Outdoor
Kerstin Bauer Sommersemester 2011 Freies Gestalten | Prof. Arndt
Mindmap Mainz Nischen Knetraum Skulptur: Marshmallowbrüste Aktion: Gratisgespräch
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Index
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Mindmap Outdoor - der öffentliche Raum. Was assoziiere ich mit dem Begriff? Die Mindmap ist eine erste inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik. Dabei haben sich die Begriffsgruppen Privater Raum (als Gegensatz zur Öffentlichkeit), soziale Normen, Stadt und Natur heraus kristallisiert. Für mich ist der Kontrast zwischen dem privaten und dem öffentlichen Raum und dem damit verbundenen unterschiedlichen Verhalten am interessantesten.
Während man sich in seinem privaten Freiraum zeigen kann wie man möchte, unterliegt man in der Öffentlichkeit immer bestimmten unausgesprochenen Gesetzen, die das eigene Verhalten regulieren und an die allgemein anerkannte Norm anpassen um nicht auffällig zu werden und aus der Gemeinschaft herauszutreten. Das soziale Gefüge bietet Sicherheit so lange man ein Teil dieser Gemeinschaft und entsprechend angepasst ist. Geht das eigene Verhalten aber über die Norm hinaus, läuft man Gefahr, von der Gemeinschaft verstoßen zu werden. Ein stark ausgeprägter Individualismus oder eine exzentrische Ader machen also angreifbar. Dieser
Gefahr der sozialen Abstoßung wollen die meisten Menschen aus Angst vor ihrer eigenen Verletzlichkeit entgegenwirken. Hinter einem großen Schutzbedürfnis durch ein soziales Gefüge steht dann also eine große Verwundbarkeit.
soziales Gefüge Geborgenheit
Gemeinschaft Mitwirken
Sicherheit
von Allen für Alle?
Wer gestaltet den öffentlichen Raum?
verstecken Freiraum
so sein können wie man will
unauffällig sein uniform Anpassung Vorschriften Gesetze
PRIVATER RAUM
SOZIALE NORMEN
Ordnungsamt menschliches Rechtssystem Naturgesetze unbemerkte Plätze fremd
ÖFFENTLICHER RAUM Straßen Verschleiß
NATUR
Autos Verkehr
Wetter
laut
Einhaltung
unfrei gefangen
Abweichen Gefahr Verletzbarkeit
STADT
Schutzbedürfnis
viele Menschen
Pflanzen Tiere wenig Menschen
gedrängt belebt Bebauung
Abfall
belebt ohne Menschen
Architektur
unbeachtet unnötig überflüssig
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Mainz Eine erste Begehung der eigenen Stadt.
Kapellenplatz Mainz Gonsenheim
Wo sind interessante, ungewĂśhnliche Orte, die MĂśglichkeiten fĂźr Interventionen ergeben?
leerstehende Garage Mainz Weisenau
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verlassene H채user Mainz Zwerchallee
freier Platz M端nsterplatz
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Nischen Unter zwei Meter große, unbemerkte Zwischenräume. Auf der Suche nach fremdem, überschaubar begrenztem Raum.
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Knetraum Was kommt dir in den Kopf, wenn du an den öffentlichen Raum denkst? Wie fühlt sich dieser Raum an? Welche Gestalt kann man ihm geben? Der Knetraum ist mein Versuch, dem abstrakten Begriff des öffentlichen Raums durch Knete eine Form zu geben. Um einen Raum darzustellen braucht das Objekt eine Begrenzung nach Außen hin. Gleichzeitig soll dieser Raum auch öffentlich zugänglich sein, weshalb das Objekt zum größten Teil offen und nur nach Hinten und zu den Seiten hin begrenzt ist.
Mein erster Impuls für eine Formfindung war eine hohle Rundform. Aus dieser offenen Höhle treten Kugeln vom inneren, geschützen Teil nach Außen in den freiliegenden Teil hinter der Begrenzung, bzw. Formen dringen von Außen nach Innen herein. Im inneren, geschützteren Teil sind die Kugeln kleiner, also schwächer, was sie sich durch die gegebene schützende Begrenzung des Raumes leisten können. Durch die Form habe ich versucht den Kontrast zwischen dem privaten und dem öffentlichen Raum darzustellen.
Interessanterweise hat mich das Endergebnis der Form an eine weibliche Brust erinnert, was mich wieder auf die Themen Verletzlichkeit und Schutzbedürfnis hat stoßen lassen. Durch diese Form konnte ich den Themenbereich für mich um Geborgenheit, Wärme, Weichheit, Weiblichkeit und Mütterlichkeit erweitern.
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Skulptur Wie bereits durch den Knetraum herausgefunden, mangelt es im öffentlichen Raum an „weichen“ Qualitäten. Die Öffentlichkeit erfordert angepasstes Verhalten, das Einhalten sozialer Normen um Sicherheit durch die Zugehörigkeit zu einer Menschengruppe zu erlangen. Der öffentliche Raum steht im Gegensatz zum bekannten, privaten Raum und bietet daher immer wieder das Fremde, Unbekannte und das Unerwartete. Hier lauern also um jede unbekannte Ecke potenzielle Gefahren. Aus dieser Angst heraus sucht das Individuum Schutz in der Gemeinschaft, um
durch viele Menschen schwerer angreifbar zu sein. Der öffentliche Raum ist also kein Raum, in dem per se Vertrauen herrscht. Vielmehr fehlt es dort an einer familiären, häuslichen Atmosphäre. Man wird dort mit dem Fremden konfrontiert, liefert sich potenziellen Gefahren aus und muss daher die eigene weiche Seite gut vor der Außenwelt verstecken. Mit meiner Skulptur möchte ich daher dem Weichen und Verletzlichen einen Raum in der Öffentlichkeit geben, weil die genannten Attribute dort so selten aufzufinden sind.
Weichheit, Fürsorge und Wärme - all das gibt uns im privaten Raum die Mutter. Wo ist die versorgende Mutter in der Öffentlichkeit, die sich unserer Unzulänglichkeiten annimmt? Dort existiert dieses Prinzip nicht. Deshalb hat meine Skulptur die Form der weiblichen Brust, die symbolisch für das Nährende und Schützende steht. Bei der Materialwahl habe ich mir überlegt, womit sich die Weichheit am besten umsetzen lässt und bin letztendlich bei Marshmallows gelandet. Sie fühlen sich knautschig-weich an,
man muss vorsichtig mit ihnen bzw. dem Endprodukt umgehen. Dazu sind sie noch milchig-weiß, was die Assoziation zu dem Nährenden nahelegt. Diese demzufolge verletzlichen, weichen Objekte habe ich an religiöse Orte gesetzt. Wenn man sich das Stadtbild von Mainz betrachtet, wird die Dominanz
Marshmallowbrüste
der christlichen Institutionen deutlich. Kirchen prägen die „Skyline“. Die eigentlich ebenfalls „weiche“ Thematik von Religiosität und Glaube bekommt dabei aber eine Form, die Macht ausstrahlt: hoch in den Himmel ragende, nach oben hin spitz zulaufende Kirchtürme. Selbst hier wird das Weibliche und Weiche nicht gewürdigt.
Marshmallows und Mehl, ca. 15 cm groß
Als Gegenentwurf für die allgegenwärtigen, dominantmännlichen Formen habe ich also diese weiche, verletzliche Form in diesen Kontext gebracht. Marshmallowbrüste sind also eine kleine Erinnerung an in Vergessenheit geratene Attribute in der Öffentlichkeit.
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Herstellungsprozess
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Altmünsterkirche Münsterstraße Vorplatz
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St. Christoph Ruine Hintere Christofsgasse Innenpfeiler
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Kapuzinerkirche WeintorstraĂ&#x;e AuĂ&#x;en-Einbuchtung
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s i t Gra h c ä r p s e G
mit Carina Kammerer und Kerstin Bauer
In der Öffentlichkeit treffen viele meist fremde Menschen aufeinander. Jeder benutzt und durchquert diesen Raum um seinen eigenen Interessen nachzugehen. Zum Austausch kommt es dabei jedoch selten. Das finden wir bedauerlich. Deshalb haben wir das Gratisgespräch eingeführt: eine einfache Aktion, bei der unsere Mitmenschen konstenlos mit uns in Kontakt treten können, indem sie einen Zettel ziehen
und zu der darauf abgebildeten Frage etwas sagen. Die Fragen im Einzelnen: „Wo gehst du zum Reden hin?“ „Mit wem redest du am liebsten?“ „Wie wichtig ist dir Kommunikation?“ „Gibt es zu viel / zu wenig Kommunikation im öffentlichen Raum?“ „Was wolltest du einen Fremden schon immer mal fragen?“ „Worüber würdest du nicht mit Fremden reden wollen?“
„Wie kommunizieren Stubenfliegen miteinander?“ „Du bist eine Seegurke. Du hast keinen Mund. Wie beschreibst du uns deinen Verteidigungsmechanismus?“ Bei unseren anfänglichen Versuchen, die noch unter „kostenlose Sprechstunde“ stattgefunden haben, haben wir die Gesprächsthemen zunächst noch offen gelassen. Kommunikation an sich hat sich dabei aber als häufig angesproche-
nes Thema herausgestellt, weshalb wir dieses Thema im Gratisgespräch auch für die Fragen ausgewählt haben. Wir wollten Fragen auf Zetteln stellen, weil wir dachten, es würde den Leuten das Gefühl geben wirklich etwas „gratis“ zu bekommen und einfacher ein Gespräch einfädeln. Herausgestellt hat sich jedoch, dass die meisten die Fragen nur recht kurz beantwortet haben, sodass es nicht mehr zu so einem regen Austausch gekommen ist wie bei der offenen Variante. Insgesamt war die offene Variante vom Anfang interessanter, da wir dabei das Gefühl hatten, dass die Leute wirklich angefangen haben etwas miteinander zu teilen. Leute haben uns angesprochen, dann sind andere neugierig geworden und sind ins Gespräch eingestiegen. So sind wir auf die Offenheit gestoßen, die wir uns erwünscht haben.
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