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09 Der geheime Krieg in Portugal

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Chronologie

Chronologie

9 Der geheime Krieg in Portugal

Im Mai 1926 führte General Gomes da Costa in Portugal einen Staatsstreich durch. Damit war sowohl die Verfassung als auch das Parlament abgeschafft und das Land in eine Diktatur umgewandelt. Nach dem Putsch kam der Diktator Salazar an die Macht. Während des Spanischen Bürgerkriegs unterstützte Salazar den rechtsgerichteten Diktator Franco im benachbarten Spanien mit Truppen und Nachschub. Danach garantierten die beiden Diktatoren in einer strategischen rechtsgerichteten Allianz gegenüber Hitler und Mussolini, daß sie im Zweiten Weltkrieg neutral bleiben würden. Spanien und Portugal sicherten Hitler dadurch seinen »Rücken«, also die Westfront. Die vier Diktatoren waren sich einig, daß der Kommunismus sowohl in der Sowjetunion als auch in den eigenen Ländern bekämpft und besiegt werden müsse. Als die Sowjetunion siegreich aus dem Zweiten Weltkrieg hervorging und sowohl Hitler als auch Mussolini besiegt waren, befanden sich Salazar und auch Franco 1945 in einer heiklen Situation. Doch als die Vereinigten Staaten unter Präsident Truman weiterhin weltweit gegen den Kommunismus kämpften, erhielten die beiden Diktatoren auf der iberischen Halbinsel zumindest die stille Unterstützung von Washington und London. Obwohl Salazar den Putsch in Spanien unterstützt hatte und trotz seiner Allianz mit Hitler und Mussolini gelang es Portugal zur Überraschung vieler, 1949 zu den Gründungsmitgliedern der NATO zu zählen. Danach regierte Salazar Portugal fast vier Jahrzehnte lang allein, bis er im Jahr 1970 starb, worauf das Land mit der Umwandlung zu einem demokratischen Staat beginnen konnte und schließlich auch Mitglied der Europäischen Union wurde. So wie in den rechten Diktaturen Lateinamerikas oder in Francos Polizeistaat wurde auch die Bevölkerung Portugals von einem Sicherheitsapparat kontrolliert, der ohne Transparenz und jenseits der parlamentarischen Kontrolle arbeitete. Geheime Kriegsführung gegen die politische Opposition und den Kommunismus waren deshalb unter Salazars Regentschaft weit verbreitet. Die Operationen wurden von einer Reihe von Geheimdiensten und Organen ausgeführt, hauptsächlich jedoch vom portugiesischen militärischen Geheimdienst PIDE (Policia Internacional e de Defesa do Estado). Da es keine detaillierte parlamentarische Untersuchung des rechtsgerichteten Netzwerks und der geheimen Operationen der portugiesischen Diktatur gab, bleiben die Verbindungen zur antikommunistischen Stay-behind-Armee der NATO vage und mysteriös. Die Existenz geheimer, mit der CIA und der NATO in Verbindung stehender Armeen in Portugal wurde erstmals im Jahr 1990 nach der Entlarvung des italienischen GladioStay-behinds aufgedeckt.

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In Portugal berichtete ein Lissabonner Radiosender, daß Zellen des Netzwerks, die mit der Operation Gladio in Verbindung standen, während der 50er Jahre aktiv waren, um die rechte Diktatur von Dr. Salazar zu verteidigen.1 Fünf Jahre später behauptete der amerikanische Autor Michael Parenti ohne Quellenangabe, daß Gladio-Aktivisten »geholfen haben, in Portugal ein faschistisches Regime zu errichten«.2

Etwas genauer war die einheimische Presse, welche im Jahr 1990 berichtete, daß die geheime Armee in Portugal angeblich »Aginter Press« genannt wurde. Unter dem Titel »Gladio war in Portugal aktiv« informierte die portugiesische Tageszeitung O Jornal die verblüffte Öffentlichkeit des Landes, daß

das geheime Netzwerk, das am Busen der NATO eingerichtet und von der CIA finanziert wurde und dessen Existenz erst kürzlich von Giulio Andreotti enthüllt wurde, in den 60er- und 70er Jahren auch in Portugal eine Abteilung hatte. Sie wurde »Aginter Press« genannt

Aginter Press hatte überhaupt nichts mit der Presse zu tun. Der Name war eine Täuschung. Die Organisation druckte keine Bücher oder antikommunistische Propagandabroschüren, sondern bildete rechte Terroristen aus und war auf schmutzige Tricks und geheime Kriegsführung in Portugal und darüber hinaus spezialisiert. Die geheimnisvolle und brutale Organisation wurde von der CIA unterstützt und von europäischen rechtsgerichteten Offizieren geleitet, die mit der Hilfe der PIDE militante Faschisten rekrutierte. Die Untersuchung von Gladio, dem geheimen Krieg und den Terroranschlägen in Italien durch den italienischen Senat deckte auf, daß italienische Terroristen auch von Aginter Press ausgebildet worden waren. Inzwischen wurde in Portugal aufgedeckt, daß eine Unterabteilung der Aginter Press, die »Organisation Armée contre le Communisme International« (OACI) genannt wurde, auch in Italien aktiv war. Die italienischen Senatoren fanden heraus, daß die CIA Aginter Press in Portugal unterstützte und daß die Geheimorganisation von Hauptmann Yves Guillon, der unter seinem Alias Yves Guerin Serac besser bekannt war, geleitet wurde. Dieser war Spezialist für geheime Kriegsführung und hatte von den USA Heldenorden erhalten, darunter auch den American Bronze Star für seine Beteiligung am Koreakrieg. Der italienische Gladio-Bericht folgerte:

Aginter Press war in Wirklichkeit, entsprechend den neuesten Dokumenten, die von der Kriminalpolizei beschafft wurden, ein Informationszentrum, das in direkter Verbindung zur CIA und dem portugiesischen Geheimdienst stand und sich auf Provokationen spezialisiert hatte.4 Während die portugiesische Regierung sich scheute, die Geschichte der unheimlichen Aginter Press und den geheimen Krieg zu untersuchen, setzte der Untersuchungsausschuß des italienischen Senats über Gladio und die Terroranschläge 1997 seine Recherchen fort und vernahm den italienischen Richter Guido Salvini. Salvini verfügte über Expertenwissen über den rechten Terrorismus in Italien und darüber hinaus und hatte auch die verfügbaren Dokumente über Aginter Press in allen Einzelheiten studiert. »Ist der amerikanische Geheimdienst CIA«, fragte Senator Manca, Mitglied des Untersuchungsausschusses, den Richter Guido Salvini, »nach Ihrer Analyse direkt für die Operationen verantwortlich, die von Aginter Press ausgeführt wurden?« Salvini antwortete: »Senator Manca, Sie haben nun eine sehr wichtige Frage gestellt.« Und wegen der politischen Brisanz seiner Antwort forderte er, nur in einer geheimen Sitzung antworten zu dürfen. Dem wurde zugestimmt, und die Dokumente sind bis heute unzugänglich.5 Öffentlich betonte Salvini, daß »es schwierig ist, Aginter Press genau zu definieren«, während er in vagen Umschreibungen Folgendes sagte:

Es ist eine Organisation, die in vielen Ländern, auch in Italien, die Strategien ausgewählter Gruppen inspiriert und unterstützt hat, die nach einem definierten

Plan gegen die Situation vorgehen, die sie bekämpfen wollen. Die geheime CIA-Armee Aginter Press operiert, so fuhr Salvini fort,

entsprechend ihren Zielen und Werten, die im Wesentlichen aus der Verteidigung der westlichen Welt gegen eine wahrscheinliche und bevorstehende Invasion Europas durch Truppen der Sowjetunion und der kommunistischen Länder besteht.6 Die portugiesische Geheimarmee Aginter Press, so Richter Salvini, hatte somit, wie die anderen geheimen Gladio-Armeen in Westeuropa, eine doppelte Aufgabe. Das Stay-behind-Netzwerk rüstete sich heimlich gegen eine eventuelle sowjetische Invasion, und weil es im Kalten Krieg keine solche Invasion gab, nahm es in mehreren westeuropäischen Ländern entsprechend den Strategien der geheimen Kriegsführung politische Gruppen der Linken zum Ziel. Auch wenn viele Angehörige der Aginter Press in den Nachkriegsjahren unter verschiedenen Bezeichnungen im geheimen antikommunistischen Krieg aktiv waren, wurde

Aginter Press offiziell erst im September 1966 in Lissabon gegründet. Weniger die Furcht vor einer sowjetischen Invasion als vielmehr inländische Operationen scheinen zu dieser Zeit die strategischen Überlegungen der Gründer und der CIA gewesen zu sein, denn dieser Zeitraum war durch heftige linksgerichtete Proteste in zahlreichen Ländern Westeuropas gegen den Krieg in Vietnam und die amerikanische Unterstützung rechter Diktaturen in Lateinamerika und Westeuropa, auch in Portugal, gekennzeichnet. Sowohl Diktator Salazar als auch die PIDE fürchteten die möglichen destabilisierenden Auswirkungen der gesellschaftlichen Bewegung und verließen sich neben anderen Instrumenten auf Aginter Press, um gegen diese Bewegungen vorzugehen. Die meisten geheimen Soldaten, die in der zweiten Hälfte der 60er Jahre der geheimen CIA-Armee Aginter Press in Lissabon beitraten, hatten zuvor vergeblich in Afrika und Südostasien gekämpft, um den Verlust der europäischen Kolonien an starke Unabhängigkeitsbewegungen zu verhindern. Der Direktor von Aginter Press selbst, Hauptmann Yves Guerin Serac, ein katholischer Militant und Antikommunist, der von der CIA angeworben worden war, hatte als ehemaliger Offizier der französischen Armee miterlebt, wie Frankreich von Hitler im Zweiten Weltkrieg besiegt wurde. Er war Veteran des französischen Vietnamkriegs (1945 bis 1954), Veteran des Koreakriegs (1950 bis 1953) und Veteran des französischen Krieges in Algerien. Guerin hatte in der berüchtigten 11th Demi-Brigade Parachutiste du Choc gedient, einer Spezialeinheit für schmutzige Tricks des französischen Geheimdienstes SDECE, der mit dem französischen Stay-behind in enger Verbindung stand. Im Jahr 1961 hatte er mit anderen kampferprobten Offizieren die geheime und illegale Organisation Armée Secrète, kurz OAS, gegründet. Er wollte so die französische Kontrolle über die algerische Kolonie erhalten, die französische Regierung unter Präsident de Gaulle stürzen und sie durch einen militant antikommunistischen französischen Staat ersetzen. Selbst nachdem Algerien im Jahr 1962 seine Unabhängigkeit gewann und de Gaulle die OAS aufgelöst hatte, waren ehemalige OAS-Offiziere, auch Guerin Serac, in großer Gefahr. Sie flohen aus Algerien, und gegen Asyl und andere Annehmlichkeiten boten sie ihre bemerkenswerten Fertigkeiten in geheimer Kriegsführung, verdeckten Aktionen, Gegenterrorismus und Terrorismus den Diktatoren in Lateinamerika und in Europa an.7 Die OAS-Diaspora stärkte international militante rechtsgerichtete Netzwerke, und im Juni 1962 wurde Yves Guerin Serac von Diktator Franco eingestellt, um sein Können zusammen mit der spanischen Geheimarmee gegen die spanische Opposition einzusetzen. Von Spanien aus ging Guerin weiter zu Salazar nach Portugal, da dieses Land gemäß seiner Analyse nicht nur das einzige verbliebene europäische Kolonialimperium war, sondern auch das letzte Bollwerk gegen den Kommunismus und den Atheismus. Als überzeugter antikommunistischer Kalter Krieger bot er Salazar seine Dienste an:

Die anderen haben ihre Waffen niedergelegt, aber ich nicht. Nach (der Auflösung der) OAS floh ich nach Portugal, um den Krieg fortzuführen und ihn zur richtigen Größenordnung auszudehnen – genauer gesagt auf eine weltumspannende

Größenordnung.8 In Portugal nahm Guerin Serac Verbindung zu französischen Rechtsradikalen und OAS-Flüchtlingen auf, worauf der frühere Petainist Jacques Ploncard dʼAssac ihn in das rechtsradikale Establishment und in die PIDE einführte. Wegen seiner enormen Erfahrung wurde Guerin als Ausbilder für die paramilitärische Legiao Portugesa und die Einheiten der Konterguerilla der portugiesischen Armee eingestellt. Gleichzeitig errichtete er mit der Unterstützung der PIDE und der CIA die Aginter Press als ultrageheime antikommunistische Armee. Aginter Press richtete Trainingscamps ein, in denen Söldner und Terroristen in dreiwöchigen Kursen in Techniken der verdeckten Aktionen geschult wurden, wozu auch Bombenterror, stille Attentate, Subversionstechniken, heimliche Kommunikation, Infiltration und koloniale Kriegsführung gehörten. Außer Guerin Serac war auch der italienische rechtsradikale Terrorist Stefano Delle Chiaie unter den Gründervätern von Aginter Press, der später sagte:

Wir agierten gegen die Kommunisten und gegen den bürgerlichen Staat, gegen die

Demokratie, die uns unserer Freiheit beraubten. Wir wurden als Kriminelle angesehen, doch in Wirklichkeit waren wir die Opfer einer liberalen antifaschistischen Bewegung. Deshalb wollten wir unsere Vorstellungen öffentlich machen, wir wollten auf der ganzen Welt gehört werden. Im Alter von 30 Jahren baute Delle Chiaie Mitte der 60er Jahre zusammen mit Guerin Serac und der Unterstützung der CIA die geheime Aginter-Armee auf.

Zusammen mit meinem französischen Freund [Guerin Serac] entschloß ich mich damals [1965], die Presseagentur Aginter Press aufzubauen, um unsere politischen Ansichten verteidigen zu können.9 In den folgenden Jahren wurde Delle Chiaie der vielleicht brutalste Rechtsterrorist, der aktiv am globalen geheimen Krieg teilnahm. In Italien beteiligte er sich an Staatsstreichen und Massakern, auch an dem Massaker auf der Piazza Fontana im Jahr 1969, und in Lateinamerika errichtete er zusammen mit dem Nazi Klaus Barbie, dem »Schlächter von Lyon«, rechtsgerichtete Diktaturen.10 Der Aginter-Direktor Guerin Serac beschrieb die geheime antikommunistische Armee:

Wir hatten zwei Arten von Männern: (1) Offiziere, die aus den Kämpfen von Indochina und Algerien kamen, und einige, die nach der Schlacht um Korea zu uns kamen. (2) Intellektuelle, die während dieser Zeit ihre Aufmerksamkeit dem Studium der Techniken der marxistischen Subversion widmeten. Diese Intellektuellen, so beobachtete Guerin Serac, hatten Studiengruppen gebildet und sammelten Erfahrungen,

um die Techniken der marxistischen Subversion zu analysieren und zu verstehen, um danach die Basis für Kontertechniken zu legen. Der Kampf, das war Guerin Serac klar, mußte in vielen Ländern geführt werden:

In dieser Zeit haben wir systematisch enge Kontakte zu gleichdenkenden Gruppen geknüpft, die in Italien, Belgien, Deutschland, Spanien oder Portugal entstanden. Wir wollten die Saat für eine echte westliche Liga des Kampfes gegen den Marxismus legen.11 Da viele geheime Soldaten direkt von Kriegsschauplätzen kamen, hatten sie und vor allem ihre Ausbilder, darunter auch Guerin Serac, nur wenig Respekt vor und auch wenig Kenntnisse über gewaltlose Konfliktlösungen. Guerin Serac selbst, aber auch viele andere, waren davon überzeugt, daß, um den Kommunismus in Westeuropa zu besiegen, geheime terroristische Aktionen notwendig seien. Ohne im Einzelnen auf die als Ziel auserkorenen Staaten einzugehen, erklärte er:

In der ersten Phase unserer politischen Aktivität müssen wir in allen Strukturen des Regimes ein Chaos anrichten. Zwei Formen des Terrorismus können eine solche Situation schaffen: der blinde Terrorismus (wahllos Massaker anrichten, die möglichst viele Opfer fordern) und der selektive Terrorismus (bei dem ausgewählte Personen eliminiert werden). In jedem Fall muß der Terror von der extremen Rechten geheim ausgeübt werden, weil damit die Linke beschuldigt werden kann, wie der Meister und die graue Eminenz des antikommunistischen Terrors betonte:

Die Zerstörung des Staates muß so weit wie nur möglich unter dem Deckmantel kommunistischer Aktivitäten durchgeführt werden. Die terroristischen Angriffe der geheimen Armeen sind als Mittel gedacht, die amtierende Regierung zu diskreditieren und sie nach rechts zu zwingen:

Danach müssen wir im Herzen des Militärs, der juristischen Gewalt und der Kirche eingreifen, um so die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Wir müssen eine

Lösung vorschlagen und deutlich die Schwäche des gegenwärtigen legalen Apparates aufzeigen. Die öffentliche Meinung muß in einer Weise polarisiert werden, daß wir als das einzige Instrument angesehen werden, das in der Lage ist, die

Nation zu retten. Es ist offensichtlich, daß wir ansehnliche finanzielle Quellen benötigen, um derartige Operationen durchzuführen.12 Die CIA und Salazars militärischer Geheimdienst PIDE stellten das Geld für den Terrorismus von Hauptmann Guerin Serac zur Verfügung. Ein Aginter-Dokument mit dem Titel »Unsere politischen Aktivitäten« vom November 1969 wurde Ende des Jahres 1974 gefunden. Es beschreibt, wie ein Land mit geheimer Kriegsführung angegriffen werden kann:

Es ist unsere Überzeugung, daß die erste Phase politischer Aktivität Bedingungen generieren muß, welche die Schaffung von Chaos in allen Strukturen des Regimes ermöglichen. Als wesentlichste Komponente der Strategie mußte die angewandte Gewalt den Kommunisten angelastet werden können, und dazu mußten falsche Spuren gelegt werden:

Unserer Ansicht nach sollte der erste Schritt zur Zerstörung der Struktur des demokratischen Staates unter dem Deckmantel kommunistischer und pro-chinesischer Aktivitäten vollzogen werden. Das Dokument betonte weiter, daß linke militante Gruppen infiltriert werden müssen, und

offenbar müssen wir unsere Aktionen auf die Ethik des Umfeldes abstimmen –

Propaganda und Aktionen, die so aussehen, als ob sie von unseren kommunistischen Gegnern stammten. Solche Aktionen unter falscher Flagge, folgerten die geheimen Soldaten, »werden eine feindselige Stimmung gegenüber denen schaffen, die den Frieden eines jeden Einzelnen und jeder Nation bedrohen«, das heißt gegenüber den Kommunisten. Während der ersten Phase von Aginter Press war eine der wichtigsten Bestrebungen ihrer Offiziere und der ausgebildeten Söldner und Terroristen, die nationalen Guerilla-Befreiungsbewegungen, die in den portugiesischen Kolonien operierten, zu schwächen und zu zerstören. So war der erste Schauplatz der Aktionen der Aginter Press nicht Europa, sondern Afrika, wo Portugal in seinen Kolonien gegen die nationalen Befreiungsbewegungen kämpfte. Aginter schickte die Leiter der Operationen in die Länder, die an das portugiesische Afrika grenzten.

Zu ihren Zielen gehörte die Liquidation der Anführer der Befreiungsbewegungen, die Infiltration, der Einsatz von Informanten und Provokateuren und der Einsatz falscher Befreiungsbewegungen.14 Die geheimen Kriege wurden in Koordination mit der PIDE und anderen Abteilungen der portugiesischen Regierung durchgeführt.

Aginter hatte unterzeichnete Verträge mit der PIDE zur Durchführung spezieller

Operationen und Spionagemissionen.15 Zu den wohl prominentesten Opfern der politischen Attentate, die von Aginters Geheimsoldaten in Portugal und den Kolonien ausgeführt wurden, gehörten angeblich Humberto Delgado, der portugiesische Oppositionsführer, Amilcar Cabral, einer der führenden Revolutionäre Afrikas, und Eduardo Mondlane, Vorsitzender und Präsident der mosambikischen Befreiungspartei und der Bewegung FRELIMO (Frente de Liberacao de Mocambique), der im Februar 1969 in der Kolonie Mosambik ermordet wurde.16 Trotz der angewendeten Brutalität konnte Portugal nicht verhindern, daß seine Kolonien

unabhängig wurden. Goa wurde 1961 ein Teil Indiens. Guinea-Bissau wurde 1974 unabhängig. Angola und Mosambik erreichten 1975 ihre Unabhängigkeit, während Osttimor noch im selben Jahr von Indonesien besetzt wurde. Neben den Kolonialkriegen beeinflußte Aginter die geheimen Kriege gegen die Kommunisten in Westeuropa. Die bis heute verfügbaren Dokumente zu den Stay-behind-Armeen der NATO und dem geheimen Krieg in Westeuropa lassen vermuten, daß die Aginter Press aus Lissabon mehr als jede andere Armee für die Brutalität und das Blutvergießen in Portugal und darüber hinaus verantwortlich war. Die Geheimsoldaten der Aginter Press gingen mit einer ganz speziellen Mentalität ans Werk. Anders als beispielsweise die geheimen Soldaten der Schweizer P26 oder der norwegischen Stay-behind ROG waren die Angehörigen der portugiesischen Stay-behind Aginter Press an echten Kriegen in den Kolonien beteiligt, töteten wiederholt und wurden von einem Hauptmann angeführt, der Gewalt als das Mittel der Wahl betrachtete, um Konflikte zu lösen, nachdem er in Vietnam, Korea und in Algerien gedient hatte. Die wahrscheinlich am besten dokumentierte Greueltat, die von geheimen Soldaten in ihrem antikommunistischen Kampf in Westeuropa ausgeführt wurde, ist der Terroranschlag auf der Piazza Fontana, der Italiens politische Hauptstadt Rom und Italiens industrielle Hauptstadt Mailand kurz vor Weihnachten am 12. Dezember 1969 traf. An diesem Tag explodierten in Rom und Mailand vier Bomben, die 16 Zivilisten wahllos töteten, hauptsächlich Bauern, die nach einem Tag auf dem Markt ihre bescheidenen Verdienste in der Banca nationale dellʼAgricultura an der Piazza Fontana in Mailand einzahlen wollten. 80 Personen wurden verstümmelt und verwundet. Eine Bombe auf der Piazza Fontana explodierte nicht, weil der Zeitzünder versagt hatte, doch nachdem der italienische militärische Geheimdienst SID zusammen mit der Polizei am Schauplatz eintraf, wurden die kompromittierenden Beweise sofort zerstört, und die Bombe wurde nach ihrer Entdeckung gezündet. Der Terroranschlag wurde genau nach den Strategien der geheimen Kriegsführung durchgeführt, so wie Guerin Serac es skizziert hatte. Der italienische militärische Geheimdienst gab die Schuld für das Massaker den Linken, platzierte Teile der Bombe als Beweis in der Villa des bekannten linken Verlegers Giangiacomo Feltrinelli und verhaftete sofort zahlreiche Kommunisten.17 Ein geheimer interner Bericht des italienischen militärischen Geheimdienstes SID vom 16. Dezember 1969 hatte bereits zur Zeit der Terroranschläge von Rom und Mailand vermutet, daß diese von der politischen Rechten unter Mithilfe der CIA ausgeführt worden seien.18 Dennoch sollte die italienische Öffentlichkeit glauben, daß die starken italienischen Kommunisten angefangen hätten, mit Gewalt nach der Macht zu greifen. Wahrscheinlich wurde der Terroranschlag von den italienischen rechtsradikalen Gruppen Ordine Nuovo und Avanguardia Nazionale ausgeführt, die eng mit den Stay-behind-Armeen im geheimen Krieg zusammenarbeiteten. Der italienische Rechtsextremist Guido Giannetti, der an dem Anschlag direkt beteiligt war, kooperierte eng mit der Lissabonner Aginter Press. »Bei diesen Untersuchungen haben sich Fakten ergeben, welche die Verbindungen zwischen Aginter Press, Ordine Nuovo und Avanguardia Nazionale bestätigen«, erklärte der Richter Salvini den italienischen Senatoren, die den geheimen Krieg in Italien und darüber hinaus untersuchten.

Es wurde bekannt, daß Guido Giannetti seit 1964 Kontakte zu Guerin Serac in

Portugal hatte. Außerdem wurde bekannt, daß Ausbilder von Aginter Press zwischen 1967 und 1968 nach Rom kamen und die militanten Mitglieder der Avanguardia Nazionale im Gebrauch von Sprengstoffen ausgebildet hatten. Richter Salvini folgerte, daß auf der Grundlage der verfügbaren Dokumente und Zeugenaussagen sich abzeichnen wird, daß die CIA-Fassade Aginter Press bei Operationen der geheimen Kriegsführung in Westeuropa eine entscheidende Rolle gespielt hat und die großen Terroranschläge mitinitiierte, welche die Kommunisten in Italien diskreditieren sollten.19

Diese Tatsache wurde durch eine umfassende Zeugenaussage im März 2001 bestätigt. General Giandelio Maletti, der frühere Chef der italienischen Spionageabwehr, sagte im

Rahmen einer Gerichtsverhandlung gegen Rechtsradikale aus, die wegen Mordes an 16 Menschen an der Piazza Fontana angeklagt wurden:

Die CIA wollte auf Anordnung ihrer Regierung ein nationalistisches Italien, das in der Lage war, einen, wie sie glaubten, Linksruck zu bremsen. Zu diesem Zweck könnte die CIA rechtsextremen Terrorismus eingesetzt haben. Dies war eine sehr weitreichende Zeugenaussage, die besagte, daß die CIA eine terroristische Organisation ist. Maletti:

Vergessen Sie nicht, daß Nixon im Amt war, und Nixon war ein eigenartiger

Mensch, ein intelligenter Politiker, aber ein Mann mir ziemlich ungewöhnlichen

Initiativen.20 Der italienische Richter Guido Salvini bestätigte, daß die Spuren zu einem »ausländischen Geheimdienst« führen. »Meinen Sie mit dem ausländischen Geheimdienst die CIA?«, fragten italienische Journalisten, worauf Salvini vorsichtig antwortete:

Wir können sagen, daß wir sehr wohl wissen, wer bei den Vorbereitungen auf die

Terroranschläge geholfen hat und wer gleichzeitig mit am selben Tisch saß, von dem aus die Befehle zu den Anschlägen erteilt wurden. Das ist die Wahrheit.21 Hauptmann Guerin Serac, der in Italien gegen den Kommunismus kämpfte, wies darauf hin, daß der Kampf gegen den Kommunismus weltweit geführt werden müsse. Deshalb beteiligten sich Aginter-Kämpfer, einschließlich des Amerikaners Jay Sablonsky, zusammen mit der CIA und den Spezialeinheiten der Green Berets am berüchtigten Gegenterror von 1968 bis 1971 in Guatemala, bei dem etwa 50.000 Menschen, meist Zivilisten, getötet wurden. Außerdem waren Aginter-Kämpfer 1973 in Chile anwesend, als die CIA den gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende stürzte und ihn durch den rechtsgerichteten Diktator Augusto Pinochet ersetzte. Aus dem sicheren Hafen der portugiesischen rechten Diktatur konnte Aginter seine geheimen Soldaten in viele Gebiete der Welt entsenden. Das änderte sich erst, als im Mai 1974 Portugals »Blumenrevolution« endlich die Diktatur beseitigte und den Weg für die Umwandlung des Landes zu einer Demokratie bereitete. Die geheimen Soldaten von Aginter wußten, daß das Überleben der Organisation vom Überleben der rechten Diktatur abhängig war. Nachdem sie erfahren hatten, daß linksgerichtete Offiziere innerhalb des portugiesischen Militärs einen Putsch planten, um so die »Blumenrevolution« zu beginnen, verschworen sich die Aginter-Aktivisten mit dem rechten General Spinola gegen die portugiesischen Gemäßigten. Ihr Plan war es, die portugiesischen Azoren im Atlantik zu besetzen und sie als unabhängiges Territorium und als Hochseebasis für verdeckte Operationen gegen das portugiesische Festland zu benutzen. Sie konnten ihren Plan jedoch nicht ausführen, und damit wurde Aginter zusammen mit der Diktatur hinweggefegt, als die linken Militärs am 1. Mai 1974 die Macht übernahmen und die Diktatur beendeten, die fast ein halbes Jahrhundert angedauert hatte. Drei Wochen nach dem revolutionären Putsch am 22. Mai 1974 brachen Spezialeinheiten der portugiesischen Polizei auf Befehl der neuen Regenten in das Hauptquartier der Aginter Press in der Rua das Pracas in Lissabon ein, um diese unheimliche Agentur zu schließen und das gesamte Material zu konfiszieren. Doch bis dahin waren die Räumlichkeiten schon verlassen. Wegen der guten Beziehungen zu den Geheimdiensten wurden alle Aginter-Press-Agenten gewarnt und waren in den Untergrund abgetaucht, bevor sie jemand festnehmen konnte. Weil die Büros in Eile verlassen wurden, hatte man einige Dokumente zurückgelassen. Die Spezialeinheiten der Polizei konnten viele Beweise für Verbrechen sammeln, die bewiesen, daß die CIA-Fassade Aginter Press sich aktiv an Terroranschlägen beteiligt hatte. Als die junge Demokratie versuchte, mit dem Sicherheitsapparat fertig zu werden, den die Diktatur hinterlassen hatte, wurden sowohl der militärische Geheimdienst PIDE als auch die Legiao Potuguesa aufgelöst. Die »Kommission zur Auflösung der PIDE und

der Legiao Potuguesa« (Comissao de Extincao da PIDE e da Legiao) erkannte schnell, daß die PIDE mit der Unterstützung der CIA unter dem Namen Aginter Press eine geheime Armee unterhalten hatte, und forderte, daß ihr alle Aginter Press betreffenden Akten übergeben würden, die bei der Durchsuchung von deren Hauptquartier gefunden wurden und die alle relevanten Beweise enthielten. Die Geschichte der geheimen Armee Portugals sollte erstmals untersucht werden, als die Akten plötzlich verschwanden. Jahre später schrieb die portugiesische Tageszeitung O Jornal in ihrem Artikel über das Gladio-Netzwerk mit großem Bedauern:

Das Dossier Aginter Press war der Kommission zur Auflösung der PIDE und der

Portuguese Legion entwendet worden und danach verschwunden.23 Wie konnte dies geschehen? Weshalb war die Kommission nicht sorgfältiger mit diesen sensiblen Daten umgegangen? Der italienische Journalist Barbachetto des in Mailand erscheinenden Politikmagazins LʼEuropeo erinnerte sich später:

Drei meiner Kollegen waren damals während der Beschlagnahme des Aginter-Archivs anwesend. Es gelang ihnen, Fotos von Teilen, nur sehr kleinen Teilen, der umfangreichen beschlagnahmten Daten zu machen. Unter dem Titel »Mafia« oder »Deutsche Geldgeber« verwiesen die konfiszierten Dokumente auf die Decknamen der Unterstützer von Aginter, wie sich Barbachetto erinnert:

Die Dokumente wurden von den portugiesischen Militärs vernichtet, weil sie offensichtlich diplomatische Komplikationen mit den Regierungen in Italien,

Frankreich und Deutschland befürchteten, wenn die Aktivitäten von Aginter in den verschiedenen europäischen Ländern aufgedeckt würden.24 PIDE wurde durch einen neuen militärischen Geheimdienst unter dem Namen SDCI ersetzt, der die geheime Aginter-Armee untersuchte und folgerte, daß die geheimnisvolle Organisation vier Aufgaben hatte. Erstens war Aginter eine

Spionageagentur, die von der portugiesischen Polizei geführt wurde, mit guten internationalen Kontakten zur CIA, dem westdeutschen BND oder der »Organisation Gehlen«, der spanischen Direccion General De Seguridad, Südafrikas BOSS und später zur griechischen KYP. Neben der Sammlung geheimdienstlicher Informationen fungierte Aginter zweitens als ein

Zentrum für die Anwerbung und die Ausbildung von Söldnern und Terroristen, wobei man sich auf Sabotage und Attentate spezialisierte. Drittens war Aginter

ein strategisches Zentrum für neofaschistische und rechtsradikale politische Indoktrination in Afrika südlich der Sahara, in Südamerika und in Europa, in Verbindung mit einer Reihe von nahezu faschistischen Regimen, bekannten rechtsgerichteten Personen und international aktiven neofaschistischen Gruppen. Viertens war Aginter eine geheime antikommunistische Armee. Eine

internationale faschistische Organisation mit dem Namen »Ordnung und Tradition« mit einem heimlichen paramilitärischen Ableger, der OACI, »Organisation

Armée contre le Communisme International«, genannt wurde.25 Nach dem Fall der portugiesischen Diktatur waren Guerin Serac und seine militanten Antikommunisten ins benachbarte Spanien geflohen und richteten ihr Hauptquartier unter dem Schutz von Franco in Madrid neu ein. Entsprechend ihrem Geschäft kamen die geheimen Soldaten der Aginter als Gegenleistung für das Asyl mit Francos Geheimdienst überein, führende Mitglieder der baskischen Terrorgruppe ETA zu jagen und zu

ermorden. Außerdem setzten sie ihre heimlichen Operationen im Ausland fort, unter anderem versuchten sie die algerische Befreiungsbewegung zu diskreditieren. »Ich kann Ihnen ein weiteres interessantes Beispiel liefern«, sagte der italienische Richter Salvini den italienischen Senatoren, worauf er erklärte, daß die Gruppe von Guerin Serac im Jahr 1975 von ihrem spanischen Stützpunkt aus, zusammen mit dem Amerikaner Salby und militanten Franzosen, Italienern und spanischen Rechtsradikalen, eine Reihe von Bombenanschlägen organisiert hatte, wobei er immer das Zeichen SOA hinterließ, das auf die »Algerische Opposition« verwies, um die algerische Opposition zu diskreditieren. »Die Bomben wurden in den algerischen Botschaften in vier verschiedenen Ländern gelegt, in Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien« und ließen die algerische Opposition schlecht aussehen, während

die Bombenanschläge in Wirklichkeit von der Gruppe um Guerin Serac ausgeführt wurden, der so seine enormen Fähigkeiten in Tarnung und Infiltration demonstrierte. Die Bombe vor der algerischen Botschaft in Frankfurt explodierte nicht und wurde von der deutschen Polizei akribisch untersucht. Richter Salvini hob hervor:

Um die Verbindungen von Guerin Serac und Aginter Press zu verstehen, ist es wichtig, die komplexe Herstellung der Bombe zu beachten. Sie enthielt C4, einen

Sprengstoff, der ausschließlich von den amerikanischen Streitkräften angewendet wird und noch nie bei anarchistischen Bombenanschlägen benutzt wurde.

Ich wiederhole, es war eine technisch sehr ausgereifte Bombe. Daß Aginter C4 zur Verfügung stand, zeigt sicherlich, welche Kontakte sie hatte.26 Als die spanische rechte Diktatur mit dem Tod des Diktators Franco am 20. November 1975 zusammenbrach, waren Guerin Serac und seine Geheimarmee wieder zur Flucht gezwungen. Die spanische Polizei nahm sich für die Untersuchung dessen, was Aginter hinterlassen hatte, viel Zeit und führte erst im Februar 1997 eine Razzia in der Calle Pelayo 39 in Madrid durch, wo sie im Hauptquartier der Aginter Waffenverstecke mit Gewehren und Sprengstoffen fand. Zu dieser Zeit hatten Delle Chiaie, Guerin Serac und ihre Geheimsoldaten Europa schon lange verlassen und waren in Lateinamerika untergetaucht, wo viele von ihnen im von Pinochet regierten Chile eine neue sichere Operationsbasis fanden. Guerin Serac wurde im Jahr 1997 letztmals in Spanien gesehen.27 Die geheime und mysteriöse antikommunistische Armee in Portugal weckte noch einmal die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, als Ende des Jahres 1990 der italienische Premierminister Giulio Andreotti aufdeckte, daß die mit der NATO verbundenen Staybehind-Armeen in Italien auch in anderen Ländern existierten. Am 17. November 1990 erreichten die europäischen Entdeckungen Lissabon, wo die portugiesische Tageszeitung Expresso unter der Schlagzeile »Gladio – Die Soldaten des Kalten Krieges« berichtete.

Der Skandal hat die Grenzen Italiens überschritten, und bis jetzt wurde die Existenz des geheimen Gladio-Netzwerks offiziell von Belgien, Frankreich, Holland, Luxemburg, Deutschland bestätigt – halboffiziell von Schweden, Norwegen, Dänemark, Österreich, Schweiz, Griechenland, Türkei, Großbritannien und Portugal. 28 Höchst besorgt erklärte der portugiesische Verteidigungsminister Fernando Nogueira am 16. November 1990 der Öffentlichkeit, daß er von der Existenz irgendeiner Abteilung der Gladio-Armee in Portugal keine Kenntnis habe, und behauptete, daß weder in seinem Verteidigungsministerium noch im Generalstab der portugiesischen Streitkräfte »irgendwelche Informationen hinsichtlich der Existenz oder Aktivität einer Gladio-Struktur in Portugal« existierten.29 Die portugiesische Zeitung Diario De Noticias bedauerte, daß

die lakonische Erklärung, die jetzt von Fernando Nogueira vorgebracht wurde, in gewisser Weise durch frühere Verteidigungsminister wie Enrico de Melo und Rui

Machete, aber auch von Franco Nogueira [ehemaliger Außenminister] und Marschall

Costa Gomes bestätigt wurde, die der Diario De Noticias gegenüber erklärten, daß sie von dieser Sache absolut nichts wissen. Auch oppositionelle Parlamentarier im parlamentarischen Verteidigungsausschuß vertreten diese Position.30 Costa Gomes, der ehemalige Verbindungsoffizier zur NATO, beharrte darauf, daß er nichts von einem mit der NATO in Verbindung stehenden geheimen Netzwerk wisse, »trotz der Tatsache, daß ich zwischen 1953 und 1959 an allen Versammlungen der Allianz teilgenommen habe«. Gleichzeitig gestand er jedoch ein, daß eine portugiesische Gladio mit der PIDE oder gewissen Personen in Verbindung gestanden haben könnte, die aber keine Regierungsmitglieder waren, und erklärte:

Solche Verbindungen, wenn sie tatsächlich existierten, wären parallel zu den offiziellen Strukturen verlaufen und ihm deshalb nicht bekannt. Ähnlich wie Gomes behauptete Franco Nogueira, der unter Salazar Außenminister war und Kontakt zu NATO-Funktionären hatte:

»Ich hatte nie die geringste Ahnung, daß diese Organisation existierte. Nicht einmal während meiner Zeit als Außenminister, als ich Kontakt zu NATO-Funktionären hatte, und auch nicht danach. Er erklärte, wenn Gladio in Portugal aktiv gewesen wäre, »würde Dr. Salazar mit Sicherheit davon gewußt haben«. Natürlich hätte Salazar, wie Nogueira unterstellte, diese Information auch an seinen Außenminister weitergegeben:

Es wäre für mich sehr schwierig, mir vorzustellen, daß das Netzwerk Verbindungen zur PIDE oder zur Legiao Portuguesa hatte. Deshalb bin ich überzeugt, daß es Gladio in unserem Land nicht gegeben hat, doch natürlich ist im Leben alles möglich.31 Während Regierungsbeamte keine Informationen über den geheimen Krieg zur Verfügung stellen konnten, kritisierte die portugiesische Presse, daß »offensichtlich verschiedene europäische Regierungen ihre Geheimdienste nicht kontrolliert haben«, und verurteilte die NATO, weil sie eine

Doktrin des begrenzten Vertrauens verfolgt habe. Eine solche Doktrin behauptet, daß bestimmte Regierungen nicht ausreichend gegen Kommunisten vorgehen und es deshalb nicht wert seien, über die Aktivitäten der geheimen Armee der

NATO informiert zu werden.32 Lediglich ein hochrangiger portugiesischer Offizier war bereit, Teile des Geheimnisses zu lüften, wenn sein Name nicht genannt würde. Ein portugiesischer General, der auch Vorsitzender des portugiesischen Generalstabs war, bestätigte gegenüber O Jornal, daß

tatsächlich ein paralleler Aktions- und Informationsdienst in Portugal und seinen

Kolonien existiert hat. Die Finanzierung und das Kommando lagen nicht bei den

Streitkräften, doch unterstand er dem Verteidigungsministerium, dem Innenministerium und dem Ministerium für koloniale Angelegenheiten. Dieser parallele

Aktions- und Informationsdienst, versicherte der General, stand auch in direkter

Verbindung zur PIDE und der Legiao Portuguesa.33 Es gab keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der sich dieser Affäre annahm, geschweige denn einen parlamentarischen Bericht, und es blieb somit bei diesen vagen Informationen.

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