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FREe press!
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NEWS TO GO
WHAT ARE YOU PLANNING TO DO TODAY TO MAKE THE WORLD A better place or at least make it worthwhile to hang in there a bit longer ?
zeitgeschehen 04 Weltflucht ins Kino: In der Krise boomt das Geschäft mit der Abkehr vom wahren Leben film
06 Der ewige Fehler: Wie Oskar Roehlers filmische Auseinander setzung mit dem Jud SüSS scheiterte 08 Gar nicht fremd: Sibel Kekilli ist zurück 10 Benjamin Heisenberg über Genre filme, Masken und Menschen, die an ihre Grenzen gehen
st yle
das wetter
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sport
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15 Der Arrogant Bastard
8-page-editorial 16 Rinus Van de Velde, Peter Doig, Ming Wong nachruf Kulturnews
22 Ruhe sanft, Alex ander McQueen 23
ABGEDREHT
26 Holly-what ? Der Celebrit yKnigge 27 beauty 30 Talent hoch drei: Franziska Weisz, Maryam Zadee und Mariejosephin Schneider
english transl ations 36 No stranger to us: Sibel Kekilli 36 Arrogant Bastard 37 A farewell to Alex ander McQueen
Sibel Kekilli im Gespräch mit Hatice Akyün, Die Geschichte vom Jud Süss, Benjamin Heisenberg, Plakatkunst
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WHATEVER YOU BECOME, SOMEONE WILL LONG FOR WHAT YOU WERE. In remembrance of lee Alexander McQueen
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contributors
Hatice Akyün wurde 1969 Zentralanatolien geboren, kam 1972 nach Deutschland, wuchs im Ruhrgebiet auf und lebt heute in Berlin. Die Tochter von Analphabeten lernte Deutsch mit Grimms Märchen und wurde Journalistin, weil jemand gebraucht wurde, der für Gerichtsreportagen türkische Kriminelle interviewt. Als Society-Reporterin bei Max berichtete sie über Pleiten, Pech und Promis und jettete um die Welt. Seit 2003 schreibt sie als freie Journalistin für SPIEGEL, EMMA und den Berliner Tagesspiegel. Sie hat zwei Bücher veröffentlicht „Einmal Hans mit scharfer Soße“ und „Ali zum Dessert“, in denen sie über ihr Leben in den Parallelwelten zwischen Berlin und Bosporus erzählt. Thomas Abeltshauser, 1974 im oberbayerischen Bad Tölz geboren und aufgewachsen, lebt nach einem Zwischenstopp in Köln seit 1996 in Berlin. Er studierte dort an der Freien Universität Film- und Fernsehwissenschaften und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und befaßte sich in seiner Magisterarbeit mit dem Begriff des Stars im Werk von John Waters. Seit 13 Jahren schreibt er über Film, Popkultur und Gesellschaft sowie Reisereportagen für Neon, Vanity Fair, Ray, Die Welt und viele andere. Die drei großen Filmfestivals in Berlin, Cannes und Venedig sind feste Konstanten in seinem Arbeitskalender. Anne Theresia Wanders wurde 1981 in Duisburg geboren. Nach dem Abitur begann sie zunächst, Rechtswissenschaften, Anglistik und Germanistik zu studieren, machte dann jedoch eine Ausbildung zur Damenmaßschneiderin und studierte Modedesign an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Praktika führten sie zu Van Laack nach Mönchengladbach, aber auch zu Alexander McQueen nach London (2008), inklusive Showassistenz in Paris. 2009 bekam sie den Wilhelm Braun-Feldweg Förderpreis für designkritische Texte für ihre theoretische Diplomarbeit „Slow Fashion“. „Slow Fashion“ ist im Niggli Verlag, Schweiz erschienen.
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VERLEGER Jacques C. Stephens Co-VERLEGER Murat Suner CHEFREDAKTEURIN Ophelia Abeler DESIGN Doublestandards 8-PAGE-EDITOR Bruce Hamilton BILDREDAKTION Ivan Cottrell SCHLUSSREDAKTION Carlina Rossée
MITARBEITER DIESER AUSGABE Thomas Abeltshauser, Hatice Akyün, Andreas Bernhardt, Alexander Faude, Henriette Gallus, Lydia Harder, Tina Maier, Alexander Malecki, Ralph Martin, Danijela Pilic, Miriam Rauh, Chris Rehberger, Benedikt Reichenbach, Peter Richter, Tex Rubinowitz, Merten Sansovino, Uta Schwarz, Jochen Starz, Marcel Steger, C. Steinhausen, Elvira Veselinović, Andreas Vitt, Anne Theresia Wanders, Anne Zdunek Druck: Druckhaus Schöneweide
Cover Foto: Mathias Bother
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In der Dunkel kammer
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ber die Krise, die im September 2008 mit dem Bankenzusammenbruch begann, wurde schon alles gesagt. Ob sie bereits überstanden ist oder gerade erst angefangen hat, weiß kein Mensch. Immerhin war man sich schnell einig, daß es sich um die schwerste Krise der Nachkriegszeit handelt. In der Tat erlitt Deutschland im vergangenen Jahr Bombennächte, wie man sie seit 1945 nicht mehr kannte. Man wußte nicht genau, was am nächsten Morgen noch stehen würde und was schon zu Bruch gegangen ist. So flüchteten die aufgeschreckten Deutschen angesichts der feindlichen Mächte, die auf sie zurollten, an den dunkelsten aller Orte, dorthin, wo bunkerartige Betonwände sie beschützen und wo man nicht gesehen werden kann, aber selber sieht. Ins Kino. In kuschelige rote Sessel versinkend, träumen sie sich mit Nachos und Cola in eine andere Welt, auch wenn sie nach zweieinhalb Stunden wieder jäh in die grausame Realität katapultiert werden. Dabei wird die Fiktion immer lebensechter, die Filme wachsen in die dritte Dimension. Camerons Überfilm „Avatar“, der alle bisher dagewesenen Blockbuster klein wie europäische Independent-Produktionen aussehen läßt, handelt von der Auswanderung von einer kaputten Erde nach Pandora, dem Planeten der Liebe und der Leuchtdiodenflora.
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Deutschland liegt nicht in Trümmern, aber das Geschäft mit der Weltflucht boomt wieder wie nach dem Krieg.
von lydia harder
Eine symbiotische Beziehung: Das Kino bewahrte den Bürger vor der Krise und umgekehrt. 2009 war ein Rekordjahr für das Kino, das in den letzten Jahren wegen DVDs und Raubkopien fast schon unterzugehen schien. Letztes Jahr aber stieg die Besucherzahl in Deutschland um 13 Prozent auf 146 Millionen. Die Umsätze nahmen um 23 Prozent zu, sie betrugen 976 Millionen Euro. All das erinnert tatsächlich an die Stunde Null, als mitten in den Trümmerbergen deutscher Großstädte die ersten Lichtspielhäuser aufmachten – und ebenso viele Leute für Kinokarten anstanden wie für Lebensmittelmarken. In düsteren Zeiten blühen die „künstlichen Paradiese“ auf, die der todunglückliche Poet Charles Baudelaire 1860 heraufbeschworen hat – wobei der Dichter die verbotenen und giftigen Substanzen meinte. Heute sind die Rauschmittel, die von der Krise profitieren, ziemlich profan. Vor allem Chips und Knabbergebäck sind das neue Opium: Man igelt sich zu Hause ein und kaut sich in Trance. Im Durchschnitt aß jeder Deutsche im vergangenen Jahr 30 Kilogramm Süßigkeiten, mehr als je zuvor. Das sind entweder 300 Tafeln Schokolade, 200 Tüten Erdnußflips oder 1.765 Salzstangen. Das große Fressen, nur eben bei Lidl. Den Deutschen geht es bei der Weltflucht nicht um Luxus, sondern ums Überleben.
So reagiert jede Volkswirtschaft anders auf Krisen. Im Gaza-Streifen nahm der Viagra-Konsum nach dem letzten Krieg so stark zu, daß schließlich sogar die Islamisten von der Hamas das Potenzmittel für vereinbar mit dem Islam erklärten, vorausgesetzt natürlich, der Verkehr ist ehelich. Die Apotheker führten die Beliebtheit vor allem bei jungen Männern auf Depressionen zurück – und auf das Tabu, in der arabischen Männergesellschaft Schwäche zu zeigen. In Deutschland gibt es, anders als im Gaza-Streifen, zwar ganz konkrete Fluchtwege. Aber die werden kaum genutzt. Die Tourismusbranche leidet, viele Hotels stehen trotz des schwarzgelben Steuergeschenks leer. Nur die spartanische, urdeutsche Jugendherberge feiert ungewohnte Gewinne. Kein Wunder. Sie ist ein Hort unverfälschter Naturromantik: das deutsche Pandora, nur ohne Popcorn.
© www.sxc.hu
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z e i tges c hehe n
eins, zwei, drei Am Minimum
Am Maximum
Am Nullpunkt
Wenn Neuköllner Jugendliche befragt werden, was sie später einmal werden wollen, dann antworten sie: „Hartzer.“ Was genau das bedeutet, hat das Bundesverfassungsgericht jetzt in einem Grundsatzurteil untersucht. Die Richter fordern die „realitätsgerechte“ Neuberechnung der Regelsätze für 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger. Dafür hat die Regierung bis zum Jahresende Zeit. Im Mittelpunkt des Urteils stehen Menschen mit „atypischen Bedarfen“, etwa chronisch Kranke oder Schulkinder. Der bisherige Zuschuß für Federmappe und Taschenrechner von jährlich 100 Euro zum Beispiel ist in den Augen des Verfassungsgerichts „offensichtlich freihändig geschätzt“. Auch den Erwachsenensatz von 359 Euro betrachten die Richter als Phantasiezahl. So seien darin bereits Luxusausgaben wie Pelze, Maßanzüge oder Segelflugzeuge eingerechnet – alles Requisiten, die nicht unbedingt dem landläufigen Bild eines Prekariers entsprechen. Nun sollen Sein und Sollen abgeglichen werden, wozu sich die Regierung erstmal ein neues Rechengerät zulegen muß. Dann wird ermittelt, was der Mensch wirklich braucht – abgesehen von der Sicherung seiner körperlichen Existenz durch Dosenravioli und Atomstrom. Das „soziokulturelle Existenzminimum“ umfaßt nämlich, anders als das bloß „physische“, auch die Teilhabe am politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Neuköllner Jugendliche haben auch hier schon ihre eigene Definition: Wenn sie sich zum geselligen Fernsehnachmittag treffen, dann nennen sie das schlicht und einfach „hartzen“.
Den „Schreitenden Mann I“ würde das Bundesverfassungsgericht bestimmt nicht nur unter dem soziokulturellen, sondern sogar unter dem physischen Existenzminimum ansiedeln. Zum Glück ist dieser Hungerhaken nur aus Bronze, gefertigt 1961 vom Schweizer Bildhauer Alberto Giacometti. Der anonyme Käufer, der die lebensgroße Skulptur am 3. Februar bei Sotheby’s telefonisch erstand, hätte sich für den Kaufpreis jede Menge Pelze, Maßanzüge und Segelflugzeuge leisten können. Denn mit 74 Millionen Euro zahlte er die höchste Summe, die je auf einer Kunstauktion erzielt wurde. Bisher stand die Skulptur in einer Konferenzetage der Dresdner Bank, die sie 1980 für 750 000 Dollar erworben hatte. Die Bankenkrise sorgte dann dafür, daß die Commerzbank – mit Hilfe des staatlichen Rettungspakets – die Dresdner Bank schluckte. Und mit ihr auch den ausgemergelten Bronzemann, dessen Wert sie jetzt durch die Versteigerung ins Unermeßliche steigerte. Man muß das wohl als einen gelungenen Fall von Sozialhilfe betrachten.
Die FDP dagegen ist nun gerade nicht dafür berühmt, den Staat zu Hilfe zu rufen. Umso überraschender wirkt es da, daß ausgerechnet die Liberalen in diesem historischen Winter, in dem das Thermometer den Nullpunkt so gut wie nie überschritt und die Deutschen über vereiste Bürgersteige schlitterten, eine nationale Streusalzreserve verlangten. Aber vielleicht ist das ja nur der freidemokratische Gegenvorschlag zu den Sozialleistungen, die der Staat sonst nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Denn das Streusalz verhindert immerhin, daß sich die Berliner „Hartzer“ beim Gang zum Kiosk die Beine brechen, was dann wieder nur zu Lasten des Gesundheitssystems ginge, das Philipp Rösler doch gerade verschlanken will. Vielleicht stellt sich aber auch bloß heraus, daß ein führender Streusalzlieferant eben eine Millionenspende an die FDP überwiesen hat, weil er aus dem Beispiel des Mövenpick-Besitzers gelernt hat, daß auch die Parteien manchmal ein bißchen Stütze brauchen.
Foto: Courtesy of Sotheby’s
J’accuse (3) Ceausescu. Wenn man diesen Namen hört, woran denkt man da zuerst? An die gräßlichen Bilder der Hinrichtung des rumänischen Staatsoberhauptes, die am ersten Weihnachtstag des Jahres 1989 um die Welt gingen? Die, auf denen Nicolae Ceausescu und seine Frau Elena erschossen in ihren Mänteln auf dem Boden liegen, voller Blut und mit toten Gesichtern. Oder an seinen Geheimdienst, die Securitate, dessen Kommandos Tausende von Oppositionellen zum Opfer fielen? Man könnte auch an den Personenkult von Ceausescu denken, der sich als Titan der Titanen, als Sohn der Sonne, als der Auserwählte, als irdischer Gott und als Genie der Karpaten bezeichnen ließ. Ceausescu. Was einem nicht einfällt bei diesem Namen, ist an eine Marke, an Werbung oder an einen geschützten Begriff zu denken. Ceausescu ist keine Coca-Cola. Oder doch? Milo Rau ist ein Schweizer Journalist und Theaterautor, der seit zwei Jahren das Institut für theoretische und
künstlerische Reenactments leitet. Das aktuelle Stück dieses Instituts ist die minutiöse, quasi-dokumentarische Wiedergabe der letzten Tage der Ceausescus, so auch der Titel des Theaterstücks, das in der Schweiz, in Rumänien und in Deutschland aufgeführt wird. Bei den Voraufführungen in Bukarest waren Politiker, ehemalige Dissidenten und am Prozeß gegen Ceausescu Beteiligte anwesend. Die Diskussionen nach der Aufführung waren hitzig und kontrovers, vor allem aber politisch. Eine erwünschte Reaktion. Anfang Februar dieses Jahres meldeten sich jedoch Valentin Ceausescu und sein Schwager zu Wort. Valentin ist der Sohn des hingerichteten Politikerpaares. Viel hätte er zu sagen haben können, über seine Eltern, über sein Leben nach der Hinrichtung, über Schuld und Vergebung, doch was er sagte war: Ceausescu sei ein eingetragener Markenname, den er schon vor Jahren zusammen mit seinem Schwager hat
schützen lassen. Er klage hiermit gegen die Verwendung des Namens Ceausescu in Milo Raus Stück. Das ist nun wirklich etwas Neues. Hätte Adolf Hitler Kinder gehabt, könnten sie dann auch Hitler als Marke eintragen lassen? Sämtliche Guido-Knopp-Fernsehdokumentationen, viele Spiegel-Titelgeschichten hätten dann auf einmal ein Problem. Hat sich schon jemand Saddam Hussein oder Pol Pot als Marke schützen lassen? Es tun sich ganz neue Möglichkeiten auf. „Unverschämtheit kennt kein Verfallsdatum“, sagte der Vorsitzende des rumänischen Schriftstellerverbands, Nicolae Manolescu nach Bekanntwerden der Klage. Andere rumänische Kulturschaffende hoffen, daß diese Farce bald beendet wird und das Gericht entscheide, daß es sich bei Ceausescu, zumindest in Milo Raus Stück, um den Diktator und eben nicht um eine Marke handele. Das ist tatsächlich zu hoffen. Offensichtlich gibt es im rumänischen Mar-
Serving one of the best barreled homemade olive oils imported from Naples and delivering a selection of fine matured wines
kenrecht eine Lücke, die schnell durch einen klugen Richter geschlossen werden muß. Denn soviel steht jetzt schon fest: Valentin Ceausescus Klage erstreckt sich lediglich auf die Aufführung des Stückes in Rumänien, die Aufführungen in anderen Ländern bleiben von der Klage unberührt. Und um die oben gestellten Fragen gleich zu beantworten: Hitler, Saddam Hussein oder Pol Pot könnte man sich, in Deutschland zumindest, nicht schützen lassen. Die Namen historischer Persönlichkeiten sind Teil des kulturellen Erbes der Allgemeinheit, so eine Aussage des Bundespatentgerichts. Ein Markencharakter wird ihnen deshalb in aller Regel nicht zugeordnet. Ausnahmen gibt es natürlich immer: Fürst von Metternich ist inzwischen weniger bekannt als der österreichische Politiker, der 1814 den Wiener Kongreß zur Neuordnung Europas dominierte, denn als prickelnder Sekt. Doch soweit ist Ceausescu – Gottseidank – noch nicht. Uta Schwarz
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Der Unberühr bare E
iner der am gespanntesten erwarteten Filme der 60. Berlinale war Oskar Roehlers Wettbewerbsbeitrag „Jud Süß – Film ohne Gewissen“. Die Geschichte der Verfilmung des historischen Stoffes um den Finanzberater des Herzog Karl Alexander von Württemberg, Joseph Süßkind Oppenheimer, genannt Jud Süß, durch Veit Harlan im Auftrag von Joseph Goebbels soll Roehlers Film erzählen. Die Entstehungsgeschichte eines Nazipropagandafilmes also, dessen antisemitisch verzerrtes Judenbild den Haß der Deutschen geplantermaßen schürte. Etwa 40 Millionen Zuschauer sahen den Film damals europaweit, und Himmler verfügte, daß er den Mitgliedern der SS, der Polizei und dem Wachpersonal in den Konzentrationslagern gezeigt werde, um ihnen etwaige Skrupel vor der Vernichtung der Juden zu nehmen. Heute kennt kaum jemand in Deutschland Harlans Film von 1940, denn der Film darf nicht vertrieben werden – allerdings bieten ihn manche Neonazi-Plattformen zum doppelt illegalen Download an, und bei Open-SourceNetzwerken kann man ihn ebenfalls finden. Eine Ausstellung zum Film in Stuttgart vor wenigen Jahren zog die Zuschauer magnetisch an, die Anzahl der Vorführungen mußte vervierfacht werden, und Oskar Roehler, der den 2006 verstorbenen Frank Beyer als Regisseur beerbte, zeigte sich so fasziniert von dem Stoff, daß er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung ankündigte, gleich beim Thema zu bleiben und als nächstes eine GoebbelsBiographie im Gangsterstil zu drehen. Da wäre man dann auch beim Kern des Problems angelangt: Oskar Roehlers Neigung, den Filmstoff nicht ernst genug zu nehmen. Roehler vertraut der Kraft des Originalstoffs offenbar so wenig, daß er der fatalen Verführung der Geschichtsfälschung erliegt. Ein hollywoodkompatibel emotional hochgepitchter Plot voller im Spiel der Akteure nicht eingelöster inhaltlicher Setzungen und verkitschender Übersteigerungen ist das Ergebnis. Offenbar nicht willens, sich dem in Wahrheit wesentlich komplexeren Antrieb der Figur Ferdinand Marians zu stellen, haben Roehler und sein Drehbuchautor Klaus Richter Marians Frau – eine bayrische Katholikin – zur Halbjüdin gemacht, der die Deportation droht. Ein verflachendes Totschlagargument für die Figur des Marian also, die ihm von Goebbels angetragene Rolle des Jud Süß annehmen zu müssen, und gleichzeitig ein offensichtliches Schielen auf den Oscar.
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Interview: Thomas Abeltshauser Herr Knilli, seit wie vielen Jahren beschäftigen Sie sich mit „Jud Süß“? Seit dreißig Jahren. Nicht so, wie man normalerweise forscht, aber man hat ein Stück Verrücktheit in sich, wenn man eine Frage hat und dann anfängt zu suchen. Man merkt dann gar nicht, wie die Zeit vergeht. Was hat Sie an dem Film interessiert? Ich wollte begreifen: Wie funktioniert Marians Spielweise, hat er denn antisemitische Klischees? Ist es eine Karikatur, die der anbietet? Ich habe mir seine Filme angeguckt, es kam immer mehr heraus, daß das sein Stil schon vor „Jud Süß“ war.
Was war der Hauptdarsteller Ferdinand Marian für ein Mensch? In der Zeit, wo er abgetaucht ist aus der Schule, war er mit großer Wahrscheinlichkeit im Knast. Ich habe nur wenige Belege, er war wohl LKW-Fahrer, Kellner, hat im Wald gearbeitet, aber er hat ja eine kriminelle Energie gehabt die ganze Zeit. Und zum Beispiel sein Umgang, wie der Roehler ihn darstellt, als Frauenheld… Er war kein Frauenheld; die Frauen sind hinter ihm hergerannt und er wollte von Frauen beschützt werden. Und es gibt Friedrich Knilli gilt als einer der führenden Experten zum Nazipropagandafilm „Jud Süß“. Seine Biographie Briefe, wo er einer Frau sagt: Also komm doch jetzt nach Ferdinand Marians diente laut Filmcredits als Vorlage zu Oskar Roehlers Berlinale-Beitrag „Jud Süß – Film ohne Hamburg, wir können heiraten, du kriegst soundsoviel Gewissen“. Doch Friedrich Knilli, emeritierter Professor für Medienwissenschaft und Grimme-Preisträger, ist mit fürs Taschengeld und so. Nicht aus Scherz, sondern er dem Ergebnis überhaupt nicht einverstanden. meinte das so. Er war in sich zerfallen, zerstritten.
Würden Sie sagen, daß er an seiner Rolle zerbrochen ist? Daran, daß er das Gesicht nicht mehr losgeworden ist, natürlich. Denn das vertrug sein Charakter nicht. Also, wenn man seine Filme nach dem Jud Süß anschaut, meint man, man hat einen anderen Menschen vor sich, aber er hat schon vorher so gespielt. Er war immer hinter sich selber her, zu begreifen, wer er ist – es gibt in Österreich das Wort Psycherl – er war ein Psycherl. Und jederzeit bereit, für alles die Schuld zu übernehmen und im nächsten Augenblick konnte er sagen, das war ich nicht. Also, wenn man von seinem Charakter her geht, war das eine Katastrophe. Er hatte Filme verabredet, die man nach dem Jud Süß mit ihm nicht drehen konnte, weil jeder dann die Visage von dem Oppenheimer gesehen hätte. Und er war einfach hervorragend als Oppenheimer. Das war nicht irgendein Jude, sondern ein Mensch. Ein Mensch, der beleidigt ist, so wie der Jago, den er zuvor auf der Bühne gespielt hat. Einer, den man so schlecht behandelt und sozial abstuft, weil er angeblich jemand sei, den man nicht mag, nämlich ein Jude. Das ist das, was er zeigt. Nicht irgendeinen verrückten jüdischen Spinner, sondern eine beleidigte Kreatur.
Das zeigt ja auch Oskar Roehler in seinem Film… Die Szene, die der Harlan mit dem Marian dreht, wo er von dem Verlobten der Dorothea quasi als Jude entlarvt wird. „Der ist ein Jude“, sagt der Verlobte und der Marian Auch verführbar... hat so einen Augenliderschlag: „Ich bewundere Ihre MenNatürlich, er hatte Schiß permanent, immer Schiß gehabt. schenkenntnis.“ Und der Harlan in dem Film vom RoehZum Beispiel: Er wurde von den Russen nach ’45 schon ler sagt: „Nein, nein, das nehmen wir nicht.“ Und dann freigegeben, von den Engländern, von den Franzosen, nur kommt der Goebbels dazu und sagt: „Wunderbar!“ die Amerikaner, weil da die vielen deutschen Emigranten waren, zögerten. Die wollten irgendetwas haben und da hat ihm der Erich Engel dabei geholfen, den Persil-Schein zu kriegen und dann kam dieser Unfall.
Recherchematerial aus 30 Jahren: Das Arbeitszimmer von Friedrich Knilli
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Tobias Moretti als Ferdinand Marian, Moritz Bleibtreu als Joseph Goebbels, Martina Gedeck als Anna Marian und Justus von Dohnanyi als Veit Harlan.
Ist an der Szene nicht merkwürdig, daß Goebbels hinter ihm steht, er also gar nicht sieht, wie Marian den Blick senkt? Das liegt aber an dem Herrn Roehler. Der Grundgedanke ist klar: Der Goebbels war ja nicht nur ein wilder Schreiber, er war der erste Medienminister, wenn Sie so wollen. Hitler hat noch in Leni Riefenstahl so eine Hilfe gehabt, aber Goebbels war Regisseur, Autor seiner eigenen Person, und der Bleibtreu gibt das gut wieder. Der Bleibtreu macht nicht nur diesen Klamauk rheinländischen Sprechens – das war der öffentliche Goebbels. Der Roehler hätte noch ein paar private Szenen dazubauen müssen, damit man den Unterschied kapiert, aber der Goebbels beherrschte das Publikum bestens. Finden Sie nicht, daß er in Roehlers Film sehr eindimensional ist? Das sage ich ja, es fehlen ein paar Szenen. Meiner Meinung nach ist Bleibtreu der einzige Schauspieler, der wirklich was kann. Die Gedeck mag ich auch sehr gerne und die Landgrebe auch, aber der Moretti ist ein Langweiler. Der Harlan wäre ja der große Gegenspieler, von der Geschichte her, zu Goebbels, aber... Harlan wird einfach nur als Mitläufer gezeigt... Billig. Aber Harlan war nicht nur ein Mitläufer, sondern er war ein Genie! Er war ein genialer Dieb. Und daß er ein Mitläufer war, mein Gott, was soll daran besonders sein, wenn Sie sich überlegen, was diese Regierung, diese Partei für einen Einfluß hatte. Und daß der Film dann in den Konzentrationslagern und bei den SS-Mannschaften Stimmung machte, das ist eine Tragik, um die er nicht herumkommt. Mit dieser Schweinerei ist er gestorben. Sie glauben, daß Goebbels die Doppeldeutigkeit bewußt hat durchgehen lassen? Der hat das erkannt. Er wollte einen erfolgreichen Film haben, der beim Publikum gut ankommt und das war für ihn nicht schwer zu erkennen. Bei seinem eigenen Projekt „Der Ewige Jude“ kommen alle antisemitischen Klischees des 19. und des 20. Jahrhunderts vor. Himmler hat erkannt, daß man die Leute beim Gemüt packen muß, mit der Liebesgeschichte, eine uralte Thematik, zwischen einem Juden und einer Christin, das war das Hauptthema. Die Söderbaum hat das großartig hingekriegt, weil sie diese Zartheit hatte, wo man aus kleinen Andeutungen vermuten konnte, sie mag ihn doch. Am Ende ist es eine Nötigung wie bei Tosca. In Tosca bringt sie ihn um, hier wählt sie den Freitod. Und das ist eigentlich das Hauptthema und das ging natürlich an die Gemüter.
Aber im Harlan-Film vergewaltigt Jud Süß doch die Frau. Das ist keine echte Vergewaltigung, er nötigt sie… Jud Süß bietet dem Vater die Ehe an mit seiner Tochter, der läßt sie sofort verheiraten und Jud Süß erpreßt die junge Frau mit einer Folter ihres Verlobten. Sie kommt ganz aufgelöst zu ihm und bei der ersten Annäherung gibt sie ihm einen Schubs und er fällt um. Und dann zeigt er ihr, wie sie das Schreien ihres Mannes verhindern kann, indem sie ein Tüchlein vom Fenster nimmt…
Daß Harlan Lion Feuchtwangers Roman „Jud Süß“ als Vorlage benutzte, ist auch bis heute umstritten, oder? Aber doch nur bei Leuten, die den Feuchtwanger nicht gelesen haben. Es wurde natürlich viel umgestellt. Allein an der Liebesgeschichte können Sie die Herkunft festmachen, an den Hauptfiguren, Landauer und Süß.
Glauben Sie denn, daß ein Film wie der von Oskar Roehler da eine neue Debatte anregen kann? Bei den Dummköpfen verläßlich. Die ein bißchen vom In dem Augenblick zwingt er sie, da kann man ihn Stoff verstehen, die kichern nur. doch nicht positiv sehen. Positiv in dem Sinn nicht, aber man kann ihn nicht in Durch ein allgemeines neues Interesse kann doch der Weise sehen, wie das jetzt unter solchen sexistischen auch eine ernsthafte Diskussion entstehen. Gesichtspunkten diskutiert wird. Eine solche Nötigung Also, für eine solche Diskussion können Sie auch ohne gab es auch in Tosca, das ist ja das Muster. Das war ein einen Roehler-Film Partner finden. Die Chance, daß eine Teil der Opern- und Theaterliteratur, das war vom Motiv Diskussion entsteht, sehe ich, wenn man ein Theaterstück her nichts besonderes. hat, wo man im Lauf verschiedener Inszenierungen genügend Zeit hat, in den Stoff einzusteigen und nicht so eine Sie werfen Oskar Roehlers Film „Jud Süß – Film schnelle Nummer wie dieser Abwrackprämienfilm von ohne Gewissen“ vor, historische Fakten zu ver- Herrn Roehler. fälschen. Können Sie konkret benennen, was falsch ist? Im Vorspann seines Films steht, er ist inspiriert Also, eindeutig, daß er Marians Entscheidung, die Rolle durch Ihr Buch „Ich war Jud Süß – Die Geschichte zu übernehmen, an seiner Frau aufhängt, aus der er eine des Filmstars Ferdinand Marian“. Wie kam es Jüdin macht, mit der er erpreßbar wird. Das war sie nicht, dazu? sie war eine bayrische Katholikin. Mit sehr großer Wahr- Der Hintergrund ist folgender: Ich habe 2000 beim Henscheinlichkeit war Marians Grund seine kriminelle Ver- schel Verlag dieses Buch gemacht und dann kam Michael gangenheit. Warum Roehler dieses Motiv nicht genom- Esser von Dramaworks ungefähr 2002 auf die Idee, das men hat, weiß ich nicht, es lag auf der Hand. Das kann Buch zu verfilmen. Er hat dann Frank Beyer dafür gewinman nur ihn fragen. Also es gibt zwei Möglichkeiten: er nen können, die Regie zu übernehmen. Und dann starb ist zu dumm oder arrogant. der Beyer 2006 und das ganze Projekt verschwand. Ich habe mich dann nicht mehr um Details gekümmert, auf Und weiter? einmal hieß es aha, der Novotny (Produzent) aus Wien Marian hat auch keinen Selbstmord begangen, das ist macht’s und dann tauchte der Name Oskar Roehler auf. Quatsch, ich habe das Auto gesehen nachher – kann ich Ich habe dann Roehler, als ich’s erfuhr – ich glaube 2008 Ihnen sogar zeigen – und mit Leuten gesprochen, die in oder 2009 – angeboten, daß wir uns treffen. Er sagte: Ja, dem Auto saßen, als der Unfall passierte. Das zweite, was wunderbar, und hat sich nie wieder gemeldet. Ich hab’s nicht vorkommt, ist diese Abhängigkeit von Feuchtwanger, dann mal wiederholt, habe gar keine Antwort mehr die zu dem Zeitpunkt für Harlan selbstverständlich war. bekommen, habe dann, als ich merkte, was da so läuft, Ich habe aus den Prozeßakten von dem Harlan-Prozeß Pro- auf meiner Webseite offene Briefe geschrieben, war voriduktionsleiter-Statements. Ihnen allen war klar, daß es ein gen Sommer in Wien, habe mit dem Novotny gesprochen Feuchtwanger-Film ist. Das kommt nicht vor, Feuchtwanger und da merkte ich – verzeihen Sie den Ausdruck – eine solche Flasche, mit der kann ich nicht länger reden. Was wird zweimal kurz erwähnt. soll ich mir von ihm, von einem Laien, erzählen lassen, was mit dem Stoff ist. Er hatte weder Zeit noch Geld, sich damit zu beschäftigen. Es ist eine schnelle Nummer, und da dachte ich mir, ich habe gar keine Lust mehr.
© Concorde Film 2010 / Petro Domenigg, filmstills.at
Aber wie kommen die denn überhaupt an die Rechte? Das war ganz einfach, der erste Vertrag war mit Dramaworks, Klaus Richter hat ein Drehbuch geschrieben, 2003. Und Dramaworks hat dieses dann wohl an Novotny weiterverkauft, an diesem Verkauf habe ich nichts mehr. In dem Vertrag mit Dramaworks stand, daß ich irgendwo erwähnt werden muß, aber die haben dann so getan, als ob das mittlerweile ein künstlerischer Stoff sei. Als ich merkte, was da passierte, mußte ich entscheiden: Soll ich mit einem Anwalt gegen sie vorgehen oder soll ich’s laufen lassen? Und ich habe mir gedacht: Ich habe sehr viel Geld in das Projekt investiert, jetzt soll ich noch einem Anwalt, der keine Ahnung hat, einen Zehner hinreichen - nein. Ich wurde gefragt, ob ich als historischer Berater erscheinen will, da hab ich gefragt, ob sie spinnen! Ich habe vor, einen weiteren offenen Brief an Herrn Roehler zu schicken. Und da werde ich so einige Dinge ansprechen, so daß vielleicht der ein oder andere Journalist nachhaken kann oder erfahren kann, aber mehr ist nicht drin.
Eine Neuauflage von Friedrich Knillis Buch „Ich war Jud Süß“ erscheint dieser Tage im Henschel Verlag. 208 Seiten 38 s/w-Abbildungen EUR 16.90
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or sechs Jahren wurde Sibel Kekilli mit ihrer Rolle in „Gegen die Wand“ über Nacht berühmt. Und berüchtigt. Seitdem versucht sich die Schauspielerin freizuschwimmen: von den Rollen der Klischeetürkin, ihrer filmischen Vergangenheit und der Last, daß sie sich doch immer selbst spielt. In ihrem neuen Film „Die Fremde“ mimt sie eine junge Türkin, zerrissen zwischen den Welten. Frau Kekilli, vor sechs Jahren, kurz nachdem Sie mit „Gegen die Wand“ den Goldenen Bären gewonnen haben, sagten Sie, daß ihre Seele Risse bekommen hätte. Sind die Verwundungen aus dieser Zeit verheilt? Von den meisten Wunden sind nur ein paar kleine Narben übriggeblieben. Ich habe mich als Mensch sehr verändert, ich bin von dem jungen Mädchen zur reiferen Frau geworden. Seien Sie mir nicht böse, aber hier in Deutschland hat man von Ihren Rollen nach „Gegen die Wand“ nicht viel mitbekommen. Man hatte das Gefühl, daß Sie gar nicht mehr drehen. Ich habe sogar sehr viel gedreht, im Ausland und auch in Deutschland. Einige Arbeiten sind noch nicht erschienen und es gab Angebote, die ich bewußt abgelehnt habe, weil ich immer wieder die entrechtete Türkin spielen sollte. Aber das wollte ich nicht, so habe ich mir mit der Auswahl der neuen Rollen Zeit gelassen. Und sind jetzt doch wieder bei der Rolle der rechtlosen, geschlagenen Türkin in „Die Fremde“ gelandet. Woran liegt es? Werden Ihnen diese Rollen angeboten, weil die Filmemacher denken, Sie können nur das glaubwürdig spielen, oder liegt es daran, daß die Zuschauer in Deutschland nur dieses eine Bild der Türkin wahrnehmen? Die eine Seite hat die Klischees im Kopf und die andere will sie bedienen. Aber aus diesem Kreis kann man sich als Schauspielerin nur befreien, wenn man versucht, weder schwarz noch weiß zu denken, sondern auch die Grauzone zu zeigen. Und „Die Fremde“ ist die Grauzone? Ja, denn der Film zeigt, wie zerrissen alle Seiten eigentlich sind. Die Tochter, die frei leben möchte, die Eltern, die ihr Kind lieben, aber sich dem Druck der türkischen Gemeinschaft beugen müssen, die Brüder, die zwischen Traditionen und Moderne stecken. Die Familie im Film ist ein Beispiel für Gefangene eines Systems, aus dem sie nicht herauskommen, auch wenn sie es möchten. „Die Fremde“ könnte man als Fortsetzung von „Gegen die Wand“ sehen. Er ist es nicht, aber die Lebensgeschichten von „Umay“ und „Sibel“ sind sehr ähnlich. Warum haben Sie die Rolle angenommen, obwohl sie die Klischeetürkin nicht mehr spielen wollten? Als ich „Gegen die Wand“ gedreht habe, sagte mir eine Kollegin, daß man als Schauspielerin so eine Rolle nur alle zehn Jahre bekommt, wenn überhaupt. Ich wußte zunächst nicht, was sie damit meinte. Und irgendwann habe ich es begriffen. Frauen dürfen meistens nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen spielen. Und als man mir nach „nur“ sechs Jahren, die Rolle der „Umay“ anbot, habe ich sie angenommen. Ich wäre dumm gewesen, es nicht zu tun.
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Auch mit dem Wissen, daß die Stoffe doch sehr identisch sind: patriarchale Familien, traditioneller Begriff der Ehre, türkische Frau kämpft sich frei...? Ich finde die Rollen von „Umay“ und „Sibel“ sehr unterschiedlich, „Sibel“ ist eine Egoistin, eine Rebellin, die mit dem Kopf durch die Wand will, auf nichts und niemanden Rücksicht nimmt. Umay ist eine junge Frau, die Verantwortung für ihren Sohn trägt, eine Mutter, die ein ganz normales Leben führen möchte, die aus einer gewalttätigen Ehe ausbricht. Diesen Film anzusehen, ist für eine Mutter übrigens sehr hart. Ich weiß, aber ich denke, nicht nur für eine Mutter. Hatten Sie, auch ohne selbst Mutter zu sein, mütterliche Gefühle für ihren kleinen Filmsohn? Wir hatten eine ganz besondere Beziehung zueinander, so daß ich den Kontakt bis heute mit ihm pflege. Es geht gar nicht, Mutter und Sohn zu spielen und dann, wenn die Kamera aus ist, plötzlich „okay, tschüß“ zu sagen. Haben Sie sich während der Dreharbeiten gesagt, ich bin Schauspielerin und ich spiele jetzt diese Rolle, oder hatten Sie Gefühle darüber hinaus? In erster Linie waren die Dreharbeiten für mich Arbeit, aber es war nicht einfach, nach Drehschluß abzuschalten. Man muß eine Grenze zwischen Privatperson und Schauspielerin ziehen, um das nicht zu verwechseln. Manchmal ist mir das nicht gelungen und ich dachte bei den Szenen mit meinem Filmsohn an meine Brüder, die viel jünger sind und die ich mit aufgezogen habe. Aber besteht nicht die große Gefahr, daß die deutschen Zuschauer den Film nicht als Film verstehen, sondern als Spiegelbild der türkischen Familienstrukturen in Deutschland? Nein, dieser Film zeigt, daß man nicht verurteilen soll. Er beschönigt nichts, aber er verurteilt eben auch nicht. Es gibt nicht nur den bösen Vater, die gewalttätigen Brüder, die unterdrückte Frau, sondern zeigt sehr stark, wie gebrochen alle Figuren sind. Daß die Mutter von Verwandten gemieden wird, daß der Vater auf der Arbeit hört, wie über ihn und seine Familie getuschelt wird, daß die Brüder von anderen türkischen Jungs zu hören bekommen, ihre Schwester sei eine Nutte. Ich hoffe, die Leute verstehen die Tiefe des Films und zeigen nicht nur mit dem Finger auf die bösen türkischen Väter, Brüder und Ehemänner. Das Image der Türken in Deutschland ist nicht sehr gut. Was auch damit zu tun hat, daß in den Medien oftmals nur über die negativen Geschichten wie Zwangsheirat, Ehrenmorde und Integrationsverweigerung berichtet wird. Ist der Film nicht gerade wieder neues Futter für diese einseitige Berichterstattung? Ich würde mir wünschen, daß die Medien aufhören, das negative Türkenbild zu forcieren. Und auf der anderen Seite, die Türken aufhören, Kritik als Angriff zu sehen. Und daß sie zum Beispiel bei Ehrenmorden auf die Straße gehen und sagen: „Das hat nichts mit unserer Tradition und Religion zu tun.“ Das liegt wohl auch daran, daß die Türken nicht gerade dafür bekannt sind, auf die Straße zu gehen, wenn Unrecht geschieht. Sie sagen: Ja, das ist schrecklich, aber damit haben wir nichts zu tun. Aber sie könnten sagen: Das ist nicht türkisch, das ist nicht muslimisch und deshalb kämpfen wir gegen diese Unmenschlichkeit und gehen mit Zehntausenden auf die Straße und demonstrieren. Diese Morde passieren. Ich habe gestern gelesen, daß ein Mädchen in der Türkei lebendig begraben wurde. Vor zwei Wochen las ich, daß ein 12-jähriges Mädchen erschossen in ihrem Zimmer gefunden wurde. Es muß darüber berichtet werden, damit ein Unrechtsbewußtsein bei den Menschen entsteht.
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Ist Ihr Film für Sie also die Möglichkeit, auf dieses Unrecht in türkischen Familien hinzuweisen? Ich hätte die Rolle in dem Film nicht angenommen, wenn er nur beschuldigen würde. Man soll den Druck verstehen, den diese Familien aushalten müssen, das Dilemma, in dem sie sich befinden. Der Film hat viele Parallelen zum Leben von Hatun Sürücü, die vor fünf Jahren in Berlin von ihrem Bruder aus einem verletzten Ehrgefühl heraus erschossen wurde. Sie hat einen Türken in der Türkei geheiratet, hatte einen Sohn, kam mit ihm nach der Trennung zurück nach Deutschland, wollte ein neues Leben anfangen. Ist das Zufall? Der Film ist nicht das Leben von Hatun Sürücü. Die Regisseurin und Drehbuchautorin Feo Aladag hat die Geschichte etlicher Ehrenmorde für ihren Film recherchiert. Es gibt einige sehr typische, türkische Szenen in dem Film. Hat Züli Aladag, Feo Aladags Ehemann und Produzent des Films sie hierin unterstützt? Feo Aladag hat ja nicht nur das Drehbuch geschrieben und den Film inszeniert, sondern ihn auch produziert. Sie hat sehr genau recherchiert, hatte verschiedene Berater zur Seite, gerade weil sie keine Türkin ist. Wir Schauspieler haben manche türkischen Redewendungen im Rahmen unserer Probenarbeit hineingebracht. Umay kämpft sehr stark um die Liebe ihrer Familie, daß sie wieder zurückkehren darf. Ist das auch Ihr persönlicher Kampf um Ihre eigene Familie? Ich spreche nicht über meine Familie. Umays Tränen im Film waren echt, aber es waren nicht Sibel Kekillis Tränen. Sie verlassen Ihren gewalttätigen türkischen Ehemann. Ist das ein Aufruf an die türkischen Frauen, ihre brutalen Ehemänner zu verlassen? Nein, aber sich zu wehren. Keine Frau soll es still aushalten, wenn sie geschlagen wird. Mir tun die türkischen Männer auch leid. Sie leben mit dem Vorurteil, daß sie ihre Frauen verprügeln. Aber das stimmt natürlich nicht immer. Gewalt in Familien ist kein typisch türkisches Phänomen. In den Frauenhäusern finden Frauen aus allen Schichten und Herkunftsländern zuflucht. Fühlen Sie sich eigentlich in eine Schublade gesteckt, wenn Sie eine Türkin spielen sollen, oder tun sie es auch gerne? Es kommt natürlich auf den Stoff an. Es gibt immer auch eine tiefere Schicht und die versuche ich zu entdecken. Als Migrantenkind kann ich viel mehr von mir selbst einbringen. Andersartigkeit hat auch viele Vorteile. Ein ungerader Lebensweg mit Ecken und Kanten weckt die Neugier. Allerdings muß man auch die Voraussetzungen erfüllen, die eine Rolle verlangt. Nur Türkin zu sein, reicht nicht aus.
Foto: Matthias Bother
Die Reifeprüfung interview: Hatice Akyün
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Die Einsamkeit des Langstreckenl채ufers interview: Thomas Abeltshauser
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inige Tage vor der Berlinale. Der Countdown läuft für die Weltpremiere von Benjamin Heisenbergs Film „Der Räuber“ über einen Bankräuber und Marathonläufer im Wettbewerb der Berlinale. Wir treffen uns im Wohnzimmer, einer Kneipe am Helmholtz platz in Prenzlauer Berg. Der Laden ist auch Heisenbergs Wohnzimmer, hier schreibt er derzeit bereits an einem neuen Drehbuch, an eben jenem Tisch, wo er uns begrüßt. Ganz entspannt, von Nervosität keine Spur.
typ für einen, der an seine absolute Grenze geht. Davon haben wir sehr viele in unserer Gesellschaft. Menschen in Managerjobs, alleinstehende Frauen mit Kindern und Beruf, die glauben noch mehr leisten zu müssen, als sie eh schon schaffen. Da kann man schon eine Parallele finden zu jemandem wie ihm, der seine Grenzen einfach nicht akzeptiert. Bei ihm ist es seine Natur, bei den anderen wirken da wohl eher psychologische Muster. Du erzählst die Figur fast ohne psychologische oder soziale Erklärungen. Fandest du das zu platt? Gar nicht. Es gibt Tausende gute Filme, in denen Leute klassisch psychologisch motiviert irgendwelche Dinge tun. In dem Fall war das nicht die Geschichte. Auch bei der realen Figur hatte ich nicht das Gefühl, das er so gehandelt hat, weil er vom Vater geschlagen wurde oder so. Er hatte diesen Wunsch in sich, bis ins Letzte, Äußerste vorzudringen. Und das ist ja das Spannende, daß da jemand nicht aus einem Trauma heraus handelt, sondern wie ein Tier.
Was kanntest du zuerst: Den berüchtigten Bankräuber Johann Kastenberger, der in den 1980ern zahlreiche Banken überfallen hat oder den Roman von Martin Prinz, der auf dem Fall beruht und der Vorlage zu deinem Film ist? Ich kannte zuerst den Roman, von der Geschichte dahinter wußte ich gar nichts. Ich habe dann aber den Fall nochmal recherchiert und auch Leute getroffen, die Kastenberger gekannt haben, Polizisten, aber auch Langstreckenläufer. Zusätzlich haben wir auch Artikel und Medien aller Art durchgestöbert. Das Drehbuch ist also sozusagen ein Merger, aus der Geschichte und dem Roman. Damit verweigerst du aber auch, was man in einem konventionellen Film erwarten würde? Was hat dich an diesem Typ interessiert? Ich würde nicht verweigern sagen. Ich beobachte einBankraub fand ich als Filmthema schon immer genial. fach diesen Menschen. Ich behandele ihn im Grunde wie Die Figur ist toll, weil sie so eine irre Energie ausstrahlt. jemanden, den wir kennenlernen und addiere peu à peu Er hat diese Energie aber gar nicht aus einer Entschei- die Momente, in denen wir aus der Beobachtung heraus dung heraus, der überlegt sich nicht, so zu werden, der ist begreifen, warum er ist, wie er ist. von Natur aus so. Er hat keine Wahl. Das fand ich faszinierend, diesen Getriebenen, der wie ein Tier gar nicht Ist das der Versuch, Genrekino mit anderen Mitanders kann, als Banken zu überfallen. Der Raub ist dann teln zu machen? die Fortsetzung des Laufens. Das eine ist seine offizielle Grundsätzlich bin ich Fan von Genre. In dem Fall ist Tätigkeit, im anderen liegt die Steigerung, die ihn aus der es ein Bankräuberfilm, ein Stück weit auch ein SportGesellschaft und allem, was Sicherheit bedeutet, herauska- ler- und ein Actionfilm; es ist aber auch das Porträt einer tapultiert und er sich noch weiter an den Rand begibt. Person und vor allem ein Liebesfilm. Durch diese Vermengung kommt es dann vielleicht zu einer Brechung Ist dieses animalische Nichtanderskönnen deine des Genres. Erklärung für sein Verhalten? So nehme ich ihn wahr. So war auch die reale Figur. Aber Du gibst seit 12 Jahren auch zusammen mit andeder echte Kastenberger war noch pathologischer und ren Filmemachern wie Christoph Hochhäusler hatte psychologische Ecken und Kanten, die über diese und Nicolas Wackerbarth die Filmzeitschrift vitale Energie weit hinausgingen und näher am Killer REVOLVER mit heraus. Was war damals der beziehungsweise Psychopathen waren. Aber die positive Grund dafür? Kraft der Figur entspringt nicht nur meiner Wahrneh- Wir waren damals alle noch Filmstudenten und die Filmmung, sondern ist auch mein Wunsch an den Film. Es hochschule hat nicht ganz erbracht, was wir uns erhofft ist das, was mich interessiert, wenn ich den Film mache, hatten. Wir wollten Auseinandersetzung, wollten anders dieses Phänomen herauszuarbeiten. lernen. Wir fanden das Interviewbuch von Truffaut, „Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“ als Role Der echte Bankräuber wurde im Volksmund Model gut und meinten: Laßt uns eine Filmzeitschrift Pumpgun-Ronnie genannt, weil er bei seinen machen, die einfach die Leute befragt, die wir interesÜberfällen zum Beispiel eine Ronald Reagan sant finden, von denen wir lernen können, wie sie Filme machen. So haben wir angefangen. Die Hochschule war Maske trug, im Film nicht. Einige Freunde haben mir gesagt: Du hättest das in den ein Abbild der Filmlandschaft damals, wo es außer „Die 80er Jahren ansiedeln sollen, das wäre viel lustiger gewe- innere Sicherheit“ und „Lola rennt“ nur Diaspora gab. All sen, mit der Ronald Reagan Maske und so. Ich hatte aber diese Komödien, die wir öde fanden und die auch internicht das Gefühl, daß die Geschichte so in der Zeit ver- national null Auswirkung hatten. Nach 1982, seit dem haftet ist, daß sie nur da spielen kann. Sie beruht ganz auf Tod von Fassbinder und der Regierung Kohl, war eindieser Figur und ihrer Energie. Seine Art Banken auszu- fach fast nichts mehr los im Deutschen Film. Wir haben rauben ist so archaisch, daß es eigentlich zu jeder Zeit uns dann viel mehr an Frankreich orientiert, auch am funktioniert, in der es Geld gibt und man noch nicht asiatischen Kino. alles mit Karte bezahlt. Da war dann klar, daß die Ronald Reagan Maske in der Gegenwart nicht funktioniert und Wie hat dich die Arbeit am Magazin als Filmewir haben uns überlegt, nehmen wir den Papst? Oder macher geprägt? Bush? Obama wäre wahrscheinlich zu positiv gewesen. Der Gewinn künstlerisch waren Gespräche mit Leuten Aber das hat uns alles nicht gepaßt, weil die alle noch so wie Lars von Trier, Jean-Claude Carrière oder Michael viele Konnotationen mitbringen, die wir nicht wollten. Haneke, die in den langen Gesprächen über ihre Arbeit Unsere Maskenbildnerin hat dann diese Maske gemacht, berichten. Carrière hat zum Beispiel erzählt, er schaut `sich die jetzt im Film ist. Die fand ich spannend, weil sie so seine Charaktere an und fragt sich dann: Wie hätten Lauwas seltsam Schwammiges, Undefinierbares hat. Sie steht rel und Hardy, also Dick & Doof, das gemacht? Das fand zwischen allen Gesichtern. Wir alle tragen ja auf eine Art ich genial. Oder ein Artikel von Rivette, „Über die Niederimmer wieder Masken. tracht“, in dem er über „Kapò“, den KZ-Dokumentarfilm von Pontecorvo schreibt. Da geht es darum, was darf ich Du verstehst sie als eine soziale Metapher? mit der Kamera machen, wenn ich einen Sterbenden filme. Der Moment, in dem er die Maske absetzt und man das Die Frage nach der Würde dessen, was ich drehe und der Gesicht darunter sieht, ist ein spannender Moment. eigenen Haltung dazu hat mich immer begleitet. Manchmal ist sein Gesicht ganz erhitzt und ein andermal genauso regungslos wie die Maske darüber. Die Konzen- Waren die Cahiers du Cinema ein Vorbild, die von tration bringt ihn zu einer inneren Ruhe, die ihn selbst den Regisseuren der Nouvelle Vague gegründet fast maskenhaft erscheinen läßt. Für die Masken, die wir wurden? in der Gesellschaft tragen, gilt das Bild, aber nur begrenzt, Ganz klar. Vor allem in ihrer weniger theoretischen weil sie viel eher von unserem Wunsch zu gefallen han- Phase, wo Filmemacher stärker aus ihren eigenen Erfahdeln. Diesen Wunsch hat er nicht. Er ist eher ein Proto- rungen heraus geschrieben haben.
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Mit Euren eigenen Filmen hattet Ihr dann auch in Frankreich früher Aufmerksamkeit als hierzulande. Das kann man so sagen, ja. Bei mir war Cannes der Startschuß, aber mein Film „Schläfer“ lief dann auch in Deutschland gut, da kann ich mich nicht beschweren. Aber daß Ihr als Gruppe gesehen wurdet, nicht nur die Revolver-Macher, sondern das, was in Frankreich dann „Nouvelle Vague Allemande“ genannt wurde, fing dort an und wurde erst später als „Berliner Schule“ eingedeutscht, richtig? Den Begriff „Berliner Schule“ gab es für Angela Schanelec, Christian Petzold und Thomas Arslan davor schon. Unabhängig davon rief mich Christoph Hochhäusler vor Cannes 2005 an und fragte: Wollen wir in Cannes nicht diese Geschichte erzählen, von uns allen, die wir in Berlin zusammengekommen sind und zusammen arbeiten. Das haben wir getan und das war der Startschuß. Die Geister, die Ihr rieft…. Tja, wir hätten es halt nicht Berliner Schule genannt. Wir fanden den französischen Namen schöner, weil es nicht so was von Lernen und Didaktik hatte. Aber im Grunde ist es eine Erfolgsgeschichte, weil der Begriff um die Welt gegangen ist. Und daß es diese Gruppe gibt, wir uns mögen und zusammen arbeiten, ist ja ein Fakt. Und auch ein recht neuer Zustand. Das betrachte ich als ganz großen Wert meines Hierseins in Berlin, daß es diese Leute gibt.
Das ließe sich ja verbinden. Bei einem Western, zum Beispiel. Den will ich auch auf jeden Fall machen. Einen Western und einen Film, der auf der Rennbahn spielt. Wie hat dich dein Großvater Werner Heisenberg beeinflußt, der für seine Unschärferelation den Nobelpreis in Physik erhielt? Eher später. Er ist natürlich Teil meines Lebens, weil ich immer wieder darauf angesprochen werde. Aber ich habe seine Theorie nie wissenschaftlich verstanden. Ich kann ihn nur grob, hausfrauenartig wiedergeben. In dieser Hausfrauenversion sagt sie mir viel, weil die Theorie extrem künstlerisch ist. Bitte erklären. Die Sache, daß man verschiedene Ebenen nicht gleich genau abbilden kann, also wenn die eine ganz genau abgebildet wird, die andere unscharf wird, ist extrem filmisch. Und bezogen auf Kunst allgemein: Kunst bildet auch immer einen unscharfen Raum, einen Raum der Bedeutungen und Gefühle außenrum ab, in dem die Bezugswelt spürbar wird. Ich vergleiche moderne Kunst gerne mit einer Sanduhr. An der engsten Stelle, dort, wo nur noch ein Sandkorn durchgeht oder zwei, da ist ein Kulminationspunkt der Geschwindigkeit, der Auskunft gibt über beide Seiten. Wie ein Minifenster, das beide Seiten sichtbar macht. Diese Kulminationspunkte sind es, was die moderne Kunst sucht. Und diese Momente, wo sich alles verdichtet, suche ich auch in meinen Filmen.
Im aktuellen Heft gibt es auch einen Text über die Zwänge des internationalen Festivalzirkus, an dem du nun just mit deinem neuen Film teilnimmst. Zufall? Ja, Zufall. Ich finde den Text auch tendenziös, aber wir haben uns entschieden, ihn abzudrucken, weil wir ihn als Haltung interessant fanden. Aber es ist in keiner Weise ein Statement von uns der Berlinale gegenüber. Berlinale: Eins der drei wichtigsten Filmfestivals weltweit, dann auch noch Wettbewerb und auch noch die eigene Stadt – wie wappnet man sich da als Regisseur? Ich freu mich erstmal total, auch daß es die JubiläumsBerlinale ist und spannende Leute in der Jury sitzen. Und es ist toll, daß Freunde und Familie alle kommen können. Ansonsten bin ich recht entspannt. Ich weiß, was für einen Film ich in Händen halte, was ich daran gut und vielleicht nicht so gut finde, aber grundsätzlich mag ich den Film und kann ihn gut vertreten. Du hast vorhin davon gesprochen, daß du dich in Berlin mit dem Filmemacherumfeld wohl fühlst. Wie sieht dein Arbeitsalltag hier aus? Ich schreibe gerade eine Komödie, nach den zwei ernsten Filmen, und da sitzen wir meistens hier im Wohnzimmer mit Laptop und schreiben zwei, drei Stunden. Das genieße ich und brauch das auch, weil ich zu Hause zwei kleine Kinder habe und dort weniger Ruhe ist. Und sonst, wenn ich mehr Zeit habe, treffe ich mich auch mit den anderen, zum Arbeiten oder Reden oder ins Kino gehen.
Ich weiSS über Pferde wahrscheinlich mehr als übers Filmemachen. Du bist in Tübingen geboren und in Würzburg aufgewachsen. Wie hat dich deine Kindheit als Filmemacher geprägt? Absolut. Das ist ein Hort von Inspiration. Vor allem Würzburg und Reichenberg, ein Ort in der Nähe, wo wir gewohnt haben, ist klasse gewesen. Dort steht eine Ritterburg in der wir eine Wohnung gemietet haben. Dort gab es 40 Pferde, und ich bin meine ganze Kindheit geritten. Ganz viel, von dem ich jetzt profitiere, hat sich da entwickelt. Mein Gefühl für Natur und Tiere, Rhythmusgefühl, Einfühlungsvermögen, viele ästhetische Maßstäbe sind da entstanden. Ich weiß über Pferde wahrscheinlich mehr als übers Filmemachen.
Foto: C. Steinhausen
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SCHNEEWEHEN
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WILDE MISCHUNG
STRÖMENDER REGEN
BRAINERD
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NEW YORK | HOUSTON | LOS ANGELES The Day After Tomorrow
Ganz Minnesota liegt unter einer dichten Decke aus Schnee und Eis begraben, ein ganz normaler Winter im Jahr 1987. Die hochschwangere Polizistin Marge hat soeben den dunklen Sierra, nach dem sie schon seit Tagen sucht, in der Einfahrt zu einem Wochenendhaus entdeckt. Als sie den Motor eines Laubhäckslers hört, nähert sie sich vorsichtig. Schon von Weitem leuchtet das Blut, das in kleinen Tropfen aus dem Häcksler sprüht, im strahlend weißen Schnee. Gaear Grimsrud, den man mit Fug und Recht als verschwiegen bezeichnen kann, sucht nicht eben nach Worten, als er sich bewußt wird, daß ihm eine Polizistin dabei zusieht, wie er den in einer Tennissocke steckenden Fuß seines ehemaligen Komplizen ins Gewinde schiebt. Gaear sucht schlicht das Weite. Neben denen von Marges’ Morgenübelkeit wird es noch weitere unschöne Spuren im Schnee geben, an diesem schönen Wintertag. Und diesmal ist Gaer nur indirekt dafür verantwortlich. MR
Es ist der Sommer 1986. Drückende Hitze und ein mysteriöser Virus, der Menschen befällt, die wahllos Sex haben, raubt Paris den Schlaf. Anna, die junge Geliebte des ältlichen Ganoven Marc, steht, nur in einen Bademantel gehüllt am Bordstein und versucht von ihrer Wohnung auf die gegenüberliegende Straßenseite zu einem Hotel zu gelangen. Sie setzt einen Fuß auf den heißen Asphalt, zögert und bleibt einfach stehen. Sie wagt sich nicht vor und nicht zurück, sie fühlt sich weder dem überhitzten Teer noch den Gefühlen gewachsen, die sie für den Taschenspieler Alex empfindet. Eine Katze läuft in die Stille, setzt sich, leckt sich die schmerzenden Pfoten. Da legt sich ein Arm um Anna, und noch ein weiterer; Alex hat sie lautlos aufgehoben und trägt sie sanft über die Straße, es ist ein Moment, der sie aus der Gewohnheit reißt und ihr den Mut geben könnte, nicht in ihr altes Leben zurückzukehren. Sie wird es dennoch tun. MR
„Parker, hier ist Houston. Wir haben schlechtes Wetter über Cape Canaveral. Sieht so aus, als würdet ihr diese Woche nicht nach Hause kommen.“ Was so harmlos klingend an die Raumstation gefunkt wird, ist die Ankündigung einer Katastrophe, die sich in auf der nördlichen Erdhalbkugel zusammenbraut. Zunächst schmelzen die Pole deutlich schneller als berechnet. Der Golfstrom versiegt, die Erde kühlt aus. Weitere Strafen folgen auf dem Fuße: Tornados zerstören den Hollywood-Schriftzug, sintflutartige Regengüsse, Unwetter mit faustdicken Hagelbrocken und Flutwellen suchen die Menschen heim, bis der Katastrophensturm schließlich in eine neue Eiszeit mündet, die mit Temperaturstürzen von bis zu 100ºC alles Leben innerhalb von Sekunden auslöscht. Dennis Quaid, in diesem Film praktisch der Indiana Jones der Klimaforscher, vereint die „nur einer kann uns jetzt noch helfen“-Attitüde eines Bruce Willis in „Armageddon“ mit der verwirrten Kundigkeit eines James Spaders in „Star Gate“. Was genau da jetzt mit dem Klima passiert, und warum plötzlich eine komplette Eiszeit in die üblichen 120 Kinominuten paßt, muß man nicht verstehen. Perfekt! Film ab! MR
Gabi ist sauer. Schließlich hat sie in erster Linie keinen Mann, sondern eine Wohnung in Berlin geheiratet. Und nun muß sie gleich nach der Trauung erfahren, daß der Bräutigam Freddy nur zu Besuch in der Hautstadt und seine temporäre Bleibe ein Zelt am See ist. Da paßt es doch zu gut, daß es gleich in der Hochzeitsnacht in Strömen regnet. Soll er doch unter der Plane seines Motorrades liegen bis er Moos ansetzt, sie wird ihn nicht zu sich lassen! Aber auch die sozialistischste Schwester ist im Herzen weich wie Butter und schließlich wird Gabi schwach. Und Freddy dankt es ihr nach Kräften. Als die Sonne wieder scheint, baut er gemeinsam mit Freunden an einem Häuschen, verkauft sein Motorrad und schenkt der Liebsten ein Ticket nach Budapest, wo sie durch einen von ihm inszenierten Trick als erster weiblicher Jockey am internationalen Nachwuchspferderennen teilnehmen wird. Bis es soweit kommt, singt und tanzt sich die DEFA Truppe durchs Berlin der späten 60er Jahre, eingefangen von der sehr experimentell geführten Kamera von Helmut Grewald. Schau! MR
Fargo | UK und USA 1994 | Regie: Joel und Ethan Coen| Darsteller: Frances McDormand, William H. Macy, Steve Buscemi | Musik: Carter Burwell
Mauvais Sang | Frankreich 1986 | Regie: Léos Carax | Darsteller: Denis Lavant, Juliette Binoche, Michel Piccoli, Julie Delpy | Musik: Benjamin Britten, David Bowie, Sergeij Prokofjiew
The Day After Tomorrow | USA 2004 | Regie: Roland Emmerich | Darsteller: Dennis Quaid, Jake Gyllenhaal, Emmy Rossum | Musik: Harald Kloser
Eine Hochzeitsnacht im Regen | DDR 1967 | Regie: Horst Seemann | Darsteller: Traudl Kulikowsky, Frank Schöbel, Gerhard Bienert | Musik: Wolfram Heicking, Klaus Hugo, Gerhard Siebholz, Klaus Lenz, Jürgen Hermann, Thomas Natschinski
© 1996 Gramercy Pictures
© Distributed by AAA Classics, France / Artificial Eye, UK
© 2004 20th Century Fox
© DEFA-Stiftung/Sibylle U. Werner
Eine Hochzeitsnacht im Regen
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SANFTER NEBEL
STÜRMISCH
EXTREM
KANSAS
IRGENDWO IM AMAZONAS NEW CANAAN GEBIET Wie man in den Wald hineinruft... Familienbande
irgendwo in korea
„Bist Du eine gute oder eine böse Hexe?“ fragt Dorothy, die durch einen Hurrikan aus dem langweiligen Kansas ins halluzinogenbunt technicolorierte Land of Oz geschleudert wird. Natürlich ist die Hexe gut, was schon an den blonden Locken und dem rosafarbenen Cinderella-Kleid ganz klar zu sehen gewesen wäre. Aber die Dorothys der US-amerikanischen Vorkriegszeit glänzten weniger durch Intellekt, als durch betont niedliches Gebärden und tolle rote Paillettenschuhe. Bei deren Anblick wird sogar der herzlose Tinman schwach, vom feigen Löwen und der Vogelscheuche ohne Verstand mal ganz zu schweigen. Jedenfalls tun sie sich mit Dorothy zusammen und mischen das Land des Oz gehörig auf. Gleich zwei böse Hexen, die nicht eben zufällig nach den Himmelsrichtungen links und rechts der Achse des Bösen benannt sein dürften, werden ausgelöscht. Alles wird so richtig gut, nur Dorothy gibt keine Ruhe, bis ihr jemand hilft, ins langweilige Kansas zurückzukehren. Für welchen Wirbel so ein bißchen Wind doch sorgen kann! MR
Es ist ein Weihnachtstag des Jahres 1560 und es regnet unaufhörlich. Die Expedition, die sich vom peruanischen Hochland aus über die Anden ins Gebiet des Amazonas aufgemacht hatte, um nach dem sagenhaften Eldorado zu suchen, ist kurz davor aufzugeben. Einheimische Sklaven sterben auf dem Weg, das Gepäck versinkt im Schlamm, die Vorräte gehen zur Neige und der Weg durch den dichten Urwald scheint zu beschwerlich, um ihn erfolgreich zu Ende zu führen. Unter der Leitung von Pedro de Ursúa und Lope de Aguirre wird ein kleinerer Spähtrupp von 40 Mann mit Flößen flußabwärts geschickt. Die Lage verschlimmert sich zusehends. Auf den Dauerregen folgt erbarmungslose Sonne. Aus dem reißenden Fluß wird ein träger Strom, der sie kaum voran bringt. Fast scheint es, als sei der Fluß ihnen feindlich gesinnt. Immer wieder werden sie mit vergifteten Pfeilen von Indianern beschossen, außer ein paar Fischen und den Algen an den Stämmen des Floßes gibt es kaum Nahrung und auch an Land finden sie keine Ruhe. Kannibalische Ureinwohner machen ihnen das Leben schwer. Als sie schließlich aus Durst und Verzweiflung das Flußwasser MR trinken, wird die Gruppe vom Fieber gepackt.
„Deine Familie ist das Nichts aus dem du kommst und der Ort, an den du zurückkehrst, wenn du stirbst. Je mehr man hineingezogen wird, desto tiefer dringt man ins Nichts.“ Thanksgiving im Jahr 1973. Paul sitzt im Zug auf dem Rückweg von New York nach Hause, ins gehoben-spießige Connecticut mit seinen aus Verzweiflung über die Langeweile ihres Daseins zum verklemmten Exzeß neigenden Bewohnern. Es ist Nacht. Mitten auf der Strecke kommt der Zug zum Stehen. Licht aus, Heizung tot. Um Paul herum ist alles zu einer glitzernden Welt aus Eis geworden. Regen und stark abkühlende Temperaturen haben Blitzeis verursacht, einen Eissturm. Nichts Ungewöhnliches für diesen Landstrich und dennoch wird dieser das Leben zweier Familien von Grund auf ändern. Paul hüllt sich fest in seine Jacke und vergräbt die Nase tief in die „Fantastic Four.“ Gegen Morgen setzt sich der Zug wieder in Bewegung. Als Paul seine Eltern und seine Schwester gemeinsam am Bahnsteig stehen sieht, ahnt er, daß etwas geschehen ist. Im Auto bricht sein Vater wortlos und unter Tränen hinMR ter dem Steuer zusammen.
Als der junge Mann endlich damit fertig ist, die Schriftzeichen aus der Terrasse der schwimmenden Insel freizuschneiden, die sein Meister mit Katzenschwanz und schwarzer Tinte schwungvoll auf die Planken geschrieben hat, sinkt er ermattet auf sein Werk und läßt sich vom Herbstnebel einhüllen, der ihn und alles um ihn herum umgibt wie ein schützender Mantel. Aber wirklichen Schutz vor dem Unabänderlichen, dem Drama um Schuld und Sühne, kann der Nebel nicht bieten: Schon wenige Stunden später wird die Polizei den jungen Mann abholen. „Begierde schafft den Wunsch zu töten“, hatte einst sein Meister zu ihm gesagt. Und es ist anzunehmen, daß auch er diese Worte eines Tages zu dem kleinen Jungen sagen wird, den er im Winter seines Lebens bei sich aufnimmt. MR
Der Zauberer von Oz | USA 1939 | Regie: Victor Fleming | Darsteller: Judy Garland, Frank Morgan, Ray Bolger, Jack Haley | Musik: Harold Arlen, Herbert Stothart
Aguirre | BRD 1972 | Regie: Werner Herzog | Darsteller: Klaus Kinski, Nicolas Del Negro, Peter Berling, Ruy Guerra, Helena Rojo, Cecilia Rivera | Musik: Popol Vuh
Der Eissturm | USA 1997 | Regie: Ang Lee | Darsteller: Kevin Kline, Joan Allen, Tobey Maguire, Sigourney Weaver, Christina Ricci, Elijah Wood, Katie Homes | Musik: Mychael Danna
Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling | Südkorea 2003 | Regie: Kim Ki-duk | Darsteller: Oh Yeong-su, Kim Ki-duk, Kim Young-min, Seo Jae-kyung, Ha Yeo-jin| Musik: Park Ji-woong
© 1939 Warner Brothers
© Anchor Bay Entertainment
© 1997 20th Century Fox
© 2004 Pandora Film GmbH & Co.
Der Zauberer von Oz
BLITZEIS
Der Lauf der Dinge
sport
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Männer im schnee
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ie Friedensbewegung hatte immer eine biblische Parole und ein großes Problem: „Schwerter zu Flugscharen!“ – Gut und schön; aber was macht man aus den Schilden? Es hat erst der schneereichste Winter kommen müssen, den England seit langem erlebt hat, damit ein paar Bobbies diese Frage beantworten konnten. Es ist nie bekannt geworden, wohin sie eigentlich unterwegs waren an jenem Tag, ob sie jemand Speziellem zusetzen sollten oder einfach nur mal Ausschau halten, ob ihnen irgendwo ein paar Riots auffallen. Sicher ist nur, daß sie auf dem Weg Lust auf etwas ganz anderes bekamen. Sie parkten den Einsatzwagen in der Berkeley Road am Boars Hill im Süden von Oxford, gingen zum Hang, und dann nahm einer seinen Schild, setzte sich darauf – und machte Anstalten zu Rodeln. Einer seiner Kollegen sagte fachmännisch: „Du mußt dich an den Riemen festhalten“, ein anderer riet: „What ever happens, keep smiling“. Und dann geht es den Berg
runter. Der Schild ist offenbar wie fürs Schlittenfahren gemacht. Der Mann nimmt sofort ganz gut Fahrt auf, nach einer Bodenwelle dreht sein Sportgerät jedoch seitlich; großes Gejohle der Beamten ist zu hören, und zu sehen ist ein seitlich davontrudelnder Polizist, der in seiner neongelben Einsatzjacke aussieht wie ein durch den Schnee schliddernder Textmarker. Der Vorgesetzte der Männer mußte sie nachher natürlich ein bißchen rügen, wegen „Schlittenfahren im Dienst, auf Polizeiausrüstung und auf Kosten der Steuerzahler“, aber gleichzeitig zeigte er irgendwie auch Verständnis. Der Schnee als solcher, erklärte er der Presse, habe die Angewohnheit, das Kind in uns allen hervorzuholen.“ Das war letztlich solidarisch gemeint – aber ist diese Aussage auch richtig? Kinder probieren gerne aus, ob sich Plastiktüten, Schulranzen oder wehrlose Mitschüler dazu eignen, einen verschneiten Hang bequemer und schneller herunterzukommen als zu Fuß. Kinder werfen auch mit Schneebällen
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von Merten Sansovino und seifen sich gegenseitig die Gesichter ein, bis einer heult. Es muß aber gefragt werden, ob dieses Verhalten im Schnee wirklich kindlich ist – und nicht vielmehr Vorschein des grausamen Erwachsenseins. Gerade Rodeln kann eigentlich auf keinen Fall kindgerecht genannt werden. Wer Fernsehübertragungen von Rennrodelwettbewerben kennt, weiß: Es gibt kaum einen pornografischeren Sport als diesen. Die Kamera schaut da im Grunde permanent latexglänzenden Leibern zwischen die Beine. Und vermutlich gibt es wenige Bilder, die mehr zur geistigen Liberalisierung im oft ja leider doch beklagenswert homophoben Sportpublikum beigetragen haben dürften, als das innige Miteinander der Männer im Zweierbob. Mehr als das, ist es aber die merkwürdige Lust an der Abwärtsbewegung, die das Schlittenfahren zur ganz großen Metapher menschlichen Lebens und Leidens macht: Da wohnt ein nahezu perverser Trieb im Menschen, sich Hänge hinunterzustürzen und auf dem Weg
nach unten noch permanent an Geschwindigkeit zuzunehmen, die auf beklemmende Weise mit den Talfahrten der Weltwirtschaft, dem Weg der Börsen in die Baisse, den Abstürzen und Krisen der Menschheit korrespondiert. Das Problem fängt da an, wo man den Berg wieder hinauf muß. Es sieht so aus, als sei das Schlittenfahren kein Vergnügen, sondern Daseinsbewältigung. Der englische Polizist hat insofern seinen Schild eben nicht zweckentfremdet, sondern genau dafür benutzt, wofür er da ist, und zwar, um es mal umgangssprachlich auszudrücken, dazu, seinen Arsch zu schützen. Gestaunt hat darüber vor allem der Mann, der das Videofilmchen gemacht und ins Internet gestellt hat. Der dachte nämlich, die Bobbies wären gekommen, um ihn zurechtzuweisen. Denn sein Schlitten war noch viel spektakulärer: Er rodelte in einem Kajak.
© Rick Latham on www.youtube.com
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arrogant bastard von ralph martin
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er Zeitpunkt der Berlinale liegt ungünstig. Kaum drei Wochen nach den Verrenkungen der Fashion Week, bei der Berlin sich ein Bein ausreißt, um den gleichgültigen Medien der Welt ein glamouröses Image zu bieten, kommt das Filmfestival, und die Stadt muß schon wieder ran. Während die deutschen Promi-Magazine von den endlosen RoterTeppich-Fotos und Partybildern dicker werden, erschöpft sich die Stadt an diesem schizophrenen Akt – so zu tun, als ob sie sowohl cool ist, als auch ein Weltklasse-Luxusort, wo die Genießer Hollywoods sich zu Hause fühlen. Nirgendwo war dies deutlicher zu spüren als auf der Party mit dem mißratenen Namen „Volkswagen People’s Night“, ein schreckliches internationales Wortspiel, das klingt wie aus den dunkelsten Tagen des 20. Jahrhunderts. Die People’s Night, die ich vor zwei Jahren besuchte, fand in der Akademie der Künste statt, einem mehrgeschossigen Atrium bestehend aus Plattformen, die alle im Raum zu schweben scheinen, jede gefüllt mit ihrer kleinen Anhäufung deutscher Prominenter. Die einzige Ausländerin, die zu sehen war, war Julie Delpy, und die trug Brille, kein Make-up und einen langen grauen Pulli. Sie blieb in der Ecke einer der Plattformen stehen. Ansonsten sah ich nichts als ein Meer frostblonder weiblicher Mähnen und Glitzerjackets, Push-Up-BHs und Männer mit rasierten Köpfen und offenen Hemdkrägen. Ich konnte nie-
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manden erkennen. Wo waren George, Brad und Leo? Wo war Martin Scorsese, dessen Film über die Rolling Stones am Abend angelaufen war? Wo waren Mick und Keith? Den Fotografen nach zu urteilen, die jeden ankommenden „Star“ mit Blitzlicht bedeckten, hätte man wirklich denken können, Berlin sei das neue Hollywood. Die Schauspieler aus regionalen SOKO-Folgen und Krimis wurden alle für 15 Sekunden wie königliche Hoheiten behandelt. Es fühlte sich orwellsch an: Deutschland braucht Promis, also werden Fotografen aufgetrieben und Partys geschmissen, um die Seiten der Gala zu füllen. Da die Gagen der Fernsehstars von der Allgemeinheit in Form von Rundfunkgebühren für ARD und ZDF bezahlt werden, die Partys hingegen von Kunstsausschüssen und großen Firmen wie Volkswagen, wird man argwöhnisch. Warum braucht Deutschland Prominente? Können nicht alle einfach glücklich sein, wenn sie herausfinden, welche angesagte Italienerin George Clooney gerade ausführt? Warum muß Michelle Hunziker oder Verona Pooth oder Veronica Wer-auch-immer auf den Titelseiten der Magazine sein? Wer steckt dahinter? Es wäre egal, wenn dies das Koblenzer Filmfestival wäre, aber die Berlinale ist das einzige Festival mit einer richtigen Geschichte. All diese großen Hollywood-Namen verstecken sich irgendwo in der Stadt, während sich die Lobby
des Hotel de Rome mit unexportierbaren Schauspielern mit harten Gesichtern und noch härteren Frisuren füllt, die auf ihren Auftritt auf dem roten Teppich warten, und auf eine Party, wo man sie fotografieren wird, bis sie zurück nach München oder wohin auch immer müssen, in ihre Normalo-Wohnungen, ohne persönliche Assistenten und Limousinen und die ganzen Annehmlichkeiten Hollywoods. Bis der Münchener Filmball kommt und die ganze Maschine wieder losgeht. Das muß sich ein bißchen... leer anfühlen. Aber es muß nicht so sein. Berlin sollte einfach mal tief durchatmen und ein bißchen selbstbewußter werden. Der Rest der Welt liebt diese Stadt. „Arm aber sexy“ mag ein Klischee und den Berlinern mittlerweile peinlich sein, aber es ist der Grund, warum die smarten Kids aus Amerika und dem Rest Europas hierher kommen, vom Rest Deutschlands ganz zu schweigen. Das halbherzige Promi-Geschäft kann derweil weitergehen, und niemand kriegt es mit. Es gibt dieses Jahr keine People’s Night. Und das ist gut so. Die Gala kann sich mal wieder Geschichten über die Kapriolen von Prinzen mit vollbusigen Schönheiten widmen, und das ganze Land wird erleichtert aufatmen. Zumindest ich werde es tun. Übersetzung aus dem Englischen von Elvira Veselinović
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Rinus Van de Velde “le coupable”, 2010. Sibrische Kohle auf Papier, © courtesy Galerie Zink Munich/Berlin
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Rinus Van de Velde “the receiver”, 2010. Sibrische Kohle auf Papier, © courtesy Galerie Zink Munich/Berlin
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diese Seite: Peter Doig “The Third Man by Carol Reed”, 2005. oil on paper, © Courtesy Contemporary Fine Arts, Photograph: Jochen Littkemann rechte Seite: Peter Doig “Moolaadé by Osmane Sembene”, 2006, oil on paper © Courtesy Contemporary Fine Arts, Photograph: Jochen Littkemann
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Ming Wong “In Love for the Mood”, 2009. Cinema billboard for Ming Wong’s installation for the Singapore Pavilion at the 53rd Venice Biennale. Painted by Mr Neo Chon Teck, “the last surviving cinema billboard artist in Singapore.”
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„The Show has gone as far as it could.“
(lee Alexander McQueen)
von Anne Theresia Wanders
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ie Nachricht hätte knapper nicht ausfallen können: „Alexander McQueen ist tot.“ Ein Ruck durchfährt meine Arbeitsroutine, und in Gedanken bin ich wieder in London, im Studio von Lee Alexander McQueen, im Herbst 2009. Seit dem Praktikum im Studio von Alexander McQueen sprechen mich Freunde immer wieder auf ihn an. Oft werde ich gefragt, wie er denn so sei, wie es sei mit ihm zu arbeiten. Offen gesagt, ich weiß es nicht wirklich. Im Studio war er nicht täglich, und wenn er da war, war er abgeschirmt. Von uns, den Praktikanten, wurde er wie von allen dort bei seinem ersten Vornamen Lee genannt – wenn wir überhaupt mit ihm sprachen. Jedem Praktikanten flüsterte zu Beginn irgendjemand zu, sie sollten ihn bloß nicht ansprechen und belästigen. Ich fragte mich, ob er diese Order je gegeben hatte, oder ob sie nur als Gerücht kursierte, das von seinen Assistenten nicht korrigiert wurde, um seine (und die eigene) Aura des Respekts aufrechtzuerhalten. Schnell dachte ich, daß er doch einsam sein müsse. Die Nachricht seines Suizids trifft, aber überrascht mich nicht. Wer mich fragte, wie das Praktikum gewesen sei, dem antwortete ich meist, daß es sehr lehrreich war, ich aber nicht an McQueens Stelle sein wolle. Die ungläubigen Blicke, die Ungeduld zuzuhören und der Unwille zu akzeptieren, daß der Erfolg des eigenen Idols womöglich nicht zum Vorbild taugt, sind mir als Reaktionen aus diesen Gesprächen in Erinnerung. Der Verdacht, ich hätte vielleicht nur nicht genug Biß für diese harte Branche, schien über das Gesicht so manchen jungen Designers zu flackern, der hoffnungsfroh auf eine eigene Chance in einem so großen Studio wartete. Während meiner Zeit bei Alexander McQueen und danach habe ich mich von einem Traum verabschiedet. Lee, mit dem ich nur einmal allein war, und das im Fahrstuhl, schien mir wie ein Gehetzter, der wohl wußte, daß er glücklich sein sollte, es aber einfach nicht war. (Wer behauptet eigentlich, daß Erfolg glücklich und alles leichter macht?) Lee Alexander McQueen wurde als junger Designer bereits hochgelobt, aber verschuldet war er dennoch. Die Position bei Givenchy verhalf ihm nicht zu der vielleicht erhofften Freiheit, die finanziell sicher verbesserte Lage machte es ihm trotzdem unerträglich, seine Kreativtät dort eingeschränkt zu sehen. Der Verkauf seiner eigenen Marke an die Gucci-Gruppe sanierte seine Finanzen und als Chefdesigner stand ihm nun eine etablierte Struktur zur Verfügung. Zu den zwei Hauptkollektionen kamen noch die Vorkollektionen, die erschwinglichere McQLinie und Männerkollektion, Accessoires, ergänzt von Kooperationen mit Puma und Samsonite. Sicher, großartige Gelegenheiten, Möglichkeiten, die sich nicht mehr mit dem Kontostand erschöpfen, alles vertraglich geregelt. Aber ob so jemand auch mal „Stop!“ sagen darf? Wenn er bei diesem Pensum noch merkt, daß er es gern einmal würde.
Meilenstein in der Karriere. Plötzlich drängt sich nicht alles auf knarzenden Holzdielen, sondern ein Lift führt direkt in den obersten Stock, einen Elfenbeinturm, in dem die höhere Designriege einen großen offenen Raum besetzt. Dort gehen Praktikanten nur hin, um sich im Flüsterton erklären zu lassen, wo Kleider und Mustermodelle hin- und herzutragen und wann Inspirationsbilder aufzuhängen und Nadelkissen oder Kaffee zu bringen sind. Lee selbst kam zu den Fittings und um aus Vorschlägen auszuwählen, neue zu fordern, zu verändern und zu instruieren. Kann jemand, der wie McQueen das Schneiderhandwerk gelernt hat und die Schnittkunst zur Perfektion geführt hat, wirklich so arbeiten, so distanziert von seinem Produkt und mit einem großen, oft wechselnden Team? Ein Fremder im eigenen Haus, so wirkte er auf mich, schüchtern geradezu. Jemand, in dessen Haus jemand anderes die Gäste eingeladen hat, und viel zu viele, solche, die – vor Ehrfurcht erstarrt – nicht reagieren, solche, die auf ihre Chance, auf den großen Sprung nach oben warten. Wenn man Alexander McQueen’s Kollektionen kennt, weiß man, daß er gerne dort anrührte, wo es weh tut. Nachdem er sich in Kollektionen wie „Highland Rape“ (1995) mit dem blutigeren Teil der Geschichte seiner Heimat und mit menschlichen Abgründen beschäftigte, widmete er sich zuletzt dem Aufeinandertreffen von Mensch und Natur. In der Frühjahrskollektion 2009 waren Natur und Industrialisierung die beiden Pole, die ihn inspirierten, damals noch mit dem an ihm so geliebten zarten Unterton. Die darauffolgende Herbstkollektion überraschte im Kontrast mit ihrer harschen, aggressiven Aussage und mit verzerrt geschminkten Frauengesichtern. Seine für immer letzte Kollektion „Plato’s Atlantis“ schildert die durch das Abschmelzen der Polkappen selbstverschuldete Rückkehr des Menschen ins Meer. Das Schuhwerk ist den Zangen von Krebsen nachempfunden und erinnert an schmerzhaft zu tragende Ballettstiefel. Es liegt nahe, daß er wohl keinen langsamen Evolutionsprozeß meinte, sondern eine schmerzhafte Rückführung. Auch diese Kollektion ist poetisch wie eh und je, sie ist sie zudem aber pessimistisch und fatalistisch in ihrer Aussage. Die anstrengenden Themen seiner Kollektionen lassen erahnen, daß er andere nicht schonen wollte, und daher wohl auch nicht sich selbst. Wer solche Kollektionen entwirft, der sieht im Schönen auch immer das Häßliche und vermag diese Gratwanderung vielleicht nur schwer zu ertragen. Es ist viel darüber geschrieben worden, was für ein „Enfant Terrible“ Alexander McQueen war. Es sieht so aus, als hätte er sich am Ende nur noch nach Innen gewehrt.
Auch das Internet außerhalb von Facebook füllt sich mit Fast scheint es so, als würde auf dem Weg zum Erfolg Stellungnahmen und Kondolenzbekundungen von Stars nicht nur die Konkurrenz größer, sondern als könne und Sternchen. man sich auch nicht mehr auf die ehrliche Meinung seiner Freunde verlassen. So, wie ich meine kurze Zeit bei Die Berichterstattung überschlägt sich mit Kommen- AlexanderMcQueen erlebt habe, gab es in seinem täglitaren und deutet an, daß Alexander Lee McQueen sich chen Umfeld kaum jemanden, der sich ihm gegenüber das Leben wohl aus Trauer um seine nur wenige Tag kritisch geäußert hat. Das macht wohl nicht nur einsam, zuvor verstorbene Mutter genommen habe. Auch seine sondern erzeugt sicher auch einen enormen Druck. alte Freundin Isabella Blow wird oft erwähnt, die seine Karriere früh unterstützte und sich im Jahr 2007 das Lee’s Tod macht mich traurig, auch wenn er mich nicht Leben nahm, als sei der Tod eine ansteckende Krank- überrascht. Ich wünsche mir ein wenig mehr Innehalten, heit, die einen befalle, wenn man sich nur genügend ein wenig mehr Zuhören und Mut in einer Branche, die damit umgebe. Die Überraschung über Alexander Lee so viel Schönes hervorzubringen vermag und so gerne an McQueen’s Tod ist genau so groß, wie die Erklärungen der Oberfläche schwerer Themen kratzt. Zu sagen, sein scheinbar naheliegen. Einerseits der allseits bekundete Tod hätte verhindert werden können, wäre anmaßend. „Schock“, andererseits Spekulationen, ob sein Suizid Dennoch vermag er vielleicht, nach dem Schmerz und Während ich das hier schreibe, haben sich auf Facebook nach dem seiner Mutter bereits auf Twitter zu erahnen der Trauer, eine Mahnung zu sein. mehrere Trauergruppen gebildet, es gibt bereits eine gewesen sei. Alexander McQueen Gedächtnistasche zu kaufen. Auf Facebook streitet man sich darüber, ob es besser sei, um Wenn nicht der Tod seiner Mutter als Grund suggeriert „Lee“ zu trauern, um „Alexander“ oder „McQueen“, es wird, stellt man sich öffentlich die Frage, warum gerade wird bekundet, daß man sein Idol nun traurigerweise er sich das Leben genommen hat. Als gäbe es solche nie auf Erden treffen werde, die ersten pietätlosen Kom- Menschen, deren Leben so bemitleidenswert ist, daß ein Der Umzug in das neue AlexanderMcQueen-Gebäude mentare werden von anderen Usern geächtet, oder man Selbstmord nahe liegt, und solche, denen es wegen ihres mit repräsentativem Showroom war ein anschaulicher fragt sich, ob denn die Kollektion weiter zu kaufen sei. glücklichen Lebensweges nicht zusteht. © AP 2008 Photo/Danny Moloshok
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Eigentlich sollte er der Nachfolger Neo Rauchs an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig werden: Michaël Borremans. Der Belgier, dessen Maltechnik noch ausgefeilter und dessen Narration noch enigmatischer ist als die Neo Rauchs, wäre sicher der passende hierfür gewesen und gerne hätten wir eine von ihm unterrichtete Leipziger Malereistudentengeneration erlebt. Wenigstens kann man sich seine Arbeiten nun hochkonzentriert in einem neuen Bildband anschauen: „Paintings“ versammelt Borremans Gemälde des vergangenen Jahrzehnts. Seine aus der Zeit gefallenen Figuren, die ungesättigte Farbpalette und die kleinen bis mittleren Formate, die oftmals Menschen ohne Unterleib zeigen, wirken wie Bilddokumente aus einem kriminalistischen Kabinett. Selten hat ein Maler so gute Bilder über Bilder gemalt, nie kam Düsterkeit so cremig daher, und der Spagat zwischen Vermeer und David Lynch ist letztendlich genauso groß wie der Abstand, den Manet, auf den Borremas sich bezieht, als letzter klassischer und erster moderner Maler zu überwinden hatte: klein und groß zugleich. OA
„Die andere Seite“ ist ein „phantastischer Roman“ von Alfred Kubin aus dem Jahr 1909. Ein Zeichner reist darin in ein asiatisches Traumreich, das von einem sonderbaren Multimillionär geschaffen wurde. In dessen Hauptstadt herrscht ein ständiges Dämmerlicht. Das „dunkle Licht“ ist ja nun einmal ein Lieblingsthema jener Epoche gewesen; außerdem hat es den Vorteil, als malerisch zu gelten. Aber dieses zwielichtige Phantasiereich wird für den jungen Zeichner allmählich zur Hölle, Traum und Realität gehen auf eine unheilvolle Art und Weise durcheinander; und es ist kein Wunder, daß Kubins Roman, den er selbst illustrierte, inzwischen als wichtiger Vorläufer des Surrealismus gilt. Dieses Werk ist jetzt abermals zum Gegenstand einer irritierenden künstlerischen Auseinandersetzung geworden. Michael Wutz, geboren 1979, grafisch vielleicht einer der talentiertesten Künstler seiner Generation, hat eine beeindruckend beängstigende Arbeit dazu geschaffen, die sich aus verschiedenen Radierungen zusammensetzt und jetzt erstmals bei Aurel Scheibler zu sehen ist. RIP
„Wieso hast du dich angezogen? Weil ich denke, daß du mich gleich verläßt und da wollte ich nicht in Unterhosen dastehen.“ (Aus: „Hautnah“ von Patrick Marber) Versetzt man sich in diesen Mann hinein, weiß man: Diese Unterhose wird er nie wieder tragen, ohne an diesen Moment zu denken. Diese Unterhose wird zum Artefakt einer vergangenen Liebe, wie so viele alltägliche, bedeutungslose Dinge, die nach einer Trennung plötzlich schwerwiegend werden. Treten diese Bedeutungsaufladungen gehäuft auf, nennt man dieses Phänomen in der Psychologie „Synchronizität“ – in der Kulturszene nennt man es neuerdings Leanne Shapton. Die New Yorker Künstlerin hat, inspiriert von einem Auktionskatalog mit Gegenständen aus dem Nachlaß von Truman Capote, einen Katalog mit Überbleibseln einer fiktiven gescheiterten Beziehung gestaltet und veröffentlicht. Erschienen ist das Buch im Berlin Verlag und trägt einen Titel, den das Marketing hassen, wir aber lieben müssen: „Bedeutende Objekte und persönliche Besitzstücke aus der Sammlung von Lenore Doolan und Harold Morris, darunter Bücher, Mode und Schmuck“. GH
Michaël Borremans: Paintings. Hatje Cantz, 184S., 45 €
Michael Wutz: Tales, Lies & Exaggerations. bis zum 1.4. 2010, Galerie Aurel Scheibler, Witzlebenplatz 4, Berlin, www.aurelscheibler.com
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Unnachahmlich Wenn Siebzehnjährige Bücher schreiben, dann hat das häufig mit pubertärer Selbstfindung, einer diffusen Wut auf die Welt, die zum Selbstzweck wird, und einem Versuch der Rebellion zu tun, der am Pathetischen oft nur um Haaresbreite vorbeischrammt. Bei der siebzehnjährigen Autorin Helene Hegemann, die nach Theaterstück und Film nun ihren Debütroman „Axolotl Roadkill“ vorlegt, stehen die Dinge etwas anders. Denn ihre Hauptprotagonistin, die sechzehnjährige Mifti, ist ungewöhnlich reflektiert, ihre Sprache voller Gewalt, Abscheu und Gier. Mifti ist in ein Umfeld geraten, in dem das Rebellieren denkbar schwer fällt: Seit dem Tod der Mutter lebt sie bei ihren Halbgeschwistern im Selbstverwirklichungssumpf der Berlin-Mitte-Szene. Ein Sinnbild für den Zustand dieses Zwischenstadiums: der „Axolotl“. Ein Lurch, der nie über das Lurchstadium hinauskommt und den Mifti in einer Plastiktüte mit sich herum trägt. Während die Protagonistin die Aggression der eigenen Orientierungslosigkeit vor allem gegen sich selbst richtet und ständig zwischen Exzessen der „Wohlstandsverwahrlosung“ taumelt, entlarvt sie mit sezierendem Blick die eigenen Schwächen und die ihres Umfelds: Der Vater, „eins von diesen linken, durchsetzungsfähigen Arschlöchern“, die Schwester, eine „durchtriebene Marketing-Bitch“. Dazwischen
Berlin Verlag, 144 S., 19,90 €
immer wieder die Erinnerungen an die eigene Mutter und die traumatischen Erlebnisse der Kindheit. Die Grenze zwischen Realität und dem gedanklichen Wirrwarr in Miftis Kopf verschwimmt, die Tage und Ereignisse bilden zusammen ein undifferenzierbares Dickicht. Gleichzeitig offenbart sich dahinter eine Zerbrechlichkeit, die sich in dem einsamen Wunsch äußert, daß am Abend jemand da sein möge, der fragt, wie es in der Schule war. Helene Hegemann ist direkt, das, was sie beschreibt, ungewöhnlich brutal und ehrlich. Sie verpaßt dem Leser eine Ladung aus Sprachgewalt und schockierenden Erkenntnissen, in einem Tempo, das Herzrasen verursacht. Daß sie dabei passagenweise schreibende Gesinnungsgenossen sampelt und so den Haß einiger Kritiker auf sich gezogen hat, die sich in ihrer auf vermeintlich untrügliches Gespür für literarische Qualität gründenden Eitelkeit nun betrogen fühlen, ist schlicht zeitgemäß und ein weiteres Indiz dafür, daß es gottseidank noch einen Generationenkonflikt gibt, an dem junge Autoren sich abarbeiten können. AZ
Helene Hegemann: Axolotl Roadkill. Ullstein, 208 S., 14,95 €
Die Filmgalerie 451, nach François Truffauts Fahrenheit 451 benannt, unternimmt ein ähnliches Unterfangen wie der Film: das Archivieren und damit das Bewahren. Neben viel Bewegtem in Form von ca. 19.000 DVDs, Blu-Ray Discs und einigen VHS-Kassetten findet sich hier auch ein Lexikon. Das vom Inhaber Silvio Neubauer erstellte VideoLex ist das umfangreichste zu Papier gebrachte Filmlexikon in deutscher Sprache. Etwa 15.000 Filme sind darin alphabetisch katalogisiert. Darüber hinaus gibt es eine gigantische Auflistung von Darstellern, Autoren, Kameraleuten, Komponisten, Produzenten und Regisseuren, mit dazugehörender Filmografie, von den Anfängen des Films bis zum Jahr 2007. Akribisch und mit dem Anspruch, eine möglichst große Vielfalt nebeneinander zu versammeln, hat Silvio Neubauer mit Hilfe seiner Mitarbeiter Filmwerk um Filmwerk zusammengetragen. Neben den Stammdaten findet man immer eine Kurzzusammenfassung der Handlung und in vielen Fällen sogar ein Bild des Covers. Sogar frisch Filmverliebten und sporadischen Cineasten, die sich zunächst einmal einen Überblick über einzelne Jahrzehnte verschaffen wollen, wird geholfen: In Form von Listen werden ausgesuchte Filme vorgestellt. Zu erstehen ist das VideoLex im Buchhandel
und bei Amazon – sogar zu einem Vorzugspreis für den, der selbst in der Filmgalerie vorbeischaut. Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man das tun, denn neben Deutschlands größtem Filmangebot bietet der Verleih fachkundige und oft inspirierende Beratung von engagierten Mitarbeitern oder auch vom Chef persönlich, der mit einem pro Kopf- und Tagverbrauch von ein bis zwei Filmen die menschgewordene Version seines gedruckten Werkes ist. Zur diesjährigen Berlinale leistet die Filmgalerie 451 übrigens einen, wenn auch indirekten, Beitrag: Der aus Afghanistan stammende Regisseur und Filmgalerie-Mitarbeiter Burhan Qurbani ist mit seinem Beitrag SHAHADA im Wettbewerb um den Goldenen Bären. MR
Silvio Neubauer: VideoLex. folio edition, 1152 S., 24,90 € Filmgalerie 451, Torstraße 231, 10115 Berlin. Öffnungszeiten: Mo-Sa 12-24 Uhr / Sonn- und Feiertage: 14-22 Uhr
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herr von eden.com 覺 PhoTo: dan覺el josefsohn.com
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HollyWhat? Der Celebrity-Knigge. Diesmal: Wie man den Roten Teppich workt
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ch frage mich manchmal, ob nicht zwei Drittel der Erdoberfläche von einem roten Teppich bedeckt sind,“ hat Prinz Charles einmal gesagt. Ein großartiges Zitat – reflektierend, selbstironisch und weise. Wenn man sich allerdings im Moment so umschaut, sieht es fast danach aus, als ob Charles untertrieben hätte und die gesamte Erdoberfläche ein einziger roter Teppich ist, von der Awards Season in Hollywood bis zu einem immer volleren Veranstaltungskalender samt einer jeden Thunfischdoseneröffnung in Wanne-Eickel. Ich sah mir kürzlich auf dem amerikanischen Fernsehsender E! – E! steht für Entertainment und hat den lustigen Slogan: „Be on E!“, was im britischen Englisch so viel bedeutet wie „Sei auf Pille!“ – die Live-Übertragung der Grammys an. Es war famos – ich war von der Berichterstattung auf dem Red Carpet so belustigt und fühlte mich tatsächlich so glücklich, als ob ich auf Pille wäre, so daß ich mir die eigentliche Verleihung der Grammys gespart habe. Denn der rote Teppich ist eigentlich viel unterhaltsamer und spontaner als jede langwierige Verleihung, die darauf folgt. Die amerikanischen Stars begreifen, warum sie auf dem roten Teppich sind: um uns, die dann ihre Platten kaufen (oder legal herunterladen) oder sich eine Kinokarte für
ihren neuen Film kaufen (oder ihn legal herunterladen) zu unterhalten. Ein paar Beispiele von den Grammys: Beyoncé und Rihanna, die zwei größten weiblichen Musikstars gingen – ohne zu murren – in eine von E! eingerichtete 360-Grad-Glam-Cam, eine Art Ministudio, die ihre Kleider von allen Seiten beleuchtete. Beyoncé schien dabei sogar ziemlich aufgeregt zu sein, was sie mir sympathischer machte als alles, was ich zuvor von ihr gesehen habe. Die Komikerin Kathy Griffin antwortete auf die Frage nach ihrer Sample-Size-Figur: „It’s a mix of frustration and starvation. I’m cranky and hungry all the time.“ So etwas unterhält. Nicht umsonst gibt es den Ausdruck „working the red carpet“ und ich tue mir verdammt schwer, ihn ins Deutsche zu übersetzen. Nur mal so als Beispiel: Ich hielt mal auf dem roten Teppich bei den Duftstars in Berlin einem sehr bekannten deutschen Schauspieler das Mikro unter die Nase und stellte ihm eine Frage, die mit Düften zu tun hatte. Er guckte, als ob er es haßte, zu existieren und dann auch noch von mir belästigt zu werden und rotzte in mein Mikro, ohne mir in die Augen zu sehen: „Was ist denn das für eine Frage?“ Ich ließ seine Antwort im Film, denn nicht ich sah wie der Arsch aus, sondern er. Ich tat meinen Job. Er nicht.
Daß der rote Teppich ein gefährliches Pflaster ist, wußten (natürlich) schon die alten Griechen. Der erste rote Teppich der Geschichte kam 458 v.Chr. in „Agamemnon“ von Aischylos vor. Klytaimnestra zwingt den aus Troja heimkehrenden Agamemnon, einen blutroten Purpurteppich zu betreten, der sein eigenes Blut vorausdeutet, das vergossen werden wird. Agamemnon, der wußte, daß nur Götter auf solchem Luxus schreiten dürfen, erwiderte: „Ich wahrlich setze nimmer, als ein Sterblicher, auf bunte Prachtgewebe ohne Scheu den Fuß! Kurz, ehre mich als Menschen, nicht als einen Gott! Auch ohne Purpurhüllen und Fußteppiche schallt laut der Nachruhm; und ein weisheitsvolles Herz ist höchste Göttergabe.“ Tja, Agamemnon: Das war einmal. Heutzutage dürfen zu viele auf dem roten Teppich schreiten; auch solche, die es nicht verdienen und die Ehre nicht zu schätzen wissen. William H. Macy, keiner aus der blitzlichtgeilen Riege Hollywoods, sagte einmal: „Diesen roten Teppich muß man fühlen, um ihn begreifen zu können“. Wer diese Magie nicht spürt, sollte zumindest so tun und seinen Job ordentlich erledigen. Prinz Charles schafft’s ja schließlich auch. Danijela Pilic
do you read me?! offers a select range of international contemporary magazines and reading materials. The publications cover topics from art, fashion, photography, architecture, interior and design to literature, music, film and contemporary culture. We deliver single-copies as well as individual subscriptions worldwide. do you read me?! — Magazine und Lektüre der Gegenwart • Auguststraße 28 • 10117 Berlin-Mitte
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Schön komisch Sie hat das intrigante Luder gespielt, die romantische Rehäugige und, was die wenigsten wissen, sie war nach ihrem Schauspielstudium und parallel zu ihrer Rolle als „Ginger“ im Frauenknast von „Hinter Gittern“ (RTL) drei Jahre lang Ensemblemitglied des GRIPS Theaters, der aus der Studentenbewegung hervorgegangenen Institution für linkes Kinder- und Erwachsenentheater.
Nadine Warmuth, die von TV-Produzenten und Redakteuren gern als raffinierter brünetter Gegenpart zum blonden Gutmenschen besetzt wird, wie gerade 122 Folgen lang in der ZDF-Telenovela „Alisa – Folge deinem Herzen“ zu sehen war, hat mehr auf der Pfanne, als nur schön zu sein und sich in Rollenklischees zu fügen. In ihrer Zeit am GRIPS Theater verkörperte sie Hauptrollen in Stücken wie dem Musical „Linie 1“ oder dem lesbischen Coming-of-age-Stück „Raus aus Åmål“.
Demnächst wird sie endlich wieder in einer komischen Rolle zu sehen sein, als genoptimierter Klon „Estelle“ in „Marsgesichter“, einer Pro 7-Produktion aus derselben Redaktion wie „Stromberg“. Die Rolle, die zunächst teflonartig glatt und hyperperfekt angelegt war, erweckte Nadine durch eine nervöse Macke zum Leben.
Erfreulich, daß doch ein paar der Strippenzieher beim deutschen Fernsehen begreifen, wie wenig Schönheit und komisches Talent sich ausschließen – schon Marilyn Monroe hat dies bewiesen (und die war in Wirklichkeit auch brünett). Für unsere Make-up-Strecke reiste Nadine mit uns durch die 70-er-Jahre, von Ali McGraw über Soraya zum Studio54-Look von Diana Ross. Nicht, ohne sich dabei selber auf die Schippe zu nehmen. Wir können „Marsgesichter“ kaum erwarten!
Collier: Kollektion "Charlotte" von EhingerSchwarz 1876, aus der Edition „Erde“, Sterling Silber emailliert mit 22 Jaspisblätern, Peridot, Hyazinth und Granat Teppich: Domäne
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Kleid: Stine Goya
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Geteilte Leidenschaft Sie sind in Berlin, Wien und Teheran geboren, könnten unterschiedlicher nicht sein und brennen doch alle für eine Sache: den Film. Drei junge Talente, auf die man auf der diesjährigen Berlinale einfach aufmerk sam werden muSSte! Maryam Zaree
Maryam Zaree wurde 1983 in Teheran geboren, 1985 floh ihre Mutter mit ihr vor dem iranischen Regime nach Deutschland. Maryam studierte Schauspiel an der HFF Konrad Wolff in Babelsberg, stand aber schon vor und während des Studiums für verschiedene Produktionen vor der Kamera. Nach dem Studium spielte sie außerdem an den Theatern in Hannover und Basel. „Shahada“ ist der zweite Film, den sie mit dem Regisseur Burhan Qurbani gemacht hat, er lief im Wettbewerb der 60. Berlinale und Maryam spielt darin in einer der Hauptrolle die westlich geprägte Tochter eines verwitweten Imams, im ständigen Konflikt mit den Glaubensgrundsätzen ihres Vaters. Dabei ist sie auf der Suche nach seinem Verständnis und seiner Anerkennung. Als sie ungewollt schwanger wird, hat sie das Gefühl, von ihm und ihrem Umfeld allein gelassen zu werden. Der sich verschärfende Vater-TochterKonflikt und eine traumatisch erlebte Abtreibung stürzen die junge Frau in eine Psychose und in den religiösen Fanatismus. Demnächst wird Maryam Zaree in einem weiteren Fernsehspiel des ZDF zu sehen sein, diesmal als junge Mutter mit drei Kindern unter dem für sich sprechenden Titel „Burn out“.
Kleid: minimarket
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Mariejosephin Schneider, geboren 1976 in Berlin ist Regisseurin. Ihr Film „Jessi“ lief gerade in der Perspektive Deutsches Kino auf der Berlinale. Jessi ist ein 11-jähriges Mädchen, das nicht weiß, wo es hin soll. Die Mutter sitzt im Knast und hätte gern Geld für Zigaretten. Die Pflegemutter hätte gern, daß Jessi Klavierspielen lernt und ihr alles anvertraut, was sie bedrückt. Die Schwester Bibi hat einen neuen Freund, bei dem sie jetzt wohnt, das Elternhaus steht verlassen und verfällt. Manchmal helfen nur Dummheiten, wenn einem sonst nichts einfällt, was man tun könnte. Jessi schneidet sich die Haare ab, während die Erwachsenen streiten. Ganz weich fühlt sich das an auf dem Kopf, und plötzlich sind alle anderen auch weicher. Es ist ein liebevoller Blick, mit dem Mariejosephin Schneider, die das Drehbuch selber schrieb, und ihre Kamerafrau Jenny Lou Ziegel das Mädchen in seinem Orientierungsprozeß einfangen und dem erstaunlich unbekümmerten Talent Luzie Ahrens Raum geben. Mariejosephin macht demnächst ihren Abschlußfilm an der dffb, der hoffentlich seinen Weg ins Kino findet.
Bluse: Boss Rock und Halsschmuck: Smeilinener Strickjacke: Esther Perbrandt
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Mariejosephin Schneider
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Kleid: Franzius Armband: privat Schuhe: Prada vintage
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Kleid: Boss Black Armband: Esther Perbrandt
Franziska Weisz wurde 1980 in Wien geboren und kam auf ungewöhnliche Weise zum Film, obwohl sie immer schon Schauspielerin werden wollte. Sie nahm nämlich an, alle wollten das und stellte erst im Lauf der Zeit fest, daß es viel mehr Menschen gibt, die nicht Schauspieler sein wollen als solche, die es sein wollen. Der unerreichbar scheinende Berufswunsch erfüllte sich aber nach dem Abitur quasi von allein: Als das „erfolgloseste Model“ ihrer Modelagentur ausnahmsweise zu einem Filmcasting geschickt, nämlich dem für Ulrich Seidls ersten Film, „Hundstage“, ging sie mit der Rolle der Klaudia in der Tasche nach Hause. Trotzdem studierte sie erst einmal Entwicklungs- und Umweltpolitik in England. Weitere Angebote folgten, auf der Berlinale wurde gerade „Der Räuber“ von Benjamin Heisenberg begeistert von der Kritik aufgenommen. Franziska Weisz spielt hier die unfreiwillig zur Räuberbraut gewordene Einzelgängerin Erika. Am 4. März kommt der Film ins Kino. Wie es nach dem Festival weitergeht? Zwei neue Projekte für Kino und Fernsehen stehen an, und Theater würde sie auch gerne mal wieder spielen. Wie sie sich auf ihre Rollen vorbereitet? Sich in allen Lebenssituationen, wie zum Beispiel im Kino, die Frage stellen: Wie würde meine Figur den Film finden?
Franziska Weisz
Photographin: Jackie Hardt / www.jackiehardt.com, Hair & Make-up: Linda Frohriep / www.ninaklein.com Styling: TRAFFIC, Location: Babylon Berlin
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Jumpsuit: Franzius Kuchen: Cupcake Berlin
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Maturity Test Interview: Hatice Akyün Six years ago, Sibel Kekilli became famous (and infamous) overnight for her role in “Gegen die Wand” (“Head On”). Since then, the actress has been trying to break free from the role of the cliché Turkish girl, her cinematic past and the burden of always playing herself. In her new film “Die Fremde” (“When We Leave”) she plays a young Turkish girl torn between two worlds. Ms. Kekilli, six years ago, shortly after winning the Golden Bear for “Head On”, you said your soul had been torn. Have the wounds from this time in your life healed? Only a few small scars remain from most of those wounds. At that time, I didn’t have any more energy to experience new things. I pulled back. Now my lust for life is back. I have changed a lot as a person, from a young girl to a mature woman. Don’t take this the wrong way, but here in Germany we haven’t really heard of any of your roles after “Head On”. It’s almost as if you don’t act anymore. I actually have worked a lot – abroad and in Germany. Some projects haven’t been released yet and there were many offers that I consciously rejected many offers because they always wanted me to play the disenfranchised Turkish girl. But I didn’t want to do that. So I took my time at choosing new roles.
But is there a danger that the German audience will see the film not as a film, but rather as a reflection of the Turkish family structure in Germany? No. This film shows that you shouldn’t judge. The film doesn’t embellish anything but it doesn’t judge either. There isn’t just the evil father, the abusive brother, the oppressed woman. It shows how strong yet broken each character is. That the mother is shunned by relatives, that the father stops working; that he and the family are gossiped about; that the brother hears from other Turkish boys that the sister is a whore. I hope that people understand the depth of the film and don’t just point a finger at the evil Turkish father, brother and husbands. The image of Turkish people in Germany isn’t so good. This has a lot to do with the fact that the media often reports only negative stories such as forced marriage, honor killings and refusal to assimilate. Doesn’t this film just feed the fire of this one-sided coverage? But there is a reason why only the bad side of Turkish people is shown. Because the majority of Turkish people are silent and do not speak out about these inhumane acts. Why don’t the Turkish people and Muslims stand up and say: this doesn’t have anything to do with our traditions and our religion? Why don’t they stand up for themselves? And if you speak out, the Turkish people immediately feel attacked and you’re labeled a traitor.
Yet you landed the role as an unprivileged, abused Turkish girl again in “When We Leave”. Why is that? Are you offered these roles because filmmakers think you play them convincingly or is it because the German audience only can see Turkish girls in this role? On the one hand, you have the clichés in your head; on the other, you want to implement them. But you can only free yourself, as an actress, when you try not to think in black in white, but rather to explore the grey area.
That also has a lot to do with the fact that Turkish people aren’t known for taking to the streets when something unjust happens. They just say: yeah that’s horrible, but it doesn’t have anything to do with us. But they could say: this isn’t Turkish, this isn’t Muslim and that’s why were fighting against inhumane behavior by taking to the streets by the thousands and demonstrating. These murders happen. I read yesterday that a girl in Turkey was buried alive. Two weeks ago, I read that a twelve year old girl was found shot in her bedroom. It has to be mentioned in order to create a consciousness of injustice within the people.
And “When We Leave” is this grey area? Yes, because the film shows how torn every side actually is. The daughter who wants to live free; the parents who love their children but have to yield to the pressure of the Turkish community; the brother who is stuck between tradition and modernity. The family in the film is an example of being trapped in a system that they can’t escape – even if they want to.
Is your film a possibility to bring to light the injustice of Turkish families? I wouldn’t have taken the role if were just about accusing. You should understand the pressure these families have to deal with, the dilemma they find themselves in.
You could say that “When We Leave” is a sequel to “Head On”. It isn’t, but the stories of Umay and Sibel are quite similar. Why did you accept the role if you didn’t want to play the cliché of the Turkish girl anymore? When I was working on “Head On”, a colleague told me that actresses only get this kind of role every ten years, if that. I didn’t know at the time what she meant by that. Then at some point I figured it out. For the most part women only get to play the icing on the cake. And when I was offered the role of Umay after “only” six years, I took it. I would have been dumb not to. Even knowing that the material is almost identical: patriarchal families, traditional conceptions of honor, Turkish woman fights for her freedom...? I think the roles of Umay and Sibel are quite different. Sibel is self-centered, a rebel who wants to bash her head through the wall, regardless of everything and everyone around her. Umay is a young woman who takes responsibility for her son. She is a mother who wants to lead a normal life, who breaks out of an abusive marriage. Watching these films is very difficult for a mother, you know. I know. But I don’t think it’s just difficult for mothers. Even though you’re not a mother yourself, did you have maternal feelings for your son in the film? Yes, I built a special relationship with him and I still stay in contact with him. It doesn’t work at all to play mother and son with a child and then suddenly to say “See ya” after the camera stops rolling. When you were acting with him, did you say to yourself, I’m an actress and I’m acting right now, or were there feelings that went beyond the role? Working on a film for me is always work, but it wasn’t easy to turn off after hours. I had to set up boundaries my private life and the actress in order not to mix that up. Sometimes this didn’t work though and I would think during scenes with my son in the film about my brother, who is much younger and who I grew up with.
There are many parallels in the film to the life of Hatun Sürücü, who was shot by her brother because of a wounded feeling of honor in Berlin five years ago. She had married a Turkish man in Turkey, had a son and returned to Germany after their divorce, wanting to start a new life. Is that accidental? The film isn’t the life of Hatun Sürücü. The director and the screenwriter Feo Aladag researched the stories of many different honor killings. There are many typical Turkish scenes in the film. Did Züli Aladag, Feo’s husband and the producer of the film, support you here? Feo did very extensive research because he isn’t Turkish. Us actors brought in some Turkish sayings. The scenes were pretty concrete, but the dialogue, for example during the wedding, I developed with my film-mother. Feo couldn’t write them exactly and so he gave us the freedom to improvise. Umay fights incredibly hard for her family’s love so that she can move back. Does this reflect your personal battle with your family? I don’t talk about my family. Umay’s tears in the film were real, but they weren’t Sibel Kekilli’s tears. They don’t have anything to do with Sibel. You leave your abusive Turkish husband. Is that a call to Turkish women to leave their brutal husbands? No, it’s a call for them to defend themselves. No woman should have to endure being hit. I feel sorry for Turkish men too. They have to live with the prejudice that the hit their women. But obviously that’s not always true. Violence in the family isn’t a typical Turkish phenomenon. Women from all classes and backgrounds take refuge in women’s shelters. Do you feel trapped in a closet when you have to play a Turkish woman, or do you like to do it? It depends on the material of course. There’s always a deeper level – and I try to discover it. As an immigrant, I can bring a lot more of myself to the table. Being different has many advantages. A windy path of life with corners and edges like mine awakens curiosity. Nevertheless, you have to meet the requirements of a roll. Just being Turkish isn’t enough.
arrogant bastard by Ralph Martin
The timing of the Berlinale is unfortunate. Barely three weeks after the contortions of Fashion Week, where Berlin bends over backwards to present a glamorous image to the indifferent World Media, comes the film festival, and the city has to do it again. While German celebrity magazines fatten themselves on the endless red carpet photos and party pictures, the city exhausts itself in its schizophrenic act – trying to pretend it’s both cool and a world-class luxury resort where Hollywood sybarites can feel at home. Nowhere was this ever more apparent than at the ill-named Volkswagen People’s Night, a terrible international play on words that sounds like something out of the darkest days of the 20th Century. The People’s Night I attended two years ago was held in the Akademie der Künste, a multi-story atrium filled with platforms that seem to dangle in mid-air, each with its little knot of German celebrities. The only foreigner in sight was Julie Delpy, who wore glasses, no makeup and a long gray sweater. She stayed in the corner of one of the platforms. Otherwise, I saw nothing but a sea of frosted-blonde feminine manes and spangly jackets, cleavage-enhancing bustiers, and men with shaved heads and open-collared shirts. I couldn’t recognize anyone. Where was George, Brad, Leo? Where was Martin Scorcese, whose movie about the Rolling Stones had opened the night before? Where were Mick and Keith? To judge from the photographers blanketing each arriving “star” with photo-flashes, however, you’d think that Berlin really was the new Hollywood. The actors in regional SOKO stars and Krimis were each treated like royalty for 15 seconds. It felt Orwellian: Germany needs celebrities, so photographers are summoned, and parties thrown, to fill the pages of Gala. Since the TV stars’ salaries are paid by the public in the form of licensing fees for ZDF and ARD, and the parties are paid for by arts commissions and big companies like Volkswagen, one starts to get suspicious. Why does Germany need celebrities? Can’t everyone just be happy with finding out the latest Italian girl George Clooney’s dating? Why does Michelle Hunziker, or Verona Pooth, or Veronica whoever, have to be on the cover of magazines? Who’s behind this? It wouldn’t matter if this were the Koblenz Film Festival, but the Berlinale is the real deal, with a real history. All those big Hollywood names are hiding away in the city somewhere, while the lobby of the Hotel de Rome fills up with unexportable actors with hard faces and harder hairdos, waiting for their time to walk the red carpet into a party where people will take their pictures until they have to go back to Munich or wherever and their normal-people apartments, without personal assistants and limousines and all the niceties of Hollywood. Until the Munich Film Ball comes around and the whole machine gets started again. It must feel a little... empty. But it doesn’t have to be this way. Berlin just has to take a deep breath and get a little self-confidence. The rest of the world loves this city. “Poor but sexy” may be a cliché and an embarrassment for Berliners now, but it’s why the smart kids of America and the rest of Europe, not to mention the rest of Germany, are coming here. The half-assed “celebrity” business can go, and no one will notice. There’s no People’s Night this year. This is a good thing. Gala can once again focus on stories about princes cavorting with young busty beauties, and the whole country will sigh in relief. At least I will.
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“The Show has gone as far as it could” (Alexander McQueen)
A blunt message stops me in my tracks, “Alexander McQueen is dead.” I am derailed from my workflow and in my mind I am back there, in London, at Lee Alexander McQueen’s studio in autumn 2009. Ever since my internship at the AlexanderMcQueen, friends have asked me what he is like, what it was like to work with him, etc. To be honest, I don’t really know. He did not come to the studio on a daily basis and when he was there, he was very secluded. The team and us interns called him by his first name Lee. When new interns first saw him they were generally asked not to talk to him and get out of his way unless they were told otherwise. I have often wondered if he gave these instructions himself or if they were merely a legend kept alive by his team to reinforce respect towards him and his assistants. I soon felt like he must be lonely. His suicide is a shock–of course–but it isn’t a surprise to me. Whenever I was asked if I liked the internship, my answer was, “yes, it was a good lesson, but I would not want to be in his place.” I remember the curious glances, the lack of concern for those less glamorous details and the denial that your idol might have gone a way you could not possibly strive for. A lot of young designers I talked to hope for their own chance with a big fashion house and seem to suspect I only lacked the essential drive to make it in this tough business. My time at AlexanderMcQueen and the period that followed left me saying good-bye to a dream. Lee, whom I only talked to once (and only because we were taking the lift together) left me with the impression of someone very driven, someone who knew he should be happy but simply was not. Who ever said success leads to happiness and makes life easier? Lee Alexander McQueen received high praise even as a young designer but nonetheless he was in debt. Later on, his position at Givenchy may have eased his financial situation but it could not satisfy his need for artistic freedom. After selling his own brand to the Gucci Group he found himself free from financial obligations and could now make use of an established structure to produce his designs. In addition to the two the main collections per year, pre-collections were introduced, a men’s wear collection and the more affordable McQ collection, followed by accessories and collaborations with Puma and Samsonite. Of course those were great opportunities, they were contractual possibilities not limited by a meagre budget. In a situation like that, could you still say “Stop!”? Would you even want to? Would you realize you need to slow down? Moving to a new AlexanderMcQueen headquarters was a visible mark in his career, a representative building complete with showroom and shiny floors replaced the old crammed one with broken plank floors. A fancy lift takes you to the top floor, an ivory tower with big glass fronts and balconies, reserved for the upper echelons of the design team. Interns were only asked to go in there to bring samples for fittings, receive instructions in low voices on how to setting up mood boards or to sneak in coffee and pin cushions. Lee joined the team for fittings, to select, instruct, and call for new ideas. Can someone like him, a trained tailor and distinct pattern maker, really enjoy working like this, detached from his product and with a big, everchanging team? To me he seemed like a stranger in his own house, shy even, attending a party he had not invited, amidst a house full of guests too timid to speak or eagerly waiting for a chance to push their way up. As a designer, Lee Alexander McQueen was at his best where it hurt. Collections like “Highland Rape” (1995), inspired by the grimmer aspects of British history, show that he never shied away from macabre topics. His Spring 2009 collection strikes a serious yet tender chord inspired by the clash of human industrialization and nature. The following autumn collection featured women in distorting make-up and contrasted to the prior one in its harsh appeal. “Plato’s Atlantis”, his latest collection, is an ode to man’s return to the sea as his evolutionary origin in a world where man-made issues lead to a globally rising water levels. Pincer-like shoes resulting in a gait recalling fetish ballet boots add to the feeling that this return to the sea is a brought about by force. Strong and poetic, his final collection is yet a fatalistic and pessimistic one. The creator of such ideas most likely is just as hard on himself as he is on his audience. He may always have seen the beast in the beauty, and this way of perception may have been hard to bear. A lot has been written about how much of an “enfant terrible” Alexander McQueen was. It strikes me as if eventually he was only defying himself. As I am writing there is a multitude of Facebook mourning groups already set up. Links are posted to sell memorabilia. People discuss whether they should mourn “Lee”, or “Alexander”, or “McQueen”, they are fighting over comments lacking piety or wonder if the collection is still going to be sold. While many realize they are never going to meet their idol in this life, numerous stars and starlets offer their condolences.
Reporting mostly hints at the idea that Alexander Lee McQueen has taken his life in mourning the death of his mother, who died just a few days earlier. Isabella Blow, his close friend and mentor, who committed suicide in 2007, is also frequently mentioned as if to suggest death was but a contagious illness. While the media cover his death as surprising they all the same find explanations quickly and easily. On the one hand, it is described as a shock, on the other hand his Twitter messages could have been a warning–goes the theory. If for once his mother’s death is not cited as the reason people wonder openly why he of all people had reason to kill himself. As if there were people considered pitiful enough to do so and others so lucky that their suicide could not be accepted. It seems like the way to success not only brings competition but also comes with friends hesitant to give their opinion. Remembering my time at AlexanderMcQueen, I can hardly recall an instance when someone was openly criticising him. This withdrawal of open feedback may not only lead to loneliness but also to pressure by distorting one’s self-image to a god-like ideal one might try to live up to. Lee’s death leaves me sad, though not surprised. It leaves me wishing for a little contemplation, for time to listen, and for courage in a profession ever willingly scratching the surface of human abysses on the path to creating beauty. It would be presumptuous to say Alexander Lee McQueen’s death could have been prevented. Yet I hope that after the sudden sadness and mourning his death could be a lesson to remember what else makes life worth living while we’re chasing our dreams.
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Fotos: Alexander Malecki
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