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Ausgabe N°19 r Dezember 2011 / Januar 2012 r Jahrgang 2/3 r trafficnewstogo.de
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TRAFFIC Chapter XII
S. 8 Feuilleton
WO DIE NATUR AUFHÖRT, FÄNGT DER BLÖDSINN AN Ach, was wäre das für eine Welt, in der Politiker aus der Literatur oder der Botanik lernen würden, statt ihr Handeln, Streben und Reden nach allem anderen zu richten. Das sage nicht ich, liebe Freunde, das sagte schon Leo Tolstoi, der sogar einen Schritt weiter ging: „Nur wenn alle Landarbeit leisten, kann es ein vernunftgemäßes, sittliches Leben geben. Der Ackerbau weist uns, was am dringendsten und was weniger notwendig ist. Er ist die Richtschnur für ein vernunftgemäßes Leben.“ Na bitte! Wer ins… von Mely Kiyak
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„Der weiße Hai“ (1975), die „Indiana Jones“Reihe (1981 - 2008), „E. T. - Der Außerirdische“ (1982), „ Jurassic Park“ (1993), „Schindlers Liste“ (1993), „Der Soldat James Ryan“ (1998) oder „A. I. - Künstliche Intelligenz“ (2001): Steven Spielberg, geboren am 18. Dezember 1946 in Cincinatti (Ohio), ist zusammen mit Peter Jackson und James Cameron der kommerziell wohl erfolgreichste Filmemacher aller Zeiten. Was lag näher, als mit einem von beiden zusammenzuarbeiten, um die künstlerischen Kräfte… von Marc Hairapetian
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6. Zeitgeschehen Rewind, Play, Fade Out 8. Medizin Kolumne The Antidote 10. Sport Vierzig Fuss Nacktes Dublin 12. Das Wetter Paris, Ottignies, Straubenhardt, Lengnau 13. 8-Page Editorial Daniella Midenge stars in A Vanity Affair 22. Fashion Lieblingsstücke für das Neue Jahr 24. Kurzgeschichte Als Ortlieb mit dem Rauchen aufhörte 25. Reisen Genüssliches Gegurke im Spreewald 26. Kunst Interview mit Markus Keibel 31. English Appendix An Asian, an Italian and a Ginger Cat walk into a Bar To-Go Boutique
S. 28 Film
Punkte sind das Markenzeichen der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama und Symbol ihrer unbändigen kreativen Energie. Ein Kindheitserlebnis prägte ihr gesamtes Werk: „Ich schaute mir das rote Blumenmuster einer Tischdecke an. Als ich aufsah, bedeckte das Muster den ganzen Raum und meinen Körper, und ich fing an, mich in dem Muster aufzulösen.“ Im Pariser Centre Pompidou beginnt ein chronologischer Rundgang durch Kusamas Oeuvre – zu sehen sind 150 Arbeiten aus den Jahren 1949 bis 2011 – mit einem… von Sabine Weier
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Contributors
Ausgabe N°19 r Dezember 2011 / Januar 2012 r Jahrgang 2/3 r trafficnewstogo.de
© Peter Nikoltsos
© Sonja Gutschera & Leif Osthoff
CONTRIBUTORS
DANIELLA MIDENGE
CONOR CREIGHTON
NINA BYTTEBIER
Früher war die Schwedin Daniella Midenge in Kunst Restauration, sowie als Make-Up Künstlerin tätig bevor sie sich entschied, all ihre kreative Energie in Beauty – und Fashion Photographie zu investieren. Drei Jahre nach dieser Entscheidung hat sie sich in Berlin verliebt und nennt die Stadt jetzt ihre Heimat. Traffic hat ihr für die 19. Ausgabe die volle Verantwortung für das 8-page Editorial gegeben. Sie photographierte nicht nur, sondern stand als Model sowie als Make-Up Künstlerin vor und hinter der Kamera.
Wenn Conor Creighton nicht grade für Traffic am Schreibtisch sitzt, befindet sich der junge Journalist in Orten wie Afghanistan, dem Kosovo und Iran. Dort bannt er sich mutig seinen Weg und entdeckt Orte, die vor ihm unentdeckt blieben. Zurück in Berlin tut er nichts lieber als sich genüsslich an einem Tisch in einem neuen Restaurant niederzulassen, bestellt sich zu viel Wein und beginnt seine Kritik. Seine Gedanken und Träumereien befinden sich im neuen Berlin Inspires 2012/1 Guide sowie auf seinem blog conorcreighton.wordpress.com
Nina Byttebier wurde am Independence Day 1989 während einer seltsamen Hitzewelle in Belgien geboren. Sie hat an der renommierten Antwerp Fashion Academy studiert, bevor sie sich entschieden hat ihr Glück in Berlin zu versuchen. Sie arbeitete schon als Fashion Editor für Vice und als Chefredakteurin des unabhängigen JPeople Magazine. Nina ist weiterhin in Berlin als Journalistin und Stylist für verschiedene internationale Zeitschriften und Websites tätig. Für diese Ausgabe hat sie die Modestrecke mit Daniella Midenge gestylt.
ZWEI JAHRE TRAFFIC NEWS TO-GO! WIR DANKEN ALLEN BEITRAGENDEN DES JAHRES 2011 ERIC AICHINGER, IMRAN AYATA, CATHRIN BAUENDAHL AND TEAM, MAIRA BECKE, LÉN BLOY, PROF. GINETTE BONE, BLAKE BOYD, NINA BYTTERBIER, FRÉDÉRIC CHAUBIN, AJOH CHOL, CONOR CREIGHTON, VERENA DAUERER, ANNE ECKERT, THORSTEN DENKLER, RALF DIESEL, PAUL EPARDEAU, WOLFGANG FARKAS, DOMINIK FEHRMANN, TIMO FELDHAUS, LIV FLEISCHHACKER, DAMIAN FOLK, NINA FRANZ, JENI FULTON, LORENZO FUSI, CYPRIEN GAILLARD, STEFANO GARGANO, LILIAN-ASTRID GEESE, DAVID GIBSON, IVO GRETENER, DR. ULRICH GRIES, JULIANE GRINGER, CARINA GROH, RENÉ GRUÉL, JENNIFER HAHN, ANNE HANSEN, STEFANIE HANSSEN, MARC HAIRAPETIAN, ESZTER HARAZDY, JACKIE HARDT, MARKUS HIEKE, JEANETTE HEPP, SEBASTIAN HOFF, MARIA HINZMANN , VU HOANG, DR.INGE SCHWENGER-HOLST, KRZYSZTOF HONOWSKI, PAUL INNIS, ALFREDO JAAR, COCO JOHNSEN, LISA KADEL, JULIA KEESEN, JULIA KNOLLE, ANJA KOEPPEL, PHILIP KOHL, MANUELA KOPP, MELY KIYAK, JOHANN HAEHLING VON LANZENAUER, SIGURD LARSEN, ANDREW LAWRENCE, LIGANOVA, DAVE LOJEK, GUNNAR LÜTZOW, JACQUES MAGLOIRE, TY-RON MAYES, DANIELLA MIDENGE, STEPHEN K. MOLLOY, ULRIKE MÜNTER, JELENA NEBENDAHL, WIBKE NOACK, MILLICENT NOBIS, NUDE AGENCY, CLAIRE OELKERS, VALERIE OSTER, I LIKE PRODUCTIONS, MONIQUES RAUCHMANN, LENNARD RÜHLE, GUTSCHERA & OSTHOFF, NURCAN ÖZDEMIR, LAHINY PIERRE, BORIS RADCZUN, CARLINA ROSSÉE, ULRIKE ALMUT SANDIG, TATEVIK SARGSYAN, ANDRES SERRANO, MELANIE ˇ STANISIC, ˇ ´ SCHÖNE, VERENA SCHULEMANN, DAHLIA SCHWEITZER, NINA SECKEL, TOM SHLÜTER, AGATHE SNOW, LEELEE SOBIESKI, UDO SPREITZENBARTH, SASA JACQUES C. STEPHENS, ALEX STRAULINO, KONSUM STUDIO, SUPERBO, MURAT SUNER, GRETA TAUBERT, ADRIAN STANLEY THOMAS, DAVID TORCASSO, LINDALUISE TÜTING, VASSILIS, DANA WEISS, MARCK CHRISTIAN WINDEKILDE, ANNE ZDUNEK, THERESA ZERCK, LEENA ZIMMERMANN UND UNSEREN LESERN!
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VERLEGER Jacques C. Stephens V.i.S.d.P. jacques@trafficnewstogo.de««".̗5$1+$&$1«Murat Suner murat@trafficnewstogo.de PHOTOREDAKTION Maira Becke maira@trafficnewstogo.de DESIGN ASSISTENT Stefano Gargano stefano@trafficnewstogo.de SCHLUSSREDAKTION Liv Fleischhacker NEW YORK LIAISON Jacques Magloire magloire@trafficnewstogo.de DESIGN Superbo WEBDESIGN Desisn MITARBEITER DIESER AUSGABE Maira Becke, Nina Byttebier, Conor Creighton, Ralf Diesel, Timo Feldhaus, Dominik Fehrmann, Jeni Fulton, Lilian-Astrid Geese, Marc Hairapetian, Anne Hansen, Jeanette Hepp, Dr. Inge Schwenger-Holst, Mely Kiyak, Gunnar Lützow, Daniella Midenge, Nurcan Özdemir, Sabine Weier, Dana Weiss COVER Foto und Model Daniella Midenge Stylist Nina Byttebier Hair & Make-Up Daniella Midenge Kleidung Marineblauer Hut von Comme des Garcons bei Lil Shop, Sonnenbrille aus den 80ern von Alain Mikli bei Lunettes, Vintage Ohrringe, Paillettenkleid und Seidenschmuck von by Malene Birger, Lippenstift von Uslu Airlines DRUCK Druckhaus Schöneweide ISSN 1869-943 X
ORION DATUM
Neu: Orion mit unverschämt großem Datum. Selbst der Gast am Nebentisch sieht jetzt, ob die Tantiemen fällig sind oder endlich die Ferien beginnen. Daher heißt das neue Datum Fernsehdatum. Der patentierte NOMOS-Mechanismus ließ die ganze Uhr leicht wachsen. So wirkt sie noch flacher, schöner – und unverschämt elegant. Zu finden unter anderem in Augsburg: Bauer & Bauer; Bamberg: Triebel; Berlin: Christ KaDeWe, Leicht, Lorenz; Bielefeld: Böckelmann; Bonn: Hild; Braunschweig: Jauns; Darmstadt: Techel; Dortmund: Rüschenbeck; Dresden: Leicht; Düsseldorf: Blome; Hamburg: Becker; Koblenz: Hofacker; Köln: Berghoff, Kaufhold; Ludwigsburg: Hunke; Lübeck: Mahlberg; München: Bucherer, Fridrich, Kiefer, Hieber; Münster: Oeding-Erdel; Stuttgart: Pietsch; Ulm: Scheuble; Wiesbaden: Stoess. Und überall bei Wempe. www.nomos-store.com und www.nomos-glashuette.com
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Zeitgeschehen
Ausgabe N°19 r Dezember 2011 / Januar 2012 r Jahrgang 2/3 r trafficnewstogo.de
„Get up, stand up“ lautete die Devise des Jahres. Man lieĂ&#x; sich nichts gefallen – weder in Kairo den Ă„ther. Mehr als ein Medienspektakel? Wir sagen: Don’t give up the fight! Und spulen sehen und uns zu fragen, was Terror jetzt eigentlich fĂźr ein Antlitz hat.
ÂŤĚœÂŤ1$6(-# ÂŤ JANUAR
HĂślle auf Erden Das Halleluja klang nie so erbärmlich wie Ende 2010. Die Missbrauchsskandale der katholischen Kirche und die nicht minder skandalĂśsen Vertuschungsversuche ihrer Obrigkeiten lieĂ&#x;en das Image gewaltig einbrechen und die zweifelhafte Institution regelrecht ausbluten. Wer will schon freiwillig Mitglied der HĂślle auf Erden sein? Da hilft Anfang 2011 auch der Versuch des Oberbosses – Papst Benedikt XVI – nichts, durch die fixe Heiligsprechung seines Vorgängers Johannes Paul II positive Stimmung zu verbreiten. Im Januar unterzeichnet er ein Dekret, in dem er ein von ihm vollbrachtes „Wunder“ anerkennt: die Heilung der an Parkinson erkrankten franzĂśsischen Ordensfrau Marie Simon-Pierre. Heiliggesprochen werden Ăźbrigens nur Personen mit weiĂ&#x;er Weste, deren Lebensweise durch ein Kirchengericht geprĂźft und fĂźr tugendhaft befunden wurde. Viele Kandidaten gibt es aus den eigenen Reihen also nicht.
FEBRUAR
Wir sind das Volk Während die Demokratie in der westlichen Hemisphäre immer tiefer in die Krise stapft und Systemkritiker auf den Plan ruft, trägt die „Arabellion“ FrĂźchte. Nachdem das Volk in Tunesien, Algerien und Ă„gypten auf die StraĂ&#x;e gegangen ist, begehren auch unzählige Menschen in Ländern wie Libyen, Syrien und dem Jemen auf, bezahlen nicht selten mit ihrem Leben, erreichen aber auch erste Etappensiege. Schon im Januar hatte sich Tunesiens Staatsoberhaupt Ben Ali aus dem Staub gemacht, am 11. Februar muss
schlieĂ&#x;lich auch Ă„gyptens korrupter Präsident Mubarak das Handtuch werfen. Im gleichen Monat schĂśpft die F.A.Z. den treffenden Titel fĂźr die Demokratiebewegung. Nach langem Bangen hofft das Volk, doch im Laufe des Jahres wird sich zeigen, dass sich der Aufbau säkularer demokratischer Staaten zäh gestaltet. Ăœber die Jahrhunderte tradierte islamische Kräfte gestalten die Zukunft mit. Der arabische FrĂźhling ist ein Kampf, der nicht innerhalb von ein zwei Jahren ausgefochten wird, sondern hĂśchstwahrscheinlich ein epochaler.
MĂ„RZ
Apokalypse jetzt Ein schweres Erdbeben erschĂźttert am 11. März den Nordwesten Japans, lĂśst zwei Tsunamis aus und fĂźhrt zum grĂśĂ&#x;ten ReaktorunglĂźck seit Tschernobyl. Ăœber zehn Meter hohe Tsunami-Wellen fluten das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi. Das KĂźhlsystem versagt. Eine kollektive Schockstarre erfasst die Welt. Weite Gebiete um das zerstĂśrte Atomkraftwerk werden umgehend evakuiert, denn die radioaktive Strahlung kriecht erbarmungslos in Erde, Wasser und KĂśrper. ZurĂźckgelassene Tiere verhungern in der wohl nie wieder bewohnbaren Gegend – ein Endzeitszenario. Die Situation ist unkontrollierbar und die undurchsichtige Informationspolitik der japanischen Regierung verbreitet ein nagendes GefĂźhl von Unsicherheit. Millionen von Menschen verfolgen vor den Bildschirmen den verzweifelten Versuch, die längst eingesetzte Kernschmelze zu verhindern und suhlen sich in apokalyptischer Melancholie. Nicht wenige quält vor allem die Frage: Kann ich jetzt nie wieder Sushi essen?
APRIL
Yes! Während die drei zerstĂśrten Fukushima-Reaktoren weiter strahlen und selbst in Tokio besorgniserregende Werte gemessen werden, strahlen TV-Stationen in der ganzen Welt die „Royal Wedding“ von Prinz William und Kate Middleton aus. Schon Wochen vor der Hochzeit decken sich die Briten mit Royal-WeddingKitsch ein – die Konterfeis des Brautpaares zieren Tassen, ManschettenknĂśpfe und sogar Kondome. Wer noch nicht verheiratet ist, versucht mĂśglichst am gleichen Tag noch einen Termin in einem Standesamt zu ergattern. Der 29. April wird zum Nationalfeiertag ausgerufen. FĂźr das Publikum ist die gigantische mediale Inszenierung des historischen Ja-Worts eine willkommene Abwechslung. Steif, ja, protzig auch. Aber nach so viel Katastrophe tut ein bisschen Märchenhochzeit gut. Am 29. April schwebt das Paar zum Altar der Westminster Abbey. Zwei Milliarden Menschen sehen zu, analysieren jeden Schritt, jede Geste, jeden Lidschlag. Sind die nervĂśs? Werden sie weinen? Wie lange dauert der Kuss? Wer KĂśnig von England werden will, muss da durch! SW
MAI
Bin Ladens Ende Am Ende waren es 40 Minuten, die die grĂśĂ&#x;te Menschenjagd der Geschichte beendeten. Der meistgesuchteste Mann der Welt, Osama bin Laden, wurde am 2. Mai von USElitesoldaten in seiner pakistanischen Villa getĂśtet. Bei der von Obama befohlenen Militäraktion kamen noch vier weitere Personen ums Leben, darunter auch ein Sohn Bin Ladens. Die Amerikaner feierten den Tod des Terrorpaten als Sieg gegen Islamistische Extremisten. Doch die Regierung in Washington handelte auf eigene Faust und weihte Pakistan in ihre Pläne nicht ein. Die ohnehin belasteten Beziehung zur Atommacht erhielt einen weiteren Dämpfer. Die Zusammenarbeit mit dem Spieler Pakistan ist aber fĂźr die USA von immenser Bedeutung – etwa auch, um den Soldaten-Abzug in Afghanistan zu bewerkstelligen. Nach einer repräsentativen
Umfrage vom Mai hielten knapp 90 Prozent der befragten US-BĂźrger Bin Ladens TĂśtung fĂźr richtig und fast genauso viele auch das unilaterale Vorgehen der US-Soldaten.
JUNI
50 Jahre Mauerbau & die Freilassung Ai Weiweis „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Diese acht Worte lĂśsen 50 Jahre, nachdem sie ausgesprochen wurden, immer noch allgemeine Heiterkeit und Entsetzen gleichermaĂ&#x;en aus. Mehr Zynismus, AbgebrĂźhtheit und Unverfrorenheit in einem geht nicht. Zwei Monate später bewahrheiteten sich die schlimmsten BefĂźrchtungen. Gegen ein Uhr nachts begannen die Streitkräfte der DDR die Mauer zu bauen – und besiegelten damit endgĂźltig die Teilung Deutschlands. Die DDR ist seit zwanzig Jahren Geschichte. Was aber noch heute in einem Land passieren kann, das zwischen Kommunismus und einer kapitalistischen Diktatur schwankt, sah man am 22. Juni in China. Der chinesische Regimekritiker und KĂźnstler Ai Weiwei wurde nach 81 Tagen plĂśtzlich aus der Haft entlassen, gegen Kaution und strengen Auflagen. Doch inzwischen ist klar: Die Entlassung war nur ein Aufschub, noch immer drohen ihm sieben Jahre Gefängnis. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung. Damit bewahrheiteten sich – mal wieder – die schlimmsten BefĂźrchtungen. Schon im Juni sagte Ais Berliner Verleger Wolfgang HĂśrner vom Galiani Verlag: „Wir machen uns groĂ&#x;e Sorge, dass ihm Wirtschaftsverbrechen vorgeworfen werden. Das ist oft ein Weg, Regimekritiker ins Gefängnis zu bringen oder sie zu ruinieren.“
JULI
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Zeitgeschehen
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noch in New York. Millionen von Stimmen hallten in den vergangenen zwölf Monaten durch zurück, um Revolutionen Revue passieren zu lassen, Könige von ihrem Thron stolpern zu
«/+ 8 «% #$«.43 Hölle auf Utøya Es war eine Idylle, die in der Hölle endete. Auf der kleinen norwegischen Insel Utøya fand das alljährige Feriencamp einer sozialdemokratischen Jugendorganisation statt. 560 junge, engagierte und politisch interessierte Jugendliche wollten ein paar Tage singen, reden, diskutieren, einfach zusammen sein. Doch ein einzelner Attentäter zerstörte alles. Der Norweger Anders Breivik schoss fast anderthalb Stunden ungehindert auf die Jugendlichen, die sich zum Teil ins Meer flüchteten und selbst dort vor den Kugeln des Amokläufers nicht sicher waren. Zuvor hatte er eine Bombe im Regierungsviertel in Oslo gezündet, die acht Menschen tötete. Insgesamt starben 77 Menschen bei dem Attentat. Breivik, der für seine Taten Islamfeindliche Motive angab, hat ein ganzes Land traumatisiert und in seinem Fundament erschüttert. Breiviks Anschlag galt der offenen Gesellschaft. Doch anders als auch im Ausland befürchtet, reagierte Norwegen auf die schwerste Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mit dem Herunterlassen von Schlagbäumen an den Grenzen und einer Verschärfung der Sicherheitgesetze. Angeführt von Ministerpräsident Jens Stoltenberg blieb das Land bei seiner Linie, die bürgerlichen Freiheiten und liberalen Werte zu verteidigen. Breivik, der sich selbst als Sieger sieht, hat verloren.
AUGUST
Lieber Gott, viel Spaß! Ein Klavier, ein Klavier. Früher war mehr Lametta. Ich heiße Erwin Lottemann. Sagen Sie jetzt nichts, Hildegard. Wir schlafen im Liegen. Maske? Welche Maske denn? Das Ei ist hart. Ja, wo laufen Sie denn? Ach, was. Kennen Sie Schnipp-Schnapp? Das ist auch ein Spiel für drei Personen. Mein Mann ist etwas voll an den Hüften, mit ziemlich kurzen Armen. Krawehl, Krawehl! Taubtrüber Ginst am Musenhain. Opa, sei jetzt gemütlich. Da hab ich was eigenes. Das Bild hängt schief. Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein. Renate, lassen Sie uns zur Sitzgruppe gehen. Die Ente bleibt draußen.
Es sind Zitate, die längst Teil der deutschen Identität geworden sind. Sie bringen uns zum Lachen, sind Allgemeinwissen ganzer Generationen und stehen für das, was den größten, deutschen Künstler der Gegenwart ausmachte: Wortwitz, Feinsinn und Intellekt. Vicco von Bülow alias Loriot starb am 22. August im Alter von 87 Jahren. Er wird uns fehlen. AH
SEPTEMBER
Occupy Wall Street Frühling im September? Der Bumerang der arabischen Revolution machte bei seinem Gang um die Welt Landung in New York. Bewegungen bewegen sich nur durch die Medien, das zeigt auch der Occupy Wall Street-Protest, dem nach anfänglicher Gleichgültigkeit erst ab dem 24. September richtig zugesehen wurde. Damals zog eine Gruppe von Demonstranten in Richtung Union Square, die Polizei schritt ein, schloss einige mit orangefarbenen Netzen ein und ging mit Pfefferspray gegen etwa drei eingezäunte Frauen vor. Das Video gelangte auf YouTube, die Zeitungen schrieben los. „Wir sind das Volk“ rufen sie und rufen seitdem Demonstranten auf der ganzen Welt unter dem Banner auf den Plan. Gegen den Niedergang der Mittelschicht und die Entmündigung des Bürgers durch die Finanzmacht. Im November, als nach der Räumung des Zuccotti Parks niemand recht weiter wusste, kam wieder ein pfeffersprayender Polizist daher und tut medienwirksam einem brav am Boden sitzendem Studenten Gewalt an. Es geht weiter. Und wenn sonst niemand hilft, seit 2011 steht die neue Weltpolizei Anonymous bereit, die schon den ersten der betreffenden Polizeibeamten namentlich bekannt gemacht hatte - erst das leitete die Untersuchung ein.
OKTOBER
Freiheit und Tod Freiheit und Tod, Neuanfang und endgültiges Ende. Im Oktober werden zwei junge Menschen aus langjähriger Haft entlassen und zwei „spirituelle“ Führer gehen in die ewigen Jagdgründe ein. Natürlich gründet der Vergleich des früheren libyschen Machthabers, Tyrannen und Literaten (Das grüne Buch) Muammar al-Gaddafi und des Apple-Gründers Steve Jobs allein auf ihr Ableben im Oktober 2011. Der eine in seiner Heimatstadt Sirte auf der Flucht erschossen, der andere einem Krebsleiden zum Opfer gefallen. Obwohl: Beide verband außerdem ein ziemlich aussagekräftiger Look. Gaddafi wurde aufgrund seiner herrlichen Gewänden mit Ordensspleen von der Vanity Fair einst zum „Modegenie unserer Zeit“ gekürt. Jobs dagegen machte einen schwarzen Issey Miyake Rollkragenpullover, blaue Levis 501 und graue New Balance Laufschuhe zur kargen Uniform mit ikonischem Mehrwert. Für einen Neuanfang stehen Amanda Knox, der „Engel mit Eisaugen“, und der entführte israelischen Soldat Gilad Schalit. Knox, die amerikanische Austauschstudentin, der 2007 ein bestialischer Mord plus „okkulte Sexpraktiken“ angelastet wurde, wird freigesprochen. Die Hamas lässt den vor fünf Jahren entführten Soldaten in die Freiheit. Im Gegenzug entlässt Israel 1027 palästinensische Häftlinge.
NOVEMBER
Verbrecher und Versager Ein kleines Land in Europa und die Welt atmet auf: Der reichste Mann Italiens ist nicht mehr der mächtigste Mann Italiens. Kein „Bunga Bunga“ mehr, jedenfalls nicht in der großen Politik. Deutschland gibt derweil ein trauriges Bild ab, Polizei und Verfassungsschützer haben lange nicht mehr einen so desolaten Eindruck vermittelt. Begriffe wie Killer-Nazis, DönerMorde und Braune Zelle Zwickau haben Konjunktur. Einen Monat lang werden fast täglich neue Unglaublichkeiten offenbar: Ein Beamter des hessischen Verfassungsschutzes mit Rufname „Kleiner Adolf“, der Chef einer der größten rechtsradikalen Organisationen ist unser
V-Mann „Otto“ und kassiert sechsstellige Summen vom Staat dafür? Eine Bande raubt, bombt, mordet 13 Jahre unbestraft durch die Republik. Wie geht all das? Viel kranker konnte es nicht kommen. Und wieso kommen die Fotos der Rechtsterroristen eigentlich in derselben grauverschlissenen, körnige Ikonografie daher wie die der RAF? Kein fototechnischer Fortschritt bei der Polizei von den 70ern bis zu den 90er-Jahren? Farbfilm vergessen? Oder schon voll auf Hipstamatic umgestellt?
DEZEMBER
Israel in Ostdeutschland Vanessa Hessler, bekannt als die Inkarnation von „Alice“ aus den Anzeigen und Werbespots für ein Telekommunikationsunternehmen und außerdem Ex-Freundin eines libyschen Diktatorsohns ist es ganz recht, dass ihr neuer Freund, der ehemalige Ministerpräsident ihres Heimatlandes Italien, Silvio Berlusconi, aus der Politik ausgeschieden ist. Endlich etwas Ruhe. Zur spontanen Hochzeit läuft ein Liebeslied der gerade von Berlusconi veröffentlichen CD mit dem Titel „Il Vero Amore“ („Wahre Liebe“). Viele wissen gar nicht, dass der Playboy einst als Unterhaltungsmusiker auf Kreuzfahrtschiffen auftrat. Einen größeren medialen Seller im Vorweihnachtsgeschäft kann nur Karl-Theodor zu Guttenberg mit „Vorerst gescheitert“ landen. In der BRD tut sich auch noch was. Weil es langsam reicht mit dem Rechtsradikalismus in Ostdeutschland setzt der Staat den Vorschlag des Schriftstellers Ingo Niermann um: Deutschland nimmt seine Verantwortung für Israel endlich ernst und gibt es einen Teil seines verlassenen Landes her, um darin ein zweites Palästina oder ein zweites Israel entstehen zu lassen. Welches es sein wird, zeigt erst der Januar. In jedem Fall: Ein Neubeginn für die Welt. TF
von Sabine Weier, Bremen Anne Hansen und Timo Feldhaus
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Feuilleton
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Botox 4 Xmas von Dr. Inge Schwenger-Holst „Eine Durchstichflasche enthält: Clostridium botulinum Typ A Neurotoxinkomplex (900 kD), 100 Einheiten. Eine Einheit entspricht der LD50 nach intraperitonealer Injektion bei Mäusen... LD – 50 = Letaldosis 50 – Dosis nach deren Verabreichung 50% der Versuchstiere sterben. Schon ab 150,- EUR für die monoregionale Anwendung ist dies neue Wunder der Entfaltung zu haben. Damit ist die als Leichen – oder Wurstgift (Botulus = Wurst) gefürchtete Ausscheidung des Sauerstoff scheuenden Keims Clostridium Botulinum zur Einstiegsdroge der kosmetischen Chirurgie avanciert. Bereits im Medizinstudium erfährt jeder Student, dass es sich beim Botulinum-Toxin um das stärkste bekannte Nervengift handelt (letale Dosis beim Erwachsenen und oraler Anwendung: 0,01 mg /10 µg). Inzwischen hat sich der todbringende Verwandte der Initiatoren von Wundstarkrampf und Gasbrand durch seine kassenfüllende Wirkung längst als Good Guy der one-drop-only Methode ganz vorne ins Ranking geschoben. So liest man dann auf den bedürftige Faltenträgerinnen umwerbenden Internetseiten der Kölner T-Klinik: „Er (das Botulinumtoxin, Anm.d.Verf.) ist keineswegs ein Nervengift, wie man manchmal lesen kann, sondern ein natürlich-biologischer Wirkstoff.“ Das, liebe Kollegen ist Curare auch! In eben dieser Klinik werden ca. 50 Botox-Einheiten – macht dann 25 tote Mäuse – bei einer normalen Sitzung berechnet. Statt komplexe, aufwendige und kostspielige Faceliftings zu buchen – all in one fürs ganze Gesicht ca. 3.600,- EUR (Berlin), ca. 1.600,- EUR (Tschechien) – trifft man sich (zunächst) auf BotoxParties oder anderen „Spritz“touren. Kommt man hier zu sehr ins Schwitzen, so liegt die Lösung nahe: Botox blockiert auch die Schweißdrüsen in den Achseln – Preis auf Anfrage! Die calladoc Ärzte für entspannte Aufklärung kosmetischer Probleme:
WO DIE NATUR AUFHÖRT, WEISHEITEN FÜR EINE GESUNDE GESELLSCHAFT von Mely Kiyak
Prof. Dr. Frank-Werner Peter, Arzt für kosmetische- und Wiederherstellungschirurgie info@beauty-pro.de und Dr. Dr. Nahles, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie info@dr-nahles-berlin.de. CALL A DOC die 24-7 Hotline für Ihr medizinisches Problem 01805 - 32 13 03 (0,14 EUR/min aus dem Festnetz)
ACH, WAS WÄRE das für eine Welt, in der Politiker aus der Literatur oder der Botanik lernen würden, statt ihr Handeln, Streben und Reden nach allem anderen zu richten. Das sage nicht ich, liebe Freunde, das sagte schon Leo Tolstoi, der sogar einen Schritt weiter ging: „Nur wenn alle Landarbeit leisten, kann es ein vernunftgemäßes, sittliches Leben geben. Der Ackerbau weist uns, was am dringendsten und was weniger
notwendig ist. Er ist die Richtschnur für ein vernunftgemäßes Leben.“ Na bitte! Wer ins Parlament will, sollte wissen wie Pänonien, Pflaumen und Pampelmusen gepflanzt werden - meine Rede, Freunde, meine Rede. In diesem Zusammenhang warf jene berühmte und seitdem gern zitierte Redewendung: „Nun muss zusammen wachsen, was zusammen gehört“, die der ehemalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt im November 1989 am geöffneten Brandenburger Tor viele Fragen auf. Wann gehört denn etwas zusammen? Wenn es auf dem gleichen Fleck lebt? Und welche Rolle spielt dabei die Gleichheit? Ist sie die Voraussetzung zur Einheit?
Die Botanik hilft zu verstehen, was das Wesen einer gesunden Gesellschaft ist. Gehören gefüllte Auberginen und Paprika-Tomatensauce zusammen? Gourmets würden diese Frage allein unter kulinarischen Gesichtspunkten betrachten und hektisch nicken. Doch obacht! Wachsen alle diese herrlichen Früchte zusammen? Melanzane, Zucchini marinati, Bruschetta, die ganze kalte Vorspeisentheke beim Italiener käme nicht zustande, ach, die gesamte Mittelmeerküche gäbe es nicht, wüchse alles zusammen. Denn wüchse zusammen, was später zusammenkommt, ergäbe das Pilze, Viren und verkrüppelten Wuchs statt blühender Landschaft. Die Botanik lehrt, dass auf dem gleichen
Feuilleton
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Henri Rousseau, The Waterfall, 1910
FÄNGT DER BLÖDSINN AN Stück Land Auberginen, Tomaten und Paprika dringend voneinander separiert werden müssen. Wer Rücksicht auf die unterschiedlichen Kulturformen nimmt, erntet Ratatouille. Es bedarf immer auch eines Kreuzblütlers, der Nachtschattengewächse zwingend voneinander trennt. Eben weil sie sich so ähnlich sind. Tomaten und Gurken? Gefährlich. Tomaten neben Erbsen? Alarmstufe Rot. Tomaten neben Kartoffeln? Akute Terrorgefahr. Tomaten neben Kohlrabi? Dann gleich ’ne Chemiebombe drauf! Das Geheimnis einer üppig blühenden Gesellschaft ist die Mischkultur. Jeder Doofie weiß doch, selbst wenn er gar nichts mehr weiß, dass Deutschland − Malle,
Tenne und Schnitzelkönig mitgerechnet − 19 Bundesländer hat und dass die Botanik zwischen günstigen und ungünstigen Nachbarn unterscheidet. Ein Gärtner, der die Reizpunkte kennt, der hohes neben niedriges setzt, der alle Fruchtfolgen nacheinander zur Geltung bringt, der die raffinierte Technik der Zwischenkultur kennt, hilft seinem Garten friedlich und nachhaltig zu überdauern. Nur, aber auch nur das, meine lieben Gewächse aus allen Himmelsrichtungen, schafft Einheit. Wer das kapiert hat, der weiß, dass eine Gesellschaft von unterschiedlichen Pflanzen nur deshalb gedeiht, weil man Schwach-, Mittel- und Starkzehrer nicht etwa voneinander separiert, sondern kombiniert. Aber
auch das ist eine Wahrheit: Die Botanik ist keine Mathematik, es handelt sich um Lebewesen. Manchmal wird halt alles nichts. Aber die nächste Saison kommt gewiss. Es geht alles immer weiter. Es gibt kein Gut und kein Böse, kein Hässlich und Hübsch, jeder ist jedem nützlich. Der Mykorrhiza beispielsweise klebt sich an das Wurzelwerk des Baumes und bewirtet ihn von unten. Der Baum nimmt sich, was er braucht und wirft ab, was für den schleimigen Untermieter noch gut genug ist. Man kennt sich, man grüßt sich, man muss sich nicht lieben, aber man braucht sich. Nicht zusammenwachsen. Miteinander wachsen, das ist es. Auf der gleichen Stelle leben, ist etwas
anderes, als gleich zu leben. Ewiggestrige Liebhaber von Monokulturen hätten heute ihre von Borkenkäfern befallenen Fichtenbrachen bewundern können, wenn man weiter auf Monokulturen gesetzt hätte. Der deutsche Wald wäre doch fast krepiert! Stetiger Einsatz von Pestiziden auf einseitig bepflanzten Flächen fördert immer neuen Schädlingsbefall. Mischwald, Freunde. Mischwald! Ich sage, wer Einheit sagt und Mono meint, wer Unterschiede nicht pflegt und hütet, der kann gleich eine Prise Herbizid durch die Nase ziehen und sich schlafen legen. Das versuche ich die ganze Zeit zu sagen. Oder: wo die Natur aufhört, fängt der Blödsinn an.
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Ausgabe N°19 r Dezember 2011 / Januar 2012 r Jahrgang 2/3 r trafficnewstogo.de
VIERZIG FUSS NACKTES DUBLIN von Conor Creighton Übersetzt aus dem Englischen von Lilian-Astrid Geese DER FORTY FOOT im Süden Dublins liegt an der Irischen See, die manche als Englische See bezeichnen. Aber es gibt auch immer Leute, die ohne nach rechts oder links zu schauen auf die Straße laufen und überfahren werden. Nun denn. Der Forty Foot. Keiner weiß genau, wie tief die See an dieser Stelle ist. Jedenfalls ist sie nicht so tief, und so bietet sich die Badestelle heute als großartige Gabe an – mit einer einzigartigen Beziehung zum Winter und zum heiligen Weihnachtsfest, das dessen zeitliches Zentrum bildet. Am Weihnachtmorgen machen sich mutige Männer und Frauen in Dublin auf den Weg zum Forty Foot und tauchen in das eisige Wasser. Das ist die Tradition. Die salzige Taufe beschleunigt den Herzschlag, senkt den Blutdruck und verleiht den Tauchern einen
Am Weihnachtstag erstrahlt der Forty Foot in hellstem Licht, denn an diesem Tag sieht man, was sonst in Irland nie zu sehen ist: den irischen FKK-Anhänger. unglaublichen Appetit auf Essen, Alkohol und Liebe. Am alljährlich im September registrierten Babyboom in Süd-Dublin ist nicht zuletzt der Forty Foot schuld. Am Weihnachtstag erstrahlt der Forty Foot in hellstem Licht, denn an diesem Tag sieht man, was sonst in Irland nie zu sehen ist: den irischen FKK-Anhänger. Naturismus ist nämlich alles andere als irisch. Auf dieser katholischsten aller Inseln, diesem Bollwerk im Atlantik, dort, an Europas erster Verteidigungslinie, sind nicht einmal die Säuglinge nackt. Ein irischer Arzt, der prüfen möchte, ob das Neugeborene lebt, berührt nicht mit leichten Schlägen dessen Körper: Zuerst wickelt er das Baby in eine Decke, damit es seine Würde wahrt. Man sieht den Iren selten nackt,
und schon gar nicht sieht er sich selbst unbekleidet. Das wäre Sünde. Todsünde. Doch das war nicht immer so. Und hier schiebt sich der Forty Foot zurück ins Bild, begleitet von Deutschland, der nacktesten aller europäischen Nationen. Die keltische Göttin Danu wurde an den grasgrünen Ufern der Donau geboren. Zusammen mit ihrem Stamm verließ sie Deutschland und erreichte Irland zu einer Zeit, als die Geschichte nur mündliche Überlieferung kannte. Sie brachte den Iren den Feminismus, Halluzinogene Substanzen und den Kitzel der Freikörperkultur. Unsere Gesellschaft wurde matriarchalisch. Wir verbrachten unsere Tage mit dem Sammeln von Pilzen und trugen nur Kleidung, wenn Minusgrade herrschten. Wir waren
arm, wir waren high, wir waren glücklich. Doch dann begann die Invasion des Christentums und des Katholizismus, seines strengen Sprösslings, und mit ihnen kamen Drogenkontrolle, Kleidung und zentnerweise frische Schuld. Sie landeten wie ein schwerer Findling auf einem weichen, feuchten Moosfeld. Vorbei die Jahre des naturistischen Irlands. Die Menschen zogen sich hinter Schichten aus Wolle und Stoff zurück. Die Frauen banden Tücher um ihr Haar, die Männer verbargen ihre Augen unter flachen Kappen. Nur an Weihnachten öffnet sich in Dublin kurz noch einmal die Tür in jene alte Zeit, die eine freie und gute Zeit war. Die irischen Naturalisten sind eine winzig kleine Gruppe. Kaum mehr, als in ein Flugzeug passen. Doch am Forty Foot am Weihnachtstag schlagen ihre schwachen, verletzten und doch unschuldigen Herzen lauter als jede Blechtrommel. sport@trafficnewstogo.de
Das Wasser zum Essen.
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Das Wetter
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wetter@trafficnewstogo.de
DAS WETTER von Jeanette Hepp, Köln
PARIS
OTTIGNIES
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STEIGENDE TEMPERATUREN 48° 512' N, 2° 212' O
FÜHLBARE WÄRME 50° 402' N, 4° 342' O
Auf die rote Sohle kam Christian Louboutin übrigens, als sich seine Assistentin die Fingernägel rot lackierte, während er seinen Entwürfen den letzten Schliff verlieh. Wer hätte das gedacht. Seitdem verursacht er mit dieser weltweit schlaflose Nächte – kein weibliches, heutzutage auch männliches Geschöpf, möchte mehr auf diese verzichten. Erst recht nicht, wenn beim Tragen die eigene Attitüde dermaßen ins Unermessliche steigt – in positivem Sinne natürlich. Schon als 12-jähriger entdeckte der eigensinnige Louboutin seine Leidenschaft für Absätze und veröffentlicht nun in dem Buch zu seinem 20. Jubiläum seine besten Entwürfe und gibt Einblick in die Louboutin-Welt. Erhältlich über www.apropos-store.com
Gibt es irgendjemanden, der als kleines Kind nicht auch mal Feuerwehrmann werden wollte? Jetzt gibt es die Möglichkeit, selbst im Erwachsenenalter zu zeigen, wie gut man sich beim Feuerlöschen zu hause anstellt: Adventkranz oder Weihnachtsbaum – irgendwas wird schon in Flammen aufgehen. Naja und wenn nicht, hat man mit dem Safe-T ein absolut sicheres und stylisches Wohnaccessoire, das sich absolut sehen lassen kann. Sicherheit und Design verpackt in einem 1kg schweren Feuerlöscher – einfarbig, mit der amerikanischen Flagge oder Zebra-Muster. Bevor es tatsächlich zu Brennen beginnt, sollte man auch etwas darüber schmunzeln können. Erhältlich über www.apropos-store.com
STRAUBENHARDT
LENGNAU
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HEITER BIS DUFTIG 48° 512' N, 8° 332' O
WETTERBESTÄNDIGKEIT 47° 102' 553'' N, 7° 222' 03'' O
Na das ist mal ein Accessoire, auf das Designbegeisterte nicht verzichten sollten! Auch wenn man auf den ersten Blick nicht erkennt, für was das futuristische „Ding“ gut sein soll: sen7 ist der ultimative Duftzerstäuber für unterwegs. Den kleinen Tank mit dem Lieblingsduft füllen und los geht’s zum Sport, zum Lunch oder zum Streifzug durch die Nacht. Das Design ist in jeder nur vorstellbaren Farbe erhältlich: egal welchen Look man trägt, es gibt mit Sicherheit einen, der optisch perfekt passt. Oder er wird eben passend gemacht, indem man die Farben miteinander kombiniert. Und ist das Wetter auch noch so schlecht, das Metall-Gehäuse schützt den Duft vor Licht und äußeren Einflüssen. Wie praktisch! Erhältlich über www.apropos-store.com
Wenn Mann von sich sagt, er sei anspruchsvoll, greift er liebend gerne auf Rado zurück. Der Schweizer Luxus-Uhrenhersteller ist seit 1917 bekannt dafür, kratzfeste und langlebige Materialien zu verwenden. Klassisches und zeitloses Design kombiniert mit präziser Technik – die Uhren haben es an und in sich und sind ihrer Zeit weit voraus. Als Vorreiter im Bereich Hightech-Keramik hat Rado seit 1990 schon mehr als 30 internationale Design-Auszeichnungen entgegengenommen. Die Rado True Thinline: Automatic ist durch das Stahlgehäuse, die Titanschliesse und das Saphirglas mit einer hauchfeinen Metallisierung ein weiterer Meilenstein unverwechselbarer schlichter und klarer Ästhetik in der Uhrenwelt. Also, Ärmel hochkrempeln und zeigen, was Stil ist.
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Chapter XII
A Vanity Affair
Gesichtsmaske von Cowshed Berlin @ Soho House, Augenmake-up von Babor, Lippenstift und Nagellack von Uslu Airlines, Vintage-Ohrringe und Armreif
Schwarzer Hut mit blauen Details von Céline Robert bei Happy Shop, Männerhemd von Arrow, Vintage-Sakko, Handschuhe aus Peccaryleder von Roeckl, Vintage-Jeans, Vintage-Halskette und Hosenträger Vorherige Seite: Leichtes Cardigan von by Malene Birger, Teddy aus Tupfentull und Strumpfhalter aus weichem Satin von Blush, Netzstrumpfhose von Falke, Lackleder-Stilletos von Rupert Sanderson, Gold und Silber Tasche von Hecking, Handschuhe aus Peccaryleder von Roeckl, Vintage-Ohrringe, Halskette von Cheap Monday, Halskette mit Lupe von Monki, Augenmake-Up von Babor, Lippenstift von Uslu Airlines
Make-Up von Babor, Rasierschaum von Cowshed
Vintage-Sonnenbrille aus den 80ern von Alain Mikli bei Lunettes, Paillettenkleid von by Malene Birger, Vintage-Pelz, Knรถchellanger Cape von Maison Martin Margiela, Taillenslip von Blush aus weichem Satin, Vintage-Schmuck
Silber und Zirkonia Ringe und Armreif ZSR 8M 7IRXS 4IP^WXSPE ZSR &YXXIVÂ] 7SYPÁVI Make- up von Babor, Nagellack von Bernhard Willhelm X Uslu Airlines
FOTOS & MODEL DANIELLA MIDENGE WWW.MIDENGE.COM STYLING NINA BYTTEBIER WWW.NINABYTTEBIER.TUMBLR.COM BEAUTY-PRODUKTE VON BABOR, SOHO HOUSE COWSHED BERLIN UND USLU AIRLINES
JAZZMASTER
MAESTRO 45MM AUTOMATIC - SWISS MADE WWW.HAMILTONWATCH.COM
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Fashion
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Der Sommer ging zu Ende, es wurde kühler. Doch eines blieb: die Shorts. Kombiniert mit gemusterten Strümpfen und Stilettos sind die Hot Pants das Statement des kommenden Winters. Niemand wird sich ihnen entziehen können! www.g-star.com
Bunte Jeans sind eine der einfachsten Möglichkeiten, die modischen Farbtupfer dieser Saison zum Stilelement Deiner Garderobe zu machen. Schwing Dich in punschfarbene Skinnies, Stiefeletten und ein Top in Kontrasttönen und fühl Dich pudelwohl. Gabardine Pants Tiger, Closed www.closed.com
Schmale, elegante Schnitte, Lederleggings, knallrote Wickelkleider und schwingend-drapiertes Winterweiß. Wir sind sicher, dass Du spätestens nachdem du die Bilder der DSTM Winter Kollektion gesehen hast, mehr als nur darüber lesen willst. Don’t Shoot the Messenger www.shop.dont-shoot-the-messengers.com
Nichts geht über einen schönen Schal. Zum Turban gewunden, als Stirnband gebunden, und der Bad Hair Day wird zum Tag des glamourösen Stylings. Es gibt mindestens 37 Möglichkeiten, einen Schal zu binden. Wie viele kennst Du? Hermes Silk Twill www.hermes.com
Wir müssen uns den süßen Köstlichkeiten der Feiertage hingeben, jedoch sparen wir bei den Kohlenhydraten! Bonbonfarbenes Denim und Farbtupfer, die an Riesenlollis erinnern, sind genau das, was wir brauchen, um unseren Heißhunger zu stillen. Smeilinener www.smeilinener.de
“It is the unseen, unforgettable, ultimate accessory of fashion that heralds your arrival and prolongs your departure.” Coco Chanel
Wir lieben sie, die Nostalgie des Rimowa Salsa Air, der uns an die Zeit erinnert, als Fliegen noch ein grandioses Abenteuer war. Inspiriert vom Dress Code der Mad Men packen wir in Gedanken elektrische Lockenwickler in die Koffer. Rimowa Salsa Air Inca Gold www.rimowa.de
Früher bestimmten strikte Regeln, was Mode war, was zusammen passte, was nicht. Heute gilt nur noch eine Regel, nämlich dass Mode keine Regeln kennt. Also mixen wir was das Zeug hält! Regeln sind dazu da, dass man sie bricht! Doges Boots, Bally www.bally.com
Eine Sonnenbrille, und der Tag sieht anders aus. Hinter coolen, dunklen Gläsern verbirgt sich ein geheimnisvolles, unwiderstehliches, cooles Wesen. Wer so genial aussieht, fühlt sich auch so. Flirtini Sonnenbrille, Diesel Eyewear www.diesel.com
In jedem von uns schläft eine Heldin, die nur darauf wartet, in Aktion zu treten. Feiere die Superwoman in Dir! Ohne Capes geht in diesem Herbst nichts. Egal ob du von gigantischen Hochhäusern springst oder den Verkehr der Rush Hour umgehst! Gestreiftes Cape, Franzius www.franzius.eu
von Dana Weiss, Chicago Übersetzt aus dem Englischen von Lilian-Astrid Geese
Warum sollen nur Mädels Spaß haben? Jahrelang mussten wir zusehen, wie sie sich in Tutus, Spitze und Neon hüllten, während wir sie mit subtilen Plaids und neutralen Hosen unterstützten. Jetzt sind wir an der Reihe: mit farbigen Slacks, leuchtend bunten Chinos und edelsteinfarbenden Kordhosen. A.D. Deertz Slacks www.addeertz.com
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Im Herzen und in unseren Kleiderschränken lebt er weiter, der gute McQueen. Fell ist diesen Winter ein Muss und mit der pinken Box Clutch aus Nerz lässt sich auch noch wunderbar colorblocken. Alexander McQueen, Skull-Clasp Mink Box Clutch www.bergdorfgoodman.com
Wer sich im Winter in eine Wolldecke hüllen möchte, bevor er das Haus verlässt, ist bei Matthew Williamson an der richtigen Adresse. Der Patchwork-Mantel, in den man sich gepflegt reinmummelt, ist gemütlich, schwarzes Leder am Saum gibt ihm den sexy Biker-Touch. Matthew Williamson, Biker Blanket Wrap Coat www.matthewwilliamson.com
Fashion
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„I am an artist. I like sound. I believe everyone’s voice should be heard. I like wooden toys. I like electronics and technology. I hold hope for the future.“ Das sind die Worte von Richard Upchurch, der Erfinder des Wood Voice Recorders. Drei Knöpfe für Record, Play und Speed, machen die Bedienung kinderleicht. Richard Upchurch Wood Voice Recorder Im Moma Designstore und im Onlineshop www.momastore.org oder über www.etsy.com
Diese Schuhe sind ein Schritt in die richtige Richtung. Uwezo ist die Zusammenarbeit des Schuhherstellers Bata und der Non-profit Organisation Empower African Children. Jeder Kauf fließt in die Organisation, die Bildungsprogramme für Ostafrikanische Waisenkinder fördert. Uwezo Pony Hair Desert Boots für Männer und Frauen Bei Macy’s in New York oder im Uwezo Onlineshop www.uwezobrands.com
Zum 50-jährigen Jubiläum des Traditionshauses Diptyque gibt es die Duftkerzen „Epinette“ und „Perdigone“. Kiefer und Fichte oder das warm-fruchtige Aroma von würzigen Pflaumen verbreiten WinterwunderlandAtmosphäre. Limited Edition winter collection candles in “Spiced Plum” (Perdigone) or “Spruce Tree” (Epinette) www.diptyqueparis.com
In unserer Anniversary Ausgabe stellen Dana Weiss, Chicago und Nurcan Özdemir, New York, ultimativ unvergessliche Lieblingsstücke vor. Wir wünschen eine feierliche Ankunft im neuen Jahr!
Nach den Damendüften Black Orchid und White Patchouli kommt Violet Blonde, das jüngste Kind von Tom Ford. Opulente Sinnichkeit im Retro-Look durch Veilchenduft und arabischen Jasmin. Kampagnengesicht ist niemand Geringeres als Blonde Bombshell Lara Stone. Tom Ford Violet Blonde, erhältlich z.B. bei Douglas, EdP 30 ml www.tomford. com
Gareth Pugh hat eine 18-teilige Beautykollektion für MAC entworfen. Violett mit pinken Highlights, frostiges Grau und tiefes Dunkelblau mit irisierendem Schimmer verleihen den typisch-düsteren Pugh-Touch. Gareth Pugh MakeUp Collection for MAC Produkte Ab November in den USA, ab Januar 2012 in Deutschland erhältlich. Unter www.maccosmetics.de
von Nurcan Özdemir
Endlich etwas, dass das Beil zwischen Naturliebhabern und Technikfreaks begräbt und die beiden Spezies sogar zusammenbringt: Die iPhone Dockingstation aus echtem Hickoryholz. Woods iPhone Dock Gesehen bei Anthropologie, auch erhältlich im Onlinestore www.anthropologie.com
Fetisch ist diese Saison nicht nur salonfähig, sondern unumgänglich. Jitrois macht uns das Leben dabei sehr viel leichter: Der Erfinder des Stretchleders sorgt dafür, dass wir uns im engen Lederoutfit tatsächlich bewegen und wohlfühlen dürfen. Jitrois die neueste Kollektion zu haben bei Realm in Soho. Online erhältlich z.B. über www.stylebop.com, www.jitrois.com
Die minimalistische iPad-Tasche von Margiela sieht gut aus und ist praktisch. Der abnehmbare Schulterriemen bringt einen erfolgreich durch stressige Tage. Der Label-geprägte Notizblock plus Bleistift warten auf ihren Einsatz, falls die Technik mal versagen sollte. Maison Martin Margiela, iPad case Über www.net-a-porter.com
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Kurzgeschichte
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Als neben allem anderen auch noch der Morgen graute, beschloss Ortlieb Wändehoch das Rauchen aufzugeben. von Ralf Diesel Experten reden - Ortlieb Wändehoch raucht. Und er beschloss, es aufzugeben! Ortlieb war jetzt Nichtraucher. Andere sind Nichtkiffer, Nichtfixer, Nichtkokser, Nichttrinker – und Ortlieb war jetzt Nichtraucher. Endlich etwas. Er setzte sich hin und rauchte nicht. Er stand an der Ampel und rauchte nicht. Er ging über die Ampel und rauchte nicht. Und als er endlich am Kiosk ankam – da rauchte er auch da nicht. Danach dann las er die Zeitung und rauchte nicht. Als er aß, rauchte er nicht, und nach dem Essen, da rauchte er nicht. Unter der Dusche rauchte er nicht. Beim Müll Wegbringen rauchte er nicht. Selbst kurz vorm zu Bett Gehen rauchte er nicht. Gar nicht. Er rauchte vierundzwanzig Stunden am Tag – und zwar nicht! Als er so drei Tage genichtraucht hatte, gehörte er für einige Stunden zu den Trinkern. Noch ehe er sich übergab, rauchte er nicht! Am nächsten Morgen war er immer noch Nichtraucher. Und bestimmtermaßen Nichttrinker. Für das erste wurde er von seiner Umgebung bestaunt. Für das zweite belacht. Wart’s ab, Ortlieb! Nachdem er die nächsten 130 Stunden auch noch, und zwar durchgehend genichtraucht hatte, machte Ortlieb eine Pause – und rauchte. Ortlieb hatte nie etwas Anstrengenderes erlebt, als zu nichtrauchen. Er nichtrauchte sich seine Nerven zugrunde. Und die wollten beruhigt werden. Nicht zu fixen fand er gar nicht anstrengend. Auch nicht zu koksen war kein Thema. Nicht zu kiffen, nicht zu trinken – alles Luft. Ortlieb merkte, dass er, als er aufhörte zu rauchen, innerlich viel mehr nichtrauchte, als er jemals zu rauchen vermochte. Sein Konsum stieg enorm. Und das soll mal einer aushalten. Wer je derart viel genichtraucht hat wie Ortlieb, weiß, wie es ihm erging. Berge von genichtangezündeten und genichtrauchten Zigaretten türmten sich. In seiner Wohnung, im Auto, an der Ampel, am Arbeitsplatz, schier überall. Da musste Platz geschaffen werden. Diese Halden mussten niedergewalzt werden. Ortlieb beschloss zu rauchen. Das konnte er. Das konnte er gut. Doch nach ein paar Tagen wurde er wieder schwach und fing erneut an zu nichtrauchen. Überall, einfach überall. Selbst im Schwimmbad, wo er sonst nicht rauchte, nichtrauchte Ortlieb jetzt. Und er ging oft ins Schwimmbad. Viel öfter als zu der Zeit, wo er noch rauchte. Sein Konsum stieg exponential. Unaufhaltsam ging der bergauf, während es mit Ortlieb bergab ging. Da stellte sich Ortlieb vor die Wahl: entweder er raucht oder – Aber weiter kam er nicht, denn er rauchte schon wieder. Denn: Ortlieb wollte: Rauchen! Ja, das war’s! Rauchen! Ortlieb rauchte von nun an ganze Plantagen nieder. Das war’s, was er schon immer gesucht hatte. Völlig enthemmt Tabakfelder niedermähen.
Solange er lebte. Sämtlichen nikotinhaltigen Pflanzen den Garaus machen. Nichts übrig lassen. Bis alles weg war. Schnurzpiepe, ob das ging – jetzt ging’s ums Rauchen und sonst nichts. Absinthtrinker nennen ihr Getränk „die grüne Fee“. Raucher nennen ihren Auswurf „grün“. Nicht braun – grün. „Da isses grün“, wie Ortlieb sich sagen hörte, nachdem er das Grüne aus sich raus befördert hatte. Wie im Tagebau kroch es schaufelweise, vorrangig morgens aus ihm raus. Grün! Da wurde es Ortlieb zu bunt. Er kramte in seinen Taschen – und fand überall Zigaretten und Tabak. Und Feuerzeuge. Und Streichhölzer. Und Blättchen. Und Krümel. Überall Krümel. Ortlieb rauchte entweder Selbstgedrehte, ohne Filter, oder Filterlose, auch ohne Filter. Denn Filterlose und Selbstgedrehte sättigen mehr. Da muss Ortlieb dann nicht so viel rauchen, wie von welchen mit Filter oder gar die „Schwachen“ mit wenig Nikotin – von denen braucht man mehr, bis man den Sättigungspunkt erreichte. Mit denen hätte es Ortlieb nie geschafft, so viel Zeit hätte er zwischen den Zigaretten gar nicht gehabt, um noch eine zu rauchen. Ortlieb machte sich einen Plan. Nun, Ortlieb, sagte sich Ortlieb, willste aufhör’n, wa!? Na, dann machste mal Folgendes: Du nimmst Dir alles, was Du noch so zu rauchen hast – und rauchst das nieder. Das muss dann ein für alle mal reichen. Für immer und ewig. Und als kleines Geschenk, da rauchste als letztes die Zigarette, die Dir immer am meisten Spaß gemacht hat. Hast ja nur zwei Sorten von den ganz Guten, von denen, die so richtig gezwiebelt haben. In Ortlieb ging es die Wände hoch. Alles, was Zigarette war, war es auch noch so ungedreht, wollte als erstes geraucht werden. Ortlieb kam gar nicht mehr hinterher, so ein Gedränge entstand. Total überwältigt zog er strikt seine Strategie durch: Eine nach der anderen und immer von jeder nur eine zur Zeit. Disziplin, har har. Ging nicht auf. Denn Ortlieb wollte vollständig aufgeraucht ins Bett steigen, einmal baden – und am nächsten Morgen ohne was aufstehen – und fertig, nichts mehr. Ging aber nicht. Denn so sehr sich Ortie auch bemühte, er schaffte es einfach nicht. Am Abend blieben noch drei Zigaretten übrig. Die waren für den nächsten Tag. Der war aber noch lang. Bis zum Abend musste noch mächtig geraucht werden. Neue gekauft. Blieb wieder was übrig. Ortlieb war fertig. Er rauchte und rauchte – nie kam es hin. Er rauchte und gab sich alle Mühe. Er rauchte, als ob es ihm Spaß machte. Nichts. Eine über, drei über, eine halbe Packung über. Nichts. Aber eines Tages, da schaffte er es. Der Tag näherte sich seinem Ende. Und die Packungen näherten sich dem ihren. Und das Rauchen sich dem seinen. Nur noch ein paar von der einen Lieblingssorte und ein paar von der anderen Lieblingssorte blieben übrig. Und Ortlieb rauchte eine von der einen und eine von der anderen. Stück für Stück. Und er wusste, heute würde er aufhören, der Tag war gekommen. Am Ende würde er seine Lieblingszigarette rauchen. Als Triumph! Und am Ende wusste Ortlieb nicht, welche von den beiden Letzten er zuerst rauchen sollte - und welche zuletzt. Denn übrig blieb genau eine von der einen, und genau eine von der anderen Sorte. Da verstand Ortlieb Wändehoch die Welt nicht mehr.
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HAMBURG | SOMMER 2011
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Reisen
gültig ab 1. Mai 2011
DER RESTAURANT-LIEFERSERVICE FÜR QUALITÄT, QUALITÄT, VIELFALT VIELFALT&&GENUSS GENUSS
Genüssliches Gegurke Gurkensuppe und Gurkensauna: Im Spreewald kann man im Winter die Seele mal richtig baumeln lassen.
von Dominik Fehrmann DAS BESTE IST: Im Winter sind hier alle Plagegeister fort. Schlagen, Kratzen, Einsprühen – alles nicht mehr nötig. Die lästige Spreewaldmücke schlummert reglos in irgendeinem Winterversteck. Verschwunden sind auch die Horden von Bustouristen, die Lübbenau den Sommer über in einen einzigen Freizeitpark voller Fressbuden und Fahrgeschäfte verwandeln. Ab Oktober kehrt Ruhe ein im Spreewald, lichtet sich das Grün, legen sich Nebelschleier über die Fließe, liegen die leeren Kähne wie riesige Wiegen auf den Armen der Spree. Wer jetzt eine Kahnfahrt unternimmt, erlebt den Spreewald rund um Lübbenau im märchenhaftem Winterschlaf. Eingemummelt in eine Wolldecke und versorgt mit einem Becher Tee oder Glühwein gleitet man hier durch eine fahle Wald- und Wasserlandschaft. Das Staken des Kahnführers ist oft das einzige Geräusch, das die Stille durchbricht; mitunter begegnet man auf der ganzen Fahrt keiner Menschenseele. Lebendiger wird es im Spreewald erst wieder bei klirrender Kälte. Dann holen die Spreewälder ihre Schlittschuhe aus dem Schrank und die traditionellen Stoßschlitten aus den Schuppen. Denn dann verwandelt sich die Lagunenlandschaft in eine weit verzweigte Eisbahn. Vor allem die überfluteten Wiesen laden bei Temperaturen unter Null zum Herumgleiten ein; sie gefrieren schnell und lassen sich gefahrlos betreten, da das Wasser hier nur knöcheltief ist. Auf den Fließen und Kanälen ist größere Vorsicht geboten, aber in besonders kalten Wintern sind sie ebenfalls befahrbar. Sollten die Stoßschlitten gerade nicht im Einsatz sein, lässt sich ein Exemplar auch im Lübbenauer Spreewald-Museum
besichtigen. Hier, im alten Torhaus an Topfmarkt, gibt eine Dauerausstellung Einblick in das Leben der Spreewälder durch die vergangenen Jahrhunderte. Zu sehen sind Überreste einer slawischen Wallanlage, sorbischer Trachten, bäuerliches Gerät und diverse Alltagsgegenstände. Rund um den Topfmarkt lässt sich auch das kulinarische Erbe der Region erkunden. Und das umfasst weit mehr als nur eingelegte Gurken. So bieten fast alle Lübbenauer Restaurants eine hausgemachte Gurkensuppe an, die oft mit gepökelten Schweinerippchen serviert wird. Aber auch Kartoffeln mit Quark und Leinöl oder die berühmten Lausitzer Plinsen sind in der kalten Jahreszeit eine gute Stärkung. Rundum warm und wohlig wird einem dann im Spreewelten-Bad am anderen Ende des Ortes. Die dortige Saunalandschaft zählt nicht nur zu den schönsten Brandenburgs. Sie bietet mit der Gurkensauna auch eine ortsgemäße Besonderheit. Bei moderaten 60 Grad Celsius verbreitet sich hier der Dampf eines Gurkensuds. Der soll die Haut beruhigen und reinigen, ist aber in jedem Fall angenehm mild und entspannend. Zwischen den Saunagängen kann man dann am prasselndem Kaminfeuer ruhen oder sich die halbstündige Rücken- und Gesichtsmassage „Schöne Spreewälderin“ gönnen. Die eigentliche Attraktion des Bads aber wartet drüben im Schwimmbereich. Dort grenzt das wohltemperierte Außenbecken an eine Anlage mit HumboldtPinguinen. Nur eine Glasscheibe trennt hier Mensch und Tier, und wer mit Schwimmbrille unter Wasser verharrt, kann den Pinguinen bei ihren eleganten Tauchgängen zusehen. Und zusehen, wie sie ihrerseits herübersehen. Da wird manch einem auch ums Herz ganz warm.
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Kunst
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DIE KUNST DES LOSLASSENS ODER WARUM BEUYS HOFFENTLICH NOCH LEBT
was stammt. Wichtiger als die Ausstellung dieser Objekte war die Eröffnung, wo viele zum ersten Mal in diese Institution kamen, obwohl sie in unmittelbarer Nähe wohnten, und sich mit der Kunst – oder der scheinbaren Kunst – auseinandersetzen konnten.
Der Berliner Künstler Markus Keibel im Gespräch mit Jeni Fulton und Gunnar Lützow Du arbeitest, so scheint es, mit dem Zufall und mit dem Chaos. Was hat Dich dazu bewogen? Ich arbeite nicht mit dem Chaos, ich arbeite mit dem Zufall. Das ist begründet in der Herkunft meiner künstlerischen Arbeit, die vornehmlich im konzeptuellen Bereich liegt. Dieser Bereich zeichnet sich durch die Idee aus, die in ihrer Radikalität eigentlich das Kunstwerk nicht mehr bräuchte. Um dem einen menschlichen Aspekt dazuzugeben, der zu diesem abstrakten, geistigen Raum dazukommt, braucht es etwas Irrationales, etwas Physisches – und eben etwas Menschliches. Ein Sich-Verlieren im Augenblick, auch das Expressive, steigert sich am meisten im Loslassen, im Zufall. Das ist aber eben nicht chaotisch. Da geht der zufällige Moment auf den Besucher über, der es dann verändert. Das ermöglicht dem Betrachter eine ganz andere künstlerische Erfahrung in dem Sinne, dass er nicht nur aufnimmt oder auch teilhat, sondern dass er durch diese Teilhabe auch noch verändert: Er verändert die künstlerische Arbeit. Spielt da für Dich der Beuyssche Begriff der Sozialen Plastik eine Rolle?
Auf jeden Fall. Natürlich gibt es in der künstlerischen und geistigen Entwicklung so etwas wie Eltern und einer meiner Väter ist Beuys. Ich versuche, das in die heutige Zeit zu transferieren und es mit meinen Möglichkeiten zu erweitern, und nicht nur fortzuführen. Das manifestiert sich beispielsweise in einer partizipativen Ausstellung, die auf leicht verstehbare Weise in der Übertragung zeigen soll, dass man eben auch Teil dieser hoffentlich weiterhin demokratischen Gesellschaft ist und allein durch sein Sein verändert. Hat sich zwischen der Arbeit mit Labyrinthen aus zerbrochenem Glas und den freien, offenen Räumen die Herangehensweise an Dein Publikum verändert?
Nein. Die Grundlage meiner Arbeit ist immer durchgängig, auch wenn ich mit vielen verschiedenen Materialien experimentiere und mich da auch nicht festlegen will, das Einbeziehen der Anderen – oder der Interessierten im weitesten Sinne. „Rundgang“, eine meiner ersten Ausstellungen, bestand darin, dass ich einen Rundgang im Umkreis von 450 Metern um das Künstlerhaus Stuttgart gemacht habe. Dort habe ich alle von mir angetroffenen Anwohner gefragt, ob sie mir einen Gegenstand ihrer Wahl für eine Ausstellung im Künstlerhaus zur Verfügung stellen. Wir hatten am Schluss also 450 Gegenstände und haben die am Boden in einem Kreis so angeordnet, dass man sehen konnte, wie es sich ungefähr verteilt, ohne gleich zu sagen, von wem genau
Klingt nach Institutionskritik... Ja, das war 1991, die Zeit der Institutionskritik. Ein Versuch in dem Sinne, Institutionen aufzubrechen. Die Überlagerung verschiedener Kreise, da kann man am leichtesten die Kontinuität in meiner Arbeit verfolgen. Gibt es eine Teleologie in der Entwicklung Deiner Arbeit, die immer reiner zu werden scheint, bis sie sich mit dem Pigment als Grundstoff der Malerei auseinandersetzt? Ja, allerdings gibt es einen zehn Jahre währenden Einschnitt, der nur einem Material gewidmet war: Dem Glas. Ich hatte bemerkt, dass sich, abgesehen vom Kunsthandwerk, eigentlich niemand mit dem Werkstoff auseinandersetzt. Es gibt vier Elemente, die unser Erleben des städtischen Raums definieren: Glas, Beton, Metall und Menschen. Und dieser Werkstoff bestimmt eben nicht nur Städte, er kennzeichnet auch eine bestimmte Geisteshaltung, nämlich die einer scheinbaren Transparenz. Das
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Metaphorical Advice 3, 2011 30 x 40 cm Photograph (7+1) Metaphorical Advice 1, 2011 30 x 40 cm Photograph (7+1)
Metaphorical Advice 2, 2011 30 x 40 cm Photograph (7+1)
Glas suggeriert Transparenz, fungiert aber gleichzeitig als Mauer und schafft eine Trennung wie eine Beton- oder Stahlmauer. Mir wurde in meinem Umfeld zu wenig hinterfragt, wie wir mit Glas unsere Städte gestalten und so habe ich mich diesen Fragen nach dem Werkstoff und seiner Bedeutung so lange gewidmet, bis sie beantwortet waren. So erschaffen die Mächtigen mit Glas wunderbare Illusionen. Die nach den Aktionen auf Leinwänden abgenommenen Spuren erinnern an Yves Klein – taucht da trotz deines ganz individuellen Zugangs eine universelle Zeichenhaftigkeit auf? Entstanden sind diese Arbeiten aus der Frage, welche guten Gedanken der Moderne es weiterzutransportieren gilt. Als gedanklichen Ausgangspunkt habe ich dazu eine Arbeit von Yves Klein aus dem Jahr 1960 genommen, wo er erstmals in Paris Anthropometrien genommen hat: Nackte Frauen wälzen sich in blauer Farbe auf Leinwand. Wie müsste so etwas heute, fünfzig Jahre später, aussehen? Der chauvinistische Blick angezogener Männer auf nackte Frauen darf genauso wenig sein wie ein Künstler, der als Autor Dirigent ist und die Frauen als Pinsel, als Verlängerung seiner selbst benutzt. So etwas muss heute im tiefsten Sinne demokra-
Der Beginn Das Ende, 2011 Pinienholz (280 Jahre alt) gerußt 220 x 150 x 14 cm tisch sein, Partizipation und Freiheit erlauben, gepaart mit der Sichtbarkeit der eigenen Tat in der Spur des Pigments, die mit der Freiheit eben auch eine gewisse Verantwortung mit sich bringt. Das das Ergebnis nach der Abnahme Ähnlichkeit mit den Anthropometrien von Yves Klein hat ist erstaunlich und fast erschreckend. In diesem Experiment wurden ganz viele Parameter verändert und trotzdem kommen wir zu dem gleichen Ergebnis. Ich stehe mit verwundertem Blick davor.
Warum wirken Deine Arbeiten trotz ihrer theorielastigen Fundamente so ästhetisch und leicht? Ich bin ein Kind der Postmoderne – wir haben noch im Wissen um die Referenz gesampelt. Die Facebook-Generation kennt die Quelle des Zitats gar nicht mehr. Das will ich gar nicht bewerten, aber es ist schon interessant und wahrscheinlich auch ein Grund dafür, dass so vieles einfach nur existent ist. Dazu laufen Künstler, die sich
nicht für kunsthistorische Referenzen interessieren, Gefahr, sich und andere andauernd zu wiederholen. Manche denken sogar, sie hätten die Zitate neu erfunden. Wohin das führt wird man beobachten müssen. Gewinnt es individuell oder künstlerisch etwas eigenes? In Subkulturen nur noch die feinen Unterschiede zu verhandeln, ist zu wenig. In diesem Bereich passieren mir Positionierungen derzeit zu selten. Ich suche in der Kunst die Eigenständigkeit der Gedanken des Individuums, um ihn von dort aus wieder nach außen zu tragen. Welche weiteren Meilensteine der Moderne außer Yves Klein faszinieren Dich? Otto Piene und natürlich all jene älteren Männer und Frauen, denen es am Ende ihrer Karriere gelungen ist, sich von ihren eigenen Gedanken zu emanzipieren. Hans Hartung hat den Fünfzigerjahre-Kosmos verlassen und Arbeiten geschaffen, die unglaublich zeitgemäß sind und in ihrer Frische ihresgleichen suchen. Da gibt es noch viele Aspekte zu entdecken. Noch unfertiges Gedankengut sozusagen? Immer und überall. Ich bin ein einziges unfertiges Gedankengut.
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Ausgabe N°19 r Dezember 2011 / Januar 2012 r Jahrgang 2/3 r trafficnewstogo.de
ES WAR MIR Interview mit Regisseur Steven Spielberg zu seinem neuesten Film „Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn“. von Marc Hairapetian „Der weiße Hai“ (1975), die „Indiana Jones“-Reihe (1981 - 2008), „E. T. - Der Außerirdische“ (1982), „Jurassic Park“ (1993), „Schindlers Liste“ (1993), „Der Soldat James Ryan“ (1998) oder „A. I. - Künstliche Intelligenz“ (2001): Steven Spielberg, geboren am 18. Dezember 1946 in Cincinatti (Ohio), ist zusammen mit Peter Jackson und James Cameron der kommerziell wohl erfolgreichste Filmemacher aller Zeiten. Was lag näher, als mit einem von beiden zusammenzuarbeiten, um die künstlerischen Kräfte zu potenzieren. Mit „Herr der Ringe“-Regisseur Peter Jackson fand er einen Bruder im Geiste, was die Realisierung seines langgehegten Wunschtprojekts „Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn“ angeht, dass kurz vor Weihnachten auch den US-Markt erobern soll. Spielberg selbst nennt übrigens seinen verstorbenen Freund Stanley Kubrick als größten Regisseur aller Zeiten. Mr. Spielberg, wie kamen Sie auf die Idee, bei der Verfilmung von Hergés Kultcomic „Tim und Struppi“ ausgerechnet mit Regisseur Peter Jackson, der diesmal „nur“ als Produzent fungiert, zusammen zu arbeiten? Peter ist „Tim und Struppi“-Fan seit Kindesbeinen an. Ich erst
seit 1981, als ich in einer französischen Filmkritik las, dass mein Film „Jäger des verlorenen Schatzes“ von Hergé beeinflusst worden wäre. Dem war leider nicht so, denn ich kannte „Tim und Struppi“ zuvor gar nicht. Nach Lektüre von besagter Kritik kaufte ich mir alle 24 Bände und las sie in wenigen Tagen komplett durch. Kurz darauf sicherte ich mir die Verfilmungsrechte. Hergé selbst, ermutigte mich noch kurz vor seinem Tod im Jahr 1983 zu einer Verfilmung. Die dreidimensionale computergenerierte Animationstechnik war damals erst in den Startlöchern. Obwohl ich 1985 mit Barry Levinsons „Das Geheimnis des verborgenen Tempels“ den Film mit der ersten digitalen Bildersequenz produzierte, wollte ich nicht, dass „Tim und Struppi“ wie „Dick Tracy“ aussieht. So legte ich das Projekt auf Eis. Als ich Peter Jackson kennen lernte, konnten wir unverhohlen unserer Leidenschaft für „Tim und Struppi“ frönen. Da lag es nahe, gemeinsam einen Film vorzubereiten, zumal Peter mit der „Herr der Ringe“-Trilogie die digitale Computeranimation wesentlich vorangetrieben hat. Ihr Freund, der verstorbene Meisterregisseur Stanley Kubrick, wollte bei „A. I. - Künstliche Intelligenz“, auch mit Ihnen kooperieren. Sind Sie ein Teamplayer? Das muss man als Regisseur an sich immer sein, auch wenn ein Film eine Handschrift tragen sollte. Stanley hat über Jahrzehnte an „A. I“ gearbeitet, doch das Projekt immer wieder hinausgeschoben, weil die Technik noch nicht so weit war. Ähnlich wie ich jetzt mit „Tim und Struppi“. Stanley und ich waren Freunde – und das ist mir bis heute eine große Ehre. Seine Filme wie „Dok-
tor Seltsam oder Wie ich lernte die Bombe zu lieben“, „2001: Odyssee im Weltraum“ oder „Uhrwerk Orange“ waren einfach der Urknall für junge Cineasten meiner Generation. Nachdem er so lange zu „A. I“ recherchiert hatte, fand er, dass die Inszenierung der „Menschwerdung“ eines Roboters ein besseres Thema für mich wäre. Er, das Regie-Genie, wollte diesmal nur produzieren. Sein überraschender Tod kurz nach Beendigung von „Eyes Wide Shut“ im März 1999 verhinderte, dass wir „A. I.“ gemeinsam ins Kino bringen konnten. Ich versuchte es – ausgerechnet im Jahr 2001 – so gut es ging, ihm gerecht zu werden. Warum ließ Ihnen, Peter Jackson bei der Regie den Vortritt? Weil ich der Ältere bin! (lacht) Im Ernst: Er meint, ich würde am Set schneller arbeiten, als er. Durch Peter lernte ich auch seine Heimat Neuseeland kennen, dort herrschen wirklich ausgezeichnete Produktionsbedingungen. Ein wunderschönes Land, indem man viel ruhiger arbeiten kann, als in Hollywood. Ich werde wieder dort mit dem Weta Workshop zusammenarbeiten. Hat sich das Regieführen im Laufe der Jahre für Sie verändert? Natürlich. Jeder Film ist anders. Aber hier war es ganz anders! Mit der neuen Technik ist man direkt mit der virtuellen Welt verbunden. Ich stand mit der Kamera mitten im so genannten „Green Room“ und habe die Schauspieler aus zwei Metern Entfernung gefilmt, während wir das Innere eines gigantischen Frachters auf die Leinwand projizierten. Die Darsteller hatten Pixelmarkierun-
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EINE HEILIGE PFLICHT gen auf ihren Anzügen. Ich war ganz in grün gewandt und somit unsichtbar. Ich war also wie einst Siegfried mit der Tarnkappe ungesehen im Bild und nicht wie sonst üblich in einem Studio 50 Meter entfernt und nur per Headset mit den Schauspielern verbunden. Warum haben Sie mit „Die Krabbe mit den goldenen Scheren“, „Das Geheimnis der Einhorn“ und „Der Schatz Rackhams des Roten“ gleich drei Alben in einen Film gepackt? Der Doppelband „Das Geheimnis der Einhorn“ / „Der Schatz Rackhams des Roten“ steht zwar im Vordergrund, wir wollten allerdings Kapitän Haddock nicht so lapidar einführen. Deshalb bezogen wir auch „Die Krabbe mit den Goldenen Scheren“ ein, in der Tim und Struppi ihren späteren Weggefährten Kapitän Haddock auf dem armenischen Frachter Karaboudjan als versoffenes, von seiner eigenen Mannschaft nicht ernst genommenes Wrack kennen lernen. Wieso fehlt eigentlich der schwerhörige, aber geniale Professor Bienlein, der in Hergés Comic Tim, Struppi und Haddock bei der Schatzsuche mit einem Unterseeboot behilflich sein möchte? Warten Sie unsere Fortsetzung ab! Dem „Geheimnis der Einhorn“ soll also „Der Schatz Rackhams des Roten“ oder ein anderes „Tim und Struppi“-Abenteuer auf die große Leinwand folgen? Ja, wenn die Einspielergebnisse stimmen. Elemente von „Der
Schatz Rackhams des Roten“ tauchen ja schon in unserem „Tim und Struppi“-Debüt auf. Denken Sie an Haddocks Vorfahren, der sich anhand von Haddocks zum Seemannsgarn ausgeschmückter Familiengeschichte, ein Duell mit dem von Daniel Craig verkörperten Piratenkapitän liefert. Bei einer Fortsetzung wird übrigens Peter die Regie führen und ich produzieren. Wie schätzen Sie Andy Serkis Computeranimierte Darstellung von Kapitän Haddock ein? Andy ist mit Abstand der beste Schauspieler, was die Performance-Capture-Technologie angeht, die Bewegungen und Ausdruck eines realen Akteurs auf die Figuren im Computer überträgt. Denken Sie an seine Darstellung des Gollum in „Herr der Ringe“ oder des Affen Caesar in „Planet der Affen“! Der ewig fluchende, durch seine Alkohol-Eskapaden von einem Fettnäpfchen ins nächste tretende, aber dennoch herzensgute Haddock ist neben Struppi die wohl beliebteste Figur in Hergés ComicKosmos! Und durch Andy wird sie noch mehr Fans gewinnen. War es nicht noch schwieriger, einen Darsteller für den Titelhelden Tim zu finden? Da haben Sie recht. An sich ist Tim von Hergé bewusst einfach, aber auch einzigartig gezeichnet: Ein ovales Gesicht mit zwei schwarzen Punkten anstelle von Augen und Lidern, eine Stupsnase, ein Punkt als Mund, dazu eine Haartolle. An seiner berühmt-berüchtigten „Ligne Claire“ mit den präzisen Konturen und dem weitgehenden Verzicht auf Schraffuren und Farbverläu-
fen sind viele Comiczeichner in den ersten Tim-Zeichentrickfilmen gescheitert. Erst die kanadisch-französische Serie Anfang der 1990er Jahre hat dies überzeugend hinbekommen. Peter und ich wollten den 2D Comic in einen 3D Film transportieren, der Hergés DNA beibehält. Jamie Bell wirkt wie ein Junge, der seinen Hund über alles liebt, ist aber schon erwachsen, so dass man ihm den Abenteurer auch abkauft. Er läuft immer leicht nach vorne gebeugt, was die Dynamik des rasenden Reporters unterstreicht. Was ist eigentlich Ihr „Tim und Struppi“-Lieblingsalbum? Der Doppelband „Reiseziel Mond“ /„Schritte auf dem Mond“. Hergé hat bereits 15 Jahre zuvor die Mondlandung minutiös vorweg genommen. Dazu kommt die Geschichte des ehrbaren Verräters Wolff: Wegen seiner Spielschulden ist der Ingenieur gezwungen, für eine fremde Macht zu spionieren und das Unternehmen zu sabotieren. Am Ende opfert er sich aber, als der Sauerstoffvorrat für die anderen Expeditionsteilnehmer knapp wird. Sein Freitod im Weltraum hat mich immer zu Tränen gerührt. Na, das wäre doch ein guter nächster „Tim und Struppi“-Film des Gespanns Spielberg/Jackson! Das haben Sie gesagt, aber wo Sie es sagen, klingt es wirklich reizvoll. Sollte es so weit sein, werden sie einen Extra-Credit für Inspiration erhalten! Vielen Dank im voraus und danke auch für das Gespräch!
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Reviews
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von Sabine Weier, Bremen
lige kleine runde Glühbirnen. Mit diesen Spiegelkabinetten, die Kusama seit 1963 in immer neuen Varianten kreiert, visualisiert sie ihr Konzept des „Infintiy Net“ am eindringlichsten. Die Externalisierung ihrer Psyche hat Kusama zum Prinzip ihres künstlerischen Schaffens gemacht und sie im Konzept der „Self-Obliteration“, der völligen Selbst-Auflösung ähnlich wie im Buddhismus, zum Manifest erhoben. Auf einem Poster zu ihrer Self-Obliteration Performance in New York von 1968 heißt es: „Forget yourself and become one with Nature. Lose yourself in the ever-advancing stream of eternity. Self-Obliteration is the only way out.“ 1973 schließlich kehrt sie nach Tokio zurück. Die ohnehin schmerzhafte Erfahrung wird durch den Tod ihres Freundes und Liebhabers, dem Künstler Joseph Cornell, im gleichen Jahr und den des Vaters ein Jahr darauf noch intensiver. Seit einem Selbstmordversuch im Jahr 1976 lebt Yayoi Kusama in einer psychiatrischen Einrichtung in Tokio. Ihr Atelier liegt ganz in der Nähe. Mit über 80 Jahren arbeitet sie noch täglich und produziert mithilfe von Assistenten neue Environments und Gemälde. Ihr Werk liest sich wie ein immer wieder unternommener Versuch, einem unentrinnbaren Trauma zu entkommen. Bis heute. Die Yayoi Kusama Retrospektive ist noch bis zum 9. Januar 2012 im Centre Pompidou (Paris) und vom 9. Februar bis zum 5. Juni 2012 in der Tate Modern (London) zu sehen.
kument einer Ära bleibt der gleichnamige Film, der dieses Jahr in den Kinos lief. Erstaunlich schlicht kommt Adriàs neues Kochbuch „The Family Meal“ daher. Der Meister stellt darin vor, was das 75-köpfige El Bulli-Team, die Familie, regelmäßig selbst verzehrte. Statt frittierten Hasenohren kamen Cheeseburger auf den Tisch – bodenständige Gerichte, in die man nur ein paar Euro und kaum eine Stunde Zubereitungszeit investieren muss. Bei seiner Werbetour kommentierte Adrià: „Die aktuelle Rezession bringt Europa rund 25 Millionen Arbeitslose, also können wir den Leuten keine Rezepte für Garnelen und Hummer anbieten.“
Cheeseburger statt frittierten Hasenohren „The Family Meal. Home Cooking with Ferran Adrià“
Lose yourself in the ever-advancing Stream of Eternity „Infinity Net: The Autobiography of Yayoi Kusama“ in englischer Sprache. Punkte sind das Markenzeichen der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama und Symbol ihrer unbändigen kreativen Energie. Ein Kindheitserlebnis prägte ihr gesamtes Werk: „Ich schaute mir das rote Blumenmuster einer Tischdecke an. Als ich aufsah, bedeckte das Muster den ganzen Raum und meinen Körper, und ich fing an, mich in dem Muster aufzulösen.“ Im Pariser Centre Pompidou beginnt ein chronologischer Rundgang durch Kusamas Oeuvre – zu sehen sind 150 Arbeiten aus den Jahren 1949 bis 2011 – mit einem Environment, das diese Halluzination nachstellt: Unter Schwarzlicht aufleuchtende Punkte fluten einen kleinen Raum, kleben auf einem Tisch, Stühlen und Wänden. In Japan ist Kusama längst eine Ikone. Die große Retrospektive gibt jetzt in Europa Gelegenheit, ihr imposantes Werk zu entdecken. Kusamas künstlerische Laufbahn beginnt nach ihrem Studium in Kioto. Sie bemalt Leinwände mit zufällig arrangierten Punktemustern und tauft sie „Infinity Nets“. 1957 zieht es sie nach New York, wo sie fast 16 Jahre lang lebt und arbeitet. Sie experimentiert, erschließt sich neue Medien, schafft psychedelische Videoarbeiten und fügt, gemeinsam mit ihrem Liebhaber, dem Minimal-Künstler Donald Judd, gefundene Objekte in Assemblagen zusammen. In dieser Zeit entstehen vor allem feministische und politische Arbeiten. Kusama kreiert mit phallischen Stoffwülsten überzogene Räume und Möbel, inszeniert BodyPainting-Sessions und setzt sich in öffentlichen Performances für sexuelle Freiheit und gegen den Vietnamkrieg ein. Bei ihren spektakulären Happenings mit nackten Assistenten wird sie nicht selten medienwirksam von Sicherheitsbeamten abgeführt, etwa 1969 aus dem Skulpturengarten des Museum of Modern Art. Die Japanerin wird zu einer schillernden Protagonistin der von Männern dominierten New Yorker Kunstszene. Durch alle Arbeiten ziehen sich die Punkte. Kusama malt sie in immer neuen Varianten auf Leinwände und nackte Körper, klebt sie auf Pferde, Hunde, Bäume und Steine. Sie sind gewissermaßen Projektionen ihrer Psyche – alles wird zum Selbstporträt, alles verschmilzt in einem Kosmos: „Mein Leben ist ein Punkt, verloren zwischen tausenden anderen Punkten.“ Inmitten der Ausstellung im Centre Pompidou steht ein quadratischer Raum mit einem schmalen Eingang. Ein Schritt über die Schwelle führt in ein unendliches Netz bunt leuchtender Punkte. Es fühlt sich fast so an, als schwebte man im All. Der dunkle Raum ist komplett mit Spiegeln ausgekleidet, von der Decke hängen unzäh-
Kaum etwas könnte abgeschmackter daherkommen als die Empfehlung eines Kochbuchs zur Weihnachtszeit. Es sei denn, es handelt sich um ein Werk von Ferran Adrià, Gott der Küche, Chef der Chefs. Im sagenumwobenen Restaurant El Bulli an der Costa Brava servierte er jedes Jahr zehntausenden Gästen Kunstwerke, die man sich kaum zu verköstigen traute. Millionen von Menschen versuchten vergeblich, einen Tisch zu reservieren. Wahnsinn sei das, nicht normal, dachte Adrià und machte den Laden im vergangenen Sommer dicht. Als Do-
Ein schrilles Universum „Das Pedro Almodóvar Archiv“ Der Mann ist Kult und einer der größten Autorenfilmer unserer Zeit – das besiegelt nun endgültig das monumentale, über 400 Seiten starke „Pedro Almodóvar Archiv“. Von seinem ersten kommerziellen Werk „Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande“ aus dem Jahr 1980 bis hin zu seinem neuesten Schockthriller „Die Haut, in der ich wohne“ seziert der Band Almodóvars Lebenswerk mit Essays, Interviews und fantastischen Filmstills. Setbilder zeigen Almodóvar in Aktion, mit schwarzem und später grauem Wuschelkopf. Es ist die Biografie eines Mannes, der ständig arbeitet – derzeit entsteht sein nächster cineastischer Coup. Almodóvar brachte die brachiale postfranquistische Ästhetik der „Movida“, einer Subkultur-Bewegung im Madrid der späten 1970er Jahre, auf die Leinwand und entdeckte Stars wie Antonio Banderas oder Penélope Cruz. Als Meister der filmischen Comédie Humaine hat er eine schrille Welt kreiert, voller starker Frauen, liebevoll kitschiger Interieurs, Transvestiten, großer Gefühle und Beiträge seelenverwandter Künstler, wie Choreografin Pina Bausch oder Star-Komponist Alberto Iglesias. „Das Pedro Almodóvar Universum“ wäre ein treffenderer Name gewesen.
Ferran Adrià — Phaidon, Berlin, 2011 383 Seiten — 24,78 - Euro
Herausgeber: Paul Duncan Taschen Verlag, Köln, 2011 410 Seiten mit 600 Abbildungen 150,- Euro - Deutsch
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“AN ASIAN, AN ITALIAN AND A GINGER CAT WALK INTO A BAR…” by Conor Creighton
Katzorange
English Appendix
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Bergstraße 22, 10115 Berlin — Mitte info@katzorange.com Opening soon Young Ludwig Cramer-Klett is a free-spirited backpacker who just happened to slip a slender finger deep into some prime real estate on the north side of Torstraße. Katzorange is the restaurant he’s opening. A warm, non-dogmatic and inclusive setting tucked behind one of the most impressive facades in Mitte, and inspired by a journey through the Peruvian jungles. But when I visited, it was all Baustelle, so Ludwig brought me to his home, introduced me to his parents and called up his head chef to prepare a little something. The stand out was the boar burger. It was the closest I’d ever come to one of the critters without hearing screams. You’ll be hearing from this dish again. Ludwig promised me that the restaurant would flip some perceptions. Vegetarian dishes for meat eaters, organic that doesn’t cost the price of new shoes and an eaterie that promotes socialising like a bar might. By the time you’re reading this, they should be taking orders. Put him to the test.
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Hartweizen
Torstraße 96, 10119 Berlin – Mitte T +49 (0)30 28 493 877 Monday — Saturday, 6 – 11 pm Sometimes in the hectic world of food critique you don’t always get to go to the restaurant. You have to send someone else, in this case, two very good friends, and then sit back and listen as they describe the food, the atmosphere and an experience that you’ve never had. It’s like phone sex, but with even less satisfaction. Hartweizen – our latest Italian – does however sound like a great restaurant. It looks pretty beautiful too. One of the owner’s mother decorated the walls with her art and the general vibe is a reduced, modern Italian that’s done away with the gingham and the mandolins but kept the all-one-big-insolvent-family atmosphere. The dishes are combinative mixtures of taste and colour. Fruit on the side, nuts scattered here and there and a menu that encourages you to order many dishes. It’s southern. Bari. These people were born with one foot in salt water so don’t say they don’t need seafood.
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Oukan 71
Kronenstrasse 71, 10117 Berlin – Mitte www.oukan71.com Monday – Saturday, 12 – 8 pm ‘If you don’t feel well, you won’t f**k well’ reads the sign on the back wall of Oukan 71, the new Japanese restaurant and store in town. I went in feeling awful and left ready to take on the world, if not have sex with the whole world too. What you’ll find at Oukan 71 is a three-story nod to the East. They have a relatively inexpensive line of exclusive fashion labels and the menu consists of a bento box for just 7 Euro and a few things you’ll never have heard of before, such as Matcha tea. In the future, the only hot liquid that’ll ever enter your mouth is this. The store on the ground floor is full of things you would actually buy, but it’s also a tribute to the zany world of Japanese design where gloves are made from head hair, laptop cases are fur-lined to keep the technology warm and your hold-all has a clip for a bottle of champagne. ‘Your body is your temple’ reads the sign at the front of the store. Let us pray.
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