NEWS TO GO May ––– JUN 2015 NO 44
Zeitgeschehen S. 4
8-Pages- mit Artist Weekend Künstler und Kur ator S. 11
Flüchtlinge Willkomen – Der richtige Weg für Europa
Christian Achenbach, Jonas Burgert, Zhivago Duncan, John Isaacs und David Nicholson
123 S. 5
Pizza Mafiosi To-Go Feuilleton S. 6
Geplatzte Träume: Ausstieg aus der Kunstszene
Gourmet S. 22
Kunst macht hungrig – bestes Einkehren zum Gallery Weekend. Arrogant Bastard S. 21
The Art of War
Wetter S. 7
Berlin, Venedig, New York City und Basel Sport S. 8
Polo: archaischer Rausch nahe Berlin Gallery Weekend Special S. 9
Künstler über Sinn und Sinnlichkeit an einem Wochenende
Accessories S. 24
Accessoires für Krikelkrakel und Schönschreiberei Liter atur S. 26
Kunst ist einfach Kunst!
impressum
Contributors o
2 Sharon Welzel
Ralf Diesel
Lisa Kosak
Eigentlich hat Sharon Kunst studiert, in Hamburg und Barcelona: Film, Installation, Grafik und Fotografie. Ein klassischer Jack of all trades. Auch heute noch arbeitet sie interdisziplinär: als Autorin, Redakteurin und Stylistin, in der Trendforschung und als Konzepterin. Ufff – ganz schön viel könnte man sagen, aber in der Zusammenarbeit mit ihr, wird ab einem gewissen Punkt klar: sie kann wirklich Zusammenhänge zwischen all diesen Dingen herstellen - und auf einmal macht das alles da draußen viel mehr Sinn.
Ralf Diesel ist unabhängiger Autor, übersetzt vom Spanischen und Englischen, lektoriert und repariert Texte. Als gelernter Komparatist ist er auf Phantastik aus, untersucht sie in all ihren Formen (keine Fantasy!) und in allen Sprachen. Auch in anderen Künsten: Soundart, Musik, Film… Warum? Weil sich dort die meisten Fragen zur Realität ergeben. Seit einiger Zeit sucht er in Süd-Ost-Europa. Bei TRAFFIC erstellt er dazu Die Andere Seite, betritt aber auch andere Gefilde.
Lisa Kosak kommt ursprünglich aus Belgien und lebt und arbeitet bereits seit einiger Zeit in Berlin. Sie hat einen Abschluss als Übersetzerin für International Relations in den Sprachen Englisch, Russisch und Französisch und war neben ihrem Studium als Messemanagerin einer Kunstmesse in Brüssel tätig. Seit ihrer Ankunft in Berlin arbeitet Lisa als managing editor für bpigs, eine von Künstlern geleitete Kommunikationsplattform. Neben dieser Tätigkeit arbeitete sie während der Picture Berlin residency für Fotografen außerdem als Assistentin von April Gertler.
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1869-943 X gestaltung
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N /O 44 – MAI / JUNI 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
MITARBEITER DIESER AUSGABE
Christian Achenbach, Eva Biringer, Madeleine Boschan, Jonas Burgert, Thorsten Denkler, Safia Dickersbach, Ralf Diesel, Zhivago Duncan, Andreas Golder, Robin Hartmann, John Isaacs, Patrick Jendrusch, Lisa Kosak,
»Artist of the Year« 2015
Koki Tanaka
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26.3. –––– 25.5. Project title: Painting to the Public (Open Air) Date: March 24, 2012 Format: Collective acts, photo documentation Route: Meguro Museum of Art to Aoyama Meguro, Tokyo Created with Aoyama Meguro, Tokyo Photography: Takashi Fujikawa Participants: Anonymous respondents to SNS announcement © the artist, Vitamin Creative Space, and Aoyama Meguro
N /O 44 – MAI / JUNI 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
Unter den Linden 13/15 10117 Berlin 10 – 20 Uhr, montags Eintritt frei deutsche-bank-kunsthalle.de
zeitgeschehen
Seid willkommen, ihr Millionen
Tausende Flüchtlinge sterben im Mittelmeer. Weil die Europäer Angst haben. Der richtige Weg
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wäre einfach. Und er wäre gut für Europa. Menschen sterben vor den Küsten Europas. Es sind Tausende. Monat für Monat. Ist sind seit Januar jetzt schon 30 Mal mehr Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken als 2014 in der gleichen Zeit. Die Menschen sind vor der Not geflohen, vor Hunger und Verfolgung. Auf der Suche nach ein bisschen Glück in Europa. Über eine Million Menschen sollen allein an den Stränden von Libyen auf den Anruf ihres Schleppers warten, dass ihr vermeintliches Boot in die Freiheit bereitsteht. Seelenverkäufer zumeist, völlig überfüllt, nicht seetauglich. Mit ihnen reisen viele in sicheren Tod. Manche werden wie angeschwemmt an den Badestränden Italiens. Es gibt Bilder, auf denen Urlauber in Badehose helfen, die Leichen wegzutragen. Kürzlich waren es wieder fast tausend Menschen, die an einem Tag ertranken. Darunter dutzende Kinder. Europa, das war mal ein humanistisches Projekt. Für Frieden und Freiheit. Das ist vorbei. Heute ist Europa eine Wohlstands-Festung. Angst treibt ihre Bürger um. Angst davor, die könnten ein Stück von ihrem
text
Thorsten Denkler Foto: Lynsey Addario
Wohlstand verlieren, wenn die Flüchtlinge es schaffen würden, einzureisen. Wer hat, der hat Angst dies zu verlieren. Wer nichts hat, der hat nichts zu verlieren. Außer seinem Leben. Der Zynismus ist unerträglich. Politiker verweisen auf die Schuld der Schlepperbanden. Die seien verantwortlich, nutzten schamlos die Not der Menschen aus. Oder die staatlichen Strukturen in Libyen. Weil es die nicht gebe, könne leider nichts vor Ort gegen die Flüchtlingsströme getan werden. Eine Idee ist, die Boote noch in den Häfen und an den Küsten zu versenken, bevor sie mit ihrer dem Tod geweihten Fracht in See stechen können. Das Seenotrettungsprogramm der Italiener scheiterte am Geld. Viele EU-Staaten weigerten sich, das Programm mitzufinanzieren. Italien stellt es frustriert ein. Danach stiegen die Opferzahlen wieder. Manche argumentieren, wer die Flüchtlinge aus Seenot rettet, der betreibe das Geschäft der Schlepperbanden. Was für ein Satz. Damit wird der Tot Tausender in Kauf genommen, damit andere Flüchtlinge abgeschreckt werden, sich auch auf den Weg zu machen. Der erste Schritt muss sein, die Menschen aus zu retten. Das kostet jeden EU-Bürger 30 Cent im Jahr, haben verschiedene Organisationen ausgerechnet. Absurd wenig Geld. Der zweite Schritt muss sein, den Flüchtlingen eine Perspektive in der EU zu geben. Wer die Flüchtlinge bildet, der investiert auch in die eine europäische Zukunft. Sie könnten gar helfen, den Wohlstand zu mehren und zu sichern. Schon heute zahlen Ausländer in Deutschland weitaus mehr Geld in die Sozialkassen ein, als sie beanspruchen. Wer nur von Sozialschmarotzern spricht, der verkennt, welchen großen Beitrag Ausländer leisten.
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Die Spanier haben vor einigen Jahren vorgemacht, Sie haben einen Großteil der illegal in ihrem Land lebenden Ausländer eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis gegeben. Danach wuchs die spanische Wirtshaft. Zumindest muss den Flüchtlingen geholfen werden, sich eine Perspektive in ihrer Heimat aufzubauen. Kaum jemand, der Familie und Heimat verlässt, macht dies ohne den Wunsch, irgendwann wieder zu Hause sein zu können. Wenn sie dies mit einem erlernten Beruf tun können, der ihnen ein Auskommen ermöglicht, umso besser. Uns, den Europäern, muss bewusst werden, auf wessen Kosten wir unseren Wohlstand aufgebaut haben. Wer näht unsere billigen Jeans? Wer schürft die wichtigen Rohstoffe für unsere Smartphones? Wer entsorgt unseren Elektroschrott? Die Industrienationen nutzen ihre Marktmacht an jeder erdenklichen Stelle um die Entwicklungsländer auszupressen. Mit hohen Einfuhrzöllen wird die hiesige Wirtschaft geschützte. Rohstoffe dagegen sind willkommen. So wird Wertschöpfung in den Entwicklungsländern torpediert. Wer die Entwicklungsländer Afrikas zu unseren Müllhalden macht, der sollte sich nicht über Flüchtlinge wundern. Den Ländern, aus denen Menschen vor Armut und wirtschaftlicher Not fliehen, kann helfen, wer mit ihnen Freihandelsabkommen abschließt und Wertschöpfung vor Ort fördert. Das wäre die Langfristperspektive. Aber selbst dann wird es Menschen nach Europa ziehen. Die Europäer wären gut beraten, jeden Flüchtling als Bereicherung zu sehen. Sie müssen eine Arbeitserlaubnis bekommen und ausgebildet werden. Sie müssen und dürfen willkommen sein.
123
Italien
Pizza Connections
Amerika
oder: Pizza Margherita
oder: Pizza Calzone
oder: Pizza Indiana
Warum Ilsebill, die Unersättliche, unbedingt Papst werden wollte, hat das Märchen Vom Fischer und seiner Frau ja immer etwas fragwürdig gemacht. Wer würde denn tatsächlich tauschen wollen mit dem Heiligen Vater? Einfach mal so abends aus dem Vatikan ausbrechen und in den Straßen Roms eine Pizza essen – der größte Wunsch von Papst Franziskus, wie er dem Mexikanischen Fernsehen verriet, er bleibt ein frommer. Da ist die Pizza Margherita, die ihm Enzo Cacialli kürzlich in Neapel ans Papamobil brachte – Franziskus war in der Stadt, um ein paar ernste Worte gegen Korruption und Gewalt in die Menge zu werfen und somit ein viel beachtetes und geschätztes Zeichen gegen die Mafia zu setzen – nur ein kleiner Trost. Doch es kommt noch schlimmer: Kurz vor Ostern erreicht uns die Nachricht, dass der Papst künftig ganz auf Pizza verzichten solle. So wollen es die Ärzte, die sich um dessen Gesundheit sorgen. »Viva il Papa«, hatte Cacialli mit Teigstreifen auf seine päpstliche Pizza gelegt. Es lebe der Papst. Eben.
Dass es gefährlich ist, wenn die Pizza zu gut schmeckt, hat letztens auch ein Ex-Mafiosi in St. Petersburg schmerzlich erfahren müssen. Nicolo di Mauro hatte sich nach Russland abgesetzt, um dort ein neues Leben als Pizzabäcker zu beginnen und einen Neustart hingelegt, von denen andere Auswanderer nur träumen können: Nicht nur der smarte Italiener mit dem süßen Akzent kam bei den Russen bestens an – Kolja nannte man ihn zärtlich –, sondern vor allem: seine Pizza. Die Express Trattoria war bald stadtbekannt, deren Spezialität, Pizza Calzone, nur auf Vorbestellung zu haben. Warum di Mauro ausgerechnet die introvertierte Pizzaform, die übersetzt übrigens Hose heißt, zur Perfektion trieb? Vielleicht, weil diese wie der Pizzabäcker selbst gut zu verbergen weiß, was wirklich in ihr steckt. Am Ende aber ging das Ganze ziemlich in die Hose: Der Erfolg lockte Journalisten an, das Bild des Pizzabäckers kam in die Zeitung, wo es die Jungs von Interpol entdeckten – wenig später holten sie ihn ab.
Ein Medienauftritt wurde auch einer Pizzeria in den USA zum Verhängnis, genauer in Indiana, wo kürzlich ein Gesetz die Diskriminierung von Homosexuellen erlauben sollte, unter dem Vorwand religiöser Überzeugung nämlich. Richtig so, sagten die Betreiber der Pizzeria in Walkerton, einem Dorf im Norden des Bundesstaates, dem Lokalfernsehen. Und dass sie einem schwulen Paar, das bei ihnen für ihre Hochzeit Pizza ordern wollte, einfach keine liefern würden: »Wir sind ein christlicher Betrieb.« Gesagt, vertan. Danach erfuhr das Lokal im Kleinen, was dem Bundesstaat in jenen Tagen im Großen widerfuhr: So wie Unternehmer, Gouverneure und Prominente Indiana demonstrativ den Rücken kehrten, so übten sich auch die Kunden der Pizzeria im Boykott. Doch während Indianas Gouverneur noch die Kurve kriegte und das Gesetz revidieren ließ, konnten die Pizzabäcker einpacken. Dem Shitstorm im Netz waren sie einfach nicht gewachsen. »Wir verstecken uns im Haus«, verrieten sie einem Journalisten und da sitzen sie nun und warten, bis sich niemand mehr an die Sache erinnert. Memories heißt die Pizzeria übrigens. Und so überlassen wir das letzte Wort der singenden Katze von Andrew Lloy Webber und summen leise mit: »I remember the time I knew what happiness was. Let the memory live again…«
von Cornelia Tomerius
Russland
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LICENSE TO WRITE
GERMANY SINCE 1883
Alles Große
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Medizin Dr. Inge Schwenger-Holst, Medizinerin, Homöopathin und Klinikmanagerin, betreibt derzeit das Schlossgut Schönwalde mit Gästehaus, Restaurant
FEUILLETON
Exit Art das Büro der geplatzten Träume
Gesundheit!
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ist die höfliche Reaktion in diesem Lande auf eine der energiereichsten Reaktionen unseres Körpers: Das Niesen. Die Luft, die am Ende des dreiphasigen Vorgangs explosionsartig den Organismus verlässt hat eine Geschwindigkeit von bis zu 160 km/h auf dem Tacho. Das entspricht einem Sturm der Windstärke 14, also weit jenseits der bekannten 12 als für den Segler benennbare Orkanstärke. Sinn solcher Naturgewalt des Körpers ist es, die Nasenhöhle von all dem zu befreien, was dort nicht hineingehört: Staub, Fremdkörper oder auch Sekret, zu Deutsch Rotz. Aber auch Lichtreize und – man lese und staune – sexuelle Erregung können den Reflex auslösen. Letztere causa wurde durch die Briten Bhutta and Maxwell erst kürzlich erforscht, die hierin ein Relikt aus tierisch ursprünglichen Zeiten sehen. Diese tatsächlich gesunde Reaktion ist jedoch längst zur Keynote eines weniger gesunden und die Volksgesundheit belastenden Krankheitsbildes geworden – der Allergie. Das Hatschi als nasekitzelnder, das Frühjahr in all seiner Blütenpracht markierender Reiz ist inzwischen Teil einer Reihe von Symptomen, die ihre menschlichen Träger teilweise ohne saisonale Begrenzungen peinigen und an einem normalen Leben hindern: Augenjucken und - tränen, Lichtempfindlichkeit, Kopfschmerzen und Ausschläge an Haut und Schleimhäuten führen einen Reigen an, der viel zu oft in einer chronisch asthmatischen (obstruktiven) Lungenerkrankung sein bitteres und nicht endendes Ende findet. Die 2013 durch das Robert Koch Institut erhobene Studie ergab, dass 19% der Bundesbürger inzwischen an einer allergischen Erkrankung leiden, 14% allein an Heuschnupfen bzw. allergisch bedingtem Asthma (um 1900 waren es lediglich 3%). Die nicht zu leugnende Tatsache, dass die Häufigkeit von Allergien im Gebiet der ehemaligen luftverschmutzten DDR deutlich geringer als im besser belüfteten Westen ist, in Ländern der 1. verstärkt gegenüber denen der 3.Welt auftritt, lässt den Blick vor allem auf die Durchseuchung mit industriell veränderten Lebensmitteln, einer allzu hygienischen, mit Desinfektionsmitteln und Antibiotika durchlebten Kindheit wandern. Kinder aus bäuerlichen Haushalten leiden daher auch signifikant weniger unter allergischen Erkrankungen als Stadtkinder, obwohl sie doch viel mehr Kontakt zum Wiesenheu haben. Ihnen ein nachdenkliches Hatschi, Ihre Dr. Inge Schwenger
Das Erscheinungsbild von Exit Art sieht so gar nicht nach Kunst aus, sondern eher nach Behörde. Fiese Farbverläufe, zu eng gesetzte Schrift, deprimierende Flyer auf glänzendem Papier – das volle Programm ästhetischer Hilflosigkeiten also, das man von Ämtern gewohnt ist.
Es ist ein Kellerraum, ein Gewölbe, ein altes Lagerhaus oder ein Laden zur Zwischennutzung. Alle stehen in kleinen Gruppen und rauchen und trinken – vielleicht schon das fünfte Bier, es ist 23 Uhr. Alle sind erwachsen, ganz unterschiedlich alt, keiner muss nach Hause, dabei ist es doch ein Donnerstag oder ein Dienstag. Es ist eine Ausstellung wie sie Woche für Woche stattfindet – in Berlin, in London, in Dortmund, in Marseille – eine Off-Szene gibt es überall. Diese hier ist in Hamburg. Hier treffen sich die freien Künstler der Stadt und ihre Freunde, oft im kleinen Kreis und ohne kommerziellen Hintergrund. Die wenigsten von Ihnen verkaufen ihre Arbeiten, die meisten
von Sharon Welzel N /O 44 – MAI / JUNI 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
leben von etwas Anderem. Und vielleicht machen manche von ihnen Kunst, genau wegen dieser Zusammenkünfte, wegen der sozialen Komponente, weil man sich austauschen kann wie beim Stammtisch und vielleicht auch, um sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Anerkennung – eigentlich eine schönere Währung als Geld. Unter der Käseglocke einer Kunsthochschule ist das ein funktionierender Grundsatz – und danach? Die Realität sieht für viele studierte Künstler ganz anders aus: regelmäßiges Schuften in Cafés oder Gelegenheitsjobs kombiniert mit Kunst machen, wenn Zeit übrig ist. Ein Lebensstil, der sich anfangs diffus nach Freiheit und Rock’n’Roll anfühlt und mit zunehmendem Alter seinen romantischen Touch verliert. Einige geben das Kunst machen auf und versuchen sich anderswo zu positionieren, in einem Job, den sie nicht gelernt haben und der sie mehr oder weniger glücklich macht – so wie sehr viele andere Menschen auch in unserem System. Alle anderen werden Teil des Künstler-Prekariats –hochgradig gebildet, urban und wegweisend und hochgradig verarmt. Drei Prozent heißt es, können nach dem Studium von ihrer Kunst leben. Wenn man sich den Background derjenigen anschaut, die es geschafft haben, ist nicht selten altes Geld im Spiel. Wer reiche Eltern hat, fällt nicht so hart, wenn’s nicht so klappt, wie geplant. Und wer sich ständig Sorgen ums Geld machen muss, fängt irgendwann an, seine Arbeiten zu hinterfragen, mehr und mehr, bis das Kunst machen irgendwann gänzlich unmöglich wird. Felix Thiele will die Künstler aus diesem Dilemma befreien. Und zwar nicht etwa durch Coachings und Tipps für den Kunstmarkt, sondern durch gezielte Hilfestellung zum Ausstieg aus der Szene. Mit seinem Projekt Exit Art bietet Thiele eine Beratungsstelle für Künstler mit geplatzten Träumen und verlorenen Illusionen. Für solche, denen niemand gesagt hat, dass Kunst studieren eine feine Sache ist, aber auf dem Markt bestehen ein harter Job; zu hart für diejenigen, die es nicht gelernt haben im Smalltalk auf entsprechenden Veranstaltungen die richtigen Leute für sich zu gewinnen. Exit-Art Flyer liegen mittlerweile auf vielen Ausstellungen aus, vor allem in der Off-Szene. Manchmal sieht man einen, der sich am Kinn kratzt, während er den Text liest. Offiziell sieht das ganze ja schon aus, und noch mehr wenn Thiele selbst in Aktion tritt und seinen kleinen Messestand aufbaut, ein runder Tisch, verkleidet mit einer weißen Husse. Darauf steht ein Schälchen mit diesen viel zu süßen quadratischen Kaubonbons und ein kleiner Fernseher mit einem Erklärfilm, in dem Betroffene zu Wort kommen. Und genau dieser Film ist es, der seiner komischen Arbeit eine grundlegende Wendung gibt. Darin erzählen drei Protagonisten, warum sie sich von der Kunst abgewendet haben. Während man bei dem ersten vielleicht noch schmunzelt, weil es so furchtbar ernst klingt, wird bald klar: das hier ist ganz aufrichtig und ehrlich. Ganz egal ob es sich hier um Schauspieler handelt oder nicht, sie sagen die entscheidenden Sätze, die erfahrbar machen, worin das Dilemma eines Künstlers besteht. Thieles Arbeit ist ironisch und wahrhaftig zugleich - als wüsste er, welche inneren Kämpfe manch einer aussteht, bevor er sich entscheidet, doch kein Künstler zu werden. Währenddessen imitiert der muffige Habitus von Exit Art perfekt die Aura einer Beratungsstelle. Die Website exit-art.eu funktioniert auf deutsch und englisch, gespickt mit offiziellen Logos und einer Notfallnummer. Wenn man dort anruft, dann nimmt auch wirklich einer ab – der Anrufbeantworter. Das alles klingt nach einem großen Witz, aber wer wirklich aussteigen will, dem wird Thiele wirklich versuchen zu helfen, als Künstler und ganz wahrhaftig und gar nicht ironisch. Denn mit dem Kunst machen aufhören ist eben fast so hart wie das Kunst machen selbst.
wetter präsentiert neue Produkte und Erkenntnisse, die die Menschheit braucht.
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von Nina Trippel
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Berlin
52° 31 ' N, 13° 24 ' O 15° Wolkenstrahlen
Rund 50 Galerien in drei Tagen besuchen? Ist möglich! Wenn man die Übersichtskarte des Gallery Weekend vorab studiert und einen ausgeklügelten Zeit- und Routenplan entwickelt. Und sich dann von nichts und niemandem ablenken lässt. Aber genau das kann man in Berlin wunderbar. Man trifft Leute, redet, trinkt, zieht zusammen weiter und endet an Orten, von denen man gar nicht wusste, das sie existieren. Zum Beispiel im The Klub Kitchen, einem neuen Mittags-Lokal, oder Luncheonette, wie man neuerdings in Berlin-Mitte sagt. Hier trifft man sich auf ein pochiertes Sultan Egg und einen frischgepressten Rote-Beete-Saft in der Sonne und kann die Pause ins Endlose ausdehnen. Apropos ausdehnen: Dieses Jahr lassen sich manche Galerien sogar an vier statt wie bisher nur drei Tagen erkunden – damit internationalen Gästen die Zeitspanne bis zum Opening der Biennale in Venedig verkürzt wird. Genug also für Ablenkung von der Kunst.
Gallery Weekend Berlin gallery-weekend-berlin.de 1. bis 3. Mai 2015 The Klub Kitchen Mulackstraße 14, 10119 Berlin theklubkitchen.com
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Venedig
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45° 26 ' N, 12° 20 ' O 0° Eisnebel
Wer direkt von Berlin zur Biennale di Venezia reist, darf nicht nur auf Temperatur-, sondern auch auf Niveau-Steigerung hoffen. Unter Leitung des diesjährigen Direktors Okwui Enwezor sind 90 nationale und 44 kollaterale Ausstellungen zu sehen. Eröffnung ist Anfang Mai, Zeit bleibt aber bis Herbst, um All the World's Futures zu besuchen. Und es gibt de facto keine bessere Destination für eine Kunst-Reise: Im Schatten der sanft im venezianischen Wind wehenden Bäume im Giardino auf dem Ausstellungsgelände, von einem Länderpavillon zum nächsten zu spazieren, ist ein wahrer Genuss. Angenehm geistig erschöpft und zugleich inspiriert, gilt es im Anschluss ein Café mit Wasserblick aufzusuchen. Zum Beispiel die Gelateria Nico, und dem Kellner ein ermattetes: »Un shakerato per favore!« zuzuflüstern. Serviert wird dann die beste aller Sommererfrischungen: Eine im Mixer hergestellte Symbiose aus Espresso und Eiswürfel, serviert im Wein- oder Martiniglas. Danach ist man gerüstet für Palazzi, Parties und weitere Tage der Kunst-Erkundung. Labiennale Venedig labiennale.org 9. Mai bis 22. November 2015 Gelateria Nico Dorsoduro 922, 30123 Venedig
New York City
40° 43 ' N, 74° 0 ' W 10° Künstliche Kälte
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Basel
47° 33' 27'' N, 7° 35 ' 33 '' O; 20° Digitaler Sturm
Ein Leinwand-Gemälde ist in der Regel aufgezogen und daher steif und unhandlich. Taugt also nur zum Angeben in den eigenen vier Wänden und nicht für unterwegs. Abhilfe schafft das New Yorker Projekt Massif Central, das Kunstwerke als limitierte Drucke auf quadratischen Schals zum Verkauf anbietet. Die Leinwand ist in diesem Fall aus Seide und lässt sich daher um den Hals legen oder ins Haar binden. Die Carrés funktionieren aber natürlich – genau wie ein klassisches Leinwand- Gemälde – auch an die Wand. Schade wäre das allerdings schon, ist man mit dem hauchzarten Werk, beispielsweise dem SelbstPorträt von Joshua Abelow aus Brooklyn, doch in Sachen Small Talk bestens ausgestattet. Zum Beispiel auf einer Party rund um die Kunstmesse Frieze im Juni in New York. Statt steifen Interpretations- und Investitionsgeplänkels kann man die Unterhaltung aufmischen, etwa mit einem Plädoyer für seidene Selfies – das Anschauungsmaterial ist praktischerweise direkt zur Hand.
Von New York nach Basel. Wer Mitte Juni auf der Art Basel unterwegs ist, sollte keine Zeit damit verschwenden den Blick auf etwas zu richten, dass sich nicht physisch in den Messehallen befindet. Sprich: Smartphone auf Flugmodus stellen und die Augen geradeaus. Auf die Kunst. Den Überblick zu behalten, ist ohnehin schwer genug. Informationen darüber, welcher Name gerade steil gen Kunst-Kosmos geht, sollte man sich vorab holen. Praktischer Helfer dabei ist Planet Art. Die kostenlose App ist nach iPad-Version jetzt auch fürs iPhone verfügbar und funktioniert wie ein Feed-Reader, der KunstNews anteasert. Im allgemeinen Stream werden Artikel der wichtigsten Online-Kunstmagazine und Blogs eingespeist. Individuell gesetzte Tags generieren einen zweiten, persönlichen Feed. Herausgeber der App ist die Schweizer Bank UBS, die auch als Hauptsponsor der Art Basel fungiert. Will sagen: Kunst ist Kapital, Zeit ist Geld und Wissen ist Macht. Nur den Geschmack, den muss man selbst entwickeln.
Frieze New York friezenewyork.com 14. bis 17. Mai 2015 Massif Central massifcentral.us
Art Basel artbasel.com/basel 18. bis 21.Juni 2015 Planet Art App by UBS itunes.apple.com
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SPORT
Kein KaschmirPullunder-Sport Der Reitsport Polo ist in Deutschland bisher wenig verbreitet – Dr. Inge Schwenger-Holst aus Berlin möchte das ändern. Ein Gespräch über Ehrgeiz, archaische Instinkte und falsche Vorurteile.
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Frau Schwenger-Holst, Polo hat ja nicht nur hierzulande eher den Ruf eines versnobten Sports für viel zu reiche Leute, die nicht so richtig wissen, was sie mit ihrem Geld anfangen sollen – das sehen Sie bestimmt ganz anders … Allerdings. Als ich im Alter von 19 Jahren das erste Mal bei einem Polospiel auf dem Berliner Maifeld zuschaute, ergriffen mich geradezu archaische Emotionen, die in uns allen wohnen. Kampfgeist, Konkurrenzdenken, sich messen wollen – das alles ist in uns Menschen tief verwurzelt, ebenso übrigens wie unsere natürliche Verbundenheit zu den Pferden. Immerhin haben unsere Vorfahren vor tausenden von Jahren angefangen sie zu kultivieren, sie waren eine der Grundlagen für die moderne Zivilisation. Polo an sich ist übrigens auch bereits an die 3000 Jahre alt und damit der älteste Mannschaftssport überhaupt. Diesen Geist möchte ich gerne als Präsidentin des Berliner Polo Club allen Interessierten näher bringen.
das heißt ein Spieler versucht einem anderen in vollem Galopp bei 30 km/h den Ball abzujagen – da muss man schon sattelfest sein. Ein Spieler sollte auch die Regeln des Spiels im Schlaf beherrschen, die Grundschläge sowie auch die verschiedenen Spielpositionen. Und wer legt dann fest, mit welchem Handicap ein Spieler zu spielen hat? Neben den Clubs selber beobachten sogenannte Stewarts einzelne Spieler, und das Handicap wird dann von einer Kommission festgelegt. Da gibt es allerdings leider kein Standardregelwerk und keine festen Kriterien dazu, das würde ich persönlich gerne ändern, denn diese Entscheidungen sind meist sehr subjektiv, da gab es schon sehr viel böses Blut deswegen. Realistisch würde ich sagen, dass bis heute nur 80 Prozent der Handicaps auf wirklich objektiver Grundlage vergeben werden.
von Robin Hartmann
Die Deutschen haben sich allerdings bisher noch nicht wirklich durch Erfolge in internationalen Polo-Wettbewerben hervorgetan. Da dominieren meist die Argentinier und vielleicht noch die Engländer… Richtig, denn das Spiel haben ja auch die Engländer im 19. Jahrhundert aus Indien importiert, und von da aus hat es sich dann bis nach Argentinien verbreitet. Heute dominieren vor allem die Argentinier, und zwar aus einfachen Gründen: Argentinien war durch seine riesigen weiten Steppen schon immer ein Pferdeland, und daher werden hier auch die besten Polopferde gezüchtet. Außerdem kommen hier die Kinder der Estancieros, der Farmbesitzer, bereits im Alter von spätestens fünf Jahren in Kontakt mit Pferden, lernen also bereits früh ausgezeichnet zu reiten. Die Entwicklung des Polosports wurde in Europa aber auch durch die beiden Weltkriege zurückgeworfen. Ähnlich wie beim Golf hat jeder Polo-Spieler ein Handicap, das von -2 (Anfänger) bis +10 (Profi) reicht. Wie wird man ein Polo-Professioneller? Wichtig ist zunächst natürlich einmal die Beherrschung des Pferdes, sprich die Fähigkeit, sicher reiten zu können. Beim Polo gibt es das sogenannte Abreiten,
Um noch einmal auf einen vorherigen Punkt zurückzukommen: Bei 30 km/h jemandem den Ball abjagen und Duelle mit den langen Schlägern – dem Laien könnte das alles sehr gefährlich erscheinen … Wir legen deshalb umso mehr Wert auf den Schutz von Tier und Mensch: Das Polo-Regelwerk ist so ausgelegt, die Pferde optimal zu schützen, so dürfen sie zum Beispiel nie länger als 21 Minuten pro Tag eingesetzt werden. Wir vom Berliner Poloverein setzen sogar auf maximal 14 Minuten täglich, was einer Spielzeit von zwei Halbzeiten entspricht. Verletzt sich ein Pferd, wird eine Partie sofort unterbrochen. Stürzt ein Reiter, entscheidet der Schiedsrichter sprichwörtlich von Fall zu Fall. Leider kam es hier schon zu sehr unsportlichen Aktionen, es haben sich Spieler absichtlich fallen lassen, um eine Spielunterbrechung zu erwirken. Von daher wird hier auch nicht notwendigerweise sofort abgepfiffen. Wie möchten Sie denn gerne das Interesse Ihrer Mitmenschen am Polo wecken? Wir hoffen einfach Menschen begeistern zu können, die Lust auf Teamsport und Action haben. Unser neuer Trainer ist zudem ausgebildeter Sportpädagoge, und jeder kann jederzeit bei uns Schnupperstunden oder bei tieferem Interesse auch richtige Workshops buchen. Am 25. Mai machen wir übrigens auf unserem Schlossgut Schönwalde (www.schlossgut.eu) ab 11 Uhr
N /O 44 – MAI / JUNI 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
einen Tag der offenen Tür, zu dem wir jeden Interessierten herzlich einladen. Moment mal… Schlossgut Schönwalde? Also doch ein Sport für Schöne und Reiche, ausgetragen auf einem herrschaftlichen Landsitz? Im Gegenteil, bei uns ist jeder willkommen, wir wollen da auch ein bisschen die Hemmschwelle senken. Die Leute denken immer: Polo, das ist doch nur was für reiche Leute mit Ferraris, aber wir versuchen das richtige down to earth anzubieten. Jeder muss im Anschluss an ein Spiel sein Pferd selber waschen und pflegen, und anschließend setzen wir uns dann vielleicht alle um ein schönes Lagerfeuer. Früher, in der 20er, 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, da waren Polospieler richtige Stars. Heute gibt es in ganz Deutschland vielleicht 350 Spieler. Die hiesige Sportpresse zeigt sich bisher leider noch sehr distanziert – die realisieren Polo meist gar nicht als Sport, sondern denken, das wäre alles eine große Party. Aber ich garantiere Ihnen: Wir sind kein Kaschmirpullunder-Sport.
TRAFFIC – News To-Go Outdoor Polo Day Pfingstmontag 25.Mai 2015 11 – 16.00 Uhr Wir starten mit einem Smoothy und dann geht es aufs Holzpferd , an den Walking Stick oder eines unserer total realen Superpoloponies. Erleben Sie den Kick eines der infektiösesten Sportarten und natürlich die volle Packung Brandenburger Pampaluft. Alles wird fachkundig begleitet durch den Trainer des Berliner Polo-Clubs Francisco Vierheller, Polo Professional aus Argentinien Anmeldung unter info@polo4you.eu Stichwort: TRAFFIC – News To-Go Outdoor Polo Day
Gallery Weekend
Gallery Weekend Berlin Das Gallery Weekend Berlin, welches vom 1. bis 3. Mai erneut die Kunstszene, weit über die deutschen Grenzen hinaus, in der Hauptstadt versammelt, steht vor der Tür. Vier Kunstschaffende und Szenekenner verraten ihre Highlights, Ausgehtipps und was Berlin so besonders macht. gallery-weekend-berlin.de
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André Wagner
1) Was sind Deine Highlights des Gallery Weekends und warum?
4) Was kann in Zukunft noch verbessert werden, um die Kunst in Berlin zu fördern?
2) Wo lässt Du nach dem Gallery Weekend den Tag ausklingen?
5) Wo gibt es Deine Arbeiten während des Gallery Weekends zu sehen?
3) Welche Veränderungen stellst Du aktuell am Kunststandort Berlin fest?
6) Was werdet Ihr in der Galerie zum Gallery Weekend zeigen?
Madeleine Boschan Künstlerin
Künstler 1
Ich freue mich auf das Grand Opening der König Galerie in der St. Agnes Kirche und bin besonders gespannt auf die Wirkung der Kunst in den Räumen dort.
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In meinen Studio in Berlin-Wedding, da ich dort immer gut den Tag ausklingen lassen und das Gesehene reflektieren kann. Wir veranstalten dort auch regelmäßig kulturelle Events mit einer indischen Note.
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Viele Künstler sind auf der Suche nach bezahlbaren Ateliers. Es werden aktuell Viele aus Ihren alten Mietverträgen gekündigt und so aus den Kiezen der Innenstadt immer mehr verdrängt. Eine Stadt wie Berlin braucht unbedingt die Dynamik der Kreativen und zwar direkt in der Mitte der Gesellschaft.
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Es müsste mehr günstiger Raum für Künstler geschaffen werden. Außerdem finde ich die Stadtplanung in Berlin nicht auf allen Ebenen zeitgemäß. Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses zum Beispiel. Ich hätte stattdessen einen Ort für Zeitgenössische Kunst errichtet, mit einer wegweisenden Architektur.
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Ich nehme vom 29. April bis 3.Mai an einer Gruppenausstellung namens ‚Neobarock, Pop und Old Masters’ in der 1928 erbauten Villa des Freiherrn Wilhelm von Philipsborn in Dahlem teil. Die Villa ist momentan entkernt und eignet sich mit diesen rohen Wänden hervorragend als Ausstellungsort für meine neuen Leuchtkästenarbeiten aus Neu Delhi/ Indien.
1 Buchmann, William Tucker, Scheibler, David Schutter, Buchholz, Isa Genzken und VW, Elliot Hundley. 2 Cocktails im Lugosi oder Bier und Schnaps in der Paris Bar. 3 Weniger wäre manchmal mehr. Aber für die Gespräche, die ich hier mit Leuten führe, käme ich trotzdem immer wieder nach Berlin.
www.andre-wagner.com 4 Berlin ist auf Sand gebaut, da wird nie was fest sein. 5 Während schon, aber in Belgien (Stedelijk Museum, Leper). www.madeleine-boschan.de
N /O 44 – MAI / JUNI 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
Gallery GUIDE
MOBILITY Ubahn/Local Short-trip ticket Short-trip ticket Berlin EUR 1.60
Gallery Guide Berlin
Single ticket Single ticket Berlin AB EUR 2.70
SBAHN/EXPRESS Short-trip ticket Short-trip ticket Berlin EUR 1.60
Single ticket Single ticket Berlin AB EUR 2.70
R eichstag
TAXI SERVICE Taxi-Kurzstrecke 2km/4,00 EUR
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Arratia Beer Potsdamer Strasse 87 10785 Berlin
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Galerie Buchholz Fasanenstrasse 30 10719 Berlin
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Mehdi Chouakri Invalidenstrasse 117 10115 Berlin
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Galerie Michael Haas Niebuhrstrasse 5 10629 Berlin
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KOW Brunnenstrasse 9 10119 Berlin
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Neugerriemschneider Linienstrasse 155 10115 Berlin
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Galerie Guido W. Baudach Potsdamer Strasse 85 10785 Berlin
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Buchmann Galerie Charlottenstrasse 13 10969 Berlin
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Croy Nielsen Weydingerstrasse 10 10178 Berlin
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Galerie Max Hetzler Bleibtreustrasse 45 10623 Berlin
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Kraupa-Tuskany Zeidler Karl-Liebknecht-Strasse 29 10178 Berlin
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Galerie Nordenhake Lindenstrasse 34 10969 Berlin
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Blain I Southern Potsdamer Strasse 77–87 10785 Berlin
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Capitain Petzel Karl-Marx-Alle 45 10178 Berlin
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Galerie Eigen + Art Auguststrasse 26 10117 Berlin
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Johnen Galerie Marienstrasse 10 10117 Berlin
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Tanya Leighton Kurfürstenstrasse 156 10785 Berlin
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Peres Projects Karl-Marx-Alle 82 10243 Berlin
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Galerie Isabella Bortolozzi Schöneberger Ufer 61 10785 Berlin
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Carlier I Gebauer Markgrafenstrasse 67 10969 Berlin
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Konrad Fischer Galerie Lindenstrasse 35 10969 Berlin
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Kewenig Kicken Brüderstrasse 10 10178 Berlin
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Meyer Riegger Friedrichstrasse 235 10969 Berlin
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Galeria Plan B Backyard, Building G 10785 Berlin
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BQ Weydingerstrasse 10 10178 Berlin
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Contemporary Fine Arts Am Kupfergraben 10 10117 Berlin
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Gerhardsen Gerner Holzmarktstraße 15-18 10179 Berlin
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Berlin Johann König Dessauer Straße 6-7 10963 Berlin
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Galerie Neu Linienstr. 119 abc 10119 Berlin
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Galerija Gregor Podnar Lindenstrasse 35 10969 Berlin
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A journey to art's den For the eleventh time now, Berlin's Gallery Weekend will take place from the 1st until the 3rd of May. As it draws closer, all the galleries are getting ready and every art lover is waiting in the starting blocks for this marathon art weekend. However, many other exciting events are happening in the wings of the Gallery Weekend, and Ngorongoro is definitely one of them.
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1 Tell us how it all started
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with Ngorongoro – Artists
Lisa Kosak
Weekend.
Photos
2 By bringing the art back
Patrick Jendrusch
in its natural element, in the artist studio, do you see the exhibition as challenging the Gallery Weekend fauna? 3 How do you think the concept of artists invited by artists will reflect on the exhibition? 4 How does your artistic practice work and interact with the one of the other artists involved? 5 What are you currently working on? N /O 44 – MAI / JUNI 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
100 international and Berlin based artist have been invited by their fellows to exhibit in a huge studio space in Weissensee (North of Prenzlauerberg to be exact). And this is what is hidden behind the cryptic name – Ngorongoro. It is indeed a reference to the eponymous collapsed volcanic crater in Tanzania where Africa’s highest density of mammal predators is to be found and which is listed as natural and cultural World Heritage Site. Such is the aim of the exhibition : to transform this vast studio space, the crucible of all art, into a wild and luxurious biosphere to which artists such as Bruce Nauman, Thomas Zipp, Maxime Ballesteros, Robert Capa, Julia Krewani or Alicja Kwade, to name a few, will contribute. The realisation of this exhibition was made possible thanks to the complex networks that the six initiators of the project have built through the years and the exhibition itself lays claim to no curatorial concept except that of intuition. The location in itself is worth the journey: a 5000 square meter exhibition space located in the vast studio complex of Lehderstrasse 34 in Weissensee, in the middle of a no man's land. However, a lot of history is hidden behind these walls. In its time, the building housed a power plant, manufacturing halls and a GDR semiconductor factory which was shut down after the fall of the Wall. Five years ago, Berlin based artists took over the site and transformed it into flourishing artists’ studios. You can take a step back from the city buzz during the Weekend of the Artist and head to Weissensee to seize the opportunity of this event and to take a deep breath of fresh air outside the city and enjoy, as their motto goes, »100 varieties of artistic diversity«. Now, allow me to introduce themselves...
jonas burgert
… is a German artist living and working in Berlin. His oversized canvases crowded with fantastical and chimerical figures, skeletons and animals depict the never-ending quest of man to find and understand his purpose in life. Burgert has shown work in many major galleries and institutions in Germany and internationally such as Arndt & Partner, Berlin, Haunch of Venison, London, as well as museums like the Hamburger Kunsthalle or the Museum of Modern Art in Denver He was also part of the Malerei Biennale in Stockholm.
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1 The great thing on art is that you can invent values everyday new, no matter how strange they are. So the idea was to have a clash of values… Maybe the only truth we have… a random flow. 2 No. That was never our plan. It is more that we wanted to have the art of the artists we really like hanging or standing or happening in our studios, not to challenge with something or somebody. 3 We cannot speak for all these artists. But we choose for reasons of intensity and energy even if it's ugly… Because we don't care. 4 This will be the interesting thing… how all these things can interact. I have no idea! But let's try. Better than hiding on safe ways... 5 I try to finish my painting for the show, just one more try like every time!
Andreas Golder
…is a Russian artist currently based in Berlin. His paintings and sculptures are powerful, expressive and direct. As Antonia Josten stated, »Golder conflates contemporary references from pop, consumer and (local) party culture with existential themes such as death, pain and faith – indicating the artist’s high degree of engagement with himself and the world around him«. Golder had solo shows at the the White Cube Gallery, London, Galerie Urs Meile, Beijing or at the Arken Museum of Modern Art in Denmark, amongst others.
1 Zhivago had an idea for a huge show last summer, and then Jonas turned up with a similar idea this winter. We started to calls artist to ask if they would participate, and now it's real.
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2 Not at all, we are all in the same boat here in Berlin, and a lot of participating artists do work with galleries that are involved in the Gallery Weekend, so Ngorongoro makes the weekend more attractive for visitors. 3 It makes the show very eclectic. 4 There is no interaction so to say. We are very different characters. Of course we sometimes talk about our work, and there might be an interaction, but a very small one. 5 Life and work balance.
1 Well it all started one night while we were all sitting by the fire, eating beef. 2 I think that most earthly things need to be brought back to their natural elements. Not to sound like a hippy or anything but the general “gut feeling” has been diluted through repetition. Ngorongoro is in no way a challenge or middle finger to the “man”. It is in the nature of art, in the nature of freedom. 3 It is like music for musicians, explained to the masses. 4 Work hard and play hard. 5 Answers to questions I have not asked yet.
Zhivago Duncan
…is a Syrian-Danish artist born in Indiana and currently based in Berlin. His works range from paintings, sculpture and mixed media to substantial installations. As the Saatchi Gallery puts it, "through his sprawling, messy multimedia artworks, Zhivago Duncan comments on the state of contemporary culture and its obsessions, crassly quoted and re-created from an irreversibly apocalyptic future point of view". He had many solo and group shows including Dick Flash’s Souvenirs of Thought at Contemporary Fine Arts in Berlin or Gesamtkunstwerk: New Art from Germany at the Saatchi Gallery in London.
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* photographed by Ulf Saupe
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…was born in Siegen and is currently based in Berlin. The artist studied under Daniel Richter and Anselm Reyle at the Universität der Künste in Berlin and completed his Meisterschüler there. His detailed paintings depict a bleak world made of large strips and bursts of colour which bring life into the darkness. Achenbach was an artist in residence at the Statens Værksteder for Kunst og Design in Copenhagen and showed his work at SEXAUER in Berlin, LARMgalleri in Copenhagen or Galleria Mazzoli in Modena amongst others.
Christian Achenbach
1 6 1 It started with the rough idea that it would be great to use the whole space we have here to do a big group show with artists we like. When we agreed, we had completely underestimated the effort it would be to organize it. Luckily, because if we would have known before we probably wouldn't have done it. But now, I really have the feeling that it was definitely worth doing it. 2 No. That was never our plan. It is more that we wanted to have the art of the artists we really like hanging or standing or happening in our studios, not to challenge with something or somebody. 3 We were able to work very intuitively concerning the people we invited. We didn't have to think about art market strategies, rankings or gallery politics. That fact gave a very relaxed basic feeling to the communication with the artists we invited. Also, we didn't have to force ourselves into too many conceptual limitations. So I hope that this spirit gives a good flow and energy to the whole project... 4 Do you mean the other artist who initiated the show or do you mean all participating artists? We work here every day next door to each other and spend quite a lot of time together. Yes of course there is a kind of influence even if we work very different. We will see what will happen with all the works of all artists we invited, I'm curious to see how all these works will fight and communicate with each other… 5 I'm working on a big outside sculpture made of aluminum and on a new series of paintings. For the exhibition here and for my upcoming show at "Kunstraum Düsseldorf" opening May 21st.
N /O 44 – MAI / JUNI 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
David Nicholson
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…is a painter born in Montreal and currently living and working in Berlin. Impressively, Nicholson has no formal artistic education and is a self-taught artist. With his allegorical, remarkably well-rendered, paintings, the artist offers us a modern and subverted take of old-masters techniques. His bold oil paintings of femmes fatales, skulls and wild beasts look strikingly expressive, almost alive. Nicholson had many shows including at Grimmuseum in Berlin, Aeroplastics in Brussels or PS1 in New-York.
1 It started with a casual suggestion, why not have an exhibition in this remarkable compound free from any commercial considerations. I think the idea was that we would have the freedom to do whatever we want and that the experience would be fun. I don't think anyone expected it to turn in to such a massive show in the beginning. I was in NYC for most of the period when the guys were developing the show. It bloomed into a huge undertaking. And there's also been a lot of outside support with everyone who has heard about it getting enthusiastically involved.
*
* photographed by Heiko Laschitzky
2 Well, first I'm not sure I would say that the studio is art's natural element. I can't even argue that art begins in the studio. Making work surely begins most often in a studio. But not exclusively. It properly begins in your mind. The studio is the most common place to develop and bring an idea or a feeling into being. However you could easily argue that the work someone makes is not complete until it has left the studio and has witnesses. I also think inviting the public into the studio environment comes at a potentially high price. In this situation it's less invasive because it's planned, and the goal is to bring people in contact with many different kinds of work in a very special studio environment. However it's not during day to day working conditions of course, so the disruption of how the spaces are normally used has been anticipated. I think the key element is that it's a non commercial event. It's artists making the choices, with no need to satisfy a market demand, or an academic demand. The diversity of our opinions and tastes hopefully makes for a strong experience for those who come and see it. Plus the buildings are already loaded with residue and history which I think will add enormous power to the work on display.
N /O 44 – MAI / JUNI 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
The only thing I see as a 'challenge' to the gallery weekend is that it's not a show designed to sell art. It's a reminder to people as to why we are travelling all over the world consuming artworks in various ways in the first place. It's a great opportunity. Artists don't often get the chance to do something like this because of all the limitations which normally prevent it. We are really blessed to have the friendships, the space, and the access to resources and the work needed to pull it together. 3 Well, again, I think it will be reflected in the fact that we are really only interested in what the work says and means. But you still have a group of people making choices about what their aesthetic priorities are. The exhibition will surely stand for that. 4 That's an impossible question. If I have a conversation about what I'm doing with one of the guys, I've interacted and potentially changed the outcome of what I'm making. If I merely observe the way they do things then it can have an impact on what I do. I don't think you can measure the interactions impact. Sometimes it's direct - someone expressing their opinion about a work in progress for instance - and sometimes totally unconscious. If you respect one another's work then I suppose any contact can influence your thinking in a positive way. 5 Jet lag, a hangover, and helping the boys get the show ready.
Gallery GUIDE
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Gallery Guide Berlin John Isaacs
Friday, 1 May 2015, 6-9pm Saturday and Sunday 2-3 May 2015, 11 am-7pm
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tion is not about consolidating reputations, but respecting where we all come from, this is why it was so easy to get everyone we asked involved, because deep down we all remember where it started, and it is more about how you enter a room, than who you leave with. 17
2 Yes, and no, it is not a challenge, no need, but an unanswered question of what we can be, not just simply what we are, there are so many ways to sit at the table, but as you know galleries need to know where they pay their bills too - we are not so far apart, we all fly with easyjet, we don't challenge each other, BUT, we are in a position in this 'context' to explore our connection to one another as both outsiders and insiders, as human beings, 12 6 dreamers… to return to where it started, the hopes, for now… I think gallerists are in a much more complicated version of competition with each other, as 13 7 by their very nature they 'deal' with the cards they have, whereas we print the cards, but in the end it is a symbiosis, someone has to play the role of host at some point in time,8this time it is our turn, and we 14 enjoy it because we can not just do it, but because we are free of any burden of commerciality, it is just 9 15 passion. 3 Nothing but the heart, a concept isn't really there in terms of concept, this is something emo- 16 10 tional, we have chosen with the mind and the gut, but no predjudice brought about by concept, more like feeling in the dark, which we understand very 11 17 well. The exhibition is not conceptual or commercial, more about looking at the kindred spirit which produces, not the place of consumption, but the why of production, all of us have made our sacrifices to produce our versions of a big question, it is a survival of individual utopias, they are there in the works, interpretation reamins a future issue. This exhibi-
4 Like always, a dialogue. We are all aware, all singing our tunes. The big challenge is not har44 mony, but being able to be inclusive to the point in 6 which every tone is there… but it might not sound so pretty, why should it? Connections will be realised in a way that is beyond concept. At this point in time my 'practice' is not on the line, not even in the forefront of this exercise, my practice is living its life… like I said before, we are leaping into the void, we don't ask for a safety net, it is not even a thought. People will come and judge the exhibition not just by the works on show, but by its spirit. For that reason we are all in the same boat. 5 In the cave… by the fire… looking at the sha18 dows, making effigies, slowly digesting history, the voyage from nothing to something and looking to a future which might not be so fucked up if we could keep what is good from the 18 past. leaving a trail. Picking up some friends along the way, building a tribe by acident and intent. Before the mobile phones came, we communicated with drums, just to get 19 the message through. But, sometimes, people were sleeping, so we needed objects there when they woke up, relics of the hallucinations, and places to 20 and eventually to unput them, even to make them, derstand them, then the pot was full, so we needed to empty it by breaking it open, letting it out, this is 21 it is still the same as one of the ways to do that, but before, just that we have cleaner teeth. 22
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John Isaacs is an English artist. He completed an MA in sculpture at London Slade School of Art and is 30 now based in Berlin. His sculptures, sometimes rightly called meat art by critics, are meant to shock and chal31 lenge his audience, and his representations of the human body depict an unsettling, gruesome, and sometimes pathetic32world. Isaacs held numerous solo and group shows at ME Collectors Room in Berlin, Ae33 roplastics in Brussels or Tate Britain in London to name just a few.
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Galerija Gregor Podnar Lindenstrasse 35 10969 Berlin
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Galerie Micky Schubert Genthiner Str. 36 10785 Berlin
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Kunsthandel Wolfgang Werner Fasanenstrasse 72 10719 Berlin
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Galerie Thomas Schulte Charlottenstr. 24 10117 Berlin
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VW (Veneklasen / Werner) Volkspark Rudi-Dutschke-Strasse 26 hasenheide 10969 Berlin
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Aurel Scheibler Schöneberger Ufer 71 10785 Berlin
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Galerie Barbara Weiss Kohlfurter Strasse 41/43 10999 Berlin
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Esther Schipper Schöneberger Ufer 65 10785 Berlin
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Sprüth Magers Oranienburger Straße 18 10178 Berlin
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In Berlin geht es immer schnell voran, die Stadt hat ein großes Potential. Es kommen immer mehr Kunstschaffende und -Interessierte nach Berlin, was sehr belebend ist und eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Kunst fördert. Der Bau des Museums der Moderne wird die Landschaft der Institutionen ergänzen.
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Eine Institution die gezielt junge, experimentellere Positionen fördert, könnte Berlin noch guttun. Ich bin gespannt was der neue Vorstand der Kunstwerke verändern wird. Die KW machen großartige Ausstellungen, aber ich denke, dass durch Julia Stoschek, Olafur Eliasson und Martin Heller es noch mal einen Schritt weitergehen kann.
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Safia Dickersbach Verlegerin
Am Sonntag werde ich den Abend wahrscheinlich gemütlich zu Hause verbringen. Am Samstagabend wird Schockglatze, bestehend aus den Künstlern Nik Nowak und Moritz Stumm teile Ihres neuen Albums präsentieren. Die Location wird noch bekannt gegeben. Ansonsten werde ich immer Dinner mit Künstlern, Sammlern und Freunden haben, auf die ich mich sehr freue.
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Alexander Duve wird neue Arbeiten von Marguerite Humeau zeigen. Humeaus Arbeiten habe ich zum ersten Mal letztes Jahr bei Import Projects gesehen und war begeistert. Sie forscht nach Klängen unserer Urzeit und erweckt diese durch Skulpturen wieder zum Leben. Für den Marathon der Serpentine Gallery rekonstruierte sie die Stimme von Cleopatra. Eine weitere Ausstellung, auf die ich mich sehr freue, ist ‚Where Nature Runs Riot’ von Cyprien Gaillard bei Sprüht Magers. Zentrale Arbeit wird ein Film sein, den er in den letzten drei Jahren gedreht hat.
Wir freuen uns schon lange auf die Ausstellung von A Kassen, ein Künstlerkollektiv aus Dänemark bestehend aus Christian Bretton-Meyer, Morten Steen Hebsgaard, Søren Petersen und Tommy Petersen. Es wird die erste Einzelausstellung in Deutschland sein. A Kassen haben schon in der ganzen Welt ausgestellt, hatten gerade eine Ausstellung im Den Frie Museum und der National Galerie von Island. In der Ausstellung werden ganz neue Arbeiten präsentiert, eine performative Arbeit, eine Foto Serie und sechs neue Skulpturen. www.alexanderlevy.net
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Beim diesjährigen Gallery Weekend werden einige legendäre zeitgenössische Künstler dabei sein, zum Beispiel François Morellet bei Blain|Southern, Giovanni Anselmo in der Konrad Fischer Galerie oder Francis Picabia in der Galerie Michael Haas. Am anderen Ende des Spektrums zeigt die Galerie Nordenhake die Werke eines ihrer jüngsten Künstler, Sirous Namazi aus dem Iran. Zu guter Letzt freue ich mich auch auf Renzo Martens in der KOW Galerie. Neben all der Faszination um das Gallery Weekend Berlin sollte man aber auch nicht vergessen, dass dieses Event nicht unbedingt einen repräsentativen Querschnitt durch die Berliner Galerieszene abbildet. Der Auswahlprozess, welche Galerie teilnehmen darf und wessen Meinung dabei zählt, bleibt im Trüben. Ich vermisse zumindest ein paar Galerien, die seit Jahrzenten in Berlin aktiv sind, auf dem offiziellen Programm des Gallery Weekends.
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Abgesehen von den Parties und Empfängen, die stattfinden werden, werde ich definitiv zum Dinner ins Cookies Cream gehen. Eine weitere gute Wahl ist das ULA, wo der beste japanische Koch Berlins, Daisuke Nakashima es immer wieder schafft, mit seinen leckeren und innovativen Rezepten zu überraschen.
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Mir fehlen gute Galerien, die sich speziell auf deutsche Künstler konzentrieren. Andernorts finde ich immer eine Galerie, die sich auf die lokale Kunstszene fokussiert, aber in Berlin scheint jeder den sogenannten internationalen Trend hinterher zu jagen. Alle bekannten Galerien präsentieren internationale Künstler und vernachlässigen dabei die in Deutschland und Berlin arbeitenden Künstler.
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Mit meinem Kunstverlag habe ich kürzlich ein Künstlerjournal namens PRŌTOCOLLUM herausgebracht, das eine internationale Umschau zeitgenössischer non-Western Artists, Kunstnarrativen und Kunstgeschichte abbildet. PRŌTOCOLLUM unterscheidet sich von anderen Magazinen darin, dass es die Künstler selbst zu Wort kommen lässt, und sie die Kunstwerke, die gezeigt werden, selbst auswählen dürfen - ohne den Filter der Kunstkritik oder eines Kuratoren. www.protocollum.org www.dickersbach.net
von Barbara Russ N /O 44 – MAI / JUNI 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
Arrogant Bastard
The War of Art
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Because I’ve been thinking about a possible run for president of the United States, I’ve been trying to devise a sleek, modern way to promote my genius and be a bit sexy with it. So the goal is to really make war seem like this avant-garde, neo-classical, thuggish good time. The news makes war look sexy, guns, lots of guns, people in suits meeting to talk about the people with guns that they sold them for something else a long time ago, and now some other people took those guns and used them to threaten people that want simple things like freedom, water, the right to vote, which may not look as sexy as a gun. I’m crystallizing a vision for the country and the world that represents what we truly love. Don’t worry about the violence and brutality associated with war, when you’ve been doing something this long, you must love it. I did think about that though, but the way we artsy it up, can everybody separate the two? I’ll just take the lead from our elected officials. They won the popular vote! See, whenever you question the value or legitimacy of any belief, just follow the same model as your elected official, it’s very democratic. Since we’re a super power and I would be the most powerful and handsome president ever, I want to think about this carefully. I could go to Roswell, check out all of the nuclear weapons and take selfies. Although most
von Adrian Stanley Thomas, New York City, New York of my time would be spent at exclusive clubs and retreats, I would need to address the country from time to time in order to lift their spirits, more like a public service announcement. But because our current political agenda is nuclear in nature, I figured war was the best route. Film, music, fines arts, they’re all participants in this war paradigm to gain insight into the psyche and mindset of cultures and people. Or maybe slavery is just so popular. I wonder, could we or would we take the road less traveled and move away from childish bickering? Come on, we’re having too much fun. War seems to provide that harsh, powerful display of domination that reminds me of a wonderful moment in my youth. I was trying to show off in front of a cute young lady on the playground. I figured if I used a wrestling move on a friend of mine that this cutie would find it very impressive. So I performed the move on my friend, and he was hurt and I went to the principle’s office. Yeah, I need to make it cool. I need to make it sexy. So what’s sexy and cool? Art is sexy, people like war; there you have it. Simple answers for simple people. Our contradictions regarding war stretch the entire globe and prove the point that our appetite for conflict continually negates any technological or intellectual strides by our species. Here in 2015, we grapple with the same shackles that represent the fabric of mankind. Even if we abhor the real physical aspects of war, it’s odd that we choose art to express our fascination with the very thing that we say we hate. Right here in the US certain police officers use African American Men as target practice in a blatant display of hatred wrapped in the war on crime. A fellow must give pause to try and
BLUMEN STATT WORTE
craft a vision that confronts our endless efforts to be in a combative mode all the time. Maybe not confront, but more like include the wants and needs of the people. I don’t know; I’m making this up as I go. Our salivations from intimate abrasions definitely satisfy our sugar craving, embolden our existence in conjunction with a yearning to be violently free as our heritage dictates. The pursuit of happiness is cloaked in the democracy of freedom, or if a democrat is asked, “ It’s really important to mention those amendments”. Can that be a cruel justification of any desire, or better yet, only a temporary fix until multiple engagements at once create a panacea of aggressive artillery that can keep the BBC consistently busy 24 hours a day, seven days a week. That wouldn’t be happening now would it? Our strong attachment to violence and war stems from the loins? Check the loins. I was walking down the street yesterday and noticed a small crowd standing around on the sidewalk. When I moved closer, I could see two men arguing very intently with actual violence on the horizon. The small crowd almost seemed to invigorate the two men as they argued over something extremely silly as guys do, a material possession known to you folks as money. Now we all like money in order to buy things and prove how much more important we are than our friends at dinner. But, if we take a look at conflict and strife closely among our species, it’s clear that we are aggressive people who need to show off from time to time under the umbrella of war. I suppose it’s in our DNA. If war didn’t exist, I don’t think we would ever have the Miss America Pageant. That should provide you with some comfort. Art reflects life.
MARSANO-BERLIN.COM
/O 41 – DEZ 2014 / JAN 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
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GOURMET
Die Kunst des Essens
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Photo: pmonaghan
Das erste Maiwochenende steht in Berlin ganz im Zeichen der Kunst. Neben der Art Week gilt das Gallery Weekend als wichtigster Termin im Kunstjahr der Hauptstadt. Knapp fünfzig Galerien beteiligen sich, ganz abgesehen von den zahlreichen, quer über die Stadt verteilten Events. Vom gerade aus seinem Dornröschenschlaf erwachenden Westen, über das ganzjährige arty Mitte, bis nach Kreuzkölln locken Einzel- und Gruppenausstellungen, Vernissagen und Parties. So viel Kunst macht hungrig. Eine Option ist, sich von Vernissage zu Vernissage zu mogeln, nach der offenen Champagnerpulle schielend, die Hand beiläufig über den Horsd'œuvres kreisend. Meist entpuppt sich der Champagner jedoch als Crémant und die Häppchen nicht als kulinarische Offenbarung. Selbst schuld, wer sich die Berliner Gastroszene entgehen lässt. Zumal Essen, das wusste schon Daniel Spoerri, auch Kunst sein kann.
von Eva Biringer
Paris Bar Ähnlich dem Borchardt in Mitte, ist die Prominentendichte hier so hoch wie an wenigen anderen Orten in Berlin. Inhaber Michel Würthl ist Österreicher und Künstler mit entsprechend ausgeprägter Kunstaffinität. Früher trank hier Martin Kippenberger (und beglich die Rechnung in Naturalien, sprich seinen Bildern), heute möglicherweise Martin Eder. Austern sind Pflicht, danach eine Blutwurst mit Calvados-Kartoffeln oder ein Salade Niçoise. Dazu passt Champagner und zwar zu jeder Stunde des Tages. Kantstraße 152, 10623 Berlin Davor: Camera Work
Was die Paris Bar für den Gaumen, ist Camera Work fürs Auge: ein Klassiker.
Bar Milano Italiener gibt es in Berlin an jeder Ecke, die hohe Kunst des Aperitifs beherrschen hingegen nur wenige. Es braucht dazu einen langen Tresen mit der richtigen Höhe, um tagsüber seinen Espresso im Stehen einzunehmen und abends daran zu sitzen. Es braucht den Lärmpegel aus Kaffeemaschinenzischen, multilingualem Plauderton und Italopop. Es braucht einen Wirt, der weiß, welchem seiner Gästen der Negroni classico gut tut und welchem der Negroni Sbagliato. Es braucht köstliche, den Aperitif begleitende Antipasti. All das gibt es in der Bar Milano. Wenn Signore Kappa gegen 23 Uhr »Buena notte« ruft, ist es früh genug, um in die Berliner Nacht zu starten, mit ein wenig Dolce Vita als Rückenwind. Brunnenstraße 11, 10119 Berlin Davor: Galerie Neu
Die multidisziplinär arbeitende Künstlerin Klara Lidén nimmt sich selbst angenehm unernst. Zu ihren bekanntesten Werken zählt ein auf Video dokumentierter U-Bahn-Tanz und eine Werkserie mit Mülleimern.
Dóttir Schon vor seiner Eröffnung als Geheimtipp gehandelt zu werden, ist in einer Stadt der Geheimtipps keine Kleinigkeit, aber nachvollziehbar, wenn dahinter Boris Radczun und Stefan Landwehr stecken, Betreiber des Grill Royals und des Pauly Saals. Konsequent setzt die Küche des Dóttir unter der Leitung von Victoria Eliasdóttir auf skandinavische Kräuter, isländisches Moos und viel frischen Fisch. Beim Design verzichtet man auf nordischen Minimalismus zugunsten warmer Holzelemente, antiker Sofas und Kunst aus der Sammlung der Besitzer. Bleibt zu hoffen, dass zum Gallery Weekend die Sonne scheint – und die Gäste den sagenhaft-verwunschenen Innenhof genießen können. Mittelstraße 40/41, 10117 Berlin Davor: Galerie Johann König
Auch Johann König betrat Kreuzköllner Neuland, als er 2012 die Kirche St. Agnes zur Galerie umbaute. Während des Gallery Weekends zeigt er die mit der Graffiti-Art kokettierende Malerin Katharina Grosse und den Dänen Jeppe Hein. /O 41 – DEZ 2014 / JAN 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
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GOURMET
Cordobar
Bandol sur Mer
In erster Linie ist die Cordobar die derzeit wahrscheinlich beste Weinbar Berlins. In zweiter Linie auch ein Ort für feste Gaumenfreuden. Koch Lukas Mraz entstammt einer Wiener Sternegastronomie-Dynastie, entsprechend selbstbewusst sind seine Kompositionen. In Tapasgröße serviert er Karpfenbauch mit Kimchi und die schon jetzt legendäre Blutwurstpizza. Die Weinauswahl kommt nicht als Karte, sondern als gebundenes Buch. Je später die Nacht, desto schöner die Gäste, diesem ungeschriebenen Mitte-Gesetz bleibt auch die Cordobar treu. Große Hamburger Straße 32, 10115
In einer ehemaligen Dönerbude in der Torstaße wird auf engstem Raum Abend für Abend (kein Ruhetag!) ein fünf-gängiges Menü auf Schiefertafeln gekritzelt und gekocht und zwar auf einem Niveau, das schon längst den Gault Millau auf den Plan hätte rufen müssen. Mit seiner Sterneküche ohne Steifheit und dem unprätentiös-aufmerksamen Service steht das Bandol sur Mer für jenes überall und besonders in Berlin beliebte Fine Dining. Torstraße 167, 10115 Berlin
Berlin Davor: Sammlung Boros
Längst spielt der Unternehmer Christian Boros in der A-Liga der Kunstszene. Netterweise gewährt er der Öffentlichkeit Einblick in seine umfangreiche, in einem Bunker untergebrachte Privatsammlung. Wer hätte gedacht, dass rabiater Beton der Kunst mindestens so gut tut wie ein White Cube?
Davor: Johnen Galerie
Mit seinen flüchtigen Performances schlägt Tino Sehgal dem auf Dauer fixierten Kunstbetrieb ein Schnippchen. Anlässlich des Gallery Weekends zeigt die Johnen Galerie eine neue Arbeit des Deutsch-Briten und den slowakischen Konzeptkünstler Román Ondak.
Gogogi Die koreanische Küche erlebt gerade einen Boom. Früher blieb für Bibimbap-Hungrige Berliner wenig mehr als das Kimchi Princess übrig, heute gibt es mit dem Pojangmacha sogar einen koreanischen Street Food Markt. Klassikern wie Pfannkuchen mit Meeresfrüchten verpflichtet sich auch das Gogogi, aber auch dem allseits beliebten Tisch-Barbecue. Nach seiner Eröffnung Ende März ist das Gogogi innerhalb kürzester Zeit zum Liebling der Foodblogger-Szene aufgestiegen. Seinem auffallend gelungenen Interiour-Design – die Tische führten ein Vorleben als koreanische Haustüren – und seines Konzepts wegen, einer Mischung aus Restaurant, Bar und Club. Weinbergsweg 24, 10119 Berlin Davor: Eigen + Art / Sprüth Mager
Hate it or love it: Martin Eders Werk polarisiert. Die einen schimpfen seine großflächigen Katzenmalereien als Kitsch, die anderen sehen in ihm einen Pionier der gepflegten Ironie. Die Galerie Eigen + Art zeigt ihn zusammen mit Ross Chisholm. Ein paar Meter weiter präsentiert Sprüth Magers Cyprien Gaillard, einen der am heißesten gehandelten Stars der weltweiten Kunstszene.
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art FairS eXHibitiOnS Private COlleCtiOnS PrOjeCt SPaCeS COnFerenCe art award CeremOny Gallery niGHtS PerFOrmanCeS SCreeninGS talkS
/O 41 – DEZ 2014 / JAN 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
N
www.berlinartweek.de
TO-GO Boutique von der Schmuckgestalterin Millicent Nobis, Sydney
ART’S IN THE BAG
Accessoires
Zeige mir Deinen Schreiber
PIZZA ILLUMINATI
Poppy welcomes you to the secret society of guilty pleasures like pizza and cigarettes in bed on a Sunday with someone more than semi naked. Pizza Illuminati Clutch, AUD $85, www.poppylissiman.com
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Das Schreibwerkzeug gehört in die Kunstbranche, wie der Zucker in die Konditorei. In keinem anderen Milieu wird er so oft gesehen wie dort. Es ist das Accessoire von Künstlern, Galeristen, Kunstschülern und Intellektuellen. Wer welchen Schreiber bevorzugt, und was sie uns über ihre Besitzer verraten, weiss Kathrin Eckhardt
PARIS KITSCH
Daydreams of Paris in all its glorious kitsch-ness, the accordion plays as you wonder amongst street painters (and fat Americans) in Montemartre, clutching a baguette. Le ‘Palette’ Round bag, Yaz Bukey, €486, www.yazbukey.com
FASHION ILLUSTRATED
Along with matching your shoes to your handbag and chewing with your mouth closed, fashion illustration is sadly a fading art, what is the world coming to? Fashion Illustrated Tote Bag US$20, Baiba Ladiga, www.wowcracy.com
JUMP FROM PAPER
Is it a bag? Is it a drawing? Nope it’s a bag that looks like a drawing that will look super pop-arty in your instagram photos!! Spaceman backpack €120, www.jumpfrompaper.com
Stabilo black point 88
Einsatz der Schreibwerkzeuge
Uni-Notizen, Spickzettel, Liste für WG-Einkaufszettel, Schreiben als Mittel zum Zweck
Lebensabschnitt
10-35
Typische Notiz
Referat: Die Blaue Periode von Pablo Picasso
Bevorzugtes Kulturangebot
Konzerte, Partys
Traumberuf
Lebenskünstler/in, DJ
Liebstes Kleidungsstück
Acne Studio Jeans
Lieblingskünstler
Paul Cézanne
Schreibblockade bei
Schlagermusik
Stilvorbild
Harald Schmidt, Hannelore Elsner
Häufiges Kritzelmotiv
Senkrecht und waagrechte Striche
Größtes Geheimnis
Hoher Verlust an der Börse gemacht
N /O 44 – MAI / JUNI 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
Accessoires
von Kathrin Eckhardt, Zürich
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und ich sage dir wer du bist Montblanc Meisterstück, Fountain Pen
Graf vonFarber Castell, der perfekte Bleistift
Pentel 207 Druckbleistift mit Radiergummi
Kaweco Sport, Füllfederhalter
Grusskarten zu Weihnachten und Geburtstage, Unterschrift von Verträgen
Notizen spontaner Einfälle ins Notizoder Tagebuch
Skizzen von Grundrissen, morgendliche To-Do -Liste im Büro abgleichen
Notizen an Arbeitskollegen, Freunde, Familie, Grusskarten. Schönschreiben als Zeitvertreib
40-75
35-60
20-50
25-45
Lunch Meeting 12:30 Uhr
Meditate... because some questions can’t be answered
Tel. Franz Mail BDA
Mit herzlichem Gruß
Klassische Oper, Ballett, Lesungen
Vernissagen, Ausstellungen von Fotos, Mode, Kunst
Architektur Ausstellung, Design Messen
Theater, Kino, Performances
CEO, Bundeskanzler/in
Verleger/in, Werbeagenturinhaber/in
Architekt/in Ingenieur/in
Regisseur/in, Fotograf/in, Schriftsteller/in
Loafer von Tod’s
Burberry Trench Coat
Mykita Alu Brille
Alles von COS
Jean-Michel Basquiat
Andy Warhol
Jeff Koons
Pipilotti Rist
WhatsApp Funktionsstörung
Stress
Ferien
Liebeskummer
Rihanna, Mick Jagger
Emmanuelle Alt, Alain Delon
Adrien Brody, Tilda Swinton
Charlotte Gainsbourg, Johnny Depp
Strichmännchen
Blumen, Kreise
Häuser, Stühle
Sternen, Herzen
Referat aus dem Internet heruntergeladen
Stellt Kleider von Zara als Schnäppchen von Prada vor
Kann sich kein eigenes Haus leisten, aber hat eines in Planung
Uninspiriert, wünscht sich ganz weit weg
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Literatur
Kunst ist Kunst wenn sie dem Denken hilft.
Horcynus Orca Literatur
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Roman. Entstanden zwischen 1957 und 1975. Italienisch. Veröffentlicht 1985. Ins Deutsche gebracht 2015. Bisher keine weitere Übersetzung - »zu schwierig«. Inhalt: Soldat. Kehrt 1943 in seine sizilianische Heimat zurück. Adaptation der Odyssee. Eintausendvierhundertzweiundsiebzig Seiten. Vier Nächte und vier Tage, mehr als Bloom in Ulysses durchlebt, weniger als im Mann ohne Eigenschaften vergehen und soviel weniger als in Hans Henny Jahnns Fluss ohne Ufer oder Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Orcinus Orca (lat.) = Schwert- oder Killerwal. Taucht erst spät auf (…schönes Wortspiel). Der Roman ist ein Epos in poetischer Sprache – und eine Kurzdarstellung wird ihm kaum gerecht. Es ist lediglich mit seinen Qualitäten und der Notwendigkeit, ihn zu verbreiten, zu rechtfertigen. Schon beim Eintritt geht einen der Kopf auf. Wie an langen Armen greifen Wortkreationen in eine Bedeutung, ohne dabei zu beschweren. Man arbeitet mit dem Autoren mit am Text, an der Sprache. Anders als bei Ulysses lässt D‘Arrigo diese Sprache nicht vollständig frei, bändigt sie eher. Allein von diesem Aspekt her kann man sagen, dass es mehr als ein Roman ist, es ist ein Werk. Und es ist mehr als ein Werk, es ist ein Kunstwerk. An solchen Romanen lässt sich Literatur als Kunst erst debattieren. Nicht, dass alles Andere gleich vom Tisch wäre. Die Suche nach Bewahrenswertem geht weiter. Aber das, was hier gefunden wurde, kommt auf einen extra Tisch, da liegt nur dieses Buch. Das geht natürlich auch an den Übersetzer Moshe Kahn, denn es bedarf eines enormen Aufwandes, die Originalsprache ins Deutsche runterzubrechen, ohne dass sie Schaden nehme und im Gegenteil sogar noch eines passiert, nämlich dass die Zielsprache gehoben werde, so wie die Originalsprache gehoben wurde. Berichte der Heimkehr aus dem Krieg und die Veränderungen außen wie innen gibt es schon in unterschiedlichen Abhandlungen, Variationen, Breiten. Dieser Geschichte hier wird nicht nur
Kunst ist auch nur dann Kunst, wenn sie die Spannung des Lebens hält oder dahinführt. Das ist das Geheimnis hinter dem Geheimnis Kunst. Nichts weiter. Und so weiter. Oder?
die Tür geöffnet, die Türen und Tore öffnen sich von Seite zu Seite mehr, angeln aus, überschreiten die Ufer und Ränder, zwischen Vor und Zurück, Träumen und Wachen, es gibt kein Anhalten. Außergewöhnlich, ganz außerhalb des Gewöhnlichen. D‘Arrigo holte da etwas aus der Zeit heraus und versenkte es wieder dort, bringt den Menschen in die Zeit selber zurück. Wer auch immer das Buch in hundert Jahren aus dem Fluss der Zeit herausholt, wird merken, dass es der Fluss der Zeit selber ist. Der Roman ist, als ob es regnet und man wird nicht nass und jeder Tropfen ist nicht Wasser, sondern ein Tropfen Zeit. Man erlebt diesen Roman wie Musik, wenn gesagt wird, dass Musik ein Loch in der Zeit ist. Von daher ist der Roman keine Prosa mehr, wobei das Erzählerische doch immer noch den Kern ausmacht. Beim Lesen gewinnt man mehr und mehr den Eindruck, dass Umbrüche, menschliche Umbrüche, Umbrüche der Zeit, solche, die der Krieg hervorbringt, das Epische, gar nicht anders zu schreiben sind. Und um das, was diese kurze Vorstellung ins Pathetische abgleiten lässt, nicht zu übersteigern, muss aufs Konkreteste reduziert werden: wunderbar, außergewöhnlich, fulminant - alle drei Begriffe sind sorgfältig ausgewählt. So auch der abschließende Kommentar: Man ist nicht mehr Leser, man ist Zeuge von etwas. Da wurde nicht etwas geschrieben, da ist etwas geschehen. Und das alles hier ist so gemeint. Stefano D‘Arrigo: Horcynus Orca Aus dem Italienischen von Moshe Kahn 1472 Seiten, S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2015 € 58
Gefüge wird Komposition Klang Das Buch gibt eine Situierung des Künstlers Georg Klein ebenso ab wie eine der Klanginstallation. Es werden Fragen zum Verhältnis Kunst und Politik, resp. Wirklichkeit, erörtert. Im Zentrum stehen die Installationen des einstigen Komponisten Klein im öffentlichen Raum, den Kern dieses Kataloges bilden die sehr gut akzentuierten Artikel der Herausgeberin Sabine Sanio sowie das Interview mit Stefan Fricke. Klein potenziert einen Ort nicht einfach oder nutzt ihn, sondern er re-komponiert ihn. Oder re-interpretiert, nachgerade im Sinne einer musikalischen Spielart. Als Komponenten oder Instrumentarium sind zu betrachten: Klänge und Geräusche, Architektur, Visualität und nicht zuletzt Zeit. Klein zerlegt ästhetisch in Einzelteile, befreit diese von den Schichten des Alltags und reichert die einstmals vorhandene „Komposition“ mit den innewohnenden sozialen und politischen Aspekten an. Am Ende ist eines herausgeschält: der Mensch und die Frage, wie er heute lebt.
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Diesen Menschen fügt er seinem Werk hinzu, lässt in partizipieren, indem er irritierend zu Teilen einen Fake inszeniert oder das Künstlerische bis hin zur Selbstverneinung in den Hintergrund treten lässt und so den Betrachter in die Realität des Werkes zwingt, ihm eine Reflexion abringt. All dies bewegt sich an Grenzen, vielmehr im Raum, der sich zwischen Grenzen auftut. Zielgerichtet auf die Grenze, wo Wirklichkeit und Kunst aneinanderstoßen und sich eine Wechselwirkung loslöst. Die Arbeiten lassen sich ebenso gut als transformierte Portraits von Orten bezeichnen, die sich durchschreiten und audio-visuell lesen lassen. Klein hebt das, was ein Ort (ver)birgt, ins Wahrnehmbare. Er arbeitet eine Objektreflexion aus allen Sinnen heraus. Ein Foto hat es leicht, es bleibt übrig, überdauert. Da kann der Ort schon lang nicht mehr als solcher existieren (fast sogar besser…) – vergleichbar wäre Klein, in Bezug auf die politische Seite, vielleicht mit dem letztes Jahr verstorbenen Fotografen Michael Schmidt. Nur sind Kleins Installationen nach der Ausstellungszeit wieder weg, der Ort, und das, was er trägt, verbleibt. Im Grunde müssten die Installationen auch bleiben. Dieses Buch trägt die Idee hinter der Kunst Kleins sehr anschaulich weiter. Georg Klein: Borderlines Herausgegeben und mit Begleittexten von Sabine Sanio 96 Seiten, 102 S/W und Farb-Abbildungen Kehrer Verlag Heidelberg Berlin 2014 € 29,90
HUNTER S. THOMPSON HUNTER S. THOMPSON DIE ODYSSEE EINES OUTLAW-JOURNALISTEN DIE ODYSSEE EINES OUTLAW-JOURNALISTEN
Literatur
text
GONZO-BRIEFE GONZO-BRIEFE 1958–1976 1958–1976
Ralf Diesel
ES WAR EIN BRUTALES LEBEN, ES WAR LEBEN, UND EIN ICHBRUTALES HABE ES GELIEBT UND ICH HABE ES GELIEBT EDITION TIAMAT EDITION TIAMAT Thompson Cover_druck.indd 1 Thompson Cover_druck.indd 1
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Literatur ist… 28.11.14 10:04
…Antrieb, der Welt zu begegnen. Da die sowieso schonmal erstunken und erlogen, selbsterfunden ist (siehe Nietzsche und die Nachrichten), ist auch Journalismus nur dann echt, wenn er lügt, also fiktiv ist, eine Erzählung. Erzählen sie also Ihrem Arbeitgeber, Sie wären krank! Machen Sie blau, gehen erst am nächsten Tag zum Arzt (sich abzusichern sichert einen ab und ist einfach notwendig, ein Tag rückwirkend geht...) und nehmen Sie in folgende Haltung ein: Sofa, auf dem Rücken liegend, die Beine verschränkt. In der Hand Hunter S. Thompsons Gonzo-Briefe. Je nach Lesegeschwindigkeit, Ihre Trägheit werden Sie flugs überwinden, haben Sie so einen, sonst zwei Tage frei. Ihr Kopf hat dann auch frei, ist raus aus dem Elend. Wenn Sie durch sind, gehen Sie direkt wieder zur Arbeit, nicht weiter zu Hause bleiben. Wäre Quatsch, der Realität jetzt noch fern zu bleiben. Sie werden sehen, wie Sie Ihrem Chef anders begegnen, und dem Rest der Realität, und zwar für den Rest Ihres Lebens. Sie werden sehen, was das da eigentlich für ein Schund ist, was Sie da eigentlich für einen Schund betreiben. („Sie“ steht im Plural und zwar für alle und jeden, gestern, heute und morgen.) Sie werden feststellen, dass die Realität nichts als Schund ist, und unausweichlich wach sein, ganz einfach: kritisch. Will heißen, Sie werden der Natur des Menschen endlich gerecht. Was Ihnen sonst Anstrengung gekostet hat, wird Ihnen nach diesen Briefen leicht fallen. Für den Rest Ihres Lebens, vergessen Sie das nicht! Sie werden frei sein, das Leben genießen und für die Realität die angemessene Verachtung aufbringen. Cool sein, eben. Alles ganz einfach. Sie werden also sehen: Ein Mal eine Geschichte erzählt – und schon landen Sie in der Realität. Mehr ist über dieses Buch nicht zu sagen. Hunter S. Thompson: Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten Gonzo-Briefe 1958-1976 Aus dem Englischen von Wolfgang Farkas Herausgeben von Douglas Brinkley 607 Seiten, Edition Tiamat | Critica Diabolis 222, Berlin 2015 € 28
Hören ist Kunst Musik
Portrait eines Portraits eines Portraits Fotografie Ein Portrait ist ein Spiegel, und dieses Portrait-Buch spiegelt in vielfacher Hinsicht. Es sind Essays versammelt mit Vorträgen, die 2012 bei einer Tagung gehalten wurden. Das Thema war eine experimentelle Daguerreotypie, Selbstporträt im Hexenspiegel, die auf das Jahr 1845 datiert wird, kurz nach ihrer Entstehung aus der Geschichte verschwand und nach knapp 170 Jahren wieder auftauchte. Es ist die Fotografie eines Spiegels. Dieser Spiegel, Hexenspiegel genannt, ist unterteilt in elf kreisförmige Spiegel: einen großen in der Mitte und zehn kleine im Kreis drumherum. In ihnen reflektiert wird der Kopf eines Menschen. Es dreht sich um den Künstler und Fotografen Charles Nègre.
Nègre fügt zusammen: Hexenspiegel mit Portrait mit Fotografie. Als die Fotografie loslegt, macht sie das mit allem, was ihr zur Verfügung steht. Sie greift Traditionen auf und unversehens auch an. Ein Paukenschlag, dessen Echo heute noch laut und deutlich zu vernehmen ist. In der Kunst wie in der gesamten bildüberfluteten Gesellschaft. Nègre machte in gewissem Sinne den eigentlichen Anfang: Er portraitierte nicht nur sich selber, sondern gleich die Fotografie mit ihren Anlagen. An der Diskussion, was das denn nun sei, die Fotografie, setzt dieses Buch in gehobener und dabei äußerst spannender Art einen elffachen Hebel an: Über mis en abyme, Selbstdarstellung, digitale Simulation, Ich, Identifikation, Ähnlichkeiten, Mehrfachbelichtung, etc. kreist es um die Geschichte der Fotografie. Abtauchen, gründeln, und erfrischt wieder auftauchen - Wissenschaft von ihrer besten Seite: die, die einen weiterbringt und zum Weitermachen bringt. Charles Nègre: Selbstporträt im Hexenspiegel Herausgegeben von Michael Hagner, Bernd Stiegler, Felix Thürlemann 126 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2014 € 24.90
N /O 44 – MAI / JUNI 2015 TRAFFICNEWSTOGO.DE
Der Komponist Hans Zender schreibt aus der Tätigkeit heraus, aus dem Leben mit Musik. In seinen Essays entwickelt er die Themen vor dem Leser und lässt teilhaben am Werden seines Denkens über diejenige Kunst, die am weitesten weg vom Denken und dafür direkt am Empfinden ist – eine Kunst der „Gegenwärtigkeit“. Das geht über philosophische und gesellschaftliche Betrachtungen, Erörterungen zu Komponisten bis zur Musik und ihrem Verhältnis zu Sprache. Zender diskutiert immer von der Kunst her, grenzt Musik nicht von anderen Künsten ab, sondern behandelt ihren speziellen Wert im Verhältnis zu dem, was Kunst ausmacht. Er geht dabei von dem Verhältnis aus, das Komponist, Interpret und Hörer miteinander eingehen. Dabei sind Komponist und Interpret immer auch Hörer, der Hörer selber wiederum erschafft das Gehörte in sich neu. Im Text zu Kulturpolitik stößt man auf seine Motivation. Es geht um „Vitalität, geistige Lebendigkeit und das Niveau unseres öffentlichen Lebens.“ Dies muss immer wieder erkämpft werden. Waches Hören, das ist der Nenner, auf den Zenders musikalische wie reflektierende Arbeit gebracht wird. Das beinhaltet Wahrnehmen und Begreifen, eine Auseinandersetzung mit dem Gehörten und dem Hören an sich. In keiner Kunst erlebt der Mensch sich selber mehr als in der Musik, im Hören. Hören ist eine aktive Tätigkeit. Zenders Essays zeichnen sich durch seine Art zu schreiben aus – die ist bei aller Philosophie einfach. Und schön, da konstruktiv. Keine Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen verliert aus dem Auge, worum es geht: die Kunst im schöpferischen Sinne, die den Menschen sich selber erfahrbar macht. Hans Zender: Waches Hören. Über Musik 176 Seiten, Edition Hanser Akzente, München 2014 € 19,90
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