Tracks 4 17 (Juli / August)

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No. 4/2017 Juli/August 7. Jahrgang

Das einzige Schweizer Gratis-Magazin für musikalische Lebenskultur

mit g Sch rosse w Sze eizer m ne T eil

>POP >ROCK >METAL >INDIE/ALTERNATIVE >COUNTRY/AMERICANA >SWISS >BLUES

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ROGER WATERS PRISTINE KRAFTKLUB PORTUGAL THE MAN ANATHEMA EDGUY MR. BIG RAGE ITCHY NEO NOIRE BURNING WITCHES SUMMER BREEZE BANG YOUR HEAD HEITERE MAGIC NIGHT ROCK ON FESTIVAL

>WORLD



Inhalt FEATURES / INTERVIEWS: - ROGER WATERS

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Neue Lebenszeichen

- PORTUGAL.THE MAN

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Woodstock heute

- ANATHEMA

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Melancholisches Manifest aus Liverpool

CELLAR DARLING

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Mit grossartigen Kritiken wird das Bandprojekt der ex-Eluveitie Musiker Anna Murphy, Merlin Sutter und Ivo Henzi bedacht. Jetzt ist das erste Album der Schweizer «Kellerkinder» am Start und verspricht CELLAR DARLING glänzende Zukunftsaussichten. TRACKS sprach mit Anna Murphy.

- BANG YOUR HEAD

26

Alle Jahre wieder Maximum Rock

- EDGUY

30

Silberne Hochzeit

- MR. BIG

36

Zeitgemässe Neudefinition

- RAGE

40

Neuer Glanzpunkt

- SUMMER BREEZE PRISTINE

32

Süddeutschlands Wacken

10

Norwegens Blues-Rock-Szene ist ebenso erlesen wie international nahezu unbefleckt. Pristine könnten das ändern – mit ihrem starken vierten Album „Ninja“ und einer quirligen Frontsängerin, die den Soul von Aretha Franklin mit der rohen Energie von Janis Joplin vereint.

- ITCHY

48

Poopzkid war gestern

Schweizer Szene: - HEITERE OPEN AIR

28

Magische Nächte

- ROCK ON FESTIVAL

42

Gossau rockt

- NEO NOIR

50

Basels neue Supergroup

KRAFTKLUB

16

Die Maschine rollt wieder, die Spannung steigt: KRAFTKLUB sind zurück. So laut, so frech, so eigensinnig wie eh und je. Aber eben auch ein Stückchen reifer, abwechslungsreicher und kritischer als zuletzt. Der Name des dritten Albums: „Keine Nacht für niemand“. Die Prognose: Das wird ein heißer Sommer.

Reviews 6 Mainstream/Indie/Alternative Gov't Mule, Söhne Mannheims, Sheryl Crow, Duane Allman, Kasabian, John Mayer, Gorillaz, John Mellencamp, Ray Davis, Procol Harum Radiohead, Michael Monroe...

38

Swiss Mia Aegerter, Dirty Sound Magnet, Universe By Ears, Hathors...

54

Debüt der Metal-Girls

LIVE REVIEWS - EMERALD

57

59

Buch Paul McCartney

52

DVD/BlueRay Rammstein, Rolling Stones, George Thorogood & The Destroyers

Hard/Heavy/Metal Crazy Lixx, Danzig, Night Flight Orchestra, Prong, Warrant, Wintersun...

56

- BURNING WITCHES

60

Konzertkalender

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Wettbewerb / Impressum

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Der sehr sozialkritische und bissige Sänger und Bassist Roger Waters, eine der schillerndsten Figuren des Rock-Business überhaupt, hat mit "Is This The Life We Really Want?" sein insgesamt viertes und erstes Soloalbum seit 1992 ("Amused to Death") veröffentlicht. lg. Abgesehen von vielen Live-Alben und grossen Tourneen, welche vornehmlich das Erbe der von Roger Waters zu Studentenzeiten Mitte der 60er Jahre mitgegründeten Pink Floyd verwalteten, war es um Roger Waters als kreativer Musiker und Solokünstler in den letzten Jahren ruhig – seit 1992 kamen bis zu diesem Jahr bloss zwei Songs, welche den Irakkrieg zum Thema hatten, heraus ("To Kill The Child", "Leaving Beirut" im Jahre 2004). Waters, der insbesondere nach dem frühen Ausstieg des Bandkopfes Syd Barrett 1968 zunächst das textliche, dann auch nach den grossen Erfolgen von "The Dark Side Of The Moon" (1973) und dem Barrett gewidmeten "Wish You Were Here" (1975) zunehmend auch das musikalische Zepter bei Pink Floyd übernahm, konnte insbesondere mit "Animals" (1977), dem grandiosen Konzeptalbum "The Wall" (1979) oder das von ihm im Alleingang komponierte "The Final Cut" und sich mit dem Tod seines Vaters im zweiten Weltkrieg auseinandersetzende "The Final Cut" (1983) bleibende Marken setzen. Vor allem "The Wall" ist nicht bloss ein exquisites Doppelalbum, sondern wurde mit dem gleichnamigen Film aus dem Jahre 1982 mit Bob Geldof als Pink in der Hauptrolle zum Sinnbild einer ganzen Generation mit dem Motiv der Mauer als Symbol von Vereinsamung, Abkapselung und Eingesperrtsein. 1985 stieg Waters nach grösseren Spannungen zwischen ihm und David Gilmour – seinem kreativen Gegenpol – bei Pink Floyd aus und unterlag im anschliessenden Streit vor Gericht um den Bandnamen. Vereinbart wurde dabei auch, dass Pink Floyd nach Waters Ausstieg nie und mit Ausnahme von "Comfortably Numb" und "Run Like Hell" (da beide von Gilmour geschrieben) mehr als drei Songs von "The Wall" pro Show aufführen dürfen. So konnte sich Waters auf "The Wall" konzentrieren, welches nach dem Mauerfall zum Symbol eines die Weltgeschichte prägenden Ereignisses wurde und 1990 in Berlin eine bis heute kaum erreichte und gigantische Aufführung mit zahlreichen Gastmusikern erfuhr. Die verbliebenen Pink Floyd um David Gilmour waren mit den beiden Alben "A Momentary Lapse Of Reason" (1987) sowie "Division Bell" unglaublich erfolgreich und füllten die Arenen dieser Welt bis auf den letzten Platz. 2010 und 2011 fand eine grosse und 115 Konzerte umfassende Hallen- und Stadion-Tour von Waters statt, während welcher er jeden Abend die Mauer zum Einsturz brachte und den nach wie vor abertausenden Fans von "The Wall" magische Momente bescherte. Auf dieser Tour standen auch die beiden anderen verbliebenen Pink Floyd-Mitglieder David Gilmour und Nick Mason an einem Abend in der O2 Arena in London für jeweils einen Song mit Waters auf der Bühne. Eine richtige Pink Floyd-Reunion hat nie stattgefunden und wird wohl leider – sofern man den Statements der Musiker glaubt – auch nie geschehen. Roger Waters hat entsprechende Angebote und Einladung für blosse Einzelshows – abgesehen von Benefizanlässen – stets ausgeschlagen. In den Jahren zuvor (2006/2007) war das mit über 40 Millionen Einheiten eines der meistverkauften Alben der Musikgeschichte, "The Dark Side Of The Moon", Zentrum der Shows von Roger Waters. Doch wer ist Roger Waters? Roger Waters ist nicht bloss das ehemalige Pink Floyd-Mitglied, das lange

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Zeit etwas vergrämt und angesichts des weiteren Weges von Pink Floyd ohne ihn etwas angesäuert schien. Er ist auch nicht bloss ein bissiger Kritiker und eine, die heutige Zeit negativ wahrnehmende Person. Er beschäftigt sich mit zahlreichen Themen, wie die Macht globaler Konzerne, kritisiert als Palästina-Sympathisant stark Israel und dessen Politik und verwendet bei Konzerten in den letzten Jahren entsprechende Symbolik: Seit 2010 ist ein fliegender Ballon mit Form eines Schweines im Einsatz (dem Schwein von „Animals“m an welchem Waters die Rechte hält), auf welchen sich Kreuze, Davidsterne, Mondsicheln mit Stern, Hammer und Sichel sowie die Logos von Shell, McDonald's und Mercedes befinden. Roger Waters möchte laut eigenen Angaben hiermit das „das Böse, insbesondere das Böse von willkürlicher Herrschaft“ demonstrieren. Das sehr gelungene VorgängerAlbum „Amused To Death“ hatte die Macht des Fernsehens im ersten Golfkrieg zum Gegenstand sowie beinhaltete Themen wie die Niederschlagung der Demokratiebewegung in China, während "Is This The Life We Really Want?" von der Thematik nun wesentlich vielschichtiger ist und sich mit den ebenso zahlreichen und komplexen Problemstellungen der heutigen Gesellschaft befasst. Unglaublich ist, wenn man sich vor Augen hält, dass der nun 73-jährige Waters sein letztes Album mit 48 Jahren veröffentlicht hat. Und zum Glück sind seine Gesellschaftskritik, seine Stimme und seine kompositorische Genialität geblieben. Roger Waters hat Ende Mai dieses Jahres unter dem Banner "Us And Them" (nach dem gleichnamigen Song auf "The Dark Side Of The Moon") seine 44 Daten umfassende Nordamerika-Tour lanciert, auf welcher er neben neuen Songs auch die Hits der von ihm massgeblich geprägten Floyd-Alben zum Besten gibt. Es bleibt zu hoffen, dass diese Tour später in diesem Jahr oder im 2018 in Europa ebenfalls stattfinden wird. Das ist anzunehmen, denn Roger Waters war mit einem Einkommen von 88 Millionen US Dollar im Jahre 2012 zweitbester bezahlter Musiker hinter Dr. Dre, der damals mit seinen Kopfhörern durchstartete. So könnte er sich wiederum die Kassen füllen, was etwas im Widerspruch zu den von Waters textlich verarbeiteten Themen steht. Immerhin engagiert sich Waters in verschiedenen gesellschaftsrelevanten Bereichen (Palästina, extreme Armut, Malaria, Kriegsveteranen), was dies in einem etwas besseren Lichte erscheinen lässt. Hält man sich aber vor Augen, dass sowohl Waters wie auch David Gilmour, der letztes Jahr das gute Album "Rattle That Lock" unter die Fans gebracht hat, nach wie vor aktiv neue Musik veröffentlichen und auch live aufführen, wäre in der Tat eine Pink Floyd-Reunion zusammen mit Originaldrummer und Autonarr Nick Mason, wohl die sehenswerteste und grossartigste Wiederauferstehung eines RockGiganten überhaupt. Richard Wright, der Keyboarder, ist leider vor einigen Jahren an Krebs verstorben. Man darf ja auch schliesslich – wie viele andere Pink Floyd Fans träumen. Denn nicht mehr so viele Generationen dürften Pink Floyd mit Waters und Gilmour zusammen auf der Bühne live erlebt haben.


ROGER WATERS

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REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative RAY DAVIES Americana Sony Music

ROGER WATERS Is This The Life We Really Want? Sony Music lg. Es erregt schon Aufsehen, wenn ein solch renommierter und für seine Zeit visionärer Musiker und Künstler wie Roger Waters, der für viele Jahre bis zum Split 1985 die britischen progressive Rock Urväter Pink Floyd geprägt hat, nach 25 Jahren Wartezeit ein neues Album veröffentlicht. Musikalisch fühlt man sich allerdings noch ein paar Jahre weiter zurückkatapultiert, denn Waters orientiert sich bei auf den von ihm alleine komponierten elf Songs plus Intro an den Pink Floyd-Alben "Animals" (1977) und "The Wall" (1979). Insbesondere die Schwermut von „The Wall“ zieht sich mit zunehmender Spieldauer wie ein roter Faden durch das Konzeptalbum "Is This The Life We Really Want?", welches sich mit den unsicheren Zeiten, in denen wir leben, auseinandersetzt. Der dritte, sehr getragene Song „The Last Refugee“ oder das mit einem schnelleren Teil aufwartende „Picture That“ hätten glatt auf Pink Floyd-Alben, wie dem damaligen Roger Waters-Alleingang „The Final Cut“ (1983) stehen können. Weitere Highlights sind die vorab ausgekoppelten „Deja-Vu“ sowie „Smell The Roses“ (eine Hommage an „Animals“). Allerdings findet sich auf "Is This The Life We Really Want?" nichts Neues, doch es ist sichtlich umwerfend zu hören, dass Roger Waters immer noch seiner Überzeugung folgend weitermacht und auch im Jahre 2017 in der Lage ist, ein sehr gutes und tiefgründiges Album auf die Beine zu stellen, welches nichts mit der Schnelllebigkeit vieler Dinge in der heutigen Gesellschaft zu tun hat. Produziert und gemischt wurden die neuen Songs, die allesamt von Roger Waters stammen, von Nigel Godrich (Radiohead, Paul McCartney, Beck, U2) An den Aufnahmen waren folgenden Musiker beteiligt: Roger Waters (Gesang, Akustikgitarre, Bass), Nigel Godrich (Arrangement, Soundcollagen, Keyboards, Gitarren), Gus Seyffert (Bass, Gitarren, Keyboards), Jonathan Wilson (Gitarren, Keyboards), Joey Waronker (Drums), Roger Manning (Keyboards), Lee Pardini (Keyboards) und Lucius (Gesang). Mit dem kritischen und monumentalen "Is This The Life We Really Want?" haben wir es mit einem sehr beeindruckenden Album zu tun!

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hef. Ein ganz Grosser meldet sich zurück. Ray Davies war das Mastermind der britischen SixtiesHeroen The Kinks, für deren Mega-Hits 10 Finger nicht reichen. Noch heute bringen mich Klassiker wie "Lola", "Sunny Afternoon" oder "Days" in coole, relaxte Stimmung. Cool ist der inzwischen 72-jährige gebürtige Londoner noch immer. Seine songlichen Portraits über America suchen musikalisch und textlich ihresgleichen. Die 15 Songs zwischen ohrwurmigem Pop und melodiösem Americana mit den typischen hintergründigen Davies-Texten, geschrieben natürlich von Raymond Douglas Davies himself, passen zu seiner vor drei Jahren erschienenen Autobiografie "Americana – The Kinks, The Riff, The Road: The Story". Es ist die erste neue CD des Genies seit "Working Man's Café" von 2008. Begleitet wird Davies von der hochgelobten US-Alternativ-Country-Truppe The Jayhawks, deren CDs einen Ehrenplatz in meiner Sammlung haben. Aufgenommen wurde in den Davies-eigenen Londoner Konk-Studios. Herausragend die zwei Duette mit Sängerin Karen Grotberg von den Jayhawks, "Message From The Road" und "A Place In The Heart". Und "The Great Highway", ein rhythmischer Titel mit ohrwurmigen Hey-Hey-Einschüben und einer Hommage an die US-Highways, aufgepeppt im Mittelteil mit einer riesigen Portion Gefühl, bevor es wieder mächtig abgeht. Ein Stadionsong à la "Lola", der zum Mitgrölen anregt. Gelernt ist gelernt, und gekonnt ist gekonnt. Dazu eine Stimme, die pure Nostalgie auslöst.

PROCOL HARUM Novum Universal Music hef. "Fern von hier und jetzt", heisst es, sei die Übersetzun g für den dem Lateinischen entnommenen Namen dieser britischen Kultband der 1960er Jahre. Wie auch immer: Wichtig ist, dass diese Klassik-Rock-Truppe um Mastermind Gary Brooker noch immer existiert, auch wenn das letzte Studio-Album vor 14

Jahren erschien. Ok, das erste Hören hat mich nicht umgehauen. Klar, die Stimme von Sänger, Pianist und Komponist Gary Brooker, strahlt noch immer diese Magie aus wie einst. Und die Molltöne dominieren zum Glück noch immer viele der elf neuen Songs. Doch ehrlich gesagt: Ich habe mehr erwartet. Schnee von gestern! Schon ist sie wieder da, diese Sucht auf diese wunderbaren Klänge aus Pop und moderatem Rock, TraumMelodien mit den typischen dominanten Pianoklängen, unterlegt vom Sound-Teppich der Hammond-Orgel, unter-dieHaut-Stimme und vor allem – Songs. Das Album läuft jetzt bereits zum fünften Mal in Folge. Und ich entdecke immer wieder Neues. Die grossartigen Klanggemälde aus Up-tempoTiteln und Balladen lassen mich kaum mehr los. Vor allem, wenn dann wieder diese dominierenden Pianoläufe Intro, Refrain und Zwischenteile so kongenial verbinden. Ach ja: Von der Originalbesetzung der Band ist ausser Gary Brooker (71), der übrigens seit den 1960erJahren mit einer Schweizerin aus der Romandie verheiratet ist, ist nicht einmal mehr der spleenige Texter Keith Reid dabei. Der genial-effiziente Melodie-Drummer B.J. Wilson starb 1990. Für den Text ist inzwischen ebenfalls eine Ikone zuständig: Dichter/Lyricist Pete Brown (mittlerweile 76), der in den 1960er-Jahren unter anderen die Cream-Klassiker "White Room", "I Feel Free" und "Sunshine Of Your Love" textete. Die vier neuen BandMitglieder heissen Geoff Whitehorn (Gitarre), Josh Phillips (Hammond), Matt Pegg (Bass) und Geoff Dunn (Drums). Tipp für ProcolDebütanten: Das Live-Album "In Concert With The Danish National Concert Orchestra & Choir" von 2006. Das zeigt die Verschmelzung von Pop, Pomp und Klassik perfekt. Gänsehaut!

SÖHNE MANNHEIMS MannHeim Musikvertrieb hef. Ihr sechstes Studioalbu m, sagen die Söhne Mannheims, zu denen nach 13


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS Jahren Abwesenheit auch wieder Sänger Rolf Stahlhofen mit seiner vertrauten Stimme gehört, "ist das Album, das wir eigentlich schon seit 20 Jahren machen wollten." Der vertraute Umgang miteinander und das Wissen um die Fähigkeiten der einzelnen Bandmitglieder habe es ihnen ermöglicht, sich nochmals neu zu erfinden. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass die meisten Söhne inzwischen Väter wurden, eine Erfahrung, die sie auch hat reifen lassen. Wie es der Albumtitel schon sagt, ist die Basis der Texte – bei jedem ist Xavier Naidoo mit von der Partie – das Gefühl, eine Heimat zu haben. Das heisst Mannheim, Familie, Freunde sowie eine gemeinsame Identität. Die grösste und älteste Boygroup Deutschlands, zum 20Jahr-Jubiläum mit 16 Leuten auf der Bühne unterwegs, kennt keine Berührungsängste, auch nicht zu heikelsten Themen. "Der deutsche Michel" etwa ist Tacheles. Da wird Vollgas gegen diejenigen gesungen, die das Gesicht Deutschlands verunstalten. "Gestresst von den Ämtern, erpresst von den Bankern, Ihr Seelenfresser, eine Warnung für Euch, wir wissen, dass ihr bisher nicht den Ernst erkennt", wird in eindringlichem Sprachgesang gerappt, um danach mit hineingeschrienen Slogans den Ernst der Gegenwart zu bekräftigen. Oder "Hört hier eigentlich jemand zu?" Ein Lied für die Menschen, die keine Beachtung mehr finden, die Verlierer der Gesellschaft. "Zuviel Betrug, zuwenig Liebe. Keiner hat mit nichts zu tun, klinisch sauber alles. Wo rennt ihr alle hin?" Wenn Xavier Naidoo solche Texte singt, dann glaubt man ihm. Die Söhne Mannheims schlagen sich eben immer wieder gerne auf die Seite der Loser, der Aussenseiter, der Armen. Die Themen heissen "Kinder", "Guten Morgen", die Traumballade "Frühling", "Glücklich sein", "Verzeihung" und zum Schluss "Nie mehr Krieg". "Wenn wir das nicht sagen dürfen, dann läuft doch etwas schief", heisst der erste Satz. Die insgesamt 16 Songs zwischen Balladen, Soul und Funk wurden produziert von Söhne-Gründungsmitglied Billy Davis zusammen mit Alex Christensen.

JOHN MELLENCAMP Sad Clowns And Hillbillies Universal Music hef. Als ich ihn Ende 1970er Jahre erstmals im Vorprogramm von ich-weiss-nicht-mehr-wem

im Zürcher Volkshaus sah, hiess er noch Johnny Cougar und war ein geiler Jungspund-Rock'n' Roller, der blendend aussah und die Girls mit seinen rockigen Klängen zum Kreischen brachte. Längst erwachsen und John Mellencamp, ist der inzwischen 65-Jährige vom Rock zum Country-Rock gewechselt. Ein Singer/Songwriter ist er immer geblieben, das zeigen auch diese 13 neuen Songs, fünf davon im Duett mit Johnny-CashStieftochter Carlene Carter performt, sowie ein Song von ihr solo geschrieben. Geblieben ist die Intensität seines Gesangs, der an seine grossen Zeiten und Songs wie "Hurts So Good" und "Jack & Diane" erinnert, die noch heute total einfahren. Mellencamp überzeugt mit seiner Stimme und Songs, die den erwähnten Knaller-Titeln in nichts nachstehen. Nur die akustische Country-Attitüde weichen von den Ur-Mustern Mellencamps ab. Die einzigartige Instrumentierung seiner Band und seine treffenden Songs über den Alltag des "Heartlands“ von Amerika machen Mellencamp zum Vorreiter des Americana-/NoDepression-Genres der vom Landleben beeinflussten Musik. Diesen friedlichen Feldzug setzt er fort als die Personifizierung des “Heartland Rock”: leidenschaftlich, geradeaus und als selbsternannter Rebell, so wie er es früher sein wollte. Neben seinen Tätigkeiten als Musiker und politischer Aktivist (gegen Trump...) macht sich Mellencamp zudem inzwischen auch als Maler einen Namen: seine Werke wurden veröffentlicht und u. a. im Tennessee State Museum in Nashville unter dem Titel „Nothing Like I Planned: The Art Of John Mellencamp“, und, erst kürzlich, im Butler Institute Of American Art - hier nun als „The Paintings Of John Mellencamp“, gezeigt. Diese Ausstellung war anschließend auch im Museum Of Art-DeLand in Florida sowie in der ACA Gallery in New York zu sehen.

JOHN MAYER The Search For Everything Sony Music hef. Es wirkt wie eine kleine Provokation, dass der begnadete Songschreiber, Sänger und

Kolumne Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie von Christian Hug

Neulich beim Sortieren Und er sagte noch: «Vieles von dem ist gar nicht mehr erhältlich.» Was meine Vorfreude natürlich ins fast Unermessliche steigerte. Die Sache war die: Ich hatte auf Ricardo auf eine «grosse CD-Sammlung» geboten, die der Anbieter «wegen Umzugs» nicht mehr wollte, und die Auktion gewonnen. Kistenweise plus zwei DJ-Koffer voll CDs, es war herrlich, und eben: «Vieles von dem ist gar nicht mehr erhältlich.» Und das alles für 1 Franken plus abholen. Als ich dann zu Hause mit dem Sichten und Sortieren begann, wandelte sich die Freude zusehends in schiere Verzweiflung – und dann wieder in Freude. Erstens: Dass vieles von dem tatsächlich nicht mehr erhältlich ist, wertete ich als wahren Segen für die Menschheit. Modern Talking war eine Plage für die Menschheit, Dead Or Alive mehr dead als alive, Maxx bestensfalls ein schlechter Scherz und so weiter und so fort, und dann immer wieder diese grauenhaften Tic Tac Toe. Es wimmelte von Samplern wie «Dance Now» und «Dance Later», «20 Hits», «30 Superhits» und «40 Megahits», «Ibiza Gold» und «Goa Silver» und all diese unerträgliche Scheisse. Ich meine: Wer um Himmels Willen kauft sich «Rock Christmas» Volume 8? Ich musste etwa 99 Prozent aller CDs entsorgen (übrigens fein säuberlich in CD, Hülle und Booklet sortiert und ins Recycling-Center gebracht). Aber irgendwann schoss mir der Gedanke durch den Kopf (jetzt kommt der freudige Teil): Mein Anbieter hat wenigstens Geld ausgegeben für Musik. Sehr viel Geld. Das ist ja heute massiv aus der Mode gekommen, seit es Internet gibt und alles auf Youtube gratis erhältlich ist. Da musste ich meinem Anbieter, so sehr sich mein Musikgeschmack von seinem unterscheidet, im Stillen ein grosses Lob aussprechen. Ein edler Mensch. Was mich dann zu einem weiteren Gedanken führte: Damals, als es noch kein Internet gab beziehungsweise das Internet nur von Wissenschaftlern und Militärs genutzt wurde, waren eben genau diese Sampler eine Art Youtube für Musikinteressierte: Man hatte alle Songs, die gerade aktuell waren, auf einem Silberling versammelt. War ja im Grunde auch keine schlechte Idee. Vielleicht ist das der Grund, warum Sampler bis heute irgendwo ihren festen Platz im Musikmarkt haben. Was mich wiederum zur nächsten Feststellung führte: Letztes Jahr blieb der Absatz von CDs zum ersten Mal konstant, und das nach Jahren der besorgniserregenden Talfahrt. Und allen Youtubern und Streamern und Downloadern und Modernisten zum Trotz: Der Anteil der CD beträgt rund 45 Prozent am Gesamtmarkt. Wer behauptet denn da, dass die CD tot sei? Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.

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REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative

KASABIAN For Crying Out Loud Sony Music hef. Bevor ich mich zur Musik äussere, möchte ich erst mal den Mastermind der Band zu Wort kommen lassen, Serge Pizzorno, der alle Songs komponierte und textete. Here we go: "Ich habe mir sechs Wochen Zeit gegeben, um ein Album wie in den guten alten Zeiten zu schreiben, und das hat mich sehr inspiriert. Ich achtete ganz besonders darauf, dass kein Gramm zu viel an den Liedern war. Schließlich sollten es klassische Songs werden ganz ohne Masslosigkeit und ohne Unnötiges, das nicht auf das Album gehört. Tamla MotownGründer Berry Gordy behauptete einst: Wenn man es nicht in den ersten vier Takten schafft, die Hörer zu fesseln, dann hat man verloren. Und mit dieser Old School-Einstellung habe ich mich ans Songwriting gemacht." Hat Serge sich daran gehalten? Wie fesseln seine 12 neuen Lieder? Nur staunen kann ich, mehr doch nicht! Da hat einer den Mund überhaupt nicht voll genommen, im Gegenteil noch eher untertrieben. Ich habe mir erstmal nacheinander, von einem Song zum nächsten, die ersten Takte gemäss Berry Gordys These angehört. Und tatsächlich: Da ist kein einziger Song darunter, bei dem diese These nicht zutrifft. Und jeder unterscheidet sich komplett vom anderen. Beim Hören der ganzen Scheibe wächst die Verblüffung je länger je mehr. Das sind wahre Pop-Perlen, Gitarrensongs mit wunderbaren VocalHarmonien, und süffige Melodien à discrétion. Mainstream, ok, solange es künstlerisch anspruchsvoll ist wie hier und die Takte und Rhythmen stetig abwechseln, prima! Vor drei Jahren überraschten Kasabian mit "48.13", einem eher elektronisch geprägten Album. Auf CD Nummer 6 dominieren nun aber wieder die Gitarren. "The Party Never Ends" heisst der siebte Titel. Es ist nach den bisherigen, perfekten Popsongs nicht etwa ein Party-Kracher, sondern eine ohrwurmige Ballade im relaxten Groove. Nach dem rhythmisch beschwingten "Are You Looking For Action?" folgt mit "All Through The Night" erneut ein Slowsong, eine Hammerballade mit beatlesken Harmonien im GeorgeHarrison-Style, was vor allem Molltöne bedeutet. "Sixteen Block" flirrt dann wieder mit elektronischen Teilchen durchs All, bevor mit "Bless This Acid House" ein Kracher der eher feinen Sorte folgt. "Put Your Life On It" zum Schluss dann wieder im monotonen Rhythmus mit Akustikgitarren und Mitsing-Qualität. Genau die richtigen Sounds, um, schon richtig angetörnt, das Album gleich wieder von vorne zu hören. Achtung, Suchtgefahr! "For Crying Out Loud" gibt es übrigens auch in einer DeluxeVersion mit einer zusätzlichen Bonus-Live-CD, aufgenommen "Live At King Power Stadium" in Leicester, dem Heimstadion des letztjährigen englischen Fussballmeisters. Heimspiel für Pizzorno & Co. Die 17 Titel zeigen, wie geil die Jungs auch abrocken können.

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Gitarrist ausgerechnet mit dem sperrigsten Titel das Album eröffnet. Der Up-tempoFunksong jedenfalls ist „Abfall“ gegenüber dem, was danach folgen wird. Und das sind Traumsongs im balladesken Groove mit Titeln wie "Helpless", "On The Blood", "Love On The Weekend" oder "Changing". Schmelz, schmelz, das trieft geradezu vor Sehnsucht, ohne eine Sekunde kitschig zu wirken. Die grossen Songschreiber scheinen eben auch verkappte Romantiker zu sein. Diese Melodien mit den wunderschönen Textzeilen verzaubern. Das ist in der Branche nicht unerkannt geblieben. Eric Clapton lud Mayer zu seinem 70. Geburtstag zum Jammen in den New Yorker Madison Square Garden ein, die Kulttruppe Grateful Dead begleitete er als Gitarrist vor zwei Jahren auf deren Abschiedstournee, und bei der Abdankungsfeier für den verstorbenen Prince zollte Mayer dem Genie aus Minneapolis inmitten anderer Weltstars Tribut. Mit über 20 Millionen verkaufter Tonträger und sieben Grammys gehört John Mayer zu den TopSellern der letzten Jahre. Er ist einer, der alle Stile beherrscht und in seine Lieder viel Gefühl einfliessen lässt. Mayer musiziert im Trio mit Schlagzeuger Steve Jordan und Fretless-Bassist Pino Palladino, lässt es mit light-funky Soul-Pop butterweich dahingleiten, gibt mit "Roll It On Home" eine Kostprobe astreinen melodiösöen Country-Sounds und lässt im letzten Titel, dem eingängigen und hymnischen "You're Gonna Live Forever in Me", einmal mehr seinem Innern freien Lauf, flirtet mit diesem Text, was das Zeug hält und erhebt damit anspruchsvollen Mainstream zu grosser Kunst. Vielseitiger geht kaum!

SHERYL CROW Be Myself Warner Music hef. Kurz und bündig: Die schöne Amerikanerin zeigt auch auf ihrem mitt-lerweile neunten Studio-Album die alte Klasse – nix verlernt. Warum allerdings "Halfway There" als erste Single vorausgeschickt wurde, ist mir ein Rätsel. Der Song ist nicht typtisch Sheryl, sondern eher ein bisschen sperrig wegen der teils etwas

schrägen Harmonien. Da fährt der erste der elf neuen Songs, "Alone In The Dark", total anders ein, nämlich nach dem Motto: wow, die alte Sheryl lebt, ihr bluesiger Unterton fasziniert wie einst bei Hits wie "All I Wanna Do (Is Have Some Fun)". Fun macht dieses Album in der Tat. Seit 1993 ist die Sängerin, Gitarristin, Bassistin, Pianistin und Songschreiberin aktiv. Schlagzeilen machte sie mit dem 007-Song "Tomorrow Never Dies", mit ihren Liaisions mit Stars wie etwa Eric Clapton sowie auch mit ihrer überstandenen Krebserkrankung. Die mittlerweile 55-Jährige hat mit Produzent und Songwriter Jeff Trott einen alten Mitstreiter zur Seite geholt, mit dem sie alle Songs schrieb. So auch den Titelsong, der das alte Feuer lodern lässt. Das sind einfach Grooves und Licks, die berühren und mit den Fingern schnippen lassen. Textlich mit Themen über Gesellschaft, Politik bis zu Beziehungsdramen. Aus dem baren Leben halt, aus dem sie mit ihrer eigenen Geschichte wirklich schöpfen kann.

MARY J. BLIGE Strength Of A Woman Universal Music hef. "You got to love yourself, before you love somebody else", auf Deutsch: "Liebe dich erstmal selbst, bevor du jemand anderen liebst." Mit diesem Statement aus dem wahren Leben zeigt die "US-Queen of Hip-Hop'n'Soul" ihren Anhängern gleich im ersten Song "Love Yourself", was sie selber beherzigt. Seit der Trennung von ihrem Ehemann Martin Isaacs letztes Jahr hat Mary J. Blige viel zu verarbeiten. Das macht die 46Jährige, die in ihrem Leben zahlreiche Höhen und Tiefen durchleben musste, in ihrem typischen Groove in 14 Songs. Gleichzeitig zelebriert MJB, die erfolgreichste weibliche R&BKünstlerin der letzten 25 Jahre und gleichzeitig Wegbereiterin von Namen wie Beyoncé, Alicia Keys, Rihanna und vielen anderen, ihr ViertelJahrhundert-Jubiläum. Dieses ist bestückt mit über 50 Millionen verkauften Alben, 25 Millionen Singles und 9 Grammys (bei 31 Nominierungen). "Strength Of A Woman", die Stärke einer Frau, ist auf


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS diesem Album Programm. Zum Beispiel "Thick Of It", frei übersetzt, ich habe von allem die Schnauz voll. "Dieses Lied ist dermassen persönlich, dass es fast schon wehtut, es zu veröffentlichen", sagt sie. Aber hier geht und muss sie durch, weil ihr das hilft. Ihre neuen Songs, "Love Yourself" mit Gaststar Kanye West, sind Balsam auf die Seelen der MJB-Fans. Andere Gäste sind u.a. Missy Elliott und Prince Charlez. Musikalisch nicht überzeugend sind die Balladen, von denen sich viele um die Trennung von ihrem Ehemann drehen.

GORILLAZ Humanz Warner Music hef. Das fünfte GorillazProjekt von Blur-Mastermind Damon Albarn basiert optisch erneut auf ComicFiguren. Erschaffen von Albarn zusammen mit Jamie Hewlett, sind Gorillaz die Musiker Sänger 2D, Bassist Murdoc Niccals, Gitarrist Noodle und Drummer Russel Hobbs. 26 Titel, aufgeteilt auf ein Doppelalbum, ist das im Guinness Buch der Rekorde als "Erfolgreichster virtueller Act" ausgezeichnete Musikkollektiv dank der vielen Beteiligten erneut ein ausgefallener Klangkörper zwischen den Stilen. Die ursprünglich geplanten AntiTrump-Passagen hat Albarn, der schon lange vor der Präsidentschaftswahl gegen The Donald agitierte, gestrichen. Er mochte dem umstrittenen US-Präsidenten nicht noch weitere Schlagzeilen gönnen. Dafür sorgen viele weltbekannte Namen, in "The Apprentice" zum Beispiel der Rag'n'Bone Man, für das gewisse Etwas. Aussergewöhnliche Spannung bieten die sieben Interludes, die zwischen 20 und 30 Sekunden lang und völlig verschieden sind. Die meisten stammen vom Meister selber, der sonst mehr den anderen Protagonisten das Zepter in die Hand gab, dazu weitere Gaststars, neben vielen anderen Grace Jones etwa, De La Soul und Mavis Staples. Langweilig wird es einem nie, weil die Sound-Unterschiede immer wieder den Groove aufbrechen, ob Hip-Hop, Elektronik, Funk, Rock und Soul. Für die grösste Überraschung freilich sorgt ein einstiger Albarn-Todfeind mit einer unerwarteten Performance. Oasis-Mastermind und Gitarrist Noel Gallagher singt Backing Vocals auf dem mehrstimmigen "We Got The Power". Fägt!

Pally’s kurz und knapp SAMEDAY RECORDS - Never Ending Aus dem Tonstudio Sameday Records, das die drei jungen Süddeutschen Daniele Cuviello, Severin Ebner und Patrick Huber vor gut fünf Jahren gründeten, ist die Popband gleichen Namens geworden. «Never Ending» ist ihr Debüt. Ihre erste Single «Demons» klingt trotz des eher schweren Themas (Ich muss mich vor meinen Dämonen verstecken) behutsam und entspannt. Ebenso der Rest von «Never Ending» ist gepflegter Folk angehauchter Pop, ohne Ecken aber mit viel Charme und feinen Gesangsharmonien. Das ist doch schon mal was. EMILY BARKER - Sweet Kind Of Blue Die gebürtige Australierin Emily Barker (bekannt durch ihren Titelsong für die BBC Krimiserie «Wallander») tanzt gerne auf vielen Hochzeiten. Mit Bands wie Emily Barker & The Red Clay Halo, The-Low-Country, dem Frauen-Trio Applewood Road oder Vena Portae widmete und widmet sie sich dem Folk, Country und auch Americana. Die seit 2002 in England lebend Barker, veröffentlicht aber auch Soloalben. Auf ihrem dritten Werk vereint sie verschiedene Stile. Neben Folk, JazzPop, Gospel, einer Spur Blues, Blue-Eyed-Soul gibt es auch dezent funkige Momente. Zur adäquaten Umsetzungen wurde «Sweet Kind Of Blue» in den Sam Phillips Recordings Studios in Memphis mit dort ansässigen Musikern eingespielt. Hört und merkt man. FIONN REGAN - The Meetings Of The Water Nach seinem letzten, vierten Werk «The Bunkhouse Vol. 1: Anchor Black Tattoo» (2012) hat sich Fionn Regan eine Auszeit genommen. Der Ire wollte sich musikalisch neu entdecken und vielleicht auch erfinden? Schlussendlich ist er auf «The Meetings Of The Water» doch wieder zum Indiefolk seiner Anfänge zurückgekehrt, jetzt aber grosszügiger instrumentiert, mit vereinzelten, dezenten elektronischen Einschüben und einer Hinwendungen zum Indiepop. Dies verleiht den elf Songs ein Plus an Atmosphäre und immer wieder poetische Momente. SOPHIE ZELMANI - My Song Das nunmehr zwölfte Werk der schwedischen Singer-Songwriterin Sophie Zelmani knüpft fast nahtlos an den behutsamen Vorgänger «Everywhere» (2014) an. «My Song» (Name eines Bootes aus 1930er Jahren) offeriert zehn behutsame Songs inspiriert vom Leben. Der Auftakt «Bless Me» entstand auf einer Taxifahrt in Chongqing, einer chinesischen Millionenstadt am Zusammenfluss von Jangtsekiang und Jialing. In «Dreams Are Better» bekennt sie, dass Mann und Frau sich zuweilen gerne in Träume flüchten, «No Victims» handelt von der Liebe und in «The Happy Woman Cries» resümiert sie, dass es manchmal Freude und Leid braucht. Sophie Zelmani hat diese ihre Lieder abwechslungsweise mit Piano oder folkigen Gitarren unterlegt. Da und dort rührt sie mit der grossen Kehle an (mit den Stockholm Session Strings), aber immer songdienlich. Bewegend, tief und intensiv. ÉLAN VITAL - Shadow Self Hätten Kraftwerk, die französischen Metal Urbain, Los Microwaves, Suicide und Space (ja, die mit «Magic Fly») Kinder, was alle ja wahrscheinlich haben, könnten sie klingen wie Élan Vital (französisch für etwa «lebendige Begeisterung»). Selbige stammen zwar aus Neuseeland und nicht aus Deutschland, Frankreich oder Amerika wie Los Microwaves. Trotzdem trägt das Trio um Sängerin und Keyboarderin Renee Barrance den Sound besagter Bands kompetent in die Moderne. Die Qualitäten von «Shadow Self» animieren den geneigten Hörer, sich (in dem Fall mich) auch deren Vorbilder wieder einmal anzuhören. DESTINATION LONELY - Death Of An Angel Klang das letzte Werk «No One Can Save Me» (2015) der französischen Destination Lonely wie das finale Statement eines Lebensmüden, so ist das Trio um Sänger Lo Spider mit «Death Of An Angel» immer noch gefährlich nahe am Abgrund. Vielleicht wirken lebensmüde Garagenpunk-Kracher oder schleppende Trash-FuzzBlues-Nummern wie «Straight From Hell», «Vanessa», «Only One Thing», «Waste My Time» oder der Titeltrack wie Antidepressiva? HOOPS - Routines Nach der selbstbetitelten 5-Track EP (2016) ist «Routines» das Debüt des USQuartettes um Sänger Drew Auscherman. Die zehn Tracks glänzen mit klaren und hellen Gitarrenläufen, die wohl auch Bands wie The Cure, den Bluebells, Orange Juice oder Lloyd Cole And The Commotions gut anstehen würden. Der charmant naive «dreamy» Indiepop von Hoops nimmt ebenso Mass an Prefab Sprout, Felt oder Galaxie 500. Klingt nicht unbedingt neu aber nicht ohne einen gewissen Charme.

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Rote Haare, blaue Seele Norwegens Blues-Rock-Szene ist ebenso erlesen wie international nahezu unbefleckt. Pristine könnten das ändern – mit ihrem starken vierten Album „Ninja“ und einer quirligen Frontsängerin, die den Soul von Aretha Franklin mit der rohen Energie von Janis Joplin vereint.

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REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative CHRIS STAPLETON From A Room - Vol.1 Mercury/Universal hh. Zwei Jahre nach dem massiven Erfolg mit seinem SoloAlbumDebüt «Traveller», mit dem er gleich Country-Music-Awards abräumte (bestes Album, bester Sänger, bester Newcomer), das für über 2 Millionen verkaufter Exemplare mit Doppelplatin ausgezeichnet wurde und sowohl die USCountry-Charts wie auch die regulären US-Charts toppte, kommt Chris Stapleton mit dem Nachfolger um die Ecke. Und um es schon mal vorwegzunehmen: «From A Room - Vol.1" ist und hat ganz große Klasse! Stapleton verfügt nicht nur über eine einzigartige, emotionsgeladene, tief unter die Haut gehende raue Stimme, sondern geht mit seinen Songs richtig ans Eingemachte. Die Tracks pendeln zwischen Country, Blues und Roots-Rock und haben nichts mit dem üblichen überproduzierten und totpolierten Nashville-PopCountry-Sound zu tun. Hier kommt alles direkt und ungeschliffen - direkt aus dem Herzen (und Bauch) des Künstlers in die Seelen von Fans ehrlicher, handgemachter Musik mit grossem Tiefgang. Und es sei solchen Fans dringend angeraten, sich nicht von dem countryesken Image täuschen zu lassen. Auch wenn Stapleton seine Countrywurzeln nicht verleugnet, hier präsentiert er sich genreübergreifend, weit über den traditionellen Begriff «Country» hinaus. Bestes Beispiel ist der Rocker «Second One To Know» oder der laidback Kiffer-Shuffle «Them Stems». Obwohl, einzelne Songs herauszuheben ist völlig sinnlos, hier hat jeder Track seine eigene große Klasse. Also, ihr Fans von Steve Earle, Tom Petty bis hin zu Warren Haynes - dieses Werk ist ein absoluter Pflichtkauf!!!

THE TEXAS FLOOD Overworked And Underpaid Off Yer Rocka Recordings/Cargo

mh. Überarbeit et und unterbezah lt… Solche Zustände scheint es in Wales, GB, offensichtlich auch zu geben. Davon abhalten liessen

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sich The Texas Flood allerdings nicht und packten alles was sie hatten in die Musik. Gut für uns. Denn mit „Overworked And Underpaid“ präsentieren die drei Herren (Tom Sawyer: Gitarre und Gesang, Tom Williams: Drums und Ben Glovier: Bass) bereits ihre zweite Scheibe. Beim Hören des neuen Albums liegt irgendwie BBQ in der Luft, Lebensfreude, Sonnenschein, Strohballen, Brunftzeit, einfach eine verdammt gute Zeit. Die Art und Weise wie The Texas Flood ihre Musik transportieren erinnert an Bands wie Silvertide, Buckcherry oder Backyard Babies. „Up In Smoke“ oder „Shake That“ eignen sich prima zum Anspielen.

SEETHER Poison The Parish Canine Riot mh. Wessen jährliches MusikBudget lediglich Fr. 30 beträgt, dem sei geraten, dieses Budget erstens zu erhöhen und zweitens sich die neue Seether-Scheibe zu krallen. Was die drei Mannen, die ursprünglich aus Südafrika stammen und jetzt in den USA beheimatet sind, hier auf dem sechsten regulären Album auspacken ist schlicht: fuck yeah! Das 2014er Album „Isolate And Medicate“ war bereits eine grosse Kiste, allerdings nicht zu vergleichen mit dem neuen „Poison The Parish“. Zurück ist nämlich die Härte, die wir seit dem DebutAlbum insgeheim immer ein bisschen vermisst haben. Der Sänger und Gitarrist Shaun Morgan lässt uns in den Lyrics fast schon seinen inneren Dämonen in die Augen schauen und zeichnet ein ziemlich düsteres und zerrissenes Bild seiner Psyche. Aussagen wie „I'm never the same, I'm never enough – there's something dead inside me“, „I have been failing all my life / I'm desperation personified“ oder auch “I want to stare into the sun until my eyes are burned and done” zeigen auf, dass Morgen aus seiner Unsicherheit, seiner Verzweiflung und den Dämonen ein verdammtes Brett zu zimmern weiss. Erstmals hat Morgen das Album auch selber produziert und lässt keine Wünsche offen. Bitte unbedingt anspielen: „Betray And

Degrade“, „I'll Survive“ und den Bonus-Track „Misunderstood“. Karten auf den Tisch: „Poison The Parish“ ist bis dato das stärkste Album von Seether. Live am 9. Oktober 2017 im Xtra, ZH.

CHUCK BERRY Chuck Decca/Universal hh. Den Release seines ersten Soloalbums mit überwiegend neuem Material sollte der für alle härteren Rocker wahre King des RocknRoll nicht mehr erleben. Chuck Berry starb am 18.3.2017 90-jährig. Somit ist «Chuck» sein letztes Vermächtnis und gereicht ihm durchaus zu Ehre. 10 Songs, darunter eine Fortsetzung von «Johnny B. Goode», hier als «Lady B. Goode», pendeln zwischen typischem BerryRnR und Blues, wobei «Jamaica Moon» karibisches Flair zeigt und «3/4 Time (Enchilladas)» beschwingt im 3/4-Takt rüberkommt. In «Dutchman»zeigt Berry sogar Rap-Qualitäten. Auffällig ist die gute stimmliche Kondition des 90-jährigen. Das Album, das Chuck Berry mit Hilfe seiner Familie produzieren konnte, zeigt auch ein paar Gäste wie Tom Morello, Nathaniel Rateliff und Gary Clarke Jr.. Der Sound ist gut, die Songs generell auch, viel mehr gibt es über die hier enthaltene Musik nicht zu sagen. Dass der Altmeister hier mit einem wegweisenden, bahnbrechenden neuen Output kommen würde, hat ja auch niemand erwartet. Den Job hatte er bereits mit Bravour vor mehr als 60 Jahren erledigt.

BLOODLIGHTS Pulling No Punches Soulfood ds. Die Bloodlights sind zurück! Die Combo um den Ex – Gluecifer Gitarristen Captain Poon bringt dieses Jahr mit „Pulling No Punches“ ihr viertes Studioalbum raus. Mit „Lights Out“ startet der Frischling mit der gewohnten Power. Schon in diesem Song wird jedoch klar, was mit den vom Frontmann oft genannten „Powerpop“ – Einflüssen

gemeint ist. Die Platte ist durchs Band weg viel melodiöser als die Vorgänger. So erscheint bei „Static Pulse“ gar ein Backgroundgesang in Kopfstimme, was das Album schon ab dem zweiten Song viel poppiger erscheinen lässt. Es scheint so, als ob die Norweger versuchen ruhiger zu werden, es jedoch nicht ganz schaffen sich mit der reduzierteren Herangehensweise abfinden zu können. Bei „Kick It Up“ und „Suicide Letter“ wurden komplexere Gitarrenarrangements versucht, welche nach paar Takten schon wieder verworfen werden wenn das schon fast rettende obligatorische Gitarrensolo erscheint. Mit nachfolgenden Titeln wie „Wrong to Make it Right“ oder „Bury My Head“ geht das Album jedoch wieder in der gewohnten Bloodlights – Manier weiter um sich mit „The Only Way Is Down“ zu verabschieden. Die Platte sollte bis zum Schluss durchgehört werden bevor man sich eine eher ernüchternde Meinung bildet. Das Fundament der Bloodlights ist immer noch das Selbe rotzige wie vor 4 Jahren. Der Versuch, mehr Einflüsse zu gewinnen verursacht in der Mitte des Albums ein Loch, welches aber schnell wieder Gutgemacht wird. „Pulling No Punches“ ist der Beweis, was die Bloodlights gut können – und wo sie noch feilen müssen.

CLOUD NOTHINGS Life Without Sound Wichita Recordings rp. Bereits der Auftakt «Up To The Surface» macht klar: «Life Without Sound» ist das bis dato poppigste Album der aus Cleveland, Ohio, stammenden Cloud Nothings. Vielleicht hat das mit dem (erneut) neuen Produzenten John Goodmanson (Blondie, Death Cab for Cutie, Hanson, Pavement, Posies, SleaterKinney) zu tun, vielleicht aber auch damit, dass sich die Band um Sänger und Gitarrist Dylan Baldi mehr Zeit für das Schreiben der Songs genommen hatte? Erklimmen Songs wie das bereits erwähnte «Up To The Surface», «Internal World», «Enter Entirely» oder «Modern Act» (die Single) bald die USCharts? Ihr fünftes Album nach «Here And Nowhere Else» (2014) ist auch ihr erstes mit dem neuen Gitarristen Chris Brown, der bis anhin bloss auf Tour


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS dabei war. Die Cloud Nothings gehen auf «Up To The Surface» aber auch neue, andere Wege. Die beiden letzten Songs «Strange Year» und «Realize My Fate» fallen vergleichsweise aus dem Rahmen. Vor allem der Abschluss «Realize My Fate» überrascht mit seiner atmosphärischen, dunklen und vielschichtigen Art. «Realize My Fate», der laut Baldi ein Song über Verwirrung ist, klingt wie eine moderne Post-Punk-Nummer. Und die Nähe zu den Replacements ist nicht mehr so offensichtlich wie auch schon. Dafür lehnen sich die Cloud Nothings zuweilen an Weezer, Hüsker Dü und in «Darkened Rings» gerade gesanglich stark bei den australischen The Saints an. Wenn man auf feine Gesangsharmonien mit kratzigen Gitarren steht, ist «Life Without Sound» sicher mehr als lohnenswert.

THE GREEK THEATRE Broken Circle Sugarbush Records rp. «Broken Circle» ist das zweite Werk nach dem wunderbaren und vielschichtigen Debüt «Lost Out At Sea» (Eine EP namens «The Sunniest Day» gab 2016 auch noch) des schwedischen Duos The Greek Theatre um Sven Fröberg und Frederick Persson. «Broken Circle» setzt dem noch einen drauf. Die neun Songs, aus Elementen aus Psychedelik, 70er Rock, Folk, Progressive-Rock, Softpop, wenig Country, Barockpop und jazzigen Passagen organisch zusammengefügt, nehmen den Hörer auf eine weit verzweigte Reise. Laut und leise Passagen wechseln sich ab, poetisch verträumte Elemente nehmen Raum ein. Zwischenzeitlich wird es auch mal rockig oder lange Instrumentalpassagen eröffnen oder unterbrechen die Songs. Und im Auftakt «Fat Apple (At About Noon)» rühren The Greek Theatre gar mit der grossen Kehle an. Neben Gitarre, Bass, Schlagzeug gibt es Flöten, Klarinette, Pedal Steel, Harfe und ein Mellotron zu hören. Langweilig wird es nie, im Gegenteil. Man muss gut aufpassen, dass man all die vielen Details mitbekommt. Festhalten kann der geneigte Hörer sich jeweils am wunderbar harmonischen Gesang, auch wenn der zuweilen etwas zu kurz kommt. Vielmals dominieren instrumentale Passagen «Broken Circle» ist anscheinend der zweite Teil einer vierteiligen Serie von Alben der beiden Schweden. Da darf man sich schon auf Teil 3 freuen.

THE RUMOR SAID FIRE Crush Popup Records rp. Die dänischen The Rumor Said Fire um Sänger, Songwriter und Gitarrist Jesper Lidang verstehen sich als eine Art Rückbesinnung auf die 1980er Jahre, zumindest auf ihrem neuen Werk «Crush». Auf ihrem dritten Album (ohne EPs) seit der Gründung 2008 tauchen so viele Referenzen auf die damalige Zeit und Bands auf, dass man fast etwas den Überblick verliert. Zum Auftakt, im Song «Out Of The Way» bemächtigen sie sich des Gitarrensounds von Durutti Column. Das Ganze wird mit einer Prise dezentem PostPunk abgeschmeckt. Im zweiten Track wird der geneigte Hörer an House Of Love, die Cure (Gitarrensound) und New Order (Basssound) erinnert. Bezüge zu The Cure und auch New Order sind übrigens in den zwölf Tracks mehrmals zu hören. Im Song «Sooner Or Later» gibt es eine Prise The Smiths, aber ohne den schwer (mütigen) Gesang von Morrissey. Und in der nächsten Nummer werden Referenzen an Ph.D. eingestreut. In diesem Sinne und Geiste geht es bis zum Schluss weiter. Zuweilen werden auch Erinnerungen an die Korgis, Icehouse oder die späten Sisters Of Mercy (ohne den düsteren Gesang von Andrew Eldritch) wach. Diese Zeitreise in die 1980er macht aber immer wieder Spass. Und man kann The Rumor Said Fire gar nicht so richtig böse sein.

TAJ MAHAL/KEB MO Tajmo Universal hh. Auf dieses Album haben Bluesfans lange warten müssen. «Tajmo» ist die logische Zusammenarbeit zwei der grössten Blues-Ikonen, die über Jahrzehnte der Szene jeder für sich essentielle Songs geschenkt haben. Mahal und Mo verbindet zudem eine lange Freundschaft, bekam Keb Mo doch seinen ersten Plattenvertrag durch Mahals Fürsprache. Das war 1994, Taj Mahals Debüt kam bereits 1968 in die Läden. Von diesem Debütalbum ist hier der Song «Diving Duck Blues» enthalten. Die beiden Bluesmen ergänzen sich aufs Feinste, sie sind stilistisch ohnehin sehr eng verwandt. Wobei Mahal klar der rustikalere Part ist. Unter

den 11 Songs befinden sich zwei gemeinsame Kompositionen und (neben anderen) Fremdkompositionen auch eine gelungene Version des Who-Klassikers «Squeeze Box» in karibischem Groove. «Tajmo» überzeugt vom ersten bis zum letzten Ton durch Groove und Seele und kann wohl als bestes Bluesalbum des Jahres angesehen werden. Eine etwas rauere Produktion hätte zwar dem Ganzen noch das Sahnehäubchen aufgesetzt, aber auch so überzeugt der Sound durch Wärme und Transparenz. Mit Bonnie Raitt und Joe Walsh sind zwei prominente Gäste dabei.

KENNY WAYNE SHEPHERD BAND Lay It On Down Provogue/MV hh. Auf ihrem 8. Album präsentiert die Band um den blonden Gitarristen ein breites musikalisches Spektrum. Harte Bluesrocker (»Baby Got Gone»), Soulvolles (»Diamonds & Gold»), rockende

und bluesige Shuffles (»Down For Love», «Ride Of Your Life») RocknRoll (»How Low Can You Go») und, wenig überraschend, da Shepherd sich als Balladenfan bezeichnet, eine Handvoll Schmuse-Tracks. Dass dabei die meisten der ruhigeren Songs einen deutlichen Country-Touch aufweisen, ist ebensowenig eine Überraschung, denn auch in diesem Genre zeigt sich Shepherd durchaus versiert und zuhause (»Louisiana Rain», «Hard Lesson Learned»). Dieser relativ große Stilmix erhält durch Shepherds Gesang und vor allem durch sein flüssiges, virtuoses Gitarrenspielt den nötigen roten Faden, der alles zusammenhält. Allen Songs gemein ist der herausragende Groove und die prächtig harmonierende Zusammenarbeit der Band. Die Produktion lässt auch keine Wünsche offen, satt und druckvoll kommen die Uptempo-Tracks durch die Boxen, die Balladen intim und gefühlvoll. Mit «Lay It On Down» grenzen sich Shepherd und seine Band deutlich von reinen Blues(rock)bands ab, ohne jedoch ihre Bluesbasis zu verleugnen. Das Album als Ganzes funktioniert hervorragend, bietet jede Menge Überraschungen und sorgt ohne Ausnahme für Spass und Freude. Muss man haben!

GOV'T MULE Revolution Come Revolution Go Fantasy/Universal hh. Dass die Band um Gitarrist/Sänger Warren Haynes schon lange zu den Grossen gehört, ist nichts Neues. Aber ihr neues Album macht sie nun auch zu einer der wichtigsten Bands der zeitgenössischen Rockszene. Die tiefe Verankerung im Blues und 70er-Hardrock, der Jam-Charakter und die Reminiszenzen an Free, Led Zeppelin, ZZ Top oder Deep Purple - all das ist natürlich geblieben. Den Unterschied zu den vorgängigen Platten der Eselregierung, und hier sind die rockigeren Outputs gemeint, macht die musikalische Öffnung und Vielseitigkeit aus, die die Mules hier präsentieren. Nicht ganz so hart wie das letzte Album «Shout», dennoch intensiv mit grossem Tiefgang rockend zeigt «Revolution Come...» eine in sich geschlossene Band - in dieser Dichte und Verzahnung noch bislang auf keinem Mule-Album derart zu erleben. Auch die Songs sind griffiger, verleugnen nie die Wurzeln und Inspirationsquellen, an denen sich Warren Haynes bedient. So kommt gleich der heavy Eröffnungsrocker «Stone Cold Rage» mit dem Geist der James Gang daher, gefolgt von einem Free-AC/DC atmenden «Drawn That Way», in dem zum Schluss auch noch ZZ Top Spuren hinterlässt. Und so geht es weiter: die Allman Brothers scheinen durch, Soul, Funk und sogar Countryeskes, das auch gut auf Haynes Soloalbum gepasst hätte. All das spielen die Mules mit einer einzigartigen Lässigkeit, «LaidBack-Groove» in Vollendung. «Revolution Come...» ist ein herausragendes, wunderschönes und tiefgehendes Album. Wir empfehlen die Deluxe-Version mit zusätzlichen sechs Song auf einer Bonus-CD.

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Irgendwie eine berühmte Rockband Die Maschine rollt wieder, die Spannung steigt: Kraftklub sind zurück. So laut, so frech, so eigensinnig wie eh und je. Aber eben auch ein Stückchen reifer, abwechslungsreicher und kritischer als zuletzt. Der Name des dritten Albums: „Keine Nacht für niemand“. Die Prognose: Das wird ein heißer Sommer. Und für die Indie-Buben aus Chemnitz der nächste ganz große Wurf.


bs. Wer Kraftklub bisher als Band abgespeichert hatte, zu der es sich hervorragend Sex, Vollrausch oder Mordsgaudi auf Festivals haben lässt, lag damit gewiss nicht (ganz) falsch. Auf ihren ersten beiden Alben „Mit K“ und „In Schwarz“ ging es ganz bewusst um die Vertonung eines jungen Lebensgefühls, um Zeitgeist, um Menschen mit leeren Konten, vollen Gläsern, Jutebeuteln und einem überschwänglichen Feiertrieb. Einige Jahre später sind diese Menschen alle ein kleines bisschen älter, vielleicht auch ein winziges Eckchen reflektierter, ernster geworden. Für die Jungs von Kraftklub gilt das natürlich genauso, weshalb für Felix Brummer, immer noch die Personifizierung des Lausbubs, von Anfang an eines klar war, als es an die Arbeiten zu „Keine Nacht für niemand“ ging: „Sowohl musikalisch als auch textlich haben wir die bisherige Kraftklub-Geschichte durcherzählt“, haut er raus. Damit meint er: „Wir haben jetzt zwei Alben lang versucht, noch schneller, noch lauter zu sein, die Songs vor allem live noch mehr knallen zu lassen und textlich unsere Herkunft und unser Aufwachsen dort aufzuarbeiten.“ Jetzt seien sie irgendwie eine berühmte Rockband geworden, erzählt er mit einer gewissen Verwunderung. „Und die kann ja schlecht noch mal dasselbe erzählen. Oder sie kann es schon, aber dann ist es langweilig.“ Und wenn Kraftklub eines nicht sind, dann langweilig. So gigantisch die bisherigen Erfolge auch waren (Pole Positions in den deutschen Charts, hunderttausende verkaufte Einheiten), so tiefenentspannt ging die Chemnitzer Gang an ihr drittes Album heran. Dabei ist es doch vor allem ebenjenes dritte Album, das gemeinhin als schwieriges Werk angesehen wird. „Erst beim dritten Album haben wir gemerkt, wie gestresst wir beim zweiten waren“, so Brummer ehrlich. „Wo wir uns damals noch fragten, ob wir vielleicht doch nur eine Eintagsfliege waren oder ob wir überhaupt Singles und Hits auf dem Album haben, nahmen wir diesmal unsere Songs als Demos auf, zeigten sie unserer Plattenfirma und sagten: So, das haben wir die letzten eineinhalb Jahre gemacht.“ Klingt wahrscheinlich

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trotzdem ein wenig leichter als es tatsächlich war. Dennoch: Diese Leichtigkeit, die Unbeschwertheit hört man den Songs an. Unverkennbar Kraftklub, dennoch anders, offener, so gibt sich „Keine Nacht wie niemand“. Das lag auch an der selbstauferlegten Pause, meint Brummer: „Sobald uns klar war, dass wir wirklich so lange Pause machen, bis wir wieder Ideen haben, wurden wir sofort wieder unglaublich kreativ. Der Druck war weg. Niemand erwartete etwas von uns, wir trafen uns im Proberaum, probierten wild herum.“ Zudem nahm man sich mal wieder Zeit für so etwas wie ein Privatleben. „Ich habe meine Kumpels unglaublich neidisch gemacht, weil die zur Arbeit mussten und ich einfach nur abhängen konnte“, lacht der Frontmann. Nach drei Jahren Vollgas und vollen Terminkalendern war es Kraftklub durchaus mal zu gönnen. Jetzt sind die Akkus wieder voll, die Motoren startklar. Und dennoch ist das, was uns da auf Indie-Windstärke zwölf entgegenfönt, eine andere Art von Kraftklub-Krawall. Systemkritik in „Sklave“, offen antirassistisch in „Fenster“… so direkt und kritisch waren Kraftklub nie. Die Zeiten, in denen sie sich als unpolitische Band bezeichneten, sie sind eindeutig vorüber. „Es ist eher so, dass wir diese ursprüngliche Aussage in unglaublicher Naivität gemacht haben“, gesteht Brummer. „Damals dachten wir, dass man auch als politisch denkender Mensch in einer unpolitischen Band spielen kann. Das ist natürlich Quatsch, vollkommen unmöglich. Gewisse Momente zwingen dich zu einer politischen Positionierung. Wie soll das denn auch gehen? Als Privatmensch etwas verurteilen und als Bandmitglied nicht?“ Klar, das bewiesen die Chemnitzer schon mit ihrer eindeutigen Positionierung gegen Frei-Wild. Jetzt machen sie es auch musikalisch deutlich. Und können sich trotz allem nicht von Kritikern, Anfeindungen und Hatern freimachen. Jüngstes Beispiel ist die Nummer „Ein Lied“, deren zugegeben nicht gerade freundlicher Refrain zum Anlass genommen wurde, der Band sexistische Anwandlungen in die Schuhe schieben zu wollen. „Ich wünschte mir, dass ich so etwas noch mehr von mir


wegschieben könnte“, äußert sich der Sänger zur Kritik an seiner Band. „Aber das geht natürlich nicht. Mir ist nicht komplett egal, was die Leute über meine Musik sagen. Als wir uns anhören mussten, Sexisten zu sein, konnten wir einfach nicht fassen, wie man diesen Song so falsch verstehen kann.“ Brummer weiß, dass er sich nicht aussuchen kann, wer seine Songs hört, und dass allein statistisch einige Vollidioten darunter sein müssen. „Aber will ich deswegen nur Songs schreiben, die auch wirklich der letzte dieser Vollidioten versteht?“ Bloß nicht! Aber das muss man einem wie Felix Brummer nicht sagen. Mittlerweile weiß er ziemlich genau, was er sich erlauben kann, wie er gewisse Dinge sagen muss. Und vor allem, was er seinen Fans zutrauen kann. „Ich mache mir beim Schreiben eines Songs keine Gedanken mehr, ob der mir meine Miete zahlt“, lässt er hören. „In der Vergangenheit habe ich mich oft gefragt, wie ich reagieren würde, wenn Kraftklub eben urplötzlich doch niemanden mehr interessieren würde. Wenn niemand mehr zu unserem Konzerten kommt oder unsere CDs kauft. Natürlich ist das eine harte Nummer, aber ich denke heute, dass man das wegstecken muss ohne Alkoholiker zu werden.“ Er würde sein Glück zumindest nie abhängig davon machen, von anderen gemocht zu werden, verdeutlicht er. „Das wäre doch total bescheuert!“, sagt er energisch. „Dann fängt man nämlich an, nur noch Musik zu machen, von der man denkt, dass sie von allen gemocht wird. Eine furchtbare Vorstellung! Wo ist denn da die Entwicklung, die Überraschung?“ Beides, sowohl Entwicklung als auch Überraschungen, gibt es zuhauf auf „Keine Nacht für niemand“. Das Erstaunliche: Im Kern ist die Kraftklub-Rezeptur erhalten geblieben, wurde eben nur gepimpt und mit dem einen oder anderen Achtziger-Beat, elektronischen Elementen oder Post-PunkFlirts angereichert. Sitzt, passt, funktioniert. Und selbst wenn nicht, wäre es Brummer wohl egal. „Solange wir fünf Musik machen, die wir mögen und verstehen, ist schon mal sehr viel erreicht. Dann bekommt es der enge Freundeskreis

vorgespielt, das war schon immer so. Ihre Meinung war uns von Anfang an sehr wichtig. Erst neulich haben wir das mit dem neuen Album gemacht – pro Song ein Schnaps, das war ein lustiger Abend.“ Tja, ganz erwachsen werden Kraftklub wohl nie. Und das ist verdammt noch mal gut so. Ist schließlich ganz schön, hier im Chemnitzer Nimmerland.

LIVE 18.8.17 Winterthur, Musikfestwochen 22.10.17 Pratteln, Z7 KRAFTKLUB Keine Nacht für niemand Vertigo/Universal

bs. Kniet nieder vor dem K! Die Lausbuben aus Chemnitz sind zurück, um uns mit „Keine Nacht für niemand“ mal so richtig die Leviten zu lesen. Wer Kraftklub von „Mit K“ oder „In Schwarz“ kennt, wird natürlich auch auf diesem dritten Album die Band wiedererkennen, die in den letzten Jahren eine selten spektakuläre Karriere auf die Bretter gelegt hat. Und sich dennoch über die eine oder andere Neuerung freuen: Anstatt noch mal auf der Krawall-undRemmidemmi-Welle zu reiten und in jedem Song von juvenilen Exzessen und adoleszentem Schabernack zu labern, haben Kraftklub die Schrauben angezogen. Die Texte triefen vor Sarkasmus, Selbstironie und tatsächlich auch treffsicherer Straßenpoesie, die Musik hat sich geöffnet. Indie Rock ist nach wie vor das Fundament, wird in „Band mit dem K“ zur frechen Hymne, bei „Leben runinieren“ mit Funk gewürzt und in „Chemie Chemie Ya“ zu IndiePop-Perle und Drogenkritik in einem. Das Urteil ist schnell gefällt: „Keine Nacht für niemand“ etabliert Kraftklub endgültig als dicken Fisch im deutschsprachigen RockBecken, der eben doch länger frisch ist als zwei Festivalsaisons.


kw. Seit 2006 haben Portugal. The Man praktisch jährlich ein neues Album präsentiert. Für das neue Werk “Woodstock“ mussten sich die Fans dann aber 4 Jahre gedulden. Die Band aus Alaska war sich den erhöhten Erwartungen durchaus bewusst. Gitarrist Eric Howk und Bassist Zachary Scott Carothers erzählen, wie produktiv sie während dieser Zeit waren und wie ein Haufen toller Songs produziert wurde. 50 Songs standen zwar, aber die Band hatte dann grosse Mühen, die Besten zu selektionieren. Sie verfolgten einen Ansatz, wie er von Prince und Michael Jackson praktiziert wurde. Prince schrieb 100 bis 200 Songs und reduzierte dann auf rund ein Dutzend Favoriten. Die beiden Musiker erklären, wie angemessen das für Prince sei, denn er hatte eine Vision und war der wesentliche Entscheidungsträger. Sie dagegen seien eine Gruppe Menschen von jeweils verschiedenster mentaler Störungen, die versuche, die besten Songs herauszupicken. Einen weiteren Grund sehen die beiden Männer in all den Dingen, die im Moment mit ihrer Regierung und der Welt geschehen. Sie hatten verschiedene Stücke aufgenommen, aber dann seien überall diese verrückten Geschichten passiert über die sie nicht schweigen konnten. Sie schrieben also Songs, die besser zu den Zeiten passten. “Es ist schwierig einen Song über ein Mädchen oder einen sonnigen Tag zu schreiben, wenn so viel Scheisse passiert“, sagt Zachary Scott Carothers. Jedoch sehen sich Portugal. The Man weder als politisch aktiv noch als Moralaposteln, wenn dann allenfalls als

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Humanisten. Sie fänden es einfach irrsinnig, dass gleiche Löhne für Frauen wie für Männer, Klimawandel und Zugang zu sauberem Wasser überhaupt zur Diskussion stehen. Die Songs aus dieser Phase wurden glücklicherweise nicht verworfen, viele Elemente sind noch auf “Woodstock“ gelandet. Die Inspiration für den Albumtitel kommt übrigens vom originalen Ticket für das Woodstock Festival von 1969, welches der Sänger bei seinem Vater gefunden hat. Das Schreiben und Produzieren neuen Materials ist, wenig überraschend, kein Spaziergang innerhalb der Band. Die beiden Musiker aus Alaska beschreiben, dass jeder in der Band seine spezifische Rolle habe. Es sind nicht alle gleichzeitig im Studio, sondern kämen zu bestimmten Zeitpunkten, so wie ihr Keyboardspieler zum Beispiel, der sehr viel von Akkordfolgen versteht. Er koloriere das Gerüst eines Songs. Irgendwann müssten sie ihn dann aber rauswerfen, weil er anfängt alle abzulenken und sie holen sich jemand anderen, um sich dann mehr um die strukturellen Belange zu kümmern. Mit jedem Album seien sie besonders heikel, wie gewisse Dinge sein sollten. Es gehe nicht unbedingt ums Aufnehmen. Durchaus gebe es Fehler auf dem Album, aber sie sehen das als Rock'n'Roll und lassen es gerade so stehen. Mit vermeintlichen Nichtigkeiten wie einer Textpassage verstehen sie dann


Die Entwicklung von Portugal. The Man wurde durch ihre zermürbende Anspruchshaltung, den vielen Wechseln innerhalb der Band und dem aktuellen Weltgeschehen gegeben. Das Album “Woodstock“ ist nun nach einer vermeintlichen Pause erschienen. Viel Schweiss und Blut kostet Portugal. The Man ihr Schaffen. Entstanden sind nun einige interessante Songs mit guten Melodien, die man bei Portugal. The Man früher so nicht gesehen hat. TRACKS hat sich mit der Band getroffen und über den für sie besten Job der Welt gesprochen.

aber keinen Spass mehr. Das Ganze werde zur Obsession. Immerhin sei jedes Album davor, die Übung für das nächste. Sie mögen einprägsame Lieder, denn sie sind mit Motown Musik grossgeworden. Schwierig sei es, alles Einprägsame einzufangen, es zu vereinfachen und in 2 bis 3 Minuten zu verpacken. “Fünf Psychopathen versuchen aus einem Marmor eine Figur zu hauen“, witzelt gehören Zachary Scott Carothers. “Es ist hart. Du musst wie ein Loch saufen, kannst nicht schlafen, und Pläne mitnichten schmieden. Garantiert musst du während deiner Freizeit ins Studio wegen irgendeines Notfalls.“ Portugal. The Man ist eine Band, die seit eh und je in Bewegung war. Zum Kern gehören Zachary Scott Carothers und John Baldwin Gourley, alle anderen sind seit ein paar Jahren dabei oder waren für ein paar Jahre dabei. Man kann auch wie ein Schlagzeuger viermal eingestellt und wieder rausgeworfen werden. Die Musiker betonen, dass die Menschen, die es länger als ein Jahr mit Ihnen aushalten, harte Kerle sind. Die Band lobt ihren Job als den besten Job der Welt, aber auch als wahnsinnig erschöpfend. Als Aussenstehender würde man ihren Gig vielleicht gut finden würden. Bei Portugal. The Man würde garantiert einer sagen ja du warst da ein wenig spät mit deinem Einsatz. Sie haben sich noch nie gratuliert und Umarmungen oder Schulterklopfen gibt es bestimmt nicht. Wenn alle glücklich sind, sei das gar nicht gut und heisst sie müssen härter arbeiten. Und wenn alle deprimiert sind, dann ist das sowieso ein schlechtes Zeichen. Der beste Job der Welt verlange Strenge, um am Boden zu bleiben und stets durstig nach mehr zu sein. Portugal. The Man können manchmal sonderbar wirken. Leute, die sich das Leben offenbar selber schwer machen und sich optisch als auch musikalisch in einer Nische bewegen. Vielleicht sieht man sie auch als politisch halbgare Hipster. In “Woodstock“ haben sie auf alle Fälle einige einprägsame Songs geschaffen, ungewöhnlich einprägsam für Portugal. The Man Verhältnisse. Sonst ist man eher an glasklare Strukturen mit mehr oder weniger akustischen Verzierungen gewohnt. Die Band hat sich kontinuierlich weiterentwickelt und die hohe Mitgliederfluktuation hat kaum geschadet. Dieses gewisse Etwas, das Portugal. The Man ausmacht, ist über die vielen Jahre immer geblieben. Stolz können sie besonders auf das Lied “Feel It Still“ sein. Die hohe Stimme des Sängers, der Bass im Kontrast dazu und das Keyboard, welches zusätzliche Würze verleiht, harmonieren beindruckend zusammen. Mit den anderen Gitarren und dem Schlagzeug ergibt dies eine schnell ins Ohr gehende Mischung. Nebenbei ruft es noch nonchalant zur Rebellion auf. Ein anderes Beispiel ist “Noise Pollution“, das modern elektronisch klingt und mit den Frauenstimmen, die ihr Misstrauen in die Menschheit besingen, besonders wird. Zachary Scott Carothers ist aber auch stolz auf Mr. Lonely, das es gerade noch so knapp auf das Album geschafft hat. Er wisse nicht wieso, aber der Text mache ihn

sehr nostalgisch. Mr. Lonely ist ab und zu elektronisch verzerrt, etwas traurig und beinhaltet ein kleines Rap Feature. Natürlich hat es auf dem Album auch ein paar andere Songs, wie man sie von den früheren Portugal. The Man kennt, die nicht immer so leicht zugänglich sind. Insgesamt ist aber “Woodstock“ ein Album, das verhältnismässig fast schon leicht in Richtung Pop geht. Es vermag die Eigenheiten von Portugal. The Man trotzdem ins Rampenlicht bringen, was nur bewundernswert ist.

LIVE 13.9. Lausanne, Les Docks 14.9. Winterthur, Salzhaus 15.9. Aarau, KIFF


Optimisten und Dämonen

Anathema sind große Geschichtenerzähler, vielleicht sogar die größten der modernen Rock-Welt. Was die Band aus Liverpool auf ihrem elften Album „The Optimist“ auffahren, ist nicht weniger als ein kunstvolles, fragiles, betörendes und wunderbar melancholisches Manifest, zu dem es sich hervorragend tagträumen lässt. Live aufgenommen, enthält es Herz und Seele von Daniel Cavanagh, der gezeichneten und geläuterten Galionsfigur der PostRock-Welt.

LIVE 18.10. 2017 Pratteln, Z7

bs. Dunkle Zeiten liegen hinter Daniel „Danny“ Cavanagh. Nicht unbedingt die letzten Tage, Wochen oder Monate. Nein, die Zeit, als der Engländer von seinen Dämonen gepeinigt wurde, liegt schon ein paar Jahre zurück. Und hat indirekt trotzdem dafür gesorgt, dass das neue Anathema-Meisterwerk „The Optimist“ das Album geworden ist, das es ist. „Ich habe einige schwierige Jahre hinter mir“, gesteht der Sänger und Gitarrist. „Jahre der Veränderung, Jahre der Unsicherheit. Vieles von dem, was ich auf diesem Album rausgelassen habe, hat seinen Ursprung an einem dunklen Ort. Ich fühlte mich verwirrt, traurig, verloren. Aber“, betont er, „ich fühle mich heute besser.“ Nicht zum ersten Mal nutzen Liverpools

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kunstfertige Rock-Schmiede ihre Werke als Katalysatoren, als Weg der Katharsis, um gewisse Dinge loszuwerden, hinter sich zu lassen, zu begreifen. „The Optimist“ macht da keine Ausnahme. Ein Album, das konträr zu seinem Titel das aufwühlendste, dunkelste und bewegendste Material der letzten Jahre bietet. Und von einem ganz besonderen roten Faden zusammengehalten wird. „Die Geschichte auf „The Optimist“ ist die einer mentalen Reise. Diese Reise“, so Cavanagh, „ist ein Spiegel meines eigenen Wegs, den ich in den letzten Jahren gegangen bin. Ich wusste nicht immer, wohin mit mir und meinem Leben, und das machte mir Angst. Diese Ziellosigkeit wird von vielen als Stigma gesehen, ist


aber weiter verbreitet als die meisten Menschen glauben.“ Nicht ganz zufällig greifen Anathema den Faden auf, den sie mit ihrem wegweisenden „A Fine Day To Exit“-Streich 2001 fallengelassen hatten. Die darauf erzählte Geschichte des Mannes, der aus seinem Leben und vor sich selbst flieht, wurde nie zu Ende erzählt. Bis jetzt. „Alles fing mit einem Bild an, das ich im Kopf hatte: Ein Auto, das durch die Nacht fährt, der pure Eskapismus. Daraus entwickelte sich nach und nach die Geschichte eines Ausbruchs.“ Wohin würde man fliehen, wenn man alles hinter sich zurücklassen würde? Was würde man tun? Wie würde man sich fühlen? Plötzlich stand der Protagonist von „A Fine Day To Exit“ wieder im Raum, dessen Schicksal ungewiss war. „Und plötzlich“, so der Engländer, „schrieb sich das Album fast von selbst.“ Ohne es zu merken, griff Cavanagh dadurch seine eigene Geschichte aus, stattete der dunkelsten Periode seines Lebens einen schmerzhaften Besuch ab. „In meinen Zwanzigern nahm ich recht viele Drogen, und ich wünschte, ich hätte das nicht getan. Das“, so der Musiker ernst, „ist eines der wenige Dinge, die ich in meinem Leben wirklich bereue.“ Weshalb, ist schnell erzählt: „Damals veränderte sich alles. Ich war ein gut gelaunter, intelligenter, optimistischer Typ, der auf einmal nur noch vor den Scherben seines Lebens stand. Ich konnte mich da zwar rauskämpfen, indem ich unser Album „Judgement“ schrieb. Doch es hinterließ Spuren. Ich musste mich sehr langsam an den Menschen gewöhnen, der ich geworden war.“ Das alles ist genau 20 Jahre her. Und doch kommt es immer wieder hoch, gesteht er. „Im ersten Jahr, in dem ich psychedelische Drogen nahm, hatte ich keine fünf Minuten Ruhe. Keine fünf Minuten ohne Sorgen, ohne Verzweiflung. Als es endlich besser wurde, starb meine Mutter am Alkohol. Es liegt also eine ganze Menge hinter mir.“ Seit 2005 trinkt Cavangh nicht mehr, begab sich in Therapie und lebt heute sehr gesund. „Seither verläuft mein Leben deutlich ruhiger, ausgeglichener und freundlicher“, sagt er. „Hin und wieder holen aber auch mich die Schatten der Vergangenheit ein.“ Diesmal konnte er sie nutzen, um mit „The

Optimist“ ein überwältigend emotionales Album zu schreiben, eine anmutige Gewitterfront, deren narratives Element selbst für Geschichtenerzähler wie Anathema eine Glanzleistung darstellt. Aber: „Als wir die Songs schrieben, wussten wir noch nicht, dass wir am Ende eine Geschichte mit ihnen erzählen würden“, verrät Cavanagh. „Das Album begann also als typisch autobiografisches Anathema-Werk, erhielt aber einen Twist, als wir beschlossen, unsere eigenen Emotionen auf einen fiktiven Charakter zu übertragen. Er fungiert als unser Stellvertreter, der unsere Sorgen und Ängste teilt, der die Welt durch unsere Augen sieht und unsere Emotionen in sich trägt. Wenn sich dieser Mensch im Song „Springfield“ also verloren fühlt, dann liegt das daran, dass ich mich so gefühlt habe.“ Der namensgebende Optimist sei ein verwirrter Mensch, der nach Antworten sucht, erläutert der Sänger. „Er hat Angst, schaute in seinem Leben schon mehrfach in den Abgrund und machte immer wieder einen Schritt weg davon. Doch er hat ein gutes Herz und wird letztlich von der Liebe seines Lebens, die er verlassen hat, nach Hause gerufen.“ Das Spannende daran: Der Optimist ist alles andere als ein fiktiver Charakter. Er geht auf eine ganz besondere Begegnung zurück, die Cavanagh vor einiger Zeit hatte. „Ich traf einen jungen Menschen, der aus Syrien nach Deutschland gekommen war. Er wurde von einem Filmteam im Flüchtlingslager begleitet, weil er eine solch positive Aura hatte.“ Dieser junge Mann betonte bei den Dreharbeiten immer wieder, dass die Musik von Anathema sein Leben gerettet hat. Dass sie ihm dabei geholfen hat, diese Reise zu überstehen. „Das Filmteam arrangierte also ein Treffen mit mir bei einem meiner Solokonzerte in Berlin, von dem er aber nichts wusste. Er war überwältigt und wir freundeten uns schnell an.“ Der Titel des Films über diesen inspirierenden jungen Mann: „The Optimist“. „Ohne diese Begegnung“, ist sich Cavanagh sicher, „wäre das Album definitiv anders geworden.“ Wir können sehr froh sein, dass es so und nicht anders gekommen ist.

ANATHEMA The Optimist Kscope/Edel

bs. Eine Anathema-Platte das erste Mal zu hören, ist immer ein ganz besonderes Ereignis. Nie weiß man so ganz genau, was einen erwartet,

kann sich aber jedes Mal sicher sein, etwas Großartigem beizuwohnen. „The Optimist“ macht da keine Ausnahme. Ein Werk, das inhaltlich an „A Fine Day To Exit“ anknüpft, stilistisch aber mal wieder auf ganz eigenen Wegen durch die Welt mäandert. Stücke wie ein warmer Sommerregen, Passagen wie ein reinigendes Gewitter, Melodien wie ein Regenbogen über einer großen Stadt: Die Band aus Liverpool hat es schon wieder geschafft, sich selbst zu übertreffen. Post Rock vom allerfeinsten, narrative Musikkunst, ein Kopfkino-Universum der intensivsten Sorte. Mit Stücken wie dem vor Emotionalität und Verlorenheit berstenden „Springfield“ fügen die Briten ihrer glanzvollen Karriere einige der am hellsten strahlenden Lichter hinzu. Dynamischer, getriebener und dunkler als zuletzt, dabei immer noch voller Anmut, Schönheit und Silberstreifen an dunklen Horizonten: Die Meister haben einmal mehr gesprochen.


REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative MR. BIG Defying Gravity Frontiers bs. Album vier seit dem Comeback – und endlich wieder auf Betriebstemperatur: Nach der einen oder anderen Anlaufschwierigkeit der letzten Jahre schnurrt Mr.

Bigs Motor endlich wieder wie gewohnt. Er ist zurück, dieser ganz besondere Zauber ihrer frühen Werke, als sie Lebenslust und knackigen Hard Rock am laufenden band abfeuerten und rund um den Globus die Arenen füllten. Gut, die Achtziger und Neunziger sind lang vorbei, verschwunden sind auch die schwierigen Frisuren. Was „Defying Gravity“ neben seinen tollen

Riffs, Licks, Soli und Gesangspassagen mehr als alles andere auszeichnet, ist aber die Tatsache, dass die Band ihre Trademarks neu entdeckt hat und äußerst genussvoll interpretiert. Mit „1992“ gibt es sogar eine wunderbar augenzwinkernde Nummer über die Ära ihres größten Erfolgs, als sie mit „To Be With You“ durch die Decke gingen. Diese selbstironische Art, dieses sich nie allzu ernst nehmen, die Musik aber schon, macht Mr. Big zu einer Ausnahmeerscheinung unter den amerikanischen RockBands. Und spätestens mit diesem Album auch zu einer Band, die nach wie vor relevant ist.

DUANE ALLMAN The Legend And The Legacy

RADIOHEAD OK Computer OKNOTOK XL/Indigo bs. Meilenstein. Klassiker. Meisterwerk. Und so ziemlich jedes andere Superlativ: Radioheads drittes Album „OK Computer“ verdient jedes euphorische, lobende, begeisterte Wort, das ihm seit seiner Veröffentlichung gewidmet wurde. Die ist mehr oder minder genau 20 Jahre her, was natürlich geradezu prädestiniert für einen speziellen Blick auf dieses wegweisende Stück Alternative Rock ist. Man hat dieser heiklen Unternehmung den Namen „OK Computer OKNOTOK“ gegeben und bietet wahrlich Spektakuläres. Da wäre zum einen das Originalalbum, das hier in neu gemasterten Versionen vorliegt und auch nach zwei Jahrzehnten so gar nichts von seinem Zauber, von seiner Aura und von seiner Relevanz eingebüßt hat. 1997 läutete es das Ende des Britpop ein und katapultierte die englische Rockmusik in eine kunstvolle, klanglich anspruchsvolle und vielschichtige Dimension, die bei allem Anspruch weltweit zum Megaerfolg wurde. Viereinhalb Millionen verkaufte Einheiten bei einem recht verkopften und komplexen Werk, das muss man erst mal hinbekommen. Einen vordergründig simplen, aber wahnsinnig guten Song wie „No Surprises“ auch, ganz klar. Nicht nur Muse wären ohne die Existenz dieser Band undenkbar, das sagen Kritiker wie Fans. Besonders letztere, die Die-Hard-Anhänger, die Komplettisten dürften besonders nervös werden, wenn sie erfahren, was da noch so alles versammelt ist auf „OK Computer OKNOTOK“. Da wären zunächst mal acht B-Sides, die ja teilweise auch schon relativ schwer zu finden sind. Vor allem sind es aber die drei unveröffentlichten Songs. Richtig gelesen: Drei! Unveröffentlichte! Songs! Alle aus den „Ok Computer“Sessions, alle erstmals zugänglich gemacht. „I Promise“, „Man Of War“ und „Lift“ erscheinen wie kostbare Schätze, die man aus den Tiefen des Meeres an Land gezogen hat, sie zu hören, erfüllt mit einem sonderbar festlichen Gefühl. Ein bewegender, ein konziser Blick auf dieses Stück Musikgeschichte.

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Musikvertrieb hef. Trauriger Zufall! Gerade als ich das musikalische "Testament" eines der besten RockGitarristen aller Zeiten höre, lese ich die Nachricht vom Tod seines Bruders Gregg Allman. Die beiden gehörten Ende 1960er/Anfang 1970er Jahre zu den heissesten Southern Rockbands der USA. Doch das Schicksal schlug bereits 1971 zu. Duane Allman starb bei einem Motorradunfall. Ein Jahr später ereilte Bassist Barry Oakley dasselbe Schicksal, übrigens unweit der Stelle entfernt, wo schon Duane starb. Die Nachricht vom Tod des zweiten Allman-Bruders kam nicht allzu überraschend. Der Ex-Mann von Cher war schwer krebskrank. Geblieben sind einige Klassiker von The Allman Brothers Band wie "Idlewild South", "Live At Filmore", "Eat A Peach" sowie "Brothers And Sisters" mit dem Supertitel "Ramblin' Man", zeitlos gute Rockmusik. Das Oeuvre von Duane Allman ist auf dieser Doppel-CD in 36 Titeln zusammengefasst. Der enge Freund von Eric Clapton, mit dem zusammen er dessen Studio-Klassiker "Layla And Other Assorted Love Songs" inkl. den Mega-Hit "Layla" einspielte, jammte mit den Grössten der damaligen Zeit. Diese Zusammenarbeit ist hier in feinen Blues-Rock-Titeln zusammengefasst. Hier ein paar Namen und Songs: ein B.B.King-Medley mit fünf Titeln, der SteppenwolfHeuler "Born To Be Wild" zusammen mit Soul-Shouter Wilson Pickett, das 10-minütige

"Push Push" mit Flötist Herbie Mann, eines der absoluten Album-Highlights, "The Weight" mit King Curtis, "Mean Old World" mit Eric Clapton, "It Ain't Fair" mit Soul-Königin Aretha Franklin oder "Living On The Open Road" mit Delaney & Bonnie & Friends, um nur einige zu nennen. Dazu natürlich Songs der Allman Brothers Band. All in all: Musikgeschichte pur!

NATHAN GRAY COLLECTIVE Until The Darkness Takes Us End Hits Records/Cargo Records

cw. Nathan Gray. Ein verdienter Protagonis t der letzten 20 Jahre (Post-) Hardcore. Gerade mit den Szenehelden Boysetsfire hat er sich einen Platz in der Independent MusicGeschichtsschreibung gesichert. Doch Nathan Gray war gerade in der letzten Dekade immer mehr als „nur“ der Frontmann der Postcore-Formation und bewies mit seinen Seitenprojekten I Am Heresy oder The Casting Out, dass er ein nicht stillstehender Tausendsassa ist. Ob Black Metal oder Pop-Punk, Gray konnte sich nie so ganz auf nur ein Genre einschießen. Mit dem Nathan Gray Collective brechen sein partner in crime Daniel E. Smith und er nun auf zu neuen Ufern und sorgen für eine mutige Zusammenführung düsterer Dark Wave-, Neofolk- und Industrial-Sounds. Wagte die 2015 veröffentlichte „NTHN GRY“ Solo-Debüt-EP noch eine offenkundig wie offensive Auseinandersetzung mit dem satanischen Kult, belässt es das nun erscheinende SoloAlbum „Until The Darkness Takes Us“ bei persönlicher Reflexion und Grays ganz persönlichem atheistischen Blick auf die Welt. Oder wie das Duo selbst nennt: Abraxian hymns for forward thinkers. 13 Songs, die vor Dunkelheit und Geheimniskrämerei nur so sprudeln.



Jahr für Jahr zieht das BANG YOUR HEAD!!! Festival, bekannt und geschätzt für seinen besonders familiären Charakter, Tausende von Hard Rock- und Heavy Metal-Fans aus ganz Europa in die beschaulichen Auen der Schwäbischen Alb. Auch diesen Sommer ist es wieder soweit: Die beliebte süddeutsche Veranstaltung findet vom 13. bis zum 15. Juli statt – wie gewohnt auf dem Messegelände Balingen und erneut drei ganze Tage lang.

BANG YOUR HEAD!!! 2017 13.-15. JULI 2017 BALINGEN(D), MESSEGELÄNDE VINCE NEIL

HAMMERFALL

VENOM Eintrittspreise: Festivalticket (gültig für Donnerstag, Freitag & Samstag): Frühbucherpreis: Euro 109.- im VVK zzgl. 10% VVK-Gebühr - erhöhter Preis an der Tageskasse Tagestickets: Frühbucherpreis: Euro 60.- im VVK zzgl. 10% VVK-Gebühr - erhöhter Preis an der Tageskasse Warm-Up-Party: mit gültigem Festivalticket: Euro 25.- im VVK zzgl. 10% VVK-Gebühr; erhöhter Preis an der Tageskasse - ohne gültiges Festivalticket: Euro 35.- im VVK zzgl. 10% VVKGebühr; erhöhter Preis an der Tageskasse

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Seit jeher das Besondere des BANG YOUR HEAD!!!-Konzepts: Die einzigartige Mischung aus Großevent-Flair und entspannter Atmosphäre sowie der sorgfältig ausgewählte Programm-Mix aus allseits bekannten Szene-Stars und Kultbands für Kenner und Insider. Mit diesem Erfolgsrezept hat sich das Festival als eines der renommiertesten Heavy Metal-Open Airs Deutschlands etabliert – und als beliebte Alternative zum Massenbetrieb der „Großen“, bei der die Devise „von Fans für Fans“ noch gelebt wird. Auch 2017 dürfen sich die Besucher daher auf ein volles Programm mit rund 40 hochkarätigen und handverlesenen Bands freuen. Mit VINCE NEIL kommt der ehemalige Sänger der L.A.-Legende MÖTLEY CRÜE nach Balingen und bringt die größten Hits seiner exBand mit. Weitere Hauptacts sind die Schweden HAMMERFALL und die britische Heavy Metal-Legende SAXON. Mit dem MICHAEL SCHENKER FEST steht ebenfalls etwas ganz Besonderes auf dem Programm: Ausnahmemusiker Michael Schenker wird begleitet von drei Original-Sängern seines Projekts MSG, das insbesondere in den 80er Jahren für Furore gesorgt hat: Gary Barden, Graham Bonnet und Robin McAuley geben in Balingen gewohnt stimmgewaltig zahlreiche Klassiker aus der Karriere des Gitarrenhelden zum Besten. Die Show ist der einzigeFestivalauftritt im deutschsprachigen Raum, den das Ensemble 2017 in dieser Konstellation absolviert. Auch SATYRICON kommen ganz exklusiv nach Balingen: Neben ihrem Abstecher zum BANG YOUR HEAD!!! 2017 wird es in diesem Jahr keine weitere Festivalshow auf deutschem Boden geben. Gleiches gilt für die kanadische Death Metal-Größe KATAKLYSM, die, ebenso wie SATYRICON, das erste Mal von den Veranstaltern verpflichtet wurde. Ebenfalls exklusiv in Balingen zu Gast ist die amerikanische Hard Rock Größe DOKKEN. Das weitere Billing ist nicht minder abwechslungsreich: Mit dabei sind unter anderem die „Urväter des Black Metal“ VENOM, die Schweizer Hard Rock-Urgesteine KROKUS, die Briten MAGNUM, Rocklady LEE AARON, SEPULTURA, das amerikanische Glam/Sleaze-Juwel SLAUGHTER, USMetal Acts wie RIOT V und VICIOUS RUMORS, NWoBHM-Helden wie DIAMOND HEAD, RAVEN und STEVE GRIMMET'S GRIM REAPER, jüngere Erfolgsacts vom Schlage ORDEN OGAN, GLORYHAMMER oder BULLET und viele mehr. Am Mittwoch, dem 12. Juli, steigt am Vortag des Festivals außerdem die traditionelle Warm-Up-Party, die natürlich ebenfalls mit namhafter Besetzung glänzt. Neben den Bay Area-Thrashern DEATH ANGEL sind für diesen Abend SANCTUARY, die reformierten ANGEL DUST, BLOODBOUND und STORMWARRIOR bestätigt. Auch das Rahmenprogramm hält allerlei Attraktionen parat. Bei den zahlreichen Autogrammstunden kommen die Besucher den Künstlern besonders nahe, und ein großer Sammler-Markt, die MetalBörse, lädt mit Raritäten, Vinyls, Merchandise und vielem mehr zum ausgiebigen Stöbern ein. Für gesellige Sitzrunden und ausreichend Schatten ist ebenfalls gesorgt – dank eines großen Zelts mit Barbetrieb.

Weitere Infos: WWW.BANG-YOUR-HEAD.DE



Magische Nacht Am Mittwoch, 9. August 2017 findet bereits die zehnte Auflage der Magic Night auf dem Heitere-Platz in Zofingen statt. Die Jukebox-Form im Visual hat sich zu Recht etabliert: Denn wiederum treten vier Acts auf, deren Hits auf den Tasten dieser Geräte fleissig gedrückt wurden und die bis heute nichts an Aktualität eingebüsst haben: Die legendäre US-Band TOTO, die Supertramp-Stimme ROGER HODGSON, der international bekannte Blueser PHILIPP FANKHAUSER und die unverkennbaren STILLER HAS.

TOTO Gemeinsam ist allen vieren, dass sie eine eindrückliche Anzahl von Tonträgern realisiert und verkauft, viele Preise abgeräumt und ausgedehnte Tourneen hinter sich haben – und dass sie an der kommenden Magic Night dem Publikum unvergessliche, magische Momente schenken können. Den Auftakt machen Stiller Has in frischer Formation und mit einem brandneuen Album im Gepäck. 1989 als Duo gegründet, schafft es die Berner Truppe rund um Frontmann Endo Anaconda immer wieder, ihre poetischen Songs dem Publikum mit Herz und Seele weiter zu geben. Sein 30jähriges Bühnenjubiläum feiert heuer Philipp Fankhauser. Sei es unplugged oder elektrisch, sei es mit seiner Band oder mit bekannten Gästen aus der Bluesszene, sei es als Swiss Music Award Gewinner oder als Juror bei «The Voice Of Switzerland» – Philipp Fankhauser macht immer eine gute Figur und seine Auftritte sind sympathisch und mitreissend. Noch ein weiterer Act darf anlässlich der zehnten Magic Night ein Bühnenjubiläum feiern: Zum Finale tritt nämlich die 1977 in Los Angeles entstandene Band TOTO unter den Heitere-Linden auf! Die Gründungsmitglieder wurden vor einigen Jahren zu Recht in die Musicians Hall of Fame aufgenommen: 19 veröffentlichte Alben, über 40 Millionen verkaufte Tonträger und nicht weniger als sechs Grammys haben die Band in den Mainstream-Rock-Olymp hinaufbefördert. Dem Erfolg zu Grunde liegen melodiöse Hits wie «Rosanna», «Africa» oder «Hold the Line», welche live noch heute ein Erlebnis sind. Als Songschreiber und Stimme von Supertramp ist Roger Hodgson jedem Musikfan ist ein Begriff! Bereits im Schulalter begann der Brite mit der unverkennbar hohen Stimme zu komponieren. Im Alter von 19 Jahren gründete er zusammen mit Keyboarder Rick Davies die legendären Supertramp. Es folgten Hits wie «Dreamer», «Give a Little Bit» oder «Breakfast in America» bevor er eine seine Solo-Karriere mit ebenso eingängigen Songs startete.

ROGER HODGSON

«Summer of '17» The best days of my life! Bryan Adams kommt am Dienstag, 8. August 2017 an die Heitere Events in Zofingen! Seit über drei Jahrzehnten begeistert der kanadische Superstar die Menschen auf allen Kontinenten, hat mehr als 65 Millionen Alben verkauft und Nr.-1-Plätze in über 40 Ländern rund um den Globus erreicht. Unterstützt wird er von Seven, dem erfolgreichen Schweizer R&B-, Funk- und Soul-Export.

Tickets sind für 75 Franken beim Ticketcorner erhältlich.

Alle Informationen gibt's unter www.magicnight.ch.

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Seven ist Vollblutmusiker, im besten Sinne eigenwillig und unglaublich kreativ – und das seit seinem Debüt im Jahre 2002 als 23jähriger. Der Aargauer reitet derzeit auf der Welle des Erfolgs: Sein letztes Werk «BackFunkLoveSoul» erreichte die Nummer eins in der


Schweiz; das neue «4Colors» erscheint rechtzeitig auf den Sommer; er spielt als Support der Fantastischen Vier und wurde von Xavier Naidoo – auch dies als erster Künstler aus der Schweiz – zur dritten Staffel von «Sing meinen Song» eingeladen. Seven wird auf dem Heitere in achtköpfiger Formation auftreten und wie gewohnt eine gut choreographierte Show zeigen, bei der sich kaum jemand vorstellen kann, dass dieser Sound tatsächlich aus der Schweiz kommt. Get Up! Eine schier unglaubliche Anzahl von unvergesslichen OhrwurmBalladen und energiegeladenen Rock-Songs gehen auf das Konto von Bryan Adams, Träger des Order of Canada, Mitglied der Canadian Music Hall of Fame, Gewinner von zahlreichen Awards und SterneBesitzer auf dem Hollywood Walk of Fame. Zusammen mit seinen langjährigen Begleitern Keith Scott (Leadgitarre) und Mickey Curry (Drums) sowie Keyboarder Gary Breit und Bassist Norm Fisher präsentiert er am 8. August auf dem Heitere eine mitreissende Show mit allen Klassikern und Songs aus seinem aktuellen Album «Get Up!», das zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten Jim Vallance geschrieben und vom legendären Electric Light Orchestra Frontmann Jeff Lynn produziert wurde. Obwohl all seine Alben die Spitzen der internationalen Charts erklommen und multiplen Gold- und Platinstatus erreicht haben, ist Bryan Adams mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben und zieht das Publikum seit mehr als drei Jahrzehnten mit Natürlichkeit und überschäumender Spielfreude in den Bann. Die Tickets für diesen «Super Tuesday» sind für 90 Franken unter www.ticketcorner.ch und bei allen bekannten Vorverkaufsstellen erhältlich. Türöffnung wird um 17:00, Konzertende etwa um 23:00 Uhr sein. Kinder mit Jahrgang 2007 und jünger haben in Begleitung ihres Erziehungsberechtigten Gratis-Eintritt wie üblich an den HeitereEvents.

Weitere Informationen gibt's unter www.heitere-events.ch.

BRYAN ADAMS




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Verwunschen Geheimnisvoll Poetisch

Ihr Ausstieg bei den Folk-Metal-Superstars Eluveitie war ein großer Schock für die Metal-Welt. Und doch lag in diesem unerwarteten Ende der Beginn von etwas Neuem, etwas ganz und gar Bezauberndem. Gemeinsam mit Ivo Henzi und Merlin Sutter gründete die Sängerin und Drehleier-Magierin Anna Murphy mit Cellar Darling ihre eigene Band. Deren Debüt „This Is The Sound“ ist ein verwunschenes, mystisches, poetisches und dramatisches Stück Musik zwischen Rock, Metal und Folklore. Alles wie immer also? Von wegen! Cellar Darling stehen für einen neuen, packenden Schweizer Sound, der weltweit durch die Decke gehen wird.


«Bei uns gibt es keinen alleinigen Mastermind und keine Rangordnung» bs. Eines möchte Anna Murphy um jeden Preis vermeiden: Schmutzige Wäsche waschen. Viel wurde geredet, gestänkert und spekuliert, seit sie, Gitarrist Ivo Heinzi und Schlagzeuger Merlin Sutter das Folk-Metal-Flaggschiff Eluveitie verlassen haben. Wie bei allem, so gibt es auch in dieser Geschichte zwei Seiten, zwei Sichtweisen. Murphy ist jedoch wichtig, das hinter sich zurückzulassen, was war, und sich stattdessen auf das zu konzentrieren, was kommt. „Ich lebe nicht in der Vergangenheit und finde nicht, dass es etwas bringt, sich ständig zu fragen, was gewesen wäre, wenn gewisse Dinge anders gelaufen wären“, erzählt sie uns im Interview. Seit ihrer Trennung von der erfolgreichsten Schweizer Metal-Band dieser Tage ist ein gutes Jahr vergangen, schon im September 2016 stellte sie mit Henzi und Sutter ihr neues Baby Cellar Darling vor. Mit „This Is The Sound“ veröffentlichen die drei jetzt ihr Debüt, ein beeindruckendes Zeugnis ihres Talents, ihrer Erfahrung und ihres Gespürs für unvergessliche Melodien. Cellar Darling – ein Freischwimmen? Durchaus. „Kreativ fühle ich mich so erfüllt wie noch nie zuvor“, gibt die gerade mal 27-Jährige zufrieden zu Protokoll. Mehr als zehn Jahre Eluveitie liegen hinter ihr, noch als Minderjährige stieg sie bei der Band ein. Jetzt wagt sie mit ihren Verbündeten einen Neuanfang, der nicht nur emotional für tumultartige Zustände gesorgt hat. „Die Monate nach dem Ausstieg waren natürlich ein einziges Chaos der Gefühle“, gibt sie zu, „aber es wäre auch komisch, wenn es nicht so gewesen wäre. Allerdings ging es auch finanziell sehr schnell den Bach runter. Merlin wohnt gerade im Proberaum, und auch ich muss aus meiner Wohnung raus.“ Ehrliche Worte, in denen dennoch weder Verzweiflung noch Zorn mitschwingen. Eher eine allumfassende Aufbruchstimmung. „Eine solche Situation kennen wir schon von ganz früher“, fährt sie gelassen fort, „schon damals bei Eluveitie setzten wir alles auf eine Karte. Also hat es sogar einen gewissen Reiz – Rock'n'Roll quasi.“ Jetzt profitiert Cellar Darling von der geballten Erfahrung dreier sehr versierter Musiker. Mit Eluveitie ging es in den vergangenen zehn Jahren durch 45 Länder auf sechs Kontinenten, alle Höhen und Tiefen begründeten einen gewaltigen Erfahrungsschatz. Und auch die eine oder andere Erkenntnis,

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die dem Trio in der Folgezeit sicherlich zugute kommen wird. Zum Beispiel? „Konflikte sind essenziell und man sollte nicht versuchen, sie zu vermeiden“, unterstreicht sie. „Man muss miteinander reden und ehrlich sein, ja, man soll sogar streiten wenn es das braucht.“ Die alte Weisheit vom Streit als reinigendes Gewitter, sie ist eben nicht von der Hand zu weisen. Was an „This Is The Sound“ sofort auffällt, ist die verwunschene, geheimnisvolle und poetische Stimmung, die den Songs innewohnt. Cellar Darling sind ein Teil Band und ein Teil Geschichtenerzähler am Lagerfeuer, ihr erstes Album ebenfalls die perfekte Symbiose aus musikalischer Unterhaltung und lyrischer Tiefe. „Wir haben definitiv unseren Sound gefunden, deswegen auch der Albumtitel“, beginnt Murphy. „Für uns war das eine sehr besondere und schöne Erfahrung, da wir keine Ahnung hatten, wo uns Cellar Darling hinführen würde. Wir haben einfach mal drauflos komponiert und waren dann selbst vom Resultat überrascht!“ Der Knoten platzte endgültig, als die drei realisierten, dass sie vollkommen frei waren und tun und lassen konnten, was sie wollten. Es gab ja keine Erwartungen, keine zu erfüllenden Muster. „Dementsprechend haben wir unseren Horizont enorm erweitert.“ Natürlich schimmert in den Stücken ihre Vorliebe für kernige Metal-Riffs und knackige Drums durch. Gleichermaßen präsentieren sich Cellar Darling als große Freunde emotionaler, melancholischer Rock-Musik und zerbrechlicher Akustik. Mehr als einmal erinnert ihr Erstling angenehm an die frühen Werke von The Gathering, durchsetzt von einem Detailreichtum, der sich erst nach mehreren Durchgängen erschließt. „Wir haben uns alle vollkommen verausgabt und alles gegeben, was in uns war“, so Murphy zum Prozess des Songwritings und der Aufnahmen. „All das war so intensiv wie noch nie und erfüllt von vielen schlaflosen Nächten. Einerseits die pure Euphorie, aber auch schon nah am Wahnsinn.“ Sie grinst. „Also genau so, wie es für mich sein muss.“ Natürlich an vorderster Front mit dabei: Anna Murphys geliebte Drehleier, für sie letztlich Alpha und Omega ihres Musikerdaseins. Schon auf den Pressefotos ist das wunderbare Instrument zu sehen, auf „This Is The Sound“


«Ich bin instabil, liebe das Chaos und habe kein Geld.»

spielt es auch eine tragende Rolle – und das, ohne an Eluveitie zu erinnern. „Mir war von Anfang an klar, dass ich mit Cellar Darling keinen traditionellen Folk spielen möchte“, verrät sie. „Und das ist mir mit der Drehleier überraschend leicht gefallen. Sie ist ein sehr vielseitiges, wandelbares Instrument, mit dem man wunderbar experimentieren kann.“ Derzeit spielt die Künstlerin zwei verschiedene Drehleiern, die beide von Sebastian Hilsmann (www.drehleierwerkstatt.de) gebaut wurden. „Die Largo (akustisch) verwende ich für Aufnahmen und akustische Gigs, die Accento (elektrisch) für die anderen Konzerte.“ Die gibt es bei Cellar Darling zunächst vielleicht nicht in dem Maße wie bei Eluveitie. Aber ein solch straffer Tourrhythmus ist und bleibt eh Geschmackssache. Lieber genießt Murphy das neue Miteinander in ihrer eigenen Band, in der es in erster Linie um Freundschaft geht, wie sie betont. „Das ermöglicht, die Kreativität ungehindert fließen zu lassen. Bei uns gibt es keinen alleinigen Mastermind und keine Rangordnung, wir arbeiten immer zusammen und es entsteht eine richtige Symbiose. Wir können stundenlang im Proberaum experimentieren, jammen, manchmal auch nur Bier trinken und Blödsinn reden und es wird trotzdem nie langweilig.“ Man könnte also sagen: Im Grunde genau so, wie es bei einer Band sein sollte. Ein weiterer großer Unterschied zu Eluveitie findet sich auch auf der lyrischen Ebene. Dominierte bei ihrer alten Band die Auseinandersetzung mit dem keltischen Erbe der Schweiz und den Riten der Vergangenheit, schlägt Murphy auf „This Is The Sound“ ihr eigenes Tagebuch auf. „Ich habe mich mit diesem Album auf einer kreativen Ebene wieder selbst gefunden“, sagt sie dazu. Und kann das Ganze natürlich auch konkretisieren: „Als Kind habe ich mich viel mehr mit meiner Kopfwelt und Fantasie beschäftigt als mit materiellen Dingen, ich konnte ganze Tage nur damit verbringen, in eine imaginäre Welt abzutauchen. Diesen Träumereien hatte ich eine Zeitlang den Rücken zugekehrt und somit einen Teil meines Ichs verloren.“ Mit Cellar Darling, so sagt sie, hat sie es wieder gefunden. „Ich möchte Geschichten schreiben, die

die Vorstellungskraft der Hörer animieren und sie träumen lassen – so wie auch ich das immer tue, wenn ich Musik höre. „Bei uns kann es deswegen um alles gehen“, sagt sie lächelnd. „Ganz gleich, ob das nun eine dicke, böse Fee ist oder ein Gedicht über den letzten Mann auf Erden.“ Einen dezenten roten Faden entdeckte sie deswegen auch erst, als die Texte fertig waren. „Ich habe gemerkt, dass es in vielen Songs um das Ende in diversen Formen geht, um den Tod etwa oder die Apokalypse.“ Sie pausiert kurz. „Es musste einfach so sein. Aber natürlich ist mir klar, wieso das so kam: Im letzten Jahr ging für uns ein wichtiger Lebensabschnitt zu Ende und ein neuer hat begonnen. Und schlussendlich ist das ja auch eigentlich das, was wir aus Filmen und Literatur als Apokalypse kennen: Sie entspricht nie wirklich dem definitiven Ende, sondern lässt immer genug übrig um einen Neuanfang zu ermöglichen.“ Sie ist schon ein ganz besonderer Charakter, diese Anna Murphy. Eine lebensfrohe, aber auch zur Melancholie neigende junge Frau, die für die Musik schon so viel aufgegeben hat. Und es dennoch jederzeit wieder tun würde. Wo dieser Ehrgeiz, diese Entschlossenheit begründet liegen? Eine gute Frage bei einer wie ihr. Der Vater Ire, die Mutter Schweizerin, sie irgendwo mittendrin. „Ich habe nie in Irland gelebt, aber fühle mich dort sehr zu Hause. Meine Heimat wird aber immer die Schweiz sein, ich liebe die Seen und unsere Berge.“ Dennoch sieht sie sich als untypische Schweizerin, wie sie schmunzelnd verrät: „Ich bin instabil, liebe das Chaos und habe kein Geld.“ Das Leben vermiesen lässt sie sich davon natürlich nicht. Und drückt man ihr vielleicht noch einen ordentlich gemixten Gin Tonic in die Hand, ist sie mehr oder weniger wunschlos glücklich. So wie wir es mit „This Is The Sound“ sein können also. Eines steht schon jetzt fest: Cellar Darling ist eine große Bereicherung nicht nur für die Schweizer Musikszene. Und dieses erste Lebenszeichen nur der Anfang einer fesselnden Geschichte, die uns noch lange in Atem halten wird.

Cellar Darling This Is The Sound Nuclear Blast/Warner bs. Das ist er also. Der neue Sound der Schweiz. Nichts dagegen, denn was Cellar Darling auf ihrem Debüt „This Is The Sound“ aufbieten, ist nicht weniger als eine spektakuläre Ouvertüre zu dieser neuen spannenden Ära. Gut ein Jahr nach ihrer Trennung von Eluveitie starten Anna Murphy, Ivo Henzi und Merlin Sutter jetzt mit neuer Motivation, neuer Leidenschaft und neuem Feuer durch. Nach all den gemeinsamen Jahren mit den Folk Metallern können Cellar Darling ihre Wurzeln und ihre Vergangenheit natürlich nicht ganz abstreifen, brillieren auf „This Is The Sound“ aber ab der ersten Sekunde mit einem Klangbild, das ebenso eigenständig wie verzaubernd ist. Die frühen The Gathering schweben durch den Raum, mal geht es metallisch zupackend zur Sache, mal bersten die Songs vor Rock-Energie, mal berauschen sie mit elegischer, verträumter Melancholie. Dass Anna Murphy eine begnadete Sängerin und eine nicht minder talentierte Drehleierspielerin ist, wussten wir natürlich schon vorher. Was sie auf „This Is The Sound“ aus sich herausholt, ist allerdings nichts Geringeres als ein spektakulärer Neustart, ein Freischwimmen auf höchster kreativer Ebene. Chapeau!

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Die Klasse von 92 Mr. Big können es nicht lassen. Ihr neuntes Album „Defying Gravity“ ist erfreulicherweise mehr als das Herunterbeten alter Hard-Rock-Tugenden und wird auch durch ihren alten Produzentenkumpel Kevin Elson zu einer zeitgemäßen Neudefinition ikonischer Werte. bs. Der 29. März 1992. In der Schweiz erscheint mit „To Be With You“ eine Single der US-amerikanischen Rock-Band Mr. Big. Wenn auch keine Unbekannten, so waren sie bis zu diesem Tag eher in rockigen Zirkeln bekannt bis beliebt. Mainstream sah anders aus. Dann kam „To Be With You“. Und die Band ging durch die Decke. In der Schweiz, aber auch in Deutschland, Österreich und den USA steigt die Ballade direkt auf die Eins in die Charts ein, wird in den folgenden Wochen im Radio praktisch pausenlos rauf und runter gespielt. Unter uns: Die Softrock-Nummer ist bei aller Eingängigkeit weder die beste noch die romantischste Nummer der Band aus Kalifornien. Aber sie verhalf Mr. Big zu einer goldenen Ära des Erfolgs, die sie nie wieder erreichen, geschweige denn übertreffen würden. Das wissen die Herren natürlich. Und es macht ihnen nichts aus. Wie zur Untermauerung dieser These findet sich auf ihrem neunten Studioalbum „Defying Gravity“ mit der Nummer „1992“ eine Nummer, die kräftig die Nostalgietrommel rührt und diese beispiellose Zeit mit großen Riffs, schrillen Soli und pumpenden Drums heraufbeschwört. „Das war einfach eine unglaubliche Zeit“, schwärmt Gitarrist Paul Gilbert heute. „Vor allem wenn man bedenkt, dass damals die Grunge-Welle so richtig losging.“ Mit einer wunderbaren Portion Selbstironie statten Mr. Big ihrem größten Erfolg einen launigen Besuch ab, der sicherlich nicht nur bei ihnen schöne Erinnerungen weckt. „Von einem Tag auf den anderen spielten wir Stadien in Indonesien, bis heute ist diese Zeit dafür verantwortlich, dass wir immer noch die ganze Welt bereisen können. Ich meine, damals, als wir alle noch diese gigantischen Frisuren hatten“, sagt er und muss selbst lachen, „wurden uns Türen geöffnet, die seither nicht geschlossen wurden.“ Für Bassist Billy Sheehan ist „1992“ das „Smoke On The Water“ von Mr. Big, ein autobiografisches Stück über den eigenen Werdegang, 25 Jahre später vorgetragen von einer Band, die mit Ausnahme von Richie Kotzen noch in Originalbesetzung um die Welt rockt. Aus den Stadien sind zwar wieder Clubs und mittelgroße Hallen geworden; die Lust an ihrem saftigen, melodischen Hard Rock mit dezentem Nostalgiecharme, sie ist aber ungebrochen. Aufgenommen wurde „Defying Gravity“ in den kalifornischen Ocean Studios, verantwortlich für diese blitzsaubere Leistung ist mit Kevin Elson alles andere als ein Unbekannter. Neben seinen Arbeiten für Europe oder Journey war er es, der den ersten vier Mr. Big-Alben ihren großen, pompösen Sound verpasste. Jetzt ist die alte Gang wieder vereint, sozusagen. Und legt mit „Defying Gravity“ das beste Werk seit dem Comeback 2009 vor.

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Sie haben wieder Lust. Das hört man den Songs an, das ist auch das, was Paul Gilbert dazu sagt. „Die Arbeit mit dieser Band ist auch nach all den Jahren noch sehr inspirierend. Jede Idee, die ich ins Studio schleppe, muss erst mal durch den Bandfilter.“ Dieser Filter achtet ganz genau darauf, ob der Song auch wirklich rockt, ob er eine starke Melodie hat und, am wichtigsten, ob er der gesamten Band ein Strahlen auf die Lippen zaubert. „Erst dann“, so Hauptkomponist Gilbert, „kommt der Song auch aufs Album.“ Qualitätskontrolle in bester Hard-Rock-Manier: Eine todsichere Angelegenheit. Für den an Parkinson erkrankten, aber standhaft trommelnden Pat Torpey ist diese Musketier-Mentalität eine der größten Stärken der Band. „Mr. Big ist nicht nur die Vision irgendeines Typen, dem alle anderen blind hinterherrennen“, betont er. „Wir spielen uns die Bälle immer wieder hin und her. Das macht unsere Musik zu dem, was sie ist.“ Es scheint, als gelte das für „Defying Gravity“ in besonderem Maße. Pure Spielfreude, gute Stimmung und süffiges Zusammenspiel zeichnen ein zeitlos gutes Rock-Album aus, gekrönt von Sheehans furiosem Bass-Spiel und dieser Aura des unerschütterlichen Zusammenhalts. „Wir haben eine Menge unruhige Zeiten Seite an Seite durchlebt“, so der Sänger Eric Martin. „All das hat das Band zwischen uns nur stärker gemacht – und diesmal dazu geführt, dass wir uns alle gegenseitig zu Höchstleistungen angestachelt haben. Mich erinnert dieses Album jedenfalls an diese Zeit zwischen 1968 bis 1972, meine unangefochtene Lieblingsepoche der Musikgeschichte.“ Wie es sich für diese Zeit gehört, wurde „Defying Gravity“ in schier unglaublichen sechs Tagen aufgenommen. „Ich mag diese gewisse Dringlichkeit bei Aufnahmen“, gibt Basser Sheehan zu. „Stell ein Mikro vor uns auf, drücke auf Start und du solltest das zu hören bekommen, was du auch live bei uns kriegst.“ Ein gewisser Druck im Studio sei dabei sehr empfehlenswert. „Druck sorgt für eine konzentriertere, bessere Leistung. Und damit für bessere Songs.“ Wer das neue Album hört, wird das bestätigen können. Passend zur knackigen, aufputschenden Musik gestaltet sich auch die Botschaft äußerst aufmunternd. „Dieses Album steht dafür, all diejenigen zu ignorieren, die dir einreden wollen, dass du es eh nicht schaffst, dass du eh nicht das tun kannst, was du liebst“, eröffnet Martin. „Lass dir nichts einreden und gib deine Träume nie auf.“ Sicher, das ist nichts Neues und auch nicht die größte Weisheit der Welt. Es passt aber zum Feel-Good-Rock auf „Defying Gravity“ und zu einer Band, die sich auf ihre Stärken besonnen hat und uns jetzt ein herrlich klassisches Rock-Album beschert.



REVIEWS Hard/Heavy/Metal CRAZY LIXX Ruff Justice Frontiers Records mv. Innovation ist für die Schweden Crazy Lixx definitiv ein Fremdwort. So liefern die Jungs auf auch dem neuen Album „Ruff Justice“ wieder polierten 80er Jahre Hair Metal der Marke Def Leppard, Skid Row, Europe oder Steelheart ab und verpacken dies in einem langweiligen Bandfoto-Coverartwork. Doch auch wenn man bei Crazy Lixx keine Überraschungen erwarten kann, das Wichtigste bei dieser Art von Rockmusik sind schlussendlich gute Melodien und packende Refrains. Und da punktet „Ruff Justice“ dann dafür von vorne bis hinten. Sänger Danny Rexon zaubert etliche bockstarke Hooks hervor und macht damit Stadionrocker wie „XIII“, „Wild Child“, „Live Before I Die“ oder das Albumhighlight „Walk The Wire“ ganz gross. Die druckvolle Produktion und vor allem die etlichen gewaltigen Chöre lassen definitiv die 80er wieder aufleben. Mit „If It's Love“ gibt’s dann auch noch eine fantastische Power-Ballade, welche perfekt auf die alten Metal Ballads-Sampler gepasst hätte. Die angesprochene Zielgruppe sollte also bedenkenlos zuschlagen und das Album dürfte bald auf so mancher Party rotieren.

WARRANT Louder Harder Faster Frontiers Records mv. Warrant zählten Ende der achtziger Jahre zu den ganz Grossen der Hair Metal/GlamSzene. Mit ihren beiden HitAlben „Dirty Rotten Filthy Stinking Rich“ von 1989 und „Cherry Pie“ von 1990 schwammen die Jungs auf einer riesigen Erfolgswelle und verkauften Millionen von Platten. Wie so viele andere fielen auch Warrant dann gnadenlos der Grunge/ Alternative-Bewegung der 90er zum Opfer und alle weiteren Alben floppten mehr oder weniger heftig. Es kam aber noch schlimmer, denn Sänger Jani Lane starb im August 2011 an den Folgen einer Alkoholvergiftung im Alter von nur 47 Jahren. Die Ur-Mitglieder Eric Turner, Jerry Dixon, Joey Allen und Steven Sweet wollen es jetzt mit Ex-Lynch Mob Sänger

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Robert Mason noch einmal wissen und legen mit „Louder Harder Faster“ ein weiteres „Comeback“-Album vor (das letzte Lebenszeichen erschien im 2011 mit „Rockaholic“). Leider hat „Louder Harder Faster“ genau das gleiche Problem wie schon das letzte Warrant-Album. Es fehlt an griffigen Refrains, grossen Hooks oder fesselnden Melodien, vor allem aber an Wiedererkennungswert. Das ist eigentlich nicht gross verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die grossen Warrant-Hits wie „Down Boys“, „I Saw Red“, „Uncle Tom’s Cabin“, “Sometimes She Cries” oder natürlich „Cherry Pie“ alle damals von Jani Lane geschrieben wurden. Ohne den Hauptsongwriter und die unverkennbare Stimme wäre eine Umbenennung hier sicherlich längst sinnvoll gewesen. Handwerklich gibt es zwar nichts auszusetzen und wirklich schlecht ist „Louder Harder Faster“ auch nicht. Aber Warrant sind meilenweit von ihren Glanzzeiten entfernt und werden es mit diesem Album ohne echte Höhepunkte sehr schwer haben gegen die nachgerückte Konkurrenz wie Eclipse, Reckless Love, Crazy Lixx oder Steel Panther.

CLOVEN HOOF Who Mourns For The Morning Star High Roller Records mv. Bei den einstigen NWoBHMHelden Cloven Hoof hat es mal wieder ordentlich gerappelt im LineUp. Das ist ja leider nichts Neues, so war zuerst das ewige Ein- und Aussteigen von Ur-Sänger Russ North ein Problem. Aber auch mit Sänger Joe Whelan ging es bei den Briten dann immer mehr abwärts als aufwärts. So war das letzte Studioalbum „Resist Or Serve“ zwar gar nicht schlecht, für richtige Begeisterung sorgte das Album aber nirgends. Nun hat sich das letzte Gründungsmitglied Lee Payne (Bass) zusammen mit seinem starken GitarristenDuo Luke Hatton/Chris Coss Verstärkung aus den USA geholt und seine Band mit den beiden Aska-Recken George Call (ex-Omen, exEmerald, Banshee) und Danny White (ebenfalls ex-

Omen) komplettiert. Und diese Mischung hat es in sich, so ist den Mannen mit „Who Mourns For The Morning Star“ mit Abstand das beste Cloven HoofAlbum seit dem Klassiker „A Sultan’s Ransom“ gelungen. Das beginnt schon mit dem bissigen Einstieg „Star Rider“ (Judas Priest zu ihren besten Zeiten lassen grüssen). Wird aber danach noch besser mit dem melodischen „Song Of Orpheus“, dem brettharten „I Talk To The Dead“ und dem fast ein wenig an Dokken erinnernden „Neon Angels“. Abwechslung ist Trumpf und George Call ist ohne wenn und aber einer der besten Sänger der heutigen Metal-Szene. Egal ob gefühlvoll, high pitched schreiend oder kräftig melodiös, er singt einfach alles souverän und hebt die Kompositionen auf ein höheres Niveau. Am stärksten sind Cloven Hoof dann aber beim Quasi-Titeltrack „Morning Star“ und dem abschliessenden Killer-Epos „Bannockburn“, welches beides epische Metal-Meisterwerke darstellen. Cloven Hoof haben sich 2017 also mal wieder völlig neu erfunden und verbinden geschickt britischen Stahl mit US-Metal, und das auf einem verdammt hohen Niveau.

HAREM SCAREM United Frontiers Records mv. “United”, das neue Album der schon ewig aktiven Kanadier Harem Scarem, liefert einmal mehr den Beweis, dass all die Frontiers-AOR-Projekte zwar schön und gut sind aber halt niemals mit den Releases der „echten“ Bands auf dem Label mithalten können. Mit „United“ legt die Band nun ihr insgesamt 15. Studio-Album vor, was wirklich beachtlich ist, denn der grosse Durchbruch war den Kanadiern trotz diversen Superalben leider nie vergönnt. Völlig unbeirrt liefern die Mannen um Sänger Harry Hess und Gitarrist Pete Lesperance erneut ein kleines Meisterwerk an Melodien und Hooks ab. Egal, welchen Song man auf „United“ auswählt, hier passt einfach alles. Der vor Melodien strotzende Opener und Titeltrack, das megaeingängige „Here Today Gone Tomorrow“, die erste VideoAuskopplung „Sinking Ship“ oder die berührende Ballade „Bite The Bullet“ seien mal als Anspieltipps genannt. Was an Harem Scarem vor allem immer wieder erstaunt, ist ihre

Fähigkeit, die Grenze zum Kitschigen immer wieder gekonnt zu Umgehen und dafür die Songs mit intelligenten Arrangements anspruchsvoll und trotzdem eingängig zu gestalten. Hut ab, zusammen mit der neuen Eclipse-Scheibe sicher eines der grossen Melodic-Highlights des Jahres 2017.

THE UNITY The Unity Steamhammer/SPV mv. Kein Monat ohne neue Projekte bekannter Musiker. Als wäre der Markt nicht schon mehr als genug überschwemmt mit neuen Releases und all den Wiederveröffentlichungen, muss in der heutigen Zeit einfach sozusagen jeder einigermassen bekannte Musiker unbedingt noch eine weitere Band oder ein Projekt starten. So auch The Unity, die neue Band der beiden Gamma Ray-Musiker Henjo Richter und Michael Ehre sowie Gianba Manenti, Stefan Ellerhorst, Jogi Sweers und Sascha Onnen der Band Love.Might.Kill. Gamma RayChef Kai Hansen ist dieses Jahr auf der „Pumpkins United“-Tour mit Helloween unterwegs, deshalb ist bei Gamma Ray zur Zeit Pause angesagt. Da Michael Ehre bei beiden Bands spielt, hat sich Henjo Richter eigentlich während dieser Pause jetzt einfach Love.Might.Kill angeschlossen und um für etwas mehr Aufsehen zu sorgen den Bandnamen geändert (etwas provokativ formuliert). Musikalisch orientiert sich „The Unity“ nämlich an den melodischen Love.Might.Kill, während die harte von Judas Priest beeinflusste Seite von Gamma Ray hier überhaupt nicht zum Vorschein kommt. Aufgrund der Vocals von Gianba Manenti klingen bei kraftvollen Songs wie „No More Lies“, „Killer Instinct“ oder dem tollen „Firesign“ (Anspieltipp des Albums) auch noch Astral Doors und Masterplan etwas durch. Henjo ist ein wirklich toller Gitarrist, der die Aufmerksamkeit sicherlich verdient. Aber „The Unity“ ist aufgrund einiger Längen und dem Fehlen von wirklich herausragenden Killersongs nicht mehr oder weniger als ein gutes, unterhaltsames Album.


WINTERSUN The Forest Seasons Nuclear Blast/Warner lg. Jari Mäenpää, Frontmann und Kopf der finnischen EpicDeath Metal Band startete 2004 mit dem Debüt „Wintersun“ gleich richtig durch und landete einen Volltreffer. Dann blieb es viele Jahre ruhig um die Band, doch „Time I“ brachte Wintersun im Jahre 2012 wieder auf die Metal-Landkarte zurück. Es folgten ausgiebige Touren und nun liegt mit „The Forest Seasons“ das dritte Album von Wintersun vor. Die Scheibe besteht aus vier überlangen Songs und lädt den Hörer auf eine musikalische Reise durch einen mystischen, nordischen Wald ein. Jeder Song steht für eine der Jahreszeiten und bildet für sich selber bereits ein Epos. Der gewaltige Opener „Awaken From The Dark Slumber (Spring)“ ist ein sehr abwechslungsreiches Stück Metal und verlangt dem Hörer schon sehr viel ab. Viel Pomp und viele Effekte ergänzen die hier sehr ausgiebig vorgetragene musikalische Kunst von Mäenpää und seiner Truppe. Das fette „The Forest That Weeps (Summer) kann zu dessen Ende mit einem massiven Chor aufwarten. Der dritte Song – „Eternal Darkness (Autumn)“ – beginnt knüppelhart mit Black MetalBlastbeats und verkörpert das abgrundtiefe Chaos, während das getragene und folkig angehauchte „Loneliness (Winter)“, den Hörer in eine Landschaft ohne Farben entlässt und mit einer fabelhaften Gesangsleistung von Jari aufwarten kann. „The Forest Seasons“ ist ein Album, welches zahlreiche Durchläufe braucht, um seine volle Wirkung zu entfalten. Grosses Ohrenkino. Anspieltipp: der vierte Song „Loneliness“. Live sind Wintersun am 8. September am Meh Suff! MetalFestival in Hüttikon in der Nähe von Zürich zu erleben.

BELOW Upon A Pale Horse Metal Blade/Sony lg. Epischer Doom, wie ihn Candlemass in den 80er Jahren oder auch auf ihrem

damals umstrittenen und später für gut befundenen „Chapter IX“ zelebriert haben, wurde nur von einer Handvoll Bands gespielt. Mit Bands wie Sorcerer (welche wieder aktiv sind und seit den Demos Ende 80er/Anfang 90er) und den Texanern Solitude Aeturnus liessen sich die Verehrer dieser Spielart des langsamen Metal an einer Hand abzählen. Die Schweden Below, 2011 gegründet, und mit einem fabelhaften Demo erstmals in Erscheinung getreten, konnten 2014 mit ihrer ersten Scheibe „Across The Dark River“ aufwarten. Mit „Upon A Pale Horse“ erscheint nun den Bruder des Erstlings, denn die beiden sehr starken Scheiben unterscheiden sich nur in Nuancen (etwas mehr Tempovariationen sowie unterschiedlich lange Songs). Endlich ist nun auch der grossartige DemoKlassiker „1000 Broken Bones“ zu Vinyl-Ehren gekommen. „Upon A Pale Horse“ ist Pflicht für Genre-Afficionados.

MUNICIPAL WASTE Slime And Punishment Nuclear Blast/Warner lg. Die seit dem Jahre 2000 aktive Crossover/Th rash-Truppe aus dem USBundesstaat Virginia konnte sich mit ihren fünf bisherigen Alben (allen voran „The Art Of Partying“ von 2007) und ihren energiegeladenen und mitunter etwas chaotischen Live-Shows einen sehr guten Ruf erarbeiten. Mit 14 kurzen Songs (kein Song dauert mehr als gute zwei Minuten) wird auf „Slime And Punishment“ das bisherige Erfolgsrezept verfeinert. Der Sound besticht als Mix von Thrash, Speed, Crossover und Hardcore - D.R.I, Suicidal Tendencies, Cryptic Slaughter und Konsorten lassen grüssen - und animiert zum sofortigen Gang in den Moshpit. Meist wird auf „Slime And Punishment“ das Gaspedal durchgetreten, doch groovige Parts bringen die manchmal dringend nötigen Atempausen. Bill Metoyer, der für seine Arbeiten mit Slayer und W.A.S.P. bekannt ist, hat „Slime and Punishment“ mit einem fetten Mix den letzten Schliff verpasst. Gutes Album eines längst totgeglaubten Genres.


Voll zurück nach vorn Seit 2016 sind RAGE wieder voll im Aufwärtswind. Nach dem Split mit Victor Smolski und André Hilgers im 2015 waren doch einige Zweifel im Raum, wie und ob es mit RAGE noch weitergehen würde. Das erste Album mit den neuen Musikern Marcos Rodriguez (Gitarre) und Vassilios Maniatopoulos (Drums) namens „The Devil Strikes Again“ (2016) liess dann schnell alle verstummen und kam vor allem bei den langjährigen RAGE-Fans mehr als nur gut an. Nur ein knappes Jahr später steht jetzt mit „Seasons Of The Black“ schon der Nachfolger bereit. Ob dieser in so kurzer Zeit entstandene Longplayer das Niveau des starken Vorgängers halten kann, durften Journalisten aus ganz Europa im beschaulichen Burscheid (Nahe Köln) im Megafon Studio bei einer Listening Session selber überprüfen:

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mv. Los geht's gleich mit einem treibenden Riff und dunklem Gesang. Der Titeltrack und Opener „Seasons Of The Black“ ist ein herrlicher Uptempo-Kracher mit hymnischem Refrain. Könnte als Highlight auch auf „Black In Mind“ stehen und wird jeden RAGE-Fan begeistern. Es geht gleich Vollgas weiter, „Serpents In Disguise“ basiert auf einem flotten Speed Metal-Riff und einem sehr melodiösen, urtypischen RAGE-Mitsingchorus. Mit „Blackened Karma“ folgt die erste Single/Videoauskopplung des Albums. Im Midtempo gehalten brilliert der Song mit schönen mehrstimmigen Vocals im Refrain, unterlegt mit interessanten Gitarrenmelodien. Das waren gleich drei Volltreffer hintereinander. Mit „Time Will Tell“ gibt's danach einen knackigen Rocker, welcher extrem an die „The Missing Link“-Phase von RAGE erinnert (1993). Mit „Septic Bite“ kommt dann ein etwas zähes, sperriges Stück Metal daher. Die Gitarren sind moderner gehalten und der Song passt irgendwie nicht so recht zum Rest des Materials. Zum Glück geht's mit „Walk Among The Dead“ gleich wieder in voller Stärke weiter. Ein weiterer Uptempo-Brecher, welcher eine dunkle Atmosphäre verbreitet. Wer dachte, jetzt wird's

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gemütlicher, wird mit „All We Know Is Not“ gleich eines besseren belehrt. Gleich noch einmal full speed ahead, dazu ein hymnischer Refrain, welcher sich sofort im Hirn festsetzt. Einfach nur geil und RAGE in Bestform. Zum Schluss folgt dann ein 20-minütiges Bombaststück namens „The Tragedy Of Man“. Unterteilt in 4 Akte („Gaia“, „Justify“, „Bloodshed In Paradise“ und “Farewell“) zeigen hier RAGE nochmal all ihr Können und bieten in einem Stück so ziemlich alles, was den Bandsound ausmacht. Ein kleines Meisterwerk. Als wäre das alles noch nicht genug, hat die Band für die Bonus CD (Limited Edition) sechs alte AVENGER-Stücke neu eingespielt. Speed Metal-Kultstücke wie „Adoration“, „Assorted By Satan“ oder „Faster Than Hell“ erstrahlen in neuem Glanz und sind dennoch roh und heavy geblieben. Die Kuttenträger-Fraktion wird freudig grinsen. Produziert haben RAGE das Album übrigens gleich selber, für den Mix war der legendäre Dan Swanö verantwortlich. Dass der Sound richtig gut geworden ist, muss bei diesem Namen fast nicht mehr erwähnt werden. RAGE-Fans können sich auf den Juli freuen, denn „Seasons Of The Black“ ist definitiv eines der besten Alben von RAGE überhaupt und kann mit fast allen Outputs der langen Bandhistory mithalten.


TRACKS bat im darauf folgenden Interview die ganze Band vor's Mikrophon, wobei Marcos so gesprächig und auskunftsfreudig war, dass neben ihm nur noch Peavy zu Wort kam… Ich gratuliere zum neuen, sehr starken Album. Es klingt sehr frisch, heavy und vor allem schnell. Von wo nehmt ihr diese Energie her, ihr klingt 2017 nach so vielen Jahren und Platten wieder jung, wild und unbekümmert? Peavy: Das kommt daher, weil wir menschlich im neuen Lineup so wunderbar harmonieren. Wir sind mittlerweilen super befreundet und inspirieren und motivieren einander immer wieder. Deshalb waren wir auch so schnell mit dem neuen Album fertig. Es geschah alles so ganz natürlich und wie von selber, so macht es uns als Band viel Freude und das hört man dann auch im Endergebnis. Das neue Album hat sehr viele Uptempo-Songs drauf und klingt somit wieder mehr nach den ganz alten RAGE. Eine Ausnahme ist der Song „Septic Bite“, welcher doch sehr modern und anders klingt als der Rest des Albums? Marcos: Alle Songs wurden von Peavy und mir geschrieben, so auch „Septic Bite“, welcher aber tatsächlich etwas anders klingt als der Rest. Er ist halt mehr so ein dunkles Monster, das sich aber trotzdem ganz gut in den Rest des Albums integriert. So kann sich der Hörer an dieser Stelle ein Bier holen zwischen den schnellen Nummern (lacht). Viele Songs des neuen Albums erinnern stark an die älteren RAGE-Platten, vor allem an die Alben „The Missing Link“, „Trapped“ oder „Black In Mind“. Habt ihr das bewusst so gesteuert oder auch erst bemerkt, als die neuen Songs mal fertig waren? Peavy: Diese Alben enthielten in den Augen der Fans den ganz typischen RAGE-Signature-Sound. Damals war ich der Hauptsongwriter der Band. In späteren Phasen von RAGE war das manchmal nicht mehr so der Fall, weshalb das Endresultat natürlich dann etwas anders klang. Für das neue Album war ich zusammen mit Marcus wieder der Hauptsongwriter. Und Marcus wiederum ist bei seinem Songwriting sehr stark von den alten RAGE-Sachen beeinflusst. Er war sozusagen einer unserer grössten Fans überhaupt. Deshalb klingt das neue Album auch wieder nach den ganz traditionellen, ursprünglichen RAGE. RAGE waren immer eine der wenigen Bands, die ihren Stil verändern durften ohne von der Szene massiv verurteilt zu werden. Vom anfänglichen Speed Metal über Power Metal zu Metal verbunden mit Klassik/Orchester (wo ihr ja die grossen Vorreiter wart) oder den späteren Gothic- oder Progressive-Ausflüge. Ihr habt so viele Varianten erschaffen von RAGE, da seid ihr sicher auch sehr stolz drauf oder? Peavy: Auf jeden Fall! Es waren zwar verschiedene Variationen des RAGE-Sounds, aber es klang doch immer klar nach RAGE in meinen Augen. Wir hatten halt so einige Veränderungen im Line-Up in all den Jahren, was sich dann auch immer im jeweiligen Endergebnis spiegelte. Marcos: Weil Peavy immer dabei war und seine Stimme absolut unverkennbar ist, klang es trotzdem immer nach RAGE. Wie grenzt ihr euch ab zu REFUGE, der anderen Band von Peavy (zusammen mit den ehemaligen RAGE-Musikern Manni Schmidt & Christos Efthimiadis)? Peavy: REGUGE ist die Vintage Version von RAGE (lacht). Klar ist es nicht so weit weg von RAGE, es ist halt eine Special Version für die alten Fans. Und es wird nur eine „Ein Album“Sache sein. Es war zuerst sogar nur als kleiner Fun gedacht für ein paar Gigs, aber die Angebote für die Konzerte und dann das Album waren so unglaublich gut und beständig, dass wir nachgaben und nun etwas mehr kommt von REFUGE. Aber es wird nur dieses eine Album geben und die Konzerte dazu. Danach steht RAGE komplett im Fokus. Marcos: Die Frage war, gab es da noch etwas zu sagen von diesem RAGE-Line Up? Da dies klar mit Ja beantwortet wurde, sollen sie es unbedingt machen für die Fans. Es ist sozusagen der „Missing Link“ des „Missing Link“ (lacht). Ein anderer „Missing Link“ ist die Bonus CD zum neuen Album (erhältlich bei der Limited Edition), wo ihr die uralten AVENGER-Songs (so hiessen RAGE ganz am Anfang ihrer Karriere) neu aufgenommen habt. Das Endresultat klingt sehr roh und heavy und gleichzeitig

herrlich unbekümmert und nach viel Spass. Die Songs haben den „Test of time“ ohne Zweifel sehr gut bestanden? Marcos: Die Frage war, was machen wir als Bonus für die Limited Edition? Es waren keine „normalen“ Songs übrig und wir wollten auch nicht immer nur Coverversionen machen, so kam irgendwann die Idee, diese alten AVENGER-Sachen wieder zum Leben zu erwecken. Eingespielt wurde das alles in extrem kurzer Zeit und das Resultat hat noch jeden sehr beeindruckt bis jetzt. Vielleicht werden wir davon auch was live spielen für unsere alten Fans. Zum Schluss des neuen Albums gibt es als Kontrast zu den schnellen Songs noch ein 20 Minuten-Bombast-Stück unterteilt in vier Akte. Ein kleines Meisterwerk darf man sagen, welches mit dem 2. Teil namens „Justify“ den grossen Hit der Platte enthält. Was gibt es dazu noch zu sagen, ausser dass Peavy beim Akustik-Intro im Studio selber zur Gitarre griff? Marcos: „Justify“ ist auch unser Lieblingssong im Moment. Dieses epische, lange Stück ist sozusagen unsere grosse Rückschau auf die Musik von RAGE, das „Grande Finale“. Es kombiniert in einem Song alles, was RAGE ausmacht, also Power, Speed, Thrash, Klassik, Heavy Metal und Bombast. Wir sind wahnsinnig stolz darauf und hoffen, es gefällt den Fans so gut wie uns. Dieser Song wäre doch perfekt für eine Umsetzung mit dem Lingua Mortis Orchestra? Peavy und Marcos fast unisono: Ja, das finden wir auch! Marcus: Wer weiss, wir haben schon darüber geredet, die Gedanken sind definitiv im Raum (lächelt verschmitzt). Zum Abschluss, was habt ihr noch so alles vor dieses Jahr, wie geht es weiter mit RAGE? Marcos: Zum neuen Album gibt's als nächstes einen Videoclip und dann natürlich diverse Festival-Auftritte und eine Tour. Wir wollen jedem zeigen, dass RAGE mit voller Energie und Kraft zurück sind!


There's only one way to rock in 2017... Mit der 5. Ausgabe vom ROCK ON! Music Festival wird ein Line-Up präsentiert, welches sich gewaschen hat: 16 angesagte nationale und internationale Acts wie XANDRIA, BATTLE BEAST, ANNA ROSSINELLI, die legendären SMOKIE, KISSIN' DYNAMITE und BONFIRE rocken nebst Am Freitag 11. August kommt die Zunft der Heavy- und Symphonic-Metaller voll auf ihre Kosten. BATTLE BEAST – die Vorreiter des zeitgenössischen finnischen Heavy Metals – sind nach umjubelten Tourneen mit Nightwish und Sonata Arctica zurück mit neuem Album "Bringer of Pain“ und für eine exklusive Open Air Show bei uns am Festival. Mit XANDRIA und Dianne van Giersbergen am Gesang haben wir einen weiteren Headliner mit an Bord, welcher mit "Theater of Dimensions“ in den USA und Europa grosse Erfolge feiert. Die Band fesselt den Zuhörer zu jeder Sekunde, voller Leidenschaft und atemberaubenden Gesangslinien. Ein weiteres Highlight am Freitag sind SERENITY. Ihre Musik ist geprägt durch ein historisches Konzept, worin verschiedenste historische Persönlichkeiten und deren Geschichten und Abenteuer musikalisch wieder zum Leben erweckt werden. Die mitreissenden symphonischen Songs und die bombastische Bühnenshow sorgen für pure Gänsehaut! SONS OF SOUNDS – 3 Brüder, eine Band – begeistern das Publikum mit ihrem Free Metal auf eine ganz spezielle Weise; lasst euch überraschen! 'Get rocked' am Samstag 12. August KISSIN' DYNAMITE aus dem Süden Deutschlands sind seit Jahren der Inbegriff für ihre energiegeladenen Live-Shows. Auch wenn die Musiker in diesem Jahr erst die 25 Lenze voll machen, so veröffentlicht die Band mit "Generation Goodbye" bereits ihr fünftes Album und zieht jeweils Scharen von Fans an ihre Konzerte. BONFIRE – mit einigen Höhen und Tiefen im Laufe der Zeit – meldet sich zurück, und wie! Das neue Album "Byte the Bullet" schlägt ein in den Charts wie zu besten Zeiten in den 80er Jahren, als die Band u. A. mit Judas Priest um die Welt tourte. Seid gespannt auf diese extrem starke Band, nebst den neuen Nummern natürlich inklusive aller Hits aus den Alben "Point Black" und "Fireworks". Mit DREAMSHADE folgt am Samstag ein weiterer Höhepunkt. Die Truppe aus dem Tessin ist mit aktuellem Album "Vibrant" auf Tour, welches weltweit Top Chartplatzierungen, unter anderem auch Platz 1 der Schweizer Rock und Metal iTunes Charts, erreichte. Victor Smolski, den meisten unter uns bekannt als Gitarrist, Produzent und Komponist bei der Heavy Metal-Institution Rage, setzt seine Karriere mit ALMANAC fort. Traditioneller Power Metal in Verbindung mit einem bombastischen Orchesterklang sowie Elementen aus Weltmusik und der Moderne machen die Band zum absoluten Hörerlebnis. BLOODBOUND, die Power Metaller aus Schweden, sind mit neuem Album "War of Dragons" auf Tour und für eine exklusive

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Open Air Show am Rock on! mit dabei. Und zu guter Letzt, resp. als Opener am Samstag, konnten wir MISS RABBIT fürs Festival gewinnen. Die aufstrebende Band aus dem Rheintal ist der Garant für eine ehrliche Show, ganz im Sinne des Rock n' Roll Geistes. 'Family Day' Sonntag 13. August Wer kennt sie nicht: SMOKIE, die in den 70er Jahren mit Hits wie "If you think you know how to love me", "I'll meet you at midnight", "Lay back in the arms of someone", "Wild Angels" und vielen mehr die Charts stürmten. Mit insgesamt 15 Top 20-Hits, inklusive "Living next door to Alice", das weltweit über 30 Millionen mal verkauft wurde und über viele Wochen die Nr. 1 in den Charts war, schrieben sie Musikgeschichte. Seid mit dabei an diesem Konzert und erlebt die Legenden hautnah und exklusiv bei uns am Festival! Auf eine musikalische Reise nimmt euch die erfolgreiche Singer/Songwriterin ANNA ROSSINELLI mit. 2011 vertrat sie die Schweiz beim Eurovision Song-Contest in Düsseldorf. In 2015 – nach drei Monaten in der USA, zahlreichen Songskizzen und etlichen Begegnungen – entdeckte Anna sich neu. Mit frischen, sinnlichen und explosiven Songs begeistert die schöne Schweizerin mit ihrer Band das Publikum. Grosses Comeback der Mundart-Sängerinnen SANDEE: Sandra Moser alias Sandee, bekannt unter Anderem als Sängerin bei Gölä und Hanery Amman, kehrt nach einer sechsjährigen Pause mit einer starken und authentischen Performance zurück. Ihr neues Werk „Zrügg zu mir“ erreicht im Frühjahr 2017 die Top-10 der Schweizer Hitparade. Verpasst auf keinem Fall die neuen Melodien mit Ohrwurmpotenzial, jetzt noch inniger, ehrlicher und beschwingter. BABA SHRIMPS, das sind drei Musiker mit einer umwerfenden und herzerwärmenden Interpretation von zeitgenössischer Popmusik. Kurz vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Neon“ (2014) wurde die Band vom Label Sony Music unter Vertrag genommen. Das Album war ein grosser Überraschungserfolg und platzierte sich prominent in den Schweizer Charts. Rechtzeitig zum Festival erscheint nun im Frühsommer 2017 der neue Longplayer. Eine geballte Ladung Originalität und Herzblut bringen die Jungs der BRUCE CRADLE BAND auf die Bühne. Mit ihrem Slogan „The Heart, Passion and Soul of Rock n' Roll “ performten sie mit Weltstars wie Status Quo, Joe Cocker und Toto. Aktuell arbeitet die Band an ihrem neuen Album. Sied gespannt auf BCB, exklusiv bei uns am Festival mit dabei! Alle weiteren Infos über Eintrittspreise, Spielzeiten etc. unter

www.rock-on.ch


Hard/Heavy/Metal REVIEWS PRONG Zero Days SPV/Musikvertrieb lg. Knapp zwei Jahre nach „X-No Absolutes“ gibt es von der NewYorker Groove-Maschine Prong wieder neues Ohrenfutter. Die seit Ende 80er Jahre mit Unterbrüchen aktive Truppe um Mainman Tommy Victor (v./git.) stellt nun „Zero Days“ ins Regal. Seit dem Comeback 2012 ist „Zero Days“ das dritte reguläre Album von Prong (dazu kam ein tolles Cover-Album dazu). Das Tempo von Tommy Victor mag erstaunen, doch sammelt der Vollblutmusiker bereits auf Tour ständig Ideen und arbeitet alles zuhause dann sofort aus. Auf „Zero Day“, welches mit sehr kritischen Texten daherkommt, findet sich der bewährte Prong-Mix aus Groovemonstern, Thrashern sowie etwas hymnischen Refrains und einem Schuss Industrial. Mit „Zero Days“ kann sich Tommy Victor ein weiteres sehr gelungenes Album in seine Discographie stellen, welches von vorne (vom Opener „However It May End“) bis hinten (zum Rausschmeisser „Wasting Of The Dawn“) ohne Abnutzungserscheinungen gehört werden kann und somit den Vorgänger übertrifft. Als Anspieltipp sei der groovige Titelsong „Zero Days“ genannt.

TYTAN Justice Served High Roller Records lg. Nach dem Ausstieg bei der die NWOBHM prägenden Angel Witch formierte Bassist Kevin Riddles die Band Tytan, die neben Praying Mantis eher der melodischen Ecke dieses Genres zugeordnet werden konnten. So überrascht es, dass das vorliegende zweite Album nicht in die Kerbe des genialen Erstlings "Rough Justice" (1985) oder der vorab ausgekoppelten Single "Blind Men And Fools" (1982) schlägt, sondern mit mehr Heaviness aufwarten kann. Es finden sich mit "Love You To Death", "The Cradle" oder "Billy Who?" einige wirklich Songs auf Justice Served, doch leider hat es auch Durchschnitts-

ware wie beispielsweise "Midnight Sun" oder "Forever Gone". Schade, denn Tytan haben es verpasst, die Magie ihres Debuts zu reproduzieren, denn ein paar eher einfach gestrickte Riff-Rocker wären nicht nötig gewesen. Dennoch macht es Freude, die alten Recken wieder willkommen zu heissen und man spürt der Band auf "Justice Served" förmlich ihre Spielfreude an.

HOUSE OF LORDS Saint Of The Lost Souls Frontiers Records mv. House Of Lords, die Hauptband von Sänger und Songwriter James Christian, gibt seit der Reunion im 2004 Gas und veröffentlicht in regelmässigen Abständen immer wieder gute bis sehr gute Alben. So ist der neue Output „Saint Of The Lost Souls“ tatsächlich bereits das 11. House Of Lords-Album. Ein Kritikpunkt gleich vorab ist die Songreihenfolge. So wurde mit „Harlequin“ ein leicht progressiver, zu wenig packender Opener gewählt. Auch das folgende „Oceans Divide“ ist zwar ganz gut aber auch nicht mehr. Ein guter Einstieg wäre dafür das an dritter Stelle platzierte „Hit The Wall“ gewesen, wo man endlich zu Höchstform aufläuft und im Refrain an selige alten Zeiten erinnert. Auch der darauf folgende Titelsong ist richtig stark und bietet feinsten Melodic Metal. Die obligatorische Ballade “The Sun Will Never Set Again” dürfte dann auch die Frauenherzen mal wieder höher schlagen lassen. Beeindruckend ist auch noch das ungewohnt arrangierte „Grains Of Sand“ vom hinteren Teil der Platte. Gitarrist Jimi Bell glänzt immer wieder mit gefühlvollen Soli, aber die Keyboards sind bei House Of Lords trotzdem immer an vorderster Front. So wird das Album sicher vielen Metalfans arg zu plüschig sein. Zu bemängeln ist leider noch der etwas zu wenig druckvolle Sound, der den Hörgenuss doch schmälert. Gerade im Vergleich zu aktuellen Alben von Bands wie Eclipse oder Crazy Lixx müssen sich die Veteranen hier diesen Vorwurf leider gefallen lassen. Sicher eine gute Scheibe und Pflichtkauf für Fans der Band, aber gemessen an den Highlights der eigenen Diskografie leider nicht herausragend.

DANZIG Black Laden Crown Nuclear Blast/Warner ip. Für Fans des kleinen Brüllwürfels aus New Jersey war die Ära Danzig (nach Samhain und den Misfits) nach den ersten drei Alben beendet, die toleranteren Hörer nahmen auch noch das vierte mit. Als sich dann die Originalbesetzung mit Eerie Von, Chuck Bisquits und John Christ nach Album Nummer vier verabschiedete und damit (leider) auch Produzent Rick Rubin, war, was die Mischung aus bösem Blues und Eingängigkeit angeht, das Ende der Fahnenstange erreicht. Seinen Kultstatus hatte sich Glenn Danzig bereits lange vorher erarbeitet und deshalb verschwanden auch alle weiteren Alben nicht in der Versenkung, sondern fanden berechtigte Beachtung. „Black Laden Crown“, das elfte Werk, fängt mit dem Titeltrack und ausserordentlich befremdlich an. Befremdlich deshalb, weil es doch sehr verwundert, warum die Gitarre leicht verstimmt ist und das auch für Glenn Danzigs Stimme zutrifft. Tommy Victors Mitarbeit an dem Album sticht zum ersten Mal in „Devil On Hwy 9“ heraus, allerdings hinterlässt auch da der Gitarrensound das gleiche Gefühl wie ein Laubsägeblatt im Trommelfell. Was früher dunkler, swingender Blues war, ist heute eine Ansammlung aus schleppenden Ein-Riff-Songs mit hypnotischer Ambiance. Das hat früher funktioniert, weil die Erstbesetzung der Band eine Bank und Rick Rubin sowieso über jeden Zweifel erhaben war. Glenn Danzig ist es als Produzent nicht. Man KANN alles alleine machen, sollte sich aber auch auf seine Stärken besinnen und Fachleute für den Rest zur Rate ziehen. Von Danzig-Alben ist man zwar eh keine High-End-Produktionen gewohnt, was auch richtig ist, aber „Black Laden Crown“ klingt schon hart an der Grenze zur Schülerband. Dass hier offensichtlich wenig bis gar nichts korrigiert wurde, geht als Pluspunkt an den Gruselbarden. Auch einen gewissen Punk-Bonuspunkt kann man verteilen. Dass der Gesang, der mittlerweile altersbedingt auch schon etwas silbern klingt, aber dermassen in den Vordergrund geschoben wird, dass die restlichen Instrumente dahinter fast verschwinden, ist eher zwielichtig. „Black Laden Crown“ ist für die einen, denen es immer schon nur um den rohen Kern von Danzigs Aussage ging, eine Offenbarung und dürfte als eines der besten Alben seiner Karriere gelten. Für die Rock'n'Roll-Anhänger unter den Fans ist „Black Laden Crown“ vermutlich zu öde. Wer sich allerdings die Platte mehrmals durchhört, wird vor allem gegen Ende mit „Blackness Falls“ und „Pull The Sun“ zwei wirklich unter die Haut gehende Tracks finden.

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Das in Süddeutschland stattfindende Summer Breeze Open Air besteht seit 1997 und hat sich neben dem Wacken Open Air als eines der europaweit grössten Heavy Metal Festivals unter freiem Himmel etabliert. Rund 45'000 Personen pilgern jährlich Mitte August zum Flugplatz Dinkelsbühl (Bayern) und lassen es sich zu metallischen Klängen verschiedenster Couleur gutgehen. Dieses Jahr wird die grosse 20-Jahre-Jubiläums-Party vom 16. bis 19. August über vier Tage stattfinden. lg. Seit über 20 Jahren wird am Summer Breeze Open Air mächtig Gas gegeben und eine grosse Metal-Party veranstaltet. Bis 2005 fand das Festival nordöstlich von Stuttgart in Abtsgmünd statt und zog 2006 aus Platzgründen nach Dinkelsbühl um. Jedes Jahr treten über drei Tage (Donnerstag bis Samstag) ca. 120 Bands auf vier Bühnen auf, wobei die Hauptbühne (Main Stage) und die Nebenbühne (Pain Stage) direkt nebeneinander stehen, so dass die Bands abwechselnd spielen können, ohne einander zu beeinträchtigen. Dadurch kommt es zu weniger Überschneidungen und zu keinen längeren Wartezeiten. Bereits ab Mittwoch geht es auf der T.Stage (seit 2014 als Andenken an den 2013 verstorbenen Mitbegründer Michael "Mr. T." Trengert so benannt) und der Camel Stage zur Sache. Zudem wird von Dienstag bis Samstag ein Nebenprogramm auf der neuen Campsite Stage in der Nähe des Festival-Eingangs stattfinden. Musikalisch findet sich auf dem Summer Breeze wie seit Jahren eine gute Mischung aller Stilrichtungen aus dem Heavy Metal Universum. Der Schwerpunkt der Bandauswahl liegt in einer Mischung aus Death Metal, Hardcore, Metalcore und Thrash Metal. Es sind jedoch regelmäßig auch Bands aus anderen Metal-Richtungen vertreten. Während 1997 noch keine allzu prominenten Bands auftraten, finden sich mittlerweile viele Größen auf dem Summer Breeze wieder. In diesem Jahr sind als bekannteste Bands Acts wie Megadeth, Amon Amarth, Kreator, Korn oder auch Life Of Agony zu nennen. Es finden viele weitere erwähnenswerte Auftritte statt: Die Portugiesen von Moonspell mit einer Ambient Acoustic Show oder die Finnen von Amorphis mit einer Best of Show. Weitere Hochkaräter sind Mgla aus Polen mit ihrem finsteren Black Metal, dann die Amerikaner von Night Demon mit ihrem erfrischenden NWOBHM-angehauchten Metal oder auch Acts wie Memoriam, Obituary, Sacred Reich, Asphyx oder Dark Tranquillity. Auch die Schweiz ist am Summer Breeze vertreten: Einerseits spielen die Folk-Metaller von Eluveitie zweimal (eine Show ist akkustisch) und dann haben wir das Vergnügen mit den grossartigen Basler Black Metaller von Schammasch.

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AMON AMARTH

MEGADETH KORN


EPICA

AMORPHIS KREATOR

ELUVEITIE

Das örtlich nicht sehr weit entfernte Label Nuclear Blast (Donzdorf/80 km) und mittlerweile Weltmarktführer in Sachen Heavy Metal ist eng mit der Geschichte des Summer Breeze verbunden. Denn immer traten Bands aus dem Stalle Nuclear Blast auf und es fanden regelmässig Nuclear Blast LabelNights auf dem Summer Breeze statt. Doch dieses Jahr stellt alles in den Schatten, denn das 1987 von Markus Staiger als Ein-Mann-Projekt gegründete Label feiert auf dem Summer Breeze seinen dreissigsten Geburtstag. Dieser Anlass wird anständig gewürdigt, denn alle Bands, die am Freitag 18. August im Rahmen des „Blast Bash - 30 Years of Nuclear Blast“ auf der Hauptbühne spielen werden, stehen bei Nuclear Blast unter Vertrag, sodass die Fans einen tollen Überblick über zumindest einen kleinen Teil des Nuclear Blast-Portfolio bekommen werden. Es handelt sich um die folgenden Acts: Amorphis, Aversion Crown, Battle Beast, Betontod, Cellar Darling, Children Of Bodom (feiern ihren 20. Geburtstag), Eluveitie, Epica, Hatebreed, Kreator, Memoriam, Sonata Arctica sowie Wintersun. Was vor 30 Jahren mit zwei Hardcore/Punk-Samplern und dem Impulse Manslaughter-Debüt begann, ist heute Heimat von Topsellern wie Slayer, Sabaton, Nightwish, Machine Head, Dimmu Borgir oder auch Anthrax. Mit gut 120 Bands unter Vertrag wird bei Nuclear Blast aber auch die Aufbauarbeit junger Bands gross geschrieben. Allerdings verlief der Weg steinig, denn erst mit der Death Metal-Welle und Bands wie Dismember und später, als im Jahre 1997 Hammerfall mit ihrem Debüt „Glory To Teh Brave“ dem damals etwas serbelnden traditionellen Metal neue Akzente setzten, konnte das Label durchstarten. Dann ging es stetig weiter rauf mit Bands wie Stratovarius, Manowar und Dimmu Borgir und heute ist Nuclear Blast aus der Metal-Szene nicht mehr wegzudenken. Um den Besucheransturm bewältigen zu können, wurden über die Jahre die Anfahrtsmöglichkeiten zum Summer Breeze sowie die Park- und Campingflächen vergrößert. Die Bühnenanlage wurde ebenfalls umgestellt, um den Zuschauern kürzere Wege zwischen den Bühnen zu ermöglichen. Seit 2007 bietet das Festival einen Biergarten. Die Merchandise-Einkaufsmeile wurde ebenfalls ausgebaut und liegt auf dem Bühnengelände direkt zwischen der Einlasskontrolle bzw. Partyzelt und den beiden Hauptbühnen. Außerdem wird ein kostenloser Shuttlebus-Service nach Dinkelsbühl (übrigens ein sehr sehenswertes Städtchen) und zurück angeboten, der regelmäßig im Zehn-Minuten-Takt verkehrt. Das Campinggelände ist mit Duschen, gespülten Toiletten, Trinkwasserstellen, Dixi-Toiletten, kleinen Supermärkten, Essensständen und Info-Boards versehen. Alle weiteren Infos zum Festivals finden sich auf

www.summer-breeze.de Dort können auch Tickets bestellt werden. Dann mal nichts wie hin und auf ins grosse Metal-Abenteuer ans Summer Breeze. Ihr werdet es nicht bereuen! SONATA ARCTICA

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Phönix aus der Fun-Punk-Asche

Alles neu in Süddeutschland. Itchy Poopzkid heißen mittlerweile nur noch Itchy, haben mit Arising Empire ein großes neues Label im Rücken und blasen mit „All We Know“ zum klanggewaltigen Neuanfang. Verschwunden ist der unbeschwerte Fun Punk der Vergangenheit, aus dem Kokon krabbelt eine gereifte Band, die ein explosives Alternative-Rock-Album voller Ecken, Kanten und verdammt guter Songs vorgelegt hat. bs. Man kann natürlich nicht drum herum reden, dass der Name echt dämlich war. Itchy Poopzkid, so heißt vielleicht mal eine Schülerband, aber eben keine gestandene RockTruppe, die bald 1000 Konzerte gespielt und zahlreiche Platten veröffentlicht hat. Genau das war aber eben das Problem: Gegründet noch im Teenager-Alter, wuchsen die Itchy sehr bald zu einer großen und erfolgreichen Band heran, wurden wegen ihres recht unüberlegt und bestimmt auch naiv gewählten Namens aber eben stets auch ein wenig belächelt. Damit ist jetzt Schluss. Man hat den Namen auf das deutlich knackigere Itchy verkürzt und mit „All We Know“ gleich ein Album mitgebracht, das auch dem letzten Belächler das gehässige Grinsen aus dem Gesicht fegen wird. Es sind packende, explosive, ernstere und eingängige Songs, mit denen sich die Süddeutschen zurückmelden und eine neue Ära einläuten. „Die Umbenennung lag schon öfter auf dem Tisch, wurde diesmal aber nicht wieder runtergenommen“, so Sänger und Gitarrist Daniel „Panzer“ Friedl. „Diesmal haben wir es durchdiskutiert, weil wir drei den Bandnamen einfach nicht mehr als geeignet empfanden. Die Inhalte der neuen Platte sind ernster geworden, da passt ein Name wie Itchy Poopzkid einfach nicht.“ Klar, früher passte der Name durchaus. Die Musik klang jung, unbeschwert und augenzwinkernd, die Band war es eh. „Natürlich haben wir immer noch Spaß auf der Bühne und versuchen manchmal auch, lustig zu sein“, fährt er fort. „Wir

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nehmen uns ja auch nicht wirklich ernst, doch der Name wurde gewissen Themen, die uns wichtig sind, einfach nicht gerecht.“ Kurzerhand wurde das Poopzkid über Bord geschmissen, tatsächlich ein Entschluss, der mehr Vorteile als Nachteile bringt. „Es war eben teilweise auch so, dass uns gewisse Veranstalter einfach nicht gebucht haben, weil sie den Namen scheiße fanden. Das ist natürlich unfair und gibt dir schon zu denken.“ Überhaupt sind die Itchys, wie ihre Fans sie nennen, nachdenklicher geworden. Und zeigen das erstmals auch in Songs wie dem gesellschaftskritischen „Fall Apart“. „Diese Songs“, sagt Friedl, „sind ein Spiegel der verrückten und total komplizierten Zeiten, in denen wir leben. Es gibt kein Schwarz und kein Weiß, alles liegt irgendwo dazwischen. Doch sich zu informieren, ist unglaublich schwierig geworden, überall gehen populistische Parteien auf Beutezug. Es ist wichtig, dass man sich sorgfältig informiert, dass man den Mund aufmacht und für das auf die Straße geht, was man schützen will.“ Genau das kommt auch im Artwork und im Albumtitel „All We Know“ zum Tragen, das angenehm an das „Wish You Were Here“-Cover von Pink Floyd erinnert. Der Sprung, den die drei unzertrennlichen Typen vollzogen haben, er ist schon beeindruckend. Alle Zeichen stehen auf Sturm, selbst nach den mehr als beachtlichen Erfolgen könnte es hier noch ein gutes Stückchen weiter nach oben gehen. Mit dem Nuclear-Blast-Ableger Arising Empire haben sie jetzt auch wieder einen vollwertigen Partner an der Seite. „Wir wollten wieder mehr Augenmerk aufs Musikmachen legen“, begründet der Sänger die Entscheidung. „Die letzten drei von uns selbst veröffentlichten Platten waren eine geile Erfahrung, bei der wir sehr viel gelernt haben. Es war aber eben auch sehr, sehr viel Arbeit, die größtenteils nichts mit dem kreativen Prozess zu tun hatte.“ Der sollte wieder mehr im Vordergrund stehen. Man merkt schnell: Der Qualität der Songs hat das sehr gut getan. „Wir wollten eine Platte machen, die uns selbst überrascht“, zeigt sich auch Friedl sehr erfreut von den Entwicklungen. „Eben eine, die wir selbst abfeiern und die zeigt, wo wir gerade stehen. Es ist eine große Gefahr, sich zu wiederholen. Umso wichtiger ist es, bewusst aus Mustern auszubrechen und mal was Neues zu versuchen.“

ITCHY All We Know Arising Empire/Warner bs. 17 Jahre erfolgreiche Bandgeschichte – und trotzdem immer noch auf den Namen reduziert: Itchy Poopzkid hatten es in den letzten Jahren nicht immer leicht. Dennoch zockten die Süddeutschen auf bald 1000 Konzerten, brachten sechs erfolgreiche Alben raus und gründeten ein eigenes Label. Jetzt erfolgt der nächste Schritt: Der Name verkürzt auf Itchy, das Album „All We Know“ eine stilistische Neuausrichtung. Verschwunden ist die sonnige Unbeschwertheit der kalifornisch geprägten Punk-Zeiten, ersetzt wird sie durch ein ernsteres Alternative-Rock-Album. Zwar hat das verschworene Trio seinen Humor nicht verloren und lässt es auch immer noch gern mal krachen, insgesamt passt die Musik aber eben viel besser zu drei Typen Mitte Dreißig, die eben nicht mehr nur über die erste Liebe und das letzte Bier singen. Mit merklich gereiftem Songwriting und einer tollen Produktion pfeffert uns der Dreier ein großes, ein reifes und ein brandaktuelles Rock-Album um die Ohren, das die vielen Fans verzückt jubeln und auch die letzten Kritiker verstummen lässt.



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Katzenmusik? ip. In Neo Noire vereinigen sich seit Anfang 2015 vier der verdientesten und besten Musiker der Basler Szene. Thomas Baumgartner (Erotic Jesus, GurD, Undergod), Frederyk Rotter (Zatokrev, The Leaving), David Burger (Slag In Cullet) und Franky Kalwies (Disgroove) haben mit ihrem Debut „Element“ ein dickes Ausrufezeichen auf die musikalische Landkarte gemalt und zelebrieren mit ihrem Hybrid Rock einen Stilmix aus ihren musikalischen Vorlieben, die über Grunge und Metal in traditionellen Hardrock mündet. Ihr grossartiges Album war Grund genug, sich bei Thomas Baumgartner zum Stand der Dinge zu erkundigen und der Frage nachzugehen, warum Neo Noire auch unbedingt ins Genre „Katzenmusik“ gehört.

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Wie kommt es, dass ihr streckenweise sehr nach Alice In Chains klingt? Das ist eine sehr gute Frage, die ich überhaupt nicht beantworten kann (lacht). Findest du das? Ja, denn die Melodiebögen im Gesang und die vom Grunge beeinflussten Arrangements zeigen oft in diese Richtung. Das finde ich interessant. Als ich Anfang der 90er meine ersten Alben herausgebracht habe, wurde meine Musik unter anderem mit den Smashing Pumpkins verglichen. Aber es sind immerhin nette Vergleiche! Mir sind gewisse Parallelen auch erst aufgefallen, weil mir das andauernd gesagt wurde. Ich habe diese Art von Musik schon immer gehört, forcieren tue ich eventuelle Ähnlichkeiten aber nicht. Für Fredy waren diese Bands musikalisch wichtig, aber dadurch, dass ich zehn Jahre Altersvorsprung vor Fredy und noch mal so viele vor unserem Drummer David habe, bringe ich vor allem Led Zeppelin und Black Sabbath mit und das mischt sich mit den

Es ist sehr erstaunlich, dass Fredy überhaupt solche Musik mag und macht. Er ist ja ansonsten mit seiner Hauptband Zatokrev eher im härteren Sludge-Bereich zu finden. (lacht). Daneben hat er ja noch sein Soloprojekt The Leaving, wo er mit Akustikgitarre sehr ruhige Singer/SongwriterMusik spielt. Für ihn ist Neo Noire doch eine Herausforderung, weil er in diesem Kontext eher fröhlich und lebensbejahend unterwegs ist und nicht mit den dunklen, tiefen Geschichten wie zum Beispiel bei Zatokrev. Aber er kann diesen Spagat sehr gut. Er ist vor allem auch ein wahnsinnig guter Gitarrist und hat sich in einem Gesangsstil versucht, den er noch nie ausprobiert hat. Das finde ich grossartig. Die stilistisch grosse Bandbreite findet sich ja auch in deiner Vita. Zwischen deinen ehemaligen Bands Erotic Jesus, GurD, Undergod oder den Blackberry Brandies liegen musikalische Welten. Ist Neo Noire ein neuer

Einflüssen der jungen Jungs (lacht). Neo Noire ist die Schnittmenge aller Bands und Musikrichtungen, die wir gut finden, die sich aber dann auch wieder in sehr verschiedene Richtungen aufteilen. Ihr seid eine neue Basler Band, die mit dem Debut mächtig Staub aufwirbelt. Im Vergleich zu euren Basler Kollegen Zeal & Ardor, bei denen das ähnlich funktioniert und die mit Black Metal Gospel etwas völlig Neues aus dem Hut gezaubert haben, seid ihr musikalisch eher traditionell. Das ist definitiv so. Fredy und ich haben uns gegenseitig in unserer Rock-WG, in der wir wohnen, Riffs vorgespielt und aus denen sind dann Songs entstanden. Wenn du dabei den Kopf ausschaltest, dann fliessen deine Vorlieben völlig unbelastet zusammen. Im Übungsraum haben die beiden anderen Jungs dann ihre Vorstellungen hinzugefügt und in diesem Sinne arbeiten wir schon sehr traditionell. Ich glaube, ich kann das auch gar nicht anders. Ich fand sogar, dass unsere Songs sehr modern sind, bis die ersten Medien meinten, das klinge total nach den 90ern! Aber ich kann wohl einfach wirklich nicht anders (lacht).

Anfang oder eine musikalische Heimkehr für dich? Es ist eine Heimkehr für mich, weil ich diese Musik eigentlich schon immer gemacht habe. Ich bin ein Kind der Rockmusik. Ich habe mit Power Metal angefangen, Alternative, Crossover und Industrial gespielt. Für mich liegen diese Stile nicht so weit auseinander und Neo Noire sind nicht so weit weg von Undergod oder Erotic Jesus. Aber das ist vielleicht auch nur meine Wahrnehmung, weil ich in der Basis davon zuhause bin und einfach Ausflüge in verschiedene Richtungen unternommen habe. Das mache ich jetzt auch mit Neo Noire, wo ich eine weitere Facette dieses Grundgefühls ausleben kann. Aber du hast das schön und richtig ausgedrückt: Es ist eine Heimkehr für mich, weil eine verzerrte, laute Gitarre meine Heimat ist. Steht ihr in der Basler Szene in Konkurrenz zu Zeal & Ardor und anderen Bands? Im Gegenteil! Was ich im Moment in unserer Stadt und Szene spüre, habe ich so noch nie gemerkt und treibt mir fast schon Freudentränen in die Augen. Man hält zusammen, sucht und findet Gemeinsamkeiten, man ist offen, geht wieder zu den Konzerten der anderen Bands, man steht zur


Szene. Wir haben eine funktionierende Infrastruktur was Managements, Labels, Booking-Agenturen oder Studios angeht. Man merkt, dass sich etwas tut, an dem viele Menschen mitarbeiten, die nie aufgegeben und lockergelassen haben. Davon ein Teil zu sein, ist sehr schön. Manuel von Zeal & Ardor war an unserem Konzert, unser Schlagzeuger ist wiederum der Manager von Manuel und so finden so viele Synergien statt, die einen Zusammenhalt bilden. Wie liefen die Aufnahmen zu eurem Debut? Das war die längste Produktion meines gesamten Lebens (lacht). 2015 haben wir die ersten Drums im Studio aufgenommen, dann kamen irgendwann die Gitarren dran, die wir zuhause in unserer WG eingespielt haben, und der ganze andere Rest. Produziert habe ich das Album selber, das kann man ja leider mittlerweile zuhause in der Küche selbst erledigen. Für den Mix haben wir uns dann aber doch Hilfe bei Raphael Bovey (u.a. Gojira) geholt. Er ist richtig gut, aber wir haben ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben, weil der Arbeitsprozess so lange gedauert hat. Wenn man alles selber macht, kann man sich furchtbar verzetteln. Da ist es ganz hilfreich, wenn dir einer sagt: „Ich weiss nicht, ob 26 Gitarrenspuren auf diesem Song unbedingt nötig sind. Man hört 22 davon eh nicht.“ (lacht) Wir haben einfach probiert, Sounds und Stimmungen gesucht und ausser für Raphael war das für uns ein positiver Prozess. Auf deinem Facebookprofil stand neulich ein schöner Eintrag, in dem du gefeiert hast, dass du endlich deine eigene Musik auch auf Vinyl in der Hand halten kannst. Genau! Das war ein unglaublicher Moment! Mein erstes Vinyl habe ich im Alter von sieben Jahren bekommen und mit acht habe ich angefangen, Gitarre zu spielen. Ab da hat sich der Gedanke manifestiert, dass ich auch irgendwann eine LP von mir haben möchte. Es hat tatsächlich 40 Jahre gedauert, bis dieser Traum wahr geworden ist. Ich habe 13 CDs mit meiner Musik hier rumstehen, aber Vinyl erst jetzt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sich das angefühlt hat, dieses Paket zu öffnen. Das war ein umwerfender Moment. Du bist sprichwörtlich Vater geworden. Genau! Vinyl ist viel spannender als eine CD, da muss man bei der Produktion nicht nur grafisch und visuell an so viele Dinge denken, aber dann hast du dieses grossformatige Produkt plötzlich in der Hand. Als nächstes Projekt muss ich mir einfach noch einen Plattenspieler kaufen, damit ich mir das Ding auch anhören kann (lacht). Wie geht es weiter für Neo Noire? Wir spielen demnächst mit Suicidal Tendencies in Deutschland und danach geht es für uns im Herbst weiter mit Konzerten. Neo Noire ist für keinen von uns nur ein Projekt, sondern eine Band und wir möchten uns etwas aufbauen, was wir jetzt Schritt für Schritt angehen. Du hast dich übrigens noch gar nicht nach unserer Katze erkundigt! Schande! Wie konnte das vergessen gehen! Wie geht es eurer Katze? (lacht) Wir versuchen, wann immer möglich, unsere WG-Katze Nana mit einzubeziehen, weil sie unser fünftes Bandmitglied ist und die Produktion begleitet hat. Ausserdem hört man auf der Platte ab und zu im Hintergrund das Parkett knarren. Das war unser einziges Audioproblem während der Aufnahmen (lacht). Wenn sie irgendwo runterspringt, ist das, als ob... ... du einen Elefanten fallen lässt. Es geht ziemlich genau in diese Richtung. Das hat für Erheiterung gesorgt und wir haben einen dieser Knarzer dann auch einfach auf den Aufnahmen draufgelassen. Wir mogeln sie immer irgendwo mit hinein.

NEO NOIRE Elements Czar of Crickets ip. Dem Neo NoireZauber kann man sich tatsächlich schwer entziehen, denn hier kommen nicht nur exzellente Musiker, sondern auch eine Auswahl der besten Einflüsse zusammen, die man sich für eine neue Band aussuchen kann. Den grössten Anteil daran stellen die alten SeattleHelden aus der Grungeszene, namentlich Alice In Chains und Smashing Pumpkins, die aber nicht einfach kopiert werden, sondern hauptsächlich mit der gleichen Dichte und dem Feingefühl für melancholisch-schöne Melodien zitiert werden („Save Me“, „Element“, „Neo Noire“). Dazu kommt die Schwere von Black Sabbath („Home“, „Infinite Secrets“), eine leichte Southernrock-Note in der Gitarrenarbeit („Walkers“) und eine Industrial-Anleihe in „Shotgun Wedding“. Ab und zu drückt die Dunkelheit, die vor allem Rotters anderen Projekten innewohnt, durch und sorgt für Entschleunigung. Dies passiert vor allem im Song „Home“, der mit so viel Atmosphäre und hypnotischem Groove punktet, dass einem die Gänsehaut über den ganzen Körper rennt. Grösster Moment auf einem grossen Album. Auf Neo Noires Debut „Element“ vereinen sich Melancholie, Melodie, Härte, Moderne und Tradition zu einer mächtigen Wall of Sound, die Masstäbe setzt. Dramatisch, attraktiv, fordernd und einfach geil.


Kein fauler Zauber Die Burning Witches aus Brugg haben bereits vor Erscheinen ihres Debutalbums eine Menge Wirbel im Metal-Blätterwald verursacht. Kein Wunder, denn dass eine reine Frauenband heutzutage lupenreinen Heavy Metal aus der NWOBHM-Schublade herauszaubert, ist nicht unbedingt an der Tagesordnung. TRACKS machte sich auf die Spurensuche.

ip. Wenn sie mit einer Band auf Tour gehen könnte, wären das Judas Priest oder Iron Maiden. „Wir hören alle am liebsten den Heavy Metal aus den 80er Jahren“, stellt Seraina Telli, Sängerin der Burning Witches, die wichtigsten Einflüsse ihrer Band vor. „Beim Songwriting ist uns aber wichtig, dass in erster Linie wir unsere Musik gut finden.“ Diese gesunde Einstellung hat unter anderem dazu geführt, dass die Burning Witches schon vor Erscheinen des ersten Albums eine Menge Aufmerksamkeit in der internationalen Presse bekommen haben. Auch die Pledge Campain, über die die fünf jungen Frauen ihr Debut finanziert haben, lief sehr gut und die Überraschung über die vielen internationalen Bestellungen war gross. Das selbstbetitelte Album wurde Ende Mai mit einer grossen Sause im Zürcher Dynamo getauft. „Unsere Plattentaufe hat eine Menge Spass gemacht! Das Publikum war grossartig und es war toll, dass wir unsere Songs in diesem Rahmen präsentieren konnten“, sagt Sängerin Seraina Telli über den grossen Moment. Einige Tage darauf stieg das Album in den Schweizer Albumcharts auf Platz 73 ein, was anhand des Musikstils und der Tatsache, dass es sich um das erste Werk des Quintetts aus Brugg

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handelt, aussergewöhnlich und feiernswert ist. „Einerseits ist das schon echt cool, wenn man als Headliner auf der Bühne steht“, beschreibt Seraina den Senkrechtstart ihrer Band, „aber andererseits setzt einen das auch unter viel Druck. Du willst alles richtig machen, bist aber als junge Band noch nicht so stark miteinander verbunden, wie das andere mit zehn, zwanzig Jahren Erfahrung sind.“ Den Ausgleich zu dieser grossen Erwartungshaltung schaffen die fünf Mädels mit konsequenter Arbeit und dem Einholen von Tips alter Haudegen wie Schmier von Destruction, der als Mentor der Burning Witches agiert. Die Aufnahmen zu dem Album waren für uns ein gutes Lehrstück“, erzählt Seraina. „Man ist als gerade gegründete Band schon etwas nervös, wenn zwei Experten wie Schmier und V.O. Pulver im gleichen Raum sitzen. Man will sich ja beweisen, aber das war gar nicht nötig, weil die beiden uns sehr unterstützt und uns gute Tips gegeben haben. Wir sind sehr stolz und zufrieden mit unserem Debut.“ Nach einigen erfolgreichen Auftritten in der Schweiz, auch bereits als Headliner, gibt es trotzdem schon die üblichen Klischeefallen. Auch im Jahr 2017 sind All-Girl-Bands im


Metalbereich noch kein Standard und gerade bei so hübschen jungen Frauen sind die niveaulosen Sprüche auf Armeslänge präsent. Die Burning Witches erleben diese Schubladisierungen laufend. „Viele Leute denken, wir bekommen nur deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil wir Frauen sind. Andere machen chauvinistische Sprüche oder landen mit ihren Äusserungen unter der Gürtellinie. Das wussten wir von Anfang an und haben uns auf solche Dinge eingestellt. Es geht zwar nicht immer alles spurlos an einem vorbei“, bemerkt Seraina, fügt jedoch hinzu: „Aber mittlerweile lachen wir über diese blöden Sprüche. Frauenfeindlichkeit gibt es ja auch an anderen Stellen.“ Das Klischee über Frauenbands findet also in vielen Köpfen merkwürdigerweise immer noch statt und die Sängerin mit Bachelor of Arts weiss, dass viele Neider denken, sie würden letztlich scheitern, nur aufgrund der Tatsache, dass sie Frauen sind. Die negativen Bemerkungen finden aber keinen Nährboden in der Band, denn die Freundschaft unter den Musikerinnen ist stark genug, um ungerechtfertigte Kritik locker wegzustecken. Der positive Zuspruch zu ihrer Arbeit sorgt für zusätzlichen Optimismus im Burning Witches Camp. In nächster Zukunft sind weitere Konzerte der Burning Witches in der Schweiz im Fokus und eventuell ist auch schon ein Abstecher nach Japan in Sicht. Wenn die Witches demnächst in der Gegend spielen, sollte man sich selber von ihrer Qualität überzeugen.

BURNING WITCHES Burning Witches Nonstop Music ip. Vom ersten Ton an machen Burning Witches unmissverständlich klar, wer hier die Hosen im Ring anhat. Astreiner, schnörkelloser und purer Heavy Metal mit Dampf und Schmiss und vor allem hohem Wiedererkennungswert, ohne Mainstream zu sein. Die solide Gitarrenarbeit liefert das Duo Romana Kalkuhl (auch bei Atlas & Axis) und Alea Wyss, Lala Frischknecht (dr) und Jay Grob (bass) sind die treibende Kraft hinter den eingängigen Songs und Frontfrau Seraina Telli führt die Hexen an. Ein komplettes Album mit elf Songs einzuspielen, von denen ohne Ausnahme jeder im Ohr hängenbleibt, ist nicht nur eine Kunst, sondern ein hochrespektables Unterfangen. Das liegt sicher zum einen daran, dass vor allem Seraina, Romana und Alea ausgebildete Musikerinnen sind und wissen, wie man ein Instrument spielt und Songs schreibt; zum anderen gehört aber auch eine grosse Protion Talent dazu. Das bringen die Burning Witches ohne jeden Zweifel mit und legen damit ein Album vor, das voller Spielfreude und bester Heavy-Metal-Laune steckt. Vor allem die Tracks „Black Widow“, „Burning Witches“, die Hymne „Metal Demons“ und der Stampfer „We Eat Your Children“ sind Aushängeschilder des Debuts, wobei sich die restlichen Songs in keiner Weise dahinter verstecken müssen. Serainas Stimme nagelt teilweise sogar die von Rob Halford an die Wand und ihre Screams machen dem Bandnamen alle Ehre. Die ermüdende Diskussion darüber, ob Frauen im Metal etwas zustande bringen oder lediglich ihres Aussehens wegen Erfolg haben, hat sich ja eigentlich schon seit Jahrzehnten erübrigt. Den immer noch nicht müde gewordenen, schenkelklopfenden Chauvinisten sei hiermit gesagt, dass selbst das Heben des Mittelfingers in deren Richtung die Mühe nicht mehr lohnt. Der Drops ist gelutscht. Hexen werden nicht mehr verfolgt, Hexen verfolgen heute selber. Und wenn du nicht aufpasst, stopfen sie dich in eine Kanone und schiessen dich über den Marktplatz. Und meistens spielt eine Band dazu die Songs der Burning Witches aus Brugg.


MIA AEGERTER SOULS OF ROCK

Nichts für Feiglinge

It's What You Give! Vol. 2

Sophie Records/Ambulance

Brownsville Records

Pflichtkauf

hh. Pflichtkauf?!? Aber selbstverständlich! Hier kommt der zweite Sampler der Souls Of Rock Foundation. Im letzten TRACKS haben wir diese beispielhafte Institution, die nachhaltig die Rock- und Metalszene fördert und finanziell unterstützt, bereits ausführlich vorgestellt. In regelmässigen Abständen veröffentlicht die SORFoundation unter dem Leitsatz «It's What You Give» eine Compilation mit Bands und Künstlern, die entweder den Verein/die Stiftung direkt supporten oder davon unterstützt wurden. Mit Vol. 2 ist nun der neue Sampler am Start, bietet mit 15 Acts bei knapp 70 Minuten Spielzeit bestes Ohrenfutter für jeden Rock- und Metalfan und ist gleichzeitig ein umfassender Blick in die aktuelle CH-Szene. Mit jeweils einem Song sind neben bereits etablierten Grössen wie ELUVEITIE, CRYSTAL BALL, MYSTIC PHROPHECY, REDEEM, RETO BURRELL, EMERALD und CROWN OF GLORY eine Reihe erfolgsversprechende Newcomer (vorgestellt unter Facebook/Souls of Rock Foundation) mit ausnahmslos herausragender musikalischer Qualität verewigt, die ihre Songs gratis diesem Projekt zur Verfügung stellten. Und das Beste an der Sache, neben dem Sound natürlich, ist: so können 100% des Verkaufspreises (nur Sfr. 14,90) in die Stiftung fliessen, wodurch dann wieder neue Acts unterstützt werden. Also, getreu dem Motto «It's What You Give!» MUSS hier jeder Rock- und Metalfan zugreifen. Die CD gibt es bei ExLibris, auf diversen Festivals am SORStand oder unter www.soulsofrockfoundation.com

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hef. "Wäre er noch hier, hielte er mich für klein. Doch war ich ganz oben, dann fiel er ganz tief. Er hatte mich nicht im Griff, für sein Ego war ich Gift. Schlucke meine Tränen runter wie Gin, weil ich ja Superwoman bin." Das sind Textausschnitte aus dem ersten von 12 neuen Songs der äusserst talentierten Songschreiberin, die seit Jahren in Berlin lebt. "Meine Herzscherben würdest du fix zusammenkleben, die Wortgefechte könnten wir mit Küssen verschärfen. Worauf warten wir noch?" Das wiederum sind Sätze aus dem Titelsong. Zu lieblichen Melodien im lockeren Rhythmus singt die gebürtige Fribourgerin in astreinem Hochdeutsch persönliche Geschichten, die man wohl nicht allzu autobiografisch sehen sollte. Dass Mia Aegerter ist eine begabte Songschreiberin ist, haben auch längst schon andere gemerkt. Zum Beispiel Deutschlands Superstar Helene Fischer und andere, die Songs der Schweizerin im Repertoire haben. Die sind allerdings unter Mias Pseudonym Mia Gerta. «Böseslied" scheint eine Abrechnung zu sein. "Weil ich es hasse, einfach hasse, dass ich dich noch immer lieb. Wir waren ja nur Chemie und Illusion." Je mehr man sich in diese Songs hineinhört, desto mehr Gedanken macht man sich über Mia Aegerter. Ihr fünftes Album ist das erste auf Hochdeutsch. Man kann sich einfach nicht vorstellen, dass diese Texte einfach so aus Mias Feder flossen. Die wortverliebten Sätze scheinen authentisch. "In meinem Kopf sind tausend Lebensversionen, ich habe das Gefühl, ich habe zuviele Optionen, ich halt mir keine Hintertürchem mehr offen, ich hab die Zweifel in den Wind geschossen", singt sie in "Farbe bekennen" mal in flottem Up-tempo-Groove. Um gleich danach wieder in vertracktem Rhythmus sanft den Titel "Kriegerin" zu säuseln. "Du hast mehr Eier als die Affen hier. Egal, was dir die Uhr erzählt, du hast noch alle Zeit der Welt, du bist eine Kriegerin, denn was du willst, kriegst du hin." Das nennt man Motivation und Glaube an den anderen. Mia habe in Berlin die Musik von Nick Cave und

Johnny Cash entdeckt, heisst es in der CD-Info. Caves Düsterheit scheint nirgends durch, Cashs Leichtigkeit seiner letzten Aufnahmen eher. "Float like a butterfly, sting like a bee", gibt sie den klassischen Satz von Muhammad Ali auf Englisch wieder. Fliege wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene, das passt perfekt zu diesen lockeren, entschleunigenden, abwechslungsreichen und folkig-filigranen Liedern voller faszinierender Denkanstösse.

DIRTY SOUND MAGNET Western Lies Noisolution rp. Gerade eben gewann das Freiburger Quartett Dirty Sound Magnet am m4music Festival in der Demotape-Clinic-Kategorie «Best Swiss Rock Song» mit ihrem Song «Homo Economicus». Besagter Track ist ebenso auf ihrem dritten Album «Western Lies» zu finden. Dieser und das ganze Album markieren einen musikalischen Richtungswechsel. Lag auf ihrem letzten Werk, der EP «The Bloop», der Focus noch auf 1970er Rock und Hardrock à la Led Zeppelin, Black Crowes oder Masters Of Reality. So ist «Western Lies» eine wilde Mischung aus Neo-Psychedelik, Prog-Rock, Spacerock, Indierock, Rave à la Happy Monday, Krautrock, Folk und Elektronik, die zuerst mal etwas wirr und zuweilen wie eine etwas unergiebige Jam-Session daher kommen. Bei genauerem Hinhören gibt es da und dort durchaus interessante Momente. Beispielsweise im Instrumental «Cash Cow Superstar», das beim Gitarrensound von Jeff Buckley Mass nimmt oder dem charmant schrägen «A Gutted Diva». Vielleicht wird das Ganze beim nächsten Mal etwas klarer und vor allem spannender.

THE UNIVERSE BY EAR Same Czar Of Revelations Records rp. Der Auftakt des Debüt des Basler Trios The Universe By Ear um Beni Bürgin (Drums, Gesang) Pascal Grünenfelder (Bass, Gesang) und Gitarrist und Sänger Stefan Strittmatter täuscht. Das selbstbetitelte Werk ist nur zeitweilig eine Hommage an die

1970er Jahre und Bands wie Black Sabbath oder Blue Cheer. Die schweren Riffs führen bald einmal auf unwegsame, sphärische und experimentelle Pfade. King Crimson (Strittmatter lässt Gitarrensolos vom Stapel, die wohl auch Robert Fripp gefallen würden) scheinen hier Pate gestanden zu haben, aber auch Frank Zappa. Pascal Grünenfelder und Stefan Strittmatter spielen schliesslich auch noch in der Band Fido Plays Zappa! Natürlich belassen es die drei Herren nicht dabei. «Seven Pounds» kehrt schlussendlich wieder dahin zurück, wo er begonnen hat: bei schweren Riffs. Das darauffolgende «Repeat Until Muscle Failure» ist auch nicht immer das, was es zu Beginn zu sein scheint. Die fast konventionelle Rocknummer mit poppigem Gesang wird zusehends vertrackter und spaciger. «Slam Your Head Against The Wall (Carefully)» macht dann von Anfang keinen Hehl daraus, was es ist: eine vertrackte, zuweilen angefunkte Progressive-Rock-Nummer, irgendwo zwischen Mars Volta und den frühen Red Hot Chili Peppers. Tanzen nur bedingt empfohlen. In diesem Sinn und Geiste geht es weiter. The Universe By Ear bleiben fast bis zum Schluss unberechenbaren, spannenden, fiebrig. So richtig berechenbar ist nur der kurze und beschauliche Abschluss, das folk-poppige «Dead Again». Ach ja, die Lobeshymnen im Pressebeiblatt sind für einmal berechtigt. The Universe By Ear sind eine Hammerband!!!

HATHORS Panem Et Circenses Noisolution rp. Nach der «Hirnwäsche» ihres letzten Albums «Brainwash» (2015) gibt es auf dem nunmehr dritten Album des Winterthurer Trios Hathors (Wahrscheinlich inspiriert von der kuhgestaltigen, ägyptischen Göttin Hathor) Brot und Spiele («Panem Et Circenses»). Gebt dem Volk was zu knappern, so ist es ruhig. Der poppige Auftakt «Watching You» ist ein grungiger Appetithappen im Pop-Schafspelz. Ist «Panem Et Circenses» Hathors «Nevermind»? Eher nicht. Insgesamt sind die elf Songs dann doch zu schrill, wüst, unberechenbar und auch vielschichtig. Der Teufel («Lucifer») steckt im Detail.


MUSIK zum LESEN

PETER AMES CARLIN Paul McCartney – Die Biografie Hannibal Verlag hh. Bei diesem Buch handelt es sich um eine aktualisierte und erweiterte Neuauflage der 2010 erschienenen Biografie der Beatles-Legende. Was gleichzeitig bedeutet, dass diejenigen, die die alte Version bereits gelesen haben, nicht unbedingt viel Neues erfahren werden und sich für sie somit eine erneute Anschaffung dieses 520 Seiten starken Werks nicht wirklich lohnt. Allen anderen jedoch, Beatles-Fans und Künstlerbiografie-Liebhaber, sei „Paul McCartney – Die Biografie“ dringend empfohlen. Autor James Ames Carlin, der sich bereits einen Namen mit Bruce Springsteen und Brian Wilson Bios

gemacht hat, erzählt packend und flüssig die Lebensgeschichte des (nach John Lennons Tod) sogenannten einzig wahren Beatle. Er macht das dermassen anschaulich, dass man viele Szenen und Orte bildhaft vor sich sieht. Dazu kommen jede Menge Interviews und Zitate von McCartney's Freunden, Bandkollegen und Wegbegleitern aus dessen aufregenden Leben, dass durch gigantische Erfolge, aber auch durch Tragödien und Niederlagen gezeichnet ist. Es gewährt einen hervorragend recherierten Blick hinter die glänzende Fassade eines Mega-Popstars, der auch intime und dunklere Facetten von „MacCartney aufzeigt - von der Verklärung eines Popstaridols ist diese Bio weit entfernt. „Paul McCartney – Die Biografie“, die

Geschichte einer der auf ewig grössten Popmusiker, der mit seinen Songs tatsächlich die Welt veränderte, muss zwingen als Pflichtlektüre bezeichnet werden. In dem riesigen BiografieMarkt gehört dieses Werk zum Besten, das man erwerben kann. Spannend wie ein Krimi.


DVD/BluRay ROLLING STONES Olé Olé Olé - A Trip Across Latin America Universal

RAMMSTEIN Paris Universal lg. Das letzte Studioalbum von Rammstein, "Liebe Ist Für Alle Da", hat auch schon acht Jahre auf dem Buckel. Anstelle mit neuer Musik ums Eck zu kommen, vertreiben sich die deutschen Superstars lieber ihre Zeit mit grossartigen Live-Shows und entsprechenden Aufzeichnungen. Nach dem grossartigen Film "In Amerika" mit dazugehöriger Live-Show aus dem New Yorker Madison Square Garden legen Rammstein "Paris" nach, nachdem dieser Konzertfilm dieses Jahr bereits erfolgreich in den Kinosälen in 46 Ländern lief. Gedreht wurde "Paris" am 6. und 7. März 2012 anlässlich der zwei ParisShows (im Palais Omnisports de Bercy) im Rahmen der "Made In Germany 1995-2011" Tour, auf welche Rammstein im November 2011 gingen und sowohl in Europa (78 Shows) wie auch Nordamerika (21 Shows) gastierten. Der bekannte Regisseur und Videoproduzent Jonas Akerlund (der in den 80er Jahren kurzzeitig Mitglied bei der schwedischen Black Metal-Legende Bathory war) hat sich für die Produktion Zeit gelassen, doch der Film kann sich wirklich sehen lassen. Wie Sänger Till Lindemann und seine Mitstreiter sowie die Show von Rammstein hierbei in Szene gesetzt werden, ist mit anderen Musikfilmen nicht zu vergleichen. Akerlund präsentiert Details, zeigt unerwartete Perspektiven und schafft es so, die Sinne zu täuschen oder zumindest gewaltig anzuregen. Es riecht nach Feuer und Schweiss, die Energie zwischen Band und Publikum ist förmlich zu spüren und die Wucht der Musik von Rammstein drückt den Zuschauer in den Sessel. 22 Songs haben auf diesem Bild- und Tondokument Eingang gefunden – alle Songs, welche Rammstein auf der damaligen Tour gespielt haben. Die Setlist sucht hier ihresgleichen, denn es handelte sich bei "Made In Germany 1995-2011" um eine Best-Of Tour. Erhältlich ist "Paris" als Blu-Ray und DVD sowie auf CD und Vinyl in verschiedenen Formaten. Nun sollen doch Rammstein bitte ein neues Album veröffentlichen und auf grosse Hallentour gehen (denn nur in der Halle entfaltet sich die volle Wucht der grössten deutschen Rock-Band).

hh. Der Name sagt eigentlich schon alles: Mit »Olé Olé Olé! A Trip Across Latin America« dokumentieren die Rolling Stones ihre gefeierte Konzertreise durch Lateinamerika. Insgesamt zehn Städte besuchten die Stones Anfang 2016 auf der Tournee, darunter Santiago, La Plata, Montevideo, Rio de Janeiro, São Paulo, Porto Alegre, Lima, Bogotá und Mexico City. Den krönenden Abschluss bildete das legendäre erste Kuba-Konzert der Band in der kubanischen Hauptstadt Havanna. Mit dem Dokumentarfilm »Olé Olé Olé! A Trip Across Latin America« von Regisseur Paul Dugdale gibt es jetzt einen spannenden Zusammenschnitt der rund zweimonatigen Tournee, angefangen bei den Proben von Jagger, Richards, Wood und Watts in Los Angeles bis zum finalen Havanna-Konzert, das hier jedoch nicht enthalten ist, sondern unter dem Titel „Havanna Moon“ bereits vor einiger Zeit veröffentlicht wurde. Neben Livemitschnitten (im Bonusteil) von Hits wie“Paint It Black“, „Honky Tonk Women“, „Sympathy For The Devil“, „You Got The Silver“, „Midnight Rambler“ und „Miss You“ warten Gespräche und intime Momente mit den Bandmitgliedern, beeindruckende Fanreaktionen und vieles mehr. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auch auf den langwierigen und zähen Verhandlungen mit der kubanischen Regierung, die nötig waren, um dort auftreten zu dürfen, und die bis zuletzt immer wieder zu scheitern drohten. »Olé Olé Olé! A Trip Across Latin America« ist der 155 Minuten lange Mitschnitt einer unglaublichen Reise und das beeindruckende Porträt einer Band, die auch nach mehr als 50 Jahren zu den größten Livebands der Welt gehört und speziell in Südamerika immer noch eine enorme politische Bedeutung hat.

GEORGE THOROGOOD & THE DESTROYERS Live At Rockpalast 1980 (DVD/2 CDs) MIG/Indigo hh. Der hier enthaltenen LiveMitschnitt stammt aus der Dortmunder Westfalenhalle und wurde am 26.11.1980 aufgezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Amerikaner George Thorogood in seiner Heimat bereits einen guten

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Namen als herausragender SlideGitarrist im Blues-, Boogie- und Rock'n'Roll-Genre gemacht und konnte bereits auf einige Hits wie beispielsweise „Move It On Over“ zurückblicken. Thorogood, der 1974 auch als Mick-Taylor-Nachfolger bei den Rolling Stones zur Diskussion stand, war ein eingeschworener Chuck Berry-Jünger, was hier in praktisch jedem Song deutlich auszumachen ist. Das Band-Line-Up mit, neben dem üblichen Gitarre, Bass, DrumsSetup, einem Saxophon war ziemlich unüblich und sorgte bei den Fans in der Westfalenhalle zu Anfang auch für einige Irritationen. Kam dazu, dass in Deutschland Thorogood grösstenteils eine unbekannte Grösse war und sein Sound eher für Clubs als für grossen Bühnen geeignet war – was sich auch in dem unspektakulären, rudimentären Bühnenbild zeigte. So verhielt sich das Publikum zu Anfang der Show noch einigermassen zurückhaltend, liess sich je länger je mehr vom dreckigen, energetischen Bluesrock'n'Roll des Quartetts packen und begeistern. In knapp 90 Minuten rocken sich Thorogood und seine Destroyers durch 15 Songs, unter denen sich mit „Kids From Philly“ gerade mal eine einzige ThorogoodKomposition befindet. Der Rest setzt sich aus Titeln bekannter Blueser wie u.a. Elmore James, John Lee Hooker, Muddy Waters und natürlich Chuck Berry zusammen. Das Konzert sorgt für grossen Spass nicht nur bei Thorogood-Fans, denn hier wird jeder Freund von klassischem, dreckigen Blues- und Boogie-Rock nachhaltig verwöhnt. Diejenigen, die sich für den hier rezensierten Pat Travers begeistern, können auch bei George Thorogood bedenkenlos zugreifen – wie auch umgekehrt. Ein spezieller Dank sei an dieser Stelle der deutschen Firma M.i.G.Music ausgesprochen, dass sie im Rahmen der Rockpalast-Reihe einige zeitlose Perlen der Musikgeschichte wieder zugänglich machen.


LIVE REVIEWS EMERALD, POLTERGEIST,

EMERALD

UNDEAD VISION 26. Mai 2017 Fribourg, Fri-Son Text: Patrick Hirschi / Fotos: Stéphan Schmutz

«Oh my fucking god» sagt der Angelsachse, wenn er überrascht ist. Wenn das Freiburger Konzertlokal Fri-Son dasselbe sagt, dann weiss der Kenner: Verzerrte Gitarren, wahnsinniges Drumming und extreme Shouts sind angesagt. Denn «Oh my fucking god» (OMFG) nennt sich die Konzertreihe, an der im Fri-Son regelmässig bekanntere und hoffentlich bald bekannte Metalbands auftreten. Den OMFG-Abend eröffnen die Freiburger ExtremMetaller von Undead Vision. Genau wie ihre Kantons-Landsleute von Emerald haben auch sie ihr neues Album getauft. Es heisst «Modern Slave», und bietet Old-School-Death-Thrash. Und davon liefert das Quartett dem Publikum eine ordentliche Portion. Alte Slayer- und SepulturaRiffs, dazu unbarmherziges Geröchel von Sänger und Gitarrist Didier. Fazit: Diese Band huldigt kompromisslos der alten Schule. Wenn sie in Zukunft noch etwas an den Gitarrenleads feilt und sich auf der Bühne noch etwas mehr bewegt, dann werden uns Undead Vision noch manch intensives Konzerterlebnis bescheren. 27 Jahre ist es her, dass die Basler Poltergeist zum letzten Mal im Fri-Son auftraten, damals im Vorprogramm von Coroner. Seither ist viel Wasser den Rhein hinab: Die Band hat sich Mitte der Neunziger aufgelöst, und Gitarrist V.O. Pulver war mit seiner Groove-Metal-Truppe Gurd erfolgreich. 2017 sind Poltergeist wieder da, «Back To Haunt», wie es der Titel ihres aktuellen Albums verspricht. Man merkt schnell, dass hier alte Hasen auf der Bühne sind: V.O. zockt seine Riffs präzise und souverän, und André Grieder ist nach wie vor ein begnadeter Sänger. Und auch die neuen Mitmusiker Chasper Wanner, Ralph Garcia und Sven Vormann stehen den Originalmitgliedern in nichts nach. Highlights des Auftritts waren alte Granaten wie „Writing On The Wall“ oder „Behind My Mask.“ Aber auch das neue Material ist bestechend: Einerseits Bay-Area-Riffgewitter wie der Titeltrack, der an Exodus, Testament und Heathen erinnert. Aber auch der Mid-TempoStampfer «Pillars of Creation» mit dem hymnischen Refrain, der schon fast nach Iced Earth klingt. Bleibt zu hoffen, dass es nicht wieder 27 Jahre dauert bis zum nächsten PoltergeistAuftritt im Fri-Son. Emerald haben eine turbulente Zeit hinter sich: Mehrere Jahre lag die Band quasi auf Eis, weil es mit der Sängersuche nicht so klappte wie gewünscht. Was ist demgegenüber eine verspätete Plattentaufe Ende Mai, für ein Album, das seit März im Handel ist? Eben, Peanuts. Diese ungewissen Zeiten sind vorbei: Mit Mace Mitchell hat die Band offenbar den idealen Mann für den Posten am Mikrofon gefunden. Entsprechend gross ist die Spielfreude, die die Band an den Tag legt. Selbstredend steht das Material vom neuen Album «Reckoning Day» an diesem Abend im Vordergrund. «Only The Reaper Wins», der Titeltrack und «Trees Full Of Tears» geben die Marschrichtung vor. Für Staunen sorgt Shouter Mace spätestens dann, wenn er sich an Songs wagt, die nicht er selber eingesungen hat: Bei «Through The Storm» klingt seine Stimme extrem nach George Call, und beim Uralt-Hit «Revenge» glaubt man, Ur-Sänger Jvo Julmy ist auf der Bühne. Ist er natürlich nicht. Aber er steht unmittelbar davor, und nutzt die Gelegenheit, bei «Tears Of A Warrior» lauthals den Refrain mitzuträllern, als ihm Mace das Mikro vors Gesicht hält.

POLTERGEIST

UNDEAD VISION

Das ganz grosse Highlight kommt aber am Schluss. Für die Coverversion von Iron Maidens «Wasted Years» holt die Band Poltergeist-Shouter André mit auf die Bühne, und die ganze Halle grölt begeistert mit. Fazit: Emerald begeistern mit ihrem neuen Album und ihren Auftritten nicht nur die internationale Fachwelt, sondern auch ihre langjährigen Metal-Kumpels in der Region, welche die Band in den über 20 Jahren ihres Bestehens sicher schon 15 oder 20 Mal gesehen haben – und ihr auch weiter treu bleiben. Gelungenes Heimspiel, Well done!

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KONZERTKALENDER AEROSMITH

ENDLESS BOOGIE

5.7. Zürich, Hallenstadion

28.9. Zürich, Bogen F

ALESTORM

EVANESCENCE

15.10. Pratteln, Z7

8.7. Pratteln, Z7

ALTER BRIDGE

EVERGREY

7.7. Pratteln, Z7

23.9. Pratteln, Z7

ANATHEMA

EXTREME

18.10. Pratteln, Z7

19.7. Pratteln, Z7

AVERSIONS CROWN

FLOGGING MOLLY

31.7. Luzern, Schüür

10.7. Zürich, Volkshaus

BARCLAY JAMES HARVEST,

GEORGE BENSON

WISHBONE ASH

10.7. Zürich, Kongresshaus

9.9. Augst, Raurica

GOD IS AN ASTRONAUT

BETH DITTO

8.7. Zürich, Bogen F

29.7. Lugano, Longlake Festival

HEATHER NOVA & BAND

1.10. Zürich, Volkshaus

17.10. Pratteln, Z7

BETH HART

JAMES BLUNT

13.7. Pratteln, Z7

8.11. Gemf, Arena

BRIAN SETZER

9.11. Zürich, Hallenstadion

16.7. Zürich, Volkshaus

JAMIROQUAI

BRUJERIA

18.11. Zürich, Hallenstadion

10.8. Musigburg, Aarburg

J.COLE

BUSH

9.10. Zürich, Samsung Hall

7.10. Zürich, Komplex 457

JOHN CALE

CLAP YOUR HANDS SAY YEAH

3.9. Zürich, Kaufleuten

29.9. Zürich, Bogen F

JOHNOSSI

CULCHA CANDELA

19.8. Gampel, Open Air

7.10. Zürich, Dynamo

7.9. Augst, Raurica

DEATH ANGEL, COMANIAC

JOSS STONE

26.7. Musigburg, Aarburg

20.7. Pratteln, Z7

DELAIN

KANSAS, URIAH HEEP

27.10. Pratteln, Z7

9.7. Pratteln, Z7

DIANA KRALL

KENNY WAYNE SHEPHERD BAND

5.10. Zürich, Samsung Hall

24.7. Pratteln, Z7

DIE APOKALYPTISCHEN REITER

KISSIN BLACK

4.11. Pratteln, Z7

30.7. Luzern, Schüür

DIE TOTEN HOSEN

KORN

18.8. Gampel, Open Air

20.8. Pratteln, Z7

DISPATCH

KRAFTKLUB

24.9. Zürich, Dynamo

22.10. Pratteln, Z7

DRAGONFORCE

LANGHORN SLIM

26.10. Pratteln, Z7

6.9. Zürich, Bogen F

DROPKICK MURPHYS

LAST IN LINE

4.7. Zürich, Volkshaus

11.8. Pratteln, Z7

EDGUY

LIVING COLOR

29.9. Pratteln, Z7

19.9. Solothurn, Kofmehl

EMERALD

MADBALL

1.7. Laupen, Ride&Party

7.8. Musigburg, Aarburg

11.8. Zweisimmen, MannriederOA

MARILLION

30.9. Ins, Schüxenhaus

28.7. Pratteln, Z7

2.12. Frauenfeld, Oelfleck


KONZERTKALENDER MAVIS STAPLES

SNUFF

14.7. Zürich, Kaufleuten

20.7. Zürich, Dynamo

MAXIMO PARK

SÖHNE MANNHEIMS

26.9. Zürich, Mascotte

7.7. Basel, Summerstage

MEGADETH

16.7. Locarno, Moon & Satrs

16.8. Pratteln, Z7

STEVIE WINWOOD

MIDNIGHT OIL

11.7. Zürich, Kaufleuten

12.7. Zürich, Volkshaus

STILLER HAS

MIKE & THE MECHANICS

29.7. Brig, Stockalperschloss

10.96. Augst, Raurica

SWANS

NEIL DIAMOND

19.10. Winterthur, Salzhaus

13.9. Zürich, Hallenstadion

21.10. Fribourg, Fri-Son

NENA

SWISS METAL ATTACK: BURNING

8.9. Augst. Raurica

WITCHES, PERTNESS, COMANIAC,

NEWTON FAULKNER

FINAL CRUSADE, MIND PATROL

3.10. Zürich, Bogen F

30.9. Pratteln, Z7

NINA HAGEN

THE AFGHAN WIGS

16.9. Cham, Lorzensaal

6.8. Zürich, Mascotte

OBITUARY

THE CULT

11.8. Zürich, Dynamo

4.7. Pratteln, Z7

PARADISE LOST

THE DARKNESS

30.10. Pratteln, Z7

20.11. Pratteln, Z7

PHORIA

THE LUMINEERS

28.7. Zürich, Bogen F

3.7. Zürich, Volkshaus

PORTUGAL THE MAN

TOM RUSSELL

20.5. Zürich, Bogen F

13.7. Zürich, Bogen F

13.9. Lausanne, Les Docks

TOWER OF POWER

14.9. Winterthur, Salzhaus

21.10. Zürich, Volkshaus

15.9. Aarau, KIFF

TRIGGERFINGER

RODRIGO Y GABRIELA

18.10. Zürich, Mascotte

11.7. Zürich, Volkshaus

UGLY KID JOE

SAGA

29.7. Schmerikon, Rockfest

28.10. Pratteln, Z7

ULI JON ROTH

SANCTUARY

30.8. Pratteln, Z7

30.7. Musigburg, Aarburg

URIAH HEEP, MAGNUM

SEVEN

9.7. Pratteln, Z7

15.7. Bern, Gurtenfestival

VOLBEAT

18.7. Locarno, Moon & Stars

30.8. Thun, Stockhorn Arena

8.8. Zofingen, Heitere

WALLIS BIRD

12.8. Schaffhausen, Stars in Town

18.7. St. Gallen, Kulturfestival

19.8. Gampel, Open Air

19.7. Zürich, Rote Fabrik

26.8. Glarus, Sounds of…

WILL & THE PEOPLE

22.9. Schupfart, Festival

29.7. Zürich, Dynamo

26.10. Zürich, Volkshaus

XIXA

3.11. Bern, Bierhübeli

22.7. Thun, Am Schluss Festival

4.11. Baden, Nordportal

YOKKO

SIDO

8.9. Zürich, Plaza

15.7. Pratteln, Z7

2RAUMWOHNUNG

SIGUR ROSS

8.9. Zürich, Xtra

18.10. Zürich, Samsung Hall


Wunschartikel auf eine Postkarte schreiben und einsenden an: TRACKS -Wettbewerb-, Postfach 108, 4323 Wallbach oder eine E-Mail an: Info@tracks-magazin.ch Die Gewinner werden ausgelost

KONZERT-TICKETS: 2 x 2 Tickets für

ROCK ON! MUSIC FESTIVAL

VARIOUS ARTISTS SOULS OF ROCK

11.-13.8. Gossau SG

« Compilation Vol. 2» mit u.a. RETO BURRELL, CRYSTAL BALL, ELUVEITIE, EMERALD, REDEEM, CROWN OF GLORY, MYSTIC PROPHECY

3 x 1 Ticket für

SUMMER BREEZE OPEN AIR 16.-19.8. Flugplatz Dinkelsbühl (D)

BURNING WITCHES «Burning Witches» CD

NEO NOIR «Element» CD signiert

Impressum Herausgeber/ Chefredaktor:

Mitarbeiter Redaktion:

Redaktionsanschrift: TRACKS Magazin Kapellenstrasse 23 CH- 4323 Wallbach T +41 61 861 03 73 info@tracks-magazin.ch www.tracks-magazin.ch Erscheinungsweise: 2-monatlich (6 Ausgaben/Jahr) Inserate:

Beat Unternährer beat.unternaehrer@tracks-magazin.ch T +41 (0)79 335 69 44

Inga Pulver (ip) Kelly Widmer (kw) H. Elias Fröhlich (hef) Christian Hug (hug) Michael Vaucher (mv) Mario Hug (mh) Robert Pally (rp) Laurent Giovanoli (lg) Björn Springorum (bs) Benjamin Fiege (bf) Daniel Schöni (ds) Christian Wollart (cw) Ian Keates (Foto) Marion Gross (Foto)

Beatrix Schmocker beatrix@tracks-magazin.ch T +41 (0)79 797 35 81

Jede TRACKS-Ausgabe auch als E-Paper unter www.tracks-magazin.ch

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Hier liegt

Hanns Hanneken (hh)

für dich zur Mitnahme bereit Editorial Gratis - alle 2 Monate neu - alle MEDIA MÄRKTE - alle POLO Shops - Musikhäuser - CD-Shops - div. Ticket-VVK-Stellen - Szenetreffpunkte (Restaurants, Beizen, Live-Clubs) - einfach überall da, wo die Musik spielt Du möchtest auch gern in deinem Lokal auflegen? Kein Problem! Schick einfach eine Mail an: info@tracks-magazin.ch oder per Telefon: 061 861 03 73 Wir liefern frei Haus Aus administrativen Gründen können wir keine Einzelexemplare verschicken

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