht eigentlich Themen, die Daniel Model umtreiben. Er liebt einfach KMU, die sich als Familienunternehmen behaupten. Und was er noch mehr liebt, sind vertiefte Diskussionen über die Rolle des Staates in der Gesellschaft. «Er soll zum Nutzen seiner Bürger arbeiten wie eine Firma für ihre Kunden. Ein Staat darf seine Kunden nicht schikanieren oder frustrieren, sonst wenden sie sich von ihm ab. In der Schweiz geht der Staatsmonopolist immer noch davon aus, er könnte seine Bürger wie Untertanen behandeln.» Ein mittelalterliches Relikt, so der Model-Patron. Und dann prangert er an, was international renommierte Professoren wie Silvio Borner schon vor Jahrzehnten zur Weissglut brachte – den ganzen Umverteilungsmechanismus: «Reichen wird durch progressive Steuersätze Geld abgeschöpft, aber davon profitierten die wirklich Armen nicht.» Das verdriesst den sozial Sensibilisierten am meisten. Daher erstaunt nicht, dass das Buch «Markt oder Befehl» von Roland Baader zu Models bevorzugten Lektüre gehört. Für ihn ist der Staat letztlich eine Belastung, weil er lügt und mit den eingenommenen Mitteln verschwenderisch umgeht. Das wird in den kommenden Jahren noch viele Politiker linker und rechter Couleur beschäftigen. Aber vorerst steht fest: Daniel Model, ein erfolgreicher Unternehmer und Staatsrebell, setzt auf die Ostschweiz und ihre nicht minder erfolgreichen KMU.

An der 1999 gegründeten Fachhochschule Ostschweiz (FHO) studieren derzeit 4530 Talente auf Bachelor- und Master-Stufe in den fünf Fachrichtungen Architektur, Bau und Planung, Technik und Informatik, Wirtschaft und Tourismus, Soziale Arbeit sowie Gesundheit – dies verteilt über die vier Teilschulen St. Gallen Hochschule für Angewandte Wissenschaften (FHS), Hochschule für Technik Rapperswil (HSR), Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur (HTW) und Interstaatliche Hochschule für Technik Buchs (NTB). Der Anteil sämtlicher Studierender aus den vier Kantonen der St.Gallen Bodensee Area beträgt gemäss der FHO zurzeit: • Appenzell Ausserrhoden 5,2 Prozent, • Appenzell Innerrhoden 1,5 Prozent, • St. Gallen 49,5 Prozent, • Thurgau 13,4 Prozent.

Berufsnetzwerk während des Studiums «Der prozentuale Studierendenanteil aus diesen vier Kantonen ist in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben, die Schwankungen befinden sich im Minimalbereich», erklärt Albin Reichlin, Direktor der Fachhochschule Ostschweiz.

Die FHO und ihre Teilschulen arbeiten hinaus bieten alle Teilschulen eine gezielte ihm zufolge eng mit der ansässigen Wirt- Unterstützung des Jungunternehmertums, schaft, Industrie und Verwaltung sowie etwa via den Verein Startfeld (FHS) oder den regionalen Sozial- und Gesundheits- direkt zur Entrepreneurship (HTW). institutionen zusammen, um dazu beizuAbsolventen, die nach ihren externen tragen, dass ihre Hochschulabsolventen Lehr- und Wanderjahren zurückkehren in der Heimatregion den Berufseinstieg wollen, unterstützt die FHO ebenfalls. machen. «Die praxisorientierte Ausbil- «Die Teilschulen verfügen über starke dung fördert erste Kontakte mit den Un- Alumni-Organisationen, die den Kontakt ternehmen aus der Region und macht den zur FHO erhalten und stärken sollen. Das Wert des Studiums am ArNetzwerk, das zu Studienbeitsplatz und in den Betriezeiten entstanden ist, soll Von den 4530 ben deutlich», sagt Reichlin. auch im Erwerbsleben BeStudierenden Im Rahmen von Praxisstand haben, genutzt und projekten und Studienarbeiweiter ausgebaut werden», stammen zwei ten wie Semesterarbeiten, sagt Reichlin. Die KontaktDrittel aus AI, Studienprojekte, Bachelorgestaltung und die Bindung AR, SG und TG. und Master-Arbeiten hätten liefen über Informationsdie Studierenden Gelegenplattformen (Websites), Anheit, Lösungen zu aktuellen Entwicklungs- lässe (Networking-Tag der FHS), Events projekten aus den Firmen zu erarbeiten. (Betriebsbesichtigungen, Podiumsveran«So können sie sich bereits während des staltungen, Freizeitaktivitäten), DienstStudiums wertvolle Netzwerke erarbeiten, leistungsangebote oder Mentoringprodie nicht selten zu einer Anstellung im gramme, die die Anbindung an die FHO Unternehmen führen», ergänzt Reichlin und den Kontakt zur Region förderten. Für die Vermittlung von Arbeitsplätzen «Auch im Rahmen von Forschungsfür Studierende respektive Absolventen und Praxisprojekten besteht eine enge haben die vier Teilschulen gemäss ihrem Zusammenarbeit mit den Alumni. EheDirektor feste Angebote etabliert, zum malige vergeben nicht selten ForschungsBeispiel Stellenbörsen (NTB, HSR), Kon- aufträge an die Fachhochschule, Alumi taktgespräche (FHS) oder Jobplattformen werden als Experten für Projekte und An(FHS, HTW). Die Career Centers der FHS lässe angefragt.» Dennoch mahnt Reichund der HTW bieten zudem Mentoring- lin: «Trotz vielfältiger Angebote muss sich programme und Dienste zur Laufbahn- die Ostschweiz noch stärker als attraktiver planung für Studierende, die den Berufs- Standort positionieren. Die Fachhocheinstieg, die Vernetzung mit der Praxis schule Ostschweiz trägt dazu als grösste und das Berufswissen steigern. Darüber Bildungsinstitution der Region bei.»

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58 | Standort Ostschweiz

HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Fakten und Zahlen zur St. Gallen Bodensee Area Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz 585,1 Mrd. Fr. (Total 2011)

BO

DE

NS

St. Gallen Bodensee Area 49,1 Mrd. Fr. (Anteil 8,39%)

EE

129191 Erwerbstätige Frauenfeld

St.Gallen

Thurgau (TG) Hauptort Fläche Einwohner (2012) Bevölkerungsdichte Anteil am BIP der Schweiz (2011) Unternehmen (2011) Arbeitsstätten (2011) Beschäftigte (2011) Arbeitslosenquote (April 2014) Einkommenssteuer (bis 100 000 Fr.) Einkommenssteuer (bis 200 000 Fr.) Link zum Amt für Wirtschaft

Herisau

Frauenfeld 991 km2 254 528 256,8 pro km2 2,41% 14 893 20 149 129 191 2,6% 13,89% 21,85% www.awa.tg.ch

Appenzell 8433

25485

Die 20 umsatzstärksten Unternehmen mit Hauptsitz im Kanton (2013, in Millionen Franken) Firma Hauptsitz Umsatz Stadler Rail Bussnang 2300,00 AFG Holding Arbon 1300,00 HRS Real Estate Frauenfeld 1050,00 Zur Rose Steckborn 910,60 Lidl Schweiz Weinfelden *755,00 Model-Gruppe Weinfelden 689,00 Eugster/Frismag Amriswil *659,00 Walter Reist Holding Ermatingen *550,00 Bischofszell Nahrungsmittel (Migros) Bischofszell 523,00 Looser Holding Arbon 490,10 Baumer Electric Frauenfeld 400,00 Griesser Holding Aadorf 300,00 Thurgauer Kantonalbank Weinfelden **292,00 Schweizer Zucker Frauenfeld 271,00 Bernina International Steckborn *235,00 Amcor Flexibles Kreuzlingen 202,00 General Dynamics (vormals Mowag) Kreuzlingen 200,00 EKT Holding Arbon 181,20 Lang Energie Kreuzlingen *180,00 Regionalbahn Thurbo Kreuzlingen 165,80

Hauptort Fläche Einwohner (2012) Bevölkerungsdichte Anteil am BIP der Schweiz (2011) Unternehmen (2011) Arbeitsstätten (2011) Beschäftigte (2011) Arbeitslosenquote (April 2014) Einkommenssteuer (bis 100 000 Fr.) Einkommenssteuer (bis 200 000 Fr.) Link zum Amt für Wirtschaft

EE

*BETRIEBSERTRAG

*UMSATZ 2012; **BETRIEBSERTRAG

St. Gallen (SG) Hauptort Fläche Einwohner (2012) Bevölkerungsdichte Anteil am BIP der Schweiz (2011) Unternehmen (2011) Arbeitsstätten (2011) Beschäftigte (2011) Arbeitslosenquote (April 2014) Einkommenssteuer (bis 100 000 Fr.) Einkommenssteuer (bis 200 000 Fr.) Link zum Amt für Wirtschaft

St. Gallen 2026 km2 487 060 240,4 pro km2 5,4% 28 079 37 269 284 078 2,3% 14,52% 23,42% www.awa.sg.ch

Die 20 umsatzstärksten Unternehmen mit Hauptsitz im Kanton (2013, in Millionen Franken) Firma Hauptsitz Umsatz Holcim Jona 19 719,00 Helvetia-Gruppe St. Gallen 7476,80 Raiffeisen Schweiz St. Gallen **2790,73 Migros Ostschweiz (Migros) Gossau 2377,30 Bühler Group Uzwil 2322,00 Geberit Jona 2291,60 Aldi Suisse Schwarzenbach *1765,00 SFS Holding Heerbrugg 1330,60 Debrunner Koenig St. Gallen 1096,00 Spar Schweiz St. Gallen 1062,00 Dipl. Ing. Fust (Coop) Oberbüren 858,00 Energy Financing Team St. Gallen 839,00 Kantonsspital St. Gallen St. Gallen 755,70 Leica Geosystems Heerbrugg 700,00 Ernst Sutter (Fenaco) St. Gallen 585,00 M&M Militzer & Münch St. Gallen *570,00 Wicor-Gruppe Rapperswil 563,00 St. Galler Kantonalbank St. Gallen **488,78 LV-St. Gallen (Landi) St. Gallen 458,00 Starrag Group Rorschacherberg 390,70 *UMSATZ 2012; **BETRIEBSERTRAG

QUELLE STATISTIKEN: ST. GALLEN BODENSEE AREA, BUNDESAMT FÜR STATISTIK (BFS) QUELLE UMSÄTZE: BISNODE D&B SCHWEIZ AG (WWW.BISNODE.CH), UNTERNEHMEN RECHERCHE: NORMAN C. BANDI – HINWEIS: KEIN ANSPRUCH AUF VOLLSTÄNDIGKEIT

Appenzell 173 km2 15 789 91,3 pro km2 0,14% 1424 1862 8433 1,2% 14,99% 23,11% www.ai.ch/standort

Die 10 umsatzstärksten Unternehmen mit Hauptsitz im Kanton (2013, in Millionen Franken) Firma Hauptsitz Umsatz Simex Trading Appenzell 85,00 Rail-Kontor Appenzell 60,00 Fondel Metals Appenzell 40,00 Appenzeller Kantonalbank Appenzell *37,87 GMC Software Appenzell 24,97 Tropenfrucht Appenzell 23,70 Hof Weissbad Weissbad 20,26 Goldener Damenmode Appenzell 20,00 Litex Appenzell 20,00 KUK Electronic Appenzell 18,70

284078 WA L E N S

Appenzell Innerrhoden (AI)

Appenzell Ausserrhoden (AR) Hauptort Fläche Einwohner (2012) Bevölkerungsdichte Anteil am BIP der Schweiz (2011) Unternehmen (2011) Arbeitsstätten (2011) Beschäftigte (2011) Arbeitslosenquote (April 2014) Einkommenssteuer (bis 100 000 Fr.) Einkommenssteuer (bis 200 000 Fr.) Link zum Amt für Wirtschaft

Herisau 243 km2 53 660 220,8 pro km2 0,45% 3678 5023 25 485 1,7% 12,62% 19,62% www.ar.ch/wirtschaft

Die 10 umsatzstärksten Unternehmen mit Hauptsitz im Kanton (2013, in Millionen Franken) Firma Hauptsitz Umsatz MIR Trade Herisau 1000,00 Huber+Suhner Herisau 719,70 MedWork Rehetobel 650,00 Metrohm Herisau 350,00 Just Walzenhausen 169,85 Akris Speicher 120,00 Contiplus Niederteufen *99,71 Topig Herisau 60,00 Cilander Herisau 45,00 Appenzeller Bahnen Herisau 42,12 *EURO UMGERECHNET


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LADINA BISCHOF

Standort Ostschweiz | 59

HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Karin Jung (37): Leiterin, Amt für Wirtschaft, Kanton Appenzell Ausserrhoden, Herisau AR.

Markus Walt (43): Leiter, Amt für Wirtschaft, Kanton Appenzell Innerrhoden, Appenzell AI.

Marcel Räpple (46): Leiter, Wirtschaftsförderung, Kanton Thurgau, Frauenfeld TG.

Peter Kuratli (44): Leiter, Amt für Wirtschaft und Arbeit, Kanton St. Gallen, St. Gallen.

«Der ostschweizerischen Wirtschaft fehlen Fach- und Führungskräfte. Längerfristig unbesetzte Stellen kosten uns Wachstum und schwächen unsere Unternehmen und damit auch unsere Region. Mit der Veranstaltung ProOst positionieren wir die Ostschweiz als interessanten Arbeits- und Lebensort.»

«Wohnen und arbeiten, wo andere Ferien machen. Die Ostschweiz bietet höchste Lebensqualität und Top-Unternehmen. Die Ostschweiz ist besonders attraktiv für Fach- und Führungskräfte, die Familie, Beruf und Freizeit unter einen Hut bringen wollen.»

«Erfolgreiche sowie entwicklungsfähige Unternehmen sind auf engagierte und leistungsfähige Mitarbeitende angewiesen. Diese wiederum suchen ein optimales berufliches und persönliches Umfeld. Die Ostschweiz bietet dafür ideale Voraussetzungen für beide Seiten – mit der neuen Veranstaltung ProOst bringen wir sie zusammen.»

«Wir sind überzeugt von der Attraktivität des Arbeitsmarktes und der Lebensqualität in unserem Wirtschaftsraum. Mit unseren Unternehmen wollen wir dies überregional und auch international stärker positionieren und uns damit als zukunftsgerichteter Standort etablieren. So können wir eine hochwertige Entwicklung sichern.»

Drittgrösster Wirtschaftsraum

St. Gallen Bodensee Area Die beiden Appenzell, St. Gallen und Thurgau betreiben ihre Standortpromotion unter einem gemeinsamen Dach. NORMAN C. BANDI

D

ie vier Ostschweizer Kantone spannen nicht erst für die Premiere ihrer Hochschulabsolventen-Veranstaltung ProOst Mitte August 2014 zusammen (siehe Seite 54). Seit Oktober 2011 haben Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St. Gallen und Thurgau einen offiziellen Auftritt als St. Gallen Bodensee Area (SGBA). Diese betreibt gemeinsam die in- und ausländische Standortpromotion und Ansied-

lungsunterstützung für den drittgrössten Wirtschaftsraum im Land mit einem Einzugsgebiet von rund 2 Millionen Menschen. Die SGBA liegt im Viereck München–Stuttgart–Zürich–Mailand, nur 30 bis 60 Minuten vom Flughafen Zürich entfernt. Sie ist mit ihrem Cost-Income-Verhältnis nach eigenen Angaben einer der attraktivsten Wirtschaftsräume in Europa. Die SGBA positioniert ihre Region in ausgewählten Märkten und Clustern und akquiriert globale Konzerne und KMU. «In den vergangenen Jahren haben wir zahlreiche international tätige Unternehmen

aus verschiedenen Ländern bei ihren Investitionen in der St. Gallen Bodensee Area unterstützt und damit einen wichtigen Beitrag zur dynamischen Entwicklung geleistet», sagen die verantwortlichen Standortförderer unisono. Vier Kantone – eine Stimme Gegen aussen treten die 14 Delegierten aus den vier Partnerkantonen mit einer Stimme auf, um nicht eines der involvierten Wirtschaftsämter oder deren Amtschefs zu bevorzugen. Auf die Frage, wie sich die SGBA im nationalen Wettbewerb

gegenüber der Konkurrenz abhebt, antworten sie: «Mit unterdurchschnittlichen Unternehmenssteuern und einem klaren Kostenvorteil im nationalen Vergleich positioniert sich die St. Gallen Bodensee Area als kosteneffizientester Wirtschaftsstandort der Schweiz mit dem Motto ‹more for less›. Als Region der Hidden Champions steht die SGBA – notabene der dichteste Industriestandort der Schweiz – für führende Unternehmen insbesondere im Bereich Precision und Hightech.» Und im internationalen Kontext? Dazu die Delegierten: «Die St. Gallen Bodensee

Area als Teil der Schweiz ist der wettbewerbsfähigste Wirtschaftsstandort der Welt. Innovationskraft und Technologie, ein liberales Wirtschaftssystem, politische Stabilität und die enge Verflechtung mit ausländischen Märkten, ein exzellentes Bildungs- und Gesundheitssystem, eine hervorragende Infrastruktur und eine hohe Lebensqualität sowie ein kompetitives Steuersystem sind gute Gründe, um sich als Unternehmen in der Schweiz und in der SGBA niederzulassen.» www.sgba.ch

Grosse Arbeitgeber in der Ostschweiz nach Personalbeständen Auswahl international ausgerichteter Unternehmen in der St. Gallen Bodensee Area (in Arbeitsplätzen, nicht Vollzeitstellen) Arbeitgeber Kantone Standorte (kursiv = Hauptsitz) Mitarbeitende Bühler Group SG Uzwil SG >2500 SFS Holding SG Heerbrugg SG >2500 Stadler Rail SG/TG Bussnang TG, Altenrhein SG >2500 AFG Holding SG/TG Arbon TG, Roggwil TG, St. Gallen, Steinach SG >1500 Eugster/Frismag SG/TG Amriswil TG, Romanshorn TG, Eschenbach SG >1000 Geberit SG Jona SG >1000 SG Heerbrugg SG >900 Leica Geosystems 1 Huber+Suhner AR Herisau AR >800 Jansen SG Oberriet SG >800 SG Wil SG >800 Stihl 2 Model-Gruppe SG/TG Weinfelden TG, Au SG >700 Sefar AR/SG Thal SG, Heiden AR >600 Avocis TG Tägerwilen TG >500 Baumer Electric TG Frauenfeld TG >500 Sia Abrasives TG Frauenfeld TG >500 Wicor-Gruppe SG Rapperswil SG, Bad Ragaz SG >500 5 Autoneum 3 SG Sevelen SG >400 Pago SG Grabs SG >400 Metrohm AR Herisau AR >330 KUK Electronic AI Appenzell AI >170 AI Oberegg AI >140 ThyssenKrupp Presta 4

Auswahl lokaler Unternehmen und Organisationen in der St. Gallen Bodensee Area (in Arbeitsplätzen, nicht Vollzeitstellen) Arbeitgeber Kantone Standorte (kursiv = Hauptsitz) Mitarbeitende Kantone (Verwaltung) AI/AR/SG/TG alle Hauptorte, weitere Ortschaften >10 000 Kantonsspital St. Gallen SG St. Gallen, Rorschach SG, Flawil SG >5000 Migros (Zürich) AI/AR/SG/TG Gossau SG (Zentrale), rund 50 Orte >5000 Coop (Basel) AI/AR/SG/TG Gossau SG (Zentrale), rund 40 Orte >4000 >3500 5 Spital Thurgau TG Frauenfeld TG, Münsterlingen TG Post AI/AR/SG/TG rund 350 Poststellen und -agenturen >3000 Fachhochschule Ostschweiz FHO SG St. Gallen, Rapperswil SG, Buchs SG >2500 Stadt St. Gallen SG St. Gallen >2500 Universität St. Gallen HSG SG St. Gallen >2500 Raiffeisen Schweiz AI/AR/SG/TG St. Gallen, rund 40 Niederlassungen >2000 SBB (Bern) SG/TG alle Hauptorte, weitere Ortschaften >1300 6 St. Galler Kantonalbank AR/SG St. Gallen, rund 40 Niederlassungen >1000 Bischofszell Nahrungsmittel TG Bischofszell TG >800 Helvetia-Gruppe AI/AR/SG/TG St. Gallen, rund 10 Agenturen >800 Thurgauer Kantonalbank TG Weinfelden TG, rund 30 Filialen >700 >500 6 Grand Resort Bad Ragaz SG Bad Ragaz SG Schweizerische Südostbahn AR/SG/TG St. Gallen, diverse Strecken >500 6 Regionalbahn Thurbo SG/TG Kreuzlingen TG, diverse Strecken >430 5 Verkehrsbetriebe St. Gallen SG St. Gallen, rund 300 Haltestellen >280 5 Appenzeller Bahnen AI/AR/SG Herisau AR, diverse Strecken >200 5 Appenzeller Kantonalbank AI Appenzell AI, 3 Niederlassungen >90 5

1 TOCHTERGESELLSCHAFT DES SCHWEDISCHEN KONZERNS HEXAGON; 2 TOCHTERGESELLSCHAFT DES GLEICHNAMIGEN DEUTSCHEN FAMILIENUNTERNEHMENS; 3 WERK DER GLEICHNAMIGEN SCHWEIZER FIRMA MIT HAUPTSITZ IN WINTERTHUR; 4 WERK DER GLEICHNAMIGEN SPARTE DES DEUTSCHEN KONZERNS THYSSENKRUPP; 5 INKLUSIVE LERNENDE, LAUT UNTERNEHMEN/ORGANISATION; 6 IN VOLLZEITSTELLEN, LAUT UNTERNEHMEN/ORGANISATION. QUELLE: ST. GALLEN BODENSEE AREA (TEILS GESCHÄTZT)


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HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Bescheidener Marktführer Calvin Grieder Der neue Verwaltungsratspräsident und langjährige Konzernchef der Bühler Group über einen Familienbetrieb, zu dem er von aussen stiess.

Franziska A. Tschudi Sauber (55): CEO, Wicor-Gruppe, Rapperswil SG; Mitarbeitende: 3818; Geburtsort: Glarus; Heimatort: Glarus und Zürich; Wohnort: Jona SG; Arbeitsort: Rapperswil SG; Familie: Verheiratet; Ausbildung: Rechtsanwältin, LL.M., EMBA HSG.

Rapperswiler gelten als «halbe» Zürcher Franziska A. Tschudi Sauber Die Chefin der Wicor-Gruppe über St. Galler Vorurteile und Ostschweizer Bauernhöfe, die mit kreativen Ideen auffallen. MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

W

enn immer hierzulande an Podien eine Geschäftsfrau gefragt ist, die ihre Stellung nicht einer Quotenregelung zu verdanken hat, ist es Franziska A. Tschudi Sauber. Sie führt seit 13 Jahren als Delegierte des Verwaltungsrats (CEO) einen Konzern, der auf elektrische Isolationssysteme und Kunststoffkomponenten für die Medizintechnik spezialisiert ist – eigentlich eher eine Männerdomäne. Allein ein Blick auf die Kundenliste der Wicor-Gruppe (Weidmann International Corporation) mit Sitz in Rapperswil SG spricht für sich: GE, Siemens, Roche oder Alstom, um nur ein paar wenige zu nennen. Für sie werden hochwertige Produkte quasi à la carte entwickelt und hergestellt. Ob das nun filigrane Pipetten, Stechhilfen für Diabetiker oder Komponenten aus Zellulose zum Isolieren von Transformatoren sind. Mit 3818 Mitarbeitenden resultierte 2013 ein Nettoverkaufserlös von 563 Millionen Franken. Das Gespräch mit Tschudi Sauber über diese komplexen technischen Produkte vermeidet man lieber. Sie sitzt am längeren Hebel. ANZEIGE

Hiesige Arbeitgeber sind gerne bereit, inländischen Bewerbern einen Vorrang einzuräumen. Aber wenn die Lohnstückkosten im Vergleich mit dem harten ausländischen Konkurrenzumfeld nicht mehr stimmen oder wenn ausländische Kunden nur noch lokal beschaffen wollen, müssen unangenehme Entscheide gefällt werden. «Das tut mir echt leid», ergänzt sie – und man nimmt es ihr ab. Franziska A. Tschudi Sauber wirkt nicht abgehoben und schon gar nicht wie eine Unternehmerin, die Zeit zum Shoppen oder Golfen hat. Viel lieber geht sie joggen Druck auf einheimischen Standort in der nahen Umgebung. Womit wir beim Was allerdings nicht für die Arbeits- zweiten starken Argument sind, wieso sie kräfte gilt. Daher mussten jüngst etwa 50 an dieser Region hängt. «Unser Standort Stellen gestrichen werden. Das tat ihr ist einfach ideal, nahe am See, an den Bersichtlich weh. Zudem gehen gen und umgeben von einer nun die Automobil- und intakten Umwelt. Hier kann Ostschweizer Industrietechnik-Aktivitäten man sich wohlfühlen, das Mitarbeitende von Wicor an die US-amerigilt auch für unsere Mitarkanische Techniplas Group. beitenden», sagt sie. haben gute Sie übernimmt diese GeDass die Rapperswiler Ausbildung und schäftssparte und führt sie aus Sicht der St. Galler «halviel Loyalität. unter dem Namen Weidbe» Zürcher sind, weil sie mann weiter. Betroffen sind sich eher dieser Stadt zuetwa 850 Angestellte, davon rund 250 in wenden – in ihrem Einkaufsverhalten und der Schweiz. Die restlichen Weidmann- in ihren Präferenzen für kulturelle AktiviDivisionen tangiert dieser Verkauf nicht. täten –, lässt Tschudi Sauber nur bedingt Tschudi Sauber attestiert ostschweize- gelten. «Wir sind halt rascher in Zürich als rischen Mitarbeitenden einen hohen Aus- in St. Gallen, aber für Sitzungen, zu Veranbildungsstand und eine grosse Loyalität. staltungen der Universität St. Gallen oder «Aber die Arbeit von schweizerischen an kulturelle Anlässe in der ostschweizeHandwerkern hat ihren Preis», erklärt sie rischen Metropole kommen wir immer und spricht damit an, was bei den Recher- gerne.» Damit ist auch verdeutlicht, dass chen für den Special «Standort Ostschweiz» die Wicor-Chefin den Bezug zu St. Gallen immer mal wieder durchschimmerte. sehr schätzt, besonders den einfachen Zugang zu Regierung und Behörden sowie Ostschweizer Wirtschafts- und Kulturorganisationen. Warum hält sie eigentlich am Standort Rapperswil SG fest, obwohl Wicor in 20 Ländern präsent ist und zwei Drittel des Umsatzes im Ausland erarbeitet? Für Tschudi Sauber ist klar: «Ein wichtiger und gewichtiger Teil unserer Transformerboard-Anlagen sind hier installiert. Es wäre sehr schwierig, diese zu verlegen.» Aber das ist längst nicht der einzige Grund für ihren Entscheid, den Hauptsitz dieses global tätigen Unternehmens nicht zu verlagern. «Solche Anlagen kosten überall gleich viel», sagt sie.

Ostschweizer Hidden Champions Darauf angesprochen, wie Franziska A. Tschudi Sauber die Unternehmerlandschaft in ihrem näheren Umfeld einstuft, muss sie sich keine Sekunde besinnen. «Ich könnte so viele Unternehmen nennen, die mir imponieren und denen ich höchsten Respekt zolle, dass Sie gar nicht genug Platz haben.» Dass Geberit in Rapperswil SG zuoberst steht, verwundert nicht. Hingegen erstaunt die Nennung von Vögele Shoes in Uznach SG. «Ein solches Business in einem kompetitiven Markt über Generationen hinweg erfolgreich zu führen, ist eine Riesenleistung.» Ihr Faszinosum für den wahrscheinlich derzeit eigenwilligsten Gartengestalter und Landschaftsarchitekten, Enzo Enea, überrascht. Aber am meisten verblüfft, dass Tschudi Sauber auch viele Bauernhöfe nennt, die sich mit kreativen Ideen eine zweite Existenz geschaffen haben. «Das ist bewundernswert und vorbildlich.»

Calvin Grieder ist der erste CEO, der als Nicht-Familienmitglied seit nunmehr 13 Jahren einen der national bedeutendsten Technologiekonzerne managt. Mit einem Gesamtumsatz von beinahe 2,5 Milliarden Franken und mehr als 10 000 Mitarbeitenden gehört die Bühler Group mit Sitz in Uzwil SG zu den global führenden Dienstleistern in der Maschinenindustrie. Jeder zweite Mensch isst täglich Nahrungsmittel, die auf einer Bühler-Anlage hergestellt wurden – seien es Reis, Mais, Getreide, Schokolade oder Fladenbrot. Das Unternehmen entwickelt spezifische Lösungen für seine Kunden im Bereich Nahrungsmittelproduktion und Energieeffizienz. Technologien und Systeme von Bühler sind auch führend, wenn es um die Hygiene und Sicherheit bei der Nahrungsmittelproduktion geht.

Innovator und Marktführer Unter anderem bietet man Verfahren an, bei denen dank neuster Technologie defekte und unreine Getreide- oder Reiskörner aussortiert werden; 500 Kilogramm bis 20 Tonnen pro Stunde, je nach Anlagengrösse. Auch bei der Produktion von Pasta oder Schokolade hat der Konzern die Nase vorn. 70 Prozent der weltweiten Schokoladeproduktion beispielsweise werden auf Anlagen hergestellt, die das Uzwiler Unternehmen konzipiert hat. Unbestritten: Bühler ist Innovator und Marktführer in vielen Geschäftsfeldern. Das gilt insbesondere für die Nahrungsmittelproduktion, aber auch, wenn es um die Reduktion des Energieverbrauchs geht, etwa dank Leichtbauteilen für die Automobilindustrie, optischer Beschichtung oder neustem Energiespeicher. Bei Calvin Grieder schimmern solche Highlights nur durch, wenn er expressis verbis darauf angesprochen wird. Lieber spricht er davon, wie Bühler dank neusten technischen Innovationen Kunden rund um die Welt bei der Lösung deren Probleme unterstützen konnte. «Wenn Sie mich ärgern wollen, müssen Sie schreiben, Bühler sei ein Maschinenbauer», sagte er einmal. Vielmehr entwickelt Bühler intelligente Prozess- und Produktionslösungen. Grieder bevorzugt den bescheidenen Auftritt und zieht es vor, draussen im Markt zu sein. Schon seine Vorgänger, alle aus dem Haus Bühler, waren mehr auf Achse als im Büro. «Unsere Stärken liegen in der Summe des langjährigen Knowhow bei der Entwicklung, der Konstruktion und der Prozessunterstützung.» Diese Faktoren und der enge Kontakt zu Kunden sowie ein fundiertes Wissen über deren Bedürfnisse haben den Weltkonzern zu dem gemacht, was er heute ist.

Tönt halt wie ein Werbespot, aber die Präsenz in 140 Ländern und die Tatsache, dass von den über 10 000 Mitarbeitenden rund 3000 in China beschäftigt sind, spricht für sich. Bühler hat Asien als Markt lange vor den meisten Grosskonzernen entdeckt. Schon der Vater und Grossvater von Urs Bühler, bis vor kurzem Verwaltungsratspräsident, lieferten Maschinen in diese Region – und dies seit bald 100 Jahren. Heute werden 30 Prozent des Umsatzes in Asien erwirtschaftet. Eigentlich drängt sich die Frage auf, wieso am Standort in Uzwil SG festgehalten wird. «Wir sind ein Konzern mit starken Wurzeln in der Ostschweiz, aber auf der ganzen Welt zu Hause. Wir verbinden Schweizer Innovationskraft, Ingenieurs-

«Wir sind ein Konzern mit starken Wurzeln in der Ostschweiz.» Calvin Grieder CEO und VRP, Bühler Group, Uzwil SG

kunst und Qualitätsbewusstsein. Diese kombinieren wir mit unserem Wissen über die zu verarbeitenden Produkte und den unterschiedlichen regionalen Bedürfnissen unserer Kunden», sagt Grieder. Gerade die langjährige lokale Verankerung in den USA, in Südamerika, Afrika oder Asien sei eines der Erfolgsgeheimnisse.

Ostschweizer Hidden Champions Darauf angesprochen, welches aus seiner Sicht Firmen in der Ostschweiz sind, die ihm besonders imponieren, nennt er allen voran Züger Frischkäse in Oberbüren SG. Deren Chefs hatten keine Angst, eine grosse Investition zu tätigen in einen Markt, der aus Sicht von vielen Leuten gesättigt ist, und exportieren jetzt rund 50 Prozent ihres Volumens in ganz Europa. Innovation ist dort die treibende Kraft. Sie spezialisieren sich in Nischenprodukte wie laktosefreie Milchprodukte. Calvin Grieder selbst mag das mediale Scheinwerferlicht nicht. Das erklärt bestimmt, wieso er vor drei Monaten als erster «Nicht-Bühler» zum Verwaltungsratspräsidenten ernannt wurde. Adolf Bühler hat den Familienbetrieb 1860 gegründet. Er führte eine kleine Eisengiesserei. Seither ist es mit diesem Unternehmen immer nur aufwärtsgegangen, wenn nicht Rohstoffpreise und ungünstige Währungsrelationen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Aber alle Bühlers wirkten lieber im Hintergrund wie Grieder. «Das ist doch ein typischer Schaffhauser», sagt jemand, der ihn gut kennt. Und was heisst das? «Mehr sein als scheinen.»

NIK HUNGER

SUZANNE SCHWIERTZ

MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

Calvin Grieder (59): CEO und Verwaltungsratspräsident, Bühler Group, Uzwil SG; Mitarbeitende: 10 659; Geburtsort: Washington, D.C. (USA); Heimatort: Basel; Wohnort: Küsnacht ZH; Arbeitsort: Uzwil SG; Familie: Verheiratet, zwei Kinder; Ausbildung: Verfahrensingenieur ETH Zürich.


Standort Ostschweiz | 61

HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Christoph Fässler Der Chef von Metrohm über flache Hierarchie, rasche Entscheidungswege und Ostschweizer Berufstätige, die nicht in Anonymität versinken. MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

C

hristoph Fässler ist ein UrAppenzeller, führt ein erfolgreiches Unternehmen und hat «null Bock» auf mediale Präsenz. Dabei ist Metrohm mit Sitz in Herisau AR Weltmarktführer, wenn es um chemische Analysen mit Laborgeräten geht. Angenommen, man wirft einen Zuckerwürfel in den Walensee. Metrohm wird das nachweisen. Es könnte auch etwas Giftiges gewesen sein – alles schon vorgekommen. Spinner wollen halt der Menschheit schaden und kräftig kassieren. Nahrungsmittelkonzerne haben solche Szenarien durchexerziert. Aber Metrohm ist als einziges Unternehmen dazu in der Lage, einen winzigen Zuckerwürfel oder halt etwas nachzuweisen, was grössere Schäden anrichtet.

Nach Berthold Suhners Gusto In Herisau AR werden noch viel kompliziertere Probleme gelöst – seit 1943, tagtäglich und auf der ganzen Welt. Davon wird in Herisau kein Aufheben gemacht. Man verdient höchstwahrscheinlich nicht schlecht, aber investiert alles umgehend in noch sophistiziertere Verfahren. Das hat sich seit dem Wunsch des Gründers, Berthold Suhner, nie geändert. Er lebte so bescheiden, wie man sich das kaum vorstellen kann. Er sparte sogar beim Heizen, behaupten böse Zungen. Seine Nachfolger hat er sich immer aus der Ostschweiz ANZEIGE

ausgewählt und hat mit ihnen ein Unter- chien in den Unternehmen, rasche Entscheidungswege und Menschen, denehmen von Weltruf geschaffen. «Wissen Sie, diese Leute sind fleissig, ren Gesichter nicht in der Anonymität verarbeiten gerne und schätzen es einfach, sinken.» wenn man sie anständig behandelt», sagte Berthold Suhner in einem seiner letzten Ostschweizer Hidden Champions Fässler räumt jedoch ein, dass die JobGespräche. Seinen Mitarbeitenden hat er immer mehr gegönnt als sich selber. Und auswahl nicht mit derjenigen von Zürich, davon, dass der Hauptstandort von Met- Basel und Genf Schritt halten kann. «Aber rohm dorthin verlegt wird, wo die Absatz- ist das wirklich erstrebenswert, wenn man märkte ständig wachsen, musste man mit die vorhin genannten Vorteile aufrechnet?» In dieser Region ist alles um ein ihm gar nicht erst diskutieren. «Kommt nicht in Frage. In Herisau sind Mehrfaches günstiger. Sogar eine Autounsere Wurzeln», sagt auch Adrian De- reparatur, um ein lapidares Beispiel zu teindre, heute Verwaltungsratspräsident nennen, das uns Markus K., der seinen und operativer Vorgänger von Christoph Namen nicht in der Zeitung lesen will, erzählt. «Hier zahle ich einen Fässler, der einen so herrBruchteil der Rechnung, die lichen Appenzeller Dialekt Bodenständig, ich in Basel zu begleichen spricht wie Carlo Schmidhatte, und wohne in einem Sutter – man bräuchte zuwei- arbeitseifrig und schönen ‹Hämetli› – so len fast einen Dolmetscher. bescheiden – die nennt man in der OstDamit ist eigentlich schon Erfolgsfaktoren schweiz ein Zuhause –, das fast alles gesagt, was den der Ostschweiz. ich dort niemals vermocht Erfolg ostschweizerischer hätte. Mein Lohn ist niedriFirmen ausmacht: Bodenständigkeit, Arbeitseifer und Bescheiden- ger, aber wir haben mehr Lebensqualität, heit. Nach einem teuren Sportwagen sucht und meine Kinder werden nicht im Schulhof von Kollegen mit einem anderen Konman auf dem Parkplatz vergebens. «Natürlich sind auch wir vom ‹war for fliktlösungspotenzial vermöbelt.» So viel steht fest: Es gibt offenbar schon talents› betroffen», führt Metrohm-Chef Christoph Fässler aus. Aber dabei gehe Gründe, wieso Metrohm und all die vielen viel zu oft vergessen, dass sich die Lebens- Ostschweizer Hidden Champions keine haltungskosten, die Wohnqualität und die Mühe haben, qualifizierte Leute zu finLohnsumme der Arbeitgeber meilenweilt den. Das gilt für Christoph Fässler vor von den so hochgejubelten Standorten im allem für Cabana, ein alteingesessenes Unternehmen in Herisau AR, das sich in goldenen Dreieck unterscheiden. Obwohl eigentlich eher zurückhaltend, der Bodenbelagsbranche trotz widrigsten wie sich der Gründer seine Führungscrew Konkurrenzverhältnissen erfolgreich bewünschte, gerät Fässler für einmal in hauptet. «Selbstverständlich gehört auch Fahrt. «Keine grossen Staus zum Arbeits- Huber+Suhner dazu, ein Spezialist im weg, ein Einfamilienhaus zu erschwing- Hoch- und Niederfrequenzbereich und in lichen Preisen, frische Luft vor der Haus- der Faseroptik. Die Entscheidungsträger türe, man kann das Fenster in der Nacht hätten den Produktionsstandort längst noch öffnen, wird nicht vom Lärm der verlegen können. Aber sie stehen zu Nachtschwärmer geweckt, flache Hierar- Herisau AR, wo die Erfolgsstory begann.»

ZVG

Zuckerwürfel im See nachweisen

Christoph Fässler (61): CEO, Metrohm, Herisau AR; Mitarbeitende: 1600; Geburtsort: Appenzell AI; Heimatort: Appenzell AI; Wohnort: Abtwil SG; Arbeitsort: Herisau AR; Familie: Verheiratet, zwei Kinder; Ausbildung: Dr. Chem. Ing. ETH Zürich, Weiterbildung in Betriebswirtschaft BWI Zürich.


62 | Standort Ostschweiz

HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Stille Schrauber

Heinrich Spoerry Der Chef der SFS Holding über den kürzlichen Börsengang, der so gar nicht zum Naturell der Firma passen will – möglichst im Stillen zu arbeiten. MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

E

ZVG

igentlich sind er und die SFS Hidden Champions in Reinkultur – Heinrich Spoerry, Konzernchef und Verwaltungsratspräsident der SFS Holding mit Sitz in Heerbrugg SG, die gerade einen Börsengang hinlegte. Doch das mediale Scheinwerferlicht meidet er. Trotzdem: Einen besseren Zeitpunkt hätte Spoerry nicht wählen können. Sprach man ihn früher auf das IPO-Vorhaben an, gab er sich eher zugeknöpft, was verständlich war. Aber dass dieser Schritt erfolgreich sein wird, überrascht nur, wer dieses grundsolide Unternehmen aus dem St. Galler Rheintal nicht über Jahrzehnte verfolgt hat. Da wird einfach nicht alles an die grosse Glocke gehängt.

Heinrich Spoerry (63): CEO und Verwaltungsratspräsident, SFS Holding, Heerbrugg SG; Mitarbeitende: 7110; Geburtsort: St. Gallen; Heimatort: Steg ZH; Wohnort: Uetikon am See ZH; Arbeitsort: Heerbrugg SG; Familie: Verheiratet, drei Kinder; Ausbildung: Lic. oec. HSG.

Frisches Kapital für die Expansion Hans Huber, einer der zwei Gründer, hat aus bescheidenen Anfängen einer lokal tätigen Eisenwarenhandlung die SFS aufgebaut – heute ein transnational tätiger Milliardenkonzern und Inbegriff als Hersteller von Präzisionsteilen und Systemlösungen in der Befestigungstechnik. Was aus seiner Vision entstand, stellt Tellerwäscherkarrieren in den Schatten, da viele dieser Überflieger pleite gingen. Im Gegensatz zur SFS. Der Konzern beschäftigt heute rund 7100 Mitarbeitende und erwirtschaftet drei Viertel des Umsatzes ausserhalb der Schweiz. Entlassungen

scheinen ein Fremdwort. Der Börsengang wurde vor allem deshalb lanciert, weil eine Expansion in Richtung Asien und Nordamerika im Visier ist. Mit einem Eigenkapitalanteil von 63 Prozent, von dem andere Unternehmen nur träumen können, und einem Mittelzufluss nach dem Börsengang von mehr als 300 Millionen Franken sollte dieses globale Wachstum solide finanziert werden. Jetzt ist die SFS nach dem Erwerb von Unisteel, einem Betreib, der in Malaysia und China Miniaturschrauben für die Elektronikindustrie herstellt, wieder schuldenfrei. Für diesen Kauf wurden 750 Millionen Franken hingeblättert. Damit ein effizienter Handel mit SFSAktien gewährleistet ist, wurden auch bestehende Aktien an der SIX platziert. So konnte in einer ersten Phase ein Streubesitz von 35 Prozent erreicht werden. Nach Ende der Sperrperiode von zwölf Monaten für die Mitglieder des Managements, des Verwaltungsrats sowie weitere bedeutende Aktionäre wird sich der Streubesitz auf 45 Prozent erhöhen. Die Gründerfamilien Huber und Stadler werden nach der Ausübung der Mehrzuteilungsoptionen 55 Prozent als langfristig engagierte Ankeraktionäre halten. Für Heinrich Spoerry, der die SFS seit 1999 leitet, ist die Diskussion über eine Verlagerung des Hauptsitzes ein No-Go. «In dieser Region werden von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Werte geschätzt, die immer mehr an Bedeutung gewinnen – bodenständige eben.» Er beweist einmal

mehr, dass vor allem im Rheintal Understatement eine der grössten Tugenden ist. Möglichst im Stillen arbeiten. Das zeigt sich auch in der Personalpolitik. Nachfolger werden nicht unter den Highflyern gesucht, sondern unter denen, die still vor sich hinarbeiten. Und böse Zungen in der Ostschweiz behaupten: «Deren Betriebe still und gut vor sich hinverdienen.»

Ostschweizer Hidden Champions Wie schon andere lokale Wirtschaftsführer muss sich Heinrich Spoerry keine Sekunde besinnen, um noch zu wenig bekannte Firmen in der Region zu nennen. «Microsynthetic», kommt es wie aus der Kanone geschossen. «Dieses HightechUnternehmen forscht und produziert auf dem Gebiet der Molekularbiologie und ist Spitzenklasse in der Gentechnik, spezifisch in der DNS-Analyse – und dies im Rheintal», bewundert er die Leistung. Was zum Mitbegründer Hans Huber zurückführt. Dieses ostschweizerische Vorzeige-Unternehmen will gar keines sein. Die SFS Holding möchte bloss eine gute Performance hinlegen. Und noch heute konzentriert sich Huber darauf, Nachwuchs zu fördern. Er hat dazu eine eigene Stiftung ins Leben gerufen, weil er als ehemaliger Eisenwarenhandlungslehrling längst erkannt hat, dass es der Schweiz vor allem an jungen Leuten mangelt, die nicht nur akademische Höhenflüge erleben wollen, sondern in ihrem Berufsumfeld etwas leisten möchten.

Von der Werkhalle in die Geschäftsleitung SFS Weshalb der Konzern die Berufslehre hochhält und sich dennoch für Maturanden öffnet. VERA SOHMER

Nick Huber bezeichnet sich selbst als untypisches Beispiel. Der Leiter Personalmanagement der SFS Holding und Sohn eines Firmenmitbegründers machte keine Berufslehre – er gehört damit im Kader zur Minderheit. Er studierte Wirtschaft an der Universität St. Gallen (HSG), bevor er seine erste Arbeitsstelle bei einem USamerikanischen Unternehmen antrat. Geschadet habe es ihm nicht, meint er. Aber: «Könnte ich heute wählen, würde ich mich wahrscheinlich für eine Lehre entscheiden.» Er sei praktisch veranlagt, suchte sich im Beruf Herausforderungen, holte sich hier prägende Erfolgserlebnisse. Nick Huber baute in der Schweiz unter anderem ein Netz von Abholstandorten auf, die heute Teil von SFS unimarket sind. Die SFS zählt zu den grössten Ausbildungsbetrieben in der Ostschweiz. In acht

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technischen und kaufmännischen Berufen werden jedes Jahr rund 50 Lernende ausgebildet. Warum, liegt auf der Hand. Der Konzern zieht sich seinen Nachwuchs heran, sorgt für Nachschub an gut ausgebildeten Fachkräften. Zum einen, weil das Angebot auf dem Arbeitsmarkt knapp ist. Zum anderen, weil die jungen Leute gleich das lernen, was sie später im Betrieb brauchen. Etwa spezielle Technologien wie die Kaltmassivumformung, die international nur an wenigen Instituten gelehrt wird.

fachlich. Sie haben gelernt, im Team zu arbeiten, mit Menschen umzugehen – sich Fähigkeiten erworben, die heute unter «Sozialkompetenz» eingereiht werden. «Es gibt sie häufiger, als man denkt, die Karriere vom Lehrling zum Unternehmensleiter», heisst es in einer Broschüre

Neuer Einstieg über Fachhochschule Dass die Lernenden nach der Ausbildung übernommen werden, ist die Regel und wesentlicher Bestandteil der Personalentwicklung, so Sandra Tobler, Leiterin Personal Schweiz. «Wer fähig ist und willens, kann es in allen Bereichen und auf allen Stufen zu etwas bringen.» Auch der Weg in die Geschäftsleitung steht offen. Die SFS baut Führungskräfte zu 90 Prozent aus eigenen Reihen auf. Mitglieder des Managements haben sich oft in der Werkhalle oder im Büro zuerst wichtiges Grundwissen geholt. Und das nicht nur

Tradition Die SFS Holding geht aus der 1928 in Altstätten SG gegründeten Eisenwarenhandlung Stadler hervor. Weil es Engpässe in der Schraubenbelieferung gab, bauten Josef Stadler und Hans Huber 1960 eine eigene Produktion auf, die SFS Presswerk in Heerbrugg SG. Heute ist der Konzern mit rund 1800 Mitarbeitenden grösster Arbeitgeber im St. Galler Rheintal. Weltweit beschäftigt die Gruppe über 7100 Angestellte in mehr als 70 Vertriebs- und Produktionsstandorten.

der Hans Huber Stiftung. Sie wurde von einem der beiden SFS-Gründer ins Leben gerufen mit dem Ziel, sich für die berufliche Ausbildung starkzumachen. Und zu zeigen, dass mit dem Lehrabschluss ein solides Fundament gelegt ist, auf dem sich aufbauen und eine höhere Ausbildung

DAS UNTERNEHMEN

Grösster Arbeitgeber im St. Galler Rheintal 2013 machte die SFS einen Umsatz von 1,3 Milliarden Franken und erzielte einen Ebita von 195,4 Millionen Franken. Produkte Die Firma ist Entwicklungs-, Herstellungs- und Vertriebspartnerin für Präzisionsformteile und mechanische Befestigungssysteme. Zu einem der Spezialgebiete gehören Miniaturschrauben für Mobiltelefone, Smartphones und Tablet-Computer. SFSProdukte finden sich auch in Sicherheitsgurten oder ABS-Bremssystemen.

verwirklichen lässt, bis hin zum universitären Studium. Indessen erprobt die SFS ein neues Modell, um etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun und sich künftig qualifizierte Arbeitskräfte zu sichern. Man bietet mit vier weiteren Industriebetrieben aus der Region einjährige Praktika für Maturanden an. Diese bekommen Einblick in verschiedene Firmenbereiche, ehe sie an der Hochschule für Technik der Fachhochschule Ostschweiz (FHO) in Buchs oder St. Gallen studieren. Das Praktikumsjahr, so hofft die SFS, ebnet vielleicht einer dualen Hochschule nach deutschem Vorbild den Weg. Deren Prinzip: Firmen wählen Studierende aus und schliessen mit ihnen Verträge ab. Die dreijährige Ausbildung läuft abwechselnd im Betrieb und an der Hochschule. Eine enge Verzahnung also von Praxis und Theorie, abgestimmt auf die neuesten technologischen Entwicklungen und die speziellen Bedürfnisse der einzelnen Partner. Und nach dem Studium sind die Absolventen subito in ihren Jobs einsetzbar. Ein Ansatz, der auch Nick Huber, dem Befürworter der Berufslehre, gefällt.


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HANDELSZEITUNG | Nr. 23 | 5. Juni 2014

Platzhirsch aus Bündner Bergen Pierin Vincenz Der Chef der Raiffeisen Schweiz über sein neues Unternehmerzentrum, das hiesige KMU fördern will.

robuste Geschäftsmodelle entwickeln und eine enge Zusammenarbeit zwischen Business und Informatik anstreben.» Das bringt ihn zu seinem derzeitigen Lieblingsthema: Die Gründung des ersten Raiffeisen-Unternehmenszentrums der Schweiz in Gossau SG. Auf einer Bürofläche von mehr als 750 Quadratmetern wird angeboten, was auf Wilhelm Raiffeisen zurückgeht. Sein Motto lautete: «Was dem Einzelnen nicht möglich ist, vermögen viele.» Das sogenannte RUZ soll die wichtigste Anlaufstelle für KMU werden. Von der Firmengründung über die Unter-

MÉLANIE KNÜSEL-RIETMANN

P

ierin Vincenz ist seit nunmehr 15 Jahren das Gesicht des drittgrössten Bankenkonzerns des Landes und lässt keine Zweifel darüber aufkommen, dass weiteres Wachstum angepeilt wird. Wie die Konkurrenz steht auch die Raiffeisen Schweiz mit Sitz in St. Gallen in einem permanenten Spannungsfeld von politischen, ökonomischen und strukturellen Einflussfaktoren. Aber den Bündner scheint nichts aus der Ruhe zu bringen. Der Vorsitzende der Geschäftsleitung (CEO) spricht immer ruhig und bedächtig, aber zum Glück nicht so langsam wie ein Berner. «Wir müssen unsere Strategie einfach ständig den veränderten Bedingungen anpassen», sagt Vincenz. Wenn andere vom Platzen einer Immobilienblase sprechen, bleibt er beim Szenario des Soft Landing. Gerade weil die Raiffeisen schwergewichtig im Hypothekenbereich tätig ist, kennt er das Geschäft. Der Anteil an diesem Gesamtmarkt hierzulande macht 16 Prozent aus. Nach Adam Riese bleibt den übrigen Geschäftsbereichen 84 Prozent. Doch der Vergleich hinkt gewaltig. Die Raiffeisen Schweiz hat andere Strukturen, ist aufgeteilt in eine Vielzahl kleiner Institute mit einem hohen Eigenverantwortungsgrad. Was auch erklärt, dass Vincenz gelassen bleibt, wenn man seine Gruppe allenfalls als systemrelevant einstuft. «Sicher ist allerdings, dass der Aufwand für die Umsetzung erheblich sein wird.» Die Genossenschaft zählt national 316 Raiffeisen-Banken mit 1032 Filialstellen.

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Pierin Vincenz CEO, Raiffeisen Schweiz, St. Gallen

nehmensführung bis hin zur Nachfolgeregelung sollen KMU unkompliziert und praxisnah begleitet werden – ohne viel Papierkram. Das Spezielle am RUZ ist, dass nicht Unternehmensberater, die oft selbst noch nie eine Firma geführt haben, mit Rat und Tat zur Seite stehen, sondern gestandene Berufsleute aus allen Branchen.

KEYSTONE

Aug’ in Aug’ mit den Kunden Einmal mehr hebt Vincenz die Stärke der Raiffeisen-Struktur hervor. «Unsere Leute vor Ort kennen ihre Kunden und ihre Bedürfnisse. Sie sind immer Aug’ in Aug’ mit ihnen. Das ist – vor allem in der heutigen anonymisierten Gesellschaft – von unschätzbarem Wert.» Und was ihm besonders wichtig ist: «Das Vertrauen zwischen den Kunden und uns ist ein langer Prozess, der nicht von heute auf morgen zerstört werden kann.» Vincenz wird sich hüten, zu erklären, dass die Raiffeisen auch vom Unwillen vieler Schweizer über die Grossbanken profitiert hat. Ein Blick auf die Zahlen genügt. Seit dem Beginn der Finanzkrise 2008 ist die Bilanzsumme

«Als Unternehmen müssen wir uns auf eine ständige Transformation einstellen.»

Pierin Vincenz (58): CEO, Raiffeisen Schweiz, St. Gallen; Mitarbeitende: 10 593; Geburtsort: Andiast GR; Heimatort: Andiast GR; Wohnort: Niederteufen AR; Arbeitsort: St. Gallen; Familie: Verheiratet, zwei Kinder; Ausbildung: Dr. oec. HSG.

um fast 35 Prozent gewachsen, auf 177 Milliarden Franken. Auf die Frage, wie sich die Margen im für die Gruppe wichtigen Hypothekargeschäft entwickeln werden, sagt er: «Uns liegt sehr daran, diese zu stabilisieren. Aber wenn die Zinsen tief bleiben, kann die Marge vom letzten Jahr von 1,24 auf 1,2

Prozent oder gar noch tiefer fallen.» Die finanziellen Folgen dieser Entwicklung schätzt er auf rund 150 Millionen Franken. Aber auch hier sind bereits Szenarien in der Schublade. Zwischen der Trennung von einzelnen Marktsegmenten und einem weiteren Fitnessprogramm wählt der trainierte Vincenz Letzteres.

Sein Rezept hat er kürzlich an einem Seminar den Teilnehmern des Executive MBA in Business Engineering an der Universität St. Gallen (HSG) verraten. «Als Unternehmen der Zukunft müssen wir uns auf eine ständige Transformation einstellen, indem wir unsere Stärken gegenüber der Konkurrenz weiter ausbauen,

Ostschweizer Hidden Champions Daher erstaunt auch nicht, dass seine Liste der versteckten Perlen in der ostschweizerischen Unternehmerlandschaft so lang ist, dass dafür der Platz nicht ausreicht. Paradebeispiel ist etwa Caroline Magerl, Chefin von Mila d’Opitz in St. Gallen, die das traditionsreiche Kosmetikunternehmen führt und einen begehrten «Beauty Oscar» für den «Skin Whisperer» in der Kategorie innovativstes kosmetisches Endprodukt gewonnen hat. «Dank dem intensiven regenerierenden Wirkstoffkomplex wird die Haut aufgepolstert und verjüngt», sagt sie. Auch Bruno Dörig, Chef von Dörig Bedachungen Fassadenbau in Berg TG, hat etwas Spezielles zu bieten. «Wir fangen dort an, wo andere aufhören», ist seine Devise. Das für Bedachungen und im Fassadenbau tätige Unternehmen kommt dann zum Zug, wenn extravagante Lösungen gefragt sind und andere Fachleute nicht mehr weiterwissen. «Wir verkleiden Häuser nicht, wir ziehen sie an.» Er spricht damit das leidige Thema der Hinterlüftung an, die verhindert, dass die Bauherrschaft böse Überraschungen erlebt. Wie gesagt, allein die Vorschläge von Pierin Vincenz gäben genug Stoff für einen weiteren Special «Ostschweiz».



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