No. 1/2017 Januar/Februar 7. Jahrgang
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KROKUS GOTTHARD THE ROLLING STONES EMELIE SANDE BROILERS NEIL YOUNG DROPKICK MURPHYS KANSAS YOU ME AT SIX BETONTOD BLACK STAR RIDERS BLACKFIELD, OVERKILL, 2BAD, TEDESCHI TRUCKS BAND, CLUTCH FUELED BY GRACE, BRIAN WILSON, THE QUIREBOYS, DESTRUCTION
Mille Petrozza
Inhalt KREATOR
28
FEATURES / INTERVIEWS: - YOU ME AT SIX
4
Bereit für den grossen Sprung
- EMELIE SANDE
9
Zurück aus der Isolation
- BROILERS
10
So und nicht anders
1985 erschien das erste Album der deutschen Metal-Institution. Jetzt, über 30 Jahre später, zeigt sich die Truppe um Bandchef Mille Petrozza ungebrochen innovativ und ohne jegliche Ermüdungserscheinungen, was das neue Album «Gods Of Violence» eindrücklich beweist.
- NEIL YOUNG
14
Knurriges Engagement
- KANSAS
16
Es geht weiter
- BETONTOD
18
Durchhaltevermögen
KROKUS
40
- DROPKICK MURPHYS
20
Boston Shamrocks
- BLACKFIELD
22
Prog Genies
- THE ROLLING STONES
24
Immer höher, immer weiter
- BLACK STAR RIDERS
26
Lynotts Vermächtnis
Mit dem neuen Album «Big Rocks» haben sich die Solothurner einen Herzenswunsch erfüllt. Eine Sammlung von Songs, die das Leben der Rocker massgeblich geprägt haben - neu aufgelegt im Krokus-Stil. Chris von Rohr und Fernando von Arb stellten sich im Gespräch mit TRACKS kritischen Fragen zum Release des neuen Albums.
- OVERKILL
36
Die Schleifer kommen
- TEDESCHI TRUCKS BAND50 Familienangelegenheit
Schweizer Szene: - 2BAD
45
Spätstarter
- FUELED BY GRACE
49
China Böller
GOTTHARD
46
Die Tessiner Rocker feiern Silberhochzeit: 25 Jahre Gotthard! Passend zum Jubiläum haben sie das neue Album «Silver» getauft und liefern hier wieder alles, was das Quintett zu einer der erfolgreichsten europäischen Melodic-Rocker gemacht hat.
Reviews 6 Mainstream/Indie/Alternative Herbert Grönemeyer, Michael Bublé, Alicia Keys, Eric Clapton, Iggy Pop, Leonard Cohen, Sohn...
34
Hard/Heavy/Metal Accept, Cry Of Dawn, Glenn Hughes, Metallica, Navarone, Overkill, Phil Campbell, Pretty Maids...
44
Swiss Annakin, Bölzer, Katharina Busch, Polo Hofer, Toby Gmür, Roli Frei & Soulful Desert...
50
Blues Seasick Steve, Mike Zito, Left Lane Cruiser
LIVE REVIEWS - BRIAN WILSON - THE QUIREBOYS - CLUTCH - DESTRUCTION
51
56 57 58 59
DVD/BluRay Mötley Crüe, The Everly Brothers
52
ReReleases Otis Redding, Temple Of The Dog, Clutch, Silverhead, Girlschool, Lonnie Donegan & Leinemann, Eclection
54
Buch Pink Floyd, Bruce Springsteen, Johnny Cash, Alice Cooper Group, Haudegen
60 62
Konzertkalender Wettbewerb / Impressum
3
Keine falsche Bescheidenheit
Nicht alles, was in Großbritannien als Rock-Sensation gefeiert wird, schafft auch international den Durchbruch. You Me At Six schon. Mit „Night People“ haben die Engländer endgültig das nötige Rüstzeug für den großen Sprung in der Tasche. Und wissen das auch ganz genau.
bs. You Me At Six sind eine Band, wie sie in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends hundertfach aus Englands fruchtbarem Musikboden sprießte. Mit einem kleinen, aber feinen Unterschied, der aus dieser Band zwölf Jahre nach ihrer Gründung eine der erfolgreichsten Rock-Gruppen des Landes gemacht hat: Sie wussten immer schon, was sie wollten, wussten immer schon, dass sie ganz nach oben gehören. Das mag man als Arroganz abtun. Oder aber als gesundes
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Vertrauen in ihre kreativen Fähigkeiten sehen. Ein Blick in ihre Vita gibt ihnen recht. An den Start gegangen als problembehaftete Post-Hardcore-Kids, haben sie sich längst freigespielt von Erwartungen und Konventionen, erhielten für ihre ersten drei Platten Gold, für die letzte Silber samt Pole Position in den UK-Charts. „Wir wollten immer schon ganz nach oben, allerdings aus den richtigen Gründen“, bekennt Basser Matt Barnes freimütig.
Was diese richtigen Gründe sind, kann er natürlich auch beantworten: „Wir besuchten alle die Musikhochschule in Weybridge und mussten uns schon in der Einführungsveranstaltung mit Leuten herumschlagen, die nur hier waren, weil sie weltberühmte Rockstars werden wollten. Ich dachte mir damals schon: Ihr Vollidioten!“ Natürlich, berichtet er nicht ohne Genugtuung, wurde aus niemanden etwas. „Was ja nur wieder zeigt, dass man das lieben sollte, was man tut, und nur deswegen Songs schreiben sollte, wenn man das auch wirklich will.“ Die fünf jungen Engländer wollen es. Nicht um jeden Preis, dafür aber von ganzem Herzen. Stetig ging es bergauf, ein Türchen nach dem anderen öffnete sich, langsam wurden die Clubs zu Hallen und die Hallen größer. „Wir reiften langsam, aber sicher zu einer festen Größe heran, anstatt von heute auf morgen im Olymp zu landen. Das war uns sehr wichtig – ein homogenes Wachstum, das uns genügend Zeit für unsere Entwicklung gab und und sehr langlebig aufstellte. Wir wissen jetzt, was es bedeutet, in einer Band zu spielen, und sind bereit für alles, was jetzt kommen mag.“ Zumindest in Großbritannien stellt das You Me At Six im Vorfeld der Veröffentlichung von „Night People“ vor ein kleines Problem. „Was soll nach einer Nummer Eins noch kommen?“, fragt Barnes und beantwortet seine Frage dann gleich selbst. „Mir fällt auf, dass wir lange als Rock-Band wahrgenommen wurden und das PopLager uns mehr oder weniger den Zutritt verwehrte. Uns bedeuten solche Genregrenzen eh nichts, doch es schien lange Zeit so, als würden uns die Pop-Fans nicht haben wollen. War uns natürlich egal, wir kriegen trotzdem mehr und mehr von ihnen. Und irgendwann alle.“ Ja, diese Band macht keinen Hehl aus ihren Überzeugungen. Geht es nach dem Basser, sieht das jede Band so, alle anderen sind nur Heuchler. Angenehm ehrlich, diese Typen aus dem südenglischen Surrey. Und mit „Night People“ jetzt so arenatauglich wie nie. Große Songs, große Melodien, große Produktion und viel Mut zum Pop. „Wir ziehen viele Lehren aus jedem zurückliegenden Album“, sagt Barnes. „Nicht unbedingt, weil wir Dinge falsch oder richtig gemacht haben, sondern eher, weil wir uns stetig fortentwickeln und gewisse Dinge immer verbessern wollen. Diesmal schrieben wir also 60 Songs und wählten daraus zehn aus, um das Album lückenlos mit hoher Qualität zu füllen.“ Das war bisher anders. Für die ersten Platten schrieb die Band meinetwegen 16 Songs und nahm 14 davon auf. Diesmal wollte man aus sehr vielen Stücken die Perlen rausfischen und sie auf ein Album packen, das mit 35 Minuten das kürzeste der Karriere geworden ist. „Qualität statt Quantität zählt dieser Tage doch mehr denn je. Dank Spotify kann man kurz in einen Song reinhören und dann schon wieder weiterskippen. Man bekommt die Hörer nicht mehr so einfach zu fassen“, so der emsige Twitter-Nutzer, „also muss man alles auf eine Karte setzen und ein Album ohne Schwachstelle veröffentlichen.“ Das, so muss man gleich sagen, ist ihnen nicht geglückt. Dennoch fallen die hohe Qualität des Songmaterials und die wenigen Schwachstellen auf. Ebenso wie ein gewisser recht unenglischer Einfluss. „Wir nahmen in Nashville auf, was unterbewusst dazu geführt hat, dass tatsächlich einige dezente CountryElemente auf dem Album gelandet sind. Unsere zwölfsaitigen Gitarren waren nach Nashville-Vorbild gestimmt, was man natürlich auch hört. Ein toller Beigeschmack, wie ich finde.“ Und eine weitere kleine Stellschraube auf dem Weg zum unnachahmlichen Sound.
LIVE 15. März 2017 Zürich, Dynamo
REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative NORAH JONES Day Breaks
STING 57th & 9th Universal Music hef. Ein Gutmensch im positiven Sinne dieses Wortes war Gordon Sumner aka Sting eigentlich schon sein Leben lang. Das zeigte sich auch zum Jahrestag der Pariser Anschläge am 13. November, als Sting das Konzertlokal Bataclan rockte, wo die Anschlagserie startete. An 9/11 sass ich mit 80 Journalisten aus aller Welt auf Stings Weingut in der Toskana, wo der Meister zu einem Konzert geladen hatte, das aufgezeichnet wurde (die CD "All This Time" von 2001). Sting trat auf die Bühne und sagte, eigentlich kann ich heute nicht spielen. Im World Trade Center ist heute einer meiner besten Freunde ums Leben gekommen. Aber Ihr könnt bestimmen, ob das Konzert stattfindet. Wenn die Mehrheit jetzt aufsteht, spiele ich. Alle standen auf. Sting spielte, die Emotionen waren geradezu unbeschreiblich. Dieses erste Studio-Album mit neuen Sting-Songs seit 13 Jahren ist Sting in all seinen Facetten. Mit seinen langjährigen Mitstreitern Dominic Miller (Gitarre) und Vinnie Colaiuta (Schlagzeug) sowie mit diversen Studiogästen wie der TexMex-Band "The Last Bandoleros" gelang ihm nach jahrelangen Experimenten und Exkursen in anderen Gebieten endlich wieder ein Album alten Sting-Zuschnitts. Vor allem hört man viel Police heraus. Wenn man von Stings Schreibstau weiss, wenn er jeweils im Studio ein neues Album erfinden und aufnehmen sollte, dann versteht man auch, dass auf dem neuen Album nur gerade zehn neue Songs zu hören sind (drei davon zusätzlich mit anderen Mixes). Diesmal freilich soll alles viel lockerer von der Hand gegangen sein, wie es Sting selber erklärt. "Es entstand alles sehr schnell, sehr spontan. Ich möchte bei den Aufnahmen immer sowohl meine Mitmusiker als auch mich selber überraschen. Schön, wenn das dann auch mit den Zuhörern gelingt." Diesbezüglich bestehen da wohl kaum Zweifel. Aus den ersten vier eher beschwingten ersten Liedern, die gleich einfahren und einem gleich mal das Gefühl geben, wow, endlich wieder Sting, werden spätere düsterere Songs wie auch das sehr melancholische "Inshallah". Mit dem intensiv gesungenen "Inshallah", arabisch: "so Gott will", thematisiert der Engländer die aktuelle Flüchtlingskrise aus humanitärer Sicht. "Es geht um die Suche und das Reisen, den Weg ins Unbekannte und Ungewisse", sagt Sting. "Letztendlich ist das Album sehr energisch und laut, aber auch gedankenvoll". Sting jedenfalls bringt sich so ein, wie ihn die Fans lieben und einige Kritker ihn genau deshalb auch runtermachen. Der Songtitel "I Can't Stop Thinking About You" könnte gleich auch als Parabel dafür herhalten, dass man immer gerne an Stings beste Songs, mit Police oder solo, zurückdenkt. Vieles hier ist deshalb so etwas wie ein déjà vu.
6
Blue Note/Universal hef. Ihre wunderbar weiche und variable Stimme ist das eine. Das andere, das mindestens so wichtige, ist ihre Art, Songs zu schreiben und diese zu interpretieren. Die Tochter von Sitar-Virtuose Ravi Shankar zeigt mit ihrem neuen Album ohne eigene Band den Variantenreichtum ihres SongRepertoires. Jazzig wird das Album von der Plattenfirma etikettiert. Etikettenschwindel trotz Jazz-Label Blue Note! Das ist schlicht alles, auch Jazziges natürlich, Smoothjazziges vor allem. Und swingender Pop mit rhythm'nbluesigen Passagen, die verzaubern. Die elf neuen Songs, acht davon selber geschrieben, dazu "Peace" von Horace Silver mit Sax-Solo von Wayne Shorter und "Don't Be Denied" von Neil Young, beide Songs über fünf Minuten lang, haben es in sich. Vor allem aus letzterem macht sie eine kommerzielle Hitnummer mit mehrstimmigem Gesang und feinem, rhythmischem Gebläse. Bei "Day Breaks" denkt man, hoffentlich hört dieser Titel nie auf, so einlullend lässt er abheben und träumen. Immer swingender, immer herzerwärmender die letzten drei Songs. Norah Jones, die auch lockerflockig Piano spielt, spielt die perfekte Musik, um sich hinzulegen und den Tag vor seinem geistigen Auge passieren lassen, um sich zu entspannen, entschleunigen, neue Kraft tanken.
ALICIA KEYS Here Sony Music hef. Ungezähmte Löwenmähne statt gestylte Streckfrisur, völlig ungeschminkt: Die New Yorkerin verzichtet bewusst auf Äusseres. Das hat auch mit ihrer neuen Musik auf ihrem sechsten Album zu tun. Sie ist offen wie ein grosses Buch. Nach vier Jahren ist "Here" eine Art Neubeginn. 15 Grammys hat sie bereits, beweisen muss sie niemandem mehr etwas. Also macht sie auch die Musik, die in ihr drin steckt. Bevor sie mit dem Songschreiben begann, schrieb sie auf einer Liste Themen auf, die sie ansprechen wollte. Es entstanden 18 neue Songs in verschiedenster musikalischer Stilvielfalt. Ob sie von den Fragen des menschlichen
Daseins singt oder von der Weltpolitik, ob sie ihre Seele öffnet oder einfach ihre Wut rausrappt – Alicia war lange nicht so gut. Weil sie eben konsequent ist. Sie sei im Hier und Jetzt angekommen. "Ich will das Gute sehen und das Hässliche, Schatten und Licht. Ich will die Wirklichkeit sehen, zu welchem Menschen ich in dieser Welt geworden bin. Message und Aussehen sind kongruent. "You are not niggers", sagt sie laut auch hier. "Where Do We Begin Now" ist pure Erotik. Ob im Sound von 1970er Soul, mit instrumentalen Interludes oder im OldSchool-Hip-Hop – "die Pflicht jedes Künstlers ist es, die Zeiten zu reflektieren." So wie es seit dem Beginn von Blues und Rock'n'Roll von den Besten immer wieder gehandhabt wird.
ROBBIE WILLIAMS The Heavy Entertainment Show Sony Music hef. Das Cover zeigt es schon an: Robbie Williams kämpft noch immer gegen sich selbst. Und gegen seine Dämonen, die er auf seinem elften Album besingt. Inzwischen 42jährig, verheiratet und Vater zweier Kinder, ist er ein liebenswerter Kindskopf geblieben. Aber Feuer im Hintern hat er noch immer. Abgespeckt kündigt er eine Tournee an, und die soll dem Albumtitel gerecht werden. "Let me entertain you", das hat er schon oft auch bei uns getan, und wie. Robbie hat sich auch wieder seinen alten Songschreib-Kumpel Guy Chambers ins Boot geholt und 16 neue Songs geschrieben. 11 davon sind auf der normalen CD, die anderen fünf auf der Deluxe-Version. Mit "Motherfucker" ist ihm ein Supersong gelungen, eine wahre StadionHymne. Typisch Schlitzohr Robbie überhöht er sich dabei augenzwinkernd selbst. "Ich bin stark, schön und frei. Ich bin wunderbar, ich bin magisch, ich bin ich, und ich liebe mein Leben, singt er. Dazu gesteht er: "Ich kenne meine Fehler. Und Gott weiss, dass ich nicht wenige machte. Daddy hat die Dämonen aus sich rausgelassen. Eines Tages werdet Ihr alt genug sein zu verstehen, dass Daddy ein böser Motherfucker war." Worte, die gleichzeitig als Mahnung an die Kinder gedacht sein sollen, später anständiger zu sein als ihr Daddy es war. Trotzdem galt Robbies Sorge, was seine Kinder anbe-
Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS trifft, auch seinem Albtraum, dass die beiden mal Spiessbürger werden könnten. Früher sei er 24 Stunden am Tag Popstar gewesen, resümiert Robbie sein früheres Leben. „Ich kam nie zur Ruhe. Jetzt habe ich Zucker, Sex, Porno, Internet, Alkohol und Drogen aus meinem Leben eliminiert, trinke nur noch Wasser. Ich habe meinen Lebenssinn als Familienvater gefunden. Seiner Musik jedenfalls hat es nicht geschadet. Und für seine musikalische Zukunft besteht Hoffnung. Am 2. September nächsten Jahres „entertaint“ Robbie das Zürcher Letzigrund-Stadion.
BRUNO MARS 24K Magic Warner Music hef. Den Überhit "Uptown Funk" mit Mark Ronson noch in aller Ohren und zum Glück immer noch in den Radios zu hören, zeigt das US-Wunderkind nach den Erfolgsalben "Doo-Wops & Hooligans" und "Unorthodox Jukebox" erneut seine grosse, einsame Klasse. Mit 30 hat er bereits über 100 Millionen Alben verkauft, gilt seither als erfolgreichster Solokünstler unserer Zeit. Doch der Mann aus Hawaii scheint kreativ kaum Grenzen zu kennen. Album Nr. 3 beginnt gleich mit einer Art Remake von "Uptown Funk", damit der Hörer gleich weiss, wo es lang geht. Rhythmisch und mit elektronischen Einschüben, spitzen Keyboards-Spielereien, die entsprechend fürs Abgehen sorgen, schmeissen sich Bruno und seine Gesangspartner die Worte gegenseitig zu, es groovt ohne Ende. Nach dem Up-tempoTitel "Chunky" dann der ultimative Hammersong "Perm". Da wird's sehr nostalgisch, hier leben die glorreichen 1960erSouljahre wieder auf. Wilson Picket, Sam & Dave, James Brown & Co. lassen grüssen, funkenstiebende und treibende Grooves, bei denen auf den Dancefloors wohl wie einst viel Schweiss fliessen wird. Zwischen Powersongs, schmachtigen Balladen und sanften R&B-Titeln wie "Versace On The Floor" zeigt Mars seine Vielseitigkeit, vor allem, dass er mehrere Genres perfekt beherrscht. Das alles kann man bald auch live in der Schweiz erleben. Am 12. Mai (Hallenstadion Zürich) und 14. Juni (Arena Genf) tritt Bruno Mars bei uns auf.
BARRY GIBB In The Now - Deluxe Universal hef. Unglaublich! Da hat der Mann als Kopf und Stimme der
Bee Gees zusammen mit seinen zwei inzwischen verstorbenen Brüdern Robin und Maurice Gibb Musikgeschichte geschrieben. Und nun veröffentlicht er nach "Now Voyager" von 1984 sein erst zweites SoloAlbum und das erste seit dem finalen Bee-GeesAlbum "This Is Where I Came In" von 2001. Wer jetzt FalsettGesänge und disco-ähnliche Klänge erwartet, der wird enttäuscht. Aber er wird überrascht, und zwar äusserst positiv. Das ist Musik voller Emotionen zum Träumen. Barry Gibb ist ein hervorragender Songwriter geblieben. Und seine Stimme ist "erwachsen" geworden. Weich, samtig und voller Gefühl wie einst zwar. Auch sein legendäres Tremolo ist zwischendurch zu hören. Aber die 15 neuen Songs sind wahre Sound-Wunderwerke. Co-produziert mit Karl Richardson, der von 1975 bis 1981 mit den Bee Gees arbeitete, sind Bee-Gees-Schnulzen anspruchsvollen Liedern gewichen. Songs, die das Herz erwärmen. Die meisten im sanften Groove, Balladen und zurückhaltende Up-tempo-Songs, "End Of The Rainbow" etwa mit vielen unter die Haut gehenden Molltönen und subtilen Gesangsharmonien. Oder "Meaning Of The World", ein sehnsüchtiges Liebeslied voller Gefühle, unglaublich einfühlsam gesungen. "Grey Ghost" psychedelisch, mit Sitar und Chören. Statt Maurice und Robin sind auf allen Songs Stephen und Ashley Gibb als CoSongwriter aufgeführt, Barrys Söhne. Die Familie funktioniert weiter.
CLIFF RICHARD Just... Fabulous Rock'n'Roll Sony Music hef. Rock'n'Roll lebt. The King is dead, the Prince is still alive. Der unverwüstliche Engländer Cliff, Ende 1950er Jahre als britischer Elvis lanciert, lässt es auch heute, mit 76 Jahren, noch krachen. "Blue Suede Shoes" sogar zusammen mit Elvis – im Duett. Das ist längst üblich, dass sich lebende mit verstorbenen Stars duellieren. "Move It" war 1958 Cliffs erster Nr. 1-Hit in seiner Heimat, hier auch mit drauf. Bis heute ist er populär geblieben, von der Königin sogar in den Adelsstand erhoben. Sir Cliff lässt musikalisch jedenfalls nichts anbrennen. Er rockt, was das Zeug hält, als ob seit damals nichts gewesen wäre. Ob "Sweet Little Sixteen", "Roll Over Beethoven"
Kolumne Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie von Christian Hug
Fitness-Musik Es gibt ja viele Gründe, ins Fitness-Center zu gehen. Man kann dort zum Beispiel seine Sprungmuskulatur für die nächste Mosh-Party aufpeppen, seinen Nacken für den Helikopter stärken oder seine Arme für das Schwermetall-Luftgitarrenspiel aufpumpen. Ich übe mich auf so einem Ergometer-Ding in Durchhaltewillen, damit ich mich weiterhin unbeschadet durch die grausame Flut miserabler Musik zu den paar edlen Perlen durchkämpfen kann. Das Problem im Fitness-Center ist, wie bekannterweise auch in jedem Einkaufs-Center und in jedem Parkhaus, die unsäglich blutleere Dummbatzmusik, die den ganzen Tag aus den Lautsprecherboxen kracht und wummert und sensitive Menschen wie mich am eigentlichen Training hindert. Natürlich hab ich dem Chef schon mehrmals vorgeschlagen, die Musik einfach abzustellen, doch der sagt dann immer, dass die Leute das so wollen. Nach mehreren Umfragen meinerseits ist mir aber noch niemand begegnet, der das so will. Ich weiss auch nicht, was da schiefläuft. Immerhin: Im Fitness-Center, wo ich hingehe, hat sich mir unverhofft eine ganz neue Musikwelt aufgetan. Denn das erwähnte Ergometer-Ding steht direkt unter einer Boxe, und wenn man sich dort eine Stunde abmüht, hat man genügend Zeit, genau hinzuhören. Zur neuen Musikwelt-Erkenntnis hat mich der Umstand geführt, dass die Boxen zwar korrekt vorne und hinten im Raum verteilt, aber falsch verkabelt sind. Deshalb klingt die Musik, wenn man sie nur aus einer Boxe hört, nach viel mehr als einer alten Aufnahme mit Stereo-Effekten. Sie klingt, als hätte der Mixer am Mischpult manche Kanäle offen und manche zu – und zwar nach Belieben: Im einen Song fehlen Gesang und Keyboard, im nächsten Gitarre, Bass und Gesang, dann wieder fehlen Geige und Gesang, während das Background-Chörli den Rest des Liedes trägt. Und plötzlich klingen Popsongs vollkommen neu. Allein schon ohne das nervtötende Geplärre von Katy Perry, Alicia Keys und Rihanna klingen deren Lieder angenehmer. Wenn dann auch im Zufallsprinzip weitere Klangspuren und Instrumente fehlen, entstehen Lieder, die eine geradezu loungige Atmosphäre verbreiten. Ja, genau, Lounge-Musik, dachte ich nach einer halben Stunde strampeln und zuhören, aber eben nicht so, wie Lounge-Musik funktioniert. Lounge-Musik funktioniert flächig, sie ist horizontal, indem mehrere Schichten von Klang übereinandergelegt werden. Ein Song hingegen funktioniert vertikal, indem sich eine Dynamik aus dem wechselwirkenden Einsatz von Instrumenten, Melodie und Gesang entwickelt. Was nun die eine Boxe der falsch verkabelten Anlage in meinem Fitness-Center von sich gibt, sind sozusagen horizontale Songs. Dynamische Lounge-Musik. Herrlich und spannend. Das wäre, dachte ich dann bei Minute 45, eine gute Idee für ein Album: Man spielt korrekte Popsongs ein, entfernt ihnen dann nach Belieben Tonspuren und veröffentlicht am Ende eine ganz neue Dimension von Pop, der nichts mit Remix zu tun hat und auch keine Lounge-Musik ist. Falls jetzt jemand auf die Idee gekommen ist, genau das zu tun und der Musikwelt eine neue Facette zu schenken: Ich bin gespannt auf das Ergebnis. Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.
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REVIEWS Mainstream/Rock/Indie/Alternative Pally’s kurz und knapp GURR- In My Head Zwei beste Freundinnen, eine Mission: Die Wahl-Berlinerinnen Andreya Casablanca & Laura Lee Jenkins produzieren auf ihrem Debüt «In My Head» «First Wave Gurrlcore». Riot Grrrls- vielleicht. Garagenrock – auf jeden Fall. Aufreiben der Welt. Kratzig, lärmiger Gitarrenpop, versüsst durch Ohs und Ahs. Da reitet «Moby Dick» auf einer Walnuss und «Computer Liebe» findet auf «Rollerskates» statt. Rasant, poppig, imposant, charmant. THE DIVINE COMEDY - Foreverland Nach einer Pause von sechs Jahren, die er n.a. mit Thomas Walsh (Pugwash) unter dem Namen The Duckworth Lewis Method verbrachte, ist der Ire Neil Hannon wieder als The Divine Comedy am Start. Das gleichnamige Debüt (2009) von The Duckworth Lewis Method war übrigens ein Konzeptalbum über Cricket (!?). «Foreverland» ist kein Konzeptalbum, aber irgendwie schon. Aus Frust über die Abwesenheit seiner Freundin, der irischen Musikerin und Schriftstellerin Cathy Davey (Sie war gerade sehr beschäftigt ein Tierschutz-Wohltätigkeitsprojekt zu organisieren), fing er an wehleidige Lieder zu schreiben. Zum Beispiel «How Can You Leave Me On My Own». «Wenn du gehst, werde ich zum Volltrottel», heisst es dort unter anderem. Zu Beginn besagten Songs ist übrigens der Esel Wayne zu hören. «Catherine The Great» ist halb Katharina der Grossen, halb seiner Freundin Cathy gewidmet. Und, um seinem Schmerz zu entfliehen, will Hannon sich dann auch noch der Fremdenlegion («I Joined The Foreign Legion (To Forget)» anschliessen. So ist «Foreverland» eine theatralische, weinerliche, opulente, übertriebene, herzerweichende, verspielte und auch immer wieder humorvolle und unterhaltsame Odyssee durch menschliche Beziehungen, musikalisch nicht in Watte, aber in Softpop, Chanson, Indiepop, Vaudeville und Musical gepackt. Am Schluss gibt es mit «The One Who Loves You» gar ein veritables Happyend. WHO IS LOUIS - Same Who Is Louis ist eine deutsch-dänische Freundschaft zwischen Greta Louis Schenk (Gesang, Songs), Bue Gundersen (Drums) und dem Keyboarder Niels Münster. Auf ihrem selbstbetitelten Debüt kreieren die drei atmosphärische, elektronische Soundlandschaften, die entrücken, bewegen, aufrütteln, immer wieder berühren und manchmal auch in die Beine fahren. THE PROPHET HENS - «The Wonderful Shapes Of Back Door Keys» Die «Prophetischen Hennen» sind eine neuseeländische Band um die beiden Sänger Penelope Esplin und Karl Bray. Auf ihrem Zweitling «The Wonderful Shapes Of Back Door Keys» offeriert das aus Dunedin stammende Quartett kratzig, naiv, holprigen Gitarren dominierten Indierock, der besser kommt, wenn Penelope Esplin am Mikrophon steht. Die, Yo La Tengo, die Bats (nicht zu verwechseln mit der deutschen Band The Bates) oder die Feelies hätten nur zum Teil Freude. CAMERA - Phantom Of Liberty Camera ist eine Berliner Band, die auf «Phantom Of Liberty» in der deutschen Vergangenheit wühlt. Der Synthesizer blubbert, der Beat hämmert stoisch und monoton und schräge Zwischentöne sorgen für experimentelle Irritationen. Krautrock ich hör dich trapsen. Die acht Instrumentalnummern bieten solide aber manchmal etwas spannungslose Rückschauen/Erinnerungen. Zweimal, im atmosphärischen «Festus» und dem punkigen «Nevernine» zeigen Camera, was möglich wäre. SLOW CLUB - One Day All Of This Won't Matter Anymore Die englische Duo Slow Club hat sich für ihr viertes Album « One Day All Of This Won't Matter Anymore» Matthew E. White als Produzenten geangelt. Charles Watson und Rebecca Taylor wollten sich weiterentwickeln, was sie ja auch auf ihren vorhergehenden Alben immer wieder getan haben. Der etwas sprunghafte Indiefolk und Indiepop ihrer Anfänge ist auf «One Day All Of This Won't Matter Anymore» einem offen immer wieder souligen Indie- und Dreampop gewichen. Etwas anbiedernd klingende Dance-Songs wie der Titeltrack von ihrem letzten Werk «Complete Surrender » (2014) sind glücklicherweise nicht zu finden. Die zwölf Songs klingen in sich stimmiger. Und mit «Silver Morning», «Come On Poet» und «Sweetest Grape On The Win» sind ein paar ihrer bis dato besten Songs auf «One Day All Of This Won't Matter Anymore» zu finden.
oder "Great Balls Of Fire/ Whole Lotta Shakin'" – die Studioband ist ohne Fehl und Tadel. Nur, und das gehört nun mal zum Rock'n'Roll, der Dreck fehlt. Saubermann Cliff, dessen Weste in den letzten Jahren ein paar (Dreck)Flecken abkriegte, ist halt ein bisschen klinisch. Chuck Berry, Jerry Lee Lewis und Little Richard, deren Songs Cliff unter anderen gibt, können sich nicht mal im Grab drehen; sie leben noch und werden sich wohl ihre Gedanken machen. Trotz aller Einwände: Spätestens nach dem zweitletzten Titel "Keep a Knockin'" ist man versöhnt. Geht ab wie Sau. Deshalb: nettes Plättli.
EMELI SANDE Long Live The Angels Universal/Virgin hef. Auch wenn die blondierte Schottin hier ihr erst zweites Album vorlegt, spricht man von einem Comeback. Comeback deshalb, weil sich die heute 29-jährige Sängerin und Songschreiberin bewusst eine dreijährige Auszeit nahm, um zu sich selbst zu finden. Zuviel war passiert in den Jahren, zu viel für Emeli, die mit dem Trubel, dem Riesenerfolg (drei BritAwards) und dem Medienrummel nicht klarkam. Gleich 18 Songs legt sie hier vor, und die haben es in sich. Drei Songs gleich zu Beginn sind Emotion pur, die von Emelis zarter, leicht zitternder Stimme leben, man fühlt sich wie in Watte gebettet, so zart treffen die Klänge auf die Haut. Mit "Hurts" dann Power und Gefühl gemischt, Gospel mit Soul und Intensität, um gleich darauf mit akustischer Gitarre das zärtlichste Bluesfeeling zu zaubern. "It doesn't feel like heaven" singt sie in "Give Me Something". Und erklärt gleich selber, worum es geht. "Das Album steckt voller wahrer und auch sehr ehrlicher Geschichten." Nach nur einem Jahr Ehe hatte sich die ehemalige Medizinstudentin von ihrer Jugendliebe getrennt. "Wir waren in diesem Sturm meiner Karriere verheiratet. Ich war die ganze Zeit auf Tournee, wollte aber, dass seine Welt in meine passt." Das Resultat der Trennung sind diese aufwühlenden Lieder. Am stärksten ist Emeli, die schon Songs für Rihanna, Leona Lewis und Alicia Keys schrieb, mit den Balladen sowie den Songs mit den
R&B-Einschlägen. Das iTüpfelchen freilich bleibt ihre aussergewöhnliche Stimme.
BON JOVI This House Is Not For Sale Island/Universal hef. Das erste Album ohne den langjährigen Gitarristen und Songschreib-Partner Richie Sambora und das 14. insgesamt ist das erste nicht mehr auf dem angestammten Plattenlabel Mercury, sondern auf Island Records. Die neue Scheibe von Jon Bon Jovi und seinen Mannen nach dreijähriger Album-Pause soll musikalisch zurück zu den Wurzeln gehen, wie Jon Bon Jovi in einem Interview sagte. "Dorthin, wo unsere Karriere begann. Mit dem neuen Album haben wir eine Stufe unserer Karriere erreicht, auf deren Niveau wir uns nichts mehr beweisen müssen." Nicht nur Lippenbekenntnisse. Die "neuen" Bon Jovi rocken wie einst, mit melodiösen und hymnischen Powersongs wie in ihren besten "Slippery When Wet"-Zeiten. Dominant ist jetzt halt Bon Jovi selber, der die Fäden mit Produzent John Shanks in die Hand genommen hat. Sicher fehlt Ritchie, der Band und wohl auch den Fans, aber mit diesen fetten Stadionsongs und etlichen Balladen- und Up-tempo-Titeln kann die Band noch immer brillieren. Als festes Mitglied ist nun Jons Kumpel Phil X (Philip Eric Xenidis) dabei. Die 13 Titel sind produziert und teils co-geschrieben von Shanks, mit dem Bon Jovi schon früher zusammenarbeiteten. Der Titelsong ist philosophisch gemeint. "Ich verbaute jeden Stein und schlug jeden Nagel hinein, dieses Haus ist nicht zu verkaufen. In diesem Haus leben Erinnerungen und ein Traum, der nicht scheiterte."
ERIC CLAPTON Live In San Diego Warner Music hef. Auch wenn er laut eigenen Angaben praktisch taub ist: Konzerte gibt er noch immer. Dieses hier ist zwar schon fast zehn Jahre her. Aber der Gitarrengott packte auch da noch Fortsetzung Seite 12
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Mainstream/Rock/Indie/Alternative REVIEWS
EMELIE SANDE Das Mädchen aus Aberdeen Jetzt mal für einen Moment Adele und Birdy vergessen. Britanniens neuer Pop-Stern heißt Emeli Sandé, wollte eigentlich gar keine Musikerin werden und zeigt auch mit dem zweiten Album „Long Live The Angels“, wie froh wir darüber sein können, dass sie es doch geworden ist. bs. Musik ist für Emeli Sandé etwas überaus Ernstes. Im Kindesalter geprägt von politischen Liedern, von Protest-Songs und dem Wirken Martin Luther Kings, ging es für sie nie nur darum, unterhalten zu werden. Sie wollte eine Botschaft erhalten, wollte unterrichtet, aufgerüttelt werden. Seit einigen Jahren macht die junge Frau aus dem schottischen Aberdeen selbst Musik. Und wird diesem Anspruch zu jeder Sekunde gerecht. Ihr Soul-Pop ist emotional, ist aufwühlend, zerbrechlich und kämpferisch. Klar, auch auf ihrem zweiten Album „Long Live The Angels“ gibt es Momente, zu denen man ausgezeichnet tanzen kann. Diese Momente stehen aber nicht im Vordergrund. Ihre eindringliche Stimme lässt keinen Zweifel daran, dass es ihr ernst ist, dass sie sprichwörtlich um ihr Leben singt. Die Schottin, die eigentlich Adele Emeli Sandé heißt, aber ihren ersten Vornamen aus recht verständlichen Gründen abgelegt hat, hat seit 2012 eine einzigartige Karriere aufs Parkett gelegt. Ihr Auftritt bei den Olympischen Spielen, der Triumph ihres von Kritikern gefeierten und Millionen Fans geliebten Debüts „Our Version Of Events“, die BritAwards für das beste Album und die beste Sängerin definierten den kometenhaften Aufstieg selbst in England neu, ähnlich lang wie ihr erstes Album konnten nur die Beatles ihre Platten in den Charts halten. Aus dem Mädchen aus Aberdeen mit der außergewöhnlichen Stimme ist ein Londoner Star geworden, der nach Jahren im Schatten großer Popstars endlich selbst ins Rampenlicht trat und die englische Musiknation im Sturm einnahm. Zuvor in Insiderkreisen als Songschmiedin für Alicia Keys oder Katy Perry aufgefallen, war es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis Sandé selbst die Zügel in die Hand nahm. Mit solch einem gewaltigen Erfolg, noch dazu einer schottischen Künstlerin, hätte aber niemand gerechnet. Und den eigenen Erfolg geplant hatte sie eh am allerwenigsten. „Ich bin ziemlich introvertiert“, gibt sie zu, die Stimme gesenkt, fast schüchtern, die Augen auf den Boden gerichtet. Ein internationaler, mehrfach mit Platin ausgezeichneter Popstar sieht eigentlich anders aus. „Ich verkrieche mich eben gern in meinem Keller und schreibe Musik.“ Das konnte sie in der Vergangenheit in ihrer Rolle als Songwriterin noch richtig gut. Jetzt will die Welt sie sehen, jetzt reist sie, spielt weltweit Konzerte. Dieser Rummel blieb nicht ohne Spuren: Ende 2013, nach irrwitzigen Monaten im Rampenlicht, verschwand Emeli Sandé von der Bildfläche. Sie war ausgebrannt, sie brauchte Ruhe. Selbst ihre Ehe überstand das nicht. „Ich hätte mich in vielen Dingen durchsetzen müssen“, sagt sie in ihrem wunderbaren schottischen Akzent. „So etwas würde mir heute nicht mehr passieren.“ Von Alicia Keys lernte sie, ihre Freizeit minutiös zu planen. „Damals dachte ich noch, dass ich das nicht nötig hätte, doch mittlerweile weiß ich, wie wichtig es ist, nichts zu tun und sich dann auch daran zu halten.“ Inspiriert von Nina Simone, Janis Joplin und Joni Mitchell, vollzog sich der Wandel von der Newcomer-Sensation zur ernstzunehmenden Künstlerin in der Abgeschiedenheit ihrer selbstauferlegten Isolation; zurück kehrt eine reifere, selbstbewusstere Emeli Sandé, die noch vor ihrem 30. Geburtstag eine arrivierte Sängerin ist. „Ich möchte Kunst machen – und nicht etwas, das sich möglichst gut verkauft.“ 2014 reiste sie das erste Mal nach Sambia, dem Land, in dem ihre Wurzeln liegen. Und kehrte verändert zurück. Stärker. Entschlossener. „Diese Reise machte mir klar, dass ich noch mehr Verantwortung habe als bisher angenommen. Als schwarze Frau in dieser Position zu sein und noch dazu eine Stimme zu haben – das ist etwas ganz Besonderes. Ich möchte den Menschen sagen, dass sie sie selbst sein können. Dieses Album soll die Menschen ermächtigen, sich auszudrücken.“
Pally’s kurz und knapp ROBBING MILLIONS - Same Robbing Millions, das belgische Duo um Lucian Fraipont und Gaspard Ryelandt hat acht unterschiedliche Versionen ihres Songs «8 Is The Figure That I Like Most» eingespielt und sie auf ebenso viele 7inch Singles gepresst. Die ganze Auflage ist bereits ausverkauft. Diese eigenwillige spezielle Idee passt zur Band aus Brüssel. Ihr erster Longplayer (mit dem bereits erwähnten «8 Is The Figure That I Like Most» darauf) nach zwei EPs, «Ages And Sun» (2013) und « Lonely Carnivore» (2014), ist ebenso ungewöhnlich. Ihre leichtfüssig wirkenden Songs liegen auf der Schnittmenge zwischen M83 und MGMT, in Szene gesetzt aus der Perspektive einer Prog-Pop-Band. Songs wie «Wiagw», «The Mountain», «What Makes Me Feel Old», «Tupperware», «Inspector» oder «Count Your Fingers» sind vertrackt, vielschichtig, unerwartet und gehen auch noch gut ins Ohr. Bei jedem Hören entdeckt der geneigte Hörer Neues. Spannend. ALLAH-LAS - Calico Review Die amerikanischen Allah-Las leben, zumindest musikalisch, in den Sechzigern. Auf ihrem dritten Album «Calico Review» serviert die Band um Sänger und Gitarrist Miles Michaud eine Spur Folk, etwas Psychedelik, eine limitierte Dosis Psych-Pop, eine Prise Garagenrock und ein Hauch Surfrock. Das Ganze knistert angenehm und unaufgeregt in den Gehörgängen. Nicht mehr und nicht weniger. Ach ja, die Allah-Las lieben Velvet Underground. ELIJAH FORD & THE BLOOM - As You Were Der aus Austin, Texas, stammende Elijah Ford ist der Sohn von Marc Ford, der bis 2006 bei den Black Crowes die Gitarre bediente. «As You Were» ist sein drittes Soloalbum nach «Upon Waking» (2011) und der EP «Ashes» (2012). Ford hat ein gutes Händchen für knackig frische Rocksongs mit guten Gesangsharmonien und tollen Grooves. Die beiden Auftaktnummern «Try As You Might» und «The Way You Were» seien hier als herausragende Beispiele angeführt. Elijah Ford mischt immer wieder eine Prise Soul darunter. Rootsrock, Pop und Countryrock sind Elijah Ford ebenso nicht fremd. All dies macht «As You Were» zu einem stimmigen Album erster Güte. SAUROPOD - Roaring At The Storm Das Debüt des norwegischen Trios Sauropod (pflanzenfressende Dinosaurier-Art) ist nur 28 Minuten und 50 Sekunden lang. Nach dem Durchhören meint man aber an einem vergnüglichen Drama mit mindestens fünf Akten teilgenommen zu haben. Die elf Songs offerieren ein breites Spektrum an Gefühlen und Stimmungen, gespickt mit Intensität und Pathos. Der geneigte Hörer gerät in einen Rausch, der ihn gnadenlos mitreisst. Punk, Indiepop, Folk, Garagenrock, Grunge, Sixtiespop, Lullabys – die Band um Sänger und Songwriter Jonas Røyeng hat alles drauf. Røyeng schreit sich mit seinem wandelbaren Organ immer wieder mal die Seele raus. Voller Einsatz. «Roaring At The Storm» bietet elf Mini-Dramen von epischem Ausmass. Standing Ovations, please. GENTLE HEN - The Bells On The Boat On The Bay Gentle Hen, die Band um Sänger und Songwriter Henning Ohlenbusch, nannte sich von 2001 bis 2014 noch School For The Dead. Gentle Hen passt gewiss besser zum Sound des amerikanischen Quartettes. Ihr melodiöser Indiepop klingt immer wieder «sanft» und angenehm in den Gehörgängen. Einzelne Songs auf ihrem aktuellen Werk rufen gar Momente der Verzückung hervor. Wie zum Beispiel das Intro und der Chorus von «I Don't Know About Anyone Else But», «I Wasn't Looking For This» (mit einer Spur Jonathan Richman), der naive und unwiderstehliche Charme von «Somebody Else's Problem», die harmonischen «Yes» und «Trues» in «Waiting For Life», der sanfte Indiefolk von «Saving Your Life» und das wunderbare Zwischenspiel im Abschluss «Levitation».
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Und alles liegt vor uns
Die erfolgreichste unbekannte Band Deutschlands ist zurück. Mit „(sic!)“ legen die Düsseldorfer PunkGiganten Broilers einen überzeugenden, weil mutigen Nachfolger des Megaerfolgs „Noir“ vor. Und fügen ihrer Legende ein weiteres wichtiges Kapitel hinzu. bs. Erfolgsgeschichten wie diese sind selten. Das ist gut so, andernfalls würden sie sehr rasch ihre Strahlkraft verlieren. Sie lassen uns träumen, geben uns ein Gefühl, dass Wunder eben doch möglich sind. Die Broilers haben die letzten Jahre ununterbrochen in einem Wunder verbracht, kann man sagen, in einem dieser wahrgewordenen Märchen, die uns die Musikbranche hin und wieder zu erzählen beliebt. Schon seit 1992 eine Band, in den letzten Jahren dann der kometenhafte Aufstieg zu eine der größten Rock-Bands Deutchlands, zu einem Akteur der Stunde, an dem man schon lange nicht mehr vorbeikommt. Spätestens mit ihrem letzten Erzeugnis „Noir“ katapultierten sie sich ganz nach oben, vorbei war es da mit ihrem Ruf als „erfolgreichste unbekannte Band Deutschlands“, wie man halb im Scherz, halb im Unglauben so gerne über sie sagte. Aus den Clubs waren Hallen geworden, aus den Hallen bis an die Decke vollgestopfte Arenen, in denen abertausende frenetische Anhänger der Düsseldorfer ihre Helden in den Olymp jubelten. Jetzt sind sie mit dem neuen Album zurück. Jetzt wollen sie mit „(sic!)“ zeigen, dass ihr Gastspiel an der Spitze eben nicht nur vorübergehend war. Jetzt wollen die Broilers zeigen, dass
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sie dort oben hingehören. Zu den ganz Großen. Man mann sich nicht mal ansatzweise ausmalen, wie groß der Druck gewesen sein muss. Die letzte Platte vergoldet, die Hallen und Festivals der deutschsprachigen Welt so groß wie es eben nur geht. Wie knüpft man an so einen Lauf an? Nicht die dümmste Idee ist es mit Sicherheit, sich erst mal zurückzulehnen, einen Gang runterzuschalten und das Gewesene angemessen Revue passieren zu lassen. Während des Normalbetriebs einer erfolgreichen Band bleibt dafür keine Zeit, umso wichtiger war es für die Broilers, das Hamsterrad zwischen Touren, Alben und Touren zu durchbrechen. Und ein Album zu schreiben, das schon mit dem Titel ausdrückt, was uns hier erwartet: (sic!) ist lateinisch und bedeutet „so (und nicht anders)“. Das Vorausgegangene ist exakt so gemeint, wie es gesagt oder geschrieben wurde. Mit anderen Worten: Das neue BroilersAlbum ist vom ersten bis zum letzten Ton genau so geworden, wie es sich die Band vorgestellt hat. Sammy Amara, der umtriebige Sänger, Texter und Komponist der Düsseldorfer, bringt es so auf den Punkt: „Unser neues Album ist eine Broilers-Best-Of geworden — mit Liedern, die noch keiner kennt. Ein Lieblingsalbum in Gründung!“ Auf
„(sic!)“ kommt alles zusammen: Der Blick zurück, die Bestandsaufnahme der Gegenwart und ein Vorbote dessen, was in der Zukunft bevorsteht. Dass es so wild, so kantig und dringlich geworden ist, mag all diejenigen überraschen, die dne Broilers schon an die Tote-HosenFraktion verloren sahen. „Dieses Album zeigt uns, dass wir uns darüber einig sind, wie Punk für uns klingen soll, dass gewisse Dinge thematisiert werden müssen und still am Rand stehen immer die schlechteste Option ist“, legt Amara den Kern offen. Punk, das ist für die Broilers aber eben mehr als Iro, Hass auf den Staat und Dosenbier. Punk ist Ermessenssache und wird von ihnen eben so zelebriert, wie sie diese Musik verstehen. Dass das auch mal nach Rock, nach Pop oder nach Ska klingen kann, ist für sie kein Widerspruch. Punk ist, was man draus macht. „Die Band und das, was sie am besten kann, sind im Fokus“, so die Stimme zum neuen Album. Und damit ist für jeden, der die Broilers kennt, eigentlich alles gesagt. Natürlich gibt es immer noch die, denen die Band kein Begriff ist und die, blind, vorschnell und dumm, sofort die Nazi-Schublade aufmachen. Klar, deutsche Band, deutsche Texte, müssen ja Faschos sein. Blöd nur, dass Amaras Vater aus dem Irak stammt und jeder, der auch nur habwegs gründlich seine Hausufgaben gemacht hätte, das auch herausgefunden hätte. Eine politische Band sind Broilers dennoch – und „(sic!)“ ist ihr vielleicht politischstes Album. „Das wird viele Leute verschrecken, aber das nehmen wir gerne in Kauf.“ Mit Sorge beobachten die Broilers den von Angst, Unsicherheit, Misstrauen und volksverdummenden Medien vorangetriebenen Riss, der sich tiefer und tiefer in unsere Gesellschaft frisst, auch Amara selbst weiß aus eigener Erfahrung sehr gut, was Alltagsrassismus bedeutet. Dagegen singen die Broilers an, lauter denn je, aufrüttelnder denn je, selbstbewusster denn je. Sie wissen mittlerweile um ihr Arsenal, setzen es bedacht ein und verpulvern nicht alles vorschnell. Die aggressiven Klopper sind noch härter auf Kante genäht, die ruhigeren Momente noch fesselnder, die Texte punktgenaue Bestandaufnahmen unserer wirren Zeit. „Die Band hat sich über die Jahre komplett freigeschwommen“, resümiert der eloquente Bandkopf. „Eine eigene Plattenfirma, ein ziemlich eigener Sound. Gemeckert wird eh, egal, wie man es macht. Also kann man es sich auch leicht machen und einfach das tun, was man möchte. Das hat über 20 Jahre gut geklappt.“ Kann man wohl sagen. Stehengeblieben sind die fünf nie, haben nach ihren mehr oder weniger konventionellen Anfängen in der DIY-Blase des Punk schnell gemerkt, dass eine allzu ridige Genretreue einengt und der Kreativität die Luft zum Atmen nimmt. Los ging es damit vor ziemlich genau einem Jahrzehnt, mit dem 2007-er Album „Vanitas“. Weniger Straßenköter-Bissigkeit, mehr Hits, so könnte man vereinfacht sagen, belohnt von der erstmaligen Anerkennung außerhalb einer verschworenen Gemeinschaft. „Santa Querte“ von 2011 dann der nächste Meilenstein: Top drei in den deutschen Charts, da ging ein kollektiver Aufschrei durch die Musikwelt. Wer waren die nur? Bis der Mainstream von ihnen Notiz genommen hatte, waren die Broilers schon voll da, hatten ihre Jobs gekündigt, alles auf eine Karte gesetzt. Was dann mit „Noir“ passierte, hat wirklich jeder mitbekommen, es gehört also nicht allzu viel Prophetisches Getue dazu, um „(sic!)“ einen glorreichen Start vorherzusagen. Längst stehen sie auf Bühnen, auf denen auch Bruce Springsteen, unumschränktes Idol der Düsseldorfer, steht. Und sind dennoch gerade erst am Anfang, wenn man ihnen zuhört. „Und alles liegt vor uns!“, so das inoffizielle Motto. Keine ganz schlechten Aussichten, das muss man sagen.
LIVE 23.2.2017 Zürich, Volkshaus 24.2.2017 Solothurn, Kofmehl 25.2. Bern, Bierhübeli
REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative Fortsetzung von Seite 9
immer sein bestes Spiel aus, auch wenn seine Stimme bei den höheren Tönen an die Grenzen kommt. Begleitet von einer Topband mit unter anderen Gitarrist Doyle Bramhall II und Bassist Willie Weeks, spielt sich Clapton durch 19 Titel aus all seinen Schaffensperioden. Darunter sind mit "Tell The Truth" und "Got To Get Better In A Little While" zwei Songs aus seiner meiner Meinung nach besten Zeit mit Derek & The Dominos, sechs und zehn Minuten lang, so als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Mit "Little Wing" gedenkt er seines guten Freundes Jimi Hendrix, dessen Song er mit virtuosem Gitarrensolo gibt. "Key To The Highway" ist ein Titel seines grössten Idoles William "Big Bill" Broonzy. Sein zweites Über-Idol Robert Johnson würdigt "good ol' Clapper" mit dem über 17-minütigen Blues "Little Queen Of Spades". Mit "Anyway The Wind Blows" starten sechs Songs von und mit J.J. Cale, swingend, rhythmisch und mit Cales legendärem Gitarrenpicking, die Arrangements nach dem Motto, weniger ist mehr. "After Midnight", das Clapton zum Top-Hit sang, und "Cocaine" natürlich inklusive. Der "Schweiger aus Tulsa" starb im Sommer 2013. Mit der Traumballade "Wonderful Tonight" und "Layla", seiner Liebeserklärung an seine nachmalige Frau Patti spielt die Leidenschaft eine Rolle, textlich und musikalisch. Der CreamKlassiker "Crossroads" schliesst ein wunderbares Live-Set ab.
EMMYLOU HARRIS THE LIFE & SONGS - ANALLSTAR CONCERT CELEBRATION Universal hef. 13 Grammys pflastern ihren Erfolgsweg. Emmylou Harris gilt als die ungekrönte Königin der Country Musik. Kein Wunder, dass die Crème der Szene an ihrer Seite war, als die Country-, Folk- und RockSängerin aus Birmingham, Alabama, zur Celebration-Show rief.-Die meisten der insgesamt 19 Titel gehen direkt ins Herz. Zum Beispiel das softe "All The Roadrunning" von Dire-StraitsMastermind Mark Knopfler, mit dem Emmylou zusammen einst eine ganze Welttournee absolvierte. Oder Kris Kristofferson mit seinem eigenen Titel "Loving Her Was Easier (Than Anything I'll Ever Do Again)". Mit brüchiger Stimme gibt er diese unter die Haut gehende Ballade dermassen sensitiv und
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eindringlich, dass man zu heulen beginnen könnte. Sheryl Crow und Vince Gill hingegen zaubern Leben in die Bude. Ihr "Two More Bottles Of Wine" ist eine Art Country-Rock'n'Roll, fetzt ab und fegt alle Emotionen anderer Song-Interpreten hinweg. Country-Music ist auch Fun, und die einlullende PedalSteel-Gitarre wechselt sich mit der heissen Fender ab. Zum Schluss wirds noch einmal magisch. Alison Krauss singt, nur von Piano und Pedal Steel begleitet, "Till I Gain Control Again". Bevor mit dem Emmylou-Klassiker "Boulder To Birmingham" von 1975 das ganze Ensemble zusammen musiziert. Eine herzensbrechende Geschichte aus Emmylous Leben religiöser Prägung. "I'll never forget that night", dankte Emmylou am Schluss allen Beteiligten. "Ich muss in meinem letzten Leben wohl ziemlich anständig gewesen sein", sagte sie.
IGGY POP Post Pop Depression: Live At The Royal Albert Hall Universal Music hef. Der Einstiegssong "Lust For Life" ist gleichzeitig Programm. Iggy, 69, haut gleich voll rein, zeigt seine Lebenslust zu hämmernden Rhythmen. Mit "Sister Midnight", "American Valhalla" und "Sixteen" nimmt der BühnenBerserker schon wieder etwas Gas zurück. Die Intensität seines Vortrags hingegen bleibt. Die Begleitband tut das ihre, um dem Ganzen Power zu geben. Joshua Homme von Queens Of The Stone Age, Dean Fertita (The Dead Weather) und Matt Helders (Arctic Monkeys) wissen, wie es der Meister will: gnadenlos! Dieser Rock-Sound, der die rohe Energie einer Garagenband freisetzt, lebt von Iggys teils jaggereskem Timbre, den Background-Chören, die wie zusätzliche Energie wirken, und kommt bei "Funtime" genau so daher: Vollgas. "Tonight" wirkt wie eine schwere Soundwalze, die alles niederdrückt, die Begleitstimmen auch hier wieder recht druckvoll. Dass Iggy auch Iggy bleibt, dafür sorgt seine Ansage zu "Sunday". "Fuck off, Asshole! Leave me alone! Don't you know it's fucking sunday"! YES! Zuweilen tönt Iggy wie sein verstorbener Freund David Bowie, Co-Autor einiger Songs, die er damals in Berlin auch produziert hatte. Mit "China Girl" in rockiger Version mit schrummelnden Gitarren gibt Iggy
etwas zurück. 12 Songs sind auf der CD. Die Dreifach-VinylVersion bietet 22 Titel.
THE XX I See You Young Turks/Beggars Group bs. 2009 veröffentlichten The XX ein Album, das sie über Nacht zu Stars und gefeierten Kritikerlieblingen machte. Drei Jahre später veröffentlichten sie (gefühlt) dasselbe Album noch mal: Träumerischer Elektropop voller bittersüßer Melancholie und gedankenverlorener Weite, stimmungsvoll und stimmig vorgetragen. Allein, der AhaEffekt des ersten Albums fehlte vollkommen. Jetzt ist das dritte Album „I See You“ da. Und macht gleich so viele Schritte nach vorn, dass der Hörer bisweilen gar nicht mitkommt. Verschwunden ist das Dreampop-Element, das bodenlos Bittersüße. An seine Stelle ist unterkühlte, kratzige und monochrome Elektronik getreten, die viel unterkühlter wirkt als sie wahrscheinlich ist und zunächst (im Opener „Dangerous“) verwirrt. Das bleibt nicht so, The XX holen ihre Hörer im Verlauf des Albums durchaus ab. Man muss sich jedoch auf eine rigorose Kursänderung gefasst machen, in der nur noch der zweistimmige Gesang als vertrautes Element der Vergangenheit herüberwinkt. Ihren spröden Elektro unterfüttern sie mit Soul, mit Pop, mit Funk, als Referenz darf man gern das Soloalbum von Jamie XX heranziehen. Wem das gefiel, der wird „I See You“ lieben. Wer nicht, der wird seine Schwierigkeiten haben. Stillstand kann man der Band allerdings jetzt nicht mehr vorwerfen.
MICHAEL BUBLE Nobody But Me Warner Music hef. Der kanadische Sunnyboy legt nach "To Be Loved" sein siebtes Studioalbum vor und bezeichnet es als "Album meiner Träume". Das sicher auch deswegen, weil er mehr kreativen Input denn je eingebracht hat, mehr eigene Songs beisteuerte und das Album auch co-produzierte. Auf zehn Songs versprüht Bublé hier pure Lebensfreude. Und das Programm ist so abwechselnd, wie man es von ihm so kaum erwartet hätte. Es beginnt mit einem ohrwurmigen, beatles-
ken Popsong, gefolgt von zwei typischem Bublé-Aufstellern im Big-Band-Sound. Und wenn immer die Bläser fetzen und swingen, bleibt kein Fuss auf dem Boden. Danach schluchzen die Geigen im von ihm italienisch gesungenen ItaloSchlager "On An Evening In Roma" ("Soll'er Celo di Roma"), eine Liebeserklärung an seine Frau. Auf "Someday" feat. Meagan Trainor im Duett klimpert zum Beginn eine Ukulele, ein stimmungsvolles Lied, das einfach gute Laune macht. Klassiker von Nat "King" Cole, Johnny Mercer und als i-Tüpfelchen zum Schluss eine extrem langsam gespielte Version des Beach-Boys-Klassikers "God Only Knows" runden dieses aparte Album ab.
ENIGMA The Fall Of A Rebel Angel Universal Music hef. Eigentlich war die Karriere des jungen rumänischen Pianisten Michael Cretu vorgezeichnet. Er sollte ein grosser klassischer Konzertpianist werden. Das jedenfalls sagten ihm die Professoren am Musikkonservatorium voraus. Im Rahmen seiner Weiterbildung im Ausland entdeckte der junge Mann in Frankfurt die elektronische Musik. Der Synthesizer stoppte seinen Lerneifer mit den 88 Klaviertasten. Cretu wurde elektronischer Popmusiker. Er experimentierte mit Elektronik, Ambient-Sounds, Avantgardeklängen und Collagen. Sein Musikprojekt Enigma setzte sich durch, wurde ein internationales Phänomen mit 100x Gold und Platin sowie drei Grammy-Nominierungen. Mit seiner damaligen Freundin Sandra gelang ihm mit "Maria Magdalena" sogar ein Welthit. Mit seinem achten Album nach acht Jahren Schaffenspause kommt's jetzt knüppeldick. "The Fall Of A Rebel Angel" erzähle eine Geschichte von keinem und jedem, heisst es in der Pressemappe. Cretus Musik beschwöre Kinderwünsche, Traumfetzen, Visionen und Erinnerungsbilder mit Zitaten aus Religion, Literatur und Popkultur. Durch diese Klanglandschaften klinge ein ferner Schrei nach Liebe. Die zwölf Klangbilder beruhen auf einem epischen Poem des Dramatikers Michael Kunze, ergänzt durch 13 Bilder des widersprüchlichen Malers und Fälschers Wolfgang Beltracchi. Anspieltipp: "Sadeness (Part
Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS II)" mit der indonesischen Sängerin Anggun, leidenschaftlich gesungen, dazu chorale Chöre, basierend auf der "Toccata und Fuge d-Moll" von Johann Sebastian Bach. Das Beste an diesem Album: Nicht zuviel denken, sich diese Sphärenklänge einfach entspannt reinziehen und geniessen.
SOHN Rennen 4AD / MV bs. Sohn ist erwachsen geworden. Hat fast etwas Poetisches, dieser Satz. Mit „Rennen“ legt der Londoner Christopher Taylor sein zweites Album vor. Es ist das erste, das in seiner neuen Heimat Wien entstand und reflektiert schon mit seinem Titel all die halsbrecherisch schnell vollzogenen Entwicklungen und Veränderungen, die der Brite seit der Veröffentlichung von „Tremors“ (2014) durchlaufen hat. Vom Nobody zum gefragten Electronica-Act, vom Londoner Solitär zum Wiener Familienvater. Das bleibt nicht ohne Spuren. Entrückt und sphärisch klingt Taylor auch auf „Rennen“. An die Stelle von Sturm und Drang ist ein gewichtiger Pathos getreten, ein gewisses Händ-
chen für Epik, das den elektronischen Tonsturm in ergreifende Höhen schraubt. Noch immer experimentiert der Wahlösterreicher viel, noch immer ist er hörbar vom alten R'n'B aus Amerikas Südstaaten infiziert, noch immer haben Stücke wie „Conrad“ dieses schleppende „Chopped & Screwed“-Grundgefühl, das die elektronische Szene Houstons auszeichnet. Es ist aber nicht zu überhören, dass Sohn ein wenig besonnener, ein wenig entspannter klingen als noch zuletzt. Und weniger Autotune verwendet. Insbesondere letzteres ist ein großer Gewinn für den eklektischen Sound – und zeigt sich besonders vorteilshaft in der Piano-Großtat des Titeltracks „Rennen“.
COOGANS BLUFF Flying To The Stars Noisolution rp. Was personelle Wechsel manchmal so alles bewirken. Vor gut vier Jahren verliess Sänger Thilo Streubel Coogans Bluff (entlehnt vom gleichnamigen Film mit Clint Eastwood). Fortan übernahm Bassist Clemens
Marasus den Gesang. Das gab der 2003 in Rostock gegründeten Band neuen Elan. «Gettin Dizzy», das 2014 erschien, überzeugt und berauscht mit einer neuen Vielfalt. Psychdelik, Folk, Spacerock, Rock, Brassrock, Krautrock, Progrock-Elemente – vieles hat im musikalischen Weltbild des Quintettes Platz. «Flying To The Stars», ihr fünftes Werk ist jetzt noch einmal ein Schritt nach vorne. Die musikalische Bandbreite ist wie gewohnt gross. Die Bläser dominieren mehr als auch schon. Im Auftakt, dem Titeltrack, fegen dieselben rasant über den Hörer. Nach gut zwei Minuten machen sie Platz für ruhige, Pink Floydsche Momente. Doch ist dies nur die Ruhe vor dem erneuten Sturm. Dynamisch schreitet der Song voran, mit rockigen Intermezzos und instrumentalen Spannungsbögen durchzogen, nur um nach über 12 Minuten in einem grandiosen Finale zu entschwinden. Gewaltig. Im knarzigen Folgesong «Back To One» platzieren Coogans Bluff soulige Momente und eine angenehme Frauenstimme. Lenny Kravitz würde es mögen. Nach dem kurzen Bläser getränkten Instrumental «Alpha Tango» hauen sie dem Hörer 70er Hardrock und jazzige Bläser um die Ohren. Dröhnung inklusive. Im schleppend schwer rockenden «N.R.I.H.C.» meint
man Tom Waits als Gastsänger zu hören, natürlich ist es Clemens Marasus. Und zum Abschluss kramen sie noch einmal Pink Floyd hervor, vielschichtig und dynamisch mit Krautrock und Bläsern abgeschmeckt. Was für ein Finale, was für ein Album.
RUN RIVER NORTH Drinking From A Salt PondNettwerk kw. Das neue Album ist durchaus rockig, manchmal schwingt auch ein bisschen Pop und Folk mit. Die Amerikaner Run River North aus L.A. sind musikalisch zwischen den Imagine Dragons und den Of Monster And Men einzuordnen. Run River North hat sich mit dem zweiten Album neu ausgerichtet. Sie sind weniger im Folk, dafür mehr im Rock und in der Elektronik verankert. Dies war eine gute Entscheidung, denn es hat frischen Wind gebracht ohne die Fans vor den Kopf zu stossen. Der Weg dorthin war steinig oder wie es Run River North sagen würden, als würde man aus einem Salzwasserteich trinken. Die Mühen haben sich gelohnt.
bs. Wie für viele andere Prominente, war der Ausgang der USPräsidentschaftswahl für Neil Young keine glückliche. Der Kanadier favorisierte offen Bernie Sanders, sah in ihm einen Gleichgesinnten im Kampf gegen die Allmacht der Konzerne. Nun zieht Donald Trump ins weiße Haus. Seine Kampagne befeuerte der paradoxerweise mit Youngs Oldie „Rockin' In The Free World“. Und erhielt dafür sogar den Segen des Rock-Knurrhahns. Aber so ist Neil Young eben. Er maßt
stillen Western „Dead Man“. Aber das ist ja eh immer dasselbe bei einem gewaltigen Kanon wie dem seinen: Selbstreferentielles Wirken ist da fast unumgänglich, wer sucht, der findet immer Spuren oder Aromen früherer Schaffensphasen. Young selbst dazu dazu natürlich nichts weiter. Nicht, weil er es nicht nötig hätte, sondern weil er immer schon lieber die Musik
sich nicht an, seine Musik sprechen ließ. Das war irgendjemand zu seinen ganz frühen vorzuenthalten, will seine Tagen mit Buffalo Botschaft verbreitet Springfield schon ganz wissen. Die ist unverändert ähnlich, das war zu radikal, unverändert seinem kurzen Auftritt an politisch, unverändert der Seite von Crosby, naturbezogen. Voriges Stills und Nash so, das Jahr erst besang er auf war mit Crazy Horse so „The Monsanto Years“ die und das ist auch solo so. Risiken des GentechnikBeweisen muss er sich Konzerns, noch vor schon seit Jahrzehnten Jahresausklang 2016 nichts mehr, wer solch schob er mit „Peace Trail“ einen Einfluss auf die bereits die nächste Platte Musikgeschichte des 21. hinterher. Es ist das Jahrhunderts hat wie er, beeindruckende 37. darf gerne auch als Studioalbum des schwieriger Künstler Großmeisters, gut 15 gelten. Zumal Young davon erschienen allein in genug Weitsicht hat und diesem Jahrtausend. sich selbst so Youngs hohes Tempo kann bezeichnet. Wenn er mal viele Gründe haben. Er etwas über sich möchte vielleicht noch verlauten lässt, dann eine Menge loswerden, erwähnte er in letzter Zeit weiß aber, dass er mit oft und gern, dass er seinen mittlerweile 71 wieder mit dem Kiffen Jahren eben keine 30 mehr angefangen habe und vor sich hat. Er hat wie gut es ihm tue. Ja, er vielleicht einfach Bock empfiehlt sogar, sich darauf, Songs zu schreiben seine Musik in diesem und sie in orgiastischen Naturrausch anzuhören. Drei-Stunden-Spektakeln Einmal Hippie, immer live durch die Verstärker zu Hippie. Wer sonst außer plärren. Vielleicht weiß er Neil Young würde auf die aber auch einfach nicht, Idee kommen, sein was er sonst tun soll. Und letztes Live-Album macht eben das, was er „Earth“ mit Tierstimmen am besten kann: zu vermengen? Eigenwillige, kauzige, Er macht eben, was er verschrobene aber will. Und wenn das wichtige Musik. Nachdem niemandem gefällt, dann der Kanadier in den letzten ist es eben so. Ein Jahren vornehmlich mit geradezu braves, süffiges seiner neuen Begleitband Album wie „Peace Trail“ Auf seinem 37. Album „Peace Trail“ gibt sich Neil Young Promise Of The Real mag allerdings nur auf nur auf den ersten Blick handzahm und milde. Hinter den unterwegs war, ist „Peace den ersten Blick als folkig-knurrenden Americana-Nummern stecken brisante Trail“ ein bewusst Altersmilde abgetan Themen und ein Weckruf der Young'schen Art. zurückhaltendes, werden. Zu brisant sind reduziertes, knarrendes die soziopolitischen und Solo-Album. Darauf ökologischen besingt Neil Young, der Botschaften, die er damit Name deutet es bereits an, mit nasaler Kopfstimme und viel verbreitet. Aufgenommen binnen weniger Tage in den ShangriMelancholie den Status quo bei Amerikas indigener Bevölkerung. La-Studios des Soundgurus Rick Rubin, ist „Peace Trail“ eine Da gibt es natürlich eine ganze Menge Probleme und wohlklingende Abwechslung zu vielen hochkomprimierten himmelschreiende Ungerechtigkeiten, aus denen der Künstler eine Produktionen unter der Ägide des amerikanischen Reihe vom Winde verwehter Americana-Songs gewoben hat. Produzentenzausels. Geht es nach Young selbst, soll natürlich „Indian Givers“ etwa setzt sich mit dem umstrittenen Bau der auch dieses neue Album auf seinem selbst entwickelten PonoDakota Pipeline durch ein Indianerreservat auseinander, in „My Player genossen werden. Wer keine 400 Dollar dafür auf den New Robot“ lässt er sich sogar zu einem digitalen Kommentar Tisch legen will, muss sich anders behelfen, kann seine Musik hinreißen – ironischerweise unterlegt mit einer reichlich analogen seit einiger Zeit aber auch wieder bei den gängigen StreamingMundharmonika. Alles in allem legt der „Godfather des Grunge“, Portalen hören. Denen hatte er einst den Kampf angesagt und wie er wegen seines Einflusses auf Pearl Jam oder Nirvana gern nun doch wieder eingelenkt. Stimmungsschwankungen sind genannt wird, ein recht konventionelles Album vor, was den Fans nicht selten bei ihm, das zeigt sich an seiner nach den vielen Experimenten der letzten Jahre aber durchaus abwechslungsreichen Karriere ebenso wie bei seinen seltenen schmecken dürfte. Den robusten, folkigen Stücken ist regelrecht Interviews. Eine Sache, die bleibt aber unverändert: Im Geiste ist anzuhören, dass auch der zigfache Grammy-Preisträger mit Gusto der großartigste Grantler der Rock-Geschichte seinem Hippieund Gefühl bei der Sache ist. Es passt zu seinem leidenschaftlichen Ideal treu ergeben. Und wird es für immer sein. Fragt sich nur, Einsatz für die kleinen Farmbetriebe Amerikas, es passt zu seinem wohin er demnächst ziehen wird. Im Falle eines TrumpUmweltaktivismus. Und ja, es erinnert bisweilen an große Wahlsieges, so verkündete er vor einiger Zeit, würde er Momente, die er mit seiner früheren Band Crazy Horse in den Kalifornien verlassen. Siebzigern zelebrierte, auch an seine Musik für Jim Jarmuschs
Grunge-Grantler mit grünem Gewissen
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Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS NEIL YOUNG Peace Trail Reprise/Warner bs. Er ruht nicht. Unermüdlich predigt der Grunge-Grantler Neil Young gegen die Allmacht der Konzerne und für den Erhalt der Natur, lebt sein Hippie-Ideal auch jenseits der 70 in grünen Rauchschwaden aus. Mit „Peace Trail“ veröffentlicht er jetzt sein 37. Album. Musikalisch gibt er sich braver und besänftigter als zuletzt, Folkund Americana stehen auf dem Speiseplan, gewürzt mit knarzenden Soli und ein wenig schroffem Akkordgeschrammel. Brisant sind diesmal eher die Inhalte, Young thematisiert die umstrittene Dakota-Pipeline und andere Eingriffe in die heilige Natur. Seine Begleitband Promise Of The Real bleibt diesmal zuhause, ein Soloalbum wie dieses wollte er schon lange mal wieder machen. Und in der Tat erinnert die Stimmung mancher Stücke an wichtige Werke wie „Harvest“, das ihn schon 1972 unsterblich machte. Seither sind über 40 Jahre vergangen. Neil Young ist immer noch zur Stelle, besingt die Natur und kritisiert die Politik. Das machen wenige in dieser Konsequenz und in dieser Beharrlichkeit, man könnte auch sagen Sturköpfigkeit. Wie froh wir darüber sein können, ist kaum zu ermessen. Und wäre eigentlich auch einen Literaturnobelpreis wert. Nicht unbedingt für „Peace Trail“, da hat der Kanadier schon Besseres fabriziert. Aber eben für sein Gesamtwerk. Da kommt ausser Dylan eigentlich niemand ran.
LEONARD COHEN You Want It Darker Sony Music hef. Das ist nach Bob Dylan wohl der nächste Kandidat für den Literatur-Nobelpreis eines Song-Poeten, hätte man meinen können. Doch jetzt ist der kanadische Sänger und Schriftsteller Leonard Cohen tot; er starb am 7. November mit 82 Jahren in Los Angeles, wenige Tage nachdem sein neues Album erschienen war. Cohen wäre wohl nicht nur für seine Songtexte, sondern vielleicht auch für seine Bücher mit dem begehrtesten Literaturpreis der Welt ausgezeichnet worden. Bevor er nämlich zur
Gitarre griff und Platten produzierte, war der Kanadier ein bekannter Schriftsteller. Mit seinem 14. Album blickt der Sänger/Gitarrist auf sein langes Leben zurück. Beim ersten Anhören kamen mir – Cohen lebte damals noch – die ersten Zweifel. Der Albumtitel "You Want It Darker" ist fast schon zynisch. Schwärzer, unheilschwanger und minimalistischer kann man wohl kaum musizieren. Während er auf seinen ersten Scheiben noch richtig sang, machte er in den letzten Jahren vor allem den tiefstmöglichen Sprechgesang zu seinem Markenzeichen. Was man heute weiss, spürt man hier: Cohen scheint am Ende seiner Kräfte zu sein. Das Larmoyante in seiner Art des Singens stimmt treffend überein mit dem textlichen Inhalt. "Ich bin die ganze Zeit wütend und müde. Ich wollte, zwischen meiner und deiner Liebe würde ein Pakt bestehen", singt er weinerlich, ja beinahe flehentlich im zweiten Titel "Treaty", zu Deutsch: Abkommen, Vertrag. Fast flüsternd und zart, von sanften, stark im Hintergrund gehaltenen Chören, einem drohenden Bass, von einem Keyboardsteppich samt melodiösen Geigenklängen begleitet wie etwa im Titel "It Seemed The Better Way" – da kann einem nahezu das Fürchten kommen. Wollen wir das wirklich so düster und so schwarzdunkel? Mit "Steer Your Way" gleich dahinter kommt nämlich direkt Stimmung auf. Cohen singt leicht beschwingt, die Geigen tun das ihre, um ein bisschen Fröhlichkeit hinein zu zaubern. Das letzte Aufbäumen? Nein, zum Schluss kommt's wieder knüppeldick. Trauerklänge mit Celli, die instrumentale "String Reprise / Treaty", das letzte der nur gerade acht neuen Lieder. Worte wie "it's over now with the water and the wine. we're broken then and now we're borderline" – depressiver geht's wohl kaum. Was einen sogar zu einem Vergleich verleiten könnte: Reprise gleich Requiem? Nun wurde das Album in der Tat zum Requiem eines grossen Songschreibers und Poeten.
HERBERT GRÖNEMEYER Live In Bochum Universal Music hef. 60 Jahre Herbert Grönemeyer musste ja wohl zünftig gefeiert werden. Und wo am besten? Natürlich live in Herbies Heimatstadt Bochum im tiefsten Ruhrpott. "Bochum" hiess schon sein erstes Erfolgsalbum, sein Durchbruchsalbum. Seither ist Gröni einer der fünf Grossen Deutschlands, neben Udo Lindenberg, Peter Maffay, Marius MüllerWesternhagen und BAP's Wolfgang Niedecken. Gröni zelebriert sich selber so, wie man es sich von ihm gewohnt ist: voller Energie und Power, Leidenschaft und Publikumsnähe. Das "rewirpower Stadion" in Bochum platzte aus allen Nähten, als Grönemeyer im Juni 2015 auch das Programm, die Setliste, auf seinen Geburtstag abstimmte. Das Konzert war der Höhepunkt seiner "Dauernd Jetzt"Tournee. Und Herbie liess seine Anhänger zuhause wissen, wie sehr er sie und seine Stadt liebt. Die 23 Titel – keiner seiner grossen Hits fehlte – zeigen auch, dass Herbert Grönemeyer nicht nur ein hervorragender Songschmied ist, sondern dass seine Musik wohl auch überdauern wird. Songs wie "Männer", "Flugzeuge im Bauch"
oder "Alkohol" sind fast so etwas wie Volkslieder geworden. "Guten Abend, Samstag Abend in Bochum", so begrüsste Herbie die Zuschauer. "Unter Tage" beginnt mit einem A-capella-Gesang der ganzen Band. Das Lied, eine Hommage an die Bergleute, die unter Tag schufteten und deren Gruben längst geschlossen sind. Zum Schluss, nach "Der Mond ist aufgegangen", ein kurzes "Danke schön, tschüss". Die zwei letzten Live-Titel, "Roter Mond" und "Ich dreh Dich um", stammen aus Grönemeyers Konzert in Berlin.
EAV Was haben wir gelacht Sony Music hef. Angehängt zum Titel "Was haben wir gelacht..." heisst es weiter "...("verdächtige Larifaritäten aus drei Jahrzehnten"). Genau so lange machen die intellektuellen BlödelÖsterreicher Musik, zumeist ohrwurmige Melodiesongs mit queren und teils politisch höchst unkorrekten Texten. Es ist kein neues Album, sondern ein Raritäten-Album mit 18, wie sie selber schreiben, "nach-mitternächtlichen Geniestreichen, nonsensale Rohprodukten mit skurrilen Kurzgeschichten, die ursprünglich eigentlich gar nicht zum Veröffentlichen gedacht
REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative waren." Ob in Ermangelung neuer Ideen oder einfach, weil sie Spass daran haben, sind Chef-Texter Thomas Spitzer, Sänger Klaus Eberhartinger & Co. bereit, ihre musikalischen Absonderlichkeiten der Öffentlichkeit zu gönnen. Ob sie in der Cannabis-Gemeinde die heilige Maria-Huana anbeten, in Titeln wie "Barbie" (zum Thema Magerwahn), "#*ck Dich" oder "Der blöde Hein" vom Leder ziehen: zuweilen bleibt kein Auge trocken. Es ist der pure, rohe Charme der ungeschliffenen, meist unbearbeiteten One-TakeOriginale, welche die Band auch diesmal zum Erlebnis machen. Es darf wirklich gelacht werden...
KANSAS The Prelude Implicit Inside Out/Sony Music lg. 16 Jahre nach der letzten regulären Studioplatte "Somewhere To Elsewhere" wollen es die Progressive Rock Urgesteine Kansas aus dem gleichnamigen US-Bundestaat nochmals wissen und veröffentlichen tatsächlich mit "The Predule Implicit" eine neue Scheibe. Und diese Scheibe hat es wahrlich in sich. Angetrieben vom neuen Sänger Ronnie Platt, der sich in der Formation um die Gründungsmitglieder Phillip Ehart (dr.) und Rich Williams (git.) bestens integriert, zelebrieren Kansas
ein paar ganz feine Momente – die Musik ist nicht ganz so poppig ausgefallen wie beispielsweise der grösste Bandhit "Carry On Wayward Son" (1976), doch überzeugt die Scheibe vielmehr mit Tiefgang und exzellentem Songwriting – mal hardrockig, mal progressiv, mal sphärisch kommt der aktuelle Sound von Kansas daher. Die alten Recken müssen sich unter keinen Umständen vor den zahlreichen talentierten jüngeren Bands verstecken, doch Kansas sind eher im traditionellen progressive Rock verwurzelt, den sie auf eine angenehme und zugängliche Art präsentieren. Als Highlight dieses sehr guten Albums sind das epische "The Voyage Of Eight Eighteen" (dauert genau 8 Minuten und 18 Sekunden) sowie das fesselnde "Camouflage" zu nennen. "The Prelude Implicit" ist ein tolles Album geworden, das eine Chance verdient hat.
DATURA 4 Hairy Mountain Alive Natural Sound Records rp. «Hairy Mountain» ist das zweite Werk der australischen Datura 4 nach ihrem Debüt «Demon Blues», das in diversen Rockmagazinen (u.a. Classic Rock, Rolling Stone Australien) gefeiert wurde. Die Band um Dom Mariani (The Stems, DM3) legt in den zehn
Tracks noch einen Zack zu. Schwerer, cooler sind die Riffs (natürlich waren sie das schon auf dem Debüt), kratziger, ausufernder die Gitarrensolos, stampfender die Drums und fetter die Basslinien. «Hairy Mountain» ist im Vergleich zum Debüt ebenfalls bluesrockiger ausgefallen. Eine Power-PopNummer wie «Out With The Tide» ist nicht mehr zu finden. Daneben dürfen aber Ausflüge (wie schon auf dem Debüt) in den Boogie-Rock oder psychedelische Elemente nicht fehlen. In den Schluss haben sie mit «Broken Path» gar eine folkige Nummer platziert. «Hairy Mountain» klingt wie aus einem Guss, ohne Schwächen. Das Einflussspektrum reicht dabei von australischen Rocklegenden wie Buffalo oder The Coloured Ball bis hin zu Bands wie ZZ Top, Blue Cheer oder Mountain. Datura 4 haben es mit «Hairy Mountain» geschafft, auf ein sehr gutes Debüt noch ein besseres Album folgen zu lassen. Hut ab.
JOHN HOWARD Across The Door Sills Mental Groove Records rp. Der Engländer John Howard brachte 1975 sein erstes Album «Kid In A Big World» heraus. Zwei weitere Alben, «Technicolour Biography» und «Can You Hear Me OK?», ebenfalls Mitte der 1970er Jahre
eingespielt, wurden gar nie veröffentlicht. Seinem Label CBS fehlten Hitsingles. Um Hitsingles ging es John Howard aber nicht. Er wollte tiefgreifende, atmosphärische Glam-Art-Popsongs schreiben. Auch gingen seine oft Piano basierten Songs in der gerade aufkeimenden Punk-Ära unter. In den 1980er Jahren wechselte Howard die Seite und wurde A&R-Manager für n.a. Elkie Brooks, Connie Francis, Hazell Dean, Gary Glitter, The Crickets, Madness und Barry Manilow. Ganz los liess ihn die Musik aber nie. 1995 spielte er «The Pros And Cons Of Passion» ein, ein Album mit Coversongs, das aber erst 2008 herauskam. Durch eine glückliche Fügung wurde «Kid in a Big World» anfangs der 2000er wiederentdeckt und 2003 wiederveröffentlicht. Zu guter Letzt bekam John Howard die verdiente Anerkennung. Auch wurden seine beiden anderen Werke aus den 1970er Jahren endlich veröffentlicht. 2005 brachte Howard mit «As I Was Saying» gar ein Album mit neuen Songs heraus. Es folgten in einer schönen Regelmässigkeit weitere. Auf seinem aktuellen Werk «Across The Door Sills» stehen einmal mehr Piano und die Stimme von Howard im Zentrum. Die fünf teilweise bis zu 9 Minuten langen Songs klingen wunderbar poetisch, atmosphärisch dicht und nachdenklich. Im behutsamen Auftakt «Who Cares» gleitet die in sich
Jeder Rock-Fan dürfte die beiden grössten Bandhits von Kansas, "Carry On Wayward Son" und die Ballade "Dust In The Wind" nachsingen können, doch bieten Kansas viel mehr als das. In ihrer seit 1972 andauernden Karriere haben sie 15 Studio- und 5 Live-Alben veröffentlicht, welche allesamt höchsten Qualitätsansprüchen genügen. Auch wurden zahlreiche Live-Shows absolviert, welche den guten Ruf von Kansas untermauern konnten. Da seit dem Jahre 2000 in albumtechnischer Hinsicht Funkstille geherrscht hat, überrascht es, das die sechsköpfige Band mit einem neuen Album aufwartet. TRACKS hatte die Gelegenheit, mit Drummer und Gründungsmitglied Phil Ehart zu sprechen. lg. Auf die Frage angesprochen, weshalb es nun 16 Jahre für ein neues Album gedauert hat, erklärt Phil, dass es in der Band eine neue Chemie brauchte. Mit dem Ausstieg der Gründungsmitglieder Steve Walsh (Gesang) und Robbie Steinhardt (Geige, Gesang) und der Hinzunahme von Sänger Ronnie Platt entstand bei Kansas eine neue Dynamik, die zu einem neuen Album geführt hat. Ronnie Platt stammt ursprünglich aus Chicago und war 20 Jahre Lastwagenfahrer, bevor er zu Kansas stiess. Die Stimme von Originalsänger Steve Walsh liess mit zunehmendem Alter nach, weshalb er nach über 40
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Mainstream/Rock/Indie/Alternative REVIEWS gekehrte Stimme von Howard über sparsam und stimmig eingesetzte Piano-Tupfer. «Outward» klingt wie ein Hauch, der immer wieder tief berührt. Und durch «Pig 'N Pies» huschen dezent verspielte Elemente. «Across The Door Sills» steht in der Tradition von Künstlern wie Laura Nyro, Roy Harper, Bill Fay, Jimmie Spheeris oder einem Tony Kosinec. Und dort macht es sich gut.
THE LEMON TWIGS Do Hollywood 4AD rp. Der englische The Guardian kürte The Lemon Twigs zur Band der Woche. Elton John verriet unlängst, dass er ein Fan der Band um die blutjungen Brüder Brian (19) und Michael D'Addario (17) sei. Solche Vorschusslorbeeren machen stutzig, sind aber im Fall der Lemon Twigs mehr als gerechtfertigt. Ihr zweites Album «Do Hollywood», dessen Songs sie mit 15, bzw. 17 Jahren geschrieben haben, klingt vielschichtig, unbekümmert und referenzreich. Die Lemon Twigs bedienen sich mit einer erstaunlichen Abgeklärtheit in der Musikgeschichte der Sechziger und Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Das treffen die Beach Boys auf die Beatles, Todd Rundgren auf die Wings, Left Banke und der frühe Nilsson auf Vaudeville und Musical-Elemente. Dazwischen schimmern auch
mal dezente Funkelemente oder der Sound der Fünfziger durch. All dies vermischen die beiden Multiinstrumentalisten zu einem erfrischenden und farbenfrohe Pop-Kaleidoskop. Ein rasanter, kurvenreicher und erfrischender Trip durch die Musikgeschichte.
OKKERVIL RIVER Away ATO Records rp. Gerade erfreulich ist der Auftakt des neuen, neunten Albums der Band um Sänger und Songwriter Will Sheff nicht. «Okkvervil River R.I.P.» heisst dieser. Wird die 1998 in Austin, Texas, gegründete Band von nun an wirklich in Frieden ruhen? Oder wird sie zum Soloprojekt von Sheff, unterdessen ist er ja das letzte verbliebene Gründungsmitglied? Sheff beschreibt «Away» auf der Homepage der Band als “Not Really An Okkervil River Album And It's Also My Favorite Okkervil River Album.” Ist «Away» also eine Art Neustart? Auf jeden Fall gehören die neun Songs zum Besten, was Okkervil River bis jetzt veröffentlicht haben. Die vielschichtige Mischung aus Indiefolk und Indiepop, grosszügig aber nie überladen mit Streichern und Bläsern in Szene gesetzt, berührt und zieht den Hörer unweigerlich in seinen Bann. Das über sieben Minuten lange «Call Yourself Renee»
Jahren Kansas verliess. Zur Musik auf dem neuen Album meint Phil, dass es sich dabei um reinrassige Kansas-Musik mit allen Banktrademarks handelt. Als seine Lieblingssongs auf "The Prelude Implicit" nennt er "Visibility Zero" sowie der epische Longtrack "The Voyage Of Eight Eighteen". In den Texten geht es um allgemeine Themen, welche aus dem Leben gegriffen sind – technologische Entwicklungen, Verluste, Ängste aber auch um Entscheidungen, die man trifft, und so das Leben stark beeinflussen. Die sehr spiel- und tourfreudige Band, welche vornehmlich in den USA unterwegs ist, wird im 2017 auch Europa einen Besuch abstatten. Als eine der alten progressive Bands des amerikanischen Kontinents, stellt sich die Frage nach dem Stellenwert von Kansas. Man könnte ja fast behaupten, dass ohne Ur-Bands wie Rush oder Kansas es niemals Acts wie Dream Theater gegeben hätte. Doch der bescheidene und stets auf dem Boden gebliebene Phil mag einem solchen Statement nicht zustimmen. Dennoch kann die Aussage gemacht werden, dass ohne Alben wie dem
eröffnet mit einem behutsam atmosphärischen eineinhalbminütigen Intro. Streicher, ein tröpfelndes Piano und sanfte akustische Gitarren bereiten vor, bevor sie von Sheffs Stimme überlagert werden. Grosse Indiefolk-Kunst in der Tradition von Nick Drake oder Tim Hardin. Das darauffolgende «The Industry» klingt entspannt poppig, vor allem durch das harmonische Intro. Im wehmütigen «Comes Indiana Through The Smoke» erinnert Will Sheff sich an einen Grossvater, der ein grosses Vorbild für ihn war. Mit dem wiederum über sieben Minuten langen «Judey On A Street» rückt er sich in die Nähe von Van Morrison, ohne gesangliche Parallelen wohlgemerkt. Und der folkige Abschluss «Days Spent Floating (In the Halfbetween)» gleitet dahin wie ein ruhiger Fluss. Einmal mehr mit einer Nähe zu Van Morrison. Falls «Away» das letzte Werk von Okkervil River sein sollte, ist es wenigstens ein würdiger Abschluss.
RADIO MOSCOW Live! In California Alive Natural Sound Records rp. Nach fünf Studioalben ist «Live! In California» das erste Livealbum des amerikanischen Power-Trios Radio Moscow um Sänger, Songschreiber und Gitarrist Parker Griggs. Wie man es von ihren
Millionenseller "Leftoverture", welches Phil als sein Lieblingsalbum von Kansas bezeichnet, zahlreiche Nachahmerbands nie existieren hätten. Interessant zu wissen ist, dass vor der offiziellen Gründung von Kansas im Jahre 1972 die späteren Gründungsmitglieder Phil Ehart, Dave Hope (Bass) und Kerry Livgren (Keyboards, Gitarre) bereits unter dem gleichen Namen aktiv waren. Diese Inkarnation wird oftmals als Kansas I bezeichnet. Hope und Livgren verliessen Kansas 1983, als es zu grossen Spannungen mit Sänger Steve Walsh kam, da sich beide den wiedergeborenen Christen anschlossen. Die kreative Hochzeit von Kansas war in den 70er Jahren, als mit Alben wie "Leftoverture" (1976, 5-fach Platin in den USA) und "Point Of Know Return" (1977) der Durchbruch der Band erfolgte. Erst 1978 setzte die Bands für Shows nach Europa über. Mit dem Album "Monolith" aus dem Jahren 1979 ging es allerdings etwas bergab mit Kansas. Kreative Spannungen und Besetzungswechsel führten dann in den frühen 80er dazu, dass der Stern von Kansas leider rapide zu sinken begann.
Studioalben gewohnt ist, sind die dreizehn Songs ein Ausbund an purer und rauer Energie Der ungestüme Auftakt «I Just Don't Know» von ihrem 2009er Album «Brain Cycles» macht dies gleich zu Beginn unmissverständlich klar. Wilde Gitarrenläufe, psychedelisch verfremdet, überkommen den geneigten Hörer, unterlegt von satten Bass-Licks und donnernden Drums. Man ist versucht, den Lautstärkeregler (zum Leidwesen der Nachbarn) noch eine Spur weiter aufzudrehen. Solche Wucht braucht ein Maximum an Lautstärke. Die Nachbarn werden es hassen. Mit dieser Intensität geht es bis zum Schluss weiter. Parker Griggs, Anthony Meier und Drummer Paul Marrone steigern sich in eine wahren Spielrausch, der ebenso leisere Momente zulässt (z.B. «250 Miles/Brain Cycles»). Radio Moscow haben ihre Lektion bei Bands wie Cream, Blue Cheer, Budgie, Led Zeppelin oder einem Jimi Hendrix vorzüglich gelernt. Man wünscht sich an diesem Konzert im The Satellite Klub 2015 in Los Angeles dabei gewesen zu sein. So muss ein Livealbum klingen.
Sänger Steve Walsh stieg aus und so verliess auch das Gesicht der Band Kansas (er versuchte sich mit einer neuen Band namens "Streets", welche auch ein paar gute Alben veröffentlicht hat). Es folgten zwei schwächere und in textlicher Hinsicht christlich geprägte Alben mit dem zwischenzeitlichen Sänger Dino Elefante. Doch 1985 haben sich Kansas mit Walsh am Mikro sowie Steve Morse (jetzt bei Deep Purple) reformiert und zwei brillante Alben geschaffen ("Power" und "In The Spirit Of Things"). In den 80er Jahren plätscherte die Band albumtechnisch mehr schlecht als recht vor sich hin, doch waren Kansas auch in wechselnden Besetzungen immer Garant für sehr gute Konzerte. Auf dem 2000-er Album "Somewhere To Elsewhere" waren immerhin alle Originalmitglieder in irgendeiner Form zu hören. Doch nun sind Kansas im 2016 tatsächlich mit dem brillanten "The Prelude Implicit" zurück, was Hoffnung auf ein, zwei weitere starke Scheiben macht. Die Geschichte von Kansas scheint glücklicherweise noch nicht fertig geschrieben zu sein.
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Wie man Durchhaltevermögen buchstabiert? Ganz einfach: B-e-t-o-n-t-o-d. Die deutsche Punkrock-Bastion aus der Region Düsseldorf zieht schon seit 1990 ihre Kreise, reifte jedoch erst in den letzten fünf Jahren langsam zu einer festen Größe heran. Das neue Album „Revolution“ wird diese Entwicklung begünstigen – trotz oder vielleicht gerade aufgrund des recht plakativen Titels. bs. Pseudonyme sind im Punk unerlässlich. Johnny Rotten, Campino, Farin Urlaub... kennt jeder, braucht anscheinend jeder. Betontod haben auch Pseudonyme, nennen sich Meister, Eule oder Ado. Schon in Ordnung für eine Band, die 1990 unter dem Namen Extrem an die Krachbasis ging, zwischenzeitlich Sniffin' Kills hieß und mittlerweile als Betontod Furore in den deutschen Top Ten macht. Die Zeiten, in denen sie subversiv gegen den Staat ansangen und feinstem Untergrundgeschrammel frönten sind lange vorbei, mittlerweile integriert man freimütig Ska, Alternative und Metal in den wuchtigen Sound. Für Gitarrist Frank Vohwinkel (genannt Eule) waren diese langen Jahre an der reaktionären Basis allerdings Gold wert. „Diese Band war meine Jugend“, stellt er fest. „In meinem Leben hat sich alles schon sehr früh um Musik gedreht, und unsere Band wurde sehr schnell der Mittelpunkt von alledem.“ Locker ein Jahrzehnt frönte man dem unfiltrierten, aber auch recht unkommerziellen Punk, bis man sich entschloss, die ganze Nummer etwas seriöser anzugehen. „Sicher, das hätte auch schon früher passieren oder ein wenig stringenter vonstatten gehen können, aber wir können alle ganz anders mit der heutigen Situation umgehen, weil wir langsam reingewachsen sind.“ Vor allem für eine Punk-Band, meint Vohwinkel ganz richtig, ist ein solch gesundes und langsames Wachstum besser als ein Erfolg, der über Nacht kommt. Und glaubwürdiger eh. Jetzt spielen sie Riesenfestivals wie Wacken, als Rockstars möchten sie sich dennoch nicht sehen. „Richtig reich werden mit Musik ist ja eh nur den wenigsten vergönnt, darum sollte es nie gehen. Unser Antrieb war seit 1990, so viele Leute wie möglich vor die Bühne zu kriegen. Dabei ist es aber wichtig, dass man vor fünf Leuten dieselbe Show abliefert wie vor 5.000. Das muss man auch erst mal lernen.“ Eine sortenreine Punk-Band sind Betontod schon seit vielen Jahren nicht mehr. Auf „Revolution“ bewegen sie sich in einem überschaubaren Kosmos aus Rock, Punk, Metal, Ska und viel Mitgrölpotential. „Wer Punk mag, hat oft auch kein Problem mit Ska und kommt mit vielen Metal-Sachen klar. Wer Metal mag, ist hingegen von Ska aber oft nicht allzu begeistert“, so Vohwinkels Bestandsaufnahme. „Auf die Mischung kommt es eben an – und darauf, dass am Ende immer noch Betontod dabei herauskommt. Ist das gewährleistet, haben wir keine Scheu, neue Dinge auszuprobieren.“ Das führt auf „Revolution“ zur
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LIVE 25.3.2017 Zürich, Volkshaus
Nummer „Verdammt schwer“, die nur aus akustischer Gitarre und Gesang besteht. „Vor zwei Alben hätten wir das Ding noch mit Streichern vollgekleistert, um es so groß wie möglich zu machen“, meint der Gitarrist offen und ehrlich. „Diesmal haben wir es bewusst reduziert.“ Das sind alles Lernprozesse, die die Band in den letzten 26 Jahren durchlaufen hat. Mittlerweile liegt ihr 1000. Konzert bereits hinter ihnen, gefeiert wurde Ende Dezember in Düsseldorf. Das ist durchaus nicht die einzige Parallele zu den Toten Hosen, die in derselben Stadt einst das gleiche Jubiläum feierten. „Da war schon eine Menge dabei in den letzten 26 Jahren“, blickt der Gitarrist versonnen zurück und betont die große Relevanz ihrer Tourneen. „Konzerte sind der Grund, weshalb wir CDs aufnehmen“, stellt er klar. „Diese direkte Rückmeldung ist für uns sehr spannend und sehr wichtig. Erst dann merken wir, welche Stücke wirklich gut funktionieren und welche eher weniger zünden. Beides“, sagt er und lacht, „hält oft Überraschungen parat.“ Mit der neuen Platte „Revolution“ kommen locker einige weitere Gassenhauer für die Live-Eskalation dazu. Doch obwohl es sich zu Betontods Musik natürlich ausgezeichnet Bier trinken lässt, definiert Vohwinkel Erfolg dann doch etwas anders. „Erfolg die Anzahl der Menschen, die wir live mit unserer Musik überzeugen können und auch erreichen“, meint er und führt aus: „Wir schreiben oft und gern über die Dinge, die mitten aus dem Leben kommen. Da würde es keinen Sinn ergeben, sie zu verkomplizieren, also drücken wir sie so einfach aus wie möglich. Dadurch garantieren wir, dass sie bei so vielen Menschen wie möglich ankommen und nicht missverstanden werden können.“ Fürwahr, einen plakativen Albumtitel wie „Revolution“ kann man selbst dann nicht falsch verstehen, wenn man sich richtig viel Mühe gibt. „Klar“, nickt er, „der Name wirkt platt. Mir wird aber mehr und mehr bewusst, dass jetzt die richtige Zeit für einen solchen Titel ist. Wir müssen wieder in die Köpfe kriegen, was die Basis unserer Gesellschaft ist, was die Dinge sind, die uns zusammenhalten. Wir wollen keine gewalttätige Revolution, sondern eine Revolution in den Köpfen.“ Mit bangem Blick nach Amerika bleibt die unangenehme Frage, ob es dafür nicht vielleicht schon zu spät ist.
Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS BETONTOD Revolution Arising Empire/Warner bs. jetzt gibt es also schon zwei Punk-Bands aus der Region um Düsseldorf, die 1.000 Konzerte auf dem Buckel haben. Nach den Toten Hosen feierten auch Betontod Ende letzten Jahres dieses Jubiläum. Was das bedeutet? Nun, zumindest, dass da einer verdammt präzise Buch geführt hat. Gefeiert wird im neuen Jahr gleich weiter: Das neue Album „Revolution“ will den Aufwärtstrend der vergangenen fünf Jahre fortsetzen, der Betontod aus dem tiefsten Untergrund in die Top Ten der deutschen Charts holte und auch in der Schweiz erstmals auf den Radar setzte. Bei der Mischung sollte das ein leichtes sein: Rockig-schmissiger Punk mit Stadionatmosphäre und immer genügend Gelegenheit zum Mitgrölen, das eine oder andere Metal-Riff und etwas Ska-Gehopse. Nicht unbedingt originell, dafür aber handwerklich top und mit einer gewissen eigenen Note versehen. Und Bands, die laut gegen den Rechtsruck ansingen, kann es in diesen Tagen sowieso nicht genug geben. Also auf, auf, die Revolution wartet!
THE SIGOURNEY WEAVERS Noir Rookie Records / Irascible mh. The Sigourney Weavers… man lasse sich diesen Band-Namen mal auf der Zunge zergehen. Oberflächlich, ich weiss. Aber ich bin ehrlich und muss sagen, ich hab mich für diese Scheibe vom Stapel entschieden, weil mich der Name direkt vom Cover angesprungen hat und von dort über meine Netzhaut in den Hinterhauptlappen meines Gehirns, zum Sehzentrum gelangt ist. Na ja, das Auge isst mit, sagt man. Aus einem Party-Gag entstand der Name und begleitet die fünf Schweden nun seit 2008 und mit dem dritten Album. Stilistisch finden wir auf „Noir“ eine Soundtinktur die in etwa als poppige Offspring-Mucke durchgehen könnte. Die einmal eher poppig, wie im Song „Tribulation“ oder im Refrain von „Light Up The Dark“, daherkommt, wobei der Start und die Strophen von letztgenanntem Song dann wieder offspringiger nicht sein könnten. Punkiger schlägt dann aber „What's Left In The Music Hall“ zu Buche. Dazu trägt sicher auch der Landsman Nikola Sarcevic bei, der hauptberuflich bei Millencolin die Mikrophone der
Welt im Gesicht hat. Dessen Firma, zusammen mit noch einem Teil von Millencolin (Drummer Fredrik Larzon), macht dann auch das Management von The Sigourney Weavers. Soviel zum Hintergrund. Anspielen solltet ihr dann aber bei Gelegenheit „Tell It To Johnny“, das stärkste Stück. Fazit: so schwarz wie der Albumtitel kommt die Musik nicht daher.
SMILE AND BURN Get Better Get Worse Uncle M Music/Cargo cw. „Get Better Get Worse“ ist das Ergebnis einer achtjährigen Odyssee zwischen andauerndem Perfektionismus, wenig bis gar nicht Ermüdungserscheinungen und dem Glaube, dass da immer noch ein bisschen mehr geht. Gegründet 2008 erobern die Berliner Smile And Burn die Herzen der Punkrock-Gemeinde nicht im Sturm, nur um nach den berühmten 15 minutes of fame im Schatten des nächsten Internet-Hypes der Szene wieder sang- und klanglos in der Versenkung zu verschwinden. Smile And Burn stehen nicht weniger als für das permanente Brennen für die Sache und bekehren mit ihren Alben „Flight Attempt Of The Kiwi“ (2010), „We Didn't Even Fight Yet“ (2012) und „Action Action“ (2014) im guten alten Zwei-Jahres-Veröffentlichungsrhythmus nach und nach mehr und mehr Jünger. Mit „Get Better Get Worse“ veröffentlichen die Berliner nun ihr bis dato reifstes und facettenreichstes Album und brennen ganz nebenbei ein ganzes Feuerwerk an unverschämt eingängigen Midtempo-Rocksongs ab. „Good Enough“ oder „One Step Forward“ stehen für eine neu gewonnene und der Band wunderbar zu Gesicht stehenden Melancholie, die bereits auf dem Vorgänger ansatzweise Einhalt gefunden hatte. Auch dem ewigen Beatsteaks-Vergleich ist man auf „Get Better Get Worse“ beigekommen. Smile And Burn ähneln punktuell eher einer Bruder im Geiste-Version der späten Donots. Jedoch, am Ende ist „Get Better Get Worse“ weniger Abziehbildchen, sondern mehr Smile And Burn als je zuvor.
DAVE HAUSE Bury Me In Philly Rise Records/ADA cw. Dass für Dave Hause ein respektierter Platz in der hemdsärmeligen punk-goes-acoustic Szene um Gründerväter wie Chuck Ragan, Brian Fallon, Tim Barry oder Ben Nichols nicht genug war, bewies
er bereits mit seinem 2011er Erstwerk „Resolutions“. Um der Komfortzone aus reduzierten Akustiksongs und heiserer Stimme einer ganzen Troubadour-Generation zu entrinnen, setzte Hause schon früh auf geradlinige Rocksongs im Full Band-Korsett. Perfektionieren konnte er diesen einfachen wie für seine charismatische Stimme gut funktionierenden Weg auf seinem zweiten Album „Devour“ (2013), auf dem er nicht nur auf Faden Bruce Springsteens und Billy Braggs wandelte, sondern mit einem unaufdringlichen lyrischen Überbau noch gleich den American Way of Life hinterfragte. Einmal freigeschwommen stellt sich aber die Frage, was auf die vermeintliche Perfektion folgt. Mr. Hause ließ sich ganze drei Jahre für diese Antwort Zeit und nach einmaligem Hören von „Bury Me In Philly“ weiß man: Never change a winning team. Zumindest bricht sein nunmehr drittes Studioalbum als Solomusiker selten aus dem bewährten „Devour“'schen Konzept aus und besinnt sich auf die Stärken seines Vorgängers zwischen gefälligem Country- („Divine Lorraine“), Heartland- („My Mistake“), Blues- („The Mermaid“) und Folk-Rock („Helluva Home“). Seine Fans mögen ihm es nach der Wartezeit verzeihen, dass das Einschlagen neuer musikalischer Wege bis auf weiteres vertagt wurde. Fortsetzung folgt.
YOU ME AT SIX Night People PIAS/ MV bs. Manchmal ist Ehrlichkeit doch der beste Weg. You Me At Six machen keinen Hel daraus, wo sie hinwollen: Weltweit ganz nach oben, auf die großen Bühnen von Reading und Leeds, vom Wembleystadion eh. Das wollen insgeheim alle, aber niemand traut sich, es zuzugeben. Diese fünf selbstbewussten Engländer schon. Sie wissen ganz genau um die Stärken ihres neuen Albums „Night People“, das mit 35 Minuten zwar das kürzeste der Karriere, dafür aber auch das überzeugendste geworden ist. Schwachstellen im popaffinen Breitwand-Rock-Sound gibt es wenige, die Songs sind ausgezeichnet komponiert, zünden, funktionieren im denkbar großen Rahmen. Das mögen manche belächeln und als Reißbrettware abtun. Dafür sind You Me At Six aber viel zu lässig: Ein wenig NachvilleCountry hier, ein wenig MuseMelodramatik da und dazwischen ganz viel originär englischer Hymnensound... die Startbahn gehört euch, Jungs. Guten Höhenflug!
Neuengländer in der Wüste Auch auf ihrem neunten Album „11 Short Stories Of Pain & Glory“ bleiben sich die Bostoner FolkPunks Dropkick Murphys so treu wie es nur geht. Man könnte als Einführung also auch sagen: Vom Glück, einen unverwechselbaren und einzigartigen Sound kreiert zu haben.
bs. Diese Band gehört zu Boston wie die geschichtsträchtige Boston Tea Party, die St. Patrick's Day-Parade und die stolze irischstämmige Bevölkerung. Ersetzt man den Tee durch ein Getränk, das eher zum feurigen Sound der Dropkick Murphys passt, erhält man die Boston Whisky Party – und eine gute Vorstellung davon, was uns auf ihrem neunten Album „11 Short Stories Of Pain & Glory“ erwartet. Ein gewohnt wilder Ritt durch irische Folklore, Street-Punk und Rock'n'Roll der Arbeiterklasse ist das Album geworden, ein weiteres kraftstrotzendes Beispiel für die Vermählung zweier eigentlich grundverschiedener Musikstile. „Die Band war
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immer schon sehr fleißig, bodenständig und nahbar“, begründet Tim Brennan die Akzeptanz seiner Band im Punkwie auch im Folk-Lager. „Irgendwann auf unseren Reisen mit der Band merkten wir, dass es Menschen aus Brasilien stolz machte, aus Brasilien zu sein, wenn wir davon sangen, wie toll es ist, aus Boston zu kommen. Aber darum geht es ja gerade: Wir singen nicht davon, dass es besser ist, aus Boston zu kommen. Wir singen davon, dass jeder das Glück hat, von irgendwoher zu kommen und seine ganz eigenen Traditionen hat.“ Stolz auf ihre Stadt an der Ostküste sind die Dropkick
Murphys schon lang. Die Gründung einer solchen Band wäre in einer anderen Satdt aber eben auch kaum vorstellbar, umreißt Brennan: „Das Irische schwingt unterbewusst in dieser Stadt mit. Ich meine, es gibt wirklich verdammt viele irischstämmige Bewohner hier, die Boston eine gewisse Arbeiterklasse-Attitüde bewahrt haben. Ja es gibt viele Typen hier, die noch richtig zupacken können“, lacht er. Da passt die geradlinige, durstige und unaufgesetzte Musik dieser Band natürlich wie der feste Schaum aufs Guinness. „Boston ist unsere Heimat“, betont er. „Hier kommen wir her, hier wurden wir geformt, hier haben wir alles gelernt. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Musik. Wir sind in dieser Stadt groß geworden und erzählen in unseren Songs von den Erfahrungen, die wir hier gemacht haben. Boston ist die Bühne unserer Musik und ein fundamentaler Teil unserer Band.“ Ebenso fundamental ist der jährliche Auftritt der Folk-Punks beim Bostoner St. Patricks' Day. „Das Tolle daran ist, dass unsere Familie und Freunde dabei sein werden. Und das Schlechte daran ist, dass unsere Familie und Freunde dabei sein werden“, meint der Mann an Gitarre und Akkordeon schmunzelnd. Es wird langsam klar: Diese Stadt schwingt in jedem Ton mit. Auf „11 Short Stories Of Pain & Glory“ vielleicht sogar noch mehr als in der Vergangenheit. „Ganz allgemein ist dieses Album ein Exempel für den angeblichen Widerspruch zwischen aufputschender Musik und niedergeschlagenen Lyrics, über all die paradoxen Dinge, die das Leben ausmachen“, umreißt Brennan. „Uns war es wichtig, in diesen Zeiten aufzuzeigen, was es heißt, Mensch zu sein.“ Was das konkret zu bedeuten hat, wird bei einer Auseinandersetzung mit den Inhalten schnell offensichtlich. „Überwiegend sind es Geschichten von Hoffnung im Angesicht des Elends. Massachusetts wird beispielsweise gerade von einer regelrechten Drogenepidemie heimgesucht. Darum geht es in „You'll Never Walk Alone“, einem Song, der betont, dass niemand allein durch dunkle Zeiten muss und irgendwo immer ein Licht auftaucht.“ Der Stampfer „4 15 13“ hingegen erzählt von den Bombenanschlägen beim Boston Marathon und wie die Stadt im Angesicht dieses Terrors zusammenrückte. „All diese Schwierigkeiten eben, durch die wir uns im Leben kämpfen müssen und die uns die Hoffnung nicht verlieren lassen sollten.“ Harter Tobak, der immer wieder von unbeschwerten, fröhlichen Exkursen aufgebrochen wird. In „Sandlot“ zum Beispiel erinnert sich der Haufen an seine Kindheit in Boston. „Ich war jemand, der früh morgens aus dem Haus rannte und erst zurückkam, als meine Mom bei Einbruch der Dämmerung meinen Namen durch die Straßen rief“, blickt er ein wenig nostalgisch zurück. „Wir hingen einfach nur draußen rum. Das waren einfache Zeiten, in denen wir über nichts nachdenken mussten. Ich frage mich oft: War es nicht schöner, als alles etwas einfacher war?“ Bei all diesen Geschichten und all diesen Bezügen zur Neuenglandmetropole erscheint es umso erstaunlicher, dass ausgerechnet diese Album als erstes nicht in Boston aufgenommen wurde. „Da hast du natürlich recht“, meint Brennan und macht sich ans Erklären: „Wir nehmen natürlich sehr gern in Boston auf, aber wir leben nun mal hier, da kommt immer viel dazwischen. In Texas hingegen waren wir nur von Wüste, Wüste und noch mal Wüste umgeben, hatten keinerlei Ablenkung und waren regelrecht gezwungen, uns nur mit unserer Musik auseinanderzusetzen. Im Studio zu leben,
nach dem Aufwachen sofort Musik zu machen und das solange zu machen, bis man die Augen wieder zumacht, ist ein großartiges Gefühl. Wir befanden uns in unserer eigenen kleinen Blase, die uns sehr gut getan hat. Ich meine, selbst der nächste kleine Laden war mehr als eine halbe Stunde Autofahrt entfernt!“ Das hat den Sound der Bostoner natürlich nicht verändert. Gewisse Nuancen hingegen sind schon dazugekommen. „Ein Haufen Neuengländer, gefangen in der Wüste? Klar, da gab es schon das eine oder andere, das abgefärbt hat.“ Nach 20 Jahren feuchtfröhlicher Bandgeschichte und nach der langsamen, aber steten Eroberung der Welt, kann man ihnen das natürlich zugestehen. Zumal der ganz dezente texanische Outlaw-Einfluss hier und da wirklich vorzüglich zu diesem zügellos irischen Gebräu passt.
DROPKICK MURPHYS 11 Short Stories Of Pain & Glory PIAS/MV
bs. Die Band benötigt keine Vorstellung mehr, der Albumtitel spricht für sich. Und der Rest ist eh ein wilder Abend zwischen Whisky, Guinness und Kleeblättern. Die Dropkick Murphys sind das irische Gewissen Bostons, eine laute, flegelhafte Folk-Punk-Combo mit großem Durst, dem Herz am rechten Fleck und der Straße im Blut. Viel ist passiert, seit die Band vor 20 Jahren erstmals von sich reden machte. Wie viel, wird auf „11 Short Stories Of Pain & Glory“ deutlich – einem Album, das den eigenen Werdegang, die Höhen und Tiefen auf ganz und gar originäre Weise Revue passieren lässt. Vom melancholischen Intro „The Lonesome Boatman“ über das explosive Energielevel des programmatischen „Rebels With A Cause“ und „Sandlot“, das ihre Kindheit in Boston thematisiert, bis zur neuen Bandhymne „You'll Never Walk Alone“, zu der es sich auch noch nach zehn Pints hervorragend schaukeln lässt, schöpfen die Murphys mal wieder aus den vollen Quellen der irischen Folklore, des Straßenpunks und des ehrlichen Rock'n'Rolls der Arbeiterklasse. Das ist natürlich hemdsärmelig. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Formationen haben die Dropkick Murphys niemals einen Hehl daraus gemacht. Und begeistern mittlerweile völlig zurecht ein Publikum auf der ganzen Welt.
BLACKFIELD
Auf die Freundschaft
Für das fünfte Blackfield-Album ist Steven Wilson als kreativer Co-Direktor zurück an Aviv Geffens Seite gekehrt. Das Resultat ist ein entrückt schönes, sorgfältig überladenes und wunderbar episches Album mit jeder Menge Siebziger-Flair.
bs. Im Vordergrund ein feinfühliges, bittersüßes, üppig instrumentiertes Pop-Album, im Hintergrund ein Treffen der Giganten: Prog-Genie Steven Wilson ist für „Blackfield V“ als vollwertiges Mitglied zurückgekehrt und setzt den musikgewordenen Eskapismustraum des israelischen Superstars und „The Voice“-Jurors Aviv Geffen mit Geschick und Herz fort. Doch damit nicht genug: Hinter den Reglern hat auch noch Alan Parson Platz genommen, ein Generationentreffen der musikalischen Ausnahmeerscheinungen also, wie es in dieser Form selten stattfindet. Findet auch Geffen: „Mit Steven und Alan an einem Pult zu sitzen und meine Songs zu produzieren, war ein verdammt surreales Gefühl“, erzählt er uns beim Interview in einem Kölner Hotel. Er ist sichtlich zufrieden mit diesem neuen Blackfield-Album – einem Werk, das in zahlreichen Studios zwischen Israel, England und den USA entstand. „Das hatte praktische Gründe“, betont er. „Als ich zu sehr in Israel beschäftigt war, kamen Steven und Alan zu mir, als Steven in London zu tun hatte, flogen wir zu ihm, bei Alan und Kalifornien verhielt es sich genau so.“ Unstet ist das Album deswegen nicht geworden. Im Gegenteil. Es klingt homogen, natürlich gewachsen, auf wärmende Weise gar analog. „Uns war es wichtig, so viel Zeit wie möglich gemeinsam im Studio zu verbringen und weitgehend auf Loops zu verzichten. Eben wie man es in den Siebzigern gemacht hat.“ Als einer wie Steven Wilson dann noch verkündete, dass dies das beste Blackfield-Album aller Zeiten war, merkte auch Geffen, was sie da getan hatten. „So etwas haben wir noch nie vollbracht“, ist auch er sich sicher. Und meint es im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen nicht als werbewirksame Floskel. Dafür ist ihm seine Kunst viel zu schade. Mit seinen 43 Jahren ist der zierliche Künstler ein arrivierter Star in seiner israelischen Heimat, zugleich aber ein Hassobjekt, weil er mit seinen linken Parolen nicht hinter dem Berg hält. „Mein Vater gab mir das Werkzeug in die Hand, um Israel zu verändern“, meint er in Bezug auf seine Kindheit, die er im Beisein von Bob Dylan, Leonard Cohen oder Tom Waits verbrachte und Chomsky statt Märchen vorgelesen bekam. „Wir sind eine ruinierte
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Generation, ich musste einfach darüber singen“, erinnert er sich. „Ich glaube, ich bin der einzige israelische Künstler, der das tut, die anderen wollen einfach nur möglichst viele Alben verkaufen. Das ist für mich dann aber keine Kunst mehr, sondern Wirtschaft. Bei jedem Konzert in Israel“, so Geffen, „mache ich mir bewusst, dass es eine geringe Möglichkeit gibt, dass ich die Bühne nicht lebend verlasse. Das ist der Preis, den ich bezahle.“ Auch seine Rolle als Juror bei „The Voice“ nutzt er nicht zur Album-Promo, sondern zum verbreiten seiner politischen Ansichten zur Freiheit Palästinas. „Nur deswegen mache ich da überhaupt mit“, betont er. Die Folge: Regelmäßig flippen die Medien aus, belagern Klatschreporter und Kritiker sein Haus. Eine solche Situation hat er in der bewegenden Nummer „We'll Never Be Apart“ sogar auf „Blackfield V“ verewigt. „Bei mir war die Hölle los, Steven war zu dem Zeitpunkt in New York und hatte gerade eine tolle Show gespielt. Dieser Kontrast gab mir zu denken, und davon erzähle ich in diesem Song – von den unterschiedlichen Leben, die wir führen und die Freundschaft, die uns über den Ozean hinweg verbindet.“ Diese Freundschaft ist ein wiederkehrendes Thema auf dem neuen Album. Ja, sie ist überhaupt erst der Grund, weshalb es dieses Album überhaupt gibt. „Blackfield ist das Symbol unserer Freundschaft“, betont Geffen. „Blackfield ist das Kissen, in das wir weinen. Unser Tummelplatz. Von Stevens Soloalben wird eine Menge progressives Zeug mit langen Soli erwartet, bei mir erwarten die Menschen politische Botschaften. Blackfield ist unberührt von beidem. Blackfield ist pur.“ In dieser Hinsicht bezeichnen die beiden ihr Projekt gern als Fortführung von Wilsons alter Band Porcupine Tree. Ein schöner Gedanke. Aviv Geffen macht aus seiner Verehrung Wilsons keinen Hehl. Für ihn spielt der Brite in einer Liga mit Robert Plant und David Gilmour, wird in spätestens 20 Jahren auch vom Rest der Welt als das anerkannt werden. Nur deswegen, betont er, funktioniert diese Kollaboration überhaupt so lange und so gut. „ Wenn ich jemanden nicht verehre, kann ich mich nicht öffnen und keine wirklich persönliche Musik erschaffen. Ich muss etwas fühlen.“ Entsprechend viele Angebote hat Geffen in den letzten Jahren
ausgeschlagen. Da streitet er sich lieber mit Wilson darüber, ob denn nun ABBA oder die Bee Gees die bessere Band sind. „ Ich finde ja die Bee Gees, aber Steven meint ABBA. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, lacht er und steckt sich eine weitere Zigarette an. Wenn er über seine Freundschaft zu dem englischen Genie redet, taut er merklich auf, wirkt weniger beladen von einer schweren Bürde. „Ich habe Steven zu einem extrovertierten Menschen gemacht“, meint er zwischen zwei tiefen Zügen. „Vor zehn Jahren war er noch äußerst schüchtern, blickte kaum auf und sprach nicht mit dem Publikum. Er hingegen hat mich gelehrt, die technische Seite der Musik zu umarmen. Und auch, nicht allzu schmalzig zu werden.Also, nicht ganz so sehr wie Chris de Burgh, um es mal so zu sagen. Wobei wir auf dem neuen Album durchaus auch mal sehr kitschig geworden sind.“ Er überlegt kurz. „Ich mag das einfach.“ Es passt aber auch zur träumerischen, melancholischen Stimmung, die auf „Blackfield V“ durchaus auch mal an Broadway-Momente oder den Soundtrack eines Liebesfilms erinnern. Mut zum Kitsch, Mut zum Pathos hatte Geffen immer. Mit Wilson und Parson in Personalunion wurde daraus ein wunderbar reinigendes Stück Musik. „Ich wollte ein Album, das ein sicherer Hafen in diesen unsteten Zeiten ist, ein Album, bei dem man sich erholen kann“, legt er dar. „Eskapismus wie dieser war schon auf den Alben der Siebziger sehr wichtig. Heute sind es Trump, Putin und der Brexit, doch die Stimmung ist eine ganz ähnliche.“ Da ist sie, die politische Ebene eines an sich unpolitischen Albums. Aber ganz ohne kann er dann doch nicht. Kein Wunder eigentlich bei seinem Stammbaum. „Ich stamme aus der Geffen-Familie, wir sind so was wie die arme Ausgabe der Kennedys. Moshe Dayan war mein Cousin, ich bin das komplette Gegenteil davon. Israel hat kein Recht, das Leben der Palästinenser so zu kontrollieren, zu unterdrücken. Ich möchte meinem Sohn Dylan nicht eines Tages sagen müssen, dass ich all das wusste, aber nichts unternommen habe. Also tue ich, was ich kann.“
BLACKFIELD Blackfield V Kscope/Peaceville bs. In Zeiten wie diesen sind es Künstler wie Aviv Geffen, denen besondere Bewunderung zuteil werden sollte. In seiner Heimat Israel ein polarisierender Star, der sich offen links für die Freiheit Palästinas einsetzt, im Rest der Welt hochgeschätzter Gründer hinter Blackfield. Gemeinsam mit Steven Wilson, mit dem er auch die ersten beiden Blackfield-Alben realisierte, offeriert der 43-Jährige ein wunderbares, ein kostbares Stück musikalischen Eskapismus. Üppig, bisweilen kitschig, bittersüß und strahlend schön ist es geworden, ein Hohelied auf anspruchsvolle, emotionale, leidenschaftliche und umschmeichelnde Pop-Musik. Kein easy listening, dafür ein Manifest der Freundschaft dieser beiden Ausnahmekünstler. Produziert von Legende Alan Parson und umweht von der salzigen Brise des Ozeans, ist „Blackfield V“ das richtige Album, um abzuschalten und sich sanft in diesen Strom aus bittersüßer Melodie gleiten zu lassen. Ein reinigender Prozess, an dessen Ende man sich gestärkt, erholt und beseelt fühlt, ein Album für das eigene Kopfkino mit träumerischem Gesang, schwerelosen Rhythmen und samtweichem Sound. Musikgenießer unter sich eben.
«Ladies and Gentlemen: The Greatest RocknRoll Band in the world»
Für Fans der „grössten Rock'n'Roll Band der Welt“ war die Vorweihnachtszeit 2016 eine zwar teure aber dafür auch ungeheuer lohnende und auch spektakuläre Zeit. Gleich drei Veröffentlichungen aus dem Haus Jagger, Richards & Co sorgten für Begeisterung. Dass dadurch in vielen Geldbörsen Ebbe angesagt war, haben die Fans mit einem glückseligen Lächeln sicher verschmerzt.
hh. Der fetteste Brocken ist definitiv das auf 10'000 Exemplare limitierte und nummerierte Box-Set „The Rolling Stones In Mono“. Und wenn schon in Mono, also so, wie die Originalveröffentlichungen nun mal waren, dann auch bitte in der Vinyl-Version – so gehört sich das und so hört es sich auch authentisch und am besten an (wobei die 15 CDs umfassende Version akustisch auch nicht von schlechten Eltern ist). Wie eigentlich heute generell üblich, kommen die LPs in schwerem 180gr.-Vinyl. Für alle „modernen“ Fans ist ein Download beigelegt, mit dem man sich das ganze Werk auch als mp3-Files in höchster Qualität runterladen kann. Die hier „wiederbelebten“ Alben umfassen den Zeitraum 1963-1969, im Grunde die prägendste Zeit der Stones, wobei die musikalisch beste Zeit kurz darauf folgen sollte und dem Zuzug von Gitarrist Mick Taylor geschuldet war, der den verstorbenen Brian Jones ersetzte. Aber das ist eine andere Geschichte und auch nicht in Mono! Die beiden in der chronologischen Folge letzten LPs „Beggar's Banquet“ und „Let It Bleed“ dieses Pakets wurden zwar bereits in Stereo aufgenommen (wie auch, vollständigkeitshalber erwähnt, das 66er „Aftermath“ sowohl in Mono als auch schon in Stereo aufgenommen wurde),
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erschienen aber sowohl in England als auch in den USA in einer sogenannten „stereo-fold-down“-Mono-Version. Somit stehen die beiden „Exoten“ zu recht in diesem Box-Set. Leider erfüllt das Box-Set das Kriterium „vollständig“ einmal mehr (wie bei vielen ReReleases des Stones-Katalogs) nicht ganz, denn die US-Ausgaben von „Englands Newest Hit Makers“ und „Between The Buttons“ fehlen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau und dürfte höchstens ultra-beinharte-Fans stören. Auf der neuen, hier als Doppelalbum beigefügten „Stray Cats“ sind essentielle B-Seiten und Raritäten enthalten, die zum ersten Mal in Mono restauriert wurden. Die gesamte Aufmachung der stabilen, aufklappbaren Box ist bestens gelungen. Alle LPs kommen in den Original-Covern und sind zusätzlich noch jeweils durch wiederverschliessbare Plastiktüten geschützt. Dazu kommt noch ein sehr informatives (Text von ROLLING STONE Editor David Fricke) 48-seitiges mit z.T. raren Fotos bestücktes Booklet hinzu. Alle Songs wurden anhand der OriginalMasterbändern durch Bob Ludwig und Terri Landi neu remastert und die Lacquers von Alex Wharton und Sean Mageein in den Abbey Road Studios geschnitten.
HAVANA MOON Der Karfreitag 2016 ging zumindest für hunderttausende Kubaner in die Geschichte ein. Zum ersten Mal konnten sie ein gigantisches Rockkonzert sehen, und das noch gratis! Bis dahin war Rockmusik in Kuba offiziell verboten. Und wer konnte für diesen geschichtsträchtigen Event besser geeignet sein als die Rockdinos schlechthin, die sich in blendender Form präsentiert. Die Leistung, die besonders Mick Jagger hier bot, ist unglaublich. An Jagger scheinen die letzten 70 Jahre spurlos vorüber gegangen sein. Der Stones-Frontmann ist fit wie ein Turnschuh, nutzt die riesige Bühne inkl. Laufsteg voll aus, ist ständig in Bewegung, tanzt und singt dabei absolut souverän, ohne Fehl und Tadel. An dieser Leistung kann sich mancher 20-jährige ein Beispiel nehmen, und würde dabei wahrscheinlich älter aussehen als Jagger
schon ist. Auch der Rest der Band scheint diesen Abend in vollen Zügen zu geniessen und liefert eine prachtvolle, energiegeladene Show ab. Mit Rentnerrock hat das absolut nichts zu tun, auch wenn Jagger und Richards inzwischen 73 Lenze zählen, Charlie Watts bereits 75 und Nesthäkchen Ronnie Wood in diesem Jahr die 70er Marke überquert. Die Stones arbeiten sich energiegeladen und mit mächtig Spass in den Backen durch ein echtes „Best Of“-Programm, jeder Titel wird vom Publikum frenetisch gefeiert. „Havana Moon“ gibt es in verschiedenen Formaten – wir empfehlen die Triple-Vinyl-Version mit beiliegender DVD. Die Stones klingen auf Vinyl einfach am besten und die DVD ist unverzichtbar, denn sie fängt in absolut perfektem Sound und Bild die Magie dieses Events ein. Ein Highlight in der Stones Karriere der letzten 30 Jahre und ein Meilenstein der Rockgeschichte.
BLUE AND LONESOME Sie sind einfach unkaputtbar und welches Feuer in den alten Männern noch brennt, stellen sie unaufhörlich, in den letzten Jahren vornehmlich live, unter Beweis. Worauf viele Fans sehnlichst gewartet haben, aber womit doch wohl niemand wirklich gerechnet hat, die Stones legen ein neues Studio-Album vor. Dass es sich dabei um ein reines Coveralbum handelt, schmälert die Freude nicht. Denn die Stones pflegen hier auf höchst eindrückliche Art und Weise ihre Liebe zum Blues, der ja vor über 50 Jahren am Anfang ihrer Karriere stand und über all die Jahrzehnte ein prominenter Begleiter oder besser gesagt, die Essenz des Stones-Sounds war und immer noch ist. Somit schliesst sich mit „Blue & Lonesome“ der Kreis, denn noch einmal ein neues Stones-Album mit eigenen Songs zu erwarten, dürfte wohl doch in den Bereich des Wunschdenkens abgeheftet werden. Auf diesem Album erweisen die Stones zusammen mit ihren langjährigen Mitstreitern Darryl Jones (bass), Chuck Leavell (keyboards) and Matt Clifford (keyboards) ihren Blueshelden Jimmy Reed, Willie Dixon, Eddie Taylor, Little Walter and Howlin' Wolf Ehre und Respekt. Das komplette Album wurde live ohne Netz und doppelten Boden, soll heissen ohne jegliche Overdubs, unter der Produktionsregie von Don Was und natürlich den Glimmer Twins alias Jagger & Richards in London aufgenommen. Als Gast schaute Eric Clapton, der im gleichen Studio eine Tür weiter an seinem Album arbeitete vorbei und lieferte spontan bei zwei Songs wunderschöne Solos ab. Die Stones graben hier tief und puristisch die Wurzeln ihres eigenen Schaffens aus und beweisen eindrücklichst, dass sie auch in diesem Genre nach wie vor zum Besten gehören, was es auf unserem Planeten zu hören gibt. Allen voran Mick Jagger, der nicht nur mit einer tadellosen Gesangsleistung glänzt, sondern mit seinem herausragenden Harmonika-Spiel Dreh- und Angelpunkt des gesamten Albums ist. Die Band groovt unvergleichlich und spielt bei aller Lockerheit tight und auf den Punkt – es ist einfach nur eine
wahre Freude! Auch wenn es sich bei den Songs durchweg um eng am Original belassene Fremdkompositionen handelt, “Blue & Lonesome” ist Rolling Stones pur, durch und durch! Ein herausragendes, würdevolles Alterswerk.
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Entstanden aus der Asche von Thin Lizzy, legen die Black Star Riders um Scott Gorham mit „Heavy Fire“ ein druckvolles, zeitloses und erfrischend eigenständiges Hard-Rock-Album vor. Das Erbe der legendären Vergangenheit jedoch, es wird in dieser Band immer eine Rolle spielen. bs. Der Tag, an dem Phil Lynott starb, war ein schwarzer Tag für die Welt des Rock'n'Roll. Am 4. Januar 1986 verließ der unvergessene Frontmann von Thin lizzy nach allzu ausufernden Drogen- und Saufeskapaden diese Welt. Und hinterließ ein großes Vermächtnis. So groß sogar, dass es Scott Gorham, der von 1974 bis zur Auflösung 1984 ein integraler Teil von Thin Lizzy war, noch im 21. Jahrhundert nicht übers Herz brachte, ein neues Album unter diesem ikonischen Bandnamen zu veröffentlichen. Zu sehr hielt der Gitarrist das Erbe Lynotts in Ehren, zu sehr respektierte er das Erbe und die Verehrung der Fans. Dennoch hatten er und einige Mitglieder der Thin-LizzyReunion-Shows, die er seit 1996 anführte, ein komplett neues Album im Kasten, das ihrer Meinung nach viel zu schade war, um es einfach in der Schublade verrotten zu lassen. Die Geburtsstunde der Black Star Riders war gekommen. Und somit der Anbeginn einer erstaunlichen Band, die sich von Anfang an von Thin Lizzy distanziert hat und ihr Andenken dennoch am Leben hält. „Phil ist ein unsichtbares Bandmitglied“, sagt Scott Gorham noch heute. Mit seinen Black Star Riders kommt er dieser Tage schon auf drei Platten, die neue namens „Heavy Fire“ ist ein gelungener Spagat zwischen traditioneller Rock-Schule und moderner Hard-RockWucht. Nach Thin Lizzy klingen die Stücke hin und wieder durchaus. Für den zweiten Gitarristen Damon Johnson, der seit 2011 mit Thin Lizzy und den Black Star Riders spielt und seine Jahre davor damit zugebracht hatte, mit Alice Cooper Golf zu spielen, ist das kein Wunder: „Scott war nun mal bei Thin Lizzy. Es ist das Natürlichste auf der Welt, dass die Art und Weise, wie seine rechte Hand in die Saiten greift, Ähnlichkeiten zu dieser Band aufweist. Ich finde das wunderbar.“ Damit ist er nicht allein. In den letzten vier Jahren legten die Black Star Riders drei allesamt geglückte und kraftstrotzende Alben vor, die den Argwohn vieler Skeptiker mittlerweile aufgelöst haben. „Nach diesen drei Alben haben wir, für mich sehr überzeugend, gezeigt, wie wir den Thin-Lizzy-Sound weiterentwickelt haben“, lässt Gorham hören. Einst war er mit seinem Sparringspartner für die Etablierung des unverkennbaren Twin-Guitar-Sounds verantwortlich. Heute erfreut er sich allem Mythos zum Trotz an den Herausforderungen, die der moderne Bandalltag mit sich bringt. „Jeder Mensch in jeder Band muss sich immer aufs Neue beweisen“, ist er sich sicher. „Wenn du erwartest, dass dich alle Menschen sofort innig lieben und vor dir auf die Knie fallen, bist du ein Narr. Jedes Mal, wenn du auf die Bühne musst, musst du dich beweisen. Und wenn du das nicht willst, solltest du deinen Platz dort vorne jemand anderem den Platz überlassen, der ihn mehr verdient.“ Klare Worte, die den Arbeitsethos der Band unterstreichen. Und deutlich machen, dass man es hier eben nicht auf Leichenfledderei abgesehen hat. „Als wir unser erstes Album schrieben, gingen wir anfangs ja noch davon aus, es würde ein Thin-Lizzy-Album werden“, ergänzt Johnson. „Wir wussten also von Anfang an, dass dieses Album den sehr kritischen und geschulten Augen der Thin-Lizzy-Fans ausgesetzt sein würde.“ Diese Verpflichtung nimmt man sehr ernst. Man lässt sich nur
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nicht von ihr verunsichern. Wenn ein Riff also mal nach Thin Lizzy klingt, wird es nicht gleich in die Tonne getreten. „Das geschieht nur, wenn es nicht gut ist“, betont Gorham. „Wenn es gut ist, bleibt es drin. Ich will weder irgendwas kopieren noch mich selbst einschränken.“ All das führt auf „Heavy Fire“ zu einer Sammlung knackiger Rock-Songs, eingefasst in einen organischen, aber modernen Sound. Für den ist der in Nashville ansässige Produzent Nick Raskulinecz verantwortlich. Nach Arbeiten für die Deftones, Velvet Revolver, Rush oder Mastodon durfte der schon für das zweite Black-Star-Riders-Album „The Killer Instinct“ Hand anlegen und war auch jetzt die erste Wahl der Band. „Das Großartige an Nick ist sein Fokus auf Songs. Seine erste Frage an mich war: Habt ihr gute Songs? Darum geht es ihm. Nicht um Effekte, nicht im eine bestimmte Gitarre oder einen speziellen Verstärker“, meint Johnson. Insbesondere Sänger Ricky Warwick bekam die Besessenheit des Produzenten zu spüren – „doch er beschwerte sich nicht“, betont er und lacht. „Kein! Einziges! Mal!“ Die Besetzung der Black Star Riders, sie ist eben wirklich ein Glücksfall. Neben Gorham, Johnson und Warwick sind der frühere Ratt-Basser Robert Crane und Drummer Jimmy DeGrasso (Ozzy Osbourne, Megadeth) an Bord, ein Allstar-Unterfangen ohne einen Hauch von Allüren. Das zeigt sich auch in der Entscheidung, das neue Album auf der Crowdfunding-Kampagne Pledgemusic zu listen und den Fans dadurch Zugang zu jeder Menge exklusiver Goodies zu verschaffen. „Wir wollen nah an unseren Fans sein und ganz bewusst den direkten Draht aufrecht erhalten“, sagt Gorham dazu. „Das ist der Hauptgrund – und nicht etwa, 15.000 Dollar für ein gemeinsames Abendessen zu verlangen, nur weil wir es vielleicht können.“ Die Black Star Riders zeigen exemplarisch, wie man den Ruf einer RockLegende tadellos hält. Und sind ihrem Gründungsvater Lynott sehr gewogen, wie Johnson gern betont. „Obwohl ich Phil Lynott nie persönlich kennengelernt habe, empfinde ich ihm gegenüber eine tiefe Dankbarkeit. Er spielte die Hauptrolle darin, dass wir als Black Star Riders zusammengefunden haben.“ Man kann sich wohl sicher
BLACK STAR RIDERS Heavy Fire Nuclear Blast/Warner bs. Die 15-jährige aktive Karriere von Thin Lizzy war so dermaßen unvorhersehbar, abwechslungsreich und breit gefasst, dass es eigentlich unmöglich ist, von DEM Thin-LizzySound zu sprechen. Ein Glücksfall für die Nachfolgeband Black Star Riders, die das Erbe dieser unnachahmlichen Formation auch auf ihrem dritten Album „Heavy Fire“ achten, pflegen und bewahren. Sicher, an Scott Gorhams Gitarrenspiel hört man immer wieder eine gewisse Lizzy-Nähe heraus. Aber eben nur die Nähe zu einem bestimmten Song, zu einem bestimmten Album. Der Rest der mit ordentlich Schmackes produzierten Scheibe pendelt zwischen Classic Rock, Hard Rock und Heavy Metal, zeigt eine arrivierte Band in guter Form und macht erfreulicherweise erneut nicht den Fehler, an alte Zeiten anknüpfen zu wollen. Das hier ist eine eigenständige Band, die es verdient, auch ohne Thin-Lizzy-Background gehört, gewürdigt und geliebt zu werden. Mit bockstarken Stücken wie „Who Rides The Tiger“ oder „Thinking About You Could Get Me Killed“ ist eines eh gewiss: Diese Band ist gekommen, um zu bleiben.
Das Leben ist schรถn
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Die deutsche Band Kreator aus Essen im Ruhrgebiet hat 1985 mit ihrem Erstling "Endless Pain" noch etwas gar rumpligen Thrash Metal gespielt, konnte sich aber mit den darauffolgenden Scheiben und vielen Konzerten inklusive längerer USA-Touren rasch als eine der führenden extremen Bands in Europa etablieren und gilt bis heute noch vor Sodom und Destruction als das Aushängeschild des
teutonischen Thrash-Metal. Allerdings wird man der Band nicht gerecht, wenn man sie in eine Schublade packt, denn Kreator bieten viel mehr – nach den Experimenten in den 90er Jahren besann man sich anfangs des neuen Jahrtausends auf alte Tugenden, doch kopierte man nicht bloss den eigenen Stil. Vielmehr wuchsen Kreator zu einer führenden Macht des Heavy Metal und erfanden sich neu. Der sehr eloquente Milan "Mille" Petrozza, Sänger, Gitarrist und Frontmann der Band, hat mit TRACKS in einem ausführlichen Gespräch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Kreator beleuchtet.
LIVE 19.2. Pratteln, Z7 Special Guests: SEPULTURA, SOILWORK, ABORTED
war. Im Text geht es um realen Terror, der versucht, in die Subkulturen einzudringen und eine Kultur der Angst und entsprechend Unterschiede zu schaffen, wo keine sein dürfen. "Totalitarian Terror" hat eine ähnliche Thematik zum Gegenstand und diskutiert die Angst, die geschaffen wird, aber nicht auf das Leben abfärben soll. Mille weiter: "Das Leben ist schön, das Leben ist gut und wir müssen positiv denken. Jegliche Angst engt ein und macht das Leben schwierig bis unmöglich. Man darf keine Angst haben – trotz bestehenden und nicht wegzuredender Problemen." Zum Titelsong führt Mille weiter aus, dass er der Meinung ist, dass Religionen überholt seien. Er selbst sieht sich irgendwo in der Mitte zwischen Atheist und Agnostiker, will sich aber in keine Schublade stecken lassen, denn dies sei schliesslich auch eine Art Glaube mit einer entsprechenden Lehre.
«Das Leben ist schön, das Leben ist gut und wir müssen positiv denken. Jegliche Angst engt ein...» lg. Kreator stehen mit "Gods Of Violence", ihrem neuen und nunmehr vierzehnten Studioalbum, in den Startlöchern. Auch steht im Februar/März eine grosse europäische Gastspielreise mit Sepultura und Soilwork im Vorprogramm an – aussereuropäische Territorien werden später beackert. Es ist anzunehmen, dass "Gods Of Violence" als eines der grossen Jahreshighlights 2017 durchgehen wird und die anstehenden Konzerte sehr gut besucht bis ausverkauft sein werden. Auf die wesentlichen Veränderungen im Vergleich zum Vorgänger "Phantom Antichrist" angesprochen meint Mille: "Phantom Antichrist ist bereits fünf Jahre alt. In dieser Zeit habe ich, wie alle anderen Bandmitglieder auch, gelebt und neue Erfahrungen gesammelt. Allerdings hat es textlich und musikalisch keine weltbewegenden Veränderungen gegeben. Wir haben unseren Stil weiter verfeinert und mit etwas Bombast und orchestralen Parts angereichert. Auf "Gods Of Violence" findet der Hörer eine musikalische Reise, welche übertriebene Aggressionen, grosse Melodien und klaustrophobische Elemente umfasst. Alles kommt aus dem Herzen der Bandmitglieder und Kreator lässt sich keine Grenzen vorschreiben. Allerdings sollen die Hörer und Journalisten die Veränderungen diskutieren – ich fühle mich nicht dazu berufen, denn ich habe schlicht zu wenig Abstand zum Album." Es ist zu erwarten, dass "Gods Of Violence" sehr hoch in den Charts notieren wird – sogar ein erster Platz in Deutschland scheint in Reichweite. "Den würde ich sofort nehmen, haha…", so Mille. Aufgenommen wurde das Album wiederum mit Jens Borgren und zwar im August/September 2016. Das tolle Coverartwork stammt wie auf dem Vorgängeralbum von Jan Meininghaus. "Gods Of Violence" war ursprünglich als Konzeptalbum mit der Idee angedacht, den Einfluss der für praktisch jede menschliche Eigenschaften existierenden griechischen Götter auf die aktuelle Gesellschaft aufzuzeigen. Mille war das dann zu einengend, so dass sich bloss der Titelsong mit dieser Thematik auseinandersetzt. Im Opener "World War Now" geht es um die Terroranschläge in Paris im November 2015, wo unter anderen der Klub Bataclan Zielscheibe der IS-Terroristen
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Neben überzeugenden Alben konnten Kreator insbesondere auch live auftrumpfen und haben sich nach und nach als Headliner etabliert, der auf grossen Festivals mit entsprechender Show auftreten kann. Unter anderem war der Auftritt im Jahre 2015 auf dem süddeutschen Bang Your HeadFestival, der mit einer grossartigen Lichtshow und zahlreichen Bildschirmen aufwarten konnte, grossartig und hat neue Massstäbe gesetzt. Mille erklärt selbstbewusst: "Ja, ich sehe Kreator nun auf Augenhöhe mit den grösseren Headliner. Wir werden wieder solche Shows machen, wollen aber noch mit etwas mehr Pomp auffahren. Auf der anstehenden Europatour werden wir auch eine entsprechende Show haben. Mein Traum ist es, Kreator so gross wie möglich zu machen und dazu gehören auch grosse Konzerte. Ich sehe Thrash-Metal nicht als eine Fessel, sondern als eine Ausdrucksform." Im Februar werden Kreator auch in der Schweiz einen Halt machen (19. Februar im Z7 in Pratteln) und dort ihre grosse Show bringen. Laut Mille werden Kreator auch versuchen, in der Setlist nebst ein paar neuen Songs und den obligatorischen Standards Überraschungen einzubauen. Allerdings wird es auch hier kein ganzes Album am Stück zu hören geben, denn es gibt gemäss Mille immer Gründe, bestimmte Songs nicht live zu spielen. Im Winter 2002 waren Kreator zusammen mit Destruction und Sodom im Rahmen eines legendären Packages auf Tour. Mille würde dies gerne wiederholen. "2008 standen wir kurz davor, dies wieder zu tun, doch Tom (Angelripper von Sodom) wollte damals nicht. Ich finde die Idee nicht schlecht und würde das gerne wieder durchführen. Mal sehen, was die Zeit bringt. Doch zunächst folgt auf unsere Europatour im April 2017 eine längere US-Tour." Zum aktuellen Line-Up, welches seit 2001 unverändert mit Sami Yli-Sirniö (Girarre), Christian "Speesy" Giesler (Bass) und Jürgen "Ventor" Reil (Schlagzeug) besteht, meint Bandchef Mille (und einziges Mitglied von Kreator, welches auf jedem Album zu hören ist): "Das Line-Up ist sehr gefestigt und funktioniert so sehr gut. Das ist wie in einer Familie. Jeder respektiert den anderen und man hat auch genügend Abstand zueinander. Es ist nicht so, dass wir unsere Freizeit miteinander verbringen – wir funktionieren so bestens und ziehen alle an einem Strang. Anzumerken ist, dass Drummer Ventor von 1994 bis 1996 eine Pause von Kreator genommen hat. "Er wollte zwischendurch etwas anderes machen und brauchte etwas Abstand von der Band. Ich bin sehr froh, dass er nach wie vor dabei ist. Er ist ja ein Urmitglied von Kreator." Mille ist in Essen im Ruhrgebiet aufgewachsen. "Die Stadt nennt sich heute Einkaufsstadt – im Zweiten Weltkrieg stand noch am Hauptbahnhof Waffenschmiede des Reiches", erzählt Mille. "Die Stadt wurde am Ende des Krieges total zerbombt und war danach stark industriell geprägt. Ich lebe derzeit sowohl in Essen, Berlin und Barcelona und pendle hin und her." Auf seine ausländischen Wurzeln angesprochen gibt Mille zu Protokoll, dass diese nie ein Problem für ihn waren. "Das Ruhrgebiet ist ein Schmelztiegel vieler ausländischer Kulturen und ich bin stolz auf meinen Nachnamen. Petrozza tönt doch schliesslich besser als ein deutscher Allerweltsname, haha." Mit Musik kam Mille bereits sehr früh in Kontakt, denn die Musik war bei seinen Eltern stets präsent. Milles Vater spielte Gitarre und so ging es für Mille mit akustischer Gitarre los. "Allerdings wollte ich dann mein eigenes Ding machen und besorgte mir eine elektrische Gitarre (im Sonderangebot im Kaufhaus – das muss so 1982 gewesen sein). Ich konnte dann
vom im Musikunterricht Gelernten viel profitieren. Auch hörte ich sehr früh Musik. Los ging es mit Sachen wie Adriano Celentano, Disco-Sounds, die Bee Gees und Blondie. Mit gut 10 Jahren kamen dann Bands wie Kiss und Iron Maiden dazu. Venom haben dann alles verändert und ich war von ihnen total fasziniert. Wie bei vielen anderen waren sie für mich der Auslöser, härtere Musik zu machen. Dann kamen noch extremere Sachen wie Extreme Noise Terror und Napalm Death sowie viel Hardcore/Punk-Kram hinzu."
doch mit zunehmenden Erfolg erhielten wir auch gute Unterstützung. Vor allem zu Zeiten von "Extreme Aggression" mache das Label für uns sehr viel. Eine grosse US-Tour wurde auf die Beine gestellt, welche half, dass sich Kreator etablieren konnte. Am Ende flachte alles etwas ab. Es gab keine Videos mehr und Band und Label hatten Differenzen über die weitere Ausrichtung der Band. So endete die Zusammenarbeit in den 90er Jahren. Grundsätzlich verdankt Kreator Noise Recors sehr viel."
Kreator haben sich 1982 noch unter dem Namen Tyrant gegründet und nach ein paar Besetzungswechseln war mit Ventor (nach wie vor bei Kreator aktiv als Drummer) und Rob am Bass das Line-Up gefestigt. Kurz darauf erfolgte der Namenswechsel zu Tormentor. Als Tormentor nahmen die drei Jungs zwei Demo-Tapes auf. "Der Zweck dieser Tapes war, dass man im Tapetrading etwas zum Tauschen hatte mit unseren Freunden aus Chile oder den USA. Unser damaliger "Bandmanager" hat eine Kassette nach Berlin zu Karl-Ulrich Walterbach geschickt (der Chef des damaligen grössten europäischen Metallabels Noise Records) geschickt und so wurden wir nach Berlin eingeladen. So kamen wir dazu, recht schnell unser erstes Album "Endless Pain" aufzunehmen. Das kam für uns etwas überraschend. Der Namenswechsel zu Kreator erfolgte damals, da es schon einige Bands mit dem Namen Tormentor gab und Kreator tönte einfach mächtiger", berichtet Mille aus den Anfangstagen. 1989 gab es zudem einen Film mit dem Titel "Thrash Altenessen", der seinen Fokus auf die sozialen Aspekte des Thrash Metal legen wollte. Mille führt aus: "Ich finde den Film total klischeehaft und er gibt in keinem Fall die damalige Realität wieder. Wir waren damals viel im Proberaum und nicht in irgendwelchen Schrebergärten am Bier trinken." Auf die Frage nach der Zusammenarbeit mit Karl-Ulrich Walterbach, einer schillernden und nicht ganz unumstrittenen Figur antwortet Mille: "Ich würde unsere Kooperation nicht als schwierig bezeichnen. Anfangs nahm uns Walterbach gar nicht ernst,
Bei einer solch etablierten und lange aktiven Band wie Kreator lohnt sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem sehr interessanten und abwechslungsreichen Back-Katalog. TRACKS hat Mille zu allen Alben befragt und konnte ihm so einige interessante Statements entlocken. Endless Pain (1985): "Bei diesem Album haben wir nichts nachgedacht. "Endless Pain" verkörpert unsere Thrash-Roots und ist aus meiner Sicht nicht grossartig. Vielmehr ist die Scheibe etwas unbeholfen und gar spontan ausgefallen." "Pleasure To Kill (1986): "Auf dieser Scheibe wollten wir einfach alles besser machen als auf dem Debüt. Wir haben sehr intensiv geprobt und wollten unser bestmöglichstes Album aufnehmen. Auch haben wir mit komplexeren Songstrukturen experimentiert. Das Ziel war, ein so brutales aufzunehmen, wie es kurz zuvor Slayer mit "Hell Awaits" und Possessed mit "Seven Churches" gelungen ist." Dieses Album gilt nach wie vor als eine der besten Scheiben von Kreator und ist in Fankreisen extrem beliebt. Einige Songs von "Pleasure To Kill" sind immer noch fester Bestandteil der Setliste der Band, wie zum Beispiel der Titelsong oder "Riot Of Violence". Flag Of Hate (1986, EP): "Etwas verwirrend war da, dass die EP mit Flag Of Hate von der ersten Scheibe, das wir extra neu aufgenommen haben, nach "Pleasure To Kill" erschienen ist. Ich denke, dass diese EP insofern sehr wichtig war, als dass der lange Track "Awakening Of The Gods" das erste Stück war, das den Kreator-Bombast in seiner Urform enthielt. Somit
schliesst sich hier sogar der Kreis zum brandneuen Album. Dieser Song sowie "Flag Of Hate" sind nach wie vor in der Setlist von Kreator zu finden. Terrible Certainty (1987): "Hier fällt erstmals der total miese Sound auf. Wir haben das Album in den Horus Studios in Hannover aufgenommen – Celtic Frost haben dort "Into The Pandemonium" aufgenommen und hatten ähnliche Probleme. Das Studio war mehr auf Pop-Produktionen ausgerichtet und niemand dort hatte eine Ahnung von Metal. Damals hatten wir unsere Sturm und Drang Zeit. Wir haben viel gefeiert und hatten eine grossartige Zeit. Von den Songs hebt sich "Toxic Trace" ab, welches erstmals etwas politisch war und Klimakatastrophen zum Gegenstand hatte." Out Of The Dark…. Into The Light EP (1988): "Diese EP beinhaltete mit "Impossible To Cure" einen neuen Song und wir haben diese EP gemacht, damit wir mit einem aktuellen Release auf US-Tour gehen konnten. Das war damals üblich " Extreme Aggression (1989): "Extreme Aggression war ein Riesensprung für uns. Die Produktion von Randy Burns war sehr gut und ich bin mit dem Album nach wie vor zu 100% zufrieden – einer unserer Klassiker. Zudem gab uns das Video zum Song "Betrayer" weiter Auftrieb und wir konnten unseren Bekanntheitsgrad weiter vergrössern. Diese Scheibe kam in den USA auf Epic heraus, einem Majorlabel, während unsere Releases in Europa nach wie vor über Noise Records erschienen." Coma Of Souls (1990): "Das Album entstand unter sehr grossem Zeitdruck und ist stilistisch als der Bruder vom Vorgänger "Extreme Aggression" zu betrachten. Allerdings ist es trotz der Tatsache, dass es ein Schnellschuss ist, ein sehr gutes Album geworden." "Renewal" (1992), Cause For Conflict (1995), Outcast (1997): "Die 90er Jahre waren für Kreator eine Zeit der Selbstfindung. Wir haben viel experimentiert und haben uns von den Fesseln des Thrash Metal befreit. Kreator ist da seinen eigenen Weg gegangen. Von diesen drei Alben denke ich, dass "Outcast" das schwächste war, obschon wir nach wie vor "Phobia" in unserem Live-Set haben." Endorama (1999): "Endorama ist die Scheibe von Kreator, welche am kontroversesten diskutiert worden ist. Es befindet sich kein schnelles Stück auf dem Album. Tommy Vetterli (Coroner), der damalige Gitarrist von Kreator, und ich hatten so eine 80er Wave-Phase und wir haben unsere Songs entsprechend gestaltet, obschon die Musik im Kern nach wie vor Heavy Metal war. Im Titelsong war sogar Tilo Wolff von der Gothic-Band Lacrimosa zu hören. Ich mag die Scheibe nach wie vor sehr gut." In der Tat sind die beiden Alben mit Tommy Vetterli an der Gitarre ("Outcast" und "Endorama") die experimentellsten Alben der Band. Dieser Punkt hat Bassist Speesy zur Bemerkung verleitet, ob denn nun damit Tommy bei Kreator eingestiegen ist oder nicht vielmehr die damaligen Kreator fast als neue Inkarnation der damals bereits aufgelösten visionären Thrash-Metaller von Coroner zu verstehen waren. Bei Mille hat dieser Kommentar zu einem Lachen geführt. "Tommy und ich sind nach wie vor sehr gut befreundet. Damals hatte es bei Kreator mit uns beiden zwei Alpha-Tiere, was zeitweise nicht ganz einfach, aber aus kreativer Sicht äusserst fruchtbar war. Zu Coroner denke ich, dass die Band mit ihrem Stil ihrer Zeit etwas voraus war und deshalb immer recht zu kämpfen hatten." Violent Revolution (2001): "Mit Violent Revolution und der Hinzunahme von Sami Yli-Sirniö als unseren zweiten Gitarristen anstelle von Tommy Vetterli erfolgte die Rückbesinnung auf alte Tage. Kreator hatten sozusagen ein Flashback in die Vergangenheit, ohne allerdings die über die Jahre gewonnene Erfahrung und Professionalität aussen vor zu lassen. Ein tolles Album." Enemy Of God (2005), Hordes of Chaos (2009), Phantom Antichrist (2012): "Mit den letzten drei Alben vor "Gods of Violence" haben wir unseren Stil weiter verfeinert und innerhalb des Bandkontextes entlang eines roten Fadens experimentiert. Kreator bewegt sich in seinem eigenen Universes und wir machen was wir wollen – wir folgen keinem Dogma. Wir haben auch im Songwriting grosse Fortschritte gemacht." Auf die Schweiz angesprochen, meint Mille: "Kreator kam immer in die Schweiz für Konzerte und mir gefällt das Land ausserordentlich gut. Schon 1987 spielten wir mit Voivod in
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einem Klub in der Nähe von Sargans (das Rössli in Azmoos) und das war eine tolle Location. Auch hatten wir viele Auftritte im Volkshaus in Zürich oder auch im Z7 in Pratteln. Das Publikum in der Schweiz hat Kreator immer sehr wohlwollend aufgenommen. Zudem gefallen mir die Bergkantone in landschaftlicher Hinsicht sehr gut." Betreffend aktueller Musik, die er hört, nennt Mille zuerst die Schweizer Band Papst & Abstinenzler, eine Truppe, die eher im Singer/Songwriter-Bereich anzusiedeln ist. Weitere aktuelle Faves sind französische Chansons, Lana Del Rey oder auch das neue Album von Testament. "Musik ist so tagesform- und zeitabhängig: Ich kann mich da unmöglich festlegen, denn ich höre wirklich alles kreuz und quer."
KREATOR Gods Of Violence Nuclear Blast / Warner lg. Knapp fünf Jahre nach dem unglaublich erfolgreichen Vorgänger "Phantom Antichrist" stehen Kreator mit einem neuen Album in den Startlöchern. "Gods Of Violence" heisst dieses mächtige Teil und untermauert weiter die Stellung von Kreator als eine der führenden extrem Metal-Bands. Der Ruhrpott-Vierer hat die bereits auf den Alben seit der mit "Violent Revolution" (2001) erfolgten Besinnung auf alte Tage eingeschlagene Route weiter verfeinert und zelebriert seinen auf Thrash-Wurzeln basierenden monumentalen Heavy Metal. Aggression wird in einer nahezu perfekten Art mit Melodie und Bombast gepaart, so dass sich die Songs auf "Gods of Violence" schon nach wenigen Durchläufen in den Ohren festsetzen. Auf die grossartige Instrumentierung legt Mille seine aggressive Stimme, welche er variabler denn je einsetzt. Teilweise hört man auch Elemente des melodischen schwedischen Death Metal (At The Gates lassen grüssen) oder auch des traditionellen Power Metal alter Machart. Schon das majestätische Intro "Apocalypticon" lässt Grosses erwarten. Der Opener "World War Now" beginnt sehr schnell, beinhaltet aber getragene, melodische Teile. Das folgende "Satan Is Real" beginnt im Midtempo und kommt mit sehr geschickten Tempowechseln daher. "Totalitarian Terror" ist Aggression pur wie in alten Kreator-Tagen, bietet aber einen mitsingbaren Refrain und ist das beste Stück auf "Gods Of Violence". Der bereits vorab veröffentlichte und sehr bombastische Titelsong beginnt Power Metal-artig, drückt aber dann mächtig aufs Gaspedal und mündet in einem Chorus voller Pathos mit "We Shall Kill"-Shouts. Doch auch die anderen Songs können das hohe Niveau halten – sie sind teilweise pfeilschnell gehalten (wie "Army Of Storms", "Lion With Eagle Wings") oder grooven wie die Hölle ("Hail To The Hordes", "Fallen Brother" – eines der grossartigsten Songs des Albums). Das zweitletzte "Side By Side" vereint die verschiedenen Trademarks geschickt, während der sehr gelungene und epische Rausschmeisser "Death Becomes The Light" zuerst ruhig und mit klarem Gesang beginnt und dann in einen sehr variablen Power-Metal Songs mündet (mit ruhigem Zwischenpart). Mit "Gods Of Violence" haben Kreator das Kunststück vollbracht, im Vergleich zum Vorgänger nochmals einen Zacken zuzulegen und zelebrieren Breitwand-Metal quasi in Perfektion. Das muss eines der metallischen Highlights 2017 geben – "Gods Of Violence" wird den Test of Time locker bestehen und ist ein Heavy Metal-Geschoss für die Ewigkeit.
REVIEWS Hard/Heavy/Metal ACCEPT Restless & Live Nuclear Blast/Warner
GLENN HUGHES Resonate Frontiers Rec./MV ip. Wo bei anderen Kollegen ähnlichen Alters stimmlich oft nur noch das plombenziehende Krächzen eines rostigen Gartentores übrig ist, bleibt Hughes unangefochten der Bartli mit dem Most. Wo er den allerdings lagert, bzw. immer noch herholt, bleibt wohl eines der letzten ungelösten Rätsel der Menschheit. Das kann dem Hörer aber letztlich auch egal sein, denn so lange Mr. Hughes weiterhin auf hohem Level abliefert, ist alles im Lot. Das trifft insbesondere auf sein neues Album „Resonate“ zu. Nachdem seine Supergroup Black Country Communion 2013 erst das Ende und kürzlich dann doch ein neues Album für 2017 verkündete, war musikalisch ausser einer ganz passablen Veröffentlichung mit California Breed nicht viel Neues des Sängers zu hören. „Resonate“ zieht dafür aber wieder alle Register und ist der Beweis für die These „Gut' Ding will Weile haben“. Das Album beginnt mit „Heavy“, einer Nummer, die nicht nur dank Gastdrummer Chad Smith (Red Hot Chili Peppers) direkt ins Tanzbein swingt und legt mit „My Town“ einen klassischen Stampfer mit cleveren Arrangement-Kunstgriffen in der Bridge nach. „Flow“ ist eine überfette, langsame Dampfwalze, deren Riff fast schon Black Sabbath-Qualität hat, und in der Mitte mit einem filigranen Led Zeppelin-Einschub einen unerwarteten Kontrapunkt setzt. Ähnlich schwer, dafür positiver melodiert, ist mit schicker Hammondorgel im Hintergrund Nachfolger „Let It Shine“. Einen bedeutenderen Part spielt die Hammond in „Steady“, das unter anderem mit einem transparent-luftigen Refrain und bombastischem Solopart Punkte sammelt. Ein düsteres, treibendes Thema (erinnert stilistisch leicht an Doug Pinnicks Bass, wer dessen Band King's X kennt) schiebt die Wand namens „God Of Money“ vor sich her. „How Long“ flacht durch seine Länge ganz leise etwas ab (wenn davon auf diesem Level überhaupt die Rede sein kann), bäumt sich aber mit einem wahnsinnigen Hammondsolo wieder auf und mit „When I Fall“ ist eine samtige Schunkelnummer an Bord, in der Hughes' Gesang die Hauptrolle übernimmt. „Landmines“ lebt von der funkigen Note, die vor allem die Gitarre anschlägt und „Stumble And Go“ erinnert entfernt nach „Rockin' In The Free World“ von Neil Young. „Resonate“ wird von „Long Time Gone“ abgeschlossen und auch hier wirkt, wie beim Opener, Drummer Chad Smith mit. Ja, was soll man da noch weiter über den grünen Klee jubeln. Von möglichen zehn Punkten gibt es für „Resonate“ elf. Classic/Heavy/Hard Rock Album des Jahres vom immer noch besten Rocksänger, den es gibt.
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lg. Das 2009 lancierte Comeback des deutschen Heavy Metal-Giganten Accept mit dem neuen Sänger Mark Tornillo (ex-T.T. Quick) verlief mit den drei Alben "Blood Of The Nations" (2010), "Stalingrad" (2012) und "Blind Rage" (2014) und den dazu gehörenden Tourneen in Europa, den USA, Südamerika und Asien äusserst erfolgreich. Ende 2015 trennten sich Accept, angeführt von den beiden verbliebenen Gründungsmitgliedern Wolf Hoffmann (Gitarre) und Peter Baltes (Bass), vom Gitarristen Herman Frank sowie Schlagzeuger Stefan Schwarzmann. Ersetzt wurden die beiden durch Uwe Lulis (exGrave Digger) und Christopher Williams. 2015 traten Accept mit der neu formierten Besetzung erstmals in Deutschland am renommierten Bang Your Head!!! Festival als Headliner auf und haben die aus 17 Songs bestehende Setlist als Live-Album "Restless & Live" für die Nachwelt (als DVD/Blue-Ray) festgehalten. Der Titel ist insofern irreführend, da nicht das gesamte Restless & Wild Album gespielt wird. Vielmehr besteht die Setlist aus einem guten Mix zwischen Song der alten Alben mit Udo Dirkschneider und aus den drei genannten neueren Alben, welche sich sehr gut ergänzen. Das Package wird durch zwei CDs abgerundet, welche Aufnahmen von 27 Songs von der Blind Rage Tour in verschiedenen Städten (in Osteuropa, Deutschland, Frankreich und ein Song im Z7 in Pratteln) im Jahre 2015 beinhalten. Auch hier wird der bewährte Mix aus alten und neuen Songs beibehalten. Die Songs tönen trotz verschiedener Aufnahmeorte wie aus einem Guss – die Band ist spielfreudig und die Fans machen überall hervorragend mit. Als Highlight ist der Zugabenteil (aufgenommen in St. Petersburg) mit den Songs "Metal Heart", "Teutonic Terror" (ein Song aus dem Jahre 2010) und dem Überhit "Balls To The Wall" zu bezeichnen. Tolles Package!
PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS Motörhead Music ip. Es ist nicht ganz einfach, über Phil Campbells neue Band zu schreiben.
Wieviel Erwähnung von Motörhead kann ein Artikel ertragen? Ist es überhaupt angebracht, Lemmy oder Motörhead zu erwähnen, wenn Campbells neue Band es doch verdient hat, unvoreingenommen und eigenständig betrachtet zu werden? Vielleicht ist „No Turning Back“ eine mögliche Antwort darauf. Es handelt sich dabei um Song Nummer 4 auf der jetzt erschienenen EP von Phil Campbell and The Bastard Sons. Er macht musikalisch mehr als deutlich, wie sehr Lemmy zwar in dieser Welt fehlt, mit Campbell aber immer noch ein Stück seiner Musik hiergeblieben ist. Campbells Vergangenheit ist Motörhead und untrennbar mit der Band und Lemmy verknüpft. Die Tatsache, dass Campbells neue Band, in der seine drei Söhne und Sänger Neil Starr mitspielen, ihr Liveprogramm auch mit Motörhead-Songs bestücken, spricht für das Bewahren des Vermächtnisses. Es spricht aber auch dafür, dass Campbell als Komponist eines gewaltigen Teils des Motörhead-Repertoires weiterhin respektiert und geschätzt wird und eigenhändig damit klarmacht, dass er keinen Wert darauf legt, als von seinem Mutterschiff abgekoppeltes Rettungsboot wahrgenommen zu werden. Ausserdem wird auch in Zukunft alles, was Campbell musikalisch unternimmt, irgendwie mehr oder weniger nach Motörhead klingen. Und das ist schön und richtig so. Die EP mit seinen Bastard Sons klingt mit den anderen vier Songs allerdings wesentlich moderner und auf jeden Fall weniger zynisch und böse. Das liegt mit Sicherheit auch an dem, und das darf man in diesem Fall ja sagen, Generationenunterschied der Mitglieder. Das Alter der vier Youngsters liefert Campbell vermutlich einiges an neuer Inspiration und bringt frischen Wind in sein Songwriting. Es ist immer noch lupenreiner Rock'n'Roll, dem man aber eine Frischzellenkur verpasst hat und durch Starrs Gesangsstil eine ganz eigene Note bekommt (Hey, mehrstimmige Vocallines und Effekte auf der Stimme!). Phil Campbell and The Bastard Sons schaffen das schon ganz alleine, sich einen eigenen Namen zu machen. Dafür braucht es keinen einzigen Schreiber. Wahrscheinlich ist es Phil Campbell vollkommen egal, was und wie über ihn berichtet wird. Das hat er wahrscheinlich nicht nur von Lemmy gelernt, sondern er ist bleibt eben der walisische Gitarrist, der einfach nur Musik machen will und dem sämtlicher Firlefanz zu anstrengend ist. Einen Jacky Cola auf dich, Phil.
Hard/Heavy/Metal REVIEWS NAVARONE Oscillation Rodeostar/Soulfood ip. Navarone kommen aus Nijmegen, Niederlande, und konnten mit ihrem alternativen Hardrock bereits in Anfangstagen im Jahr 2008 so überzeugen, dass Barry Hay sie als Support für seine legendären Golden Earring mit auf Tour nahm. Ihre beiden Alben „A Darker Shade Of White“ (2012) und „Vim And Vigor“ (2014), beide vom Grammygewinner Vance Powell produziert, der u.a. mit Jack White und Beck gearbeitet hat, wirbelten gerechtfertigt einigen Staub auf. Der Opener ihres dritten Albums „Oscillation“ klingt wie ein Bastard aus Wolfmother und Muse und diese Richtung stimmt auch ungefähr für den gesamten Stil der Band. Allerdings ist der Progressivfaktor ausserordentlich hoch und so streuen Navarone immer mal wieder sehr krude Parts in ihre Songs („Lonely Nights“). Dass es aber auch straight geradeaus geht, zeigt der Track „Showtime“, der mit simplem Einszwodreivier, klassischem Songaufbau, überaus lüpfigem Beat und einer mächtigen Portion Vintage innerhalb von gut zwei Minuten zum Ziel kommt. Dafür ist Nachfolger „Free Together“ ein sechsminütiges Epos, das sich aus einer ruhigen Hippiemelodie in eine grosse Oper verwandelt. Der Einsatz von einigen elektronischen Klängen und ein kleiner Deutsch gesprochener Sample in „Soon I'll Be Home“ sorgen dann für konstantes Hochhalten des Hörerinteresses, das Navarone bis ins letzte Detail meistern. Das gelingt ihnen hauptsächlich mit dem sehr variablen Sound, gekonnten Arrangements und dem konsequenten Nicht-Festhalten an einem bestimmten Muster. Navarone überzeugen aber auch durch ihr hohes Mass an technischer Fertigkeit und nicht zuletzt hat auch Merijn van Harens fantastischer Gesang einen grossen Anteil daran. „Step By Step“ hat einen unverkennbaren Nirvana-Einschlag, „Chrome“ kommt mit 70er-Psychedelic-Part beinahe in Musical-Gefilde und „Unmistakably Everything“ ist eine vergleichsweise ruhige Insel zum Verschnaufen. Die braucht man auch vor dem Monster „Days Of Yore“, das einem sieben Minuten lang Gänsehaut fabriziert. Die delikate Akustiknummer
„Don't Belong“ bildet einen stillen Abschluss einer stürmischen Platte. Navarone klingen intensiv, dicht und nach einem ausgesprochen eigenständigen Charakter. „Oscillate“ ist so spannend, dass man, wie bei einem Buch, andauernd dazu verleitet wird, die letzte Seite zuerst lesen. Das sollte man aber bei Navarone auf gar keinen Fall tun, denn hier etwas zu verpassen oder vorweg zu nehmen, wäre fatal. Navarone haben Klasse und sind jeden Moment ihrer Entdeckung wert.
PRETTY MAIDS Kingmaker Frontiers Records mv. Die Dänen von Pretty Maids sind endlich wieder mit einem neuen Album am Start. In der Pause seit dem letzten Album „Motherland“ war vor allem Sänger Ronnie Atkins sehr aktiv hatte mit dem bärenstarken Nordic Union-Album sowie seinem Engagement bei Avantasia mehrmals sehr erfolgreich auf sich aufmerksam gemacht. Zum Glück sind Pretty Maids deswegen nicht komplett in den Hintergrund geraten, denn zusammen mit seinem Sidekick Ken Hammer ist Ronny immer noch Fabrikant ganz grosser Melodic MetalKunst. So haben die Pretty Maids bereits unzählige Klassiker in der Hinterhand, wobei einige davon eben nicht nur aus den 80er Jahren stammen wie bei den meisten anderen Bands (z.B. die fulminante „Pandemonium“ Scheibe von 2010). So sind die Erwartungen an eine neue Platte dann auch jedes Mal entsprechend hoch und für die Band ist es sicher nicht ganz einfach, dieses Level immer gleich hoch halten zu können. Der neueste Output „Kingmaker“ ist so eine Scheibe, die eben nicht ganz mit den Vorgängeralben mithalten kann. Das Album ist natürlich alles andere als schlecht und bietet vor allem in der ersten Albumhälfte wieder alles, was das Fanherz begehrt. Das heisst, wuchtige Powersongs wie „When God Took A Day Off“, ”Bull's Eye” oder „Humanize Me“ wechseln sich ab mit hochmelodischen Rockern wie „Face The World“ oder dem balladesken „Last Beauty On Earth“. Dazu ist der Titelsong mal wieder eine Hymne sondergleichen, bei welchem Pretty Maids all ihre Stärken
gebündelt haben. Leider geht der Scheibe in der zweiten Hälfte teilweise etwas die Luft aus und mit „Sickening“ wagen die Dänen gar noch einen kleinen, unnötigen Ausflug in Modern Metal-Gefilde. Trotzdem, alleine schon dank dem starken Gesang von Ronnie Atkins ist jeder Song immer noch über dem Durchschnitt. Fazit: gemessen an den überaus starken Vorgängeralben vielleicht etwas schwächer, gemessen an den sonstigen monatlichen Veröffentlichungen in diesem Bereich immer noch überaus empfehlenswert.
CRY OF DAWN feat. Göran Edman Frontiers Records mv. Mit Cry Of Dawn aus Schweden gibt es hier ein weiteres der unzähligen Projekte aus dem Hause Frontiers. Diesmal ist die Hauptperson dahinter Sänger Göran Edman, den man an dieser Stelle sicher kaum noch vorstellen muss, hat er in den letzten 30 Jahren ja bereits für unzählige bekannte Bands seine Stimme glänzend eingesetzt (die bekanntesten davon sind mit Sicherheit
Yngwie Malmsteen, John Norum, Madison und Brazen Abbot). Mit Cry Of Dawn hat Göran wie bei Frontiers üblich einige Songwriter zur Seite gestellt bekommen und die Namen dahinter, nämlich Michael Palace, Steve Newman oder Alessandro Del Vecchio, werden bei Kennern der Melodic Rock-Szene sofort ein Kopfnicken auslösen und man weiss Bescheid, wie das Album so in etwa klingen wird. AOR vom Feinsten, mit Betonung auf den Gesang und die Keyboards, während die Gitarre eher zur Untermalung im Hintergrund bleibt, dafür die immer noch wirklich sehr starke Stimme von Göran, welche noch nichts von ihrem Glanz verloren hat. Leider ist das Ganze allerdings auch etwas austauschbar geworden, vor allem was das Songwriting betrifft. Dem Album fehlen die grossen Highlights, welche bei der Masse an Veröffentlichungen unbedingt notwendig sind, um genug Aufmerksamkeit zu erregen mit einem Release. Trotzdem, Fans von Göran Edman und Bands wie Europe, Journey oder Night Ranger können mal ein Ohr riskieren und das sehr gut produzierte Album anchecken, schlecht ist „Cry Of Dawn“ natürlich keinesfalls.
lg. Trotz einiger Besetzungswechsel an Gitarre und Schlagzeug blieben Overkill weitestgehend ihrem Stil treu und basieren nach wie vor auf Thrash Metal. Auch Eskapaden im Doom- oder gar modernen MetalBereich wurden der Band verziehen, die seit 2010 und dem famosen "Ironbound" wiedererstarkt ist und sich einer treuen Gefolgschaft erfreuen kann. TRACKS konnte den charismatischen Frontmann Bobby "Blitz" Ellsworth – neben Bassist D.D. Verni einzig verbliebenes Originalmitglied – im Vorfeld des Gigs im Zürcher Dynamo im November 2016 treffen. Welche Musiker haben bei Dir den Wunsch hervorgerufen, in einer Metalband sein zu wollen? "Ich war in meiner Jugend grosser Fan der Beatles und Rolling Stones, doch der Auslöser zum Musikmachen war meine Mutter. Sie war Sängerin und hat zwei tolle Alben mit Pop-Balladen veröffentlicht. In den 70er-Jahren war ich viel in New York unterwegs. Von New Jersey kann man in 30 Minuten dorthin gelangen. Ich war dann schier überwältigt von der Energie des Punks und von dessen Energie hingezogen. Es ging da weniger um Talent und Songwriting. Bands wie Iggy Pop oder The Dead Boys standen bei mir in der Beliebtheitsskala ganz oben. Ich wollte dann auch eine Band haben." Blitz, Du und D.D. Verni seid ja seit Jahren (seit 1990) die einzig verbliebenen Originalmitglieder von Overkill. Wie fühlt es sich an? Seid ihr die Anführer mit drei Söldnern? "Es fühlt sich sehr gut an. Wir sehen uns als eine Band und geniessen die Zeit zusammen. Auf Tour sind wir fast schon ein Altherrenklub, haha…" Welcher Mitgliederwechsel war damals der Schwierigste? 1990 habt ihr mit eurem Gitarristen Bobby Gustafson einen der Songwriter verloren und ihn sogleich durch zwei Gitarristen ersetzt. "Ja, der Ausstieg von Bobby Gustafson war nicht ganz einfach. An dieser Stelle muss ich aber sagen, dass Bobby nie alleine für das Songwriting zuständig war. Die Songs sind und waren immer von Overkill und Bobby hat meines Wissens kaum einen Song fertiggestellt. Dafür war immer D.D. zuständig. Mit der Zeit wurde es nach und nach schwieriger mit Bobby, so dass die Trennung von ihm unumgänglich war. Das Nachfolgewerk "Horrorscope" (1991) mit den damals beiden neuen Gitarristen ist ja auch sehr gut geworden und ist nach wie vor einer meiner Lieblinge in der Diskographie von Overkill." "Feel The Fire", euer Debüt-Album (1985), gilt nach wie vor als ein Meilenstein. Ist das schwierig für Overkill, immer daran gemessen zu werden? "Ich bin nach wie vor sehr stolz auf dieses Album. "Feel The Fire" hat allerdings nichts mit der heutigen Attitüde der Band zu tun. Wir haben aber unsere Prinzipien beibehalten und diese angepasst und ausgeweitet. Overkill ist so lange in der Musikbranche aktiv, so dass wir uns vom Debüt in keiner Art und Weise eingeengt fühlen." Overkill ist seit 1981 ohne Unterbruch aktiv. Mit "Ironbound" im Jahre 2010 gelang euch aber eine Scheibe, die euch ins Bewusstsein des grösseren Metal Publikums zurückbrachte. Was hat "Ironbound" bewirkt, was die Alben davor nicht konnten? Kurz vor den Aufnahmen stiess Ron Lipnicki als Schlagzeuger zur Band (Anmerkung: Ron ist offenbar kurz vor der Tour ausgestiegen – diese wird mit einem anderen Drummer absolviert), was uns neue Energie und neuen Elan gab. Zuvor hatten wir mit Overkill etwas das Gefühl, dass alles auseinanderfällt, doch mit dieser neuen Energie konnten wir uns neu fokussieren und so dieses tolle Album aufnehmen. Damals kam bei uns wieder der Hunger auf – Overkill wollte alles geben und das bestmögliche Album machen. Das ist uns mit "Ironbound" gelungen". Heute ist der erste Tag eurer Europatour mit Crowbar. Wie fühlst Du Dich vor der ersten Show? Ist das blosse Routine für eine gut geölte Metalmaschine wie Overkill? "Ich bin vor Shows immer etwas nervös und sehe es nie als blosse
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Routine an, auf der Bühne zu stehen. Ich kann es kaum erwarten loszulegen." Wie kommt es, dass ihr jetzt tourt, während das neue Album –"The Grinding Wheel" – erst im Februar 2017 veröffentlicht wird? "Das ist für uns enttäuschend. Wir hatten da offenbar ein Missverständnis mit unserem Label Nuclear Blast. Wir haben ja auch einen Ruf zu verteidigen und werden natürlich auch ohne neues Album im Gepäck alles geben. Wir spielen auch einen neuen Song – "Our Finest Hour"". Was können die Fans in Deinen Worten auf "The Grinding Wheel" erwarten – insbesondere im Vergleich zum Vorgänger "White Devil Armory"? "Ich denke, dass "The Grinding Wheel" recht anders ausgefallen ist. Es ist eher ein Heavy Metal Album, da wir den Thrash Metal Anteil deutlich reduziert haben. Ich bin mit dem Resultat sehr zufrieden und denke, dass es nach wie vor perfekt zu Overkill passt." Blitz, Du hast sowohl eine Krebserkrankung überlebt sowie einen Schlaganfall erlitten. Haben diese beiden Ereignisse Deine Sicht auf das Leben verändert? "Ja, das kann man so sagen. Es gibt allerdings immer zwei Seiten bei solchen Erlebnissen. Das eine ist, die Krankheit zu meistern und schauen, dass man wieder gesund wird. Da hatte ich wirklich grosses Glück. Das andere ist, welche positive Energie man aus einer Krankheit zieht. Man lebt anschliessend bewusster und nimmt selbstverständliche Dinge nicht mehr als gegeben hin. Man freut sich viel mehr über kleine Sachen. Man darf bloss nicht in Selbstmitleid versinken." Verbindest Du spezielle Erinnerungen mit der Schweiz? "Ich erinnere mich sehr gut, als wir im Juni 2010 in Jonschwil am Vorabend der Big Four Show mit Metallica, Slayer, Megadeth und Anthrax gespielt war. Da hat es so unglaublich stark geregnet, dass sowohl Bands wie auch das Publikum förmlich im Schlamm versunken sind. Diese Show werde ich nie mehr vergessen."
OVERKILL The Grinding Wheel Nuclear Blast / Warner lg. Mit Overkill steigt eine weitere seit gut 30 Jahren aktive Thrash Metal-Truppe mit einem neuen Album in den Ring. Overkill hatten ihre Blütezeit während den für den Metal stilprägenden 80er-Jahren, haben aber nie den Kopf in den Sand gesteckt und seither weitergemacht. Bereits zum neunzehnten Mal veröffentlicht die Band von der US-Ostküste ein full-length Album und schwimmt weiterhin im Fahrwasser des im Jahre 2010 erfolgten erfolgreichen Mini-Comebacks mit der Knallerscheibe "Ironbound". Thrash-Metal wird mit purem Heavy Metal sowie Motörhead-Grooves angereichert – was das neue Album "The Grinding Wheel" recht treffend beschreibt. Was bei Overkill nach wie vor sehr gefällt und die Band im Vergleich zu anderen Artgenossen hervorhebt, ist die stets vorhandene Aggressivität und die Bissigkeit der Band, welche aus der latent vorhanden Punk-Attitüde kommt. Zudem kann man die markante Stimme von Sänger Bobby "Blitz" Ellsworth stets von anderen Metal-Vokalisten unterscheiden, was immer Garant für etwas Eigenständigkeit bildet. "The Grinding Wheel" ist ein sehr gutes Album geworden. Hervorzuheben sind der sehr abwechslungsreiche und gut siebenminütige Opener "Mean Green Killing Machine" (wohl bloss ein anderer Name für Overkill), das zügige "Goddamn Trouble", das auch als 7" erschienene "Our Finest Hour" und der recht thrashige Quasi-Titelsong "The Wheel".
REVIEWS Hard/Heavy/Metal HAIR OF THE DOG The Siren's Song Kozmic Artifactz/Soulfood
METALLICA Hardwired… To Self-Destruct Universal lg. Nach acht langen Jahren ist die grösste Metal-Band der Welt wieder zurück. Natürlich sind da Metallica gemeint, welche sich in den 80erJahren mit den ersten drei Alben "Kill'Em All", "Ride The Lightning" und "Master Of Puppets" bei der Metal-Gemeinde unsterblich gemacht haben. Dann wurde man richtig erfolgreich – das Album "Metallica" (auch Black Album genannt/1991) gilt als eines der erfolgreichsten Werke aller Zeiten und sprengte damals viele Rekorde. Dann folgten veröffentlichungstechnisch etwas schwierigere Jahre. Zwar war man bemüht, doch es fehlte sowohl bei "Load" und "Reload" als auch bei den folgenden Alben eine klare musikalische Linie, was der grossen Popularität der Band aber keinen Abbruch tat. Live waren und sind Metallica nach wie vor Garant für grossartige Shows. Auf "Hardwired… To Self-Destruct", dem zehnten regulären Studioalbum des in San Francisco ansässigen Quartetts, erfolgt eine Rückbesinnung auf die Vergangenheit. Es hat thrashige Songs, einige Songs, welche auch auf dem schwarzen Album hätten stehen können und somit viel Groove aufweisen sowie Tracks, die sich eher an der "Load"/"Reload"-Phase orientieren. Sehr gut sind die bereits vorab bekannten Songs geworden: das schnelle "Hardwired", das eher vertrackte "Atlas, Rise!", sowie "Moth Into Flame". Als weitere Highlights sind "Now That We're Dead", auf welchem James Hetfields Rhythmusgitarre voll zur Geltung kommt und das mit einer sehr guten Melodieführung aufwarten kann, "Murder One", ein Tribute an den verstorbenen Motörhead Frontmann Lemmy Kilmister mit vielen textlichen Zitaten zu Motörhead und "Spit Out The Bone, ein recht thrashiger Song. Allerdings findet sich auch durchschnittlicheres Material auf dem Album wie "Dream No More", das wie eine Kopie aus Zeiten des Black Albums tönt, und "Halo On Fire", ein Track mit balladesken Zügen, das etwas uninspiriert klingt, aber mit einem guten Refrain aufwarten kann. Dann haben es mit „ManUNkind“ sowie „Am I Savage?“ sogar zwei recht biedere Songs auf das Album geschafft. Hier wäre weniger mehr gewesen – sprich acht anstatt zwölf Songs oder ein einfaches Album statt einer Doppelscheibe. Dennoch ist "Hardwired… To Self-Destruct" ein versöhnliches und solides Album geworden, welches sich an der Vergangenheit von Metallica orientiert, gleichzeitig aber auch aufzeigt, dass die Band in künstlerischer Hinsicht seit dem umstrittenen Album "St. Anger" (2003) keinen Schritt weitergehen wird und somit stagniert. "Hardwired… To Self-Destruct" gibt es in vielen verschiedenen Formaten (normale 2 CD, 3 CD mit LiveSongs, dem vor ein paar Jahren auf Tour gespielten „Lords Of Summer“ sowie eines coolen Ronnie James DioMedleys sowie verschiedene Vinyl-Formate).
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ip. Musikpolizeilichem Gemecker à la „Schon wieder so eine RetroBand“ oder „Alles schon mal da gewesen, langweilig“ wird nicht stattgegeben. Es soll sich gefälligst darüber gefreut werden, dass grossartige Bands wie Deep Purple, Black Sabbath und Led Zeppelin in zweiter Blüte stehen und von jungen Bands gefeiert werden. Es hätte VIEL schlimmer kommen können. Hair Of The Dog aus Edinburgh fahren ein sehr anständiges Retro/Classic RockBrett mit dickem Stonerteppich, einigen Psychedelic-Mustern und einer guten Portion Wiedererkennungswert. Auf ihrem zweiten Album „The Siren's Song“ gibt es von flotten Rockern wie „You Soft Spoken Thing“ oder „Gypsy Eyes“ über bluesigen Midtempo bei „The Spell“ (ein Highlight des Albums) bis zur sämigen Ballade „Weary Bones“ für jeden etwas. „The Siren's Song“ ist insofern dynamisch und abwechslungsreich, klingt aber auch wie aus einem Guss. Das gilt nicht nur für die hervorragende Produktion, sondern auch für das unbedingte Können des schottischen Trios und das Vermögen, auf dem erst zweiten Album eine erstaunliche musikalische Reife zu präsentieren. Das liegt vermutlich auch mit daran, dass man sich auf eine kurzweilige Spieldauer von zehn Songs und 47 Minuten geeinigt hat, die das Schaffen von Hair Of The Dog genau auf den Punkt bringen. „The Siren's Song“ ist ein mehr als solides Werk mit amtlichen Songs, das man sich gerne öfter anhört.
DEMON Cemetary Junction Spaced Out Music mv. Die NWoBHMLegende Demon veröffentlicht mit „Cemetary Junction“ ihr bereits dreizehntes Studioalbum. Das ist wahrlich beachtlich, vor allem im Wissen, dass es die Band trotz zahlreichen hochkarätigen Alben nie zum Durchbruch geschafft hat. Dabei sind nicht nur die Klassiker „Night Of The Demon“ oder „The Unexpected Guest“ unverzichtbar, sondern auch spätere Werke wie „Taking The World By Storm“ oder „Hold On To The Dream“ sind absolute Perlen für
Freunde der ganz grossen Melodien. Man muss Originalsänger Dave Hill einmal mehr zu seinem Durchhaltevermögen gratulieren, denn gerade auch die letzte Platte „Unbroken“ war sehr stark ausgefallen und ging leider trotzdem in der Flut von Veröffentlichungen etwas unter. Das neue Album erscheint dann auch ohne grosse Ankündigung ziemlich überraschend und bietet leider teilweise etwas sperriges oder zu seichtes Material. Der Opener "Are You Just Like Me" ist noch absolut klassischer Demon-Stoff mit herrlichem Chorus. Danach folgen recht gute Ausflüge in den AOR-Bereich („Life In Berlin“ oder “Turn On The Magic”) oder in die Neoprog-Phase der Band („Drive“ oder „Someone's Watching You“). Leider gibt es auch zwei relativ verzichtbare Songs („Queen Of Hollywood“ und „This Disguise“). Der klassische Titelsong, das bombastische „The Best Is Yet To Come“ und das balladeske „Miracle“ dürften die Demon-Anhänger da schon eher begeistern. Der grösste Pluspunkt ist wie immer Sänger Dave Hill, der immer wieder aufs Neue mit seiner emotionalen Stimme fesselt, welche absolut nichts von ihrer Magie verloren hat über die Jahre. Auch wenn das Album alles in allem leicht weniger zwingend als der Vorgänger „Unbroken“ ausgefallen ist, so ist auch „Cemetary Junction“ für Demon-Fans unverzichtbar.
LORD VIGO Blackborne Souls No Remorse Records lg. Für eine Doom Band sind die deutschen Lord Vigo sehr speditiv: 2014 gegründet, sofort ein 5-Song Demo aufgenommen, welches im Rock Hard Demo der Ausgabe war, und anschliessend folgte ein Plattenvertrag. Das Demo "Under Carpathian Sun" wurde als LP/CD aufgelegt und Lord Vigo kamen dann rasch zu einigen Auftritten. Mit "Blackborne Souls" folgt nun das erste reguläre Album des epischen Doom Metal Schlachtschiffes. Vergleichbar mit Bands wie Doomsword, Solstice oder auch Atlantean Kodex arbeiten sich Lord Vigo um den guten Sänger Vinz Clortho zäh durch die teils sehr langen Song, die zugegebenermassen ein paar Durchläufe brauchen, aber mit der Zeit gut im Ohr hängen bleiben. Ein gutes Epic/DoomAlbum, das bei den Anhängern oben genannter Bands Anklang finden wird.
HARDLINE Human Nature Frontiers Records mv. Das Debüt-Album von Hardline, „Double Eclipse“ aus dem Jahr 1991, gehört noch immer mit zu den besten Releases überhaupt in Sachen AOR/Melodic Hard Rock. Damals hatten die Brüder Johnny und Joey Gioeli aber auch ein extrem hochkarätiges Line-Up zusammen mit Neal Schon, Deen Castronovo und Todd Jensen. 25 Jahre später ist Sänger Johnny Gioeli das einzig verbliebene Originalmitglied und heutzutage eher bekannt für seine kongeniale Zusammenarbeit mit Axel Rudi Pell. Verstärkt wird Johnny für dieses neue Album durch FrontiersTausendsassa Alessandro Del Vecchio (Keyboards), Gitarrist Josh Ramos (The Storm) sowie Anna Portalupi (Bass; Tarja) und Drummer Francesco Jovino (Primal Fear, Jorn). Jetzt gibt’s also endlich mal wieder was Neues von seiner eigenen Band Hardline, welche sich lustigerweise bei einigen härteren Songs gar nicht mehr so weit weg befindet von den Axel Rudi Pell-Werken. Gerade ein Kracher wie „Running On Empty“ könnte locker auch auf einem Pell-Album stehen. Am besten sind Hardline aber immer dann, wenn sie die AOR-Richtung einschlagen und dafür die ganz grossen Hooks auspacken. Auf „Human Nature“ machen sie das exzellent bei den Ohrwürmern “Where The North Wind Blows” und “In The Dead Of Night”. Das ist ganz grosses Rock-Kino und wird alle alten Hardline-Fans mit Sicherheit total begeistern. Johnny Gioeli untermauert einmal mehr ganz locker seinen Status als einer der besten Sänger der gesamten Szene. Das auch eine wunderschöne Ballade nicht fehlen darf („Take Me Home“) und die Produktion kaum Wünsche offen lässt muss eigentlich kaum betont werden. Starker Stoff, der selbst an trüben Herbstund Wintertagen die Sonne scheinen lässt!
EDDY MALM BAND Northern Lights No Remorse Records lg. Eddy Malm konnte als Sänger/ Gitarrist der schwedischen Heavy Metal-Legende Heavy Load zu Beginn der
80er Jahre mit Alben wie "Death Or Glory" oder "Stronger Than Evil" einige Erfolge einfahren. Heavy Load galten damals als eine grosse Kiste, haben aber leider nie den grossen Durchbruch geschafft, was offenbar an eigenwilligen Business-Entscheidungen der federführenden WahlquistBrüder lag. Nun, nach 30 Jahren ohne nennenswerte Aktivitäten, taucht Eddy Malm überraschenderweise mit einem Album auf. Wenn man sich vor Augen führt, wie wichtig Heavy Load für den EuroMetal sind, kann man nur froh sein, dass der gute Eddy wieder am Start ist. Musikalisch ist auch die aktuelle Musik im Hard Rock/Heavy Metal der frühen 80er Jahre anzusiedeln. Neben Remakes von zwei Heavy Load-Songs ("Saturday Night", Dark Nights") finden sich alte Songs aus HighbrowTagen, der Band von Eddy vor Heavy Load, sowie brandneue Kompositionen. Die Heavy Load-Songs sind die besten auf diesem etwas zwiespältigen Album, welches mit "Heart Of A Warrior" nur mit einem wirklich guten neuen Song aufwarten kann. Ein Album für Nostalgiker, welches den Ruf nach einer Heavy Load-Reunion nicht verstummen lassen wird.
GRIM REAPER Walking In The Shadows Plastic Head mv. Manchmal kommen sie wieder… Nach all den unzähligen NWoBHMComebacks der letzten Jahre war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis auch Grim Reaper wieder auf der Bildfläche erscheinen würden. Fast 30 Jahre nach der letzten Platte darf man gespannt sein, ob der Sensenmann im 2016 noch ordentlich zu rocken vermag. Ein Vergleich mit den drei sehr geilen Alben aus den glorreichen 80er Jahren ("See You In Hell", "Fear No Evil" und "Rock You To Hell") ist zwar unfair aber nicht abzuwenden. Und siehe da, Mastermind Steve Grimmett und Konsorten haben es tatsächlich geschafft, so ziemlich nahtlos an diese Werke anzuknüpfen. Und das obwohl ausser dem mächtigen Sänger kein weiteres Originalmitglied mehr an Bord ist (das Logo auf dem Cover trägt deshalb zusätzlich in kleiner Schrift den Namen des Sängers). Doch mit Gitarrist Ian Nash arbeitet Steve immerhin schon
Lionsheart-Tagen zusammen. Trotzdem umso erstaunlicher, wie klassisch die Kompositionen von „Walking In The Shadows“ klingen. Der packende Opener "Wings Of Angels", der Judas Priest-mässige Titeltrack, das speedige „Temptation“ und der epische Stampfer „Thunder“ sind ein paar tolle Beispiele, wie man britischen Stahl in der heutigen Zeit schmieden kann ohne zu altbacken zu klingen und trotzdem den Wurzeln absolut treu zu bleiben. Und Meister Grimmet singt dazu immer noch fantastisch, was natürlich das Nostalgie-Feeling verstärkt. Eine erstklassige Comeback-Scheibe, die auf Reunion-Konzerte hoffen lässt und auch wegen des coolen Old School-Artworks am besten in der Vinyl-Version in die Sammlung gestellt werden sollte. Beware, the Reaper is back!
ROTH BROCK PROJECT Roth Brock Project Frontiers Records mv. So langsam könnten Frontiers Records wohl einen Platz im Guinness Buch der Rekorde für sich beanspruchen. Die Plattenfirma aus Italien hat in den letzten Jahren definitiv mehr Projekte mit namhaften Musikern aus dem Boden gestampft als je eine andere Company zuvor. Wieviele davon in Zukunft noch in Erinnerung bleiben werden oder noch relevant sind, wird sich
zeigen. Für die Fans ist und bleibt es interessant, ihre alten Helden in einem neuen Umfeld zu hören. Bei diesem Projekt hier geht es natürlich um Strangeways-Sänger Terry Brock, der hier zu einer Kollaboration mit Gitarrist John Roth, den einige sicher von seinen Gastspielen bei Winger oder Giant kennen, eingeladen wurde. Somit ist bereits auf dem Papier klar, dass dieses Projekt lupenreinen AOR zelebrieren wird, die Frage ist nur, ob die Songs auch genug Hitpotential haben, um aus der Masse herauszustechen. Mit „Young Gun“, „We Are“, „My City“ und “If That’s What it Takes” gibt es tatsächlich ein paar sehr starke Nummern, welche es verdient haben, angehört zu werden. Fans von Giant, Hardline, Firehouse oder eben natürlich Strangeways werden begeistert sein und darüber hinweg sehen, dass sich auch einige nur mittelmässige Stücke aufs Album geschmuggelt haben. Trotzdem, „Roth Brock Project“ ist bestens geeignet für längere Autofahrten und macht sicher nicht nur 80erNostalgikern viel Spass.
Das Songbuch unseres Lebens Des Landes grösste Rockband aller Zeiten kommt mit einem neuen Studioalbum um die Ecke. Allerdings handelt es sich dabei um kein neues Krokus-Album im Sinne des Wortes, sondern um eine Sammlung von CoverSongs, die den musikalischen Lebensweg der einzelnen Musiker bestimmt haben. Das klingt einerseits sehr interessant, vor allem jüngere Rockfans werden so eine Reihe erstklassiger Songs im Krokus-Gewand hören, die sie noch gar nicht kannten, andererseits müssen sich die Solothurner aber auch dem Vorwurf stellen, ohne grossen kreativen Aufwand wieder ins Rampenlicht zurückzukehren und bei der Songauswahl stets auf der sicheren Seite geblieben zu sein. TRACKS hinterfragte bei den Gründungsmitgliedern Chris von Rohr und Fernando von Arb kritisch die Gründe und erhielt erstaunlich ehrliche und souveräne Statements.
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«Wir machen nur noch was uns Spass macht, das hält uns zusammen.» Chris von Rohr
Ein Album mit Cover-Songs herauszubringen, ist ja nichts Neues. Meistens ist der Hintergrund, umso mehr wenn es sich dabei um eine erfolgreiche, gestandene Band handelt, dass die Musiker entweder keinen Bock mehr auf den Stress eigene Songs zu schreiben haben oder es fehlt generell an Ideen oder man braucht dringend Geld. Welcher dieser Gründe trifft auf euch zu? Chris: Gar keiner, eigentlich. Fernando und ich müssten uns nur eine halbe Stunde im Proberaum zusammensetzen, dann sprudeln die neuen Ideen. Also, daran liegts nicht. Fernando: Für uns wäre es das gleiche Prozedere wie die letzten Male gewesen, wir schreiben Songs, nehmen die auf usw. Ich glaube, bei uns kommt jetzt der Timingfaktor dazu, dass wir gesagt haben: Jetzt ist die Zeit, dieses Cover-Album zu machen, das wir schon so lange machen wollten. Wenn wir es wirklich machen wollen, dann jetzt! Und von dieser Idee waren alle begeistert. Chris: Und mit Geld hat das gar nichts zu tun, denn die Plattenfirma hat gesagt, dann kürzen wir eure Tantiemen um die Hälfte, weil Cover-Albums nomalerweise auch nur die Hälfte verkaufen werden. Wir entgegneten: Das ist uns scheissegal! Wir machen das, weil wir Freude daran haben und daran glauben. Als wir uns vor acht Jahren mit dieser NeuReunion wieder zusammengetan haben, war unser Kredo: Wir machen nur noch was uns Spass macht, das hält uns zusammen. Denn wenn dann wieder diese Kriegereien beginnen würden wegen zuviel Tourneen oder zuviele von Rohr/von Arb-lastigen Songschreibereien oder sonst was, dann wäre die Band heute nicht mehr zusammen. Seit wann habt ihr denn den Wunsch ein Cover-Album aufzunehmen? Fernando: Schon lange, die Idee geisterte immer herum. Wenn wir bei Soundchecks fremde Songs gespielt haben, hat man gemerkt, dass gerade Marc Storace da auch einiges drauf hat. Es ist wichtig, einen Sänger zu haben, der stimmlich nicht limitiert ist und diese Songs alle singen kann. Chris: Für mich als Produzent war ausserdem wichtig, dass es ein typisches Krokus Album wird. Wenn die Fans, egal ob jung oder alt, dieses Album hören, dürfen die nicht sagen: Was ist das für ein let down nach „Hoodoo“ und „Dirty Dynamite“, sondern: wir hören da Rock'n'Roll, geile Songs, geil gespielt – das erfreut unsere Rock-Herzen. Und genau so sind die ersten Feedbacks, auch aus dem Ausland. Es hat Spass gemacht, diese Songs zu Krokus-Songs zu machen, denn wir wollten die ja nicht einfach plump nachspielen wie eine Top-40-Band. Und
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das ist uns gut gelungen, denke ich. Wir müssen ja nicht über die technischen und spielerischen Möglichkeiten reden, die Krokus hat. Ihr seid sehr gute Musiker, habt die Routine und das Know-How für gute Rockmusik. Aber worüber wir reden müssen ist die Songauswahl. Denn die entspricht eben doch der einer Top40-Band. Es sind, böse gesagt, zum Teil wirklich die ausgelutschtesten Hits von früher, die in all den Jahren zigMal totgecovert wurden. Ihr seid doch auch mit anderen, nenn ich es mal „wertvolleren Songs“ aufgewachsen, die euch geprägt haben als ausgerechnet solche inzwischen zu nervenden Knalltüten mutierten Schmerzverursachern wie beispielsweise „Wild Thing“, „House Of The Rising Sun“ oder besonders „Born To Be Wild“. Und wenn Storace dazu sagt: Einmal ein Hit, immer ein Hit, dann hat er wohl recht, aber das ist gleichzeitig auch wohl das billigste Argument für diese Songauswahl, die einfach sehr nach „auf der sicheren Seite fahren, kein Risiko eingehen, und schlussendlich mit wenig Aufwand möglichst viel Kohle machen“ riecht. Fernando: Also gerade mal zu „House Of The Rising Sun“ . Dieser Song (ähnlich wie „Born To Be Wild) scheint auf den ersten Blick kinderleicht - ist er aber nicht, wenn du ihm das ausgelutschte Image nehmen willst und ihm einen wirklich eigenen Touch verleihen willst. Und zwar so powerfull, dass du alle anderen Version auf youtube kübeln kannst. Wer traut sich das schon? Wir haben es gemacht und sind auch heute noch begeistert, wenn wir das finale Resultat hören. Zu unserer Geschichte, so wie wir aufgewachsen sind, gehört einfach „House Of The Rising Sun“. Basta! Und dann haben wir noch gedacht: Wir ärgern den Hanns und machen den (lacht). Wir haben viele Titel auch nach dem Kriterium ausgewählt, was passt live zu den besten Krokus-Songs, zu welchen Songs haben wir eine emotionale Beziehung und welche Nummern liegen uns. Wir jammten über 50 Songs, aber irgendwann musst du dich entscheiden und dich auf 12-13 Songs beschränken. Krokus ist eine Riff-Rock-Band, also kamen in die Auswahl auch in erster Linie Riff-Rocker. Chris: Wir wollten hier auch gar nicht den Innovationspreis gewinnen und alte B- und C- Bonsai-Nummern spielen, sondern Songs bei denen uns selbst nach 40 Jahren noch der Schuss abgeht, wenn wir die raushämmern. Songs, die uns die Kraft gaben überhaupt in dieses Busines zu kommen und uns zu dem
«Wir diskutieren nicht, wir machen einfach!» Fernando von Arb
machten was wir heute sind. Songs von Free zum Beispiel kann man nicht besser machen, Songs von Cream und Hendrix auch nicht. Haben wir probiert, ging aber einfach nicht! Aber „Wild Thing“, das ist doch ein total geiler Partysong! Und die jungen Rockfans kennen sicher 50% der Songs auf „Big Rocks“ überhaupt nicht. Aber z.B. „My Generation“ kannst du auch nicht besser als das Original machen. Chris: Vom Sound her schon. Aber ich gebe dir recht, es sind zwei Songs auf der Kippe gestanden. Das waren „My Generation“ und „Whole Lotta Love“. Aber ich glaube, wenn ein junger Typ unser „Whole Lotta Love“ hört, wird er nicht sagen: Was ist das für eine Scheisse! Das gilt auch für „My Generation“. Er kann sich das Original anhören und ich bin sicher, dass er unsere Versionen dann nicht für Fremdschämer halten wird, sondern im Gegenteil. Alle diese Songs kannst du zum Original stellen und du wirst nie sagen: Nice try! Gerade „House of The Rising Sun“, „Wild Thing“ oder „Rocking In The Free World“ haben diesen starken Eigentouch, den wir suchten. Fernando: Es kann ja jeder von uns seine eigenen Favoriten aufnehmen, wenn er will. Aber dieses Album ist ein KrokusMelt-Down – das verhebt. Wir haben die Songs live eingespielt, ausser Solos keine Overdubs, nix! Und was sehr wichtig ist: Wir wollen auf der Bühne eine verdammte Rock-Chilbi haben. Wir wollen die Leute mit A-Briketts unterhalten, die Fans sollen sich nicht langweilen – die Songs müssen knallen, grosse Refrains haben und auf grossen Bühnen funktionieren. In Clubs kannst du filigrane Sachen spielen, aber der Krokus-Anspruch ist: Wir wollen grosse Bühnen spielen und da muss es knallen. Grosse Baumstämme müssen über die Bretter rollen. Chris: Das stimmt. Auch bei Krokus gibt es A-, B- oder CSongs, ganz klar. Heute wollen wir nur noch A-Songs spielen und deshalb reichern wir auf der Bühne unsere A-Songs mit ein paar geilen Cover-Titeln an. Als wir diese Coversongs geprobt haben, hatten wir alle ein breites Grinsen im Gesicht. Und diese Spielfreude hört man auch auf dem gesamten Album, da jammt eine druckvolle, lebendige Band absolut geile Songs. Fernando: Eben. Und das ist so, weil es uns heute scheissegal ist, was irgendwelche Leute sagen. Wir machen nur noch das, was wir wollen, woran wir Spass haben. Und das ist einer der Hauptgründe, weshalb die Mauern dieses Krokus-Gebäudes überhaupt noch stehen. Das sorgt bei Aussenstehenden vielleicht für Kopfschütteln, aber es ist das Bindemittel, das die Band überhaupt zusammenhält. Wir diskutieren nicht, wir machen einfach! Wo habt ihr das Album aufgenommen? Chris: Hier, bei mir im Keller. Es ist einfach was anderes, ob du in einem grossen Studio getrennt voneinander aufnimmst oder alle zusammen in einem kleinen Beton-Raum spielen. Das ist so dieses Bandgefühl, das man dann auch hört. Insgesamt haben wir nach mehrmonatigen Vorbereitungen für die Aufnahmen ohne Gesang drei Wochen gebraucht. Dann stehen ja jetzt auch wieder Gigs an. Und es heisst, dass ihr auch wieder nach Amerika auf Tour wollt. Chris: Ja, das ist richtig. Es sieht so aus, dass wir im Package mit Accept und Blackfoot touren. Aber vorher sind wir in der Schweiz mit Gotthard unterwegs und dann kommen einige Festivals und weitere Gigs quer durch Europa. Im September ist dann Amerika angesagt. Ist „Big Rocks“ das letzte Krokus-Album? Chris: In unserem Alter planst du einfach nur noch für ein Jahr. Und dieses Jahr heisst es einfach: Live spielen. Sag nie Nie! Aber es könnte sein, dass wir zu den Bands gehören, die ihre Karriere mit einem Cover-Album beenden, dafür müssten wir uns weiss Gott nicht schämen. Aber sollten die Rolling Stones nach ihrem Coveralbum nachlegen, werden wir nochmal über die Bücher gehen..(lacht) Fernando: Ich glaube, es kommt auf den Fitness-Status des Einzelnen an. Wenn wir das Gefühl haben, jetzt ist es wirklich am Rande der Grube, dann machen wir wohl nichts mehr. Aber wenn noch genügend Kraft da ist, wer weiss…
KROKUS Big Rocks Sony Ältere Rockund Popfans bekommen beim Lesen der Titelliste des neuen Krokus Albums wohl mehrheitlich Pickel auf der Haut. Die hier enthaltenen grossen Hits aus den Anfangstagen von Rock und Pop mussten sie in all den Jahren bis zum Erbrechen immer wieder über sich ergehen lassen und wurden zudem zig Mal, meistens schlecht, gecovert. Und nun reiht sich ausgerechnet Krokus auch noch in diese Riege ein. So der erste Eindruck! Schiebt man jedoch die Platte in den Player, erlebt man eine echte Überraschung. Nicht nur kommt der Sound, wie ja besonders von den letzten Krokus-Produktionen gewöhnt, fett, druckvoll und warm aus den Boxen, sondern die Solothurner machen sich tatsächlich jeden Song zu eigen, drücken den Titeln prägnant und kompromisslos den bewährten «Jura-StahlStempel» auf. Und sie machen das souverän, mit Klasse und Rasse und einem grossen RocknRollHerzen. So erfahren eigentliche «No-Go-Songs» wie «House Of The Rising Sun», «Wild Thing» oder «Gimme Some Loving» eine Frischzellenkur und strahlen in neuem Licht. Diese Wiedergeburt der alten Kracher versöhnt auf Anhieb mit den Vorurteilen (siehe oben) und macht Sinn, denn jüngere Fans, die die Originale nicht mehr kennen, bekommen hier ein echtes, neues Krokus-Brett mit ausnahmslos hochklassigen Songs am Meter. Wie Krokus mit den Vorlagen umgehen, neue Teile und Arrangements hinzufügen, zeugt von grossem musikalischen Verständnis und Know How. Den eigenen Anspruch, die alten Kamellen besser zu machen, erfüllen sie in den meisten Fällen mit Respekt vor dem Original. Lediglich der The-Who-Klassiker «My Generation» schwächelt in Passagen, in denen Bassist John Entwistle und der irreste aller Drummer, Keith Moon, mit ihren explosionshaften Solosequenzen für Furore sorgten - das kann man weder verbessern und eigentlich auch nicht nachspielen. Wie man eben auch Led Zeppelin`s «Whole Lotta Love», speziell aus Drummer-Sicht, nicht reproduzieren kann und darf! Diese beiden Songs sind in Granit gemeisselte Rock-Ikonen, an denen sich jeder Nachahmer die Finger verbrennt - die meisten mehr, einige weniger. Auch wenn Krokus zu letzteren gehören, auch ihre Versionen können die Originale nicht toppen - aber das kann sowieso niemand! Ein kleiner Abstrich muss auch beim Stones-Klassiker «Jumping Jack Flash» gemacht werden. In der Krokus-Version kommt Keith Richards messerscharfe Riff doch soundmässig etwas braver daher. Das ist allerdings jammern auf hohem Niveau, das Krokus hier überwiegend vorlegen. Marc Storaces Glanzleistung soll dabei auch nicht verschwiegen werden. Was der Mann stimmlich immer noch draufhat, ist grosses Kino. So bleibt unterm Strich nichts zu Meckern - im Gegenteil: «Big Rocks» ist eine geile Rockplatte, die sich nahtlos in die Reihe der besten Krokus-Alben einreiht und die ihre eigenen Ansprüche voll und ganz erfüllt.
ROLI FREI AND THE SOULFUL DESERT Strong Is Not Enough Radicalis Music rp. «Strong Is Not Enough» ist Roli Frei's Antwort auf sein letztes Album «Strong» (2010), welches den Abschluss der Trilogie mit den Alben «Stranger In My House» (1999) und «Floating Awake» (2002) bildete. Mit «Strong» hat der Basler Musiker nach eigenen Aussagen wichtige Grenzen (Alter, Entwicklung, innere Freiheit) überschritten. Ebenso wurden Roli Frei, der als Musiker in verschiedenen Formationen (n.a. Circus, Lazy Poker Blues Band) bereits über 45 Jahre auf dem Buckel hat, die Texte immer wichtiger, wie er im Pressebeiblatt zu seinem neuen Werk sagt. Auf «Strong Is Not Enough» befasst er sich unter anderem mit der Einsamkeit, der Freiheit, der Zukunft, Hoffnung, blinder Gefolgschaft und dem Tod. Unterstützung beim Verfassen der Texte bekam er von Nadia Leonti (Leonti, Popmonster, Bartrek, Shilf), Eric Facon (Journalist, Faze Records) und Andrew Shields (Englisch-Dozent). Musikalisch präsentiert Frei diese immer wieder nachdenklich stimmenden Texte mit einer erdigen Mischung aus Folk, Blues, Soul, Rootsrock und Pop. Der poetische Auftakt «Bird» wird von leisen akustischen Gitarrenklängen begleitet. «Birthnight», das in zwei Versionen enthalten ist, wird mit einer Prise Soul verfeinert. «How Come», das sich mit blinder Gefolgschaft auseinander setzt, kommt abgehackt und kratzig daher. «Danse Macabre», in dem Frei sich mit dem Tod anfreundet, wird mit einem Hauch Lakonie inszeniert. Rhythmisch mahnt besagter Song an Wire's «Lowdown» (!). Und «Lonely» ist ein dramatischer Schmachtfetzen mit Annäherungen an die Neville Brothers. In dieser Vielfalt liegt viel Kraft. Nur das blasse «Get A Feeling» mag nicht so recht überzeugen.
TOBI GMÜR Winterthur Eigenvertrieb ip. Nach „Sincerely, T. Gmür“ hat der Luzerner Musiker mit „Winterthur“ jetzt sein zweites Soloalbum veröffentlicht. Spartentechnisch wird es ein bisschen haarig, ihn korrekt
einzuordnen. Ja, es ist ein Mundart-Album. Aber das als Genre festzumachen wäre genau so blöd, wie eine Schublade mit dem Schild „DeutschArt“ aufzuziehen und sämtliche deutschsprachigen Bands und Solokünstler hineinzupacken. Man möchte ja schliesslich nicht mit jedem gleichsprachlichen Act im selben Topf umgerührt werden. Zu Recht. Tobi Gmürs „Winterthur“ ist ein Buch voller mundartlicher Geschichten zum Hören. Geschichten über Jugendliebe („Stephanie ufem Riiserad“, siehe auch Video auf Youtube), Friedenschliessen („Woni jung gsii be“) und den besten Kumpel („Kaderschtufe 2 (oder so)“). Die Geschichten sind wunderbar arrangiert und in schlicht-klassische Instrumentierung von Drum-Gitarre-Bass verpackt. David Langhard aka Admiral James T. sorgte für den perfekten Klang und sein Trademarksound der 60ies/70ies steht Gmürs Album nicht nur sehr gut, sondern es verlangt sogar danach. Insofern kann man sich vielleicht grob auf den Terminus „Rock“ einigen, den man in die Richtung von Züri West schieben könnte, und dem man die in den Geschichten vorhandene liebevolle Schrulligkeit Tobi Gmürs hinzufügt. Ganz wichtig ist dabei, dem Thema Rock die Lautstärke zu entziehen (offensichtlich funktioniert das hier bestens!) und die Songs sehr gekonnt zu komponieren. Schleife drum, bitteschön. „Winterthur“ ist ein ganz feines, famoses und filigranes Album, dessen Tricks und Kniffe sich oft erst bei mehrmaligem Hören erschliessen, dann aber blühen. Grosse Empfehlung!
POLO HOFER Balladen Sound Service hef. 1978 war Schluss mit Rumpelstilz, den Erfindern des Mundart-Pop. Sänger Polo Hofer und Tastenmann Hanery Amman, die beiden Köpfe und Songschreiber der Band, machten solo weiter, beide sehr erfolgreich. Vor allem Polo, der unter eigenem Namen mit dem Schmetterding (das waren u.a. die Mitglieder der Gruppe Span – "Lauenesee") und mit der Schmetterband, grossartigen Musikern der Berner und Zürcher Szene, weiter Schweizer Musikgeschichte schrieb. Herauszuheben sind hier vor allem Tastenmann HP Brüggemann und Gitarrist Remo Kessler, die fleissig mitkompo-
nierten. Polo glänzte vor allem als Texter. Da Polo mit den Stimmbändern und auch sonst gesundheitliche Probleme hat, ist an neue Aufnahmen derzeit nicht zu denken. Deshalb hat "Mr. Mundart" den Plan, seine besten Lieder unter einem Label wieder zu veröffentlichen. Begonnen hat er mit diesem Album – den "Balladen". 17 wunderschöne Lieder aus allen Perioden, von den "Stilzen" bis zu den letzten Aufnahmen, hat die in Oberhofen am Thunersee lebende Musik-Legende neu zusammengestellt, von "Rote Wy", "Die gfallene Ängel" bis "Stets in Truure" und "Adelina". Was mir hingegen fast die Tränen in die Augen treibt, ist "Über alli Bärge". Ein wunderbares Piano-Intro von Hp Brüggemann à la "That's The Way It Is" von Bruce Hornsby, danach ein Traumsong mit einem Text, der wohl jeden packt, der schon mal ans Abhauen aus einer Beziehung gedacht hat. Polo holt alle Gefühle aus diesem Lied, Molltöne und Melodiebögen, die schlicht die Gefühle treffen und Emotionen hervorrufen. Wie schon geschrieben: zum Heulen schön. Der letzte der 16 Songs stammt vom bis anhin letzten Polo-Album "Ändspurt" von 2016. Geschrieben von Polo zusammen mit Schmetterding-Pianistin Marianne Polistena, ist der Song wie auch "Ännet dr Grenze" wie ein Abschiedslied vom Leben. Ja, Polo hat gelebt wie viele andere Rockstars. Wenn seine letzte Stunde geschlagen hat, dann sind diese zwei Lieder sehr prophetisch und zeigen die grossen Gefühle, zu denen der grossartige Songschreiber und Texter sein Leben lang fähig war. Vielleicht das Testament eines grossartigen Musikers und Entertainers.
KATHARINA BUSCH Blue Silver Diamond Light Dreamshelter rp. Ist es dieses gute Gefühl, das Songs wie «By My Side», «One Day», «Try Try» oder «I'm Sorry» versprühen, das den Charme von Katharina Busch Musik ausmacht? Oder ist es die unaufdringliche aber doch bewegende Art und Weise, wie die Wahlzürcherin mit bayrischen Wurzeln, ihre Songs in Szene setzt? Auf ihrem zweiten Album nach «Ten Hours On A Bus» (2014) bedient die gelernte Hotelfachfrau und leidenschaftliche Weltbummlerin auf jeden Fall viele Ebenen. Die atmosphärischen und rhythmischen Pop-Songs versprühen
Wärme, aber auch Wehmut, Nachdenklichkeit aber auch Freude und Verletzlichkeit und auch Kraft. «Try Try», der beste Song auf «Blue Silver Diamond Light» wurde von ihren genervten Nachbarn inspiriert. Diese hatten sich geärgert, dass Katharina Busch in ihrer Wohnung immer Musik machte. Genervt ist Mann und Frau nach dem Anhören besagten Songs keineswegs. Entspannung und Wohlgefühl stellt sich. «Blue Silver Diamond Light» ist angefüllt mit solch entspannten Songs, die einem fast unverzüglich ans Herz wachsen.
ANNAKIN Flowers On The Moon Akin Records rp. Ann Kathrin Lüthi war Sängerin der Zürcher TripHop-Formation Swandive, die sich 2002 nach zwei Alben auflöste. Nach Gastspielen bei Mich Gerber und Adrian Weyermann (Crank) veröffentlichte sie 2007 ihr Debüt «Falling Into Place». «Flowers On The Moon» ist bereits ihr fünftes Werk. Im Grunde genommen sind ihre Soloalben nicht so weit entfernt vom atmosphärischen Sound von Swandive. Das aktuelle Werk bietet ebenso wunderbar atmosphärische Soundlandschaften, die heute aber weniger rhythmisch orientiert sind. Und natürlich hat Annakin ihren Sound und ihre Stimme über die Jahre verfeinert. «Flowers On The Moon» ist ein Konzeptwerk über die sieben Planeten, welche den Wochentagen die Namen geben. Songs wie «Mars», «Shipping News». «Venus», «Saturn's Anthem», «The Wolf And The Sun» oder «Paupers' Dream» entführen den Hörer in eine Welt der Ruhe, Tiefe und auch stillen Kraft. «Flowers On The Moon» ist Album, das atmet, lebt und betört.
EXTRAFISH Simplify This Fish Aurora Music hug. Also: Extrafish hat ihr Debüt raus. Das sind vier Jungs, die nicht sagen, wo sie herkommen, dafür beschreiben sie ihre Musik in eigenen Worten so: «Wilderer in den Gefilden der östlichen Klänge» – «Soundmix aus traditionellen Balkan-Klängen, gemischt mit Dub und einer Dada-Färbung» Fortsetzung Seite 48
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Der lange Weg 2Bad ist in erster Linie das Projekt des Gitarristen Steven Businger, der sich mit dem Debüt-Album „Aiming High“ einen persönlichen Traum erfüllt hat. Dass aus diesem fünf Jahre andauerndem Traum kein Albtraum wurde, dafür sorgten neben Busingers Musikerfreunden auch Produzent Many Maurer sowie Sänger Carl Sentance (ex-Krokus, Don Airey, Nazareth). hh. Steve Businger gehört zu den überdurchschnittlich guten, aber relativ unbekannten Rockgitarristen der Schweiz. Zwanzig Jahre spielte er mit der Band Sharks, ist nebenbei noch bei Foolhouse aktiv, jedoch sein Können auf einen Tonträger zu bannen, das sollte offenbar einfach nicht sein. Als sein 50. Geburtstag näher rückte, beschloss Businger sich als Geschenk nun endlich eine eigene CD zu gönnen. Zusammen mit Bassist Dänu „Blockhead“ Grossenbacher (China) ging es unter der Führung von Produzent Many Maurer vor fünf Jahren an den Start. In loser Folge folgte Session auf Session – der ganze Aufnahmeprozess sollte sich bis Ende 2015 hinziehen. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass die Songs und Aufnahmen immer mehr internationales Niveau erreichten, weil die Musiker an den sich gestellten Aufgaben stets über sich hinauswuchsen. Was gut für Businger und seine Kumpel war, stellte sich für Sänger Dänu Balmer im Studio als unüberwindliche Hürde heraus, der Entwicklung seiner Bandkollegen konnte er nicht mehr folgen. Als Texter blieb Balmer jedoch der Band erhalten. Ein Dilemma schien sich anzubahnen: Klasse Album im Kasten aber kein Sänger in Sicht. Da Liess Produzent Maurer seinen Beziehungen spielen und erinnerte sich an seinen ehemaligen Krokus-Mitstreiter, den Briten Carl Sentance. Sentance hatte mit seiner eigenen Band Persian Risk bereits in den 80ern einige Achtungserfolge feiern können, arbeitete mit Black Sabbath's Geezer Butler an dessen Soloalbum und war Ende der 90er Sänger von Krokus, mit denen er auch das Album „Round 13“ aufnahm. Maurer schickte Sentance die Songfiles, der Brite, inzwischen Frontmann von Nazareth, zeigte sich begeistert von der musikalischen Mischung aus 80er Hardrock und Metal der Marke Europe, Foreigner oder Deep Purple und sang in Maurers Luzerner Soundtraxx-Studio in nur vier Tagen alle Songs des 2BAD-Debüts ein. Sentance veredelte mit einem herausragenden Vortrag die ohnehin schon guten Songs und machte aus den Tracks kleine Meisterwerke, die sich problemlos mit genregleichen internationalen Releases vergleichen lassen können. Für 2BAD bedeutete das allerdings ein neues Problem. Zwar hatten sie nun ein verdammt heisses Album, aber keinen Leadsänger. Denn Sentance stand auf Grund seines Engagements bei Nazareth nicht weiter zur Verfügung und einen qualitativ gleichwertigen Frontmann in der Schweiz zu finden, der Sentance's Gesangsvortrag adäquat umsetzen könnte, schien illusorisch. Aber offenbar haben 2BAD bei Glücksgöttin Fortuna einen ganz dicken Stein im Brett, denn zufällig sah Keyboarder Victor Rettenmund in Solothurn die Fribourger Band Orymus und deren Leadsänger Dani Brönnimann beeindruckte ihn mächtig. Er kontaktierte Steven Businger, der zeigte sich ebenso beeindruckt und rief Brönnimann an. Der Orymus-
Fronter mochte, was 2BAD ihm da vorspielten und sagte zu, den verwaisten Posten des 2BAD-Sängers neben seinem angestammten Orymus-Job zu übernehmen. Von Orymus wird übrigens demnächst ein neues Album, das inzwischen vierte, erwartet. Damit ist das Line-Up von 2BAD komplett, dem ausserdem noch Drummer Timo Wüthrich (Hanery Amman) angehört. Mit der hervorragenden Platte „Aiming High“ im Gepäck wollen 2BAD sich nun intensiv um Konzerte kümmern. Gleichzeitig sind sie auch wieder mit dem Schreiben neuer Songs beschäftigt. Wenn Fortuna dem Quintett auch weiterhin gewogen bleibt, steht 2BAD eine helle Zukunft bevor. Verdient haben sie es!
Silberhochzeit
Foto: Michael Vaucher
mv. Gotthard feiern ihr 25-jähriges Jubiläum im Jahr 2017 mit einem neuen Album und einer grossen Tournee. Dazu passend wird das neue Gotthard-Album „Silver“ heissen. Nach einem Vierteljahrhundert laden die Tessiner Erfolgsrocker also zur Silbernen Hochzeit. Im beschaulichen und liebevoll eingerichteten Grotthard-Restaurant im Tessin laden Band und Management die Journalisten aus ganz Europa zur Listening Session. Sicher ist, dass auch „Silver“ wie schon die beiden Vorgänger mit Nic Maeder („Firebirth“ und „Bang!“) ein riesiger Erfolg für die Band werden wird, denn Gotthard haben ihre Trademarks beibehalten, grossartige Rocksongs und gewaltige Balladen mitgebracht und eigentlich wie schon so oft in der Vergangenheit einfach alles richtig gemacht. TRACKS bat Gründungsmitglied und Schlagzeuger Hena Habegger nach der Hörprobe vors Mikrofon.
Gratuliere zum neuen Album, welches nicht nur extrem vielfältig geworden ist sondern auch wieder massenweise Single-Kandidaten aufweist. Es dürfte fast schon ein kleines Luxusproblem sein, welchen Track ihr da zuerst als Single auskoppeln wollt? Vielen Dank, das freut mich natürlich zu hören. Wir haben unsere Auswahl natürlich bereits getroffen und mussten auch wenig kämpfen dafür. Aber „Stay With Me“ wird die erste Single sein und hat eigentlich als Song alles dabei, was Gotthard ausmacht. Was sind denn die Unterschiede zwischen dem letzten Album „Bang!“ und dem neuen Dreher? Und seit ihr im Nachhinein noch zufrieden mit dem letzten Album und wie es gelaufen ist?
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Zuerst muss man sagen, dass wir viel mehr Zeit brauchten fürs neue Album. Das lag aber auch daran, dass wir für „Bang!“ so viele Konzertanfragen aus aller Welt hatten, dass wir 2 Jahre lang auf Tour waren dazu. Wir gingen diesmal rund um den Globus und spielten z.B. auch in Südamerika oder den Bahamas, was uns sehr gefreut hat. Wir sind auch immer noch sehr zufrieden mit „Bang!“ und die Reaktionen waren wirklich hervorragend. Vor allem wurde unser Sänger Nic damit nun vollumfänglich integriert und akzeptiert. Seine Wahl hat sich sozusagen damit als definitiv die Richtige bestätigt. Danach haben wir alles in allem ein ganzes Jahr am neuen Album gearbeitet. Und jetzt sind wir einfach super happy, dass das Album fertig und so gut geworden ist. Euer ehemaliger Sänger Steve Lee (R.I.P.) ist und wird immer
ein Thema sein bei den Fans. Wie geht ihr und Nic damit um? Und wird Nic mittlerweilen gut akzeptiert? Steve Lee ist eine Ikone und wird immer ein Thema bleiben, bei uns und bei den Fans. Das ist aber auch gut so. Und solange nicht immer Vergleiche gemacht werden ist alles gut. Nic ist zum Glück längst voll bei Gotthard akzeptiert und singt besser denn je. Und er wird immer noch besser von Album zu Album und wir sind sicher, dass die Fans ihn schon jetzt nicht mehr bei Gotthard wegdenken können. Wo sind Eure Einflüsse im Jahr 2016? Ach das sind immer noch die gleichen wie vor 20 Jahren. Wir sind halt mit all den 70er und 80er Jahren Sachen aufgewachsen wie z.B. Nazareth. Aber wir trauern dieser Zeit oder Musik nicht nach und hören gerne auch neue Bands und Alben. Seit ihr denn selber noch Musikfans? Nehmt ihr euch die Zeit und verfolgt neue Bands? Ja klar, auf jeden Fall. Ich bin eigentlich immer up to date was die Musik-Szene anbelangt und liebe es, neue Sachen zu entdecken und zu hören. Dabei ist es mir auch egal, ob es sich um Rock'n'Roll handelt oder Filmmusik oder eine ganz andere Richtung. Hauptsache es packt und berührt mich. Schlussendlich ist ein guter Song ein guter Song, egal welche Musikrichtung man hört. Versucht ihr eigentlich bewusst, Hits zu schreiben? Oder arbeitet ihr da mit externen Songwritern zusammen? Für das neue Album hatten wir schlussendlich mehr als genug passende, starke Songs zusammen. Ansonsten hätten wir auf externe Songwriter zurückgreifen können. Wir haben das in der Vergangenheit auch schon gemacht. Aber das zeigt sich immer erst in der Songwriting-Phase. Diesmal fanden wir, dass unsere neuen Songs genug Potential haben. Ob wir schlussendlich einen Megahit landen werden, entscheiden dann die Fans. Wie läuft bei euch denn das Songwriting ab? Trefft ihr euch im Proberaum um Ideen auszutauschen oder schreibt ihr alleine zuhause Songs und schickt dann Files übers Internet hin- und her? Bei uns läuft das immer so ab, dass sich die Bandmitglieder treffen und zusammen das Songwriting machen. Vor allem natürlich Leo, Freddy und Marc tauschen viel ihre Ideen zusammen aus und basteln dann zusammen mit Nic an den Songs bis aus den Ideen ein fertiger Song wird. Ich als Schlagzeuger gebe dann auch noch meine Inputs dazu, vor allem zu den Arrangements. Es läuft also noch alles gemeinsam im Proberaum ab bei Gotthard. In der Schweiz und auch den anliegenden Ländern seit ihr ja mittlerweilen grosse Rockstars und landet immer in den Hitparaden mit einem neuen Album. Wie sieht es denn aus in Sachen Amerika? Früher wollte ja jeder Musiker irgendwann in den USA gross werden. Habt ihr Ambitionen, die USA zu erobern? Nein, ehrlich gesagt ist das nicht gerade unser grösstes Ziel. Wir sind jetzt seit 25 Jahren dabei und haben immer alles gegeben und damit hier sehr viel erreicht. Ich bin sehr zufrieden so wie es jetzt läuft. Um die USA zu erobern müssten wir da ganz unten anfangen und ewig durch die Clubs touren. Ich werde bald Vater und möchte jetzt nicht auf Biegen und Brechen alle Energie in so etwas stecken. Lieber einfach geniessen, was wir hier erreicht haben und dies entsprechend erhalten und ausbauen. Man sollte heutzutage viel mehr damit zufrieden sein, was man hat und nicht den Fokus zu sehr auf das legen, was man nicht hat. Eine sehr gute Einstellung. Was macht denn Hena am liebsten in seiner Freizeit, wenn er nicht gerade mit Gotthard abrockt? Ich bin sehr gerne zuhause, ich bin da ein sehr einfacher Mensch. Ich bin gerne in unserem grossen Garten und koche auch sehr gerne. Geniesse gerne mit meiner Frau oder Freunden ein feines, selber zubereitetes Essen. Solche Sachen halt… Im 2017 hat euer Debutalbum 25 Jahre auf dem Buckel, ein schönes Jubiläum. Feiert ihr das entsprechend und spielt das Album auf einer Tour komplett durch, wie das so viele Bands zur Zeit tun? Wir haben schon einige gute Ideen, wie wir dieses Jubiläum feiern wollen. Leider darf ich zum heutigen Zeitpunkt diese Pläne noch nicht verraten. Lasst euch überraschen!
Und wie klingt denn nun „Silver“, das neue Gotthard Album. Hier ein erster Eindruck nach der Listening Session:
mv. Das Album beginnt groovend und hart rockend mit dem Quasi-Titelsong „Silver River“. Sofort fällt die massive Gitarrenpower auf, welche an die ersten Gotthard-Alben erinnert und einem sofort ein freudiges Grinsen ins Gesicht zaubert. Der Einsatz der Hammond-Orgel verbreitet dazu ein schönes Deep Purple/Uriah Heep-Flair. Ein sehr starker Auftakt, der sofort Lust auf mehr macht. Das nachfolgende „Electrified“ erfüllt den Wunsch umgehend, denn auch Song Nummero Zwei groovt höllisch tight und hat ordentlich Power. Verbunden mit tollen Leadgitarren im Mittelteil und einem packenden Refrain stellt auch diese Nummer ein Highlight dar. Danach folgt mit „Stay With Me“ die erste obligatorische Ballade. Aber man muss staunend und anerkennend sagen, dass es Gotthard einmal mehr gelungen ist, einen wirklich traumhaft schönen und gefühlvollen Song zu schreiben der unter die Haut geht. Nic singt absolut fantastisch und muss sich absolut nicht mehr hinter seinem legendären Vorgänger Steve Lee (R.I.P.) verstecken. „Stay With Me“ ist ein todsicherer Hit und wird die Spitze der Charts mit Leichtigkeit erobern. Danach geht es ein wenig poppig weiter mit „Beautiful“. Wie der Titel schon sagt ein schöner „Gute Laune“Track, der ebenfalls ein Single-Kandidat für hohe ChartPlatzierungen sein dürfte und zudem etwas an die „Open“-Phase der Band erinnert. „Everything Inside“ rockt dann wieder amtlich und begeistert die Hard Rock-Fans mit einem frechen Gitarrensolo und groovigen Riffs. Zudem ist auch hier der Chorus sehr stark ausgefallen, was den Song zu einem weiteren Highlight des Albums werden lässt. „Reason For This“ basiert auf dem Klavier und ist einmal mehr ein sehr radiotauglicher Song, der als Kandidat für eine spätere Single in Frage käme. Danach wird es noch ruhiger mit „Not Fooling Anyone“, einem reinen AkustikSong. Gotthard wandeln auf den Pfaden von Extreme's Megahit „To Be With You“ und können auch da ganz gut bestehen. „Miss Me“ ist der erste Song, der nicht wirklich überzeugen kann und selbst für Gotthard-Verhältnisse zu sehr im Pop-Bereich angesiedelt wurde. „Tequila Symphony“ ist wieder besser aber auch etwas blass geraten. Mit dem stampfigen „Why“ holen Gotthard aber die Kohlen wieder aus dem Feuer. Der Song erinnert teilweise etwas an Pink Cream 69. Mit „Only Love Is Real“ folgt dann eine weitere Ballade. Opulent orchestriert mit packendem Refrain und tollen Melodien. Sänger Nic zeigt absolutes Weltklasseformat und auch diese Nummer ist ein sicherer Radiohit-Kandidat. Wer jetzt langsam die hart rockenden Gitarren zu vermissen begann wird mit dem Abschlussduo „My Oh My“ und „Blame On Me“ sofort versöhnt. Leo darf die Klampfe wieder ordentlich braten lassen und Gotthard ziehen hier nochmals alle Register, was für gute Laune und ein breites Grinsen sorgt. Alles in allem haben Gotthard mit „Silver“ alles richtig gemacht und präsentieren eine sehr abwechslungsreiche Scheibe, welche vom Stil her alle Phasen der Bandgeschichte abdeckt und somit perfekt zum 25 Jahre-Jubiläum der Band passt. Und da das Album gleich mehrere hochkarätige Hits beinhaltet, wird der Erfolg in den Charts, Radiostationen und natürlich bei den Fans definitiv nicht auf sich warten lassen. Verdient haben sie es und man darf sich nun auf die kommende Tour sowie die ganz besonderen Doppel-Headliner-Shows mit Krokus freuen.
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– «Sie lassen sich nur schwer einordnen». Stimmt alles nicht, denn die Realität klingt ganz anders: Die Band baut zwar auf Balkan- und Klezmer-Weisen auf, und das macht sie technisch alles richtig, aber den 13 Liedern fehlt die Eleganz, der Schwung, der Charme und vor allem die Übung, die Songs nicht aus dem Kopf heraus zu spielen, sondern aus dem Herzen. Deshalb klingen sie nicht wie Wilderer, sondern wie eine Startup-Truppe, der sogar eine Kleintheaterbühne zu gross ist. Insbesondere Songs wie «Absynthia» und b.p.f.n.» sind von ausgenommen spröder Langeweile. Wenn ihr, liebe Extrafish-Musiker, ein Beispiel wollt, wie das richtig geht: Hört euch mal an, wie Dschané das machen. Und bloss weil im Stück Nr. 9, «Hyperactive Dschingisbalkan Level II» (eigentlich ein verheissungsvoller Titel), am Ende ein Soundeffekt kommt, hat das noch lange nichts mit Dub zu tun. Wenn ihr, liebe ExtrafishMusiker, ein Beispiel wollt, wie Balkan und Dub richtig zusammenkommen: Hört euch mal Vavamuffin oder die remixenden Twinkle Brothers oder die Warshaw Village Band an. Und was genau ist dadaistisch an den Extrafish-Songs? Nichts. Und einordnen? In die Kategorie «Netter Anfang, aber jetzt müsst ihr üben, üben, üben».
THE MONSTERS «M» + VARIOUS ARTISTS «Monsters» Voodo Rhythm Records hug. Die Monsters aus Bern ruinieren nun schon seit 30 Jahren jede Party, und das ist gut so, das ist sehr gut so, weil die treibende Kraft Reverend Beatman und seine Freunde den Voodoo/Garagen-/Fuzz-/Rumpelrock all die Jahre mit ungebrochenem Enthusiasmus pflegten und
hegten. Weil Voodoo Rhythm Records, das Label vom Reverend, ebensolange eine von Europas ersten Adressen ist, wenn es um ebendiese Trashmusik geht. Weil die Monsters schon in Japan live spielten, als wir noch nicht mal wussten, was ein Sushi ist. Weil wir die Monsters einfach lieben. Heiss und innig. Und weil überhaupt: Danke, dass es euch gibt! Zum Jubiläum schenkt einerseits die Band uns Fans ein neues Album, das nach Fritz Langs gleichnamigem Film «M» aus dem Jahr 1931 benannt ist und noch reduzierter, noch kräftiger, noch wuchtiger, noch punkiger daherkommt als sonst. Ganz nach dem Motto: Jetzt erst recht. Anderseits erweisen auf dem Tribute-Album «Monsters» 15 befreundete Bands aus der ganzen Welt unseren Helden Tribut. Das klingt natürlich in der Stilbreite vielfältiger, aber nicht minder heiter. And by the way: lustiges Cover! Für beide Alben gilt: Muss haben! Denn die Monsters sind genau das, was der Einstiegssong auf «M» im Titel heisst: «Baby, You're My Drug».
SILENT CIRCUS Rise & Fall Universal lg. Silent Circus sind alles andere als ruhig, sondern kommen wuchtig, frisch, melodiös, brutal oder mit anderen Worten sehr abwechslungsund facettenreich rüber. Die Deutschschweizer Band um Sänger Peter Haller und Gitarrist Sacha Maksymov hat sich dem Modern Metal verschrieben, ohne aber traditionelle Elemente des Heavy Metal aussen vor zu lassen. Letztere hört man am ehesten bei den herausragenden Soli von Gitarrist Cedric "Cede" Dupont (u.a. exFreedom Call, ex-Symphorce), der 2013 zu Band stiess. 2010 erschien in Eigenregie das Debütalbum "Into The Silence".
Knapp 7 Jahre später folgt der zweite Streich von Silent Circus, die in der Zwischenzeit zahlreiche Konzerte im In- und Ausland absolvieren und dadurch ihren Bekanntheitsgrad etwas steigern konnten. "Rise & Fall", so der Titel der Scheibe, bleibt sehr schnell im Ohr hängen und man merkt allen beteiligten Musikers regelrecht den Spass und die Professionalität an. Als Hörer lässt man sich davon anstecken, denn die Band ist viel melodiöser als der Grossteil der modernen Metal Bands – man kann Silent Circus am ehesten als einen Bastard aus Avenged Sevenfold, Linkin Park und Heaven Shall Burn beschreiben. In den Strophen agiert die Band zeitweise sehr hart (mit Growls von Sänger Peter), während die Refrains meist mit grossartigen Melodiebögen glänzen. Die Gitarren kommen jeweils sehr fett rüber. Als Anspieltipps sind die erste Single "Inner Voice", zu welcher auch ein Video gedreht worden ist, sowie "Burning Down" zu nennen. Abgerundet wird das sehr gute und erfrischende "Rise & Fall" durch die äusserst druckvolle Produktion. Die Taufe von "Rise & Fall" findet am 20. Januar im Mascotte Zürich statt.
BÖLZER Hero Iron Bonehead lg. Endlich ist es da, das langerwartete Debütalbum des Duos Bölzer. Mit zwei vielbeachteten EPs namens "Aura" und "Soma" wurde der Death-/Black-Metal Underground regelrecht durchgeschüttelt. Bölzer mit KzR an Gesang/Gitarre und HzR am Schlagzeug schaffen es, mit "Hero" neue Akzente zu setzen. Der Sound tönt sowohl brachialer, archaischer als auch filigraner, tiefergehend. KzR hat zudem seinen Gesangsstil angepasst und singt zeitweise klar, was der Musik einen monumentaleren, epischeren Touch gibt.
Auch wird dermassen geschickt und überraschend mit Tempowechseln gearbeitet, dass es eine wahre Freude ist, sich die wahrlich imposanten Songs zu Gemüte zu führen. Songs wie "The Archer", der Titeltrack "Hero", das wahrlich gigantische "I Am III" oder "Spiritual Athleticism" ziehen den Hörer sofort in ihren Bann und in einen Mahlstrom voller düsterer, aber gleichzeitig transzendentaler Erfahrungen. Bölzer haben mit "Hero" ein visionäres Album voller Gegensätze geschaffen, das hoffentlich noch grössere Beachtung als die vorangegangenen Releases finden wird. Heroisch!
HUNDRED DAYS Loving Kills Non Stop Music rp. Natürlich würde ich dem erst mal widersprechen. Liebe tötet nicht, Menschen töten. Die Texte der Westschweizer Band um Gitarrist und Komponist Pierre “G” Guéguen scheinen aber mehr Staffage als wirklicher Ausdruck von Wut oder Leiden zu sein. «I Hate The World», die erste Single ihres zweiten Albums «Loving Kills» klingt vergleichsweise zahm. Fast tanzbarer Pop. Statt des poppigen Chorus «I Hate The World» könnte die neue Sängerin Tyssa, übrigens eine ehemalige The Voice Kandidatin aus Frankreich, ebenso gut «I Love Flowers» singen. Hundred Days können aber auch härter. Das klingt dann zuweilen wie wohldosierte Skunk Anansie (z.B. «Bleeding VIP» oder «In The Name») oder macht bezüglich Gitarrenarbeit Anleihen an RATM-Gitarrero Tom Morello. Abwechslungsreich ist «Loving Kills» auf jeden Fall. Rock, Pop, eine Spur Metal und auch balladeskes werden geboten. Songs wie das bereits erwähnte «Bleeding VIP», «Another Run», «Look Behind» oder das intensive «Just Another Way» hört man sich gern mehrmals an.
FUELED BY GRACE
LIVE 15. April 2017 Lenzburg, Met Bar
hh. 2013 versuchte Sänger Chahid Stuber sein Glück bei der Schweizer Casting Show Voice Of Switzerland. Es sollte beim Versuch bleiben, Chahid flog schon in der ersten Runde raus. „Das hat mir aber überhaupt nichts ausgemacht, ich hatte mir ohnehin keine grossen Chancen ausgerechnet,“ blickt Chahid zurück, der in erster Linie einfach nur mal hier mitmachen und hinter die Kulissen dieser Show blicken wollte. Auch wenn die Jury von Chahids Gesang nicht besonders angetan war, Mack Schildknecht, Gitarrist der Schweizer Melodic-Hardrocker China, umso mehr. „Ich fand den Typen echt gut, als ich ihn bei VoS sah. Genau solch einen Sänger hatte ich für mein Projekt, das ich neben meinem China-Job machen wollte, gesucht,“ erzählt Mack. Also rief er ihn kurzerhand an, Chalid zeigte sich interessiert und nach einer Session in Macks eigenem Studio war die Sache klar. „Wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden und hatten auch die gleichen Ansichten und Vorstellungen,“ erinnert sich Mack an das erste Treffen. In der härteren Rockszene hatte sich Chalid bis dahin noch keinen Namen gemacht. Musikalisch kommt er aus einer anderen Ecke: „Ich habe in Coverbands gesungen und einen Gospelchor geleitet.“ Auch Mack Schildknechts musikalische Vorlieben und Einflüsse gehen weit über den Hardrock hinaus. Zwar hat er sich seit Beginn seiner Musikerkarriere hauptsächlich den harten Sounds zugewandt, aber „ich bin auch ein Blueser und mag Country sehr gern.“ Diese Einflüsse, die auf dem 2016 veröffentlichten Debütalbum „The Rising“ noch nicht besonders spürbar sind, werden aber auf dem kommenden Langspieler aber deutlicher zutage treten. „Die Songs für das neue Album haben wir bereits geschrieben,“ informiert Mack, „und wir werden bald mit den Aufnahmen starten.“ Dafür können sie sich Zeit lassen, denn Mack hat ein eigenes Tonstudio. Somit fällt der Zeit- und der damit verbundene finanzielle Druck weg, unter dem die meisten Musiker, die in gemieteten Studios arbeiten müssen, nun mal stehen. Bislang haben Fueled By Grace, denen neben Mack Schildknecht und Chalid Stuber noch Bassist Tobias Zürcher und Drummer Alexander Columberg angehören, alles selbst gemacht: Produktion, Plattenvertrieb, Booking. Das schafft zwar eine gesunde Unabhängigkeit, verlangt aber einen enormen Zeitaufwand und hohes Engagement, was man aber lieber in den kreativen Prozess des Songwritings investieren will. Und so kam das Interesse des Koppiright Managements, unter dessen Dach auch Underskin zuhause sind, gerade recht. Ab sofort kümmert sich Koppiright um die Belange von Fueled By Grace, die Musiker können sich voll und ganz auf ihren eigentlichen Job konzentrieren. Das wird der kommenden Langrille des Quartetts sicher den
Ein neuer Name in der Schweizer Rockszene gab mit dem letztjährigen Album „The Rising“ einen fulminanten Einstand. Fueled By Grace, die Band um ChinaGitarrist Mack Schildknecht, begeistert mit frischem, modernem Hardrock und hat grosses Potential für eine erfolgreiche Zukunft auch ausserhalb der Landesgrenzen. richtigen Schub geben, deren Veröffentlichung noch für dieses Jahr vorgesehen ist. Bis dahin haben die Jungs vor, möglichst viele Gigs zu spielen und sich in der Szene zu etablieren. Dass Fueled By Grace zu den hoffnungsvollsten Newcomern in der heimischen „Modern Hardrock“-Szene zählen, davon kann sich jeder anhand des aktuellen Albums „The Rising“ überzeugen. Eine herausragende Platte mit 11 starken Songs – für ein Debüt schon fast zu gut.
REVIEWS Blues/Soul/World
Family Affair Mit dieser zwölfköpfigen Band kommt eine der weltweit am höchst respektierten Blues-/Jambands in die Schweiz. Das Familienunternehmen um das Ehepaar Susan Tedeschi und Derek Trucks wird am 18. März das einzige Schweizer Konzert im Zürcher Kongresshaus geben. hh. Mit der Derek Trucks Band hat sich der Namensgeber seit Mitte der 90er bereits einen ausgezeichneten Ruf als einer der besten SlideGitarristen überhaupt erarbeitet und wurde mit diversen Auszeichnungen inkl. Einem Grammy überhäuft. Daneben bildete er zusammen mit Warren Haynes (Gov't Mule) das Gitarren-Duo der Allman Brothers bis zu deren Auflösung 2014. Susan Tedeschi war seit 1994 mit ihrer Susan Tedeschi Band unterwegs , veröffentlichte diverse von begeisterten Kritiken begleitete Alben und gilt als hervorragende Gitarristin und eine der besten Bluessängerinnen, wofür sie 2014 mit dem amerikanischen Blues Music Award ausgezeichnet wurde. 2001 heirateten Tedeschi und Trucks. Familie und zweifache Mutterschaft waren die Gründe, dass sie sich vom Live-Geschehen zurückzog
TEDESCHI TRUCKS BAND und überwiegend als Studiomusikerin aktiv blieb. 2010 beschlossen die Ehepartner, eine gemeinsame Band zu gründen, weil sie so am besten Familie und Beruf unter einen Hut bringen konnten. Inzwischen haben sie vier Alben veröffentlicht, das 2014er Album “Made Up Mind“ erhielt einen Blues Music Award als bestes Bluesrock-
SEASICK STEVE
JOHN MAYALL
«Livin’ & Lovin’ The Blues» – das Motto seiner wie immer ausgedehnten Europatour 2017, bei der er sich wieder kaum einen freien Tag gönnt, hätte besser nicht gewählt werden können. John Mayall, der mittlerweile 82 Jahre junge Vater des weissen Blues, is «still going strong» und vergeudet keinen Gedanken ans Kürzertreten. Mayall ist eine wahre lebende Blueslegende. Die Line-Ups seiner «Bluesbreakers» in den 60er und 70er Jahren lesen sich wie ein «Who is Who» der Rock-Geschichte: Eric Clapton, Peter Green, Mick Taylor, Ginger Baker, John McVie und Mick Fleetwood – sie alle spielten in John Mayalls legendärer Band, die seinen Ruhm begründete. Mit seiner jungen Band und seinem erdigen, mitreissenden Blues und Blues-Rock kommt der Altmeister noch einmal ins Volkshaus Zürich: Am Samstag, 25. Februar 2017, spielt er dort, wo er schon so oft für Begeisterung sorgte, sein einziges Konzert in der Schweiz.
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Keepin' The Horse Between Me And The Ground There's A Dead Skunk Records bs. Das hier ist auch so ein Werdegang, den man erst mal hinbekommen muss. Mit über 60 Jahren veröffentlicht Steve Wold alias Seasick Steve seine erste Platte. Da hatte er bereits einen Umzug von Kalifornien nach Norwegen, einen Herzinfarkt und lange Jahre als Hobo auf der Straße hinter sich. Von ebenjenem Leben, von den haarsträubenden, aber wahren Anekdoten seiner Zeit als Landstreicher erzählt er seit 2004 in seiner Musik. Die klingt auch auf „Keepin' The Horse Between Me And The Ground“ genauso bärbeißig wie man sich das vorstellt: Blues, Roots, Folk, Hobo'n' Roll, der Sound eben, der dabei herauskommt, wenn man lange Jahre planlos durch die Weite der Vereinigten Staaten zieht. Surrende Gitarren, jaulende Soli, dumpf rumorende Drums und seine wunderbar gereifte Stimme erzählen Geschichten, die selbst Seasick Steve mittlerweile als völlig absurd empfinden müsste. Doch die besten Geschichten, die schreibt nun mal immer noch das Leben, das wissen wenige so gut wie er. Also ackert er sich durch seinen staubtrockenen „Walkin' Blues“, nuschelt beseelt ins Mikrofon wie ein Lemmy Kilmister der Hillbilly-Szene, lässt seine altgediente Gitarre surren und erzählt von der Liebe, vom Unterwegssein, von der Schönheit der „Lonely Road“. Wirklich gut, professionell oder
Album und die Tedeschi Trucks Band erhielt den Award als „beste Band“. Fans von hochklassigem und sehr gepflegtem US-Roots-/Blues-Jam-Rock bekommen mit der Tedeschi Trucks Band das ganz grosse Kino geboten. Speziell Anhänger der Allman Brothers Band werden hier auf ihre Kosten kommen.
poliert klingt das natürlich nicht. Dafür so unfassbar ehrlich, wie der Blues nur klingen kann. Das hat ihn sehr spät in seinem Leben urplötzlich berühmt gemacht. Oder um es mit seinen Worten zu sagen: „Ich habe mit nichts angefangen – und das meiste davon noch übrig.“
MIKE ZITO Make Blues Not War Ruf Records hh. Das neue, bereits dritte Album auf dem feinen deutschen BluesLabel Ruf Records gehört, um das schon vorweg zu sagen, zu den besten Releases (wenn nicht sogar das beste überhaupt) in der Karriere des ehemaligen Royal Southern Brotherhood Gitarristen. Von den hier verewigten 12 Songs weist kein Titel Schwächen oder weniger kreative Momente auf, alle Tracks präsentieren sich aus einem Guss. Der Grund dafür dürfte sein, dass die gesamte Band unter der Leitung von Drummer/Produzent und Grammy-Gewinner Tom Hambridge alle Songs zusammen im Studio live eingespielt hat. Die Band rockt, groovt und swingt, dass es eine wahre Freude ist, man spürt den Schweiss der Musiker förmlich durch die Lautsprecher-Boxen quellen. Dass Mike Zito sowieso einer der besten zeitgenössischen Bluesrocker ist, muss nicht noch einmal speziell ausgeleuchtet werden. Aber dass er seinen ausgezeichneten Ruf sowohl als Saitenvirtuose wie auch als Sänger hier eindrücklichst wieder unter Beweis stellt, soll dennoch nicht unerwähnt gelassen werden. Der Mann packt in jede Note, egal ob Rocker oder Ballade, seine Seele in sein Spiel. Da wirkt nichts kalkuliert oder routiniert, hier kommt alles direkt aus dem Herzen. Und dieses Gefühl überträgt sich auch auf die Band, die den Boss chefmässig unterstützt und den Teppich
DVD/BluRay liefert, auf dem Zito mit allen Ecken und Kanten und der gesunden Dosis Dreck an den Stiefeln glänzen kann. Ein besonderes Merkmal auf „Make Blues Not War“ ist zudem, dass Zito alle Arrangements prägnant, kurz und knackig serviert, er verzichtet wohltuend auf endlose, ausufernde Soli und spielt durchweg songdienlich. Das macht das ganze Album kurzweilig und spannend und ist deshalb nicht nur Bluesfans, sondern jedem Freund handgemachter, herausragender Gitarren(rock)musik dringendst zu empfehlen. Als Gäste dabei sind Walter Trout und Mike Zito's Sohn Zach. Hervorragend!!!
LEFT LANE CRUISER Beck In Black Alive/H'Art hh. Das BluesrockDuo aus Indiana gibt es bereits seit 2004, hat inzwischen acht Alben veröffentlicht und war auch schon in Europa auf Tour. Trotzdem dürfte den meisten die MiniBand unbekannt sein. Da kommt dieses Album gerade recht, präsentiert es doch neben sechs bislang unveröffentlichten Songs acht Titel aus Left Lane Cruisers erstem für das Label Alive Natural Sounds produziertem Album. Drummer Brenn Beck, der vor zwei Jahren die Band verliess und durch Pete Dio ersetzt wurde, hat diese Songs remastert und neu aufgelegt. Mit Frederick Joe Evans IV hat Left Lane Cruiser einen herausragenden Gitarristen, der ebenfalls als Dobro-Slider und Mouthharpist zu begeistern weiss. Zudem übernimmt er den Gesang, der offenbar über das angezerrte Harmonika-Mikro aufgenommen wurde. Alle Songs kommen wild, un-gestüm und mit einer riesigen Portion Dreck durch die Boxen, Fast Lane Cruiser als Punks des Mississippi-Blues zu bezeichnen trifft wohl den Kern der Sache. Das Album macht mächtig Spass, hat Rasse und Klasse und wird besonders Fans von Seasick Steve begeistern. Anspieltipp ist gleich der erste Track, eine wahnsinnige Version des Hoyt Axton Klassikers „The Pusher“, den bereits Steppenwolf zum Hit machten. Hoffen wir, dass der euro-päische Vertrieb H'Art uns auch die anderen LLC-Alben möglichst schnell zugänglich macht.
MÖTLEY CRÜE The End, Live in Los Angeles Universal
ip. Inhaltlich gibt es auf dieser DVD ein ähnliches Programm, wie es im November 2015 auch im Joggeli in Basel und an vermutlich jedem Abend der letzten Tour aufgeführt wurde. So unterschied sich die allerletzte Show am Silvesterabend 2015 im Staples Center in L.A. auch eigentlich nur in der Reihenfolge der Gassenhauer und Strassenfeger, die man im Joggeli gesehen hatte. Dass man diese letzte Show der legendären Band aus Los Angeles als DVD (plus CD, die ohne Drum- und Gitarrensolo beiliegt) nun so oft man möchte zuhause noch mal miterleben kann, ist aus mehreren Gründen eine feine Sache. Allen voran stehen natürlich die nostalgischen Erinnerungen, die man mit den Songs verbindet. Spielerisch gesehen lässt sich hier auch nichts wirklich bemängeln, denn vor allem Nikki Sixx und Tommy Lee ziehen mit flammenwerfendem Bass und dem sagenhaften Rollercoaster-Schlagzeug alle Register. Humoristischerweise war am Silvesterabend 2015 aber auch der bekannte Murphy im Staples Center zu Gast, der das Drumkit auf halber Strecke zum Stillstand brachte und somit den geplanten Ablauf der allerletzten Show sabotierte. Für die DVD hätte man hier vielleicht Aufnahmen eines anderen Gigs mit Kommentar versetzt einfügen können. Denn das Drumsolo war ja schon das Kernstück der Aufführung und dass ausgerechnet dies für die Fans jetzt fehlt, ist etwas schade. Überhaupt hätte man Tommy Lee mit ein paar Sendeminuten mehr in den Film hineinschneiden können; immerhin ist er der beste Musiker des Quartetts und für Konzertbesucher eh kaum zu sehen. Deshalb lässt er sich ja immer wieder die
abenteuerlichsten Konstruktionen einfallen. Dafür bekommt man mehr als genug davon zu sehen, was den Genuss der DVD schmälert: Vince Neil, der dicke Tanzbär, der offenbar den gleichen Zahnarzt wie Inge Meysel hat, nuschelt und wiehert sich durch das Set und weigert sich dabei strikt, irgendetwas Verständliches von sich zu geben. Vor ihm läuft der Teleprompter, aber er schafft es, sich zu versingen. Eigentlich ist es ja egal, denn man versteht sowieso nicht, was er sagen will. Am Konzert selbst fällt das auch kaum auf, denn da hört man Gesungenes nur einmal, dann ist es glücklicherweise weg. Nicht so auf DVD. Da hätte man in diesem Fall wohl doch ein bisschen nachhelfen sollen. Aber vielleicht kann der Produzent Vince Neil nicht leiden, man weiss es nicht. Tonal gesehen hat er sich ja wirklich Mühe gegeben, aber wahrscheinlich spielt auch seine körperliche Fitness eine Rolle dabei, dass seine Aussprache auf der Strecke bleibt. Man möchte es so formulieren: Wenn er zusammen mit Frodo und Sam auf die Reise nach Mordor gegangen wäre, hätte man ihn gleich nach dem Ortsschild von Hobbingen wieder nach Hause geschickt. Die beiden hübschen Mädels können während ihrer paar Auftritte den logopädischen Leckerbissen namens Neil zumindest optisch locker wegknuspern und dass ihr Gesang vom Band kommt, stört weiter nicht. Die sind ja nicht zum Singen da, sondern zum Ankucken. Nicht falsch verstehen: Die DVD, die als Bonusmaterial auch kurzweilige Interviews und etwas zu knappe Erklärungen zu Lees Drumkit und Sixx' Flammenwerfer beinhaltet, ist tiptop und ein tolles Andenken an die legendäre Truppe. Das ist nur leider die letzte Gelegenheit für einen Rezensenten, Vince Neil noch einmal durch den Kakao ziehen zu können. So eine Chance darf man nicht ungenutzt verstreichen lassen.
THE EVERLY BROTHERS Harmonies From Heaven Eagle Vision/Universal hh. Einen treffenderen Titel hätte man wahrlich nicht finden können. Die Gesangsharmonien der beiden Brüder Don und Phil Everly sind tatsächlich himmlisch und in dieser Art bis heute einmalig. Zwischen 1957 und 1963 gehörten die Everly Brothers
zu den erfolgreichsten US-Acts der Rock'n'Roll-Ära. Sie produzierten Hits ohne Ende, von denen Titel wie „Wake Up Little Susy“, „Bye Bye Love“, „Cathy's Clown“, „Walk Right Back“, „Bird Dog“, „(Til) I Kissed You“ und besonders die wunderschöne Ballade „“All I Have To Do Is Dream“ musikalisch ganz grosses Kino sind und zu den allzeit besten Songs gehören, die auch wohl noch in 100 Jahren faszinieren und nichts von ihrer Magie verlieren werden. Diese sagenhaften Harmoniegesänge waren Vorbild und Inspiration von Acts wie The Beatles, Rolling Stones, Simon & Garfunkel oder The Hollies – ohne die Everlys würden vorgenannte Acts sicher nicht so klingen, wie wir sie kennen. In dieser 90-minütigen Dokumentation, die sich hauptsächlich auf die „HitJahre“ 57-63 stützt, wird die Geschichte des abseits der Bühne überhaupt nicht harmonischen Duos erzählt, wobei Don und sein 2014 verstorbener Bruder Phil Everly ausführlich selbst zu Wort kommen. Daneben gibt es jede Menge Kommentare von Freunden, Musikern und Weggefährten, die allesamt zu den grossen Bewunderern der Everlys gehören: Keith Richards, Art Garfunkel, Dave Edmunds, Albert Lee, Waddy Wachtel, Graham Nash, Teddy Thompson bis hin zu Youngster Jake Bugg. Leider gibt es wenig Informationen über die Zeit nach 1963, als die grossen Hits ausblieben, die Brüder aber nach wie vor aktiv blieben. Da gäbe es sicher noch genügend Stoff für eine Fortsetzung. Im zweiten Teil auf einer separaten DVD sind zwei LiveKonzerte verewigt, nämlich das vom australischen TV mitgeschnittene „Chequers Nightclub, Sydney“ (1968) und das sechs Songs umfassende „Hippies With Money“ der ABC aus dem Jahr 1971. Es ist faszinierend anzusehen, wie sich die Beiden gesanglich blind verstehen und ergänzen. Weniger schön sind allerdings Don Everly's Kommentare und Sprüche, in denen er seinen Bruder oft als Volltrottel hinstellt. „Harmonies From Heaven“ ist ein höchst interessantes Stück musikalische Zeitgeschichte mit einer geballten Ladung an umwerfenden Songs, das in keiner Sammlung fehlen darf. Umso mehr als es ja nur sehr wenige bewegte Bilder dieses einmaligen, wegweisenden Duos gibt.
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ReReleases, Best Of, Tributes
OTIS REDDING Live At The Whisky A Go Go The Complete Recordings (6 CDs) Stax/UMC hh. Vor 50 Jahren starb der King Of Soul, Otis Redding, gerade mal 26-jährig bei einem Flugzeugabsturz. Es gibt nur sehr wenige Künstler wie ihn, die nachfolgende Musiker, speziell Sänger wie Rod Stewart, Robert Plant, Paul Rodgers oder der als “weisser Otis Redding” bezeichnete Frankie Miller dermassen beeinflusst haben, wie Otis Redding. In nur fünf Jahren (1962-1967) schuf der Ausnahmesänger eine Reihe von Soul-Klassikern, die bis heute unerreicht und unvergleichbar geblieben sind. Seinen grössten Hit “Dock Of The Bay” (der gerade als zum Dancetrack aufgemotzte Werbejingle missbraucht wird) nahm er kurz vor seinem tragischen
TEMPLE OF THE DOG Temple Of The Dog A&M/Universal
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hh. Als sich Soundgarden's Chris Cornell's Mitbewohner Andrew Wood, seines Zeichens Sänger der kurz vor dem Durchbruch stehenden Mother Love Bone, am 19.März 1990 per „goldenem Schuss“ aus dem Leben verabschiedete, war die Bestürzung in seiner Heimatstadt Seattle riesig. Wood, der nur 24 Jahre alt wurde, galt als grosses Talent und war unter seinen Musikerkollegen überaus beliebt. Zum Gedenken und wohl auch, um die eigene Trauer zu verarbeiten, nahmen Chris Cornell und Wood's Mother Love Bone-Kollegen (aus denen dann mit Sänger Eddie Vedder, der auch auf diesem Album zu hören ist, Pearl Jam wurde) unter dem Namen Temple Of The Dog das gleichnamige Album auf. Es sollte das einzige bleiben, denn sowohl Cornell mit Soundgarden wie auch die anderen beteiligten Musiker mit Pearl Jam stiegen danach zu absoluten Superstars auf. Das Album steht quasi als Anfang des Grunge, über weite Strecken ist deutlich die enge Verbindung zu den nachfolgenden Pearl Jam zu hören – und ist definitiv ein herausragendes und eines der besten GrungeBeispiele überhaupt. Wobei gesagt werden muss, dass „Temple Of The Dog“ auch zweifellos als eines der zum Zeitpunkt des Releases (1990) besten, modernen Classic-Rock-Alben bewertet werden muss. Nicht nur durch Chris Cornell's „meilensteinmässigen“, überaus seelenvollen
Gesang hat das Album eine dermassen hohe Intensität, die nachfolgend auch Pearl Jam in ihren besten Momenten nie erreichen sollten. Für diesen ReRelease hat Starproduzent Brendan O'Brien (u.a. Soundgarden, Pearl Jam, Aerosmith, Bruce Springsteen, Neil Young, AC/ DC) die Originalaufnahmen neu gemischt, was rundum hervorragend gelungen ist. Besonders auf Vinyl ( 180gr, Doppelalbum – 3 Seiten bespielt, inkl. MP3 Download-Voucher) kommt der warme, druckvolle Sound bestens zum Tragen und ist allen empfohlen, die dieses herausragende Stück Musikgeschichte noch einmal oder neu entdecken wollen. „Temple Of The Dog“ ist essentiell und darf unter keinen Umständen in jeder guten Sammlung fehlen. Bewegend und herausragend – ein Meisterwerk!
CLUTCH La Curandera Weathermaker/ Rough Trade ip. Ohne Clutch wäre die Welt ein Ort, in dem man nicht mal tot über dem Zaun hängen möchte. Clutch sind über jeden Zweifel erhaben, eine Offenbarung und eine der innovativsten und grossartigsten Rockbands, die es gibt. Ausserdem hatte ich wohl schon mal irgendwo erwähnt, dass Jean-Paul Gaster der beste Drummer überhaupt ist. Und falls das jemandem entgangen sein sollte: Jean-Paul Gaster ist der beste Drummer, den es gibt. Soweit zum Thema „objektive Berichterstattung“. „La Curandera“ ist kein neues
Ableben auf, den Release und Megaerfolg dieses Titels sollte er aber nicht mehr erleben. Otis Redding's durchschlagender Erfolg war darin begründet, dass er es verstand als einer der ersten farbigen Musiker schwarze Musik mit Rock zu verbinden und dadurch auch das weisse Publikum ansprach. Im April 1966 gastierte Redding mit seiner Band drei Tage lang in L.A.'s “Whiky A Go Go”-Club, wo diese Aufnahmen mitgeschnitten wurden. In der Vergangenheit wurden Teile dieser Shows bereits veröffentlicht, jedoch nie in der kompletten, hier vorliegenden Form. Auf 6 CDs, alle remixed und remastert, gibt es die drei Konzerte in der Original-Running-Order. Dass dabei Überschneidungen auftauchen, ist klar, so taucht Redding's Remake des StonesKlassikers “Satisfaction” (war auch für Redding ein Hit) gleich neun Mal auf, seine eigenen Songs und Hits wie u.a. “I Can't Turn You Loose”, “Respect” oder “I've Been Loving You Too Long” sind ebenfalls mehrfach dabei. Der Grund für diese häufigen Wiederholungen ist der Fakt, dass damals die Bands an einem Tag mehrere Sets für ein jeweils wechselndes Publikum spielten. Dass dieser Release trotz der häufigen Überschneidungen Sinn macht, sind die unterschiedlichen Darbietungen der Songs. Redding hatte an keiner Show die gleiche Set-Liste und auch in der Emotionalität und Intensität der Vorträge sind deutliche Unterschiede auszumachen. Für Soul-Fans im Allgemeinen und Otis Redding Fans im Speziellen ist dieses 6-CD-Paket unverzichtbar. Ein wahrlich einzigartiges, herausragendes Stück Musikgeschichte.
Album des aus Maryland stammenden Quartetts, sondern eine Compilation zugunsten des Breast Cancer Awareness Month (der Oktober in den USA), die vor einem Jahr in pinkem Vinyl und einem ziemlich coolen Artwork der Comic-Künstlerin Becky Cloonan erschien. Die Scheibe ist nun ausschliesslich auf (schwarzem) Vinyl auch hier erhältlich und besteht aus acht bereits bekannten Songs des Clutch-Kataloges. In allen der acht Songs geht es um starke Frauen, die in irgendeiner Weise Spuren in der erstaunten Männerwelt hinterlassen. Sei es in „Cypress Grove“ (vom Album „Blast Tyrant“, 2004) die Frau auf dem Hügel mit dem breitkrempigen Hut, dem Gewehr und allerhand Todbringendem auf dem Rücksitz ihres abgeranzten Fords oder „Cyborg Bette“ („Earth Rocker“, 2013), die ihrem Kerl das Leben schwer macht oder auch „La Curandera“ (auch „Blast Tyrant“), die junge Hexe im weissen Leinenkleid, die nachts auf schwarzem Sand tanzt: Hier kommen weibliche Charaktere zusammen, die sich Sänger Neil Fallon ausgedacht hat und zu denen Quentin Tarantino acht Filme drehen könnte, ohne sich zu wiederholen. Wer Clutch schon kennt, der darf sich mit „La Curandera“ die Sammlung vervollständigen und alle anderen bekommen mit dem Album einen schönen Querschnitt der Band, denn die anderen Songs haben ihr Zuhause auf den Alben „From Beale Street To Oblivion“ (2007) und „Strange Cousins From The West“ (2009), „Earth Rocker“ (2013) und sogar ein ganz alter und guter namens „The
Dragonfly“ ist in einer Liveversion dabei, der vom 1998er Album „The Elephant Riders“ stammt. Feine, runde Sache.
SILVERHEAD 16 And Savaged Purple Records rp. In der 1971 ins Leben gerufenen englischen Rockband Silverhead nahm die Karriere einiger bekannter Musiker ihren Anfang. Bassist Nigel Harrison ging später zu Blondie, Robbie Blunt wurde Gitarrist bei Robert Plant (Led Zeppelin), Pete Thompson arbeitete ebenfalls mit Plant und tourte u.a. mit Robin Trower, Ken Hensley (Uriah Heep) und David Byron (Uriah Heep) und Sänger Michael Des Barres ging zu Detective und Power Station (mit Robert Palmer, Andy Taylor) und machte eine Karriere als Schauspieler. Wieso es mit Silverhead nicht klappte, ist im Nachhinein schwierig zu eruieren. Der ungesunde Rock And Roll Lebensstil (Drogen, Parties, etc.) der Band war sicherlich nicht förderlich. Zudem wurde ihr Label Purple Records (von Deep Purple ins Leben gerufen) ein Jahr nach der Veröffentlichung ihrer zweiten und letzten Platte «16 And Savaged» verkauft. Dabei hatte besagtes Album nach dem durchzogenen Debüt alle Qualitäten, um erfolgreich zu werden. Mit dem rockigen Auftakt «Hello New York», einem ihrer besten Songs, und der souligen Ballade «Only You» waren zwei potentielle Singles enthalten.
ReReleases, Best Of, Tributes Daneben enthält ihre Mischung aus Glamrock und Classic Rock einige glänzende Momente. Erwähnenswert ist vor allem der sehr vielschichtige Titeltrack. Ergänzt werden die neun Songs von «16 And Savaged» auf dieser Wiederveröffentlichung mit zehn (!) Bonustracks. Neben Songs für ihr drittes, nie fertiggestelltes Album «Brutiful» sind zwei Promo-Solo-Songs von Michael Des Barres und Liveaufnahmen enthalten. Letztere hätte man sich wegen der schlechten Qualität aber besser gespart. Live At The Rainbow London Purple Records Die vorliegenden Liveaufnahmen von 1973 erschienen 1975 nur in Japan, wo die Band auch frenetisch gefeiert wurde. Ergänzt werden sie n.a. von fünf Livenummern, die ebenfalls 1973 im Paris Theatre in London aufgenommen wurden. Obwohl unter den 15 Songs einige ihrer besten Nummern («Hello New York» oder «16 And Savaged) zu finden sind, zündet das Album nur in wenigen Momenten. Live klingt das zuweilen mittelmässige Songmaterial nicht wirklich besser. Zudem offenbart die Stimme von Michael Des Barres live Schwächen. In wenigen Songs krächzt er («Rock Out Claudette, Rock Out», «Only You») etwas, was gerade bei der ansonsten feinen Ballade «Only You» störend wirkt.
GIRLSCHOOL Take A Bite Cherry Red Records rp. Girlschool hielten auch auf ihrem zweiten Album auf GWR Records (Motorhead, Hawkwind) an der härteren Gangart fest, die sie auf dem Vorgänger «Nightmare At Maple Cross» eingeschlagen hatten. Nach dem verwässerten Sound von Alben wie «Play Dirty» (1983) und «Running Wild» (1985) orientierten sich wieder am Sound ihrer Anfänge. «Take A Bit» war überdies gekennzeichnet, einmal mehr, von personellen Wechseln. Bassistin Gil Weston-Jones ging und Tracey Lamb von Rock Goddess kam. Originalsängerin Kelly Johnson war ja schon 1984 ausgestiegen, ebenso Originalbassistin Enid Williams, die 1982 Platz für Gil Weston-Jones gemacht hatte. Wie auf ihrem letzten, sechsten Album präsentierten Girlschool wieder
eine Glamrock-Coverversion. Nach «Tiger Feet» von Mud, versuchten sie sich diesmal an «Fox On The Run» von Sweet. Ihre Interpretation klingt dieses Mal aber vergleichsweise zahm. «Tiger Feet» hatte mehr Biss. Erwähnenswert ist auch, dass Lemmy von Motorhead an «Head Over Heels» mitschrieb. Leider ist besagter Song, mittelmässiger Rock, die schwächste Nummer auf «Take A Bite». Ansonsten ist ihr siebtes Album eine gelungene Mischung aus Metal und Glamrock.
Wegbereiter aller grossen Bands der Beat Ära. Ohne Donegan hätte es wohl weder die Beatles noch die Stones und eine ganze Reihe weiterer grosser britischer Bands der frühen 60er nicht gegeben – zumindest nicht so, wie wir sie musikalisch kennen. Mitte der 70er tat sich die
ECLECTION
Skiffle-Legende mit den deutschen Genre-Kollegen Leinemann zusammen und es erschienen in dieser Konstellation zwei Alben, die jetzt von LeinemannWaschbrett-Spieler und Donegan-Freund Ulf Krüger in remasterter Form wieder das Licht der Welt erblicken. Gott sei Dank, muss man sagen, denn Krüger hat einen hervorragenden Job gemacht und dieser „Gute-LauneWohlfühl-Musik“ neues Leben eingehaucht. Zusätzlich zu den Songs der Original-Alben gibt es noch drei bislang unveröffentlichte Songs mit und von Donegan.
Same Esoteric Recordings rp. Die in London gegründete, aber international besetzte Band Eclection, ihre Mitglieder kamen aus Norwegen, Australien, Kanada und natürlich England, ist vor allem als Startpunkt von George Kajanus, der später Sailor ins Leben rief und Trevor Lucas und Gerry Conway, die mit Sandy Denny Fotheringay gründeten, im Gedächtnis geblieben. Das 1967 gegründete Quintett, zu dem auch Sängerin Kerrilee Male gehörte, hatte aber auch selber einiges zu bieten. Ihr an die Mamas & Papas und Jefferson Airplane angelehnter Sound, eine Mischung aus Folk, Barockpop, Psychedelic und einer Spur ProgressivRock, auf ihrem einzigen, selbstbetitelten Werk von 1968 klingt auch heute noch elegant, bezaubernd und erfrischend unverbraucht. Die teils opulent mit Streichern und Bläsern inszenierten Songs versprühen einen speziellen Charme. Nicht umsonst gehörte der legendäre DJ John Peel zu ihren Unterstützern. Die aktuelle Wiederveröffentlichung enthält neben den elf Songs des Debüts auch drei erstmals auf CD erhältliche Songs. Vor allem erwähnenswert ist die nicht auf der LP enthaltene Single «Please (MK II)», die nach dem Weggang von Kerrilee Male von Dorris Henderson eingesungen wurde. «Please» war vorher bereits mit Stimme von Male als Single veröffentlicht worden.
LONNIE DONEGAN Meets LEINEMANN Same + Country Roads (2 CDs) MIG Music hh. Lonnie Donegan war der britische Skiffle-König und
Donegan starb 2002 an einem Herzinfarkt vor einem Auftritt in der Londoner Royal Albert Hall zum Gedenken an George Harrison („Concert For George“). Die DoneganKlassiker „Rock Island Line“, „Midnight Special“, „Cumberland Gap“ und vor allem „Does Your Chewing Gum Lose Ist Flavour“ sind natürlich enthalten und strahlen hier in neuem Glanz – klingende Zeugen einer Zeit, als der Skiffle zur Wiege der Beatmusik wurde und Lonnie Donegan sein Meister war.
MUSIK z
MARK BLAKE PINK FLOYD – Die definitive Biografie Hannibal Verlag hh. Mark Blake ist ein renommierter britischer Journalist, der seit 1989 als Schreiber für u.a. Q, The Times, The Daily Telegraph, Mojo, Classic Rock and Daily Express aktiv ist und sich auch als Autor diverser Musiker-Biografien über z.B. Queen, The Who, Keith Richards etc. einen hervorragenden Namen machen konnte. Die hier vorliegende Pink Floyd Biografie erschien im Original bereits 2008 unter dem Titel “Pigs Might Fly – The Inside Story Of Pink Floyd”, liegt aber erst jetzt in deutscher Übersetzung von Paul Fleischmann vor. Knapp sechshundert Seiten ist der Wälzer dick und wurde mit einigen, teilweise raren Fotos angereichert. Über die englischen Psychedelic-Rocker erschienen im Laufe der Jahre bereits viele Bios, unter anderem auch von Floyd-Drummer Nick
Mason. Aber Mark Blake's Werk gilt als das umfassendste Buch. Und das zu recht. Blake hat hier eine unglaubliche Fleissarbeit abgeliefert, seine Recherchen bis in die letzten Winkel und Ecken betrieben und mit unzähligen Wegbegleitern gesprochen. Dass dabei ein Grossteil die Ära Syd Barrett, also den Beginn von Pink Floyd, umfasst, ist selbstverständlich. Schliesslich gilt der durch zuviel LSD-Konsum ausgeklinkte und 2006 verstorbene Gitarrist, der Pink Floyd bereits wegen psychischer Probleme 1968 verlassen musste, als das massgebende, visionäre Gründungsmitglied der Band, ohne den es Pink Floyd zumindest in der bekannten Form sicher nie gegeben hätte. Diese akribische Recherche hat allerdings auch ihre Schattenseiten, den besonders im ersten
Drittel wird der Leser mit einer massiven Flut von Namen bombardiert. Es handelt sich dabei zwar durchweg um Personen, die mehr oder weniger eng mit Syd Barrett und den restlichen Floyds zu tun hatten oder bekannt waren, aber ob jetzt jeder ehemalige, kurzfristige Mitbewohner oder Nachbar erwähnt hätte werden müssen, bleibt dahingestellt. Musikhistoriker freuen sich sicher über diese umfassenden Informationen, für den normalen Pink Floyd Fan liest sich der erste Teil des Buchs aber doch sehr zäh, manchmal verwirrend und spannungsarm. Hat man sich aber erst einmal durch dieses ausufernde Namedropping durchgebissen, erwartet den Leser eine überwiegend spannende, unterhaltsam verfasste Geschichte, in der auch die enormen Spannungen unter den Musikern, speziell zwischen Roger Waters und Dave Gilmoure, durchleuchtet werden – ohne jedoch boulevardesque ausgeschlachtet zu werden. So bleibt unter dem Strich eine auf die Band massgeschneiderte Biografie, die herausragend recherchiert die komplette Karriere der Briten (es ist nicht anzunehmen, dass es nochmals gemeinsame Aktivitäten geben wird) respektvoll widergibt und dabei auch einen tiefen Einblick in die “wilden 60er” gewährt. Sehr empfehlenswert.
BRUCE SPRINGSTEEN Born To Run Die Autobiografie Heyne Verlag
bf. Bruce Springsteen hat seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. In „Born to Run“ spricht der Boss auf rund 700 Seiten nicht nur über seine schillernde Karriere, sondern auch überraschend offenherzig über seinen langen Kampf mit der Depression. Es ist nicht das erste Buch, das sich mit
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Springsteen beschäftigt. Auch nicht das erste gute. Peter Amis Carlin schuf mit seiner autorisierten Biografie „Bruce“ bereits ein verdammt lesenswertes Werk, das auch Springsteens dunkle Seite nicht aussparte. „Born to Run“ kommt aber jetzt noch eine ganze Ecke intimer, detaillierter und authentischer daher. Kein Wunder: Diesmal griff der Boss gleich selbst zur Feder. Die Idee dazu entstand aus einem rückblickenden Essay, den Bruce 2009 auf seiner Webseite veröffentlichte. Der Boss hatte danach Blut geleckt, schrieb einfach weiter, und jetzt, sieben Jahre später, ist das geradlinige Mammutwerk endlich fertig. Der Boss lotst den Leser hier chronologisch durch seine Karriere, von den ersten Gehversuchen mit den Castiles zu den grossen Erfolgen mit der E Street Band. Schnell wird klar, dass Springsteen nicht nur ein genialer Songwriter ist, sondern überhaupt „born to write“. Der Mann ist ein fantastischer Erzähler, der ähnlich schreibt
wie er spricht. Mal predigend, mal witzig, auch wenn er durchaus ernste Themen behandelt. Springsteen plaudert offen über seine katholisch geprägte Kindheit in einem strengen Umfeld, gegen das er schnell rebellierte. Von seinem unter Stimmungsschwankungen leidenden Vater, zu dem er nie eine wirkliche Beziehung aufbauen konnte. Von seiner Mutter, die den Laden irgendwie zusammenhielt. Von Elvis, dessen TV-Auftritt Springsteen inspirierte, selbst Musiker zu werden. Von seinen Anfängen bei der Schülerband The Castiles und bei Steel Mill. Von seinen ersten beiden Alben, die maximal Achtungserfolge waren. Und wie er, der im Studio mittlerweile zum nervtötenden Perfektionisten mutierte, mit „Born to Run“ den großen (verdienten) Durchbruch schaffte. Spätestens mit „Born in the U.S.A.“ (1984) war der Held der USArbeiterklasse schließlich auf Stadion-Rock-Ebene angelangt. Klingt wie die klischeehafte Tellerwäscher-MillionärsKlischee-Nummer, ist es aber
nicht. Denn glücklich ist Springsteen in all den Jahren nur selten gewesen. Der Boss hat, wie er (nicht zum ersten Mal) verrät, bereits seit seiner Kindheit mit schweren Depressionen zu kämpfen. Wie sein Vater. Beziehungen scheitern. Wie die Ehe zu Model und Schauspielerin Julianne Phillips. Auch, weil Springsteen, wenn die Depression gerade mal wieder ihre Klauen nach ihm ausstreckt, sehr ätzend sein. Springsteen ist „born to run“, immer auf der Flucht vor seinen eigenen Dämonen. Es ist ein gleichermaßen in seiner Offenheit erschreckendes und berührendes Buch, das nicht nur der eingefleischte Fan so leicht nicht mehr aus der Hand legen kann. Parallel zu dem Wälzer erschien übrigens die Best-of-CD „Chapter & Verse“, auf der sich auch fünf bislang unveröffentlichte Songs aus Springsteens frühen Jahren befinden.
MUSIK zum LESEN
zum LESEN DENNIS DUNAWAY/CHRIS HODENFIELD Schlangen, Guillotinen und ein elektrischer Stuhl Meine Abenteuer mit der Alice Cooper Group Hannibal Verlag hh. Dennis Dunaway war Gründungs mitglied und Bassist von Alice Cooper, als der noch für einen Bandname n stand. Daher auch der Titel Alice Cooper Group. Dunaway war massgeblich an der Erfindung des sogenannten Alice-CooperSchock-Rocks beteiligt, ein Grossteil der abgefahrenen Bühnenshow entstand durch seine Ideen. Dunaway und sein CoAutor Chris Hodenfield, seines Zeichens renommierter Schreiber für u.a. Rolling Stone und Playboy, erzählen chronologisch, spannend und anschaulich den Werdegang der Band. Von den Anfängen, als die Jugendfreunde Dunaway und Vincent Furnier (aka Alice Cooper) beschlossen eine Band mit grossen Show-, Theaterund Schockelementenzu gründen, über die harten ersten Jahre, als sich die von Frank Zappa unterstütze Truppe in den übelsten Spelunken und Militärstützpunkten die Sporen abverdiente und permanent am Hungertuch nagte, bis hin zu Millionensellern mit Alben wie „Killer“, „Schools Out“ und „Billion Dollar Babies“ und die schlussendliche Aufnahme in die Rock'n'Roll Hall Of Fame. Mit zunehmendem Erfolg kamen auch die Probleme in Form von Drogen und Alkohol, die zu einer Entfremdung der Musiker untereinander führten und schliesslich darin gipfelten, dass ihr Frontmann fortan der alleinige Alice Cooper wurde und offenbar auf Anraten des Managements seine ehemaligen Kumpel sang- und klanglos abhängte. Dunaway verzichtet in seinem Buch auf sensationslüsterne Anekdoten und geht auch mit seinem Jugendfreund Vincent Furnier nicht allzu hart ins Gericht (Alice Cooper bezeichnet Dennis Dunaway heute als einen seiner besten Freunde), trotzdem oder vielleicht gerade deswegen ist das Werk überaus lesenswert nicht nur für Cooper-Fans. Denn der Leser bekommt neben dem Geschichtsunterricht über einen der erfolgreichsten Acts der Rockgeschichte einen unterhaltsamen und realistischen Einblick in die Zeit, als der Rock das Laufen lernte, mit allen Licht- und Schattenseiten. Sehr zu empfehlen.
ROBERT HILBURN JOHNNY CASH – Die Biografie
Berlin Verlag bf. Es gibt nur wenige Stars, die eine so bewegte Lebensgeschichte haben wie Johnny Cash. Und nur wenige Autoren, die sie so tiefgründig und gewissenhaft zu Papier bringen würden wie Robert Hilburn. Die Cash-Biografie aus der Feder des Popmusikkritikers, Jahrgang 1939, der mehr als 30 Jahre lang für die „Los Angeles Times“ schrieb, ist nun endlich in deutscher Sprache erschienen. Hilburn, das muss man wissen, ist keiner dieser Schreibtischtäter, die den Künstler, über den sie schreiben, nur aus Wikipedia und dem Radio kennen, sondern einer, der immer nahe dran war. Als Reporter begleitete er immer wieder Größen wie Bob Dylan, John Lennon, Elton John, Michael Jackson, Bruce Springsteen, U2 – und eben Johnny Cash. Hilburn ist der einzige MusikJournalist, der bei Cashs legendärem Gefängniskonzert für das Livealbum »At Folsom Prison« vor Ort sein durfte. Und er war der Letzte, der Cash und seine Frau June vor ihrem Tod im Jahr 2003 interviewte. Wozu braucht es aber jetzt Hilburn, mag man sich fragen, Cash hat ja selbst zwei Autobiografien geschrieben. Hilburn macht das gleich am Anfang seines Buchs klar. Cash, so schreibt er, sei ein unzuverlässiger Erzähler, der Fakten nicht im Weg einer guten Story stehen lassen würde. Der Biograf ist angetreten, das eine oder andere wieder gerade zu rücken. Den einen oder anderen Mythos zu zerstören, auch wenn es schmerzt. Etwa die von Cash oft erzählte Geschichte zu widerlegen, wie dieser seinerzeit angeblich die Entscheidung fällte, mit den Drogen aufzuhören. Cash gab zu Protokoll, dass er sich nach seiner ersten misslungenen Ehe in eine Höhle am Tennessee River zurückzog, um zu
sterben, als er plötzlich so etwas wie eine spirituelle Erleuchtung bekommen habe, die ihn dazu veranlasste, die Finger vom Gift zu lassen. Hilburn beweist mithilfe eines Historikers, dass das nicht wahr sein kann, weil die besagte Höhle im Jahr 1967, um das es sich dreht, unter Wasser stand und Cash unter keinen Umständen darin gewesen sein konnte. Überhaupt scheint Hilburn über die DrogenGewohnheiten Cashs unheimlich gut Bescheid zu wissen. Vielleicht hat ihm der eine oder andere Zeitzeuge, der an dem Buch mitwirkte (unter anderem Patti Smith, Bono und Keith Richards) da ja vielleicht etwas geflüstert. Man muss sich natürlich auf das Buch einlassen, die Biografie ist mit rund 900 Seiten sehr umfangreich geraten. Es steht halt eben alles drin. Alles über die Auftritte, die Alben, die Songs, die Texte, das Privatleben, den frühen Tod des Bruders, die Beziehungen zur Familie, seine erste Frau Vivian und die drei Kinder, alles über die Liebe zu June Carter und Sohn John, alles über Cashs Beziehung zum Glauben, zu Gott, den Frauen, den Alkohol, das Nikotin, über das Auf und Ab einer Karriere, diese Achterbahnfahrt zwischen Weltruhm und Drogenabsturz, religiösem Eifer und Entzug. Eine Geschichte, die sich beinahe von selbst erzählt, die Hilburn mit seiner schnörkellosen Art aber erst für den Leser begreifbar macht. Fazit: Die ultimative Cash-Biografie.
SVEN GILLERT & HAGEN STOLL HAUDEGEN – Zusammen sind wir weniger allein Heyne Verlag ihre drei bislang erschienenen Alben gingen alle in die Spitze der deutschen Charts. Ein toller Weg, den die beiden Tätowierten „Kleiderschränke“ da hingelegt haben. Dabei sah es anfangs nicht unbedingt danach aus, ihr Lebensweg schien vorgezeichnet durch die Gegend, in der sie aufwuchsen. Gewalt, hh. Sven Gillert und Hagen Kriminalität und eine hoffStoll sind allerbeste Freun- nungslose Zukunft. Aber de und Haudegen im wahr- Gillert und Stoll schafften sten Sinn des Wortes. Sie das, was nur wenigen aus kommen aus Berlins sozia- diesem Milieu gelingt, den len Brennpunkten, den Ost- Ausstieg. Aber ohne ihre berliner Plattenbau-QuarWurzeln zu verleugnen. Im tieren. Sie waren Türsteher, Gegenteil, mit Stolz und in Privatdetektiv und sind Mu- aufrechter Haltung stehen siker. Erfolgreiche sogar, sie für Freundschaft und
ihre Vergangenheit, für Ehrlichkeit und Zusammenhalt. In „Zusammen sind wir weniger allein“ erzählen die beiden ihre Geschichte, wuchtig, in klaren Worten und ohne Beschönigungen. Über ihren musikalischen Weg und die damit verbundenen „Auf die Schnauze fallen“-Episoden. Das Buch liest sich flüssig, ist spannend und unterhaltsam, besonders weil die Autoren kein Blatt vor den Mund nehmen und auch sich selbst nicht immer in bestem Licht darstellen, dabei aber immer eine gehörige Portion Humor einbringen – Berliner Schnauze der Arbeiterklasse halt!
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LIVE REVIEWS BRIAN WILSON, DONAVON FRANKENREITER 31.10.2016
Basel, Messe
Fotos: Albert Bamert
hef. "Love And Mercy", Liebe und Mitleid, Erbarmen, Gnade, aber auch Barmherzigkeit, Schonung, gar Nachsicht – all diese Worte treffen auf das Konzert der Beach-BoysLegende in Basel zu. "Love And Mercy" heisst nicht nur der letzte der insgesamt 30 Songs, die Brian Wilson mit seiner wuchtigen, perfekten 11-köpfigen Begleitband bei der Bâloise Session spielte. Sondern "Love And Mercy" heisst auch der Kino-Spielfilm über das ereignisreiche Leben des wundersamen Songschreibers, der der Musikwelt nicht nur den Surfsound schenkte, sondern gleichzeitig die kalifornische Leichtigkeit in traumhafte Popsongs und Rock'n'Roll-Heuler umsetzte, Lebensgefühl pur in einer Zeit, als sich die ganze Welt dank Beatles und Popkultur grundlegend veränderte. Mit am Drücker als treibende Kraft: eben dieser Brian Wilson mit seinen Brüdern Dennis und Carl, seinem Cousin Mike Love sowie Schulkollege Al Jardine. Das zur Geschichte Ja, zufällig war Halloween an diesem Montag Abend, 31. Oktober. Das passte zur Szenerie in der Eventhalle am Basler Messeplatz. Vorausschicken muss ich, dass meine Erwartungen riesig, die Vorfreude gross war. Vor zehn Jahren hatte ich Brian Wilson in Montreux gesehen, auch damals mit Riesenband. Es war dermassen perfekt und emotional, dass das Konzert für mich zu den Top 5 aller Zeiten zählte, und ich habe alle grossen Rockstars dieser Welt live gesehen. Als Brian Wilson kurz nach 21 Uhr nach einem grossartigen Aufsteller-Konzert des US-Barden Donavon Frankenreiter auf die Bühne zu seinem Flügel geführt wurde, stand das Publikum aus Respekt auf. Ehrerbietung für einen der ganz Grossen der internationalen Musikszene. Mit den frühen Knallern der Beach Boys wird die Stimmung im Nu zur Nostalgie-Veranstaltung. Der Sound nach zwei Songs perfekt, die Chöre mit den teils komplizierten Gesangsharmonien ohne Fehl und Tadel, Wilsons Stimme zwar etwas brüchig, aber es fetzte fröhlich ab. "California Girls", "Dance Dance Dance" und – „das ist
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der erste Song, den ich je geschrieben habe", sagt Wilson – "I Get Around", danach "Surfer Girl", "Don't Worry Baby", "Wouldn't It Be Nice", einfach nice und schön, cool, lässig. Dann wird's etwas kompliziert. Showstopper ist die Idee von Brian Wilson, das ganze Beach-Boys-Werk, eigentlich sein Werk "Pet Sounds", in der Reihenfolge der Songs auf dem Album zu spielen. Es gilt als das "Sgt. Pepper" der Beach Boys, Wilsons ambitionierteste Arbeit. Ehrlich gesagt war das keine gute Idee des Mannes, der mit seinen teils queren Ideen selbst die Beatles inspiriert hatte. Das Album ist bei uns zu wenig bekannt. Die Songs wirken teils sehr zähflüssig, sind auch mit längeren Instrumentalteilen durchsetzt. Die ersten verlassen bereits den Saal, als Wilson und seine Powertruppe dann doch noch zum grossen Encores-Furioso ansetzen. Jetzt gibt es kein Halten mehr. "Good Vibrations" bringt genau das rüber. "Help Me Rhonda", gesungen vom Kumpel früher Beach Boys-Tage Al Jardine, der aus der Band geworfen worden war und jetzt mit Brian fröhliche Urständ feiert. Dann "Barbara Ann", "Surfin' USA" als ausgedehnter Rock'n'RollSchmachtfetzen und zum Schluss das Motto des Abends, "Fun Fun Fun", zumindest galt dies für die wahren Fans, und die waren weit in der Überzahl. Halloween, ein hartes Wort zum Schluss. Brian Wilson ist nicht mehr wirklich in dieser Welt. Apathisch sitzt er vor seinem Flügel, singt die meisten Lieder und spielt dazu Piano. Rundherum Vollprofis, die ihn durch das Programm quasi coachen, ihn unterstützen, ihm den Teppich legen für das, was er noch zu musizieren imstande ist. Sein Gesicht auch dann wächsern und unbeweglich, wenn er am Drücker ist, eine melancholische Traurigkeit in seinem Blick, das Wort Mitleid ist positiv gemeint. Wer den Film "Love & Mercy" (über das Leben von Brian Wilson) gesehen hat, weiss, was der Mann durchmachen musste mit seinem tyrannischen Vater, der ihn bis aufs Blut plagte, mit grossen Drogenproblemen und unfähigen Psychotherapeuten. Dass Brian Wilson überhaupt noch zu einem solchen Konzert-Effort fähig ist, ist allein schon ein Wunder und wird wohl jedem, der dabei war, immer im Gedächtnis bleiben, weil es irgendwie auch der Abschied ist von einem der Grössten aller Zeiten.
LIVE REVIEWS THE QUIERBOYS, THE LAST VEGAS, DUST BOWL JOKIES
21.11.2016 Pratteln, Z7
Fotos: Marion Gross
hh. dieser Abend im gutgefüllten Mini-Z7 stand ganz im Zeichen des Rock'n'Roll. Den Auftakt machte die schwedische Nachwuchs-Kombo DUST BOWL JOKIES mit einem lärmigen Set. Dass die Vorbilder der Schweden die grossen L.A. Sleaze Bands sind, war weder optisch noch musikalisch zu ignorieren. Allerdings waren das auch schon die Gemeinsamkeiten, denn songtechnisch kam da überhaupt nichts. Alles ausgelutschte Klischees von A-Z, die ganze Performance war ein Mix aus Sesam Strasse und Muppet Show und die permanenten, aufgesetzten und nervigen Oooohhh-Mitgröl-Chöre machten das Gesamtbild komplett. Aber vielen im Publikum hats gefallen und das ist ja die Hauptsache. Ob die Truppe allerdings Zukunftschancen hat, darf schwer bezweifelt werden, zumal es schon allein in ihrer Heimat ganz andere Kaliber in diesem Genre gibt. Bad Boys Rock für Jugendzentren – nicht mehr und nicht weniger. Da zeigte die Nachfolgeband THE LAST VEGAS ihren „Vorspielern“ vom ersten Ton an, wie es richtig geht und wo der Hammer hängt. Die Chicagoer Hard-/Glam-/SleazeRock'n'Roller haben all das, wovon die Jokies träumen: geile Songs, einen exzellenten Sänger mit grossem Charisma und fetten, high-energy Groove. Ihr Auftritt war fesselnd von A-Z, die „Kick-Ass-Attitude“ wirkte nie aufgesetzt und insgesamt wurde deutlich, dass diese Truppe auch die grossen Bühnen ohne Probleme rocken kann. Geile Band, geiler Gig.
THE LAST VEGAS Ja, und dann kamen die britischen Rock'n'Roll-Urgesteine, die unter grossem Applaus von einem blendend aufgelegten Spike mit dem gewohnten Drink in der Hand begrüsst wurden. In der Folge donnerten die QUIREBOYS Kracher auf Kracher in die Halle und boten dabei einen ausgewogenen Mix aus neuem und klassischem Chorknaben-Repertoire. Gassenhauer wie „7 O'Clock“, „Mona Lisa“ „This Is Rock'n'Roll“ oder „Hey You“ wechselten sich ab mit Songs der letzten beiden hervorragenden Alben „St.Cecilia…“ und „Twisted Love“ und wurden von einem lautstarken Fan-Chor bestens unterstützt.
Für Gänsehautmomente sorgte zudem „I Don't Love You Anymore“, eine der schönsten Rock'n'Roll-Balladen überhaupt. Die ganze Band war gut drauf an diesem Abend und genoss sichtlich die überschwänglichen Publikumsreaktionen. Wer echten, britischen Pubrock(‚n'Roll) mag, bekam hier von Spike und seinen Kollegen das echte, volle Programm – in diesem Genre sind die Quireboys die Chefs, das stellten sie einmal mehr höchst eindrücklich unter Beweis. Leider mussten Abstriche beim Sound gemacht werden. Zwar war alles druckvoll und satt, aber der Mix liess sehr zu wünschen übrig. Die Gitarren waren über weite Strecken nur zu ahnen, die Solos gingen ebenfalls komplett unter (was gerade bei dieser Band überaus schade war), dafür hämmerte das Piano alles nieder. Immerhin kam Frontmann Spike's heisere Stimme gut durch die Boxen.
LIVE REVIEWS
CLUTCH, VALIENT THORR, LIONIZE 6.12.2016
Pratteln, Z7
Fotos: Dani Strub
ip. Einen zeitlichen Strich durch die Rechnung machten am Nikolausabend berufliche Aktivitäten und damit fiel die erste Band Lionize leider durchs Raster. Dafür konnten Valient Thorr ordentlich durchstarten und hinterliessen einen bemerkenswerten Eindruck. Wer gedacht hat, dass Clutch live schon ziemlich eigen sind (was ja unbestritten zutrifft), der hat Valient Thorr noch nie gesehen. Musikalisch bewegen sich die beiden Bands auf jeden Fall im selben Stadtviertel und haben daher auch eine schon länger währende gemeinsame Tourgeschichte, performancetechnisch ist der North Carolina Fünfer allerdings noch mal eine andere Liga. Sänger Valient Himself führt seine schräge Truppe in vollbärtiger Wikingeroptik, ohne Shirt, aber dafür mit knallroten Boxerschuhen an und nutzt die Pausen zwischen den Songs, um äusserst unterhaltsam über Gott und die Welt zu referieren. Der Rest der Band legt dem Sänger dafür einen dicken Teppich aus und präsentiert offensichtliche Spielfreude und amtliches Können. Kann man sich gerne öfter anschauen! Der Prediger mit den roten Schuhen und seine Jünger hinterlassen insofern eine eingetanzte Bühne und als die Lichter ausgehen, um die Ankunft von Clutch anzukündigen, geht kribbelige Vorfreude durch das gesamte Publikum. Das Intro führt zum Opener „Cyborg Bette“ („Earth Rocker“, 2013) und bereits beim ersten Refrain gibt es kein Halten mehr in den ersten Reihen. Das Z7 ist ordentlich besucht und mit dieser ersten grösseren Liveproduktion von Clutch die erste Wahl, was die Location angeht. Im Vorprogramm von Volbeat vor fünf Jahren im Joggeli stand das Quartett aus Maryland, trotz Bestehens seit 1991, noch einigermassen verloren auf der riesigen Bühne, das hat sich aber eindeutig geändert. Tim Sult und Dan Maines, Gitarrist und Bassist, stehen zwar immer noch relativ statisch auf ihrem Platz, haben sich aber zusammen mit Sänger Neil Fallon über die letzten Jahre einen wesentlich
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präsenteren Bühnenauftritt angeeignet. Obersympathisch dabei ist Drummer Jean-Paul Gaster, der übrigens beste Drummer der Welt, der ohne lästiges Podest auskommt und auf einem Minimalkit mit seinem fantastischen Groove und Swing den Herzschlag der Band ausmacht. Die Setlist ist ein Freudenfest durch die komplette Bandgeschichte. Man darf dazu sagen, dass es bei Clutch eigentlich eh egal ist, was sie spielen, denn da ist alles Qualität. Es ist eher so, dass man vielleicht den einen oder anderen Song wie „A Shogun Named Marcus“ oder „The Mob Goes Wild“ vermisst, dafür aber dann mit Granaten wie „Cypress Grove“ (Blast Tyrant, 2004), „Burning Beard“ und „Gravel Road“ (Robot Hive/Exodus, 2005), „Passive Restraints“ (EP, 1992) oder dem schleppenden „The House That Peterbilt“ (Clutch, 1995) mehr als entschädigt wird. Das letzte Album „Psychic Warfare“ wird mit den grossartigen „Decapitation Blues“, „A Quick Death In Texas“, „Firebirds!“ und „X-Ray Visions“ beworben und dazwischen passen „Soapmakers“ und „The Yeti“ vom fabelhaften 1998er Album „Elephant Riders“. Zu „Earth Rocker“ grölt das komplette Publikum „Uuuaaahahahaa!“ mit und als das markante Gitarrenlick von „Electric Worry“ (From Beale Streat To Oblivion, 2007) als erste Zugabe durch die PA klingt, werden einige Augen im Publikum feucht. „The Wolfman Kindly Requests...“ (Earth Rocker, 2013) das Publikum zu guter Letzt höflich zum Aufbruch nach Hause. Clutch haben Charakter. Den haben auch ihre Fans, denn an diesem grandiosen Abend war vom bärtigen Hipster über den Altrocker und den Metalfan wirklich alles vertreten, was in irgendeiner Weise Rockmusik hört. In der Musik der vier Kumpels, die seit der Gründung vor über 25 Jahren in der selben Besetzung spielen, steckt alles, was man an Musik nur lieben kann: Groove, Melodie, Virtuosität, swingenden Rhythmus, Dynamik, die behagliche Sicherheit des 70ies Bluesrock, die perfekte Portion Härte und ein bisschen Schalk im Nacken. Eigentlich müssten Clutch jedes Jahr hier spielen. Bitte Petition einreichen.
LIVE REVIEWS mv. Gleich drei Bands waren auf dieser „Europe Under Attack Tour 2016“ zusammen mit Headliner Destruction unterwegs, um den Thrash Metal-Maniacs die Vollbedienung zu bieten. Im Z7 in Pratteln ist der Start der Tour und alle sind noch leicht nervös, was aber völlig unbegründet ist. Leider ist die Halle nicht annähernd voll, aber diejenigen, die den Weg nach Pratteln auf sich nahmen bekamen vier top motivierte, starke Bands geboten. Den Beginn machten die brasilianischen Thrash Metal-Damen von Nervosa. Die drei Mädels machten von Anfang an volle Power und so manch ein Besucher war sicher überrascht ab der unbändigen Energie und Brachialität des Trios. Der Sound passte auf jeden Fall super zum Headliner Destruction und ist definitiv auch von alten Sepultura und Kreator beeinflusst. Ein toller Auftakt. Nach kurzer Pause folgten die Schweden Enforcer, welche eigentlich gar nicht ins Billing passten, da sie mit ihrem traditionellen Heavy Metal weit entfernt sind vom Thrash/SpeedMetal der anderen Bands. Und trotzdem funktionierte es an diesem Abend sehr gut, was wohl sicher auch daran lag, dass die Jungs um Bühnenfrontsau Olof Wikstand eine absolut energiegeladene Performance boten und mit viel Spielfreude und Authentizität überzeugten. Wer zudem Hymnen wie “Mesmerized By Fire”, “Take Me Out Of This Nightmare” und “Midnight Vice“ im Repertoire hat kann gar nicht verlieren. Als dritte Band kam für viele der heimliche Headliner auf die Bühne: Flotsam And Jetsam. Schliesslich ist die Band aus Arizona live seit jeher unschlagbar stark und hat dazu haufenweise Klassikersongs in der Hinterhand, mit welchen sie auf Festivals wie dem Keep It True jeweils als Headliner alles niedermachen. Heute als Support gab es eine tolle Mischung aus Songs vom aktuellen, selbstbetitelten Album und alten Dampfhämmern. Dabei zeigte sich nochmal, dass die neuen Songs wirklich grosse Klasse haben und live absolut neben den Klassikern bestehen können. Es war zwar etwas schade, dass die Iron Maiden-Huldigung „Iron Maiden“ nicht gespielt wurde, dafür wurden die Fans mit Speed Metal-Granaten wie „Dreams Of Death“ (göttlich), „Hammerhead“ (DIE Abrissbirne des Abends, besser geht’s nicht in diesem Bereich), „Desecrator“ (endlich wieder ausgebuddelt) und dem unsterblichen „No Place For
Disgrace“ belohnt. Frontmann Eric A.K. schafft es im Gegenzug zu vielen Kollegen seines Alters zum Glück immer noch, die hohen Parts gut zu meistern und somit den edlen Stücken nicht den Glanz zu nehmen. Die ganze Band war sensationell gut und es war fast eine Schande, konnte die Band nicht länger spielen. Da Destruction einen völlig anderen Stil fahren und natürlich ebenfalls eine saustarke Live Band sind, war die Enttäuschung über den kurzen Flotsam-Set nur von kurzer Dauer. Schmier und seine Mannen machten heute Abend nämlich keinen Gefangenen und bolzten einen Thrash Metal-Hammer nach dem anderen ins Publikum. Dabei machte von den neuen Stücken vor allem das eingängige „Under Attack“ eine sehr gute Figur. Aber am meisten ging die Post natürlich bei Old School-Sachen wie „Curse The Gods“, „Mad Butcher“, „Live Without Sense“ oder dem kultigen „Total Desaster“ ab. Da wurde auch der geforderte Moshpit schnell umgesetzt. Mike war zwar auf der Bühne der ruhende Pol, spielte dafür die krassen Soli und all die Riffs mit einer herrlichen Leichtigkeit. Nach dem gnadenlosen „Bestial Invasion“ gab‘s überall nur zufriedene Gesichter und schmerzende Nackenmuskulaturen auszumachen...
DESTRUCTION, FLOTSAM & JETSAM, ENFORCER, NERVOSA Fotos: Michael Vaucher
15.9.2016 Pratteln, Z7
KONZERTKALENDER
präsentiert
SKUNK ANANSIE 16.2. Zürich, Samsung Hall
JOHN MAYALL 25.2. Zürich, Volkshaus
BLACKBERRY SMOKE 10.3. Zürich, Dynamo
BETONTOD 25.3. Zürich, Volkshaus
A DAY TO REMEMBER
DARK FUNERAL
HECHT
8.2. Zürich, Volkshaus
14.4. Solothurn, Kofmehl
11.3. Solothurn, Kofmehl
AEROSMITH
DAVE HAUSE & THE MERMAID
HENDRIX COUSINS
5.7. Zürich, Hallenstadion
8.3. Zürich, Dynamo
5.1. Luzern, Schüür
ALVARO SOLER
DEEZ NUTS
8.1. Hunziken, Mühle
7.3. Solothurn, Kofmehl
9.2. Zürich, Dynamo
HEISSKALT
AMBERIAN DAWN
DEFTONES
25.2. Zürich, Dynamo
14.2. Pratteln, Z7
20.4. Zürich, Halle 622
HOWLONG WOLF
AMON AMARTH
DESTRUCTION
11.2. Zug, Galvanik
27.3. Pratteln, Z7
6.2. Solothurn, Kofmehl
INA MÜLLER
AMY MACDONALD
DEVIN TOWNSEND PROJECT
24.3. Zürich, Hallenstadion Club
17.3. Zürich, Samsung Hall
8.2. Pratteln, Z7
IN FLAMES
ANTHRAX
DIE FANTASTISCHEN VIER
31.3. Zürich, Theater 11
15.3. Zürich, Komplex 457
18.1. Zürich, Hallenstadion
IRA MAY
APOCALYPTICA
DREAM THEATER
22.4. Zug, Galvanik
6.2. Zürich, Volkshaus
3.2. Zürich, Samsung Hall
JENNIFER ROSTOCK
BAD MOJOS
EARL THOMAS
28.1. Pratteln, Z7
26.1. Bern, ISC
27.1. Hunziken, Mühle
KENSINGTON
BARCLAY JAMES HARVEST
EDOARDO BENNATO
22.2. Zürich, Dynamo
23.4. Solothurn, Kofmehl
14.3. Zürich, Kaufleuten
KREATOR, SEPULTURA
BEN POOLE
ELUVEITIE & FRIENDS
19.2. Pratteln, Z7
25.2. Pratteln, Z7
6.+7.1. Pratteln, Z7
KROKUS, GOTTHARD, SHAKRA
BEARDYMAN
ESBEN & THE WITCH
3.3. Bern, Bernexpo Halle
3.2. Solothurn, Kofmehl
15.2. Zürich, Bogen F
4.3. Zürich, Samsung Halle
BLACK STONE CHERRY
FEUERENGEL
12.3. Lausanne, Metropole
24.1. Pratteln, Z7
10.2. Pratteln, Z7
LO & LEDUC
BLISS
FEWS
28.4. Solothurn, Kofmehl
1.4. Solothurn, Kofmehl
18.2. Zürich, Bogen F
LOVEBUGS
BONOBO
FREEDOM CALL
17.2. St.Gallen, Kugl
12.3. Zürich, Volkshaus
11.2. Pratteln, Z7
18.2. Rubigen, Mühle
BROILERS
FRONTM3N
10.3. Solothurn, Kofmehl
23.2. Zürich, Volkshaus
28.1. Hunziken, Mühle
18.3. Grüsch-Danusa, Fuchstival
24.2. Solothurn, Kofmehl
GEORGE
24.3. Zürich, Plaza
25.2. Bern, Bierhübeli
12.1. Lyss, KUFA
25.3. Luzern, Schüür
BURY TOMORROW
GIANNA NANNINI
LUCKY CHOPS
11.4. Zürich, Dynamo
27.3. Zürich, Kongresshaus
31.1. Luzern, KKL
CAGE THE ELEPHANT
28.3. Luzern, KKL
1.2. Herisau, Casino
30.1. Zürich, Dynamo
GOJIRA
2.2. Bern, Bierhübeli
CANDY DULFER
27.3. Zürich, Xtra
LUKAS GRAHAM
30.3. Solothurn, Kofmehl
GRAND MOTHER'S FUNK
7.4. Zürich, Samsung Hall
CHELSEA GRIN
20.1. Hunziken, Mühle
MACY GRAY
16.2. Solothurn, Kofmehl
GRAVEDIGGER
15.3. Zürich, Kaufleuten
CHILDREN OF BODOM
27.1. Pratteln, Z7
MALKY
20.3. Zürich, Komplex 457
GREEN DAY
22.1. Hunziken, Mühle
CLUESO
16.1. Zürich, Hallenstadion
MARLA GLEN
12.2. Zürich, Kaufleuten
GREGOR MEYLE
14.1. Hunziken, Mühle
CONOR OBERST
12.1. Zürich, Volkshaus
MAX GIESINGER
20.1. Zürich, Kaufleuten
HAMMERFALL
17.2. Zürich, Papiersaal
CYANIDE PILLS
21.+22.1. Pratteln, Z7
12.3. Solothurn, Kofmehl
HANERY AMMAN 7.1. Hunziken, Mühle
KONZERTKALENDER MIGHTY OAKS
SPENCER DAVIS GROUP
20.4. Zürich, Kaufleuten
30.3. Pratteln, Z7
MONSTER TRUCK
STEVE HACKETT
5.4. Luzern, Schüür
27.3. Solothurn, Kofmehl
NEAL MORSE BAND
STEVE STEVENS
24.3. Pratteln, Z7
14.4. Zürich, Plaza
NEW MODEL ARMY
SUM 41
8.3. Pratteln, Z7
3.2. Zürich, Komplex 457
NASHVILLE PUSSY
TEDESCHI TRUCKS BAND
12.1. Zug, Galvanik
18.3. Zürich, Kongresshaus
PALKO MUSKI
TIGER ARMY
Zug, Galvanik
14.3. Zürich, Dynamo
PARKWAY DRIVE
THE BEAUTY OF GEMINA
3.4. Zürich, Samsung Hall
17.3. Zug, Galvanik
PIPPO POLINA
23.3. Pratteln, Z8
13.1. Zürich, Volkshaus
24.3. Solothurn, Kofmehl
16.3. Schaffhausen, Kammgarn
THE DANDY WARHOLS
17.3. Bern, Kultur-Casino
19.2. Luzern, Schüür
18.3. St.Gallen, Tonhalle
THE DELTA SAINTS
PLANTS & ANIMALS
17.3. Lyss, KUFA
13.2. Zürich, Bogen F
THE FLAMING LIPS
PRETTY MAIDS
31.1. Zürich, Volkshaus
21.2. Zürich, Dynamo
THE PRETTY RECKLESS
RAG'N'BONE MAN
4.2. Zürich, Dynamo
29.3. Zürich, Halle 622
THE SOULS
RANTANPLAN
4.2. Solothurn, Kofmehl
24.3. Zug, Galvanik
16.2. Lyss, KUFA
RITSCHI
TIM & PUMA MIMI
14.4. Luzern, Schüür
27.1. Zürich, Bogen F
20.4. Solothurn, Kofmehl
TOKYO HOTEL
21.4. Seewen, Gaswerk
27.3. Zürich, Volkshaus
22.4. Wetzikon, Scala
TRIVIUM
27.4. Hasliberg, Hotel Wetterhorn
10.3. Pratteln, Z7
28.4. Pratteln, Z7
TWO DOOR CINEMA CLUB
29.4. Rubigen, Mühle
20.2. Züriche, Halle 622
RIVAL SONS
TYKETTO
13.2. Zürich, Volkshaus
12.1. Pratteln, Z7
ROYAL REPUBLIC
UNDERSKIN
27.2. Pratteln, Z7
24.2. Zürich, Mascotte
SABATON, ACCEPT
URIAH HEEP
3.2. Basel, St. Jakob Halle
13.2. Luzern, Schüür
SAINT MOTEL
VALE TUDO
20.2. Zürich, Mascotte
20.1. Solothurn, Kofmehl
SILENT CIRCUS
VOLBEAT
17.2. Zug, Galvanik
30.8. Thun, Stockhorn Arena
SIMPLE MINDS
WALLIS BIRD
19.4. Luzern, KKL
21.2. Luzern, Schüür
SONATA ARCTICA
WANDA
27.2. Zürich, Dynamo
10.3. Bern , Reithalle
28.2. Solothurn, Kofmehl
YOU ME AT SIX 15.3. Zürich, Dynamo
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Erika Moser (em) Inga Pulver (ip) Kelly Widmer (kw) H. Elias Fröhlich (hef) Christian Hug (hug) Michael Vaucher (mv) Mario Hug (mh) Robert Pally (rp) Laurent Giovanoli (lg) Björn Springorum (bs) Benjamin Fiege (bf) Christian Wollart (cw) Ian Keates (Foto) Marion Gross (Foto) Sonja Vaucher (Foto)
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