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Kiesel - Allrounder für den Steinbruch: Der neue Bell B45E 4x4
Kooperation zweier Kiesel-Boliden. Der neu vorgestellte Bell B45E 4 × 4 präsentiert sich vorteilhaft im effizienten Zusammenspiel mit dem Hitachi ZX530 Großbagger. Schauplatz des Presseevents war der Casea Gips-Steinbruch im thüringischem Ellrich. Quelle: Bernd Mair/Treffpunkt.Bau
Allrounder für den Steinbruch: Der neue Bell B45E 4 × 4
Mit einer großangelegten Roadshow begleitet der internationale Bell-Vertriebspartner die Markteinführung des grundlegend überarbeiteten Bell B45E 4 × 4. Mit neuem Fahrwerk und angepasster Gesteinsmulde entspricht der 41-Tonner noch besser den Anforderungen kleinerer und mittlerer Gewinnungsbetriebe. Auch diese profitieren jetzt voll von den Vorteilen, mit denen sich die drei knickgelenkten Allrad-Zweiachser von Bell mit Nutzlasten von 28 bis 55 t in ihren jeweiligen Anwendungssegmenten positionieren. Zum Auftakt der Roadshow Ende April bei Nordhausen luden Kiesel und Bell Equipment gemeinsam die Fachpresse ein, um das neue Modell sowie das Bell-Muldenkipperwerk im nahe gelegenen Eisenach zu begutachten.
Uwe Herber, Kiesel-Branchenleiter Gewinnung, erklärt: „Eigentlich war der neue Bell B45E 4 × 4 fest als ‚Show-Stopper‘ unseres diesjährigen Steinexpo-Auftritts vorgesehen“, und umreißt damit klar die Zielgruppe für den 41-Tonnen-Zweiachser: „Schon bei seiner Vorstellung auf der letzten Bauma überzeugte er viele unserer europäischen Gewinnungs-Kunden als echte Alternative zu konventionellen Starrahmen-Kippern und großen knickgelenkten 6×6-Erdbaumulden.“
Als hochrobust ausgelegte Transport-Lösung schließe er echte Lücken, die sich heute im stark ausgedünnten Marktsegment der 40- bis 50-t-SKW auftun. Dabei ermöglicht sein Allradantrieb eine deutlich höhere Auslastung gegenüber klassischen 4×2-Starrkippern, sei es im Betrieb unter schwierigen Witterungsbedingungen im Ganzjahres-Abbau oder bei Transporten in steilem oder unwegsamem Terrain (z. B. Neuaufschlüsse, Abraum), so Uwe Herber.
Grundsätzlich bestätigten sich diese Erwartungen auch bei den zahlreichen Praxistests im In- und Ausland, die Kiesel ab Mitte 2019 und auch im Corona-Jahr 2020 bei Endkunden durchführte. „Diese Tests fielen bei dem völlig neuen Maschinen-Konzept sehr intensiv aus, was den Vergleich mit vorhandenen Transportgeräten, aber auch die Einbindung des Allrad- Zweiachsers in bestehende Ladeflotten oder Betriebsorganisationen anbelangt.“ Neben ersten erfolgreichen Platzierungen des Nischenmodells sammelte Kiesel so vor allem wertvolles Kundenfeedback, das unmittelbar in die im Zuge der EU V-Umstellung weiterentwickelte zweite Generation der 4 × 4-Mittelklasse von Bell Equipment floss.
Besser fahren – besser laden
Die maßgeblichen Veränderungen betreffen dabei insbesondere den für alle Bell-Zweiachser typischen kurzen Hinterwagen des Bell B45E 4 × 4. Trotz einer neuen Achsaufhängung und des stark angepassten Mulden-Designs blieben Rahmenlänge und Radstand nahezu identisch, was die hervorragende Wendigkeit des Zweiachs-Knicklenkers gewährleistet (max. Wendekreis: 17,31 m).
Wie beim Sechzigtonner Bell B60E übernehmen jetzt zwei Öl-/Stickstoff-Stoßdämpfer die Federung der zwillingsbereiften Antriebsachse vom deutschen Hersteller Kessler. In Verbindung mit der serienmäßigen adaptiven „Comfort-Ride“-Frontfederung sorgt dies für mehr Fahrkomfort, insbesondere aber für noch bessere Traktion und Bremseigenschaften des beladen rund 78 t schweren Zweiachsers (Leergewicht: 37.157 kg). Die Hinterachse bietet neben einem Anti-Schlupf-Differenzial jetzt auch eine sensorgestützte automatische Traktionskontrolle. Anlenkung und Federwege der neuen Aufhängung wurden so dimensioniert, dass eine Ausrüstung der 21.00 R35-Zwillingsbereifung mit Schneeketten möglich ist.
Komplett neu gezeichnet wurde die SKWtypische Gesteinsmulde mit flachem Boden: Ursprünglich an das Design des Bell B60E angelehnt, der in der Praxis meist von schweren Gewinnungsbaggern beladen wird, erschwerte die Mulde zuvor das in kleineren bis mittleren Steinbrüchen oft übliche Laden mit Radladern. Die Mulde wurde verlängert und erhielt eine gerade Stirnwand, was dank längerer Muldenoberkante und besserem Füllverhalten jetzt auch die schnelle Beladung mit 3,5- bis 6-m³-Felsschaufeln ermöglicht. Dabei blieben sowohl die max. Kipphöhe (6.485 mm bei 55°) als auch die große Bodenfreiheit der Schurre (890 mm) nahezu unverändert. Damit lässt sich der knickgelenkte 41-t-Zweiachser deutlich besser in bestehende Infrastrukturen (z. B. Brecher-Einhausungen) einpassen als vergleichbare 6×6-Knicklenker mit langer Erdbau-Mulde, bietet jedoch deren Vorteile gegenüber konventionellen Starrkippern mit tiefer Schurre beim schnellen Entladen in jedem Terrain. Die abgasbeheizte 25-m³-Mulde mit 4.265 mm Standardbreite (mit Heckklappe: 26 m³ / 4.639 mm) markiert gleichzeitig die Fahrzeugbreite – eine in Kürze erhältliche schmälere „Narrow“- Mulde gleichen Volumens bringt den Bell B45E 4 × 4 optional auf unter 4,00 m Gesamtbreite.
Uwe Herber, Branchenleiter Gewinnung bei Kiesel
Topaktuelle Technik aus der Großserie
Während die Anpassungen von Hinterwagen und Mulde eine weitere Station in fast zehn Jahren spezifischer 4 × 4-Entwicklung darstellen, profitieren die Betreiber bei Antrieb, Kraftübertragung und intelligenter Fahrzeugsteuerung von der ständig weiterentwickelten 6x6-Knicklenker-Großserie von Bell Equipment. So besitzt der Bell B45E 4 × 4 den nahezu identischen Vorderwagen des 6×6-Schwestermodells B45E. Unter der Haube arbeitet der 390 kW starke Reihensechszylinder OM471LA von Mercedes-Benz in MTU-Offroadversion. Die Abgasreinigung nach EU-Stufe V übernimmt ein wartungsarmes System aus kontrollierter Abgasrückführung (EGR), SCR-Technologie und Dieselpartikelfilter. Gemeinsam mit der „selbstlernenden“ Allison-Siebengang-Automatik 4700 ORS gewährleistet der drehmoment-optimierte Motor (2.460 Nm bei 1.300 U/min) eine hohe Kraftstoff-Effizienz, die sich in niedrigen Verbrauchswerten niederschlägt. Wie bei den übrigen aktuellen Bell-Großdumpern übernehmen Ölbadlamellen-Bremsen an beiden Achsen die Verzögerung – in Kombination mit der Jacobs-Motorbremse auch als mehrstufig programmierbare, vollautomatische Dauerbremse.
Der Arbeitsplatz in der großräumigen Bell- Standardkabine des B45E 4 × 4 bietet gute Übersicht, hohen Komfort und ein vollständiges Serien-Paket an fahrerbezogenen Assistenzsystemen. Dazu zählen beispielsweise Berganfahrhilfen bzw. Rückroll-Sperren sowie Lade- und Kipp-Routinen, die gleichermaßen für Produktivität und Sicherheit sorgen. Alle elektronischen Helfer und Status-Anzeigen basieren auf Echtzeit-Messdaten der vernetzten Fahrzeug-Sensorik (On-Board-Waage, Neigungs- und Rollsensoren etc.), die über praxisgerechte Auswertungen der satellitengestützten Bell-Maschinenüberwachung Fleetm@tic auch zur Leistungsdokumentation bzw. Wartungsoptimierung abgerufen werden können.
Multitalent und Leistungsträger
„In seiner überarbeiteten Auslegung ist der Bell B45E 4 × 4 für unsere europäischen Märkte die ideale Ergänzung im Zweiachser-Angebot von Bell Equipment“, urteilt Walter Michels, Kiesel- Produktmanager für knickgelenkte Muldenkipper. „Hier das auf schiere Allwetter-Produktivität ausgerichtete Flaggschiff B60E 4 × 4, am anderen Ende der 30-Tonner B30E 4 × 4 als hoch wirtschaftliche und dabei kompakte Lösung für den Untertageeinsatz sowie im Lockergestein und dazwischen der ‚45er‘, der mit seinen ausgewogenen Crossover-Qualitäten neue Maßstäbe im Steinbruch definiert.“ Bei vergleichbaren Lade- und Transportleistungen punkte er gegenüber 4×2-SKW der 40- bis 50-Tonnenklasse mit den Vorteilen des Allradantriebs. Gerade für Unternehmen mit Ganzjahresbetrieb unter widrigen Bedingungen oder in anspruchsvoller Topografie sei dies entscheidend.
„Im direkten Vergleich zu knickgelenkten 6x6 wird dann deutlich, dass konventionelle Großdumper im Steinbruch eben doch mehr Kompromiss als echte Alternative sind“, so Walter Michels, der bei Kiesel seit 2016 die gesamte Bell-Modellpalette betreut und bei deren Einbindung in Erdbau- bzw. Gewinnungs-Systemlösungen mit Ladegeräten aus dem großen Hitachi-Programm mitwirkt. „Der Zweiachser ist beim Laden und am Vorbrecher ungleich wendiger und harmoniert dank der Gesteinsmulde meist besser mit den gewinnungsspezifischen Ladegeräten.“ Auf Umläufen punkte er systembedingt mit deutlich weniger Beanspruchung von Fahrstrecken und Reifen: „Je nach Untergrund graben sich die nicht ‚in Spur‘ laufenden Tandemachsen förmlich in enge Kehren, was hohen Instandhaltungsaufwand verursacht. Auf hartem und abrasivem Untergrund geht dies massiv zulasten der großen EM-Bereifung. Das kann sich gegenüber unserer 4 × 4-Zwillingsbereifung durchaus im Bereich von mehreren hundert Betriebsstunden weniger Lebensdauer bewegen und stellt einen immensen Kostenfaktor dar“, rechnet Experte Michels vor.
Schauplatzwechsel: Bell Muldenkipperwerk Eisenach
Im Rahmen des Kiesel Pressemeetings informierte die deutsche Tochter des internationalen Knicklenker-Spezialisten Bell über ihre aktuellen Aktivitäten. Veranstaltungsort war das Bell Muldenkipperwerk in Eisenach, das 2019 mit der Inbetriebnahme der neuen Muldenkipperfertigung erheblich erweitert wurde. Die geschäftlichen Aktivitäten der im Jahre 2000 als dritte europäische Vertriebs-Niederlassung gegründeten Bell Equipment (Deutschland) GmbH beleuchtete Geschäftsführer Andreas Heinrich.
Weiterhin gut aufgestellt
Nach wie vor ist die Koordination der nationalen Vertriebs- und Serviceaktivitäten ein zentraler Schwerpunkt des insgesamt 265 Mitarbeiter starken Unternehmens mit Sitz in Alsfeld. Während sich jedoch der flächendeckende Deutschland-Vertrieb in den vergangenen Jahren auf die beiden großen Partner Kiesel und Carl Beutlhauser Baumaschinen organisatorisch „verdichtete“, wächst das europäische Verantwortungsgebiet. Heute betreut Bell von Deutschland aus insgesamt 22 Nationen in Mittel- und Südeuropa. Dabei ist auch das in Alsfeld beheimatete European Logistic Centers (ELC) ein wichtiges Instrument. Das 2002 gegründete Ersatzteilzentrum versorgt alle Bell-Märkte in Europa sowie Teilen Asiens und kooperiert dabei eng mit der globalen Bell-Logistik (GLC) in Johannesburg und dem American Logistic Center im weltweit größten Einzelmarkt für knickgelenkte Muldenkipper. Neben der Lieferung von Teilen an Bell-Händler oder Endkunden koordiniert das ELC eigenständig auch die zentrale Beschaffung von europäischen Zulieferern. Mit einem aktuellen Bestand an 13.000 Einzelpositionen für die C-/D-/E-Fahrzeuggeneration seit 1998 erreichen die deutschen Bell-Logistiker heute eine 90-prozentige Verfügbarkeit, basierend auf komplett gelieferten Auftragspositionen. Trotz des auch Corona-bedingt schlechter verlaufenen Umsatzjahrs 2020 hat sich das ELC mit zuletzt rund 19,5 Mio. Euro Einzelumsatz zu einem „krisensicheren“ Standbein der deutschen Bell-Tochter entwickelt, in die als Niederlassung auch das europäische Bell-Muldenkipper in Eisenach wirtschaftlich eingegliedert ist. Nach einem kontinuierlichen Anstieg über die vergangenen zehn Jahre musste das Unternehmen 2020 ebenso Corona-bedingt einen Rückgang des Gesamtumsatzes auf 114,04 Mio. Euro/Jahr hinnehmen. „Wir gehen jedoch davon aus, dass wir diese Entwicklung bereits wieder in diesem Jahr umkehren können“, gab sich Geschäftsführer Andreas Heinrich optimistisch und wies auf das für Bell Deutschland überdurchschnittlich umsatzstarke 2019 hin.
Stabile Nische
Auf die Entwicklungen am deutschen und internationalen Markt für knickgelenkte Muldenkipper ging Bell-Verkaufsleiter Andreas Reinert ein. Er zeichnete die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre nach, die im globalen Rahmen weiterhin dynamisch, allerdings mit einer starken Abhängigkeit auf wenige große nationale Einzelmärkte verläuft. Für Deutschland, wo knickgelenkte Muldenkipper heute einen Anteil an 2 – 3 % am Großmaschinenmarkt halten, beobachte man seit gut zehn Jahren eine zwar stabile, aber mit ehemaligen Absatzspitzen von 400 und mehr Fahrzeugen nicht mehr zu vergleichende Entwicklung. „Es wird allgemein erwartet, dass sich der durchschnittliche Jahresabsatz in Deutschland bei etwa 200 Fahrzeugen einpendelt“, so Andreas Reinert. Außer von alternativen Transportverfahren im Erdbau werde der Bedarf auch stark von der mittelfristigen Ausrichtung von öffentlichen Infrastruktur- Projekten beeinflusst. „Hier geht es für uns nicht mehr nur darum, ‚dass gebaut wird‘, sondern auch ‚was gebaut wird‘, formuliert Reinert auch im Hinblick auf die Verschiebung der Investitionen von Neubauten auf dringend notwendige Sanierungen von Brücken und Straßen.
Auch an einem kleiner werdenden Markt bleibt Bell Equipment der Muldenkipper-Spezialist, was der Blick auf das aktuelle Modellangebot unterstreicht. Während andere Hersteller ihre Leistungsklassen verdichten, bietet Bell Equipment nach wie vor das größte Programm an konventionellen knickgelenkten 6x6-Muldenkippern am Markt. Insgesamt sieben Modelle von 18 bis 45,4 t Nutzlast hat das Unternehmen im Programm, das gerade in den vergangenen Jahren noch um eine eigenständige Palette an knickgelenkten Allrad-Zweiachsern gewachsen ist. „Es zeigt sich, dass diese attraktiven Lösungen auf Basis unserer Großserien-Technik gerade in Deutschland und Europa auf großes Interesse stoßen“, so Andreas Reinert mit Verweis auf den parallelen Start der großangelegten Roadshow „R-Evolution“ des Bell-Partners Kiesel in Deutschland und Österreich. „Mit diesen Lösungen heben wir uns einmal mehr vom Wettbewerb ab. Mit dieser Flexibilität konnten wir uns in vielen Märkten – nicht zuletzt in Deutschland – fest unter den führenden Muldenkipper-Anbietern etablieren.“
Noch näher am Markt
Für Marktnähe und Flexibilität steht auch die seit 2003 in Eisenach beheimatete europäische Fahrzeugfertigung von Bell Equipment, die seit 2019 neben der reinen Fahrzeugmontage auch die Eigenfertigung der großvolumigen Muldenkörper und weiterer Fahrzeug-Komponenten umfasst. Stephan Giese, Leiter Engineering im Bell-Werk, stellte die Abläufe auf dem rund 10 Hektar großen Werksareal mit jetzt insgesamt rund 18.000 m² verfügbaren Produktions- und Lagerflächen vor. Im Fokus dabei die Fertigungslinie für die Kippmulden der aktuell insgesamt sieben in Eisenach produzierten Modelle mit Nutzlasten von 18,0 bis 45,4 t. Kamen diese in der Vergangenheit aus regionaler Drittfertigung oder zuletzt sehr aufwendig auf dem Seeweg aus Südafrika, werden jetzt alle Mulden auf Basis hochwertiger Werkstähle aus europäischer Produktion direkt in Eisenach produziert. Die weitere Bündelung von Kernkompetenzen am Standort Eisenach ermöglicht es jetzt noch besser, im Zusammenspiel mit dem südafrikanischen Stammwerk und den europäischen Zulieferern sehr flexibel auf Entwicklungen in den Zielmärkten und Nachfrageschwankungen zu reagieren.
Text: Bernd Mair/Treffpunkt.Bau