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Der sein kann so Verzicht süß
from ui 211 / 03.23
Text: Andrea Windpassinger, Fotos: Josef Schmid
Es muss nicht immer Fleisch sein. Eine Maßgabe, die Helmuth (74) und Marianne (70) Saxinger aus Niederbrünst nicht nur am Aschermittwoch und Karfreitag beherzigen, sondern auch an den regulären Freitagen im Jahresverlauf. ui-Reporter Andreas Windpassinger und ui-Fotograf Josef Schmid haben das Ehepaar in der Küche besucht und bei der Produktion einer populären Mehlspeise am „Fasttag“ über die Schulter geschaut: dem Strudel.
„Den Text der Zeitungsseite muss man noch lesen können, wenn man den Strudelteig drüberlegt, oder das Tischtuchmuster muss man noch sehen können. So hauchdünn muss er sein“, verrät Marianne Saxinger das Geheimrezept Nummer Eins und ergänzt, dass der Teig aber auf gar keinen Fall zerreißen darf. Diesen mit bloßer Handarbeit gekonnt zu strecken, dass er sogar über die Tischkante drüber reicht, ist schon mal die halbe Miete. Die rüstige Rentnerin stammt aus einem Einödhof in Zwölfling in der Gemeinde Thyrnau-Kellberg, ist gelernte Friseurin und eine naturbegeisterte Nordic-Walkerin. Ihr Ehemann Helmuth ist gelernter Automechaniker, leidenschaftlicher Fischer und am Herd gelegentlich die Küchenhilfe und der „Einheizer“, also „Holz-Nachleger“.
Beim Strudelmachen sieht das dann so aus, dass er „Zucker-Wächter“ spielen darf, also ein wachsames Auge darauflegt, dass das Gericht hernach auch süß schmeckt. Die beiden sind seit über 50 Jahren verheiratet, haben drei Kinder und sechs Enkelkinder, und für diese hat es auch schon mal ein „Strudelseminar“ gegeben, damit das Wissen um die einfache, aber schmackhafte
Leibspeise aus dem Rohr auch weitergegeben wird. Marianne hat als Mädchen auf dem Hof übers Mithelfen und Hinschauen in der Küche viel für den späteren eigenen Herd mitnehmen können. Als sie als 18-Jährige auf den Hof nach Niederbrünst gekommen ist, hat ihr die Nachbarin, die bereits verstorbene Pauline Duschl, auch viel beigebracht und ihr Rezepte verraten. Sich Vieles selber zu machen, ist ohnehin ein Anspruch der Saxingers. Sie setzen sich den Most an, räuchern Fleisch, machen sich Blut- und Leberwürste und aus den gefangenen Fischen bereiten sie sich Krapferl zu. Für den Strudel werden die Äpfel aus dem heimischen Garten verarbeitet und die Heidelbeeren wurden in einem Wald nahe Hemerau im vergangenen Sommer gepflückt.
Die Zutaten für den Teig sind überschaubar: Mehl, davon die Hälfe Grießmehl (Mariannes Geheimtipp Nummer Zwei), Salz, Eier, warmes Wasser und Öl, der für die Elastizität des Teigs sorgt. Das Ganze wird geknetet und ruht eine halbe Stunde unter einem übergestülpten Topf. Der Teig darf auf keinen Fall trocken werden. Die Füllung besteht aus Äpfeln und Heidelbeeren sowie aus Sauerrahm, Butter und Zucker. Die Rein für den Holzofen wird mit Butter bestrichen, sodass sich der Strudel später locker aus der Form nehmen lässt. Und da sind wir auch schon bei Geheimtipp Nummer Drei, dem Holzofen. „Vielleicht bildet man sich das auch nur ein, aber wir stellen halt einfach fest, dass der Schweinebraten, Mehlspeisen und viele andere Gerichte aus dem Holzofen einfach besser schmecken, im g rund m enge strudelte I g (für 4 Personen)
Vergleich zum E-Herd“, betont Helmuth. Der Strudel weilt gut eine Stunde bei 200 Grad Celsius im Rohr, und zu Beginn wird heiße Milch in die Rein dazugegeben. „Früher hat es bei uns jeden Mittwoch und jeden Freitag eine Mehlspeise gegeben“, blickt Marianne zurück. Meist ist das auch heute noch so, dafür sorgen Bauernkrapfen, Erdäpfel- und Rohrnudeln, Wespennester und Pfannkuchen. Und weil eine Mehlspeise nicht so sättigt wie ein deftiges Fleischgericht, gibt’s bei ihr vorher meist eine Suppe. Am Fastenfreitag-Mittagstisch erzählten die Saxingers dann dem ui-Duo Anekdoten der Auswandererfamilie Saxinger, in der es viele nach Kanada verschlagen hatte, und was es mit dem Hausnamen „Staföneder“ auf sich hat. Ach ja: Die Rein ist restlos geleert worden. Der Verzicht kann so süß sein.
200 g Weizenmehl
60 ml Öl oder
50 g zerlassene Butter
125 ml Wasser eine Prise Salz
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