Deutscher Städtebaupreis - Sonderpreis 2018

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DEUTSCHER STÄDTEBAUPREIS SONDERPREIS 2018 ORTE DER BILDUNG UND KULTUR IM STÄDTEBAULICHEN KONTEXT TECHNISCHE UNIVERSITÄT DARMSTADT | CAMPUS STADTMITTE


EINLEITUNG Collage Phasen 1 bis 6 [02]

Die Geschichte der Entwicklung der ehemals

Technischen Hochschule und heutigen Technischen Universität Darmstadt im Herzen der Stadt ist in besonderer Weise und untrennbar mit der Stadtentwicklung Darmstadts verbunden. Musste in der ersten Phase der Erweiterung Ende des 19. Jahrhunderts noch die Hofmeierei des Großherzogs für Neubauten weichen, so führte die tragische Zerstörung der Innenstadt Darmstadts im September 1944 zu neuen Entwicklungsmöglichkeiten in der Nachkriegszeit. In der Phase des Wiederaufbaus ist besonders hervorzuheben, dass die Interessen von Stadtplanung und Hochschulentwicklung gemeinsam verfolgt wurden. So entstanden auf dem Areal der ehemaligen Altstadt Zug um Zug neue städtebauliche Strukturen, der Gebäudebestand wurde repariert, durch Neubauten verdichtet und das zur Technischen Hochschule gehörende Residenzschloss wieder aufgebaut. Nicht alle Entwicklungspotentiale konnten in dieser Zeit ausgeschöpft werden und so blieb Raum für eine weitere Phase intensiver Bautätigkeit, die 2005 eingeleitet wurde. In diesem Jahr erhielt die TU Darmstadt durch das so genannte TUD-Gesetz als erste Universität Deutschlands den Status einer „autonomen Universität“ und konnte von diesem Zeitpunkt an die Bauherrenfunktion eigenständig und unabhängig vom Landesbaubetrieb ausüben. Über das Landesprogramm HEUREKA für 12 Jahre mit einem festen Baubudget in Höhe von 25,5 Mio. Euro pro Jahr ausgestattet sowie mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II, dem Hochschul-

pakt 2020, der Forschungsbauförderung und anderen, wurde die TU Darmstadt in die Lage versetzt, ihren Gebäudebestand bedarfsorientiert zu sanieren, zu erweitern und die notwendige Infrastruktur auszubauen. Seit Beginn der Autonomie wurden mehr als 500 Mio. Euro in Baumaßnahmen investiert. Ergebnisse der größten baulichen Aktivität der Technischen Universität Darmstadt sind in dem Buch „Zehn Jahre Bauautonomie - TU Darmstadt“ in Auszügen dokumentiert. Für den Campus Innenstadt wurde es möglich weiteren Flächenbedarf zu decken und zugleich in der Tradition des Wiederaufbaus nicht nur die Universität anspruchsvoll weiter zu entwickeln, sondern auch erneut eine aktive Rolle bei der Stadtgestaltung einzunehmen und daran mitzuwirken, dass der Campus im Herzen der Stadt sich weiter mit der Umgebung verzahnt und urbane Qualitäten entwickelt werden. Beispielhafte Projekte dafür sind die Wiederbelebung des Schlossgrabens unter Spendenbeteiligung der Darmstädter Bürgerschaft und der Neubau der für alle Bürgerinnen und Bürger offenen Universitäts- und Landesbibliothek, die zusammen mit den sie umgebenden Außenräumen dem Campus eine neue Mitte gibt. Aus Hinterhöfen wurden Orte öffentlichen Lebens. Zwischen dem Residenzschloss am Stadtzentrum und einem Neubau am Kantplatz wird jenseits bestehender Straßen eine historische Verbindung neu belebt und gestaltet. Die Universität ist Teil der Stadt geworden.

LEGENDE vor 1930

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ab 1930

ab 1945

ab 1990 H

Epochenplan TU Darmstadt, M 1:7500 GSEducationalVersion

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PHASE 1 - GRÜNDUNGSGESCHICHTE Altes Hauptgebäude, 1895 [03]

Mit der Entscheidung des jungen Großher-

zogs Ernst Ludwig, für die dringend benötigten Neubauten der im Jahr 1877 als Großherzoglich Hessische Technische Hochschule gegründeten TU Darmstadt Teile des Schlossgartens und der Hofmeierei zur Verfügung zu stellen, sind die Voraussetzungen für die bis heute enge räumliche Verzahnung von Universität und Stadt geschaffen. Bis 1895 entstehen zunächst das repräsentative „Alte Hauptgebäude“ nach Plänen Heinrich Wagners sowie die ihm direkt gegenüberliegenden Institutsbauten für Chemie, Physik und Elektrotechnik nach Entwurf von Erwin Marx.

Schon 1904 fügt Friedrich Pützer zwischen die ehemals freistehenden Gebäude einen Hörsaaltrakt mit charakteristischem Turmbau und erweitert das Ensemble in den Herrngarten hinein nach Westen. Zeitgleich realisiert Georg Wickop das imposante Maschinenhaus in der Magdalenenstraße und ergänzt das Alte Hauptgebäude bis 1908 zu einer geschlossenen Anlage mit zwei Innenhöfen und verlängertem Westflügel am Schlossgartenrand.

Historisches Maschinenhaus, 1904 [05]

Institutsgebäude für Physik, Elektrotechnik und Chemie, 1895 [04] Deutscher Städtebaupreis Sonderpreis 2018 | Technische Universität Darmstadt | Campus Stadtmitte

Westflügel um 1915 [06]

Lageplan von 1895 [07] 3


PHASE 2 - VORKRIEGSZUSTAND Technische Hochschule Darmstadt um 1935 [08]

B

is zum Ende der 1930er Jahre wächst die Hochschule kontinuierlich in das Quartier östlich des Herrngartens bis zur Magdalenen- und Schlossgartenstraße, wobei der zusätzliche Platzbedarf vor allem durch die Nutzung der ehemaligen Kasernengebäude entlang der Magdalenen- und Alexanderstraße aufgefangen und das Hochschulareal dadurch erheblich erweitert werden kann.

Technische Hochschule Darmstadt um 1935 [09]

Spätestens nach der bis 1921 realisierten Einrichtung des Instituts für Zellulosechemie in einem aufgegebenen Kasernengebäude und dem Umbau der zuletzt als Exerzierhalle genutzten heutigen „Otto-Bernd-Halle“ zur Turn- und Festhalle durch Karl Roth im Jahr 1926 ist die Verankerung der Hochschule im Stadtgefüge nicht nur institutionell sondern auch räumlich vollzogen. Als Gelenk am Übergang zwischen der kleinteiligen Altstadt, dem dicht bebauten Martinsviertel und dem repräsentativen Stadtzentrum prominent situiert, expandiert das prosperierende Hochschulquartier noch ein weiteres Mal nach Nordwesten in den ehemals großherzoglichen Park.

Technische Hochschule Darmstadt um 1935 [10] Deutscher Städtebaupreis Sonderpreis 2018 | Technische Universität Darmstadt | Campus Stadtmitte

Lageplan von 1939 [11] 4


PHASE 3 - ZERSTÖRUNG UND NEUBEGINN Zerstörte Innenstadt, 1944 [12]

Darmstadt Altstadt und Schloss, 1945 [13]

Nach den verheerenden Luftangriffen briti-

scher Bomberverbände im September 1944 liegen große Teile der Darmstädter Innenstadt in Trümmern, die ehemalige Altstadt zwischen Alexander- und Landgraf-Georg-Straße ist nahezu vollständig ausradiert, aus den Ruinen ragen Teile der alten Stadtmauer auf. Noch im Mai 1945 legt Karl Gruber einen ersten Plan zum Wiederaufbau der Altstadt vor, in dem über dem bisherigen Stadtgrundriss neue Platzund Straßenräume eingetragen sind. Nach der Zerstörung sowie dem Verlust der Hauptstadtfunktion setzen die politisch Verantwortlichen

Gruber Wiederaufbauplan, 1945 [14]

Gruber Stadtbild, 1945 [15]

fortan vor allem auf die Anknüpfung an die Tradition einer Kultur- und Wissenschaftsstadt. Konsequent werden in der Folgezeit die an der historischen Stadtgestalt orientierten Planungen Karl Grubers zugunsten eines Konzeptes verworfen, bei dem die bauliche Entwicklung der TH, deren ebenfalls stark beschädigte Altbauten zunächst notdürftig instand gesetzt werden, auch weiterhin eng mit der Stadtentwicklung verbunden bleibt.

Altstadt um 1950 [16] Deutscher Städtebaupreis Sonderpreis 2018 | Technische Universität Darmstadt | Campus Stadtmitte

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PHASE 4 - WIEDERAUFBAU UND ERWEITERUNG Technische Hochschule Darmstadt Erweiterungsbauten Modell 214 [17]

Die weitgehende Zerstörung des Areals zwi-

schen Landgraf-Georg-Straße und Alexanderstraße ermöglicht eine umfassende Neuplanung: 1953 werden weite Teile der ehemaligen Altstadt zum künftigen Erweiterungsgebiet der TH Darmstadt umgewidmet. Nach der Gründung des Staatlichen Hochschulbauamts entstehen auf den durch Kauf oder Umlegung frei gewordenen Grundstücken gemäß dem Leitbild der durchgrünten Stadtlandschaft im Sinne eines innerstädtischen Campus beiderseits der Promenade zur Mathildenhöhe bald erste Neubauten in Formen einer schlichten

Moderne, darunter die Riegel des Instituts für Massivbau an der Alexanderstraße, bis 1956 gebaut nach Entwurf von Theo Pabst. Im selben Jahr geht die nach Plänen Ernst Neuferts realisierte spektakuläre Wasserbauhalle an der Rundeturmstraße in Betrieb, durch ihre prägnante Schalenkonstruktion ein Leitbau der künftigen Hochschulentwicklung. Seit der Entscheidung zur Einrichtung einer Fakultät für Kultur- und Staatswissenschaften im Residenzschloss wird auch dieses Gebäude im Zentrum der Stadt von der TU Darmstadt für Lehre und Forschung genutzt. Lageplan Schelling [19]

Altstadtgelände, Anfang 50er Jahre [18] Deutscher Städtebaupreis Sonderpreis 2018 | Technische Universität Darmstadt | Campus Stadtmitte

Neubau des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft, Wasserbauhalle, 1956 [20] 6


PHASE 5 - REALISIERUNG UND NUTZUNG Wasserbauhalle [21]

Während

die ersten Räumlichkeiten im noch beschädigten Schloss bereits zum Sommersemester 1966 übergeben werden können, kommen die Planungen für den Neubau eines Hochschulzentrums in funktionaler Einheit aus Verwaltungshochhaus und Hörsaalgebäude am Karolinenplatz nur langsam voran. Als das Ensemble, dessen ausladende Betonterrassen und großformatigen Reliefs des Bildhauers Helmut Lander die räumliche Verbindung von Stadt und Universität auf eindrucksvolle Weise inszenieren, im Jahr 1970 bezogen wird, Neue Hochschulgebäude, ehemaliges Altstadtgelände, 1960 [22]

Überdies wird der Campus Stadtmitte durch die Bauten des Instituts für Kernphysik sowie die Errichtung eines Mehrzweck- und Verfügungsgebäudes der Fachbereiche Mathematik und Physik bis in die 1970er Jahre hinein weiter nach Nordosten in das unterdessen zum förmlich festgelegten Sanierungsgebiet erklärte Martinsviertel hinein ausgedehnt und als Folge der Bildungsreform zunehmend intensiv genutzt.

Neues Verwaltungsgebäude mit Audimax, 1970 [23]

Massivbauinstitut an der Alexanderstraße, 1956 [24] Deutscher Städtebaupreis Sonderpreis 2018 | Technische Universität Darmstadt | Campus Stadtmitte

ist die bauliche Entwicklung der TH auf dem Gelände der ehemaligen Altstadt weitgehend abgeschlossen.

Wilder Parkplatz auf dem noch unbebauten Gelände vor der Kernphysik, 1968 [25]

Luftbild der Hinterhofsituation des späteren ULB-Geländes, 2005 [26] 7


PHASE 6 - REURBANISIERUNG Karolinenplatz [27]

Konsequent wird die mit der Hochschulauto-

nomie verbundene Zuständigkeit des Präsidiums der TU für Grundstücks- und Bauangelegenheiten seit 2005 zur Beseitigung des Sanierungsstaus und zur behutsamen stadträumlichen Transformation genutzt. Als programmatischer Auftakt einer Strategie der „Reurbanisierung“ des in die Jahre gekommenen innerstädtischen Hochschulquartiers entsteht – mit dem Ziel einer Konsolidierung des Bestandes bei gleichzeitig auch gestalterischer Qualifizierung der historisch gewachsenen Außen- und Zwischenraumfolgen – in produktiver funktionaler und institutioneller Vernetzung mit

der Stadt bis 2007 das Wissenschafts- und Kongresszentrum „darmstadtium“. Im Rahmen der Sanierung des Universitätszentrums erhält der Campus mit dem „karo 5“ im Jahr 2009 ein zentrales Eingangsgebäude. Der Neubau der Universitäts- und Landesbibliothek und die Umnutzung des historischen Maschinenhauses zum Hörsaal- und Seminargebäude (2013) sind weitere Meilensteine auf dem Weg in die Zukunft der Wissenschaftsstadt, die insbesondere durch die Gestaltung und die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der öffentlichen Freiräume geprägt sein wird.

Luftaufnahme Schloss und Eingangsgebäude karo 5 [28] Deutscher Städtebaupreis Sonderpreis 2018 | Technische Universität Darmstadt | Campus Stadtmitte

Isometrie, ohne Maßstab 8


PHASE 6 - REURBANISIERUNG Campusmitte zwischen Mensa und ULB [29]

A

B Lesehof der ULB [30]

Aussicht vom Karolinenplatz auf das karo 5 [31]

A

Campusmitte

Mensa

Lesehof B ULB Grundriss Campusmitte, M 1:1500 Deutscher Städtebaupreis Sonderpreis 2018 | Technische Universität Darmstadt | Campus Stadtmitte

Schnittansicht A - A, M 1:750 9


PHASE 6 - REURBANISIERUNG Luftaufnahme Campusmitte [32]

Historisches Maschinenhaus [33]

Karl Plagge-Haus [34]

Visualisierung CYSEC am Kantplatz [35]

Campusmitte Karolinenplatz Pr채sidiumsgeb채ude

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Schnittansicht B -B, M 1:750 10


Kantplatz, Historisches Maschinenhaus [36]

Blick vom Kantplatz in die Hochschulstraße [37]

Vom Herrngarten zum Campus [38]

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LUFTAUFNAHME

Luftaufnahme [48] ohne Maßstab

Blick über den Schlossgraben [39]

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Nutzungsvielfalt [40]

Wegeführung im Schlossgraben [41]

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Mandelblüte in Campusmitte [42]

Campusmitte [43]

Blick von der ULB über den Campus [44]

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IM STADTGEFÜGE

Lageplan M 1:1500

Blick vom Karo 5 zum Schloss [45]

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Park im Schlossgraben [46]

Anbindung der Schlossanlage an die Innenstadt [47]

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