un-plaqued
OsseoSpeed TX ™
79240-DE-1106 © 2011 Astra Tech
Magazin für Mensch und Bildung
Die Wachstumsformel von Astra Tech URZELW T I M X JETZT EM APE G I M R FÖ
No 19 Wahrheit
OsseoSpeed™ mit wurzelförmigem Apex: Das OsseoSpeed™ TX Implantat
Damit ist OsseoSpeed™ TX eine perfekte Lösung für Ihre Implantatpatienten.
Astra Tech GmbH · An der kleinen Seite 8 · 65604 Elz · Tel.: (064 31) 98 69 76 · Fax: (064 31) 98 69 510 · www.astratechdental.de
un-plaqued Magazin für Mensch und Bildung
Das OsseoSpeed™ TX Implantat kombiniert die Vorteile des klinisch erprobten Astra Tech BioManagement Complex™ mit einem wurzelförmigen Apex zur vereinfachten Implantatinsertion – bei allen Indikationen.
Wahrheit
AUSGABE No 19 / D 8 €
VITAPAN PLUS Innen vollkommen. Außen vollendet. ®
HORIZONT-ERWEITERUNG ERWÜNSCHT?
VITA shade, VITA made. Anforderungen wachsen, Bedürfnisse ändern sich. Darauf gilt
Winkelmerkmale für eine harmonischere Frontaufstellung,
es, zu antworten. Dies haben wir getan: VITAPAN PLUS ist die
verbreiterte Zahnhälse zur altersgerechten Zahnfleischgestal-
weiterentwickelte Ergänzung von VITAPAN und mit seiner mo-
tung und eine optimierte Schichtung für mehr Lebendigkeit.
dernisierten Anatomie die perfekte Symbiose aus Ästhetik
Das ist Ihr Plus an Multifunktionalität, Ästhetik und Sicher-
und Funktion. Hierzu zählen unter anderem verbesserte
heit. Das ist Ihr VITAPAN PLUS./ www.vita-zahnfabrik.com
un-plaqued frei Haus nur 20 € im Jahr: info@un-plaqued.com (auch ältere Ausgaben nachbestellbar)
un-plaqued
Foto: anna.k.o.
3420_2D
Der Klassiker unter den Frontzähnen – aus Ansprüchen neu geformt.
Editorial Die Wahrheit und nichts als die nackte Wahrheit. Das und alles andere, was Ihnen heute schon angedreht werden sollte – nichts davon lesen Sie hier. Haste mal ‘ne Wahrheit? – war meine erste Frage, als wir anfingen, uns mit dem Thema zu beschäftigten. Dann mussten wir erst einmal definieren, worüber wir eigentlich reden wollten, weil bereits das Verständnis des Wortes, die Ansprüche und Erwartungen, aber auch die Maßstäbe, an denen Wahrheit gemessen wird, deutlich differierten. Dann wurde es still, weil keiner Wahrheiten formulieren wollte, die womöglich einer genaueren Überprüfung nicht standhalten würden. Die Wahrheit wurde zu einer Frage der Perspektive, sowohl in den zwischenmenschlichen Beziehungen (S.58), als auch den Wissenschaften, die sich schwer tun, Wissen als Wahrheiten zu definieren (S.100). Zu recht, denn die Suche nach Wahrheit fängt meist mit dem Hinterfragen des Selbstverständlichen an (S.68), zum Teil auch dem, was seit Jahrhunderten in den Geschichtsbüchern steht (S.74). Ist man wirklich an Wahrheiten interessiert, geht es schnell an die eigene Substanz, eröffnet aber auch die Möglichkeit, Dogmen gegen Freiheit einzutauschen. Und die Erkenntnis, dass Wahrheit veränderbar ist – wie bei David und Goliath. Viel Spaß beim Lesen
A
Z N
E G EI
O W
O
+ F L
N A H
N E S
un-plaqued No19
1
Editorial
68
Ob Du willst oder nicht!
7
Contributor
72
Kommentar: Jeder Patient zählt!
8
Zahn der Zeit
74
Mut zum Wandel der Wahrheit
12
Wahrheit in Zahlen FOREVER YOUNG THEMA
14
Ich bin die Wahrheit
20
Die erniedrigende Wahrheit
28
wahr nehmen
38
Die Wahrheit steht uns gut!
48
Truth of a Revolution
50
Real – oder erdichtet?
54
Empirik, Evidenz, Eminenz: Die verschiedenen Perspektiven der Wahrheit
58
120% mehr Glanz
62
Die klassifizierte Wahrheit
4 | un-plaqued No 19
80
Existenzgründerwahrheiten auf den Zahn gefühlt
84
Aufbruch in die Implantologie
86
Dental Summer 2012
92
Vergleichbar Durchfallen
98
Examen feiern in Salzburg
THEORIE & PRAXIS 100
Die Vermessung der Wissenschaft
110
Was wäre, wenn es anders wäre ...?
114
Wenn Wissen sich teilt, wird mehr daraus
118
Per aspera ad Astra
124
Europerio 7 – The bigger the better?!
126
Implantate brauchen Pflege
128
Sieben Wahrheiten über Qualitätsmanagement
136 138
UN-PLAQUE YOUR LIFE 160
Das aufregende Leben der CassandraMichele – ›Es war einmal‹ war einmal
163
Inge‘s Music in the Box
164
Zähne auf dem Catwalk
And the winner is ...!
170
Wir empfehlen: das Lesen
Was Boote und Zähne verbindet, oder: Die Entdeckung des Epoxidharzes
172
Wusstet ihr schon?
176
Der gesunde Menschenverstand: Lang lebe die Illusion
GOOD BYE DENTIST 140
Die Selbstverständlichkeit des Kaffees
152
Onons Traum Teil 1: Wie verändert man Wahrheit?
LABORATORIUM DIFFICILE 156
Die Wāra des implantologischen Teams
un-plaqued No 19 | 5
IMPRESSUM un-plaqued # 19 Wahrheit Auflage Erscheinung Format Bezugspreis
12.000 Sommer 2012 / deutschlandweit 230 x 160 mm 8 Euro
Herausgeber Ingmar Dobberstein Verlag un-plaqued:multimedia Verlagsgesellschaft mbH Oranienburger Str. 91, 10178 Berlin un-plaqued REDAKTION Chefredakteur Ingmar Dobberstein / i_dee@un-plaqued.com Chefin vom Dienst Hanna Buttenberg / hanna@worldoptimizer.com Politik Eric Weigel / eric@un-plaqued.com Wirtschaft Jan-Philipp Schmidt /jp.schmidt@bdza.de Hochschule Karen Dobberstein / kmd@un-plaqued.com International David Rieforth / david@un-plaqued.com Wissenschaft Hans-Christian Lux / h-c-l @ alumni-magazine.com Fortbildung Anke Bräuning / ankebraeuning@gmx.de Lifestyle Leif Timmermeister/ leif@ un-plaqued.com Musik Mieze Katz / mieze@ un-plaqued.com Redaktionsassistenz Sascha Kötter / sascha@ un-plaqued.com Bildredaktion Anna K. Olthoff / annako @ un-plaqued.com Eike Wendland / icke@ graphicenvironment.com Ion Jonas Schmidt / i@ quasigrafik.de Illustration Britta Zwarg / b @ quasigrafik.de Ion Jonas Schmidt / i@ quasigrafik.de Steffen Seeger / info@steffenseeger.com Icons: The Nuon Project / thenounproject.com Fotografie anna.k.o / Ingmar Dobberstein / Felix Jork Schlussredaktion Anna Grodecki / Dr. Roland Schmidt / Ina Scharenberg Gestaltung quasigrafik / pixel@ quasigrafik.de
Kontakt info@un-plaqued.com un-plaqued.com alumni-magazine.com Anzeigen Ingmar Dobberstein/ i_dee@un-plaqued.com / +49.170.559 23 05 Sascha Kötter / sascha@un-plaqued.com / +49.151.1169 09 16 Druck Königsdruck, Alt-Reinickendorf 28, 13407 Berlin Unser Dank gilt allen wachen Geistern, die ihren Alltag mit bewussten Sinnen wahrnehmen, Fragen stellen, wenn Antworten gewünscht sind und Aussagen treffen, wenn Ruhe erbeten wurde. Und denen, die ihre Meinung äußern, auch wenn es gerade nicht der allgemeinen Auffassung entspricht. Zu oft hat haben die unpopulären Meinungen Einzelner in der Geschichte Recht behalten, zu oft lernen die Menschen nur durch Schmerz und Leid, anstelle ihres gesunden Menschenverstands. Die Wahrheit tut weh – deswegen gilt unser Dank jenen, die bereit sind für die Wahrheit Risiken einzugehen und sich nicht einlullen lassen, sondern mit Verantwortung neue Wahrheiten schaffen. Ganz besonderer Dank geht an meine Familie und besten Freunde, weil sie mich immer wieder auffangen, wenn ich gerade Zick-Zack laufe & Hanna, Phili, die Mieze und der Musik, Karen, Britta & Jonas & Anouk, Mike, anna.k.o., Erik, Robert-Bob, David, Lars, Frank, Alexander, Adriane & Robin, Onon, Zeyad, Nadja, Barbara, Gerhard, Gisel, Axel, Bertram, Sascha, Julka, Basti, Diana, Isolde, Kathleen & TACKEN, meene Oma Erni, die Dobbersteine und die Freunde und Familien. Und an Rici ... =) P.S: Großen Dank an die Mieze für die wunderbare Illustration des Inhaltsverzeichnisses der un-plaqued N° 18. LET´S HELLO! Die in den Artikeln und Mitteilungen ausgedrückten Meinungen sind die der Autoren und nicht unbedingt die der Redakteure oder des Herausgebers. Redakteure und Herausgeber lehnen jede Verantwortung oder Haftung für den Inhalt ab und geben keinerlei Garantie, Gewährleistung oder Empfehlung für die Produkte, für die in dieser Zeitschrift geworben wird, oder für die Behauptungen, die von den Herstellern derartiger Produkte oder Dienstleistungen gemacht werden. Eine Haftung für Folgen aus unrichtigen oder fehlerhaften Darstellungen wird in jedem Falle ausgeschlossen. Die im Magazin veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung oder Verwertung der Texte und Bilder sind mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ohne Einwilligung des Verlages strafbar. © un-plaqued:multimedia 2012
//
CONTRIBUTOR Alexander Klebe ist freischaffender Kreativer, Entrepreneur und Macher im Bildungs- und Kommunikationsbereich (alexanderklebe.com). Er verbindet die Theorie mit der Praxis, Denken mit Handeln und die universitäre Lehre mit künstlerischen und selbstständigen Tätigkeiten. Seine Projekte realisiert er mit und für Stakeholder aus dem Stiftungs- und Bildungswesen, dem kreativschaffenden Gewerbe, mittelständischen Unternehmen und Start-Ups. Für un-plaqued schreibt er über seine Forschungsreise im September 2011 nach Äthiopien und hinterfragt dabei das Soziale Unternehmertum und die Wahrheiten des gegenwärtigen Denkens in der Entwicklungshilfe. Derzeit arbeitet er an der Vorbereitung einer weiteren Dokumentations- und Forschungsreise nach Ghana. Lest dazu ab Seite 140. Nadja Alin Jung ist von Hause aus Betriebswirtin (m-2c.de). Ihre Einsicht, dass die Industrie lange nicht der einzige Bereich mit der Notwendigkeit für betriebswirtschaftliches Wissen ist, ließ sie die Leidenschaft für die Zahnmedizin entdecken. Daraus ist die Medizinische Management Akademie (mmakademie.de) entstanden, die Zahnmedizinern betriebswirtschaftliches Denken und Handeln vermittelt. unplaqued hat Nadja kennen gelernt, weil sie in ihrem Bereich die altbekannten ›Wahrheiten‹ ebenso auf die Probe stellt, wie wir. In dieser Ausgabe hat sie über die echten Realitäten der Existenzgründung geschrieben, und darüber, was wie so oft im Leben die Grundlage für alles Weitere ist – die eigene Wahrheit zu finden. Wer bist Du? – ab Seite 80. Dr. rer. nat. Dominique Görlitz ist Extremsegler, Wissenschaftler und 5-Sterne-Redner. Dabei ist er ein Wanderer zwischen den Welten. Zum einen, weil ihn seine ABORA-Missionen die vorchristlichen Reisen zwischen Alter und Neuer Welt wiederentdecken lassen, zum anderen, weil er mit seinen Forschungen wissenschaftliche Fachgebiete, wie Archäologie, Geologie und Meeresforschung interdisziplinär verbindet. Auf diesen Wegen hat er bewiesen, dass ›Wahrheiten‹ noch lange keine sind, bloß weil sie seit Generationen so in den Geschichtsbüchern stehen. Und, dass der Mensch nie Aufwand und Mühen gescheut hat, seine eigenen Wahrheiten zu finden. Erleben könnt ihr ihn auf einem seiner zahlreichen Vorträge (abora.eu). Lesen werdet Ihr ihn ab jetzt in der un-plaqued ab Seite 74.
un-plaqued No 19 | 7
//
ZAHN DER ZEIT / WAHRHEIT
STUDIUM: ANZAHL DER MÄNNLICHEN STUDIERENDEN IN DER ZAHNMEDIZIN STEIGT WIEDER
Gesundheitswesen in den vergangenen 30 Jah-
Berlin (Dentista): Die Zahl der Zahnmedizin-
teil pro 100 Menschen im Alter zwischen 20 und
studenten steigt – den Angaben des Unterneh-
60 Jahren, jedoch in Zukunft erheblich steigen
mens Statista zufolge – wieder leicht. Die Sta-
wird, liegen ›die wesentlichen Herausforderun-
tistik betrachtend könnte man meinen, die
gen des demographischen Wandels noch vor
Zahl der Zahnmedizinstudierenden steige par-
uns‹, führt die Regierung in ihrer Antwort wei-
allel zur Anzahl der weiblichen ZMK-Studen-
ter aus. In der wissenschaftlichen Diskussion sei
tinnen. Entgegen der oft geäußerten Meinung,
es aber unstrittig, dass die Gesundheitskosten
das Fach werde nunmehr weiblich und Männer
in Zukunft noch weiter ansteigen werden. Daher
interessierten sich immer weniger dafür,
strebe die Bundesregierung eine nachhaltige
steigt nach einem kleinen Einbruch nun auch
Finanzierung des Gesundheitswesens an. Wie
die Zahl der männlichen ZMK-Studierenden
hoch dabei der Einfluss des medizinisch-tech-
wieder. Wir können gespannt sein, wie sich
nischen Fortschritts auf die Ausgabenentwick-
die Verteilung der Geschlechter in den nächs-
lung sein werde, sei in der wissenschaftlichen
ten Jahren entwickelt. //
Debatte strittig. Das Ausmaß der Kostenredu-
ren eher einen ›untergeordneten Erklärungsanteil‹. Da der sogenannte Altenquotient, der An-
zierung durch Prävention und Gesundheitsförderung in den vergangenen 30 Jahren ließe sich nicht beziffern, weil weder für Deutschland noch international entsprechende Kosten-Nutzen-Analysen vorlägen. //
STRAHLENDE ATHLETEN BEI DEN SPECIAL OLYMPICS 5.000 Sportler mit geistiger Behinderung aus ganz Deutschland maßen sich in 19 Disziplinen bei den Special Olympics Ende Mai in München Grafik: Statista | Beucher
und wurden dabei auch zahnmedizinisch sehr gut betreut. Hierfür sorgte das Gesundheits-
REGIERUNG: MEDIZINISCH-TECHNISCHER FORTSCHRITT IST FÜR STEIGERUNG BEI GESUNDHEITSAUSGABEN VERANTWORTLICH
programm Special Smiles Deutschland, das von
Berlin (hib/AS): Der medizinisch-technische
merischen Sozialverantwortung des Unterneh-
Fortschritt ist in erheblichem Maße für die Stei-
mens. Zahnärzte und Helfer zeigten den Athle-
gerung der Ausgaben im Gesundheitswesen
ten und Athletinnen, wie sich Zähne auch mit
verantwortlich. Mit 166,7 Milliarden Euro im
Handicap erfolgreich putzen lassen. Insgesamt
Jahr 2011 waren sie im Vergleich nochmals höher
731 Athletinnen und Athleten ließen sich nach
als in den Vorjahren. Wie die Bundesregierung
einem spezifischen Screeningprogramm unter-
in einer Antwort (17/10312) auf eine Kleine Anfra-
suchen. Das Ergebnis: 426 Athleten (58 Prozent)
ge der SPD-Fraktion schreibt, hatte die demo-
wiesen Gingivitis auf, und 150 Athleten (21 Pro-
graphische Entwicklung bei den Ausgaben im
zent) mussten dringend zahnärztlich behan-
8 | un-plaqued No 19
der Wrigley GmbH unterstützt wird. Es ist das größte Engagement innerhalb der unterneh-
ZAHN DER ZEIT / WAHRHEIT
delt werden. ›Gerade für Menschen mit geis-
sen. ›Dabei sein, weil alle dabei sind, ist nicht
tigen Behinderungen stellt das Zähneputzen
der richtige Weg – hinter erfolgreichem Marke-
eine große Herausforderung dar. Denn hier ist
ting steckt eine gut überlegte Strategie.‹
feinmotorisches Geschick notwendig, das die-
Was man zum Thema Rechtsicherheit und ›gu-
se Menschen oft nicht so schnell erlernen wie
ter Ruf im Internet‹ beachten muss und notfalls
Menschen ohne Behinderung‹, erklärte die
tun kann, gehört zum Vortragsteil des erfahre-
Zahnärztin Dr. Imke Kaschke, Leiterin Healthy
nen Juristen und Referenten Prof. Dr. jur. Hein-
Athletes. Doch so wie beim Sport gaben die Ath-
rich Hanika. Die Veranstaltung eignet sich zu-
letinnen und Athleten in München auch bei der
dem für diejenigen Mitarbeiter im Team, die
Mundpflege ihr Bestes. Sportler und Helfer hat-
mit der Betreuung des Webauftritts der Praxis,
ten ihren Spaß daran – getreu dem Motto der
des Labors bzw. der Organisation betraut sind.
Spiele ›Gemeinsam sind wir stark‹. // Termine: Berlin
28.09.2012
14 .00– 18.00 Uhr
Hamburg
29.09.2012
9.00 – 13.00 Uhr
Bern (Schweiz) 29.11.2012
8.30 – 12.30 Uhr
(DGI-Jahreskongress 2012)
WEB 2.0 – ›YOUVIVO‹-KOMPAKT-SEMINARE AUF DEUTSCHLANDTOUR
Infos und Anmeldung:
Die Einen wollen mit dem ganzen Internet mög-
Edith Leitner
lichst nichts zu tun haben – andere präsentieren
Fon: 089 55 05 209 - 16
sich mit eigener Praxis- oder Laborwebsite, und
Mail: Leitner@youvivo.com
immer mehr tummeln sich auf Facebook: Haben die einen Recht – oder die anderen? Sollte man besser die Finger davon lassen – oder so-
SITTENWIDRIGKEIT VON LÖHNEN
gar noch viel weiter ausbauen? Und wenn, wie
Berlin (hib/TYH): Die Agentur für Arbeit darf
macht man das erfolgreich, ohne den Boden des
nicht in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhält-
Rechtlichen zu verlassen?
nis vermitteln, das gegen ein Gesetz oder ge-
Das Thema, das im vergangenen November bei
gen die guten Sitten verstößt. Das schreibt die
der DGI-Jahrestagung in Dresden in Form eines
Bundesregierung in ihrer Antwort (17/9321) auf
Kompakt-Workshops zu einem völlig überfüll-
eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke. In
ten Saal geführt hat, steht nun in einer Vortrags-
ihr hatten die Abgeordneten auf eine Entschei-
serie quer durch Deutschland erneut am Start.
dung des Sozialgerichts Berlin hingewiesen, wo-
Das youvivo-Experten-Team führt dabei durch
nach im Land Berlin eine Vollzeitbeschäftigung
die drei Kern-Punkte der Social Media- und
mit einem monatlichen Bruttoentgelt von weni-
Marketing-Strategie ›Erfolgreiches Praxismar-
ger als 1.058 Euro als sittenwidrig anzusehen ist.
keting‹, ›Konkrete Beispiele‹ und ›Rechtsas-
Im Übrigen sei es Sache der Arbeitnehmer und
pekte‹. Dr. Klaus Daniel/Erlangen, Unterneh-
-geber, die Vergütung zu vereinbaren, schreibt
mensberater und Fachautor zum Thema Social
die Bundesregierung weiter. Zudem erhiel-
Media und Marketing, wird dabei darstellen,
ten Arbeitnehmer ergänzende Leistungen der
dass alle Bereiche des Praxis- oder Labormarke-
Grundsicherung für Arbeitsuchende, wenn ihr
tings zusammenspielen und sich ergänzen müs-
Einkommen nicht zur Sicherung des Lebensunun-plaqued No 19 | 9
ZAHN DER ZEIT / WAHRHEIT
DELEGATION UND SUBSTITUTION: WOHIN STEUERT DIE ZAHN-/MEDIZIN?
Der Wirkstoff soll jedem Zahnpflegeprodukt
Bonn (FVDZ): Die Delegation und Substituti-
José Córdoba von der Yale University und Erich
on ärztlicher Leistungen ist immer wieder Be-
Astudillo von der Universidad de Santiago, Chi-
standteil politischer Debatten. Ärztemangel
le. Aber nicht nur Zahnpasta und Mundwasser,
und Unterversorgung sollen dadurch bald der
auch in anderen Produkten wie Süßigkeiten
Vergangenheit angehören, möchten viele Po-
könnte das Produkt Verwendung finden. So-
litiker, aber auch findige ›Spezialisten‹ aus In-
lange der mit Keep 32 ausgestattete Stoff 60
dustrie und Wirtschaft glauben machen. De-
Sekunden im Mundraum bleibt, sollen alle Bak-
legation und Substitution seien vor allem bei
terien der Art Streptococcus Mutans abgetötet
der ärztlichen Versorgung weit fortgeschritten
werden und die Zähne für einige Stunden vor
seien. Verschiedene Modellprojekte wie AGnES
Löchern geschützt sein.
(Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Healthge-
Die Forschungsarbeit startete 2005 und soll in
stützte, Systemische Intervention) oder VERAH
14 bis 18 Monaten fertig für den Markt sein. Als
(Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis)
Partner sind derzeit Hersteller von Zahnpflege-
seien bundesweit in der Erprobung.
produkten wie Colgate oder Procter & Gamble
Darüber hinaus würden erste ärztliche Tätig-
sowie Schokoladenhersteller wie Hershey und
keiten – wenn auch zunächst modellhaft – an
Cadbury im Gespräch. //
beigefügt werden können, so die Forscher
Alten- und Krankenpflegekräfte zur eigenverantwortlichen Ausführung übertragen. Im zahnmedizinischen Bereich dagegen sei bisher nur die Delegation bestimmter Leistungen mög-
STARTERKIT ÄSTHETIK & FUNKTION: DGÄZ MIT ERSTEM CURRICULUM FÜR STUDIERENDE UND ASSISTENTEN
lich, berichtete FVDZ-Justiziar Lennartz. Doch dass dies nicht so bleiben müsse, verdeutlichten bereits die Bemühungen um einen Bachelor-Studiengang für Dentalhygiene. Die Position des FVDZ-Bundesvorstands zum drohenden Ärztemangel fasste Sundmacher
Die DGÄZ hat mit einem neuen Konzept, dem
wie folgt zusammen: ›Dem Ärztemangel begeg-
Starterkit für Studenten und Assistenten, ein
net man nicht durch Delegation oder Substitu-
eigenes Anfänger-Curriculum entwickelt, das
tion ärztlicher Leistungen, sondern durch eine
bereits für Studierende im klinischen Studie-
bessere Honorierung.‹ //
nabschnitt beginnen kann und dessen weitere Module auch Vorbereitungsassistenten offen
›KEEP 32‹: NEUER WIRKSTOFF GEGEN ›STREPTOCOCCUS MUTANS‹?
stehen. Damit wird dem Nachwuchs der Weg in
(gizmodo.de): Wissenschaftler haben ein Mo-
die in der Praxis heutzutage erheblich gefragt
lekül entdeckt, das die Zähne frei von Löchern
sind und die täglich gebraucht werden. Über-
halten und die Zahnpflege damit für immer ver-
mittelt werden solche Themen, die zwangswei-
ändern soll. Das Molekül wurde dem Anwen-
se in der universitären Ausbildung eher zu kurz
dungsgebiet entsprechend Keep 32 genannt
kommen, dazu gehört beispielsweise Implan-
und soll alle schädlichen Bakterien im Mund-
tologie mit dem besonderen Blick auf Ästhetik
raum innerhalb von 60 Sekunden abtöten.
und Funktion. Insgesamt stehen fünf Module
10 | un-plaqued No 19
Bereiche der aktuellen Zahnmedizin geebnet,
ZAHN DER ZEIT / WAHRHEIT
in diesem neuen strukturierten Curriculum zur
falls gerne mit Rat und Tat zur Seite. Bei Inte-
Verfügung, die Ästhetik und Funktion aus ver-
resse bitten wir Sie um Kontaktaufnahme bei:
schiedenem Blickwinkel beleuchten – von Chir-
GERL. Dentalfachhandel – Thomas Kirches
urgie über CAD/CAM bis zu fundiertem Umgang
Siemesdyk 60
mit der Vielfalt der Komposite, ergänzt um Hy-
47807 Krefeld
giene, Ergonomie und Qualitätsmanagement.
Tel.
Die Module 1 und 2 sind einzeln, die Module 3 bis
Mail T.Kirches@ gerl-dental.de
0 21 51 / 76 364 - 0
5 nur als Serie buchbar und finden von September 2012 bis April 2013 statt. Die Kursgebühr
TAG DER ZAHNGESUNDHEIT 2012
beträgt für Studenten 199 € und für Assistenten 299 € (DGÄZ-Mitglieder; 397 € Nichtmitglieder). In den Teilnahmegebühren sind pro Modul Übernachtung, Kaffeepausen, Abendessen am Freitag und Mittagessen am Samstag enthalten. Sie müssen sich nur um Ihre An- und Abreise kümmern. Termine, Orte und An-
Berlin (BZÄK): Der Tag der Zahngesundheit
meldemöglichkeit findet Ihr auf der Web-
steht 2012 unter dem Motto „Gesund beginnt
seite der DGÄZ:
im Mund - mehr Genuss mit 65 plus“. Der Aktionstag wird jährlich am 25. September veran-
ASSISTENTEN, ANGESTELLTE & PARTNER GESUCHT
staltet und stellt Vorsorge, Aufklärung und die Verhütung von Zahn-, Mund- und Kiefererkran-
Die Firma Gerl Dental sucht
kungen in den Mittelpunkt. Die Auftaktpresse-
für ca. 15 Zahnarztpraxen
konferenz findet am 12. September 2012 in Ber-
Zahnärztinnen und Zahnärzte, die gerne im An-
lin im Haus der Bundespressekonferenz statt.
gestellten-Verhältnis, als Vorbereitungsassistenten oder als Partner in einer bestehenden
DENTAL WINTER 2013 IN ISCHGL
Praxis arbeiten möchten. Zum Teil besteht au-
Vom 3. bis 9. Februar 2012 wird im berühmten
ßerdem die Möglichkeit einer späteren Praxis-
österreichschen Skiort Ischgl der erste Dental
übernahme.
Winter Kongress für Assistentinnen und Assis-
Es handelt sich dabei um etablierte und er-
tenten der Zahnmedizin angeboten. Die Vor-
folgreiche Zahnarztpraxen im Großraum Kre-
träge werden sich grundsätzlich mit verschie-
feld (inkl. Düsseldorf, Mönchengladbach, bis
denen Praxis-Erfolgs-Strategien beschäftigen
zur holländischen Grenze), die bereits seit lan-
und selbstverständlich sind die Seminarzeiten
ger Zeit mit Gerl Dental zusammenarbeiten
so gelegt, dass ausreichend Zeit auf den Pisten
und diesbezüglich um Unterstützung gebeten
in und um Ischgl verbracht werden kann. Der
haben.
Kongress ist kostenfrei – wer zuerst kommt, ...
Dieser Service ist für Sie völlig kostenfrei und unverbindlich.
IFG Internationale Fortbildungsgesellschaft
Sollten Sie in einer anderen Region Deutsch-
Wohldstraße 22
lands nach einer Arbeitstelle suchen oder sich
23669 Timmendorfer Strand
für eine zahnärztliche Tätigkeit in den Nieder-
Tel.
landen interessieren, stehen wir Ihnen eben-
Mail info@ifg-hl.de //
0 45 03 / 77 99 33
un-plaqued No 19 | 11
THEMA / WAHRHEIT
WAHRHEIT IN ZAHLEN Anzahl der weltweiten Geburten pro Tag
Anzahl der weltweiten Todesfälle pro Tag
Weltweite Todesfälle pro Tag durch Suizid
Weltweite Todesfälle pro Tag durch Verkehrsunfälle
250.000
QUELLEN ›Die Welt in Zahlen 2011‹; brand eins; statista.com; news.de, thenounproject.com
2.800
150.000
3200
Weltweite Todes fälle pro Tag durch Herz-Kreislauf Erkrankungen
Weltweite Todesfälle pro Tag durch Aids
50.000
Weltweite Todesfälle pro Tag durch Ertrinken
8.000
Weltweite Todesfälle pro Tag durch Stürze
1.400
1.070
_Weltweites Vermögen aller Millionäre in Euro _Weltweite Staatsschulden aller Länder in Euro _ Zahl der Reichen weltweit mit einem Vermögen von mehr als 30 Millionen US-Dollar in 2009 _ Zahl der Menschen der Erde, die mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag überleben müssen
Lebensmittel, die in Afrika südlich der Sahara jährlich produziert werden (in t)
230.000.000
Lebensmittel, die in Industrieländern jährlich weggeworfen werden (in t)
222.000.000
_ Menge Honig, die ein Deutscher durchschnittlich pro Jahr verzehrt ···········1 kg _ Strecke, die Bienen durchschnittlich fliegen müssen, um 1 kg Honig herzustellen ················· 80.000 km
7.000
Weltweite Todesfälle pro Tag durch gewalttätige Konflikte und Kriege
500
32.200.000.000.000 28.200.000.000.000 93.100 440.000.000
_ Anteil der Löhne der Plantagen- arbeiter am Kaffeepreis ············5,1 % _ Anteil des Einzelhandels am Kaffeepreis····························23,7 % _ Anteil der Steuern, Zölle und Frachtkosten am Kaffeepreis ··· 44,9 %
_ Anteil der Deutschen, die das Gefühl haben, dass sich Politiker nicht für ihre Meinung interessieren ······························71 % _ Anteil der Deutschen, die sich nicht für Politik interessieren ··················67 %
12 | un-plaqued No 19
Weltweite Todesfälle pro Tag durch Alkoholismus
_ Prozent der US-Bürger, für die ein Haustier die Rolle des besten Freundes übernimmt ·······································66 _ Zahl der US-Bürger, die jährlich ins Krankenhaus kommen, weil sie über ihre Haustiere gestolpert sind···················85.000
THEMA / WAHRHEIT
ICH BIN DIE WAHRHEIT TEXT Ingmar Dobberstein ‧FOTO anna.k.o.
14 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
D
ie Suche nach der Wahrheit ist Grundprinzip allen forscherischen Seins, jeder Natur- und Geisteswissenschaften. Psychologen und Kommunikationsforschern zufolge lügt der Mensch jedoch durchschnittlich 200
Mal am Tag. Die Wahrheitssuchenden sind edle Menschen – aber am Ende auch nur Menschen, und damit fehlbar und manipulierend. Wie ist das mit der Wahrheit? Was kann man auf dieser Suche finden? Die großen Antworten, wie alles funktioniert und miteinander zusammenhängt? Was ist mit der Wahrheit, wenn es zum Beispiel heißt, dass es zu jedem Argument auch ein logisches Gegenargument gäbe? Wie ist das mit der Wahrheit, wenn man ein Geheimnis hat oder im Zweifelsfall einfach nicht alles erzählt?
Ich kannte einen, der hatte die Wahrheit erkannt... und dann ist er gestorben. Man sagt, am Ende des Lebens wüsste man, was wirklich wichtig ist und was nicht. Warum erst dann? Weil man nichts mehr ändern kann, weil das gelebte Leben dann die Wahrheit dieser Person ist? Echte Wahrheiten und Realitäten, die gleichermaßen auf eine Spezies oder Gruppe angewendet werden könnten, gibt es wenige. Der Gang zur Toilette, Steuern und der Tod. Schon bei einer Selbstverständlich-
DIE WAHRHEIT WAR IMMER NUR EINE TOCHTER DER ZEIT. Leonardo da Vinci
keit wie der Nahrungsaufnahme gibt es Indizien, dass einige wenige Menschen auch ohne Nahrung auskommen. Nur Wasser und Meditation? Die Nahrungsaufnahme ist als Wahrheit und Notwendigkeit für den Körper wissenschaftlich gesichert, denn selbst wenn 0,1 % der Menschheit ohne auskommen könnten, würden die Gesetze noch für die anderen 99,9 % gelten. Interessanterweise scheint die Nahrungsaufnahme einer näheren Wahrheitsbetrachtung aber kaum stand zu halten. Hinter der bloßen Bezeichnung des Vorganges gibt es hunderte verschiedene Formen der Nahrungsaufnahme und deren Notwendigkeiten. ›Normalesser‹, Fleischesser, Gourmet, Fastfood Junkie, Vegetarier, Veganer, Bulimiker, Lactoseintolerante, Allergiker aller Art aber auch Menschen, die aufgrund von Krankheiten auf vielerlei Nahrungsformen verzichten müssen. Nahrungsaufnahme ist also bei weitem kein einheitlicher Prozess, der einen Wahrheitsanspruch als Ganzes haben könnte.
un-plaqued No 19 | 15
THEMA / WAHRHEIT
Nahrungsaufnahme und alles was an Verdauung und Energiegewinnung damit verbunden ist, ist stattdessen dynamisch, eine Balance zwischen Angebot und Nachfrage, zwischen Energiebedarf und Stoffwechsel, zwischen Aktivität und Ruhe und vielen weiteren Dualismen. Die Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme ist somit eine Grauzone, die von Mensch zu Mensch verschieden, höchstens individuelle Wahrheiten bereit hält. Wahrheit ist Balance und deswegen einer ständigen Veränderung unterzogen. Ist Wahrheit überhaupt fassbar? Was sind Wahrheiten? Was ist mit der Realität, dem täglichen Gang zur Arbeit, den Aufträgen, den Patienten – was ist mit dem Ganzen, das einen umgibt? Das ist Wahrheit und Realität! Oder auch nicht, denn es könnte alles anders sein. Man könnte woanders wohnen, etwas anderes arbeiten, jemand anderen lieben – alles was uns umgibt sind temporäre ›Wahrheiten‹, die wir uns so erschaffen haben. Unser Leben ist das Resultat aus dem Glückumstand, auf welchem Kontinent man geboren wurde und allem danach. Dieses danach ist spätestens ab den ersten bewussten Gedanken auch eine Konsequenz unserer Entscheidungen. Wie in der Vergangenheit, wird man in der Gegenwart und Zukunft Entscheidungen treffen können – und sein Leben in Art und Weise verändern oder nicht, wie es eben am besten passt. Folglich entwickeln sich so die Wahrheiten, Prinzipien und das Denken. Aus dieser Perspektive betrachtet, gelten Wahrheiten gerade einmal für Vergangenes und vielleicht noch die unmittelbare Gegenwart. Das wäre dann nicht die Wahrheit, nach der man sucht, sondern die, die man erkennt.
WENN ES NUR EINE EINZIGE WAHRHEIT GÄBE, KÖNNTE MAN NICHT HUNDERT BILDER ÜBER DASSELBE THEMA MALEN. Pablo Picasso
Die Alltagsrealitäten betrachtend wird deutlich, dass es viele Wahrheiten für die gleiche Sache geben kann. Denn Menschen denken und fühlen nicht sachlich, nicht auf Fakten bezogen, sondern immer auf Basis komplexer Wahrnehmungen und deren Verarbeitung. Schon das Wetter zeigt, dass der Fakt, dass es regnet, leider nicht die ganze Wahrheit ist, die der Einzelne denkt und fühlt. Allein die Regenstärke, aber auch die Wirkung auf unser Gemüt, wird so grund-
16 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
verschieden wahrgenommen, dass sich hinter der meteorologischen Tatsache, dass es regnet, ebenso hunderte individuelle Wahrheiten verbergen. Nun gibt es aber das Leben. Und es funktioniert. Es gibt da Naturgesetze, Mechanismen und Regeln, nach denen all dies geschehen kann. Es muss sie geben, diese Wahrheiten. Und es gibt sie, denn wir funktionieren. Wir sind, genauso wie die Welt um uns herum, selbst die Wahrheit. Unser Gehirn versucht lediglich, genau dieses Funktionieren zu verstehen, denn es ist daran nur unbewusst beteiligt. Glücklicherweise muss man sagen, denn nur so können wir uns alles Mögliche zufügen und trotzdem immer wieder regenerieren. Stellen Sie sich vor, wir müssten auch das Funktionieren unseres Körpers bewusst steuern ... wir wären ständig in der Krise. Mittlerweile ist allgemein bekannt, dass für ein erfolgreiches und glückliches Dasein neben der rein kognitiven Intelligenz noch weitere ›Intelligenzen‹, wie die körperliche, emotionale oder soziale, verantwortlich sind. Neben unserer bewussten Wahrnehmung existiert nicht nur eine unbewusste Wahrnehmung sondern auch deren Einmischung in unsere offensichtlich bewussten Entscheidungen. Wissenschaftler behaupten, das Unbewusstsein würde diese bis zu 75% beeinflussen. Wie kann man etwas entscheiden, was einem gar nicht bewusst ist? Ob Seele, Qi, Herz oder Bauchgefühl, der Körper ist im Unbewussten eine andere Welt mit eigener Informationsverarbeitung. Bewusst können wir diese Informationen erstmal nicht verarbeiten. Der Darm zeigt in diesem Zusammenhang einige Besonderheiten, die weit über seine Aufgaben bei der Verdauung hinaus gehen. Neben seiner Rolle im Immunsystem, welche stofflich gut erforscht ist, beherbergt der Darm mehr Nervenzellen als das Rückenmark. Diese kommunizieren mit dem Hirn zu über 80% vom Darm ausgehend. Adressat der Darm-Informationen ist zum größten Teil das limbische System, welchem das Trieb- und Instinktverhalten sowie der emotionale Haushalt zugeschrieben wird. Deutlich wird dies am einfachsten in Extremsituationen, wie einem traumatischen Schockerlebnis oder plötzlichen Schreck. Wenn einem etwas auf den Magen schlägt oder bei bestimmten Erlebnissen mulmig oder sogar schlecht wird, dann hören wir plötzlich ein starkes Signal unseres Körpers. Hat man die Fähigkeit, etwas mehr ›in sich zu hören‹ würde man dies Intuition nennen, die indirekt auch als gesunder Menschenverstand bezeichnet wird. Intuition hat dabei einen engen Zusammenhang mit der ›inneren‹ Logik der Gegebenheiten und früheren Erfahrungen. Heutzutage wird sie auch als eine trainierbare Wahrnehmungsform betrachtet, deren Herausforderungen in der Differenzierung gegenüber Projektionen, Vorurteilen und der Bewusstmachung liegen.
un-plaqued No 19 | 17
THEMA / WAHRHEIT
Ist Wahrheit in Wirklichkeit nur Kopfsache? Von 200 Lügen am Tag basieren viele auf einem anerzogenem Verhalten durch die Gesellschaft, Familie und Sozialisierung. Gemeinhin bezeichnet man dies auch als einen mehr oder weniger guten Umgang. Was antwortet man wem auf die Frage, wie es einem geht? Je nach Situation wird man bewusst eine Unterscheidung der inneren und äußeren bzw. nach außen präsentierten Wahrheit machen. Wir müssen sogar lügen,
EIN MENSCH IST IMMER DAS OPFER SEINER WAHRHEITEN. Albert Camus
da ein zu jeder Zeit praktiziertes Aussprechen der ›Wahrheit‹ unser gesellschaftliches Funktionieren gefährden und viele Menschen unglücklich machen würde. Einige Lügen entsprechen echten Unwahrheiten, manchmal aus Unwissen, vielleicht aufgrund eines schlechten Gewissens oder einer unglücklichen Situation oder auch als bewusste Täuschung. Wieder andere sind die Lügen uns selbst gegenüber, die Erklärungen war-
um unser Leben so ist wie es ist, oder die Rechtfertigungen warum etwas gut oder schlecht ist. Selbst wenn, oder gerade weil wir einige unserer persönlichen Wahrheiten und Bedürfnisse kennen, helfen uns vermeintliche Wahrheiten am Ende kaum dazu, das Leben zu verbessern. Wir wissen, welche Risiken mit Rauchen, Alkohol oder ungeschütztem Geschlechtsverkehr verbunden sind und machen es dennoch. In diesen Situationen schwingt die Erkenntnis mit, dass es ja nicht so kommen muss, weil es vielleicht doch keine Regel oder Wahrheit ist und man selbst zu denen gehöre, die nicht betroffen sein werden. Wir können einiges verstehen und vieles imitieren, was wir in der Natur beobachten. Manchmal scheint die Suche nach der Wahrheit aber eine Beschäftigung des Hirns aus Langeweile zu sein. Denn wie oft suchen Sie nach Wahrheiten, wenn Sie sich einfach wohlfühlen und alles gerade so ist, wie es Ihren Vorstellungen entspricht? Wie oft hinterfragt man das Glück, wenn es einem widerfährt? Eine gute Mischung aus Kopf- und Körperwahrheiten zu erhalten ist definitiv Übungssache und hat viel mit Ehrlichkeit gegenüber sich selbst zu tun. Die eigenen Wahrheiten sind dabei das einzige erreichbare Ziel. Die Akzeptanz, dass diese nicht einfach auf andere Menschen projizierbar sind und trotzdem für einen selbst zutreffen, hilft, sich selbst zu akzeptieren oder eben auch zu verändern. Denn ich werde meine Wahrheit, wenn ich mich erkennen, verstehen und mit mir leben kann.//
18 | un-plaqued No 19
VORSPRUNG DURCH FORTBILDUNG
Für Studierende & Assistenten (m/w)
STARTERKIT ÄSTHETIK UND FUNKTION Optional für Studierende ab dem 8. Semester: Modul Implantologie Optional für Studierende und Assistenten (m/w) Modul CAD/CAM Für Assistenten (m/w): Modul Ästhetik und Funktion Modul Komposit Modul Hygiene, QM, Ergonomie Top Referenten aus Praxis und Wissenschaft Assistenten (m/w) 299 €*/ 379 €** Studenten 199 € (je 2 Tage inkl. Übernachtung und Essen) *
DGÄZ-Mitglieder | **Nichtmitglieder
Weitere Info www.dgae s auf z.de oder rufen Sie unsere Geschäftss telle an
Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Zahnheilkunde e.V. Graf-Konrad-Straße Schloss Westerburg 56457 Westerburg Telefon +49 (0) 2663 916-731 Fax +49 (0) 2663 916-732 E-Mail info@dgaez.de www.dgaez.de un-plaqued No 19 | 19
THEMA / WAHRHEIT
DIE ERNIEDRIGENDE WAHRHEIT TEXT Eric Weigel ‧ILLUSTRATION Steffen Seeger
Fragt man einen Philosophen danach, was es zur Wahrheit zu sagen gäbe, sollte man über eine enttäuschende oder gar keine Antwort nicht verwundert sein. Obwohl ›Philosophie‹ schon lexikalisch die Liebe zur Weisheit und Wahrheit bedeutet, lehrt die Geschichte der Philosophie vor allem, dass die Suche nach Wahrheit immer vom jeweilig vorherrschenden Zeitgeist bestimmt war. In der Moderne zeichnet sich eine Verkettung von unliebsamen Wahrheiten ab, die das Selbstverständnis des Menschen erheblich kränken: eine Entthronung jeglicher Erhabenheit. Die Wahrheit wird zur Erniedrigung.
U
m zu verstehen, warum Wahrheit als Kränkung ein wesentliches Merkmal der Moderne ist, wagen wir zunächst eine kleine Reise in die Perspektiven anderer Kulturzeiten. Die griechische Antike ist dabei ur-
sprünglich maßgebend für das gesamte Unterfangen der Suche nach Weisheit und Wahrheit. Dort war Wahrheit die Suche nach einem Ideal, nach einer in den Dingen verankerten Ur-Idee, die es zu ergründen galt. Nicht mehr nur Schatten und Abbilder, sondern das Ding-an-sich sollte hell im Sonnenlicht stehend erkannt werden. Ideell gehörte dazu auch ein Idealzustand der eigenen Haltung: ein inneres Gleichgewicht zwischen dem noch animalisch-triebhaften und dem moralisch-sittlichen, zwischen Natur und Staat, zwischen Entschlossenheit und Zartheit, Ausschweifung und Maß, dem Apollinischem und dem Dionysischen. Die Kultivierung eines solchen Gleichgewichts ebnete den Weg zur Wahrheit und zum guten Leben. Stets die Unausgeglichenheit des Menschen mitdenkend, war dieser Weg bestimmt durch eine pendelhafte Bewegung auf die Wahrheit zu. Rückschritte gibt es auf diesem Weg nicht. Wahrheit war konnotiert mit Ausgewogenheit, Göttlichkeit, Reinheit.
20 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
un-plaqued No 19 | 21
THEMA / WAHRHEIT
Eine andere interessante Wahrheitsauffassung auf unserem Weg in die Moderne findet sich im abendländischen Mittelalter. Im Schatten des Allmachtsgedanken des christlichen Gottes war das Bild von Wahrheit sehr viel zielorientierter. Man wollte das Eine finden, das für alles galt: ein transzendentes Etwas, aus dem alles entspringt, das alle Universalitäten in einer Einheit zusammenzufassen vermag. Unverkennbar dahinter stehend war die christliche Lehre der Allmacht Gottes und die damit verbundene Dreifaltigkeit. Gottesbeweise waren ein beliebtes Unterfangen der mittelalterlichen Philosophie: Bewies man Gott, so hätte man auch eine solche transzendentale Wahrheit bewiesen. Demnach barg die katholische Kirche ein kulturelles Wahrheitsmonopol. Erst in der darauf folgenden Frühen Neuzeit begann dank neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ein Emanzipationsprozess gegen klerikal bestimmte Wahrheitsbilder. Der Einfluss empirisch-wissenschaftlischer Erkenntnisse wurde dabei so dominant, dass sich die Wissenschaft zum Antagonisten der Kirche etablierte. Wissenschaft löste immer mehr mythisch-religiöse Selbst- und Weltverständnisse durch harte Fakten auf. Kratzten manche Wissenschaftswahrheiten zu sehr an klerikal aufrecht zu erhaltenden Weltentwürfen, sah man sich der Inquisition ausgeliefert. Es sei erinnert an die Galileo-Anekdote und sein trotziges ›… und sie dreht sich doch!‹. Trotz aller kirchlicher Bemühungen war der Siegeszug der Wissenschaften nicht mehr aufzuhalten und prägt unser Verständnis von Wahrheiten bis heute. Kirche und Wissenschaft arrangierten sich innerhalb langer Prozesse hin zu einer ambivalenten Koexistenz, die von Max Horkheimer vortrefflich charakterisiert wurde.
22 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
WAHRHEIT TRIUMPHIERT NIE, IHRE GEGNER STERBEN NUR AUS. Max Planck
Die Renaissance war Initialpunkt einer ganzen Reihe für den Menschen unliebsamer Wahrheiten, die das anthropologische Selbstbild unwiderruflich revolutioniert haben. Besagte ›harte Fakten‹ waren nämlich zunächst alles andere als schmeichelhaft. Jahrhunderte hatte man die Einzigartigkeit und Erhabenheit des Menschen kultiviert. Moral distinguierte ihn vom Tierreich. Der freie Wille war Attribut seiner gottgleichen Abstammung. Ein Gott war es auch, der seine Schöpfung zentral im Universum und nicht in irgendeiner Peripherie verortet haben musste. Unantastbare, wohlbehütete Wahrheiten, die sich spätestens seit dem Aufstieg des Christentums hin zu einem einheitlichen Weltbild verdichtet haben. Wissenschaft schickte sich nun an, jene uralten Selbstverständnisse innerhalb weniger Dekaden zugunsten nackter Wahrheiten zu destruieren. Zunächst nur unter Fachpublikum, und aus Angst vor klerikaler Stigmatisierung zumeist unter vorgehaltener Hand diskutiert, erreichten diese Wissenschaftswahrheiten nur allmählich die breite Masse. Schließlich war Wissen gebunden an Alphabetismus und nur einer Elite vergönnt, was erst die Erfindung des Buchdrucks oder erste Bibelübersetzungen änderte. Nichtsdestotrotz muss der Kulturschock unvorstellbar gewesen sein.
un-plaqued No 19 | 23
THEMA / WAHRHEIT
Im Allgemeinen spricht man von drei wesentlichen Kränkungen des Menschen:
1
Die Erde ist nicht der Mittelpunkt des Universums. In der so genannten kopernikanischen Wende löste das heliozentristische das ptole-
mäische Weltbild ab. Dies war insofern skandalös, als das die Bibel (Josua 10, 13) die Erde als den zentralen Schauplatz des Universums verortete. Gott hätte seiner Schöpfung niemals irgendeinen, sondern den zentralen Platz im Universum eingeräumt, um den sich alles andere dreht. Die Vorstellung, dass die Erde nur ein Planet unter vielen anderen ist, verletzt damit die anthropozentrische Prestigeperspektive eines gottnahen Menschen.
2
Der Mensch entspringt aus einer Evolutionskette des Tierreichs. Auch hier besteht die Verletzung aus einem degradierten Erhaben-
heitsselbstverständnis. Der Mensch ist nicht von einem göttlichen Wesen nach seinem Ebenbild geschaffen worden, wie in der kreationistischen Schöpfungsgeschichte der Genesis überliefert, sondern steht dem Tier viel näher, als es sein kulturelles Eigenbild wahrhaben möchte und akzeptieren kann. Als regressives Kuriosum gibt es heute wieder vor allem in den Vereinigten Staaten die sogenannten Kreationisten, die vehement die Genesis als Wahrheit verteidigen.
3
Das menschliche Handeln beruht nicht (nur) auf einem freien Willen. Die wissenschaftlichen Indizien der Psychoanalyse spitzten sich dahin-
gehend zu, dass der Mensch wider der christlichen Lehre nicht Herr im eigenen Haus ist. Jahrhundertelang galt der freie Wille des Menschen als größtes Geschenk Gottes, auf dessen Existenz maßgeblich die christliche Ethik und Heilslehre begründet ist. Der Mensch als zwischen Gut und Böse Wählender bestimmt sein eigenes Schicksal, insbesondere als Konsequenz im Jenseits. Nun erfahren wir, dass ein archaisches, kaum kontrollierbares Unterbewusstsein wesentlich unser Handeln, Denken und Wollen lenkt. Es steckt viel mehr Animalisches in uns, als uns lieb ist.
24 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
Dies sind die drei wesentlichen Umstürze. Der Vollständigkeit halber sei noch eine vierte, momentan debattierte erniedrigende Wahrheit angeführt: Es steht die Behauptung im Raum, dass Körper nicht mehr sind, als an die Umwelt optimierte Gen-Container, die den Fortbestand der Art durch äußerliche Attribute sichern. Auch hierbei handelt es sich erneut um eine Reduzierung auf einen rein naturalistischen Biologismus jenseits aller Vorstellungen von Individualität oder Einzigartigkeit. Denkt man in dieser Linie über Wahrheit nach, beendet die Moderne jede Vorstellung von Wahrheit als etwas Edlem. Vielmehr haben wir bis heute damit zu kämpfen, bestimmte Wahrheiten anzuerkennen und sie mit unserem kulturellen Erbe zu vereinbaren. Es bedarf immer einer Art kultureller Inkubationszeit, bis das Virus ›Wahrheit‹ sich ausbreitet und behandelt wird als ein Stigma, mit dem sich der Patient arrangieren muss. Im Kleinen können wir auch noch heute Kulturschocks durch Wissenschaftswahrheiten erfahren. Der Mensch ist nur bedingt an Wahrheiten interessiert: Nützen sie ihm als bequeme praktische Grundlagen, so bedient er sich ihrer gerne und brüstet sich mit ihnen. Für unbequeme Wahrheiten hält der Mensch nach wie vor ein großes Instrumentarium an selbstschützenden Mechanismen bereit. Immer noch reagiert der Mensch besonders allergisch auf Wahrheiten, die seine kulturelle Identität ankratzen oder gar Machtverhältnisse kippen könnten. Eine noch recht junge Institution
un-plaqued No 19 | 25
THEMA / WAHRHEIT
wie die Ehe wird durch die wissenschaftliche Wahrheit, der Mensch sei zur Monogamie nicht fähig, kaum tangiert. Das Konzept der Ehe und Familie ist sowohl politisch besonders funktionell, als auch eine fest eingeschriebene menschliche Sehnsucht nach ewiger Liebe. Während die Funktionalität politischen Ursprungs ist, wird die Vorstellung von ewiger Liebe vor allem medial im 20. Jahrhundert massiv beflügelt. Die Traumfabrik Hollywood hat es bestens verstanden, diese Sehnsucht kommerziell motiviert zu instrumentalisieren.
DIE WAHRHEIT HAT NICHTS ZU TUN MIT DER ZAHL DER LEUTE, DIE VON IHR ÜBERZEUGT SIND. Paul Claudel
Konfrontiert mit der Möglichkeit, Monogamie sei eine kulturelle Lüge, erntet man allzu oft eine sonderbar trotzköpfige Empörung. Dies ist der Moment, bei dem zwar auf rationaler Ebene eine plausible Wahrheit deutlich wird, aber die mitschwingende Kulturverletzung so groß ist, dass man etwas lieber ›nicht wahrhaben will‹. Es gibt noch viel zu tun. Wer weiß, was in Zukunft wahr sein wird? Wir finden es heraus, indem wir uns trauen, das allzu bequeme Schneckenhaus immer mehr zu verlassen, denn die Geschichte zeigt, dass kulturelle Selbstverständnisse keine Zuflucht vor der Wahrheit gewähren. Es gibt zwar kein Entkommen, aber niemand ist alleine beim Abarbeiten der zunächst unliebsamen, kränkenden Wahrheiten. //
26 | un-plaqued No 19
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR IMPLANTOLOGIE IM ZAHN-, MUND- UND KIEFERBEREICH E.V.
Die Karriere-Spitze: renommiert, international Das Netzwerk: Foren, Gruppen, E-Learning
Das Update: aktuelles Wissen tanken
Die neuen Trends: Trainingsprogramm für Fortgeschrittene
Das Siegel: für Curriculum + Erfahrung
Der Goldstandard: postgradual, strukturiert und zertifiziert
IHRE EXZELLENZ IN DER ORALEN IMPLANTOLOGIE <
Es lohnt sich, von Anfang an bei der DGI dabei zu sein – für Studenten kostenlos: Profitieren Sie von den abgestuften, strukturierten und zertifizierten Fortbildungsangeboten der größten wissenschaftlichen Fachgesellschaft Europas in der Implantologie Kooperationskurse während des Studiums werden auf das Curriculum zeitlich und finanziell angerechnet Curriculumsabsolventen kommen mit geringerem zeitlichen und finanziellen Aufwand zu ihrem Master of Science in Oral Implantology. Bei der DGI finden Sie alles, was Sie für Ihre Exzellenz brauchen! <
<
WWW.DGINET.DE/ACADEMY
WAHR NEHMEN
28 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
30 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
un-plaqued No 19 | 31
THEMA / WAHRHEIT
un-plaqued No 19 | 33
THEMA / WAHRHEIT
34 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
un-plaqued No 19 | 35
THEMA / WAHRHEIT
36 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
un-plaqued No 19 | 37
THEMA / WAHRHEIT
DIE WAHRHEIT STEHT UNS GUT!
TEXT Mike Rubin
Gleich voran, allen Zweiflern zum Trotz: Die Wahrheit kann man verbiegen, man kann sie verschweigen oder auch relativieren, nur abschaffen kann man sie nicht. Zum Gl端ck ist sie doch eine der tiefen Urgegebenheiten, in der und durch die der Mensch lebt, an der er sich orientiert und ausrichtet.
38 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
›Wenn die Worte nicht stimmen, stimmen die Begriffe nicht. Wenn die Begriffe nicht stimmen, wird die Vernunft verwirrt. Wenn die Vernunft verwirrt ist, gerät das Volk in Unruhe. Wenn das Volk unruhig wird, gerät die Gesellschaft in Unordnung. Wenn die Gesellschaft in Unordnung gerät, ist der Staat in Gefahr.‹ Konfuzius
Die gute alte Tante Wahrheit
aus einem tiefen menschlichen Bedürfnis nach
Seit ihrem Bestehen hat sich die Menschheit
zwischenmenschlicher Verständigung und see-
über die Welt und den Sinn ihres Daseins Ge-
lischer Verbindung.
danken gemacht. In Tausenden oder vielleicht
Erhard Landmann führt den Ursprung aller
sogar Millionen von Jahren haben sich in einer
Sprachen der Welt, anders als Franz Bopp mit
Evolution des Geistes oberste Prinzipien und
seiner historisch vergleichenden indogerma-
Normen herauskristallisiert, um die Welt und
nischen Sprachwissenschaft, auf die althoch-
ihre Zusammenhänge zu ordnen und zu ver-
deutsche Sprache, die europäische Ursprache,
stehen. Mit Hilfe der Philosophie und Wissen-
zurück. Er unternimmt in seinem Buch Weltbild
schaft (Wahrheit und Wissen), der Ethik (Lie-
erschütterung eine erstaunliche Reise durch die
be), der Kunst (Musik, Dichtung und Schönheit),
Sprachen der Welt, und zeigt in seinen tabel-
der Gerechtigkeit (Gemeinschaft und Recht)
larischen Nebeneinanderstellungen die Ver-
und der Religion (Gott und Welt), hat sich die
wandtschaft von Worten der unterschiedlichs-
Menschheit auf die Suche begeben um ihre Fra-
ten Sprachen mit dem Althochdeutschen auf. Er
gen zu beantworten. Der Mensch lebt dort auf,
vergleicht Sprachen wie das Quiche der Mayas,
wo Sinn ist und nicht wo Unsinn herrscht.
das Nahuatl der Atzteken, afrikanische Sprachen, Chinesisch, Japanisch, Ungarisch, Rus-
Am Anfang war das Wort
sisch und weitere mit dem Althochdeutschen.
Wir finden die Welt vor und bezeichnen sie,
Die französische Sprache sei beispielsweise kei-
um uns ausdrücken und verständigen zu kön-
ne romanische Sprache und stamme nicht vom
nen, mit Begriffen und Worten für bestimm-
Latein ab, sondern vom fränkischen Dialekt des
te sachliche sowie emotionale Inhalte und Zu-
Althochdeutschen, schlussfolgert Erhard Land-
sammenhänge. Wir verabreden uns über die
mann. Aus einer Sprache, einer Kultur, einer
Sprache, um eine Beziehung in der Gemein-
Religion, seien viele hundert Sprachen, Kultu-
schaft und zur Welt herstellen zu können. Je-
ren und Religionen entstanden.
des Wort und jeder Begriff, der im Laufe der
Die Geschichte der Sprache, wie auch die Ge-
Menschheitsgeschichte entstanden ist, rührt
schichte der Menschheit, ist eng miteinander un-plaqued No 19 | 39
THEMA / WAHRHEIT
verwoben. Alle uns bekannten Sprachen sol-
Idealität ändert nichts an der empirischen Re-
len laut Richard Fester einen gemeinsamen Ur-
alität. Es gibt nämlich nichts, weder unter den
sprung haben. Die vergangenen 5.000 bis 6.000
Gegenständen, noch unter den Empfindungen,
Jahre, die über das Wort, also durch Nieder-
Gefühlen und Gedankendingen, was nicht zur
schriften und alte Überlieferungen in Holz und
Vorstellungswelt gehörte; was für mich da sein
Stein, erreichbar sind, schrumpfen angesichts
soll, muss mir bewusst geworden sein, und das
des bis heute beweisbaren Alters des Menschen
betrachtende Bewusstsein kennt nur Erschei-
von fast 5 Millionen Jahren zu einem Fast-Nichts
nendes. Deswegen kann es nicht gelingen, so-
zusammen.
lang man bei der Betrachtung eines Gegebenen bleibt und dieses aus seiner Gegebenheit zu be-
Wie wirklich ist die Welt als Grundlage für
greifen strebt, Erscheinendes von Nichterschei-
Wahrheit?
nendem abzuleiten. Denken mag ich freilich
›Der Mensch ist als wirklich in die Mitte einer
was ich will; nur vermittelt unabhängig von der
wirklichen Welt gesetzt und mit solchen Orga-
Gegebenheit operierendes Denken niemals an-
nen begabt, dass er das Wirkliche und neben-
dere Erkenntnis, als das Denken selbst betref-
bei das Mögliche erkennen und hervorbrin-
fende. Es ist eigentlich recht sinnlos, von einem
gen kann. Alle gesunden Menschen haben die
Weltbegriff, der außer Zusammenhang mit der
Überzeugung ihres Daseins und eines Daseien-
Erfahrung gewonnen wurde, auszusagen, dass
den um sie her.‹ Johann Wolfgang von Goethe
er ›richtig‹ sei, auch wenn er keinem Denkgesetze widerstreitet.‹
Wahrheit kann nur in einer wirklichen Welt stattfinden. Die Theorie der Unwirklichkeit
Die erfahrbare Welt ist der ›Spielplatz‹, den
der Welt, zum Beispiel in der indischen Maya-
wir erfassen, begreifen, deuten und untersu-
Lehre, die von ältesten Tagen bis heute so vie-
chen können, um zu verstehen in welchen fas-
le Verfechter gefunden hat und in vieler Au-
zinierenden und fast magischen Weltzusam-
gen als eine der Grundlehren gilt, hält einer
menhängen wir leben. Auch Schopenhauers
gründlichen Überprüfung nicht stand. Die Ma-
Lehre, die äußere Natur sei ein bloßes Gehirn-
ya-Lehre benutzt für ihre Idee einer unwirkli-
phänomen, wird dadurch ad absurdum ge-
chen Welt Worte wie ›Illusion‹, ›Trugbild‹ und
führt, dass unser Gehirn ein Teil eben dieser
›Täuschung‹. Inzwischen weiß jeder vernunft-
Außenwelt ist. Schopenhauers Willensmeta-
begabte und fühlende Mensch, dass weder sein
physik versucht aus einer gegebenen Erschei-
Körper, noch die Natur, noch das, was alle le-
nung, deren absolute Wirklichkeit vorausge-
bendigen Wesen feinstofflich und energetisch
setzt wird, alle übrigen Gegebenheiten, die
miteinander verbindet, keine Illusion, im Sinne
genau der gleichen Sphäre angehören, aber
einer nichtexistierenden Welt ist, sondern, dass
sämtlich unwirklich sein sollen, abzuleiten.
wir aus unserem Inneren eine Wirkung auf die
Dieser Versuch der Welt ihre Wirklichkeit ab-
Dinge und Zusammenhänge haben, ebenso wie
zusprechen, gelingt Schopenhauer ebenso we-
die Dinge und Beziehungszusammenhänge je-
nig wie den alten Indern mit ihrer Maya-Lehre.
den Einzelnen beeinflussen.
Es ist ein verzweifeltes Unterfangen, von einer metaphysischen Wirklichkeit her die Unwirk-
Hermann von Keyserling schreibt in seinem
lichkeit der Erscheinungswelt ableiten zu wol-
Werk Kritik des Denkens folgendes: ›Schon
len. Die wahrnehmbare, sichtbare und fühlba-
Kant nämlich, der Begründer des transzenden-
re Welt ist die Einzige, die uns auf dem Weg der
talen Idealismus, hat es richtig erkannt und aus-
Erfahrung zugänglich ist und sie umfasst die
drücklich ausgesprochen: die transzendentale
gesamte Vorstellungswelt. Die Realität der
40 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
Phänomene (wahrnehmbare, sinnliche Ereig-
gane, die in jedem Säugetier vorkommen, tech-
nisse) haben wir, wie wir uns auch stellen, wie
nische Erfindungen, die mit den Kräften der
immer wir sie deuten mögen, vorauszusehen.
Natur zuverlässig arbeiten, z.B. Dampfmaschi-
Wir müssen voraussetzen, dass sie wirklich da
ne, Stromleitungsnetz, Benzin- und Elektromo-
sind, genau wie wir selber da sind.
toren, Flugzeuge und Autos. Manche Gesetze und Regeln wirken allerdings
Die Struktur hinter den Dingen
nur unter bestimmten Bedingungen oder Zeiten
Wir leben in einer wirklichen Welt. Das ist die
wie zum Beispiel den Jahreszeiten. Sind diese
Basis! Die wirkliche Welt besitzt eine Struktur,
bestimmten Umstände und Bedingungen gege-
die hinter allen Dingen ist. Es existieren also
ben, passiert immer dasselbe.
ganz bestimmte Regeln und Gesetze, durch die
Viele dieser Tatsachen erstaunen uns schon
unsere Welt so ist, wie sie ist. Einige dieser Ge-
lange nicht mehr, weil sie selbstverständlich
setze hat man bereits entdeckt und nennt sie
geworden sind und wir sie, oft unbewusst, als
Naturgesetze. Eine Aussage in der empirischen
gültig anerkennen. Diese verinnerlichten und
Wissenschaft gilt dann als begründet, wenn
akzeptierten Zusammenhänge geben uns eine
man sie als objektiv gültig nachweisen kann, im
Grundsicherheit, die der Einzelne wie auch die
Unterschied zu Aussagen, die lediglich auf sub-
Gemeinschaft zum Leben bedarf. Auch ohne
jektiver Sichtweise oder Geschmack beruhen.
wissenschaftlichen Nachweis kennen wir mitt-
Wir kennen mathematische Regeln (1 + 1 ist im-
lerweile einen bestimmten Teil der uns täglich
mer 2, unabhängig vom Beobachter), das Gesetz
umgebenden Weltzusammenhänge und stellen
der Identität (A = A, ein Baum = ein Baum), die
diese auch weitestgehend nicht in Frage, da sie
Kraft, die wir Gravitation nennen (Isaac Newton
uns immer wieder erscheinen und wir sie hö-
1686 in Philosophiae Naturalis Principia Mathe-
ren, sehen, schmecken, fühlen und anfassen
matica), die Moleküle, Zellen, Knochen und Or-
können.
Was ist Wahrheit? Gibt es nur eine Wahrheit oder mehrere oder überhaupt keine Wahrheit? Auf der Suche nach einer Antwort kann man verschiedene Ebenen herausstellen, in denen ein Wahrheitsbegriff angewendet werden kann:
DIE 3 EBENEN
un-plaqued No 19 | 41
THEMA / WAHRHEIT
ollkomv t s i m versu ssert e b r e v t Das Uni nn nich a k n will, s r E e . d n ä r men r es ve e W . n e sitzen e b werd s e r es. We t b r i d r e v liert es. r e v , l l i w Laotse
1. Universelle Ebene
2. Gemeinschafts- und Gruppen-Ebene
All und Alles -> Realgrund =
Verbindungen ab zwei Menschen, Familie, Stamm, sozia-
Ur-Wirklichkeit = Ur-Wahrheit
le Gemeinschaft, religiöse und ethnische Gruppen, Vereine, Volk, Menschheit
Die Universelle Ebene ist die reale
Klar muss sein, dass die Wahrheiten der Universellen Ebe-
Grundlage für Alles, sie enthält alle
ne auf jeder weiteren Ebene erkannt werden können und
Gesetze aller Ebenen und Daseinsbe-
zu Teilen ja bereits erkannt worden sind. Das erfordert ge-
reiche. In dieser Ebene finden wir alle
meinsames Beobachten, Forschen, Experimentieren und
gegebenen Tatsachen inklusive Men-
Lernen. Klar ist auch, dass die Menschheit dem All nicht
schen-, Tier-, Pflanzen- und Mineral-
sämtliche Gesetze und Zusammenhänge entlocken wird.
welt sowie die Erde, Planeten, Son-
Da schwingt positiv mit, dass es noch viel zu erforschen
nen und so weiter, kurz gesagt: Alles
und zu entdecken gilt.
was existiert. Es spielt keine Rolle, ob der Mensch oder sonst ein intelligen-
Die bestmögliche und vernünftige Grundlage jeder
tes Lebewesen, alle Wahrheiten die-
Erkenntnis ist die Tatsache, dass ein Zusammenhang wirk-
ser Ebene entdeckt, die universellen
lich ist. Wie oben bereits erwähnt ist die Wissenschaft
Tatsachen existieren ›aus sich selbst
dafür zuständig, die Strukturen unserer Welt und der des
heraus‹, unabhängig von der Er-
Universums zu beobachten, zu erforschen und zu doku-
kenntnis der Menschen. Auf der uni-
mentieren. Feststehende und nachprüfbar richtige Ergeb-
versellen Ebene entspricht alles der
nisse übernehmen die Menschen dann als Wissenssätze
absoluten Wahrheit, da sie der rea-
(= Wissen). Zusammenhänge, die noch nicht eindeutig und
le Urgrund aller Gesetze, Regeln und
endgültig bewiesen werden konnten, aber ein theoreti-
Zusammenhänge ist.
sches Modell in Form von Thesen und Hypothesen postulieren, nehmen wir als Glaubenssätze an (= Glauben).
42 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
Der unstrukturierteste und unsicherste Bereich
• Zuschreibung von Wahrheit
ist letztendlich jener der Vermutung, zum Bei-
Ein Standpunkt besteht aus dem Konsens von
spiel ob unser Weltall endlich oder unendlich
einer möglichst hohen Zahl von gleichen Mei-
ist.
nungen (Traditions-, Kultur-, Religions-, WeltKonsens). Menschen mit bestimmten Über-
Auf der interpersonellen Beziehungsebene, die
zeugungen zu einem Thema können sich
der Gemeinschafts- und Gruppen-Ebene ange-
gruppieren, so vertreten sie gestärkt einen ge-
hört, verstehen wir unter Wahrheit eine Aus-
meinsamen Standpunkt. Es gibt verschiedene
sage, die mit der Welt und ihrer Wirklichkeit,
Meinungen und auch verschiedene Gruppen
mit einem Faktum, übereinstimmt. So z.B. eine
mit unterschiedlichen Standpunkten zu einem
tatsächliche Handlung, ein reales Erlebnis, eine
Thema, beispielsweise Religion. Jeder Stand-
wirklich getätigte Aussage (persönliche Ge-
punkt hat eine eigene Strategie und Konzepte
schichte, Weltgeschichte), eine authentische
zu seiner Rechtfertigung.
persönliche Haltung und Gefühle sowie einen persönlichen Standpunkt (Wissen als auch
• Geschlossene Wahrheitssysteme
Nichtwissen). Verfälschungen dieser Inhalte
Ein theoretisches Modell einer in sich geschlos-
können als ›Lüge‹ oder als ›unwahr‹bezeichnet
senen Wahrheit, z. B. Mathematik, bestimmte
werden. Eine Verfälschung ist ein absichtliches
Theorien in der Physik, das Modell der Klimae-
oder unabsichtliches Verändern eines bereits
rwärmung und auch die Infektionstheorie, auf
existierenden Zusammenhanges oder Gegen-
der die heutige Schulmedizin basiert.
standes.
Die Kohärenztheorie ist eine in sich geschlossene Theorie, die nicht den Versuch macht, nach
In der Gemeinschafts- und Gruppen-Ebene
der ›absoluten‹ Wahrheit zu suchen, sondern
existieren vier Wahrheitskategorien:
nur die Stimmigkeit von Aussagen innerhalb eines bestimmten Kontextes untersucht. Die Ko-
• Tatsachen als Wahrheitsbeweis
härenztheorie vergleicht nur die Sätze unterein-
Eine Tatsache ist ein wahrgenommener Vor-
ander. Vereinfacht: Eine Aussage ist dann wahr,
gang der inneren und äußeren Realität. Sie be-
wenn sie in den Kontext passt. Ob der Kontext
steht aus einem Ding und seiner Bewegung, aus
an sich einen Sinn ergibt, wird nicht berücksich-
einer Handlung in der Zeit oder aus einer per-
tigt. So war im Mittelalter die Aussage ›... die
sönlichen Gefühlsregung. Erkenntnismodelle
Sonne dreht sich um die Erde‹, im Kontext des
sind beispielsweise die Gesetze der Logik (Ge-
geozentrischen Weltbildes wahr. Im heliozent-
setz der Identität, Gesetz vom ausgeschlossenen
rischen Weltbild ist diese Aussage falsch.
Dritten, Gesetz vom ausgeschlossenen Wider-
Bei der Pragmatischen Wahrheitstheorie ist
spruch), wie auch die Korrespondenztheorie.
Satz ›x‹ für eine Gruppe von Personen genau dann wahr, wenn die Anerkennung von ›x‹
• Nachweisverfahren von Wahrheit
nützlich für die Realisierung von Zielen der
Es werden bestimmte Kriterien zu einem prak-
Gruppe ist.
tischen oder logischen Nachweisverfahren festgelegt. Wenn diese Kriterien eingehalten werden, spricht man von einer wahren Aussage. Wissenschaftliche Erkenntnisprozesse finden in dieser Form statt.
un-plaqued No 19 | 43
THEMA / WAHRHEIT
3. Persönliche Ebene
Die Lüge bedeutet eine absichtliche Verfäl-
Individuum / Subjekt
schung eines Inhaltes, eines bereits existierenden Zusammenhanges oder eines Gegenstan-
Diese Ebene geht vom Bewusstsein des Einzel-
des. Menschen lügen aus Angst, Scham oder
menschen aus, der versucht, das Leben und die
Mitgefühl.
Welt zu verstehen und zu ordnen. Das Einzelwe-
Herman von Keyserling schreibt in seinem Auf-
sen weiß ganz sicher um sich selbst und steht in
satz Wahrheit und Richtigkeit aus Der Weg zur
Wechselbeziehung zu anderen Wesen, zur Na-
Vollendung (Heft 34, 1943): ›Ein echter und le-
tur, zum Kosmos sowie auch zu leblosen Dingen.
bendiger Wahrheitsbegriff in der heutigen geistig-seelischen Situation des Menschen, ist
Auf der Persönlichen Ebene ist das wahr, was
nur in Funktion der persönlichen Wahrhaftig-
das Individuum als wahr akzeptiert und als
keit fundiert. Ohne Überzeugtheit gibt es kei-
wahr fühlt. Wenn der Einzelne etwas als wahr
ne wohltätige Wahrheit mehr; die Zeit alleinse-
befindet, beeinflusst ihn das in seinem Leben
ligmachender Sachlichkeit ist um. ›Richtigkeit‹
grundsätzlich. Es bestimmt seine innere Ein-
kann, wie auch in Urzeiten, nur bestimmt wer-
stellung und Haltung, mit der er die Welt wahr-
den in Funktion der jeweils rechten Gleichung
nimmt und wie er in der Welt wirkt. Die Welt
zwischen Subjekt und Objekt, die aber hängt
und ihre Wirklichkeit wird ohne Zweifel von je-
von der jeweiligen psychischen Konstitution
dem einzelnen Mensch mit gestaltet, genau-
ab.‹
so wie auch die Wirklichkeit den Menschen be-
Wir können auf der Persönlichen Ebene zwei-
einflusst.
erlei Wahrheitskategorien bilden. Die eine be-
Der Mensch ist ein essenzieller Bestandteil der
dient sich der Tatsachen als Wahrheitsbeweis,
Wahrheit der Welt. Jede menschliche bzw.
während bei der personengebundenen Wahr-
überhaupt jede Handlung und Bewegung im
heit persönliche Erfahrungen der Innen- und
Universum, ist allein auf der Grundlage der Ur-
Außenwelt die Überzeugungen bestimmen.
Gesetze der Universellen Ebene möglich. Auf der Persönlichen Ebene misst sich die Echtheit
Meine Wirklichkeit, mein Standpunkt, meine
und Authentizität einer Person an ihrer Wahr-
Erkenntnis, meine Meinung, meine Überzeu-
haftigkeit (Albert Schweitzer: ›Treue zu sich
gung, mein Glaube bestimmen meine Wahr-
selbst.‹). Eine der höchsten Tugenden ist die
heit.
Ehrlichkeit. Ehrlichkeit bedeutet aufrichtig und offen zu
Das Erkenntnismodell
sein, und hängt von der Stärke der Persönlich-
Alles was der Mensch weiß, hat er erfahren.
keit, Intelligenz, Erziehung, Milieu, Erfahrun-
Der Mensch lebt in der Welt und bildet die Welt
gen und vor allem von der Reife eines Men-
durch seine Erfahrungen in seinem Bewusstsein
schen ab. Der reife oder weise Mensch weiß um
individuell ab. Es entsteht: Erfahrung durch Er-
die Zusammenhänge, dass wir Beziehungswe-
kenntnis. Dieses Modell bildet den Weg der Er-
sen und der Gemeinschaft gegenüber verant-
kenntnis in einfachen Zügen ab:
wortlich sind. 44 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
DAS ERKENNTNISMODELL
*
*
* Aufmerksamkeitsfilter: Interesse, Psyche, Bewusstsein und Sensibilisierung. * Biofilter = Physischer Filter: Körperlicher Zustand (z.B. müde oder wach), Seh-, Hör- und Wahrnehmungsvermögen.
Das Erkenntnismodell unterscheidet zwischen
der Verstand der Sache angleicht, wie das bei
Wahrheit und ihrer Erkenntnis. Der Grund ist,
uns der Fall ist; aufgrund dessen nämlich, dass
dass Erkenntnis immer subjektiv ist und durch
die Sache ist oder nicht ist, ist unsere Meinung
bewusstes Betrachten der Innen- und Außen-
und unsere Rede davon wahr oder falsch.
welt entsteht. Für das persönliche Leben ist Er-
Wenn aber der Verstand Richtschnur und Maß
kenntnis und der in ihr enthaltene Sinn essen-
der Dinge ist, besteht Wahrheit in der Überein-
ziell. Durch Erkenntnis und Interesse an ›allem
stimmung der Dinge mit dem Verstand; so sagt
was ist‹, kann der Einzelne seine Meinungen
man, der Künstler verfertige ein wahres Kunst-
formen, Standpunkte beziehen sowie die Welt
werk, wenn es seiner Kunstvorstellung ent-
und ihre Ordnung erkennen. Selbsterkenntnis
spricht.‹
und Kenntnis der Welt gehören zu den wichtigsten Grundlagen für eine Selbstentfaltung, die
Die Wahrheit und ihr Gegenbegriff
dem Einzelnen höchstes Anliegen bedeutet.
Nahezu jedes Wort in unserer Sprache hat einen Gegenbegriff. Welchen Begriff kann man
Als einer der einflussreichsten Philosophen
der Wahrheit gegenüberstellen? Ist es die Lüge,
und Theologen der Geschichte, hat Thomas von
die Unwahrheit oder das Geheimnis?
Aquin im 13. Jahrhundert den Begriff ›Wahr-
Wenn Wahrheit bedeutet, die Welt zu zeigen
heit‹ in seinem Werk Quaestiones disputatae
wie sie wirklich ist, und wir davon ausgehen,
de veritate erwähnt: ›Ich antworte, es sei zu sa-
dass viele Dinge und Zusammenhänge noch
gen, dass Wahrheit in der Übereinstimmung
nicht entdeckt worden sind, scheint ›Geheim-
von Verstand und Sache besteht […]. Wenn da-
nis‹ der würdige Gegenbegriff zu ›Wahrheit‹
her die Sachen Maß und Richtschnur des Ver-
zu sein. Erst das Erkennen und die Entdeckung
standes sind, besteht Wahrheit darin, dass sich
eines Weltinhaltes macht für uns schlussendlich un-plaqued No 19 | 45
THEMA / WAHRHEIT
aus dem Geheimnis eine Wahrheit. Der Begriff ›Unwahrheit‹ bezieht sich dagegen auf eine unabsichtlich nicht korrekte Aussage, während die ›Lüge‹ eine absichtliche Verfälschung eines Inhaltes oder Zusammenhanges bedeutet.
GEGENBEGRIFF
LÜGE
subjektiv
subjektiv
EHRLICHKEIT
objektiv
objektiv
WAHRHEIT
GEHEIMNIS
›Eine Wahrheit kann erst wirken, wenn der Empfänger für sie reif ist. Nicht an der Wahrheit liegt es daher, wenn die Menschen noch so voller Unwissenheit sind. Alle Geheimnisse liegen in vollkommener Offenheit vor uns. Nur wir stufen uns gegen sie ab, vom Stein bis zum Seher. Es gibt keine Geheimnisse an sich, es gibt nur Uneingeweihte aller Grade.‹ Christian Morgenstern LITERATUR Hermann von Keyserling: Kritik des Denkens;
Und ewig sucht der Mensch
Erhard Landmann:
Am Anfang des Lebens und jeder Entdeckungsreise stehen der Wille zum Le-
Weltbilderschüt-
ben, Neugier, Sehnsucht und oft auch Notwendigkeit. Die Suche nach Wahr-
terung;
heit hat Philosophie, Wissenschaft und Kunst hervorgebracht und stellt den
Richard Fester:
Menschen mit seinen Möglichkeiten auf eine eigene Stufe im Universum. Die
Weib und Macht;
Menschheit, als Superorgan Mensch, befindet sich in einer Welt, die sich im-
Friedrich Köhler:
mer wieder wandelt, aber auch ihre Konstanten hat. Das Geheimnis ist schwan-
Die Offenbarung,
ger mit der Wahrheit, bis wir sie berühren, spüren, schmecken, sehen und be-
Muspilli;
gleiten können. Es ist schlussendlich das Interesse an uns selbst, unser Dasein
Ernst Jünger:
lebenswert zu gestalten, als auch das Überleben der Menschheit und aller Le-
Geheimnisse der
bewesen zu sichern, weswegen wir immer wieder Interesse und Mut aufbrin-
Sprache.
gen, auf der Suche nach Wahrheit. // 46 | un-plaqued No 19
www.gegen-periimplantitis.de
www.gesundes-implantat.de gesundes-impl p an antat.de
J Patien etzt tenbr „Imp oschüre brauc lantate hen P beste flege“ llen!
Implantate brauchen Pflege. Das Aktionsbündnis gegen Periimplantitis setzt sich für die Prävention von Entzündungen an Implantaten ein.
Für eine nachhaltige Implantologie und gesunde Implantate. Gegen Periimplantitis.
Informieren Sie Ihre Patienten mit unserer Broschüre „Implantate brauchen Pflege“. Auf www.gegen-periimplantitis.de erfahren Sie mehr.
Aktionsbündnis gegen Periimplantitis | c/o DentaMedica GmbH Harkortstr. 7 | 04107 Leipzig | Tel: +49 (0) 341 99 99 76-43 Fax: +49 (0) 341 99 99 76-39 | info@gegen-periimplantitis.de www.gegen-periimplantitis.de | www.gesundes-implantat.de
THEMA / WAHRHEIT
TRUTH OF A REVOLUTION TEXT Zeyad Salem
I
pass by the street and my heart aches, I pass
successive readings of Murakami's master piece
through the street and I picture it the way it
Kafka on the shore however I didn't really grasp
was that day, packed, energetic, happy, wor-
the meaning of such notion until that day.
ried, anticipating death, determined and unbeatable and I remember myself on the 25th of
After February 2011, the ousting of Mubarak
January 2011, joining the protests on this very
and the worldwide celebrations that followed,
same street, hearing the beats of my heart,
I among millions of people, thought that this is
feeling the weight of my steps knowing that no
it, this is our time this is when we get to build
matter how this ends, I would be filled with
our country into a nation of freedom, justice
pride that I revolted against a regime that took
and equality. Little did we know that the hard-
turns in suppressing my nation, my people and
er times were still ahead.
myself for more than 60 years.
Fascism is what is, whether it is the army who
It was a defining moment in my life, a moment
claimed to be on the side of the revolution, yet
of no return; it is when self realization and ac-
his actions proved otherwise, from civilians
tualization intertwine producing your present
undergoing military trials, girls coerced into
and future.
virginity tests, forceful evacuation of peace-
In everybody's life there is a point of no return,
ful sit-ins, silencing of all voices asking for a
I read this sentence countless times during my
real change, to a state media denouncing us as
48 | un-plaqued No 19
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
traitors and thugs all steered up by them, was
we the Egyptian people have zero tolerance
its biggest enemy.
for being randomly shot, killed, injured, beat-
Or religious based groups using all the manipu-
en, tortured or detained and in minutes we can
lative techniques in the book, using the prom-
gather and unite against any entity that vio-
ise of after life, as if they hold the keys to heav-
lates our rights, all what we are asking for and
en, as well an older generation that still cannot
I believe we have earned it the hard way, is to be
fathom what freedom is given that it thrives on
respected and treated as humans that have rights
patriarchy and oppression.
and more importantly a voice that will never be
Political parties which only care about person-
silenced again.
al gains and couldnâ&#x20AC;&#x2122;t care less about the essence
More than 2.276 martyrs later, I still believe that
of the revolution or those who sacrificed their
we will make it, we will build the nation we de-
life for it.
serve where justice, equality and dignity are the
And in the middle of all of it we stand united,
pillars, some would see my optimism as delusion,
trying to defend our dream of a free Egypt,
a dream but since I can still dream that means
trying to let those who lost an eye, an arm,
they haven't killed me yet.
a friend, a child, a sibling, a lover or a parent know that their loss was not in vain, coz the
Isn't that what a revolution is all about, isn't that
only truth in all of that surreal scene is that
how it startedâ&#x20AC;Ś a dream.//
zeyadsalem.wordpress.com un-plaqued No 19 | 49
THEMA / WAHRHEIT
REAL – ODER ERDICHTET? TEXT Karen Dobberstein
50 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
I
n der Psychologie werden seit jeher Gehirn-
unserer Vorerfahrung rekonstruiert werden.
strukturen und auch Gedächtnisfunktionen
In Extremfällen können Erinnerungen kom-
untersucht. Dazu gehören Untersuchungen
plett verdrängt werden, wenn sie zu schmerz-
zum Lernen als auch die Erforschung von Erin-
lich oder bedrohlich für das eigene psychische
nerungsprozessen. Eine direkte Erinnerung,
Wohlbefinden sind. Verdrängung dient hier
also das Reproduzieren einer Information, ist
als Schutzmechanismus vor diesen unerträgli-
nicht in allen Fällen möglich. In diesem Fall nut-
chen Erlebnissen. Forscher sehen hier die Ge-
zen Menschen die Fähigkeit auf allgemeine Er-
fahr, dass aufgedeckte verdrängte Erinnerun-
innerungen zurückzugreifen und dadurch ein
gen nicht der Wahrheit entsprechen müssen,
Ereignis zu rekonstruieren. In vielen Situatio-
da sie ebenso verfälscht und verändert werden.
nen wird die Rekonstruktion der wahrscheinlichen Wirklichkeit mit der Realität weitestge-
Was nicht ist, kann noch werden
hend übereinstimmen. Jedoch kann es gerade
Aus einer anderen Perspektive betrachtet, zeigt
über lange Zeiträume hinweg zu Verzerrungen
sich hier eine besonders positive Eigenschaft
des Erinnerungsprozesses kommen. Dieses
des Menschen. Unser Gehirn ist plastisch, was
Phänomen kennen beispielsweise Menschen,
bedeutet, dass es sich sehr schnell umorgani-
die sich wieder zu ihrem Ex-Partner zurückseh-
sieren kann. Obwohl es festgefahrene Denk-
nen, weil sie die negativen Seiten der Bezie-
strukturen gibt, deren Pfade schwer zu verlas-
hung vergessen oder verdrängt haben.
sen sind, können auch diese Nervenautobahnen
Untersuchungen aus den dreißiger Jahren fan-
abgebaut und wieder zu Trampelpfaden ge-
den drei Arten von rekonstruktiven Prozessen.
macht werden. Dafür können zieldienliche und
Erstens das Nivellieren, die Vereinfachung ei-
funktionale Nervenbahnen trainiert und gefes-
nes Erlebnisses, zweitens das Akzentuieren, die
tigt werden.
Überbetonung bestimmter Details und drittens
Ist es also möglich, die ursprüngliche Verknüp-
das Assimilieren. Letzteres bedeutet, dass Ein-
fung der Nervenbahnen zu einem bestimmten
zelheiten so verändert werden, dass sie mit dem
Ereignis zu reaktivieren? Deutlich wird dieses
Erfahrungswissen der Person übereinstimmen.
Phänomen bei Gerüchen. Jeder hat wahrscheinlich schon einmal erlebt, dass die Wahrneh-
Besonders gravierend wird diese Tatsache,
mung eines Duftes von Parfum, Essen oder
wenn es um Zeugenaussagen vor Gericht oder
anderen intensiven Gerüchen sofort eine Erin-
ähnliches geht. Es gilt als gesichert, dass sich die
nerung an eine bestimmte Begebenheit oder
Berichte von Augenzeugen verändern, wenn
eine Person hervorrief. Zeitgleich sind Details
sie nach dem Ereignis neue Informationen er-
und andere Sinneswahrnehmungen wieder
halten. Den nachträglichen Informationen
präsent und lassen uns die Situation noch ein-
wird mehr Beachtung geschenkt und sie blei-
mal durchleben.
ben sogar stärker im Bewusstsein, als das ursprünglich Gesehene. Detaillierte Fernsehbe-
Das Wiederaufrufen vergangener Erlebnis-
richte über Verbrechen können beispielsweise
se erfolgt durch synchrones Feuern der Neu-
die Beteiligten (Zeugen, Opfer) manipulieren,
ronen, welche schon während des Ereig-
so dass sie ihre Geschichte ausbauen oder ent-
nisses beteiligt waren. Da Erinnerungen in
sprechend verändern. Diese Erkenntnisse le-
verschiedenen Bereichen des Gehirns gespei-
gen nahe, dass Erinnerungen eher wie Colla-
chert werden, entsteht ein Gedächtnisnetz
gen sind, welche aus verschiedenen Elementen
aus Sinnesempfindungen, Worten, Gefühlen. un-plaqued No 19 | 51
THEMA / WAHRHEIT
Während des Erinnerungsprozesses
text-Effekt genannt, meint die unter-
spielt das Gehirn ein neuronales Akti-
schwellige Aktivierung von Assoziati-
vitätsmuster ab, welches ursprünglich
onen. Wikipedia beschreibt Priming
während des bestimmten Ereignisses
als: ›die Beeinflussung der Verarbei-
und der damit einhergehenden Reak-
tung eines Reizes dadurch, dass ein vo-
tion generiert wurde. Dadurch erlebt
rangegangener Reiz implizite Gedächt-
die Person das Geschehene erneut mit
nisinhalte aktiviert hat.‹ Priming-Reize
ähnlichen Wahrnehmungen wie in der
können ein Wort, ein Bild, ein Geruch
damaligen Situation. Die neuronale Ak-
oder eine Geste sein. Die anschließen-
tivität des echten Erlebens und der da-
de kognitive und emotionale Verar-
zugehörigen Erinnerung sind dabei
beitung wird durch den Priming-Reiz
nicht völlig identisch (80%), wie fMRT
beeinflusst und verändert so die nach-
Studien zeigen konnten. Durch die Wie-
folgende Bewertung, Gemütszustand
derholung von Informationen oder das
oder Verhaltensweisen. Werden durch
JEDER MENSCH ERFINDET SICH FRÜHER ODER SPÄTER EINE GESCHICHTE, DIE ER FÜR SEIN LEBEN HÄLT. Max Frisch
Erzählen von Ereignissen prägt sich das
den Priming-Reiz Gefühlszustände ak-
Erlebte dementsprechend immer stär-
tiviert, spricht man vom ›affektiven
ker in unser Gedächtnis ein.
Priming‹. Bei der Aktivierung begrifflicher Assoziationen spricht man hingegen vom ›semantischen Priming‹.
Verfälschte Erinnerungen Ein sogenannter, meist unbewusst ab-
Wie viel die Wortwahl unsere Mei-
laufender Priming-Effekt kann sich
nungsfindung beeinflussen kann, ver-
zum Beispiel auf die Aufrechterhal-
deutlicht folgende Studie als Beispiel
tung bestimmter psychischer Störun-
für ein semantisches Priming: In Un-
gen auswirken. Im Englischen bedeu-
tersuchungen zu Augenzeugenberich-
tet Priming etwa Vorbereitung oder
ten fanden Forscher heraus, dass eine
Grundieren. Der Priming-Effekt oder
unterschiedlich gestellte Frage, die
auch assoziative Aktivierung oder Kon-
Antworten der Personen prägte. Nach
52 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
dem Zeigen eines Films über einen Autounfall wurden zwei Gruppen von Menschen nach einer Schätzung der Geschwindigkeit der Autos gefragt. Die Formulierungen lauteten: A) Wie schnell waren die Autos, als sie in einander rasten? Und B) Wie schnell waren die Autos, als sie sich berührten? Die Gruppe A schätzte im Vergleich zur Gruppe B die Geschwindigkeit der Autos höher ein und dichtete mehr Details hinzu, die nicht vorhanden waren. Am Ende kommt es viel weniger darauf an, was wirklich wahr ist, als darauf, was wir glauben und damit für uns persönlich wahr ist. Denn die persönliche Wahrheit, also unsere Annahme über die Wirklichkeit beeinflusst, was wir sehen, hören und fühlen. Wie immer steckt in dieser Erkenntnis sowohl das Übel als auch das Glück. Reize aller Art bringen uns umgehend zurück zum einem archaisch reagierenden Wesen, das Opfer angelernter Schutzmechanismen und Erfahrungen ist. Andererseits können wir mit Hilfe positiver Denkweisen und Methoden die Plastizität unseres Gehirns dazu nutzen, jede andere Wahrheit anzunehmen und zu verinnerlichen. //
DER KOPF IST RUND, DAMIT DAS DENKEN DIE RICHTUNG WECHSELN KANN. Francis Picabia
un-plaqued No 19 | 53
THEMA / WAHRHEIT
EMINENZ, EVIDENZ, EMPIRIK:
DIE VERSCHIEDENEN PERSPEKTIVEN DER WAHRHEIT TEXT Bertram Steiner ‧ FOTO Hubble-Teleskop/ESA
›Auch wenn alle einer Meinung sind, können alle Unrecht haben.‹, soll Bertrand Russell einmal gesagt haben. Das ist sicherlich richtig, zumindest dann, wenn mehrere Menschen sich eine Auffassung – oder wissenschaftliche Theorie – zu eigen gemacht haben. Der Wissenschaft hat es nicht geschadet, wenn die Mehrheit oder fast alle einem Irrtum anhingen. Ist die Zeit reif für eine wissenschaftliche Weiterentwicklung, bricht sie sich unaufhaltsam Bahn. Das Alte wird überwunden und das Neue wird zur ›wahren‹ Theorie.
N
atürlich ist auch die neue Theorie nur
unterworfen war. Virchows Zellularpathologie
eine Theorie, die darauf wartet, wider-
und andere wissenschaftliche Erkenntnisse ha-
legt zu werden, und keinesfalls eine un-
ben sie überwunden. Neues ersetzte Altes.
umstößliche Wahrheit. Galen hat im zweiten
Das ist ein normaler Vorgang in der Mensch-
Jahrhundert n. Chr. die Humoralpathologie
heitsgeschichte. Normal ist auch, dass Gruppen
(Viersäftelehre) als Krankheitskonzept entwi-
von Menschen an dem Alten festhalten wollen.
ckelt, die bis ins 19. Jahrhundert als medizini-
Wenn der Mensch des Mittelalters daran fest-
sche ›Wahrheit‹ nur marginalen Variationen
halten wollte, dass die Sonne sich um die Erde
54 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
dreht, war das nur normal. Diese ›Wahrheit‹
ben als auch Wissen die ›Wahrheit‹ für sich,
entsprach seiner täglichen Wahrnehmung. Im
jeweils in anderer Ausprägung. Während der
Prinzip müssten wir dies heute noch glauben,
Glaube es relativ leicht hat, dies semantisch lo-
sieht es doch für jeden von uns so aus, als stünde
gisch leicht zu belegen – denn man kann ja nur
die Erde fest, während die Sonne genauso wie
das Wahre glauben und nicht das Falsche – Zwei-
der Mond sich um uns herum dreht. Wir wis-
fel ist ja dem Glauben gerade nicht eigen – will
sen es besser. Unser Wissen widerlegt unsere
das Wissen immer wieder neu bewiesen wer-
Wahrnehmung.
den.
Heute wissen wir, dass die Erde sich mit durch-
Das gilt zum Beispiel, wenn der Laie sich der
schnittlich 107.000 km/h um die Sonne bewegt,
Wissenschaft annähern will. Solange die Pos-
obwohl wir keinen spürbaren Beleg dafür ha-
tulate seinem gelernten Wissensstand entspre-
ben, der sich mit unseren Erfahrungen über Be-
chen (der Apfel fällt nach unten), die Erkennt-
wegung oder Geschwindigkeit deckt. Würden
nisse nicht schrecklich unverständlich sind
wir jeden Abend – ähnlich Galilei – den Himmel
(Krümmung von Raum), sie seinem täglichen
betrachten, und hätten wir ausreichend ma-
Leben nicht widersprechen (UV-Licht ist nicht
thematische Kenntnisse und forschendes Inter-
sichtbar), sie statistisch ›belegt‹ werden (Rot-
esse, fänden wir den Beleg, und unsere Erfah-
wein schützt vor Herzinfarkt), will er ihnen ger-
rungen über Bewegung und Geschwindigkeit
ne folgen und sie für ›wahr‹ nehmen.
wären nicht mehr durch das Heraushalten der
Der wissenschaftlich tätige Mensch – auch in der
Hand aus dem fahrenden Auto geprägt.
Zahnmedizin – folgte dem genauso, erst recht, da er über mehr Fachwissen verfügt und so vie-
Gruppen von Menschen halten gelegentlich an
les für ihn nicht mehr schrecklich unverständlich
Altem fest, obwohl das Neue da ist und sich ver-
ist. Die statistischen ›Beweise‹ sind für ihn oft
breiten will. Solange diese Menschen nur sich
noch bedeutungsvoller als für den Laien. Leider
selbst dem Neuen verweigern, indem sie der
wird dabei immer wieder die wissenschaftsthe-
neuen Theorie einfach nicht folgen wollen, ist
oretische Grundprämisse vergessen, dass Wis-
dies für das wissenschaftliche Voranschreiten
senschaft die Suche nach Wahrheit ist, sie aber
ohne Belang. Doch wenn Gruppen von Men-
die Wahrheit als Endpunkt wahrscheinlich nie
schen das Neue verhindern wollen, weil sie in
erreichen wird.
dem Alten die Grundlage ihrer Daseinsberech-
Die Zahnheilkunde – so wir sie als Wissenschaft
tigung sehen, und wenn diese dann auch noch
sehen wollen – unterliegt dieser wissenschafts-
über Machtmittel verfügen, die eine Verbrei-
theoretischen Prämisse ebenso. Eine Theorie
tung des Neuen wirksam verhindern können,
gilt nur solange, wie sie nicht widerlegt ist. Al-
kommt es – wie bei Giordano Bruno oder Gali-
lerdings ist der empirische Anteil, zum Beispiel
leo Galilei – zu Situationen, die in Hinsicht auf
im Vergleich zur Physik, sehr groß. Das try-and-
wissenschaftliche Entwicklungen, und auch
error-Prinzip ist eine der tragenden Säulen
menschlich, bedauerlich sind.
der zahnmedizinischen Wissenschaft. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange den For-
Erkenntnisse der Wissenschaft wurden und
schenden die Konsequenzen dieses Prinzips
werden allzu leicht mit nahezu unumstößlichen
klar vor Augen sind. Dabei kommt in der Medi-
Wahrheiten verwechselt. In der Neuzeit, also
zin noch etwas hinzu, das andere Wissenschaf-
seit der Renaissance, hat sich der Dualismus
ten nur mittelbar berührt: die Nähe zum kran-
zwischen Glauben und Wissen entwickelt. Er-
ken Menschen und die Notwendigkeit zur meist
staunlicherweise beanspruchen sowohl Glau-
sofortigen Intervention nach besten Wissen und un-plaqued No 19 | 55
THEMA / WAHRHEIT
Gewissen. Während die Physik oder Chemie die
Forschungsergebnisse den wirtschaftlichen
Übereinstimmung eines neuen Gedankens mit
Interessen der industriellen Mittelgeber ent-
anderen Theorien solange unter Laborbedin-
sprechen sollen. Kommt die versorgte Hoch-
gungen untersuchen kann, wie es die finanziel-
schule nicht zu den gewünschten Ergebnissen,
len Mittel erlauben, stellt sich dies in der Medi-
lassen sich zunächst die Forschungs-Designs
zin anders dar.
›anpassen‹. Versagt auch das, gerät die Hoch-
Ab einem bestimmten Zeitpunkt müssen die
schule schnell auf der Liste der zu verteilenden
›Laborbedingungen‹ für medizinische Theori-
Fördermittel etwas weiter nach unten. Von der
en den Menschen mit einbeziehen. Ethikkom-
menschlichen Absonderlichkeit, Forschungser-
missionen ändern nichts daran, dass die Suche
gebnisse zielorientiert zu steuern, weil das Ziel
nach Wahrheit irgendwann am lebenden Men-
eine persönliche ›Anerkennung‹ seitens des
schen stattzufinden hat.
Mittelgebers ist, soll hier gar nicht gesprochen werden. Ein fataler Kreislauf, doch nicht um-
Die Kosten wissenschaftlicher Forschung sind
sonst hat sich der Spruch etabliert: ›Traue kei-
immer hoch, auch in der Medizin. Seit vielen
ner Studie, die Du nicht selbst gefälscht hast.‹
Jahren werden diese Kosten nicht mehr von staatlicher Seite allein getragen. Die Indust-
Kommen wir zurück zu Giordano Bruno oder
rie forscht genauso auf wissenschaftlicher Ba-
Galileo Galilei. Kein Zahnheilkundeprofessor
sis, wie die Hochschulen oder andere stattlich
käme heute noch auf den Scheiterhaufen wie
finanzierte Forschungseinrichtungen. Nicht
ersterer, nur weil die Ergebnisse der Untersu-
nur in der Zahnheilkunde hat sich die finanzi-
chung eines Füllungsmaterials nicht dem wirt-
elle Verschränkung zwischen industrieller Seite
schaftlichen ›Glauben‹ der finanzierenden
und staatlichen Trägern außerordentlich entwi-
Firma entspricht. Diese Zeiten sind vorbei. All-
ckelt. Das hat zweifellos finanzielle Vorteile für
gegenwärtig ist dagegen immer noch, die Su-
die Hochschulen.
che nach Wahrheit behindern zu wollen, nur
Für die wissenschaftliche Seite ist es nicht im-
reichen dafür heute wesentlich subtilere Mit-
mer von Vorteil. Es ist leicht vorstellbar, dass die
tel aus. //
56 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
Kann man Zukunft in ein Paket packen? Die AlphaKompetenz Box
© 05/2012 · 406056V0
• für einen perfekten Start • speziell für Zahnärzte entwickelt • das ideale Paket zum Start in die Selbstständigkeit
www.alphakompetenz.de Gebr. brasseler GmbH & Co. KG · Telefon 05261 701-684
un-plaqued No 19 | 57
THEMA / WAHRHEIT
% 0 12 R
H E M Z! N A L G
TEXT Ronny Schlömer, Freelancer und Werbe-Ikone
Werbung – alles gelogen! Das wissen die Menschen. Irgendwie. Die ganz Dummen vielleicht nicht, aber man kann auch nicht die ganze Welt vor der bösen Werbung retten, die die Zähne immer weißer werden lässt und unseren Haaren noch mehr Glanz verleiht. Darüber zu schreiben wäre wirklich zu profan. Schauen wir lieber hinter die Kulissen. Unter Umständen gibt es mehr Wahrheit in dieser Branche als wir alle denken ...
D
ie Werbebranche, deren Mitglied ich
finitiv weniger spießig, es wird mehr gelacht
seit mittlerweile 16 Jahren bin, ist zwie-
und vor allem, man darf Shirts und Turnschu-
spältig! Vom kleinen Azubi bis zum Free-
he tragen! Rockstar!
lancer durfte ich einiges erleben. Wenn man noch klein ist, wirkt alles wie eine riesige Par-
Come in and find out!*
ty. Verrückte Leute und hey – wenn man sagt,
Spätestens wenn man auf die 30 zugeht,
man arbeitete in der Werbung, kommen mehr
macht es klick. Unbezahlte
Fragen, als wenn man erklärt ›Hey, ich bin
Überstunden, Feieraben-
Buchhalter‹. Nach dieser Aussage verstummen
de ausschließlich mit den
jegliche Nachfragen. In meinem Job ist das an-
Kollegen verbringen und
ders: ›Wow – wie kreativ‹, ›Ist bestimmt super
lächerliche 25 Tage Ur-
spannend.‹ Bla bla ja ja ...
laub im Jahr. Das soll die
Aus diesem Grund sind in der Werbebranche
Belohnung sein? Haha,
auch primär junge Menschen zu finden – jene,
›VERARSCHT‹
die das Spiel noch nicht durchschaut haben. Die
die Agenturen einem ent-
gut drauf sind, so richtig was anpacken und mit
gegen. Ganz zu schweigen
›verrückten‹ Slogans und Headlines die Welt-
von tiefer gehenden In-
herrschaft übernehmen wollen. Yeah right, ihr
halten, die man verzwei-
kleinen Hasen, träumt weiter! Ich war auch da-
felt sucht und nicht findet –
bei, es gefiel mir durchaus. Schließlich ist es de-
hat sich nicht jeder Werber
58 | un-plaqued No 19
schreien
THEMA / WAHRHEIT
schon einmal bei UNICEF beworben, in der Hoff-
eines damals fetten Handyherstellers (danke
nung, endlich einen Job mit Sinn und Inhalt zu
Apple, denen hast du es gegeben!), in meiner
bekommen?
Wohnung auf einer Leiter und wusste spontan
Mein Motto nach ca. acht Jahren Agenturarbeit
nicht, was ich tun sollte. Meine Kündigung pro-
war irgendwann ›Goodbye advertising shit‹.
vozierte einen Aufschrei unter den Ex-Kollegen.
Ich versuchte, die Wahrheit nun auf ›Kunden-
Einen Job hinschmeißen, für den ›andere Men-
seite‹ zu finden.
schen morden würden‹! Ich strich Wände – eine
Leider war ich weder ein Fan von Kollegen, die
Empfehlung meinerseits: ein ehrlicher, unprä-
sich auf Workshops gerne selber reden hören
tentiöser Job ohne verkaufte Seele. Einfach nur
und immer viel Alkohol konsumieren, noch von
weiß, weiß, weiß und fertig!
einem Chef, der etwas gegen Homos hat. Das
Die ersten Agenturen riefen an, sie hörten ich
war mir einfach zu Achtziger, dickes Sorry!
wäre ›Freiberufler‹! Aha, ja ok, bin ich dann
Nun stand ich da, nach einem gekündigten Job
mal ...
* Nach einer Umfrage verstanden die Probanden darunter ›Komm rein und finde wieder heraus!‹
un-plaqued No 19 | 59
THEMA / WAHRHEIT
Als Freiberufler hat man andere Perspektiven.
Höchstleistungen auflaufen und alle sind zu-
Frei machen, wenn man möchte, jede Menge
frieden. Man sitzt in Meetings und lässt den
Schmerzensgeld bekommen und seine Freizeit
Kunden spüren, wie geil man die neue Haar-
mit wirklich wichtigen Dingen vollpacken. So
farbe findet und ja, wir wissen verdammt noch
lässt es sich aushalten, aber ehrlich ...
mal, dass es die Beste ist. Ja, natürlich werden
Ich liebe diesen Job. Man hat einen gewissen
wir es schaffen, dass die ganze Welt nur noch
Abstand zu Kunden und Kollegen und schaltet
Ihr Produkt will – es ist aber auch wirklich toll.
schneller ab. Ich sehe es als ganz große Bühne.
Alle sitzen in einem Boot voller Begeisterung.
Man liebt wirklich jeden Kunden. Meetings, in
Na ja, meistens klappt es dann nicht direkt mit
dem Kunden einem etwas von neuen ›logisti-
der Weltherrschaft, die ›Konkurrenz war aber
schen Möglichkeiten‹ oder der schnellsten ›Au-
auch verdammt stark und das Budget mal wie-
toscheibenreparatur‹ erzählen – fantastisch!
der zu klein.‹ Egal, verloren und hopp zu einem
Allein dieses Gefühl der Freude lässt einen zu
neuen Kunden.
Werbehuren! So geht es tagein tagaus und alle Werbe-Ikonen spielen geschickt ihre Rollen:
DIE KUNDENBERATER,
DIE GRAFIKDESIGNER
DIE AGENTURCHEFS,
die immer solange dicke mit
– speziell die weiblichen Kol-
50-jährige ›Junggebliebene‹,
den Kunden sind, bis der Etat
legen – die mit Ellenbogenein-
die durch farbenfrohe Snea-
flöten geht.
satz alles für ihren Job tun,
kers und Nerd-Brillen den
bis die biologische Uhr tickt
Zahn der Zeit um 10 Jahre zu-
und sie ganz dringend Mutter
rückdrehen möchten und mit
werden müssen. Im Anschluss
Vorliebe nur noch 20-jährige,
geben sie sich lieber mit einer
sehr dünne Modelmädchen
Halbtagsstelle ab, aber bitte
einstellen.
ohne Verantwortung, um die
Qualifikation: ›Nebensache‹!
sie doch eigentlich jahrelang so gekämpft haben.
Es ist alles nur Flohmarkt! Man will verkaufen, verbreitet gute Stimmung, bügelt die uralten Hemden noch mal auf ... und alle Beteiligten sind glücklich. Mehr wollen wir doch gar nicht! Wie lange ich noch Teil dieser Werbewirklichkeit bleibe? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. //
60 | un-plaqued No 19
RUBRIK / WAHRHEIT
EMS-SWISSQUALITY.COM
VORURTEIL ABRASIV DAS NEUE AIR-FLOW PULVER PERIO RÄUMT AUF MIT EINEM VORURTEIL – UND MIT DEM BÖSEN BIOFILM Original Air-Flow Pulver Perio ist mit einer Korngrösse von ~ 25µm extrem fein. Zudem haben die Körner eine besonders geringe spezifische Dichte.
AIR-FLOW KILLS BIOFILM
> Mikroorganismen siedeln sich an und wachsen – der Brutherd entwickelt einen eigenen Schutz – Keime lösen sich ab und besiedeln weitere Bereiche
So wirkt die Original Methode Air-flow vom Zahnfleischrand bis in die tiefsten Parodontaltaschen – sie wirkt also auch dort, wo im Schutze des Biofilms Milliarden von Bakterien ihr zerstörerisches Werk verrichten: subgingival.
> Biofilm schützt die Bakterien gegen Pharmazeutika > Immunabwehr des Körpers ist machtlos – um das Eindringen der Keime zu verhindern, löst der Körper in Notwehr einen Knochenabbauprozess aus
VORTEIL ABRASIV
> Implantatpatienten sind vom Biof ilm in gleichem Masse betroffen – Periimplantitis führt zum Verlust von Implantaten
Zusammen mit dem PerioFlow Handstück des neuen AirFlow Master sowie dem AirFlow handy Perio inklusive der Perio-Flow-Düse ist dieses neu entwickelte Pulver perfekt zur Prophylaxe subgingival.
Der Biofilm …
Original Air-flow Pulver Perio trägt den bösen Biofilm ab – ohne die Zahnsubstanz im geringsten anzugreifen.
… richtig abgetragen
Biof ilm weg – Vorurteil weg. Zum Vorteil von Praxis und Patient.
Persönlich willkommen > welcome@ems-ch.com
… falsch abgetragen
120g-Flasche
un-plaqued No 19 | 61
DIE KLASSIFIZIERTE WAHRHEIT TEXT Karen Dobberstein
Im Verlaufe der letzten Jahre hat die mediale Präsenz psychischer Störungen deutlich zugenommen: Die Zahl der Krankschreibungen aufgrund psychischer Probleme sei drastisch gestiegen, vermehrt hätten auch Kinder emotionale und Verhaltensstörungen. Burnout- und Erschöpfungssyndrome zeigten sich deutlich erhöht bei Menschen zwischen ihren zwanzigsten und vierzigsten Lebensjahren.
D
ie steigenden Zahlen für dieses Auftreten von psychischen Störungen und die daraus folgenden Krankentage sind alarmierend und Kosten verursa-
>EIN NEUROTIKER IST EIN MENSCH, hen sich die Ver DER EIN LUFTSCHLOSS BAUT. EIN brauchszahlen für PSYCHOTIKER IST DER MENSCH, DER Psychopharmaka und die Überwei- DARIN LEBT. EIN PSYCHIATER IST sungen an Psychotherapeuten, die DER, DER DIE MIETE KASSIERT.< chend. Damit einhergehend
erhö-
kaum mehr ohne
Jerome Lawrence
monatelange Wartezeiten Termine vergeben können. Besonders beunruhigend sind die steigenden Zahlen für die Vergabe von Psychopharmaka bei Kindern und Jugendlichen. Es gibt zwar verhaltenstherapeutische Ansätze für Störungen wie zum Beispiel ADHS, doch auch diese gehen oft mit einer Gabe von Psychostimulanzien einher. Gibt es wirklich ein vermehrtes Auftreten von psychischen Störungen in der Gesellschaft oder benutzen Ärzte bestimmte Diagnosen wie Burnout, Depression und ADHS inflationär?
62 | un-plaqued No 19
ÜC
ÜC
VERRÜCKT
T KT CK ÜC RRÜ R E R VE HT V NIC
NI
RR
KT
VE
KT
RR
HT
VER RÜ CKT CH TV ER RÜ CK T
VERRÜC
VE
NIC
NICHT VERRÜCKT
THEMA / WAHRHEIT
KT
VERRÜCKT
ÜC
KT
T
RR
ER TV CH
NI
TV
T
CH
TV
CH
CK
NI
CH NI
E TV
Ü RR
ER
RÜ
CK
T
NI
VERRÜCKT
VE
CK
T VER
RÜ
NICH
T RÜCK
ER
CK
T
VER
RÜ
RÜC KT
Ein Klassifikationssystem
ersten Klassifizierung, der Diagnose, resultiert
Das DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual
eine weitere klassifizierte Entscheidung und
of Mental Disorders) ist ein diagnostisches Klas-
Einschränkung, die Therapie.
sifikationsschema für psychische Störungen, früher psychische Krankheiten genannt, wel-
Die Zuschreibung einer psychischen Störungs-
ches von der APA (American Psychiatric Asso-
Diagnose erlaubt dem Patienten einerseits Ver-
ciation) herausgegeben wird. Ausführliche Be-
ständnis und Bestätigung für seinen Zustand zu
schreibungen der Kriterien und die Einteilung
erfahren und eine erste Erklärung für sein ab-
in verschiedene Schweregrade der Störung sol-
weichendes Verhalten oder beeinträchtigen-
len umfassend Informationen liefern, welche
den Gemütszustand zu erhalten. Auf der ande-
Diagnose bestmöglich die Symptomatik des Pa-
ren Seite kann eine Diagnose die Manifestation
tienten wieder spiegelt und ihn somit einord-
eines Zustandes unterstreichen und somit auch
net. Doch was haben die Patienten eigentlich
die Handlungsmöglichkeiten einschränken.
von dieser Information?
Es gibt Kritiker aus den eigenen Reihen, wie zum
Für Ärzte und Psychotherapeuten ist das wei-
Beispiel den Schirmherren der aktuellen DSM-
tere Vorgehen nach Mitteilung der Diagnose
Ausgabe, Allen Frances. Nach seiner Meinung
relativ klar umrissen. Je nach ihrem wissen-
gäbe es bereits diese Diagnoseinflation und das
schaftlichen Ausbildungshintergrund werden
Klassifikationsssystem DSM-IV erschaffe Epide-
entweder Psychopharmaka verschrieben oder
mien wie ADHS überhaupt erst. Seit dem ersten
eine stationäre oder mehrstündige ambulan-
Erscheinen des DSM im Jahr 1952 mit 106 Diag-
te Psychotherapie veranlasst. Als Folge einer
nosen haben sich die Störungsbilder verdrei-
un-plaqued No 19 | 63
THEMA / WAHRHEIT
Statistik und Wirklichkeit Aus der Psychodiagnostik kennt man den Begriff des facht. Heute, vor Erschei-
Alpha-Fehlers bzw. Fehlers
Mit dem Wissen, dass je-
nung der nächsten Fassung
erster Art. Das bedeutet,
des Gehirn, auch bei einei-
des DSM im Jahr 2013, liegt
dass im Falle der Diagnose-
igen Zwillingen, individuell
bereits eine Petition gegen
stellung die Nullhypothese
verschieden ist, scheint die
die Ausweitung der Diag-
(= der Patient ist gesund) ab-
Anwendung klassifizierter
nosen vor. Nach aktuellen
gelehnt wird, obwohl sie zu-
Therapien ebenso unzurei-
Angaben auf der Websei-
treffen könnte. In diesem
chend. Es gibt zum Beispiel
te (ipetitions.com/petition/
Szenario wird einer Person
nur drei Therapierichtun-
dsm5/) liegt die Zahl der un-
eine Störung zugesprochen,
gen, die von den deutschen
terzeichnenden Mediziner
die nicht zutreffend ist. Jede
Krankenkassen anerkannt
gestellte Diagnose ist also
werden. Dabei existieren
nur mit einer bestimmten
viele andere Therapierich-
Die Verantwortung der
Wahrscheinlichkeit passend.
tungen, die ebenso effektiv,
Diagnose
Zudem lassen sich psychische
wenn nicht sogar wirksamer
Ein anderer Ansatz ist, die
Störungen und deren Verlauf
sind. Patient und Therapeut
Diagnose nur als eine Mo-
genauso wenig standardisie-
können ohne eine gewisse
mentaufnahme einer psy-
ren wie jene Patienten, die
Kennenlernphase nicht wis-
chischen Zustandsbeschrei-
unter ihnen leiden. Ein Nega-
sen, welche Therapieform
bung eines Menschen und
tiv-Beispiel hierfür sind un-
die passende ist. So unwis-
nicht als eine lebenslange
zählige Prognosegutachten
senschaftlich wie es klingt,
Krankheit zu sehen. Dieses
über Straftäter, die trotz an-
kann das jeder nur indivi-
›Wahrheitsproblem‹ wird
geblicher Resozialisation
duell herausfinden, indem
in allen wissenschaftlichen
rückfällig geworden sind
er es ausprobiert.
Disziplinen diskutiert und
und sich daher oft nicht
Eine Grundannahme aus
stellt ein wissenschafts-
bewahrheiten.
der Provokativen Therapie
bei fast 14 000.
theoretisches
Problem
nach Frank Farrelly lautet:
der Erkenntnisgewinnung
›Patienten können sich än-
in der Psychologie dar.
dern, wenn sie wollen‹. Diese Annahme drückt aus, wie
›Alle Erkenntnismöglichkeiten sind prinzi-
wichtig die Entscheidung zur Veränderung und
piell beschränkt, Sachverhalte können erst
das Übernehmen der Verantwortung für das ei-
im Sinn- und Zweckzusammenhang kon-
gene Handeln des Patienten sind. Nicht die Trie-
kreter Handlungen interpretiert werden.
be und das Unbewusste sind Schuld an der Mi-
Erkenntnisse sind daher immer Stückwerk.‹
sere, sondern unsere eigenen Entscheidungen.
(Lexikon der Psychologie, Spektrum)
Die Opferrolle und die ›Diagnosegläubigkeit‹
64 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
mancher Patienten sind daher für Verände-
gabe von ADHS-Medikamenten. Der Wirkstoff
rungs- und Selbstorganisationsprozesse nicht
Methylphenidat (Handelsname Ritalin) erfuhr
förderlich.
auf diese Weise eine Verbreitung ungeahnten Ausmaßes. Seit April 2011 wurde die Zulassung
Die permanente Medienpräsenz des Burnout-
des Wirkstoffs auch auf Erwachsene erwei-
Themas kann dementsprechend dazu führen,
tert, was teilweise zum Missbrauch desselben
dass Betroffene einerseits eine Erklärung für
als Leistungssteigerer geführt hat. Ein weite-
ihre Überarbeitung und Erschöpfung erhal-
res ADHS-Medikament ist Strattera (Wirkstoff
ten und Ärzte andererseits stets eine Diagno-
Atomoxetin), welches 2005 wegen der Begüns-
se für zunächst ›nur‹ vegetative Symptome pa-
tigung suizidaler Handlungen oder verstärkter
rat haben.
Feindseligkeit Schlagzeilen machte. Würden Sie
Die epidemiologischen Zahlen für Depressi-
Ihr Kind auf Basis einer Verdachtsdiagnose der
on und Burnout steigen weiter an. Fraglich ist
Dauermedikation mit derartigen Medikamen-
dabei, wie viele Hausärzte in Konsequenz auf
ten aussetzen?
derartige Diagnosestellungen direkt Antide-
Genauer betrachtet tauchte die Diagnose ADHS
pressiva verschreiben ohne dies vorher psy-
1980 das erste Mal im DSM-III auf. Die inflatio-
chodiagnostisch abgeklärt zu haben. Denn die
näre Verwendung dieser Diagnosestellung so-
Schnelligkeit einer verschriebenen Medikation
wie der steigende Verbrauch entsprechender
ist besorgniserregend. In den Vereinigten Staa-
Psychopharmaka begannen allerdings später.
ten, aber auch in Deutschland erfolgt bereits
Statistiken des Bundesinstituts für Arzneimittel
nach wenigen Minuten anamnestischer Abklä-
und Medizinprodukte belegen im Jahr 1993 eine
rung die Verschreibung eines Psychopharma-
Ausgabe von 34 kg Methylphenidat. 2008 dage-
kons oder anderer Medikamente.
gen gaben deutsche Apotheken unglaubliche
Selbst bei den besten Psychotherapeuten ist
1,7 Tonnen des Medikamentes aus, was einer
eine genaue Abklärung der Diagnose in diesem
50fachen Erhöhung in nur 15 Jahren entspricht.
Zeitraum nicht möglich. Nicht umsonst räumt
Die Kritik am DSM-IV, Verbündeter der Phar-
selbst die GKV finanzierte Psychotherapie der
maindustrie zu sein, wird zumindest bei sol-
Diagnosefindung fünf probatorische Sitzungen
chen Zahlen mehr als verständlich. Kritisiert
à 50 Minuten ein.
wird außerdem die Finanzierung aller Autoren des DSM-IV durch die Pharmaindustrie sowie
Glücksgefühle auf Rezept
die Tatsache, dass DSM-IV-Diagnosen Voraus-
Besonders brisant wird diese Tatsache, wenn
setzungen für viele US-Versicherungsgesell-
es um die Vergabe von Psychostimulanzien
schaften sind, Medikamente für Patienten zu
bei Kindern geht. Statistiken belegen zum Bei-
bezahlen. Gerade aus psychotherapeutischer
spiel einen beachtlichen Anstieg bei der Aus-
Sicht darf hier die Frage erlaubt sein, ob mit
un-plaqued No 19 | 65
THEMA / WAHRHEIT
PTBS
MD
LR
SC
L
S
CFS
RAD E-G L ÜC
GA
S
FPI
KS
OS
D
DIAGN
OC
HKS
S G R OS
SE
DA
S
AN
BP
Hilfe der Psychopharmaka und deren Verwendung als neue Allzweck-Wohlfühlpillen wirklich nachhaltig und dauerhaft Therapieerfolge erzielt werden? Wege aus dem Dilemma Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er einer Diagnose totale Beachtung schenkt oder ob er trotz Diagnose einen Weg zu seiner Handlungsfähigkeit, Selbstwirksamkeit und den eigenen Selbstheilungskräften geht. Damit unser Alltag verstehbar und bewältigbar bleibt, müssen wir mit Filtern und in Schubladen denken. Wir können nicht alle einströmenden Informationen verarbeiten! Vielleicht geht es viel weniger um die Frage, wie wahr eine Diagnose ist, als vielmehr um die Frage, wie hilfreich sie sein kann. Anstatt nur in ›ent-
>VON JEDEM GEDANKEN, DER GEDACHT WERDEN KANN, IST AUCH DAS GEGENTEIL WAHR.< Hildegard von Bingen
weder oder‹ Schubladen bzw. Diagnosen zu denken, kann man sich ebenso einer ›sowohl als auch‹ Einstellung zuwenden, die uns im Zweifelsfall die Grauzone der Wahrheit erkennen lässt und damit unsere Wahlmöglichkeiten erhöht. // 66 | un-plaqued No 19
Lupenbrillen
✶ ultraleicht ★ individuelle Anpassung ★ formschön ★ funktional
2,5-fache Vergrößerung
starVision SVST
2.5-fache Vergrößerung Arbeitsabstand: 320-450 mm
Günstige Studentenkonditionen. Preis auf Anfrage!
Eine preiswerte, leichte und sportliche Lupenbrille für Studenten. Mit einer 2.5-fachen Vergrößerung und sehr großem Blickfeld entdecken Sie eine neue Welt des Sehens.
starLight
nano
(Beleuchtungseinheit mit Lichtquelle, 1 Akku, Ladegerät sowie Zubehör) Durch das minimale Gewicht von starLight nano und starVision sind die beiden Instrumente im gemeinsamen Einsatz die ideale Ergänzung.
Jahnstr. 8 | 85567 Grafing | Telefon 080 92 - 85 04 47
www.starmed-technik.de
THEMA / WAHRHEIT
OB DU WILLST ODER NICHT! TEXT Hans Ljusson
Es war ein schönes Winterwochenende im Februar 2011. Eine Mountainbiketour mit der Freundin bei Kaiserwetter – und ein Unfall. Ein breiter Waldweg, moderate Geschwindigkeit, keine Fremdeinwirkung. Ein Unfall von der Sorte, wie sie immer nur ›den Anderen‹ widerfahren. Ein Sturz, bei dem man sich fragt: ›Wie konnte das bitte überhaupt passieren?‹.
I
rgendwie war es dann doch passiert. Mit dem Schreck fuhr mir ein brutaler und intensiver Schmerz durch die Glieder. Die Ohnmacht war nicht weit und ich wünschte
mir einen Krankenwagen, der sofort um die Ecke biegt. Doch leider standen wir mit unseren Mountainbikes mitten im Wald, auf einem Berg. Ortsunkundig würden wir zwar den Weg, den wir gekommen waren, zurückfinden, den schnellsten Weg aus dem Wald heraus hingegen nicht. Nach dem Abklingen des Schocks und des ersten Schmerzes wogen wir die Möglichkeiten ab. Fahrradfahren war unmöglich, die Notwendigkeit einer ärztlichen Untersuchung eindeutig. Da war allerdings die Frage, ob ich zum Arzt oder der Arzt besser zu mir kommen sollte. Trotz der Schmerzen kam mir zu diesem Zeitpunkt nicht in den Sinn, dass ich mir eine ernstere Verletzung zugezogen haben könnte. Aufgrund der Kälte entschieden wir uns, nicht den Rettungswagen, sondern unsere Freunde zur Hilfe zu rufen, damit sie uns von einem Treffpunkt am Waldrand ins Krankenhaus bringen. Ohne eine Vorstellung von der Art meiner Verletzung schleppte ich mich noch knapp eine Stunde durch den Wald an den verabredeten Treffpunkt und wurde in die Unfallklinik gebracht. Die Röntgendiagnostik brachte die Erklärung für die jämmerlichen Schmerzen: Berstungsfraktur des vierten Lendenwirbels mit Beteiligung der Hinterwand des Spinalkanals. Ich war also haarscharf einer Querschnittslähmung entgangen. Es folgte eine sofortige Operation zur Stabilisierung von dorsal, drei Tage später eine zweite Operation zur vertikalen 68 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
Fixation und 14 Tage Krankenhaus-
der Patientensicht erfahren, dass ne-
aufenthalt. Danach folgten weitere
ben der chirurgisch-orthopädischen
drei Wochen Krankenstand, kontinu-
Krankengeschichte auch die psychi-
ierliche Physiotherapie und das Be-
sche Verarbeitung dazu gehört. Ein
wusstsein, dass der Rücken nie wie-
Auf und Ab mit jeder Menge Wi-
der werden würde wie vorher.
dersprüchen. Am Anfang war der Schockzustand, der mich nach au-
Die Wiederherstellung der Wirbel-
ßen hin ›tapfer‹ sein ließ und durch
säule stellt chirurgisch mittlerwei-
die erste Zeit im Krankenhaus brach-
le kein so großes Problem mehr dar.
te. Ich bekam von allen Seiten gesagt,
Das Ziel der Intervention ist die Verblockung des 4. mit dem 5. Lendenwirbel entlang eines eingebrachten Cage-Implantates. Entlang dessen soll sich eine knöcherne Brücke bilden, wodurch die Funktion und Belastbarkeit wieder hergestellt wird. Die vollständige Belastbarkeit wäre dann nach zwölf Monaten freigegeben. Den gleichen Therapieansatz verfolgt eine Alternativtherapie, bei der die Rekonstruktion des Wirbels mit einem Beckenkammtransplantat
SIE HABEN EINE WIRBELKÖRPERFRAKTUR UND BLEIBEN JETZT ERSTMAL RUHIG LIEGEN!
dass ich Glück gehabt hätte und dass es hätte schlimmer kommen können (die entsprechenden Beispiele fuhren im Rollstuhl über den Stationsflur). Ich klammerte mich an jeden die Heilung begünstigenden Faktor. Ich war jung, gesund, sportlich und normalgewichtig. Ich konnte immer noch Laufen und trotz der Schmerzen waren alle Operationen und die ersten Tage im Krankenhaus ›lege artis‹ verlaufen. Interessanterweise beschäftigte
durchgeführt wird. Mit einer Belas-
mich die realistische Bedrohung ei-
tung muss hier jedoch länger gewar-
ner Lähmung fast gar nicht. Wahr-
tet werden.
scheinlich war dieses Szenario auf-
All das, was sich nach weit entfern-
grund der fehlenden neurologischen
tem theoretischen Lehrbuchwissen
Ausfälle weit genug entfernt. Ande-
der Unfallchirurgie anhört, wurde
re Gedanken hingegen waren eine re-
an diesem Sonntagabend durch ei-
gelgerechte Verneinungsmentalität.
nen einzigen Satz des diensthaben-
Einer davon oder vielmehr eine Phan-
den Chirurgen Realität: ›Sie haben
tasie war, dass der Unfall überhaupt
eine Wirbelkörperfraktur und blei-
nicht stattgefunden hatte. Quasi der
ben jetzt erstmal ruhig liegen‹. In
Wunsch, dass man aus diesem (Alb-)
den folgenden Wochen durfte ich aus
Traum aufwachen könnte und sich die un-plaqued No 19 | 69
DER GEDANKE AN WAS WAR EINE MÖGLICHE DER WAS KANN ICH ALS SCHWACHSTELLE, WERDE ICH WIEDER AUSLÖSER LANGFRISTIGE DIE LANGFRISTIG UNEINGESCHRÄNKT FÜR DIESEN PROGNOSE ERWELCHES MASS AN PROBLEME SPORT HEFTIGEN STURZ? DAS VORHER EXISWARTEN? FUNKTIONELLER MACHEN KÖNNTE TREIBEN KÖNNEN? TIERENDE UNEINWIEDERHERSTELODER EINE SOLLGESCHRÄNKTE LUNG HATTE ICH BRUCHSTELLE, DIE SELBSTBEWUSSTZU BEIERWARTEN? SEIN IN DEN EINEM ERNEUTEN KÖRPER WAR ANUNFALL 70 | un-plaqued No 19
R T N
THEMA / WAHRHEIT
Sorgen und Ängste mit einmal um-
Unterschied der bleibt, ist das ›Kopf-
drehen und wieder einschlafen erle-
kino‹. Der Gedanke an eine mögliche
digt hätten.
Schwachstelle, die langfristig Prob-
Ich haderte mit dem Schicksal: Wa-
leme machen könnte oder eine Soll-
rum ich? Warum an dieser Stelle?
bruchstelle, die bei einem erneuten
Warum nicht eine ›einfache‹ Verlet-
Unfall wieder brechen könnte.
zung wie z.B. ein gebrochenes Bein
Dieses ›Kopfkino‹ und die daraus
oder Arm? Danach kam das Gefühl
resultierende, immer mitschwin-
der Zerbrechlichkeit und größeren
gende Anspannung beeinflussen die
Verwundbarkeit. Das vorher exis-
Lebensqualität.
tierende uneingeschränkte Selbstbewusstsein in den Körper war ange-
Aus der Patientensicht scheint es na-
kratzt. Am Anfang konnte ich keine
hezu irrelevant, wie gut ein Bänder-
zwei Treppenstufen auf einmal neh-
riss, eine Fraktur, eine Blinddarm-
men oder beim Überqueren einer
operation oder ein Implantat unter
Straße mal eben in den Laufschritt
medizinisch-objektiven Gesichts-
wechseln. Würde sich das wieder
punkten verheilt. Entscheidend ist,
geben? Welches Maß an funktioneller Wiederherstellung hatte ich zu erwarten? Gibt es eine Langzeitprognose? Werde ich wieder uneingeschränkt Sport treiben können? Joggen, Radsport, Basketball oder Wellenreiten? Die postoperative Betreuung sieht vor, dass nach einem Jahr auch Ak-
DANACH KAM DAS GEFÜHL DER ZER BRECHLICH KEIT UND GRÖSSEREN VERWUND BARKEIT.
ob eine Funktionseinbuße die Lebensgewohnheiten subjektiv beeinflussen. Streng genommen gibt es trotz der modernen Hightech-Medizin eine restitutio ad integrum selten bis nie. Daher ist die psychische Restitutio ein sehr wichtiger Teil der Therapie. Das Vertrauen in die medizinischen Mittel, sowie die Heilungs- und Anpassungsfähigkeiten des eigenen
tivitäten mit vertikalen Stauchun-
Körpers, sind wichtige Faktoren für
gen wie Joggen und Skifahren er-
den Verlauf und die nachfolgende
laubt werden. Mittlerweile ist dieses
Lebensqualität.
Jahr nach dem Unfall vergangen. Die Funktion des Rückens und der Beine
Als Souvenirs an dieses Ereignis be-
ist wieder hergestellt und ich kann
schäftigen mich nach wie vor zwei
sagen, dass die Heilung gut verlaufen
Fragen: 1. Was war der Auslöser für
ist. Relativ gesehen sind die Auswir-
diesen heftigen Sturz? Und 2.: Was
kungen im Alltag unproblematisch,
kann ich als langfristige Prognose
beziehungsweise nicht existent. Es
erwarten? Ersteres wird wahrschein-
gibt sicherlich einige Menschen in
lich nicht mehr klärbar sein. Letzte-
meinem Alter mit chronischen Band-
res ist die Ungewissheit mit der un-
scheibenbeschwerden, die mehr Ein-
zählige Patienten, wenn nicht sogar
schränkungen haben als ich. Das Ver-
alle Menschen, in Bezug auf ihre
trauen in den eigenen Körper kehrt
Krankheit leben müssen. Ich würde
langsam zurück und auch die Fähig-
lernen müssen, Tatsachen zu akzep-
keiten in Bezug auf Kraft und Beweg-
tieren und zu versuchen, das Beste
lichkeit bessern sich erheblich. Der
daraus zu machen. // un-plaqued No 19 | 71
THEMA / WAHRHEIT
JEDER PATIENT ZÄHLT! oder wie man aus den Fehlern derer lernt, die gar keine Fehler machen
Haben Sie schon einmal von einem Zahnarzt gehört, der Fehler macht? Ich nicht! Im Ernst, manchmal könnte man genau das denken, wenn man den Diskussionen der Kollegen über die gegenwärtigen Bemühungen des Staates folgt, die Patientensicherheit zu erhöhen. Ich verstehe die Empörung der Kollegen teilweise, denn die Ursachen für diese Bemühungen um das Wohl der Patienten gründen sich kaum auf der Qualität zahnmedizinischer Arbeit, als vielmehr auf immer häufiger vorkommenden Problemen in Krankenhäusern. Seien es multiresistente Keime oder auch die Behandlungsfehler von Ärzten, die nicht zuletzt auf die hohe Arbeitsbelastung, 24-Stunden-Dienste und vieleandere Perversionen unseres Gesundheitssystems zurückgehen.
KOMMENTAR Ingmar Dobberstein
K
ann man deswegen Entwarnung für die
es immer mehrere Wege gibt, die in der Thera-
Zahnmedizin geben oder dieses Thema
pie Anwendung finden können.
einfach an sich abprallen lassen? Wohl
kaum, denn gerade das individuelle Fehlerbe-
Verfolgt man die derzeitige Diskussion um das
wusstsein und -verhalten gehört zu den Grund-
Patientenrechtegesetz, kann dem ärztlichen Be-
lagen der ärztlichen Arbeit. Ich nenne dies
rufsstand berechtigterweise mulmig werden.
auch gerne die Demut vor dem eigenen Tun,
Gerade noch so sind die Ärzte und Zahnärzte
die Reflexion über die Kompromisse, die man
um eine Umkehr der Beweislast herum gekom-
in der täglichen Arbeit am Patienten machen
men und dennoch lassen einige Formulierun-
muss. Diese kann man sowohl von dem selbst-
gen des Gesetzes besorgniserregenden Inter-
herrlichen Standpunkt aus führen, dass man
pretationsspielraum. Berechtigt ist die Frage,
ohnehin schon der beste Zahnarzt des Landes
wie man sich richtig vor dem steigenden Klage-
sei oder aber auch vor dem Bewusstsein, dass
verhalten der Patienten schützen kann? Wird
72 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
man in Zukunft jedes Arzt-Patienten-Gespräch
Patienten und Ärzte sind Menschen und trotz
aufzeichnen müssen und anschließend beide
aller ICD-10-Kataloge und anderer Klassifikati-
Parteien unterschreiben lassen? Kann man im
onen bleiben Krankheit und Gesundung indivi-
Vorfeld einer Behandlung überhaupt sichere
duelle Prozesse, die auch ein Staat nicht mit Hil-
Einschätzungen und Prognosen abgeben, wenn
fe von Gesetzen in festere Bahnen lenken kann.
man das Ausmaß der Erkrankungen und Zerstörungen noch gar nicht in vivo gesehen hat?
Eines ist sicher: Menschen werden Fehler machen, immer und immer wieder. Deswegen ist
Grundsätzlich scheint die gegenwärtige Initi-
es umso unverständlicher, dass die Vertreter
ative des Patientenschutzes auf falschen Vorr-
der deutschen Zahnärzteschaft eine so deutli-
aussetzungen zu basieren. Denn die wichtigsten
che Ablehnungshaltung gegenüber der Initiati-
Patientenschützer – neben den Patienten selbst
ve der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) ›Jeder
– sind die Ärzte. Der Schutz des Lebens, die För-
Zahn zählt‹ einnehmen. Denn wäre diesen Kol-
derung der Gesundheit sowie die Therapie der
legen ihr eigenes Fehlvermögen bewusst, hät-
Patienten nach bestem Wissen und Gewissen
ten sie schon längst nach Mitteln gesucht, von
sind die Grundvoraussetzungen einer Arbeit
den Fehlern anderer zu lernen und eigene mit
als Arzt. Sie sind unser Ethos und die Kollegen,
anderen zu teilen. Und genau deswegen ist jeg-
die dem nicht folgen, verdienen es nicht, diesen
liche Initiative von außen, die Patientensicher-
Beruf auszuüben!
heit zu erhöhen, berechtigt, wenn wir uns nicht
Und doch kennen wir alle die Beispiele aus un-
selbst darum kümmern.
serer täglichen Praxis, bei der Kollegen Arbeiten eingegliedert haben, die nicht nur umge-
Mit ›Jeder Zahn zählt‹ steht der deutschen
hend entfernt werden sollten, sondern uns zu
Zahnärzteschaft nun solch ein selbst initiiertes,
alledem nur noch mit dem Kopf schütteln las-
doppelt anonymisiertes Berichts- und Lernsys-
sen. Es ist nicht verständlich und zutiefst bedau-
tem zur Verfügung, dass bis zum heutigen Zeit-
erlich, warum Kollegen derartig schlechte Ar-
punkt bereits besser angenommen wurde, als
beiten zulassen und dem Patienten womöglich
die vielen Kritiker aus den eigenen Reihen an-
noch erzählen, dass dies das beste zu erzielen-
genommen haben. Über die zu Grunde liegende
de Ergebnis wäre, was zudem nur möglich wur-
Technik wurde bereits ausführlich in allen Me-
de, weil der Pfuscher so ein Held ist. Sie finden
dien berichtet, nur so viel sei an dieser Stelle ge-
meine Ausdrucksweise überheblich und über-
sagt: Es ist wirklich anonym, es ist sicher und die
trieben? Ich nenne sie ehrlich!
Ärzte arbeiten bereits seit sechs Jahren erfolg-
Denn es gibt sie, die Kollegen, die nicht nach
reich mit einem vergleichbaren System.
dem Ethos handeln; diejenigen, die aus Spaß
Nun ist es an uns, der gesamten deutschen
oder im Ernst erzählen, das größte Hindernis
Zahnärzteschaft, die eigenen Fehler anzuer-
für ein Implantat sei der gesunde Zahn. Und
kennen und mit anderen zu teilen, damit auch
diejenigen, die eben nicht umfassend aufklä-
auf dieser Ebene, ebenso wie in unserer tägli-
ren, sondern genau das empfehlen, was dem
chen Arbeit das maximal Mögliche für die Si-
Praxisumsatz gerade am besten nützt.
cherheit der Patienten unternommen wird. //
Dabei beginnt die Diskussion viel früher, denn Ärzte können keine Heilung versprechen. Zum einen, weil Heilung immer durch den Körper
jeder-zahn-zaehlt.de,
des Patienten verantwortet wird, zum ande-
Benutzername: Zahnarzt
ren, weil es eben viele Wege nach Rom und da-
Passwort: jzz
mit auch zur Besserung der Gesundheit gibt. un-plaqued No 19 | 73
THEMA / WAHRHEIT
MUT ZUM WANDEL DER WAHRHEIT Warum wir aus der Vergangenheit lernen können
TEXT und FOTOS Dr. rer. nat. Dominique Görlitz
Es ist eines der ungelösten Probleme der modernen Wissenschaft, ob sich die frühen Kulturzentren der Welt, wie Ägypten, Mesopotamien, Industal und auch die mesoamerikanischen Völker völlig unabhängig (autochthon) voneinander entwickelten. Viele Wissenschaftler geben zu, dass es viele – und häufig bemerkenswerte – Übereinstimmungen zwischen den Kulturen gibt, die oft über riesige Distanzen voneinander parallel existierten. Dennoch kann man auch heute nach jahrzehntelanger Forschung keine eindeutige Antwort auf diese Fragen geben: Standen die frühen Hochkulturen in Kontakt? Gab es eine hochseetaugliche Schifffahrt vor geraumer Urzeit? Was führt dazu, dass eine Kultur ihren Aufstieg hat, ihre Blüte und dann in Dekadenz und kulturellem Rückgang zugrunde geht? 74 | un-plaqued No 19
D
THEMA / WAHRHEIT
iese Fragen vor Augen startete 2007
begeistert uns wirklich? Und wie werden wir in
nach langer Vorbereitungszeit ein inter-
Zukunft denken und arbeiten müssen, um uns
nationales Team von engagierten Men-
die eigenen Chancen nicht selbst zu verbauen?
schen unter den Augen unzähliger Kamerateams und Journalisten vor der Skyline
Fortschritt versus Flexibilität
Manhattans mit einem prähistorischen Schilf-
Görlitz' ABORA-Projekte könnten schlüssige
boot eine außergewöhnliche Expedition. Sie
Antworten auf Fragen geben, die für die mo-
wollten beweisen, dass die Kulturen weit vor
derne Gesellschaft von hoher Relevanz sind.
der Zeitrechnung über die Weltmeere hinweg
Die Zukunft ist komplex, dynamisch und schwer
Wissen, Kultur und Technologie austauschten.
vorhersagbar. Unsere Gesellschaft tut sich mit
Der von uns heute oft belächelte Stand alter
diesen Herausforderungen jedoch schwer,
Technologien erweist sich bei einer genaueren
denn der Wandel in neue Verhaltensdimen
Überprüfung häufig als überraschend fort-
sionen bedeutet auch die Aufgabe herkömm-
schrittlich. Der Nachbau des Schilfboots ABO-
licher Verhaltensweisen. Doch genau hier setzt
RA-III sollte belegen, dass man schon vor min-
die ABORA-Forschung an. Sie leitet wichtige Er-
destens 10.000 Jahren über hochseetaugliche
kenntnisse aus den Prozessen der Vergangen-
Schiffe verfügte, die Wind und Strömungen
heit ab. Der Schlüssel zur Bewältigung von Kom-
trotzten und dass es viel früher für den Men-
plexität und den bevorstehenden umfassenden
schen möglich war, neue Welten zu entdecken.
Veränderungen liegt nicht im Fortschreiben
Die jahrzehntelangen Forschungen, die ver-
und Beschleunigen bestehender Prozesse und
gangenen ABORA-Expeditionen und die aktu-
Strukturen, sondern im Ausbrechen aus eben
ellen Planungen einer neuen Schilfbootexpe-
diesen Mustern. Nur wer neu denkt, erreicht
dition für das Jahr 2012 sind Themen, die den
neues und nachhaltiges Wachstum. Deshalb
Forscher Dr. Dominique Görlitz vorantreiben.
versteht Görlitz seine Expeditionen als Spiegel
Ausgestattet mit einer Mischung aus Neugier-
gesellschaftlicher Themen in den Bereichen In-
de und Besessenheit wagt sich der deutsche In-
novation, Teamstruktur und vor allem Vernet-
diana Jones (Zitat der New York Times, 28. Mai
zung.
2007) auf neues Terrain, das noch nie von Menschen der Neuzeit betreten worden ist.
Die Auseinandersetzung mit diesen Themen
Dominique Görlitz bleibt jedoch nicht bei der
wirft auf aktuelle Fragen ein völlig neues Licht.
Erforschung vergangener Prozesse und Er-
Dr. Dominique Görlitz ist ein Experimentalwis-
kenntnisse stehen. Er verbreitet eine tiefere
senschaftler, der keinen Aufwand scheut und
Botschaft: Gesellschaften sind nicht am Feh-
unterschiedlichste Disziplinen in einem ge-
len von Einfallsreichtum gescheitert. Vergan-
meinsamen Projekt vereint. Er promovierte an
gene Zivilisationen sind nicht überlebensfähig
der Universität Erlangen-Nürnberg zum Thema
gewesen, weil sie nicht in der Lage waren, ihr
der transatlantischen Kontakte vor Kolumbus.
konventionelles Denken zu ändern. Die Anfor-
Seine Forschungen liefern neue Befunde, dass
derungen in unserer modernen Gesellschaft an
ein interkontinentaler Kulturaustausch und
höchste Innovationskraft, Flexibilität und Kre-
Handel möglicherweise viel älter und höher
ativität stehen unsere ›inneren Bremsen‹ ge-
entwickelt war, als es sich manche Historiker
genüber. Welche vererbten, möglicherweise
und Archäologen an den Universitäten vorstel-
genetisch fixierten Verhaltensweisen, lassen
len können. Dr. Görlitz begründet seine Analy-
Menschen ihr innovatives Potential zur Wei-
sen durch interdisziplinäre Belege aus der Bio-
terentwicklung oder Umgestaltung veralteter
logie, Geographie, Anthropologie, Astronomie,
Strukturen nicht umsetzen? Was motiviert und
Kartographie
und
Schiffbaugeschichte.
un-plaqued No 19 | 75
THEMA / WAHRHEIT
Dadurch entstehen neue fachübergreifende
en Welt gegeben haben könnte. Seinerzeit la-
Erkenntnisse, die allgemeine Zusammenhänge
gen jedoch kaum praktische Kenntnisse über
aufdecken und rückwirkend auch für die Ein-
die frühe Seefahrt vor, was eine Beurteilung der
zelwissenschaften neue Informationen liefern.
Seetüchtigkeit oder Reichweite der von prähistorischen Felsbildern bekannten Boote nahezu
Viele Fachwissenschaftler lehnen Görlitz' The-
unmöglich machte. Konsequenterweise widme-
orien und Interpretationen weiterhin ab. Die
te sich Thor Heyerdahl daher der praktischen
Kritiker meinen, dass der Mensch der Vorzeit
Erforschung früher Seefahrzeuge und erziel-
weder das intellektuelle noch das praktische
te mit seinen Expeditionen KON-TIKI (1946/47),
Know-how hatte, mit seinen scheinbar primiti-
RA-I & RA-II (1969/70) sowie TIGRIS (1977/78)
ven Wasserfahrzeugen zwischen den Kontinen-
größte öffentliche Aufmerksamkeit. Von wis-
ten hin und her zu reisen. Dabei liefert unter an-
senschaftlicher Seite musste er jedoch die be-
derem die ethnobotanische Forschung und die
rechtigte Kritik hinnehmen, dass ihm zwar eine
Humangenetik viele beeindruckende Befunde,
gut 3.300 sm lange Reise von Marokko nach Bar-
dass etwas mit der Entdeckung Amerikas durch
bados gelungen sei, dies aber nur mit den vor-
Christoph Kolumbus im Jahre 1492 nicht stim-
herrschenden Strömungen und vor dem Wind.
men kann.
Seine Boote besaßen nicht die Fähigkeit, quer und gegen den Wind zu navigieren. Er hätte z.B.
Die wichtigste Entdeckung für die
nie vom ägyptischen Alexandria aus nach Ma-
experimentelle Schiffsarchäologie
rokko segeln, geschweige denn eine Reise von
Thor Heyerdahl gilt als Begründer der experi-
Amerika über den Nordatlantik zurück in die
mentellen Schiffsarchäologie. Bereits Mitte des
Alte Welt erfolgreich bestreiten können.
letzten Jahrhunderts vertrat er die These, dass
Aus diesem Grund widmete sich Görlitz schon
es schon in vorgeschichtlicher Zeit transatlanti-
seit seiner Jugend der Frage nach den Anfän-
sche Kontakte zwischen der Alten und der Neu-
gen einer leistungsfähigen Schifffahrt in der
76 | un-plaqued No 19
THEMA / WAHRHEIT
Vorzeit. Im Unterschied zu Thor Heyerdahl stützte er sich
›Dreizehn Stürme‹
nicht auf altägyptische, sondern vorägyptische Belege.
erzählt die Geschichte von Dominique Gör-
Die Felsbilder der prädynastischen Negade-Kultur wei-
litz, der schon als Kind die Vision hatte, mit
sen im Unterschied zu den ägyptischen auffällige Striche
einem Schilfboot die Ozeane zu befahren.
an Bug und manchmal auch am Heck auf. Noch als Student
Eine Vision, die niemand für möglich hielt.
entdeckte er nach seiner ersten Forschungsreise 1993 nach
Angetrieben von Forschungsdrang, Neu-
Ägypten auf Felsbildern im Wadi Hammamat erste Hin-
gierde und der Frage nach der Entdeckung
weise für die Nutzung von Seitenschwertern für das Se-
der früheren Welt, macht sich Dominique
geln gegen den Wind.
Görlitz in die Vergangenheit auf. Dabei beleuchtet der Film die rätselhaften Tabak-
Es folgten erste Experimente mit kleineren Schilfbooten
und Kokainfunde in ägyptischen Mumien
und schließlich 1999 im zentralen Mittelmeer die erste
ebenso wie das Vermächtnis prähisto-
große ABORA-I-Expedition. Der Durchbruch gelang sei-
rischer Felsmalereien, die vermutlich
nem Team allerdings erst drei Jahre später mit der ABO-
hochseetüchtige und voll manövrierfähige
RA-II-Expedition. Sie segelte in dem riesigen Kulturdrei-
Seefahrzeuge darstellen. Des Weiteren
eck von Alexandria/Ägypten via Beirut nach Zypern, um
führt uns der Film zu den erstaunlichen
schließlich fast 600 km gegen vorherrschende NW-Winde
Navigationsmethoden vorzeitlicher See-
nach Alexandria zurückzukreuzen. Dieses Experiment be-
fahrer, insbesondere in die Geheimnisse
wies, dass Seitenschwerter am Bug wie ein moderner Kiel
der Astronavigation, um mit Hilfe der
nicht nur die Seitendrift minimieren, sondern auch die Se-
Sternbilder die Wege über die Ozeane auch
gelphysik positiv beeinflussen. Im Unterschied zu Heyer-
ohne Kompass und GPS zu finden.
dahl, der bereits Schwerter an verschiedenen Positionen benutzte, setzte Görlitz seine Kielschwerter so ein, dass sie gezielt den Lateraldruckpunkt des Rumpfes vor den youtu.be/E1w7KVYRWhE
Segeldruckpunkt verschoben. Damit konnte der an sich
New York
r
m AZOREN Ponta Delgada
G
o
l
f
s
t
o
un-plaqued No 19 | 77
THEMA / WAHRHEIT
kiellose Schilfsegler in den Wind drehen (in den
ren, um zu dokumentieren, dass die Menschen
Luv), um Kurs gegen den Wind aufzunehmen.
bereits Jahrtausende vor der Wiederentde-
Mit Hilfe leichter Strömungen von hinten konnte
ckung Amerikas durch Kolumbus 1492 diesen
ein Schilfboot also bis 65° am wahren Wind se-
Navigationsweg meisterten. Im Unterschied zur
geln. Das ist für ein jungsteinzeitliches Seefahr-
Südroute, die Thor Heyerdahl für die berühm-
zeug eine erstaunliche Leistung, vor allem wenn
te RA-II-Expedition wählte, wird der Golfstrom
man bedenkt, dass mittelalterliche Karavellen
nicht durch gleichmäßige Winde und Strömun-
kaum 75° am Wind geschafft haben.
gen unterstützt. Die ABORA-III konnte ihre Mission nur erfüllen, weil sie von New York bis zu
Mit der Expedition von ABORA-II wurde damit
ihrem Endpunkt gegen Winde und Strömungen
zum ersten Mal experimentell bewiesen, dass
ankreuzen konnte. Das hatte bisher noch keine
man nicht nur von einem Ort mit günstigen Be-
Expedition mit einem Steinzeitschiff versucht!
dingungen wegsegeln, sondern auch wieder gegen die Elemente dorthin zurückkehren konnte.
Die größte Herausforderung bestand nicht in
Dies war ein echter Regelbruch in der Wissen-
der Überwindung der zu erwartenden Schlecht-
schaft, ging man doch bisher immer davon aus,
wettersituationen, sondern in der Befahrung
dass die Araber oder vielleicht sogar erst die
des Golfstroms. Er wird von großen Wasserwir-
Portugiesen relativ spät, in der frühen Neuzeit,
beln flankiert, die sich entgegen seiner Haupt-
zu solchen maritimen Fähigkeiten in der Lage
strömungsrichtung drehen. Die ABORA-III konn-
waren. Mit diesem experimentellen Nachweis
te gegen alle Prognosen von Ozeanographen
war das Tor zum Atlantik aufgestoßen.
und Seefahrthistorikern demonstrieren, dass ein jungsteinzeitlicher Rahsegler selbst bei un-
Die ABORA-III-Expedition
günstigen Windrichtungen in der Lage war, sich
Zum ersten Mal ersten Mal sollte in der Neuzeit
dreimal aus den riesigen Wasserwirbeln frei zu-
ein prähistorischer Rahsegler die für unmöglich
segeln und wieder Kurs in Richtung Alte Welt
gehaltene Nordroute des Atlantiks überque-
aufzunehmen.
THEMA / WAHRHEIT
Die Expedition legte in 56 Tagen über 4.400 km (=2410 Seemeilen) zurück. Die Mehrheit der Meilen wurde quer und gegen den Wind gesegelt. Das Wetter bescherte dem Expeditionsteam ab August unerwartet viele Tiefdruckgebiete. Dreizehn Stürme, zwei mit Windspitzen der Stärke 10, überstand der prähistorische Rahsegler ohne größere Schäden. Erst ein Orkantief (12. Sturm) schüttelte die ABORA III 800 Meilen vor den Azoren drei Tage lang so durch, dass das Heck abbrach. Vermutlich ein Folge der immensen Transportschäden, die das Schilfboot auf ihrer Überführung von Bolivien zum Startort in New York erlitt. Nach altägyptischen Tempeldarstellungen wurde die Ruderbrücke umgebaut und der Masttrimm geändert. Mit dem Resultat, dass man das zuvor manövrierbehinderte Schiff wieder steuern konnte. Die Crew
Grund, die Überquerung des Nordatlantiks mit
legte mit dem Schiff nochmals 220 Meilen unter
einer verbesserten ABORA IV nicht noch einmal
Segeln zurück. Aufgrund des Umstandes, dass
anzutreten. Zudem haben sie in New York viele
sich das ersehnte Azorenhoch nach 13 Stürmen
neue Partnerschaften geschlossen.
nicht einstellte, beendete man das Experiment etwa 500 Seemeilen vor den Azoren. Obwohl das
Sollte es dem ABORA-Team gelingen, erneut
geographische Ziel nicht erreicht wurde, hat die
mit ihren Steinzeitsegler auf dem Hudson River
Seereise der ABORA III die wesentlichen Fragen
Segel zu setzen und den Nordatlantik zu über-
beantwortet. Sie konnte dokumentieren, dass
queren, könnten sie eine der spannendsten Fra-
ein prähistorisches Schilfboot das Potential be-
gen der Weltgeschichte lösen: Haben in grauer
sitzt, den Atlantik entlang des schwierig zu be-
Vorzeit die Meere bereits die Kontinente ver-
fahrenen Golfstroms in umgekehrter Richtung
bunden und meisterten die Menschen den See-
zu überqueren.
weg über den Atlantik in beide Richtungen? Den Mut, den das ABORA-Team an den Tag legt,
Transatlantische Reisen in der Frühzeit
mit Vorbehalten und tradierten Vorstellungen
Die Wissenschaft trägt immer mehr Hinweise
zu brechen und das kühne Vorgehen, entgegen
zusammen, die zeigen, dass der amerikanische
bisheriger wissenschaftlicher Erkenntnisse den
Doppelkontinent nicht ausschließlich über die
Versuch zu starten, sind ein Zeichen dafür, dass
Beringstraße besiedelt wurde. Damit mehren
wir unser Denken ändern müssen und den Mut
sich die Indizien, dass auch Kolumbus nicht der
benötigen, unkonventionelle Wege zu beschrei-
erste Besucher aus der Alten Welt war. Bewei-
ten, bevor Innovationen und neue Möglichkei-
sen kann man das jedoch noch nicht. Viele Fach-
ten sich uns erschließen können. //
gelehrte messen die 2000 Kilometer, die ABORA III nicht bis nach Spanien zurücklegen konnte stärker als die 4400 Kilometer, die die Crew bereits unter schwierigsten Bedingungen hinter sich gebracht hatte. Für echte Regelbrecher wie Dominique Görlitz und sein Team ist das kein
youtu.be/QNORuTGPpY4
un-plaqued No 19 | 79
abora.eu
RUBRIK / WAHRHEIT RUBRIK / WAHRHEIT
EXISTENZGRÜNDERWAHRHEITEN AUF DEN ZAHN GEFÜHLT TEXT Nadja Alin Jung‧FOTO Inga Nielsen
Nichts als Erfolgsgeschichten: satte Gewinne, nach Neigung und Kasse ausgesuchte Patienten, freitags zählt schon zum Wochenende – wer das aus dem Leben eines Praxisgründers erzählt, lügt. Dass es aber trotz schlafloser Nächte auf Grund von Kreditverpflichtungen, Problemen mit den Mitarbeitern und Bergen an Bürokratie nicht so dramatisch wird, hat jeder selbst in der Hand. Sechs Existenzgründerwahrheiten.
80 | un-plaqued No 19
B
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
ist Du ein Unternehmertyp? Die Frage
abhängig von einer Vielzahl Faktoren: dem Fin-
sollte sich jeder Existenzgründer stellen
den von gutem Personal, den richtigen Räum-
und ehrlich beantworten, bevor er sich
lichkeiten, der Qualität des bestehenden
auf das Abenteuer Selbständigkeit einlässt. Die
Patientenstamms oder auch der richtigen Wer-
neue große Verantwortung für das eigene Un-
bestrategie, um sich als neuer Spieler auf dem
ternehmen samt angestellten Mitarbeitern ist
Markt zu etablieren.
allgegenwärtig. Doch: gut vorbereitet ist halb
Die gute Nachricht: Man kann etwas tun. So gut
gewonnen. Macht man sich die folgenden Exis-
wie alle Faktoren lassen sich mit einer guten
tenzgründer-Wahrheiten bewusst, kann man
Strategie beeinflussen. Das ›plötzliche‹ Unter-
anfängliche Hürden gelassener nehmen und
nehmertum sollte Dich also nicht überraschen.
souveräner mit den vielfältigen Herausforde-
Bereite Dich im Vorfeld gezielt auf die Grün-
rungen der Gründung umgehen – ehrlich.
dung vor, überlege Dir, wie eine optimale Praxis- und Personal-Struktur für Dich aussieht und
Aller Anfang ist schwer
wie Du Deine langfristigen Ziele richtig angehen
Noch keinem ist die Existenzgründung wirk-
kannst. Kurz gesagt: Lerne unternehmerisches
lich leicht gefallen, schließlich hat man sich
Denken & Handeln, denn Du wirst es brauchen.
›plötzlich‹ mit einer Vielzahl von neuen Themen auseinanderzusetzen. Praxis-Finanzie-
Gute Zeiten, wahre Zeiten
rung, Versicherungen, Investitionsplanung,
Was waren die goldenen Zeiten der siebziger
Personalmanagement, Strukturaufbau und Or-
und achtziger Jahre für den Berufsstand der
ganisation der eigenen Person aber auch des
Zahnmediziner doch schön. Heute ist eine Pra-
Praxiskonstrukts um einen herum. Betriebs-
xis-Eröffnung kein Garant mehr für eine rosige
wirtschaftliches Agieren ist ›plötzlich‹ gefragt
Zukunft und beste finanzielle Aussichten. Nicht
WICHTIG IST, SEINE PRAXIS ›IN ZAHLEN‹ ZU VERSTEHEN
zuletzt, weil auch im medizinischen Bereich Insolvenzen keine Seltenheit mehr sind. Ein Ausruhen auf den ›guten alten Zeiten‹ gibt es nicht – angesichts des Gesundheitslottos der heutigen Zeit mit veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen und steigendem
– ohne Rücksicht darauf, ob dieses während
Kosten- und Konkurrenzdruck. Um langfris-
des Studiums jemals vermittelt wurde. Selbst
tig die eigene Existenz und die der Mitarbei-
bei einem Einstieg in eine bestehende Mehrbe-
ter zu sichern, muss man nicht nur das Patien-
handler-Praxis, in der Organisation und Struk-
tenwohl im Blick behalten, sondern auch das
tur schon bestehen und der Praxisbetrieb läuft,
der eigenen Praxis. Wichtig ist dazu seine Pra-
muss man sich in der neuen Position erst einmal
xis ›in Zahlen‹ zu verstehen um gerade anfäng-
zurechtfinden, seinen Platz behaupten und die
liche Anschaffungsfehler zu vermeiden. Finan-
eigenen Ideen in dem bestehenden Konstrukt
zielle Mittel sind nur dann richtig eingesetzt,
etablieren. Generell gilt: jede Gründung hat
wenn die innovative Behandlungsmethode, die
ihre Höhen und Tiefen. Deshalb sind Sorgen und
man im Auge hat, nicht die drei Zahnärzte in der
Ängste ganz normal – so ist das eben auf unbe-
Nachbarschaft auch schon haben.
kanntem Territorium.
Wie kann das Behandlungsangebot sicher und
Abhängigkeit statt der erwarteten Unabhän-
patientenkonform auf- und ausgebaut wer-
gigkeit? Jeder Existenzgründer ist anfänglich
den? Eine genaue Recherche im Vorfeld ist un-plaqued No 19 | 81
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
unverzichtbar, eine professionelle Organisati-
Praxis-Alltag – nichts als die Wahrheit
on und Struktur der Praxis ein Muss. Der Ser-
Stimmt es wirklich, dass die Zahnärzte heute
vicegedanke sollte im Mittelpunkt stehen und
vor lauter Bürokratie nicht mehr dazu kommen
Qualitätsmanagement (QM) nicht nur auf dem
ihre Patienten mit hundertprozentiger Auf-
Papier existieren, sondern gelebt werden. Und
merksamkeit zu behandeln? Kann sein, muss
bei all dem Guten, das Du tust, rede darüber.
aber nicht. Sicherlich ist der Verwaltungsauf-
Die kommunizierte Außendarstellung muss sich
wand durch Themen wie QM, gesetzliche Doku-
allerdings auch in der Praxisrealität wieder
mentationspflichten, zunehmende Rückfragen
finden lassen.
der Versicherer, etc. gestiegen – dennoch ist alles eine Frage der Organisation. Die oben ge-
Die Wahrheit über eine gute Führungskraft
nannten Themen werden Dich stets begleiten,
Der wirtschaftliche Erfolg einer Praxis hängt
vermutlich werden sie wohl in den nächsten
entscheidend von der Management- und Füh-
Jahren eher mehr. Am besten ist also, sich von
rungskompetenz der Praxisinhaber ab. Wie für
Anfang an so zu strukturieren, dass man die Bü-
jede Führungskraft in einem Unternehmen ist
rokratie leichter bewältigen kann.
es auch für die selbständigen Zahnärzte wich-
Bei der Erledigung der Verwaltungsaufgaben
SORGEN UND ÄNGSTE SIND GANZ NORMAL
solltest Du Dich vor allem davon verabschieden, alles alleine zu machen. Delegieren ist die halbe Miete. Verwaltungsaufgaben können wunderbar ausgelagert werden, schließlich soll der Be-
tig, die Ziele der Praxis zu verwirklichen. Das
handlungsalltag, der über die Liquidität und
gelingt nur gemeinsam mit den Mitarbeitern,
das wirtschaftliche Wohl der Praxis entschei-
die motiviert und engagiert am selben Strang
det, nicht zu kurz kommen.
ziehen sollten. Aber – wie funktioniert das?
Und so wird’s gemacht: In einem ersten Schritt
Bei der Beantwortung dieser Frage sind einige
legst Du als Chef/Chefin die Philosophie fest,
Führungs-Erkenntnisse nützlich. Mitarbeiter-
nach der Du Dir die Umsetzung und Zielerrei-
gespräche, Teammeetings etc. sind hilfreich,
chung der einzelnen Aufgabenbereiche vor-
die Kür wäre immer miteinander zu reden. Was
stellst. Gehe Schritt für Schritt die einzelnen
Menschen anspornt, ist eine Vision und Verant-
Praxis-Bereiche durch. Wichtig ist dabei, The-
wortung für eigene Aufgaben. Ein großer Feh-
men wie Hygienemanagement und Arbeitssi-
ler, der nicht selten zur Demotivation der Mit-
cherheit nicht zu vergessen. Organisiere sie di-
arbeiter führt, sind Zusagen finanzieller Natur
rekt am Anfang gezielt mit, gerade im Hinblick
und Aussichten auf eine Position bei der Einstel-
auf die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen
lung, die später nicht realisierbar sind.
und Vorgaben, die schon vom ersten Praxistag
Die Praxisinhaber erfüllen eine Vorbildfunk-
an gelten.
tion und jede Veränderung beginnt bei einem
Im nächsten Schritt verteilst Du die entspre-
selbst. Wenn Du von Deinem Team erwartest,
chenden Verantwortlichkeiten für die einzelnen
dass es eine halbe Stunde vor der ersten Be-
Bereiche innerhalb des Teams. Zum einen ist es
handlung am Stuhl steht, reicht es nicht, wenn
eine große Motivation für die Mitarbeiter, für
Du selbst erst die Praxis betrittst, wenn der Pa-
ein Gebiet die Verantwortung zu übernehmen,
tient schon drauf sitzt. Eine gute Führungskraft
zum anderen behältst Du somit die notwendige
bleibt immer authentisch. Führung kann dabei
Transparenz und Möglichkeit, die Mitarbeiter
in jeder Situation anders sein.
nach den erbrachten Leistungen zu bewerten.
82 | un-plaqued No 19
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
Neben zentralen Themen wie Struktur und Organisation, wird Dich im Praxisalltag das Thema Personal permanent begleiten. Vom Wunschgedanken eines perfekt aufgestellten und fertigen Praxisteams solltest Du Dich leider trennen. Mit Personalwechsel, Schwangerschaft der Helferinnen, etc. ist einfach zu rechnen. Wenn einen der Ausfall einer Mitarbeiterkraft kalt erwischt, wird es schwierig. Deshalb muss ein gut aufgebautes Personalwesen in der Lage sein, schnell auf Veränderungen zu reagieren. Stellengesuche können fertig in der Schublade liegen, die Bewerberauswahl kann routiniert durchgeführt werden und für die reibungslose Einarbeitung einer neuen Kraft ist gesorgt: dann bist Du gut vorbereitet. Am besten ist es, immer den Überblick über den Personalmarkt zu behalten, sich Konzepte und Kooperationen für die Ausbildung des Nachwuchses zu überlegen – und das nicht erst, wenn die Personalnot da ist. Eines ist aber auch klar: die beste Organisation schützt vor Überraschungen nicht. Wesentliche Eigenschaften eines/einer Praxischefs/-chefin sind Spontaneität, Flexibilität und vor allem Humor. Denn tropfende Behandlungseinheiten, piepsende Amalgamabscheider, skurrile Patienten, Serverausfälle und defekte Autoklaven machen auch vor der professionellsten Praxis nicht Halt. Selbständig oder selbst und ständig? Ist man nun selbständig oder doch nur selbst und ständig? Oder ist beides wahr? Sicherlich bringt der Traum der eigenen Praxis viele Vorteile mit sich: Entscheidungen alleine treffen zu können, höhere monetäre Ziele zu erreichen und Gestaltungsfreiheiten zu genießen. Diese Vorzüge enthalten jedoch auch einen großen Strauß an Verantwortung, den Druck der Sicherstellung des betriebswirtschaftlichen Erfolges und reichlich Aufgabenstellungen, die man in seiner vorhergehenden Angestelltentätigkeit niemals lösen musste. Die eigene Praxis kostet in den ersten Jahren viel Zeit, Motivation und Energie – das muss man sich bewusst machen. Wichtig ist aber, von Anfang an dafür zu sorgen, dass man nicht nur noch ›selbst und ständig‹ ist, sondern auch ein Leben außerhalb der Praxis führt. Andernfalls bleibt von der eigenen Unternehmung auf Dauer schlimmstenfalls nur noch Frust übrig. Hilf Dir also selbst. Mach Dir bewusst, welches Maß an Arbeit auf Dich zukommen wird, schaffe Strukturen, organisiere Dich selbst und nutze die Unterstützung Deines Teams richtig. Viele Vorzüge der Selbständigkeit kommen erst nach einer gewissen Aufbauund Strukturphase zum Tragen. Dann haben sich die Existenzgründer-Mühen gelohnt – denn wer würde Selbstbestimmtheit, Verwirklichung der persönlichen Ideen und Gewinne für die eigene Leistung je wieder aufgeben wollen? Hilfreiche Kompaktseminare für angehende Praxisinhaber/-inhaberinnen bietet die MMA Medizinische Management Akademie unter den Titeln ›Existenzgründung – Fit für den Praxiseinstieg‹ und ›Erfolgreich Führen – der Arzt als Unternehmer‹. // un-plaqued No 19 | 83
mmakademie.de
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
AUFBRUCH IN DIE IMPLANTOLOGIE TEXT Katja Geis
Das Anbieten implantologischer Leistungen sichert langfristig die Wettbewerbsfähigkeit einer Zahnarztpraxis. Zusammen mit einem leistungsstarken Implantatsystem und einem erfahrenen Implantathersteller als Partner ist es nicht schwer, sich fit für die Zukunft zu machen. Insbesondere, wenn man mit dem ›Astra Tech NAVIGATOR‹ einen kompetenten Lotsen hat.
W
as aber braucht man für eine im-
samtpaket‹ ergänzen. In einer ausführlichen,
plantologische Erstausstattung? Wie
persönlichen Beratung werden zunächst die
rechnet man die Leistungen ab? In
benötigten Schritte analysiert. Daraufhin wird
welcher Form darf man werben? Wie machen
die individuelle Route gemeinsam festgelegt –
das eigentlich die Kollegen und Kolleginnen?
zusammengefasst in einem eigenen Logbuch.
Und die ganz wichtige Frage: Wie kann man Fortbildungen so organisieren, dass die Work-
Modul Fortbildung
Life-Balance nicht aus dem Gleichgewicht ge-
In diesem Modul werden Grundlagenkurse zu
rät? Der Implantathersteller Astra Tech hat sich
›Chirurgie‹ und ›Prothetik‹ auf verschiedenen
über genau diese Fragen Gedanken gemacht
Levels angeboten. Die Kurse finden deutsch-
und den Astra Tech NAVIGATOR entwickelt. Da-
landweit statt. Zu dem Modul gehören auch die
hinter verbergen sich sowohl ein umfassendes
großen Fortbildungsveranstaltungen IMPLAN-
Fortbildungsprogramm als auch die fachliche
TAG und Astra Tech Jahressymposium. Wäh-
Unterstützung für die implantologische Praxis.
rend der IMPLANTAG, der sich an Einsteiger und
Das Besondere daran ist die Flexibilität, mit
das ganze Praxisteam wendet und wechselnd in
der Kurse und Maßnahmen nach jeweiligen Er-
verschiedenen Städten durchgeführt wird, fin-
fordernissen und zeitlichen Ressourcen aus
det das Astra Tech Jahressymposium mit sei-
sechs Modulen ausgewählt werden können.
nem wissenschaftlichen Programm im Herbst
Die Angebote richten sich sowohl an Implanto-
in Frankfurt am Main statt.
logen selber wie auch an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – denn Implantologie ist eine
Modul Mentoring
Teamaufgabe, die nur optimal gelöst werden
Hospitationen bei erfahrenen Kollegen und
kann, wenn alle an einem Strang ziehen. Es
Kolleginnen erleichtern den Sprung ins kalte
braucht also nur die Lust und den Willen, zu
Wasser. Möglich sind auch Supervisionen bei
neuen Ufern aufzubrechen.
den ersten eigenen Implantationen. Das Modul Mentoring können auch bereits tätige Implan-
Sechs Module – ein Lotse
tologen nutzen. Der Austausch mit den ›Routi-
Der Astra Tech NAVIGATOR umfasst sechs Mo-
niers‹ erlaubt dann, auch anspruchsvolle Fälle
dule, die sich zu einem breit gefächerten ›Ge-
selber zu realisieren.
84 | un-plaqued No 19
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
Modul Management Mit der Bedarfs- und Potentialanalyse der eigenen Praxis können Aussagen zum örtlichen Umfeld und zum Patientenstamm getroffen werden. Gleichzeitig werden die notwendigen Schritte aufgezeigt, die Implantologie im Praxisalltag zu verankern. Mit dem ›Qualitätsmanagement‹ werden Prozesse optimiert, bei ›Abrechnung und Factoring‹ geht es um die Berechnung der erbrachten Leistungen.
Weitere Informa tionen erhalten
Modul Implantatpraxis
Sie unter:
Ohne Kommunikation läuft nichts! Die Patienten und Patientinnen wollen kom-
astratechdental.de
petent informiert sein, bevor sie sich für eine implantologische Behandlung entscheiden. Flyer, Broschüren, Schaumodelle, Filme oder die Wartezimmerausstattung, sind dabei bewährte Mittel. Daneben bietet das Modul Fortbildungen zu Marketing, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, damit eine implantologische Praxis zu einer erfolgreichen Praxis wird! Modul Networking Das Modul Networking bietet bundesweit Treffen und Veranstaltungen zum ›Netzwerken‹ unter Kollegen und Kolleginnen. Hier können Erfahrungen ausgetauscht, neue Entwicklungen und Techniken diskutiert oder wissenschaftliche Studien erörtert werden. Modul Team ›Last but not least‹ finden sich im Modul Team alle Kurse für die zahnmedizinischen Fachangestellten, die in der Assistenz, aber auch als persönliches Bindeglied zwischen Zahnarzt und Patient eine zentrale Rolle spielen. Von der ›Sys temeinweisung‹ über ›Assistenz in der Implantologie‹, ›Hygieneschulung‹ und ›Abrechnung‹, reicht die Bandbreite der angebotenen Kurse bis zu ›Prophylaxe und Recall‹. Diese Fortbildungsveranstaltung wird in Kooperation mit TePe, dem Spezialisten für Prophylaxematerialien, angeboten. //
un-plaqued No 19 | 85
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
DER VERNETZTE SOMMER TEXT Ingmar Dobberstein‧FOTOS Axel Moll / IFG
Was für ein ›Sommer‹!? Mal ehrlich, bisher konnte man sich über jede Sonnenstunde freuen, die zwischen Wolken und Weltuntergangsgewittern ihren Weg in die Gesichter der Menschen fand. So auch der diesjährige ›Dental Summer‹ am Timmendorfer Strand, der, obwohl in einer der sonnensichersten Zeiten – Ende Juni – stattfindend, sich etwas mehr Zeit ließ, seine volle Pracht zu entfalten. 86 | un-plaqued No 19
I
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
m Gegensatz zum Wetter war die Sommerveranstaltung der jungen Zahnmediziner, die nunmehr im dritten Jahr durch den Bundesverband der zahnmedizinischen Alumni in Deutschland e.V. (BdZA) und der Internationalen
Fortbildungsgesellschaft (IFG) organisiert wird, von Anfang an ein toller Event. Die viertägige Veranstaltung, bei der jedes Jahr 250 Vorbereitungsassistenten und BdZA-Mitglieder zu phänomenalen Sonderkonditionen teilnehmen können, begeisterte vom ersten Tag an mit Referenten wie Prof. Dr. Edelhoff, Prof. Dr. G. Meyer, Prof. Gutowski, Dr. Jörg Weiler, Erfolgscoach Hans-Uwe Köhler, Dr. Markus Striegel, Dr. Thomas Schwenk sowie Gerhard Conzelmann samt Shaolin-Mönch Shi Yan Yan.
un-plaqued No 19 | 87
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
Doch was unterscheidet den Dental Summer von anderen Fortbildungsveranstaltungen, die das ganze Jahr über allerorts angeboten werden? Warum kommen gerade hier mehr als 350 junge Zahnmediziner, auch mehrere Jahre in Folge, zusammen? Ein Erfolgsrezept der Veranstalter ist die Auswahl der Referenten und deren Themen, die grundsätzlich für die Umsetzung im eigenen Praxisalltag inspirieren sollen. Es geht um das tägliche Brot des Zahnmediziners, wenn die Referenten zumeist in Tageskursen über Front- und Seitenzahnästhetik, Funktionstherapie, Praxismanagement oder Work-Life-Balance sprechen. Zum anderen ist der Dental Summer ein Event, bei dem der Alumni-Gedanke, also die Verbindung mit ehemaligen und neuen Kommilitonen, als auch der Austausch zwischen junger und erfahrener Generation, erstmals so umgesetzt wurde, wie es sich die BdZA-Verantwortlichen bei der Gründung des Verbandes vorgestellt haben. Dieser Gedanke und dessen Umsetzung scheint immer mehr Anhänger und Begeisterte zu finden, schließlich kommen jedes Jahr mehr Teilnehmer nach Timmendorfer Strand. Erstaunlicherweise ist die Kommunikation zwischen den Teilnehmern ebenso anders, als bei vielen anderen Fortbildungen. Der Wesenzug ›Meine Praxis, Mein Haus, Mein Auto – schau, was für ein toller Zahnarzt ich bin‹ ist hier wesentlich seltener anzutreffen, als ein offener und authentischer Wissensaustausch miteinander. Vielleicht liegt es daran, dass man sich hier wieder trifft, vielleicht liegt es an der jungen Generation. Aber auch die erfahrenen Kollegen lassen sich von dieser Atmosphäre 88 | un-plaqued No 19
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
anstecken, wenn beim Abendessen oder dem Volleyballturnier jung neben alt, Referenten neben Teilnehmern und alte und neue Kollegen gemeinsam am Strand den Ausklang des Tages genießen. Natürlich gab es auch in diesem Jahr einige Highlights, die nicht so schnell in Vergessenheit geraten werden. Da wäre zum Beispiel einer der letzten Auftritte des mittlerweile 76-jährigen Prof. Gutowski zu nennen, der in seiner nicht unumstrittenen, aber auch sehr lehrreichen Art über kombinierten Zahnersatz sprach. Aber auch die Volleyballspiele, die zu jeder Wetterlage, also auch bei Gewitter, Blitzen und strömenden Regen stattfanden und nicht weniger spannend und unterhaltsam waren. Respekt an die Teilnehmer und allen voran an die Sieger des Turniers, die sich in diesem Jahr auch unter widrigen Umständen gegenüber einem sehr ehrgeizigen Teilnehmerfeld behaupten konnten. Herzlichen Glückwunsch an Ricarda Heinemann, Uwe (Highlander) Diedrichs, Lars Herzer und Thomas. Herzlichen Dank auch an Petrus, dass ab dem zweiten Spieltag auch die Sonne wieder mitspielte. Neben der fachlichen Qualität der Veranstaltung sei an dieser Stelle den Organisatoren der IFG, allen voran Wilhelm Hakim, Jens Bönecke und Heiko Föllmer dafür gedankt, dass der soziale Teil des Dental Summers ebenso hervorragend organisiert wurde, wie die eigentliche Veranstaltung. Angefangen bei den Grillabenden am Strand, den EM-Fußballübertragungen, dem Volleyun-plaqued No 19 | 89
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
90 | un-plaqued No 19
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
ballturnier, bei dem es jedes Jahr Lupenbrillen der Firma Starmed für die Siegermannschaft zu gewinnen gibt, bis hin zur großen Dental Summer-Party am Freitagabend, wird hier für jeden Geschmack etwas geboten, bis in die späte Nacht getanzt und sich des Lebens erfreut. Als kleines Extra hat der BdZA in diesem Jahr am Samstagabend die dritte ALUMNI-Nacht der Zahnmedizin zu feinsten elektronischen Klängen gefeiert und die spannende Woche ganz entspannt ausklingen lassen. Wie geht's nun weiter? 2013 schreiben wir das nächste Kapitel des Dental Summer, zu dem Ihr Euch schon jetzt eines der begehrten Assistententickets unter-
bdza.de
dental-summer.de sichern könnt. Vorher jedoch gibt es noch ein paar Veranstaltungen, die Ihr unbedingt besuchen solltet, nicht zuletzt weil der BdZA wie immer einige ›Specials‹ für Euch bereithält. Im November findet der Deutsche Zahnärztetag in Frankfurt am Main statt, definitiv ein Highlight unter den bundesweiten Kongressen und ein Muss für alle, die auch zahnmedizinisch-politisches Interesse haben. Im Februar folgt der erste Dental Winter, an dem ge-
dental-summer.de
nau 50 junge Zahnmediziner teilnehmen können. Die Tickets dafür sind sehr begehrt, da Fortbildung und Skifahren eine ganz wunderbare Kombination sind. Wenn Ihr das ebenso seht, solltet ihr Euch sofort um die Anmeldung kümmern! Im nächsten Frühjahr wird schließlich die IDS 2013 in Köln stattfinden, wo wir Euch mit vielen Aktivitäten und der nächsten ALUMNI Nacht der Zahnmedizin erwarten werden.
uptodent-digital.de
Bis dahin wünsche ich Euch im Namen des BdZA Vorstandes einen schönen Sommer, viele tolle Erlebnisse und tapfere Patienten. Ich bedanke mich bei allen Teilnehmern für das in uns gesetzte Vertrauen und Eure Offenheit, mit uns zusammen dem Alumni-Gedanken echtes Leben zu schenken. //
un-plaqued No 19 | 91
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
VERGLEICHBAR DURCHFALLEN TEXT Cornelia Kronawitter ‧ ILLUSTRATION Anouk Zwarg
Mündliche Prüfungen widersprechen dem
ten Partymenschen sagen, sie wären durchge-
Grundsatz der Chancengleichheit
fallen, weil sie nicht in jeder Vorlesung in der
D
ersten Reihe saßen, wie die bebrillten Strebe-
ie schönen Mädchen sagen, sie seien
rInnen. Die bebrillten StreberInnen sagen, sie
durchgefallen, weil die Prüferin neidisch
seien durchgefallen, weil sie am Wochenende
auf ihr gutes Aussehen war. Die weniger
lernten, anstatt mit dem Prüfer in dessen Lieb-
schönen Mädchen sagen, sie seien durchgefal-
lingsclub zu feiern, wie die Partymenschen. Die
len, weil der Prüfer sie nicht attraktiv fand. Die
Studenten aus dem Osten sagen, sie wären
großen kräftigen Mädchen und Jungen sagen,
durchgefallen, weil sie nicht zum Blenden erzo-
sie wären durchgefallen, weil der Prüfer zu ih-
gen wurden. Die aus dem Westen sagen, sie sei-
nen aufschauen musste. Die kleinen Schwachen
en durchgefallen, weil sie nicht mit dem Prüfer
sagen, sie wären durchgefallen, weil der Prüfer
auf Russisch scherzen konnten.
sich nicht vorstellen konnte, dass sie mal als ZahnärztIn mit Patienten fertig werden könn-
Ob der Prüfer seinen ›zickigen Tag‹ hatte, man
ten. Die schlecht Angezogenen sagen, sie seien
zu hübsch, zu groß oder zu strebsam ist – auf
durchgefallen, weil sie kein Shirt mit großem
den allgemeinen Eindruck ›denen ist egal was
Ausschnitt und keinen kurzen Rock oder teuren
du kannst, die prüfen einen ohne Ende raus‹,
Anzug vorweisen konnten. Die gut Angezoge-
bleibt nur zu erwidern: Die Einführung schrift-
nen sagen, sie seien durchgefallen, weil der
licher Prüfungen ist lange überfällig – Prüfun-
Prüfer fand, dass hohe Absätze im späteren Kli-
gen in der Zahnmedizin sollten nicht mehr wie
nikalltag unpassend wären. Die extrovertier-
bisher mündlich durchgeführt werden!
92 | un-plaqued No 19
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
Die Ergebnisse mündlicher Prüfungen sind nicht
vorzubereiten und die Prüfung wie auch das Ab-
vergleichbar und erscheinen willkürlich.
schneiden unter Kontrolle zu haben.‹
Selbst für die Studierenden untereinander, die
Bis Ende der 60er Jahre gab es in der Human-
sich jahrelang in Kursen und Seminaren erlebt
medizin überwiegend mündliche Prüfungen.
und einzuschätzen gelernt haben, bleibt es ein
Im Kontext der 68er-Bewegung wurden Forde-
Rätsel, warum bestimmte Kommilitonen drei-
rungen laut, die Willkür der Hochschullehrer
mal durch eine Prüfung fallen, obwohl sie vor-
einzuschränken und die Vergleichbarkeit der
her nicht mit schlechteren Leistungen aufgefal-
Ergebnisse zu gewährleisten. Im Rahmen der
len sind als andere, die ihre Prüfung im ersten
Reformbewegungen wurde mit den Multiple-
Versuch bestanden haben. Die Prüfungskommis-
Choice-Klausuren ein Verfahren aufgegriffen,
sionen sollten über den schmalen Grat zwischen
das in den 50er Jahren in den USA entstanden
Vier und Fünf nachdenken, über die winzige
war. ›Das Ziel des Gesetzgebers ist gewesen, ein
Kluft zwischen ›bestanden‹ und ›durchgefal-
Prüfungssystem einzuführen, dass so objekti-
len‹, zwischen denen in mündlichen Prüfungen
viert ist, dass subjektive Beurteilungseinflüsse
oft kein erkennbarer Unterschied besteht.
weitgehend ausgeschlossen sind, der Prüfungsstoff für alle Prüflinge gleich und erlernbar ist
Die Humanmediziner: Einführung von Mul-
und die Chancengleichheit aller Prüfungsteil-
tiple-Choice-Klausuren vor 30 Jahren
nehmer gewahrt bleibt.‹
Dass die Ergebnisse mündlicher Prüfungen schlecht miteinander vergleichbar sind, wissen
1970 wurde die neue Approbationsordnung für
die Humanmediziner in Deutschland seit über
Ärzte verabschiedet. Zwei Jahre später wur-
30 Jahren und nehmen die Prüfungen großen-
de das schriftliche System auch für das Studi-
teils schriftlich ab. Vergleichen die Zahnis ihre
enfach Pharmazie eingeführt. Darüber hinaus
eigenen Prüfungsbedingungen mit denen der
wurde mit der neuen ÄAppO ein Staatsvertrag
Humanmediziner, heißt es schnell herablassend
zwischen den Bundesländern verabschiedet,
über die Humanis: ›Die kreuzen ihre schwarze
der die Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit
Reihe durch und das Physikum ist geritzt. Die
der Prüfungen in der ganzen Bundesrepublik
klaren Vorgaben für den schriftlichen Multi
ermöglichen sollte. Zudem werden die Prü-
ple-Choice-Test machen es einfach, sich adäquat
fungsfragen vom Institut für medizinische und un-plaqued No 19 | 93
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) in
ner nonverbalen Ebene ablaufen (siehe auch
Mainz zentral entwickelt, um zu gewährleisten,
un-plaqued Nr. 18). Sicher sind Studierende, die
was in der Bundesrats-Drucksache 437/70 für
fachliche Brillanz und überragende Kenntnisse
das Humanmedizin-Studium festgelegt wurde:
unter Beweis stellen, eher geschützt vor solchen
›Die Prüfungsarbeit soll sich querschnittar-
nonverbalen, sozialen Bewertungseinflüssen –
tig über alle Stoffgebiete erstrecken, die Ge-
eine Eins steht hier nicht zur Diskussion. Aber
genstand der betreffenden Prüfung sind. Die
die ›Drei, Vier oder Fünf‹ liegt völlig im Ermes-
schriftliche Prüfung soll simultan für alle Prü-
sensspielraum des Prüfers. In dieses Ermessen
fungskandidaten durchgeführt werden. Durch
fließt alles ein, was der Prüfling für den Prüfer
das schriftliche Verfahren soll eine möglichst
darstellt – Ähnlichkeiten, Vertrautheit, Gefüh-
umfassende Objektivierung der Prüfungser-
le. Das entscheidet ebenso darüber, inwiefern
gebnisse erreicht werden.‹
es dem Prüfling überhaupt ermöglicht wird, sich und sein Können darzustellen.
Die mündliche Prüfung: Nonverbale, unbewusste Einflüsse
Für jeden Studenten sind mündliche Prüfun-
Die Zahnmediziner machten unbeeindruckt
gen problematisch und mehr Motivationskiller
weiter wie bisher. Alle Prüfungen der großen
als Förderung. Sie wissen, dass sie keinem Mus-
Prüfungsblöcke Vorphysikum, Physikum und
ter entsprechen können, das ihnen von vornhe-
Staatsexamina sind mündlich. Beisitzer sind
rein mehr Unterstützung, eine kommunikative-
erst im letzten Versuch des Vorphysikums und
re Atmosphäre, vielleicht mehr Nachsicht oder
des Physikums verbindlich vorgesehen. Die
ein unbewusstes Übersehen von Fehlern durch
Prüflinge sind also in den ersten Prüfungsrun-
den Prüfer sichert. Die Studenten haben trotz
den allein mit dem Prüfer und deren möglicher
ihrer Vorbereitungen das Gefühl, die Prüfun-
Willkür ausgesetzt. Die Geschichten über miss-
gen niemals unter Kontrolle bekommen zu kön-
lungene Prüfungen sind zahlreich und jeder
nen, und gewinnen trotz guter Noten nicht an
kennt sie. Auch wenn fraglich ist, ob sie sich alle
Sicherheit. Die Angst, die dementsprechend
so zugetragen haben, muss man die Tatsache,
in solchen mündlichen Prüfungssituationen
dass diese Geschichten massenhaft erzählt wer-
herrscht, verhindert von vornherein ein kom-
den, als Symptom dafür nehmen, dass mündli-
plettes Ausschöpfen der Leistungen des Prüf-
che Prüfungen als alleinige Form der Leistungs-
lings und führt die eigentliche Aufgabe einer
bewertung nicht mehr tragbar sind und dass
Leistungskontrolle ad absurdum. Vielmehr wer-
das System erneuerungsbedürftig ist.
den die Studenten durch diese künstliche, aber
Eine mündliche Prüfung ist immer eine kom-
durchaus gewollte Schürung der Angst in der
munikative Situation. Wenn sich zwei Men-
Zahnmedizin darauf trainiert, sich von Autori-
schen an einem Tisch gegenüber sitzen und in
täten abhängig zu fühlen. Sie machen ihre Per-
die Augen sehen, steht mehr zwischen ihnen im
sönlichkeit in der Prüfung unsichtbar, um nicht
Raum als lediglich der Aufbau eines MHC-Mo-
anzuecken. Sie lernen nicht, Konfrontationen
leküls, warum Calcium-Phosphat-Verhältnis-
auszuhalten und zu gestalten, sondern werden
se wichtig sind oder wie man Diabetes diagnos-
entmutigt. So oft ist zu hören: ›Ich will nur noch
tiziert. Man überprüft unbewusst, ob man sich
meinen Abschluss, will nur noch raus hier, nur
ähnlich ist. Da werden Gruppenzugehörigkei-
noch die restlichen zwei oder drei Jahre über-
ten hinterfragt und getestet, ob man sich fremd
stehen, ohne nach rechts und links zu sehen,
oder vertraut vorkommt. Es gibt Aspekte einer
ohne jemanden zu bewerten, ohne Schaden zu
mündlichen Prüfung, denen Prüfling und Prü-
nehmen.‹ Derart negative Gefühle im Zusam-
fer unbewusst ausgeliefert sind und die auf ei-
menhang mit dem Wunschberuf sind bedau-
94 | un-plaqued No 19
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
erlich. Es kann nicht sein, dass hier Studenten
fallen und wer durchfällt. Wären die Testate
erschaffen werden, denen es nicht möglich ist,
schriftlich, müssten sich die Lehrenden nicht
unbequeme Entscheidungen durchzusetzen, die
nur verbindlich auf einen klar umrissenen Prü-
über ihre fünfeinhalb Uni-Jahre sagen: ›Mein
fungsstoff festlegen, sondern auch, im Falle des
ganzes Selbstbewusstsein habe ich hier verlo-
schlechten Abschneidens der Studenten, Kritik
ren, ich traue mir nichts mehr zu.‹
an der Art ihrer Lehre gefallen lassen.
Die Lehrenden können in einer mündlichen
Die Humanmediziner orientieren sich bei der
Prüfung gar nicht objektiv herausfinden, ob
Bewertung ihrer Multiple-Choice-Klausuren
die Studenten den Lehrstoff aus ihrer Sicht be-
nicht an einer festen, zu erreichenden Punkt-
herrschen, erst recht nicht ohne die zusätzliche
zahl, sondern an der durchschnittlichen Leis-
Kontrolle eines Beisitzers und das nicht erst im
tungsfähigkeit der Gruppe. Erzielt der Durch-
letzten Versuch. Die Lehrenden haben hierbei
schnitt nur wenige Punkte, weil die Prüfung zu
die Verantwortung, den Studierenden eine kla-
schwierig war, fallen trotzdem nicht mehr Stu-
re und vergleichbare Rückmeldung zu vermit-
dierende durch als bei einer leicht gestalteten
teln, denn ohne diese kann man kaum eine ech-
Prüfung.
te Verbesserung erwarten. Studenten haben ein Recht auf Trennschärfe.
Sicher ist das Konzept schriftlicher Prüfungen bisher nicht ausgereift. Die wenigen Klausuren,
Die Lehre: Kontrolle durch schriftliche Prü-
die während des Semesters geschrieben wer-
fungen oder Beisitzer
den, erscheinen gefährlich unernst oder wer-
Schriftliche Prüfungen, oder zumindest die
den lächerlich gemacht. Man kann vom Nach-
ständige Anwesenheit eines Beisitzers, würde
barn abschreiben oder ein Buch auf dem Schoß
auch eine bessere Überprüfbarkeit der Leh-
haben; häufig werden bereits bekannte Fragen
re zur Folge haben. Bislang hatten die Prüfer
aus dem Vorjahr verwendet. Die richtigen Ant-
durch das alles verwischende nonverbale Ele-
worten der Multiple-Choice-Fragen werden
ment der mündlichen Prüfung in gewissem Maß
von den Prüfern nie vollständig bekannt gege-
die Möglichkeit zu bestimmen, wie viele durch-
ben mit der Begründung, dass die Fragen unter un-plaqued No 19 | 95
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
Umständen noch mal verwendet werden müssen. Die Studierenden haben das Gefühl, dass ungeschulte Kräfte einen undurchdachten Multiple-ChoiceTest entwickeln und dadurch ihre Möglichkeiten, gezielt auf gute Noten hinzuarbeiten, eingeschränkt werden. Wieder scheint nichts vergleichbar, nichts kontrollierbar und das Konzept schriftlicher Prüfungen muss ebenso dringend professionalisiert werden. Die Humanmediziner haben Experten hinzugezogen und auch die lehrenden Zahnmediziner brauchen in dieser Aufgabe Supervision! Zu einem fairen Prüfungssystem ist es noch ein weiter Weg. Zunächst sollte aber die fehlende Vergleichbarkeit von mündlichen Prüfungen in der Zahnmedizin überhaupt in die Diskussion gebracht werden. Selbst ein Dozent, der Studenten schon seit längerem auf das Physikum vorbereitet, gab kürzlich zu: ›Ich hoffe immer, dass die Studenten völlig gleich behandelt werden, aber das ist leider nicht der Fall. Ihnen werden Fragen gestellt, die wir zusammen vorbereitet haben und bei manchen Leuten ist der Prüfer mit der Antwort zufrieden. Bei Anderen hingegen wird weiter gefragt, nachgebohrt, bis eine Wissenslücke kommt, nach der scheinbar zwanghaft gesucht wurde. Ich kann nicht sagen, warum bei genau diesem Studenten – vielleicht ist es ein winziger Unterschied in der Persönlichkeit, denn die Leute antworten nicht anders und sehen nicht ungewöhnlicher aus. Sie sind nicht ängstlicher oder linkischer, und doch ist da irgendwo im Hinterkopf des Prüfers dieses winzige Quäntchen, das ihn noch eine weitere Frage stellen lässt, statt sie, wie andere Studenten, nach der ersten richtigen Antwort auf der Liste abzuhaken.‹ Es wird also Zeit, dass das System der mündlichen Prüfungen hinterfragt und überdacht wird. Denn darin lägen auch jede Menge Chancen: An der zahnmedizinischen Fakultät gibt es so viele hoch motivierte Studenten, die sich bewusst für das Studium entschieden haben. Sie sind leistungsorientiert und selbstkritisch. Sie urteilen differenziert und können gute und schlechte Vorlesungen voneinander unterscheiden. Sie sollten fair behandelt werden. Dann säßen nicht mehr 100 Studenten in einem Hörsaal, die jedes Wort des Dozenten krampfhaft mitschreiben, um in der Prüfung nicht mit einem Detail über den Tisch gezogen zu werden. Nein, es säßen 100 Studenten im Hörsaal, weil sie verstehen wollen, weil sie eine gute Note in der Klausur erreichen wollen, weil sie interessiert sind an dem didaktisch gut aufbereiteten Lehrstoff einer Lehrveranstaltung und weil sie Fragen stellen können. Die Hochschullehrer wären mit ihrer Lehre wirklich konfrontiert und müssten sie besser aufbereiten. Aber diese Lehre würde in einem offeneren Klima stattfinden und durch ein Miteinander von Studenten und Lehrkörper ganz neue Anregungen bekommen. //
96 | un-plaqued No 19
Anzeigen-Sonderveröffentlichung
DIE DENTALISTEN – Innovationen für die Zahngesundheit Die moderne Zahnmedizin verlangt nach Dentalprodukten höchster Materialqualität und Anwenderfreundlichkeit. Praxisgerechte und effiziente Lösungen sind hier gefragt. Wir von VOCO verfolgen exakt diese Ziele. Wir verstehen uns als Dentalisten, als Spezialisten für Dentalmaterialien. Damit konzentrieren wir uns allein auf dieses Betätigungsfeld und stellen uns mit aller Kraft in den Dienst der Zahnheilkunde.
Wir unterstützen Ihren erfolgreichen Start in die Zukunft Sie haben gerade Ihr Studium beendet und wollen nun motiviert in Ihre Assistenzzeit gehen? Oder Sie möchten eine eigene Praxis eröffnen? Dann erhalten Sie von uns gratis eine Starthilfe: Im Wert von 300,00 € (gemäß Listenverkaufspreis) bekommen Sie mit dem VOCO-Starterpaket Produkte aus den Indikationsgruppen Prophylaxe, direkte und indirekte Restauration. Nutzen Sie den vorliegenden Coupon und fordern Sie Ihr persönliches VOCO-Starterpaket an.
Gratis für Sie
Coupon Praxis
Vorname, Nachname
Straße, Hausnummer
PLZ, Wohnort
E-Mail-Adresse
Kopie der Approbationsurkunde bzw. Kassenzulassung nicht vergessen! Ich bin Studienabgänger, beginne meine Assistenzzeit und möchte gratis das VOCO-Starterpaket im Wert von 300,00 € beziehen. Ich werde meine eigene Praxis eröffnen und möchte gratis das VOCO-Starterpaket beziehen.
VOCO GmbH · Anton-Flettner-Straße 1-3 · 27472 Cuxhaven · www.voco.com
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
EXAMEN FEIERN IN SALZBURG
Dentalwerk in Bürmoos
Das bestandene Examen frisch in der Tasche, führte Mitte November ein Ausflug den
Examensjahrgang
der
Universität
Würzburg nach Salzburg. Als Gäste von W&H konnten die Teilnehmer anlässlich des Abschlusses ihres Studiums neben Salzburg auch das Dentalwerk in Bürmoos kennenlernen.
TEXT Berit Melle
L
os ging es für die Zahnis am 17. November
men und Salzburg von seiner kulinarischen Sei-
2011 mit dem Bus von Würzburg nach Salz-
te kennenlernen. Beim Abendessen in einer ty-
burg. Nach der Ankunft im vorweihnacht-
pisch österreichischen Brauerei konnten die
lich geschmückten Salzburg, und zum Glück am
Würzburger Studenten mit Rindsroulade, Wie-
ersten Tag des Salzburger Weihnachtsmarktes,
ner Schnitzel und Strudel in aller Ruhe Kraft
ging es für die frisch examinierten Zahnis zu-
tanken und auf ihre erst kürzlich bestandenen
nächst zur Stadtführung durch die Mozart-
Examina anstoßen. Die Stimmung war sehr ent-
stadt. Ein kundiger Salzburger führte im
spannt und bot Gelegenheit, die letzten Jahre
waschechten Salzburger Dialekt durch die
an der Universität noch einmal Revue passie-
Stadt und spazierte geschickt durch die Gassen
ren zu lassen. Im Anschluss konnten sie noch
Salzburgs. Beim ersten Glühwein des Jahres
richtig ihren Abschluss feiern und die Tanzflä-
konnten sich die Teilnehmer wieder aufwär-
che für sich erobern.
98 | un-plaqued No 19
FOREVER YOUNG / WAHRHEIT
Nach einer etwas kürzeren Nacht für den ein
in Ruhe und ohne den Ablauf im Werk zu stören,
oder anderen Teilnehmer brachte ein Bus die
durch die Räume und Hallen zu gelangen. Die
Studenten am darauffolgenden Morgen von
Führung offenbarte dabei die einzelnen Schrit-
Salzburg ins ca. 30 km entfernte Bürmoos, den
te der Entstehung dentalmedizinischer Geräte
Sitz des W&H Dentalwerks. Nach ein paar ein-
von W&H, vom unbearbeiteten Rohstoff bis zur
führenden Worten zur Entstehung des Unter-
fertig verpackten und adressierten Ware. Inte-
nehmens W&H folgte ein kurzer Vortrag von
ressant war dabei, dass die Besucher den Mit-
Roland Gruber zum Thema ›Hygiene im Dental-
arbeitern bei vielen Arbeitsschritten über die
bereich – Wie sind Übertragungsinstrumente
Schulter schauen konnten. Mithilfe von hoch-
gemäß RKI aufzubereiten?‹
modernen Maschinen, aber auch beeindruckenden feinmotorischen Fähigkeiten, werden
Ein allgemein bekanntes Thema, sollte man mei-
kleinste Bestandteile zusammen gefügt und
nen, doch schon zu Beginn des Vortrages wurde
mehrfach auf ihre Funktion überprüft. Die Stu-
klar, welche versteckten Hürden im Praxisalltag
denten konnten sich davon überzeugen, welche
lauern und welche Gefahren daraus sowohl für
angenehme Arbeitsatmosphäre im Dentalwerk
Zahnarzt, Mitarbeiter als auch Patienten entste-
in Bürmoos für die Mitarbeiter herrscht.
hen können. Aufgelockert durch sehr anschauliche Videos konnten die angehenden Zahnärz-
Das Unternehmen W&H lädt regelmäßig Exa-
te mehr als einen wertvollen Tipp für ihren
mensjahrgänge verschiedener Universitäten
zukünftigen Arbeitsalltag mitnehmen.
ein und bietet Studenten damit die Möglichkeit, in einer spannenden und schönen Umge-
Anschließend fand eine Führung durch das Den-
bung ihren Abschluss gemeinsam zu feiern so-
talwerk in Bürmoos statt. Dabei wurden die
wie wertvolle Kenntnisse für ihre zukünftige
Teilnehmer in kleinere Gruppen aufgeteilt, um
Tätigkeit als Zahnmediziner zu gewinnen. // un-plaqued No 19 | 99
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
Die Vermessung der Wissenschaft Ă&#x153;ber Wahrheit, Wissenschaft und Leitlinien
100 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
TEXT Barbara Ritzert
Einstein prüft Studenten. Ein Student sagt zu ihm: ›Sie stellen in diesem Semester ja genau die gleichen Fragen wie beim letzten Mal.‹ Darauf Einstein: ›Das ist wahr. Nur die Antworten sind diesmal anders.‹ öglicherweise ist diese Anekdote nur
gilt, schon morgen durch neue Erkenntnisse re-
gut erfunden – aber sie beleuchtet ein
lativiert oder widerlegt – falsifiziert – werden.
Grundprinzip von Wissenschaft: Diese liefert
Wissenschaft ist ein dynamischer Prozess, der
keine letztgültigen Wahrheiten, sondern allen-
von kritischer Diskussion und empirischer Über-
falls neue Antworten auf der Grundlage neuer
prüfung von Hypothesen lebt, die im Falle ihrer
Erkenntnisse. Den Umkehrschluss dieser Ein-
Falsifikation verworfen und durch neue Hypo-
sicht hat der deutsch-schwedische Biologe Ja-
thesen ersetzt werden. Kurz: Wissenschaft wird
kob von Üxküll so auf den Punkt gebracht: ›Die
von Irrtümern vorangetrieben, im Besitz der
Wissenschaft von heute ist der Irrtum von mor-
reinen Wahrheit kann sie nie sein. Der Soziolo-
gen.‹
ge Niklas Luhmann bezeichnet Wahrheiten da-
Darum verwenden Naturwissenschaftler im 20.
her zutreffend als ›Erschöpfungszustände der
Jahrhundert den Begriff Wahrheit in Zusam-
Wissenschaft‹.
menhang mit ihren Erkenntnissen kaum noch. Im Gegenteil: ›Ideen, wie absolute Gewissheit,
›Medizin muss Wissenschaft sein, oder sie wird
absolute Genauigkeit, endgültige Wahrheit
nicht sein‹, forderte bereits im Jahr 1905 Bern-
und so fort, sind Erfindungen der Einbildungs-
hard Naunyn, damals Präsident der Deutschen
kraft und haben in der Wissenschaft nichts zu
Gesellschaft für Innere Medizin. Der Diskurs
suchen‹, konstatierte der deutsche Mathema-
über die Wissenschaftlichkeit der Medizin hat
tiker und Physiker Max Born, ein enger Freund
Tradition – und wird in den letzten Jahren in-
von Albert Einstein, der 1954 mit dem Nobel-
tensiv geführt. Ist die Medizin eine Art ›Natur-
preis für Physik ausgezeichnet wurde.
wissenschaft vom Menschen‹ oder eher ein Aggregat aus mehr oder weniger wissenschaftlich
Doch was ist Wahrheit? Die ehrwürdige Enzy-
basierten (Heil-)Künsten? Eine Flut von aktuel-
klopädie Brockhaus (Ausgabe von 1974, S. 789)
len Publikationen belegt den Bedarf der klini-
versteht unter Wahrheit ›allgemein die Vollen-
schen Medizin nach diesbezüglicher Selbstver-
dung des Wissens, die in jeder Erkenntnis an-
gewisserung.
gestrebt wird.‹ Ähnlich formuliert es auch der
Der Grund dafür ist die sogenannte evidenzba-
Soziologe Rudolf Stichweh von der Universität
sierte Medizin (EbM). Diese hat ihre philosophi-
Luzern in einem Interview mit der Zeitschrift
schen Wurzeln zwar im 19. Jahrhundert, begann
Spektrum der Wissenschaft: ›Wahrheit bleibt
sich aber erst seit den 1990er Jahren zunächst in
eine Letztbeschreibung für das, was man in der
der Medizin und mit einer gewissen Zeitverset-
Wissenschaft anstrebt, hat aber in ihrer All-
zung auch in der Zahnheilkunde auszubreiten.
tagswirklichkeit vom 18. Jahrhundert bis heu-
Als evidenzbasierte Zahnmedizin (EbD = evi-
te zunehmend an Bedeutung verloren.‹ ›Mo-
dence based Dentistry) steht sie – wie die EbM –
derne Wissenschaft‹, so Stichweh weiter, ›hat
seitdem im Zentrum heftiger Debatten.
am Ende des 20. Jahrhunderts ein sehr klares
Für den Begründer der evidenzbasierten Medi-
Bewusstsein von der Ungewissheit, dem appro-
zin, den kanadischen Epidemiologen David L. Sa-
ximativen Charakter allen Wissens.‹ Prinzipi-
ckett, ruht die Praxis der EbM auf drei Säulen:
ell kann alles, was heute als gesichertes Wissen
auf der externen (wissenschaftlichen) Evidenz, un-plaqued No 19 | 101
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
auf der individuellen klinischen Erfahrung eiUnter Federführung von DGI und DGZMK
nes Arztes und den Erfahrungen und Erwar-
wurden 2010 die ersten Leitlinien nach AWMF
tungen der Patienten. Entsprechend hat er EbM
Kriterien in der deutschen Implantologie auf
definiert: ›The practise of evidence-based me-
den Weg gebracht. Auch international sind
dicine means integrating individual clinical ex-
dies die ersten Leitlinien auf diesem Gebiet.
pertise with the best available external clinical
Veröffentlicht wurden die systematischen
evidence from systematic research.‹ Und Sa-
Reviews, Konsensusstatements und Empfeh-
ckett betont, dass die externe Evidenz die indi-
lungen der vier Arbeitsgruppen Ende letzten
viduelle klinische Expertise des Arztes zwar be-
Jahres im Journal of Oral Implantology (2011;
einflussen, aber nie ersetzen kann.
4 (Suppl): 67-130.) Die Expertengruppen des Leitlinienprozesses haben vier Fragestellun-
Da jedoch kein praktisch tätiger Arzt in der
gen bearbeitet:
Lage ist, die Publikationsflut seiner Fachrich-
1.
tung auch nur annähernd zu bewältigen, haben Für welche klinischen Indikationen in
Fachgesellschaften und wissenschaftliche Orga-
der dentalen Implantologie ist die Verwen-
nisationen damit begonnen, Leitlinien zu ent-
dung von Knochenersatzmaterialien wis-
wickeln. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissen-
senschaftlich belegt?
schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
2.
(AWMF) definiert Leitlinien als ›systematisch Welche prothetischen Behandlungsop-
entwickelte Hilfen für Ärzte zur Entscheidungs-
tionen stellen ein evidenzbasiertes Konzept
findung in spezifischen Situationen. Sie beruhen
für die Versorgung des zahnlosen Oberkie-
auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen
fers, bezogen auf Anzahl und Position von
und in der Praxis bewährten Verfahren und sor-
Zahnimplantaten, dar?
gen für mehr Sicherheit in der Medizin, sollen
3.
aber auch ökonomische Aspekte berücksichtiWelche Indikationen bestehen für eine
gen.‹ Alleine das Register der AWMF weist ak-
dreidimensionale Röntgendiagnostik und
tuell über 700 Leitlinien aus, wobei die Zahl der
bilddatengestützte navigierte Methoden in
Leitlinien in der Zahnmedizin mit fünf noch im-
der dentalen Implantologie?
mer sehr übersichtlich ist.
4.
Dies hat zum einen mit der Zeitverzögerung zu
Welche Maßnahmen sind sinnvoll zum
Strukturerhalt des Alveolarfortsatzes nach
tun, mit der die Evidenzbasierung in der Zahn-
Zahnextraktion?
medizin ihren Einzug hielt. Gravierender ist jedoch, dass kontrollierte klinische Studien in der
Nach Ratifizierung in mehreren Runden
Zahnmedizin nur eine geringe Rolle spiel(t)en
durch die Fachgesellschaften ist bei drei der
und im klinischen und universitären Alltag ein
vier Fragestellungen zusätzlich die Verab-
Denken im Vordergrund stand, ›das auf klini-
schiedung von offiziellen AWMF Leitlinien
schen Beobachtungen, theoretischen Überle-
geplant. In einem Fall ist dies bereits erfolgt.
gungen und Spekulationen gegründet war, von
Unter dem Titel ›Indikationen zur implan-
respektierten Autoritäten aber wie wissen-
tologischen 3D-Röntgendiagnostik und
schaftlich abgesichertes Wissen verkündet wur-
navigationsgestützte Implantologie‹ ist eine
de‹, konstatierte Donald M. Brunette 1996 von
S2k Leitlinie bereits im Register der AWMF
der University of British Columbia in Vancouver.
publiziert.
Diese Eminenz-Basierung hielt sich in der Zahnmedizin hartnäckiger als in der Medizin. 102 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
PROF. DR. DR. HENDRIK TERHEYDEN, KASSEL
1. In der Wissenschaft ist die Wahrheit von heute der
3. RCTs sind der Goldstandard in der evidenzbasier-
Irrtum von morgen. Was bedeutet dies für die Leitli-
ten Medizin. Wo liegen Möglichkeiten und Grenzen für
nienarbeit der DGI?
diese Studien in der Implantologie?
Es ist sogar ein Qualitätskriterium einer guten wissen-
Versuchen Sie bitte einmal, eine Sinusbodenaugmenta-
schaftlichen Arbeit, dass Aussagen stets auf der gegen-
tion mit BMP-2/Knochenersatzmaterial mit Knochener-
wärtig zur Verfügung stehenden Datenlage beruhen und
satzmaterial alleine zu vergleichen. Wann nehmen Sie die
damit falsifizierbar sind, sobald neue Daten bekannt wer-
Biopsie? Nach sechs Wochen ist es ethisch kaum vertret-
den. Die DGZMK und AWMF legen daher die Gültigkeit ei-
bar in der Kontrollgruppe, nach sechs Monaten ist wahr-
ner Leitlinie auf drei Jahre fest. Danach wird sie vom Netz
scheinlich der Effekt des BMP durch Aufholen der Kont-
genommen, bis sie von den publizierenden Fachgesell-
rollgruppe gar nicht mehr nachweisbar. RCTs sind nur
schaften aktualisiert worden sind.
sinnvoll, wenn zwischen Test- und Kontrollgruppe nur ein kleiner Unterschied bei ähnlichen Therapien besteht und
2. Welchen Stellenwert hat die evidenzbasierte Im-
wenn die Therapie der Kontrollgruppe ethisch vertretbar
plantologie in der Zahnmedizin und welchen Stellen-
ist. Diese Bedingungen funktionieren nur für wenige Be-
wert sollte sie haben?
reiche, so dass auch in Zukunft wesentliche Fragen aus der
In der täglichen Therapieentscheidung in der Praxis steht
ärztlichen Erfahrung im Konsensus zu beantworten sind.
die interne Evidenz des Behandlers in Kombination mit dem Wunsch des Patienten an vorderster Stelle. Es gibt
4. Die Kostenträger verlangen häufig wissenschaftli-
nämlich viele Bereiche, in denen eine Evidenzprüfung
che Nachweise, wenn bestimmte Verfahren eingesetzt
durch randomisierte kontrollierte Studien (RCT) nicht
werden sollen. Wie verändert und beeinflusst dies die
möglich ist oder in denen weltweit bislang keine RCTs
Zahnmedizin?
durchgeführt wurden. Daraus darf keinesfalls geschlos-
Die Forderung der Kostenträger ist einerseits richtig,
sen werden, dass die betroffene Therapie, weil nicht evi-
wenn die oben genannten Bedingungen berücksichtigt
denzbasiert, nicht durchgeführt werden sollte. Die Leitli-
werden. Andererseits ist sie falsch, wenn die falschen
nienarbeit in Deutschland folgt hier der AWMF Methode
Schlüsse aus fehlenden Studien gezogen werden, weil
der bestverfügbaren Evidenz und ersetzt fehlende Evi-
schlicht die Studien z.B. aus finanziellen Gründen noch
denz im Zweifelsfall durch einen breit abgestimmten und
gar nicht durchgeführt wurden. Die Forderung trägt aber
formalen Konsens. Dieses Vorgehen vermeidet die rein
dazu bei, dass die Materialhersteller geneigt sind, derar-
eminenzbasierte Empfehlung. Solche Leitlinien eröff-
tige Studien für den Wirksamkeitsnachweis auch zu finan-
nen dann dem Praktiker einen breiten Therapiekorridor
zieren. Dieser ist bei Medizinprodukten bekanntermaßen
möglicher Entscheidungen und sollten einen hohen Stel-
nur sehr eingeschränkt vorgeschrieben. Davon profitiert
lenwert haben.
dann wieder die Zahnmedizin.
un-plaqued No 19 | 103
PROF. DR. FRANK SCHWARZ, DÜSSELDORF
1. 2002 beklagte der Herausgeber im British Dental
3. Die Kostenträger verlangen häufig wissenschaftli-
Journal, dass 60 Prozent der Zahnärzte sich an Freun-
che Nachweise, wenn bestimmte Verfahren eingesetzt
den und Kollegen und nicht an der Fachliteratur ori-
werden sollen. Wie verändert und beeinflusst dies die
entieren. Hat sich daran nach Ihrer Erfahrung etwas
Zahnmedizin?
geändert?
Der indikationsbezogene Nutzen und die Sicherheit eines
Für niedergelassene Kollegen erscheint es aus meiner
Medizinproduktes kann nur durch eine umfassende wis-
Sicht fast unmöglich, die monatliche ›Flut‹ an wissen-
senschaftliche Dokumentation belegt und sichergestellt
schaftlichen Fachpublikationen zu überschauen und die
werden. Leider stellen viele Hersteller von Medizinpro-
relevanten klinischen Implikationen herausfiltern zu kön-
dukten das Marketing über die wissenschaftliche Doku-
nen. Dies darf jedoch nicht zur Resignation und Distanzie-
mentation. Jüngste Skandale haben verdeutlicht, dass
rung von der Fachliteratur führen.
eine weitere Verschärfung der Zulassung von Medizin-
Eine Alternative bieten hier systematische Übersichtsar-
produkten dringend erforderlich ist.
tikel, welche auf fokussierten Fragestellungen aufbauend eine präzise Analyse der relevanten Literatur er-
4. Inzwischen kritisieren Wissenschaftler, dass in der
möglichen.
Medizin der jungen Ärztegeneration vermittelt wur-
Unter Betrachtung der Ergebnisse solcher Metaanalysen
de, dass RCT ›die Wahrheit‹ darstellen. Was kann die
sollte man seinen eignes Behandlungskonzept regelmä-
Zahnmedizin davon lernen?
ßig und selbstkritisch reflektieren und gegebenenfalls
Ich halte den Begriff ›Wahrheit‹ in diesem Zusammen-
modifizieren.
hang in der Tat für unangebracht. Selbstverständlich muss man auch die Erkenntnisse, welche auf prospektiven, ran-
2. Welchen Stellenwert hat die evidenzbasierte Zahn-
domisierten klinischen Studien beruhen, kritisch reflek-
medizin heute in der studentischen Ausbildung?
tieren. Im Gegensatz zu einer Expertenmeinung kann aber
Wissenschaftliche Forschung beeinflusst selbstverständ-
meine Kritik an einer wissenschaftlichen Studie rationaler
lich auch die Weiterentwicklung und Verbesserung der
begründet werden, z.B. mit Verweis auf bestimmte Unter-
studentischen Ausbildung. Die Berücksichtigung der evi-
suchungsparameter- oder Methoden.
denzbasierten Zahnmedizin ist demnach ein integraler Bestandteil einer zeitgemäßen Lehre. Die Studierenden werden heute darauf vorbereitet, dass man sich ein zeitgemäßes Wissen nur unter konsequenter Berücksichtigung der aktuellen Fachliteratur erhalten kann.
104 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
Doch die moderne Zahnheilkunde ist invasiver
Medizin‹, die Ärzte zu seelenlosen Therapie-
und biologischer geworden. Erkenntnisse, etwa
Automaten herabwürdige und randomisierte
über Entzündungs- und Regenerationsprozes-
kontrollierte Studien (RCTs) zum Maß aller Din-
se, schlagen Brücken zur Medizin und Biologie
ge mache.
und befeuern neue Wege in der Forschung. Das
Dem widersprechen die Protagonisten der Evi-
Argument, kontrollierte klinische Studien seien
denzbasierung mit Hinweis auf die Definition
in der Zahnmedizin kaum möglich, verliert an
von Sackett. ›Unser Ziel war, einen breiten the-
Überzeugungskraft. In den chirurgischen Ge-
rapeutischen Korridor für den praktisch tätigen
bieten, etwa in der Implantologie, sind gut designte, nicht-randomisierte Studien eine akzeptable Alternative in jenen Bereichen, wo RCTs nicht möglich sind. Zwar steckt die EbD noch in den Kinderschuhen, doch die Basis für die Entwicklung von Leitlinien in der Zahnmedizin wird kräftiger. Gleichwohl bleibt die Zahnmedizin an einem Punkt gegenüber der Medizin im Nachteil: Anders als Pillen und Tabletten handelt es sich bei Dentalprodukten um Medizinprodukte, die anderen Regularien und Zulassungsbedingungen unterliegen. Klinische Studien sind auch darum Mangelware, weil sie oft nicht gefordert werden und die Hersteller darum darauf verzichten können. Doch auch hier zeichnet sich ein Wandel ab. Der gerade zu Ende gegangene deutsche Ärztetag verabschiedete unter dem Eindruck der jüngsten Skandale um Brustimplantate und Pro-
Implantologen zu formulieren‹, sagt DGI-Präsi-
blemen in der Endoprothetik, eine Forderung
dent Hendrik Terheyden, Kassel, der 2010 die
nach strengeren Maßstäben für Medizinproduk-
erste Konsensuskonferenz der DGI zur Entwick-
te der höheren Risikoklasse III. Dies dürfte auch
lung von Leitlinien in der Implantologie zusam-
im Bereich der Dentalprodukte nicht ohne Aus-
men mit über 50 niedergelassenen Praktikern
wirkung bleiben.
und Wissenschaftlern aus 15 Fachgesellschaf-
Ein weiterer Faktor kommt hinzu: Schon heute
ten und Verbänden auf den Weg gebracht hat-
begründen Krankenkassen die Ablehnung ei-
te (siehe Kasten).
ner Kostenübernahme bevorzugt mit fehlender
›Die Methodik der von uns angewandten ‚best
wissenschaftlicher Evidenz. Auch bei Auseinan-
available evidence’ ist auch für andere Länder
dersetzungen vor Gericht achten Richter zuneh-
interessant, weil die reine Evidenzbasierung
mend auf die wissenschaftliche Basierung einer
(z.B. Cochrane Methodik) in der Implantolo-
diagnostischen oder therapeutischen Maßnah-
gie häufig durch die geringe Anzahl randomi-
me. Leitlinien und Belege nach den Prinzipien
sierter kontrollierter Studien limitiert ist‹, so
der EbD werden also zunehmend bedeutsamer.
Terheyden. Insbesondere in den chirurgischen Disziplinen, betont er, seien RCTs oft nur schwer
Kritik begleiteten EbM, EbD und Leitlinien
oder gar nicht realisierbar. ›Der Praktiker muss
gleichwohl von Anfang an: Es sei ›Kochbuch-
aber trotzdem heute schon Entscheidungen fälun-plaqued No 19 | 105
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
›Nicht vom Beginn an enthüllten die Götter uns Sterblichen alles; Aber im Laufe der Zeit finden wir, suchend, das Bessre. Sichere Wahrheit erkannte kein Mensch und wird keiner erkennen Über die Götter und alle die Dinge, von denen ich spreche. Selbst wenn es einem einst glückt, die vollkommenste Wahrheit zu künden, Wissen kann er sie nie: es ist alles durchwebt von Vermutung‹ Xenophanes von Kolophon (580 v. Chr. – 470 v. Chr.)
len und benötigt dafür in aufbereiteter Form
randomisierten Studien und selbst zehn Pro-
die Informationen aus der Wissenschaft.‹ Ge-
zent der großen randomisierten Studien. Aller-
nau dies leiste die Methode der bestverfügba-
dings ist dies auch ein Beleg für die Überlegen-
ren Evidenz. Denn bei fehlenden Studien greift
heit wissenschaftlich kontrollierter Studien im
das Konsensverfahren, an dem Experten aus al-
Vergleich zu Beobachtungsstudien mit mangel-
len relevanten Fachgesellschaften teilnehmen,
haftem Design.
wodurch die Majorisierung der Leitlinie durch einzelne ›Eminenzen‹ vermieden wird.
Im gleichen Jahr legte Ionnidis im renommierten Journal der US-amerikanischen Mediziner-
Mit der Zahl der Leitlinien und angesichts der zu-
organisation (JAMA) nach. Dieses Mal nahm er
nehmenden Deutungshoheit der Wissenschaft
die Crème de la Crème unter die Lupe, nämlich
wächst indes seit einiger Zeit auch ein gewis-
jene 49 Arbeiten, die zu den meistzitiertesten
ses Unbehagen in der Zunft der Wissenschaft-
und angesehendsten der Medizin in den zurück-
ler selbst. Zu beobachten ist eine sehr (selbst-)
liegenden 13 Jahren gehört hatten. In 45 Studien
kritische Auseinandersetzung mit der evidenz-
hatten die Autoren verkündet, effektive Thera-
basierten Medizin. Plötzlich schwirren Fragen
pien entdeckt zu haben. In 34 Fällen wurden die-
nach der Evidenz der Evidenzbasierung durch
se Schlussfolgerungen in weiteren Studien über-
den Diskurs, mahnen Autoren wie Seth J. Baum,
prüft – mit dem Ergebnis, dass 41 Prozent der
Florida, unlängst im Fachblatt Clinical Cardiolo-
getroffenen Aussagen nicht bestätigt werden
gy, dass Evidenz zwar Wissen liefere, aber kei-
konnten. Damit bestätigte Ionnidis, was zwar
nesfalls die absolute Wahrheit.
klar ist, aber immer wieder aus dem Blickwin-
Losgetreten hat diese Debatte der Epidemiologe
kel gerät: Wissenschaft entwickelt sich auf der
und Mathematiker John P.A. Ionnidis, der in Bos-
Grundlage ihrer Irrtümer und Fehlannahmen –
ton an der Tufts University und an der Universi-
mit entsprechenden Konsequenzen für die kli-
ty School of Medicine sowie an der Universität
nische Medizin.
in Ioannina (Griechenland) lehrt. Er veröffent-
Bei der Entwicklung von Leitlinien werden wi-
lichte 2005 eine Studie mit dem provozierenden
dersprüchliche Studienergebnisse zwar aufge-
Titel ›Warum die meisten veröffentlichten For-
arbeitet und bewertet – doch dies setzt voraus,
schungsergebnisse falsch sind‹. Mit Hilfe eines
dass positive und negative Befunde gleicherma-
mathematischen Modells hatte Ionnidis sehr zu-
ßen publiziert und damit für die Bewertung von
verlässig vorhergesagt, wie hoch der Anteil je-
diagnostischen und therapeutischen Verfahren
ner Studien in verschiedenen Medizinbereichen
verfügbar sind.
ist, die später widerlegt werden: 80 Prozent der
Dass dies erwiesenermaßen nicht der Fall ist,
nicht-randomisierten Studien, 25 Prozent der
schreckt die Science Community inzwischen
106 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
auf. Die Zeichen mehren sich, dass systemati-
die Forscher immer weiter von der komplexen
sche Fehler (›Bias‹) das Fundament der Wissen-
Wirklichkeit entfernen, innerhalb derer die For-
schaft schleichend unterminieren.
schungsergebnisse angewendet werden sollen.‹
In biomedizinischen Fächern sind aufgrund der
Während Sarewitz Experimente mit transgenen
Komplexität der Forschung statistische Verzer-
Mäusen als Beispiel für den wachsenden Ab-
rungen häufig. Sind diese zufällig und finden sie
stand zwischen biomedizinischer Wissenschaft
in alle Richtungen statt, gleichen sie sich im Lau-
und ihrem Anwendungsumfeld aufführt, be-
fe der Zeit aus, wenn die Zahl der Untersuchun-
leuchtet Seth J. Baum in seinem Kommentar die
gen steigt. Ebenso versuchen die Forscher, die
Aussagekraft kontrollierter klinischer Studien.
verschiedenen Formen des Bias bei der Analyse
Studien-Patienten werden nach strengen Ein-
der Studiendaten herauszufiltern.
und Ausschlusskriterien ausgewählt und re-
Diese Kontrollmechanismen versagen indes
präsentieren nicht die ›normalen‹ Patienten in
dort, wo es um die Auswahl und Veröffentli-
der Praxis. Darum gelten die Schlussfolgerun-
chung von Studienergebnissen geht. Positive Forschungsergebnisse werden häufiger publiziert als negative. Das belegen
GLAUBE DENEN, DIE DIE WAHRHEIT SUCHEN, UND ZWEIFLE AN DENEN, DIE SIE GEFUNDEN HABEN. André Gide
inzwischen
viele Untersuchungen. Die Folge: In den Fach-
gen aus solchen Untersuchungen korrekterwei-
journalen sind falschpositive Resultate syste-
se auch nur für Patienten mit dem Profil der Stu-
matisch überrepräsentiert.
dienpatienten. Hinzu kommt, dass die Aussagen
Zunächst machten die Wissenschaftler dafür
auf Durchschnittswerten basieren. In der EbM
Firmen verantwortlich, welche die Veröffentli-
leitet sich die Evidenz von Durchschnittswerten
chung unliebsamer Forschungsergebnisse ver-
einer Gruppe her, während der Arzt einen indi-
hindern, um die Zulassung ihrer Produkte nicht
viduellen Patienten behandelt.
zu gefährden. Strengere Richtlinien und die Of-
Kritiker wie Baum und Sarewitz setzen gleich-
fenlegung von Interessenskonflikten sollten die-
wohl auf die Fähigkeit der Wissenschaft zur
ses Problem lösen. Inzwischen ist jedoch klar:
Selbstkorrektur. Diese könne jedoch nicht nur
Das Problem sitzt tiefer, nämlich in der wissen-
auf dem Wettbewerb zwischen den Forschern
schaftlichen Kultur selbst, ›die den Bias in eine
beruhen, schreibt Sarewitz in seinem Warnruf.
bestimmte Richtung drängt‹, schreibt Daniel Sa-
Die Fähigkeit zur Selbstkorrektur basiere viel-
rewitz von der Arizona State University Anfang
mehr auf den engen Beziehungen zwischen Wis-
Mai im Fachblatt Nature.
senschaft und Praxis, die es ermöglichen, feh-
Wissenschaft werde unter der Prämisse betrie-
lerhafte und nutzlose Resultate auszusortieren.
ben, dass Fortschritt grundsätzlich mit der ste-
Diese Selbstkorrektur der Wissenschaft hat be-
tigen Produktion von positiven Ergebnissen
reits begonnen, wie aktuelle Veröffentlichun-
gleichzusetzen sei, so Sarewitz. Daher fehle der
gen in renommierten Fachjournalen zeigen.
Anreiz, negative Ergebnisse zu veröffentlichen,
›Ist es Zeit für medizinbasierte Evidenz?‹, lau-
Experimente zu wiederholen oder Ungereimt-
tet etwa der Titel eines Editorials vor wenigen
heiten und Widersprüche deutlich zu machen.
Wochen im JAMA. Der Autor John Concato, kli-
Außerdem würde der Versuch, systematische
nischer Epidemiologe an der Yale University in
Fehler zu vermeiden, dazu führen, ›dass sich
New Haven, räumt ein, dass besonders rigide un-plaqued No 19 | 107
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
Herangehensweisen der evidenzbasierten Me-
gehensweisen und nutzt dazu eine Vielzahl von
dizin in jüngster Zeit modifiziert worden wären.
Quellen, Verfahren und Methoden, um Ärz-
Gleichwohl habe man eine ganze Generation von
te und Patienten schnellstmöglich mit klinisch
Klinikern gelehrt, dass es möglich sei, mit Hilfe
relevanten neuen Erkenntnissen zu versorgen.
randomisierter Studien die Wahrheit (›truth‹)
Vorangetrieben wird diese Entwicklung in den
zu finden, während Beobachtungsstudien inhä-
USA von einem eigens gegründeten Institut,
rent fehlerhaft seien. Dabei sei, so Concato, die-
dem Patient-Centered Outcomes Research Ins-
se Hierarchisierung nicht angebracht. Oft hätten
titute (PCORI). Die evidenzbasierte Medizin er-
RCTs nur eine limitierte klinische Relevanz. ›Bei
weist sich somit im besten wissenschaftlichen
einer medizinbasierten Herangehensweise an
Sinn als offenes System, das aus Fehlern lernt.
die verfügbare Evidenz liegt der Schwerpunkt hingegen auf klinisch relevanten Aspekten und
›Selbst wenn uns die Vorstellung fasziniert‹,
Fragestellungen‹, schreibt Conato, ›und nicht
schreibt Seth Baum, ›dass wir mit evidenz-ba-
auf Hierarchien des Forschungsdesigns.‹
sierter Medizin in der Welt der Wahrheit leben,
Dass dieses Konzept sinnvoll ist, belegt das
ist die wirkliche Wahrheit doch die, dass wir we-
Journal gleich mit einer Serie von Arbeiten,
nig wissen und dies akzeptieren müssen. Wis-
bei denen Auswertung und Vergleich großer
senschaft ist nie zu Ende, es ist eine evolutionäre
Beobachtungsstudien klinisch relevante neue
Disziplin.‹ Verdichtet ist diese Einsicht in einem
Erkenntnisse lieferten. Und der Name für die-
Satz des französischen Schriftstellers und No-
sen neuen Ansatz wurde auch schon gefunden:
belpreisträger für Literatur André Gide: ›Glau-
›Comparative effectiveness research‹ (CER).
be denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle
Diese Forschung vergleicht verschiedene Vor-
an denen, die sie gefunden haben.‹ //
Baum, SJ. Evidence-Based Medicine: What's the Evidence? | Clinical Cardiology Vol. 35, Issue 5, pp. 259–260, May 2012
Ioannidis, JPA. Contradicted and Initially Stronger Effects in Highly Cited Clinical Research | JAMA. 2005; 294(2): 218–228
C oncato, J. Is It Time for Medicine-Based Evidence? | JAMA. 2012; 307 (15): 1641–1643
Nocini, PF. EvidenceBased Dentistry in Oral Surgery: Could We Do Better? | The Open Dentistry Journal, 2010, 4, 77–83 Patsopoulos, NA; Analatos, AA; Ioannidis, JPA. Relative Citation Impact of Various Study Designs in the Health Sciences | JAMA. 2005; 293(19): 2362–2366
Friedman, DH: Lies, Damned Lies, and Medical Science | The Atlantic, Nov 2010
Ioannidis, JPA. Why most published research findings are false | PLoS Med 2: e124
108 | un-plaqued No 19
Robert, MG; Fontanarosa, PB. Comparative Effectiveness ResearchRelative Successes | JAMA. 2012; 307(15): 1643–1645 Sackett, DL et al. Evidence based medicine: what it is and what it isn't | BMJ 1996; 312: 71, Published 13 Jan 1996 Sarewitz, D. Beware the creeping cracks of bias | Nature 485, 149, Published 10 May 2012 Türp, JC; Antes, G. Evidenzbasierte Zahn medizin | Dtsch Zahnärztl Z 55 (2000) 6
RUBRIK / WAHRHEIT
Occlusionsprüfung mit der 2-Phasen Methode
1. Phase: Prüfen der Occlusion mit Bausch PROGRESS 100® mit progressiver Farbtönung 100 µ.
2. Phase: Prüfen der Occlusion mit Bausch Arti-Fol® metallic 12µ rot.
Die blauen Kontakte von Bausch PROGRESS 100® dienen als Haftvermittler und bieten einen kontrast-reichen Hintergrund für eine präzise Darstellung der occlusalen Kontaktverhält-nisse.
Gratismuster und Multimedia CD-ROM unter: www.bausch.net
Die Kombination von PROGRESS 100® 100µ und einer Occlusionsfolie 12µ bietet speziell auf schwierig zu prüfenden Occlusalflächen wie Gold oder Keramik deutlich sichtbare Vorteile. Die erste Prüfung erfolgt mit Artikulationspapier in blau. Kontakte werden sofort sichtbar. Im zweiten Schritt nimmt man anschließend eine dünne Folie, vorzugsweise in rot, da diese Farbe eine hohe Deckkraft und einen guten Kontrast zu blau bietet. Die Farbübertragung der Folie wird mit Hilfe der
Transculase Haftvermittler Schicht des blauen Papiers ganz erheblich verbessert. Kontaktpunkte können auf Grund mangelhafter Abzeichnung nicht übersehen werden.
...wir machen Occlusion sichtbar® Dr. Jean Bausch GmbH & Co. KG • Oskar-Schindler-Str. 4 • D-50769 Köln • Telefon: 0221-70936-0 • Fax: 0221-70936-66 E-Mail: info@bauschdental.de
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
WAS WÄRE, WENN ES ANDERS WÄRE... ? TEXT Gisel F. Rieforth
110 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
Stellen Sie sich vor, Sie melden sich mit weiteren 499 Gästen verbindlich zu inhaltlich anspruchsvollen Veranstaltungen, Seminaren und Vorträgen an, betreten Ihren vermeintlichen Tagungsort und finden sich inmitten eines großen Bühnenbildes wieder. Ihre Verwunderung erlaubt es Ihnen nicht, den extra für Sie installierten, 10 Meter langen Schredderweg aus Holzspänen zur Anmeldung zu benutzen. Insgeheim vergewissern Sie sich, ob Sie tatsächlich auf der richtigen Veranstaltung sind. Oder vielleicht haben die vorherigen Veranstalter ihr Bühnenbild nicht rechtzeitig abgebaut?
Üblicherweise findet man auf derartigen Tagungen und Kongressen große Foyers mit weitläufigen Irrwegen vor, lange Tische mit gestärkten weißen Tischdecken, ordentlich gestapelte Kaffeetassen, vereinzelte Gruppen von TeilnehmernInnen und exzellent geputzte Fußböden. Was bitte aber hat ein Wasserverlauf mit Schwimmkerzen, ein lila Raum in Plüsch und Stoff oder ein Rollrasen zum Sitzen, im Oktober auf einer wissenschaftlichen Tagung zu suchen? Die 5. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für systemische Therapie und Familientherapie (DGSF) im Jahre 2005 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg richtete sich an PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen. Das Thema der Tagung lautete: ›Triadisches Verstehen in sozialen Systemen – Gestaltung komplexer Wirklichkeiten‹. Unter der Leitung von PD Dr. phil. Dipl.-Psych. Joseph Rieforth wurde ein Überblick über den aktuellen Stand systemischer Arbeiten in Wissenschaft und Praxis, sowie die neuesten Forschungsergebnisse aus den Arbeitsfeldern Therapie, Supervision, Mediation und Sozialarbeit, mit über 100 DozentInnen angeboten. Die Veranstalter hatten gute un-plaqued No 19 | 111
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
organisatorische und inhaltliche Arbeit geleis-
den fegen die verstreuten Holzspäne auf den
tet, für diese Tagung jedoch ließ sich das Olden-
Weg zurück, die Bewegungsfreudigen nutzen
burger Team ein kleines ›Extra‹ einfallen.
ihn zum Überspringen und andere genießen >schlicht-Weg< den königlich geführten Gang.
Stellen Sie sich vor, nach einer ersten stillen Beobachtung der anderen TeilnehmerInnen
Stellen Sie sich vor, Sie haben den Bewegungs-
stellen Sie fest, dass alles offensichtlich in ei-
hunger gestillt und sehnen sich nach einer ent-
nem geordnetem Rahmen abläuft. Sie erhalten
spannten Sitzmöglichkeit in Gesellschaft. Ein
Ihre Orientierung zurück, doch Ihre Neugierde
Hinweisschild verweist auf eine ›Sitztorte‹, die
ist geweckt. Sie erkennen das Thema des Kon-
sich dominant, rund und jungfräulich präsen-
gresses: Triaden, Triaden, Triaden.
tiert. Lassen Sie sich verführen und nehmen Sie
Die große Bewegung, vergleichbar einem Tanz-
in Ihrer Vorstellung auf der drei Meter großen
theater, beginnt. Es bilden sich Grüppchen am
Triaden-Torte Platz.
Wasserverlauf und Warteschlangen vor den
Beim näheren Hinsehen erkennen Sie, dass die
triadisch gestalteten Toilettenbereichen. Diese
triadische Teilung in 12 Tortenstücke schon voll-
bieten nebenbei die Möglichkeit, sich am stillen
zogen ist. Die einzelnen Stücke werden nach Be-
Örtchen auch ›intellektuell‹ mit Kritzeleien an
lieben ›verrückt‹: Nichts ist mehr so, wie es war.
den Wänden zu erleichtern. Einige entledigen
Sie finden einen Platz auf dem Randstück der
sich ihrer Schuhe, bevor sie die lila Plüschtria-
Torte – Rücken an Rücken mit vertrauten und
de betreten. Die TeilnehmerInnen interagierten
fremden Menschen, dem offenen Szenario der
mit der Raumgestaltung: Die Ordnungslieben-
Veranstaltung zugewandt. Vielleicht bevorzu-
112 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
gen Sie auch die zarte Tortenspitze als eine Ein-
wickeln, und Wissenschaft kreativ im Sinne der
ladung zu einem lustbetonten Sitzerlebnis. Wie
›Gestaltung komplexer Wirklichkeiten‹ voran-
dem auch sei, sie sind dabei. Plötzlich funktio-
zutreiben. Und warum sollte sich diese kom-
niert die große Choreographie – die Zuschauer
plexe Vernetzung nicht auch auf den Raum er-
entwickeln sich zu den Akteuren!
strecken, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse ausgetauscht werden?
Ist es wirklich angemessen, auf einer Veran-
Andere Weggestaltungen können die Inhalte
staltung mit hohem wissenschaftlichen Niveau,
von wissenschaftlichen Tagungen einbeziehen
eine Mischung aus Sicherheit und Kommunika-
und deren Kommunikation fördern. Die Aus-
tion stiftendes Inventar mit Genussversprechen
wahl unterschiedlich gestalteter Sitz- und Be-
zu installieren?
wegungsmöglichkeiten, wirkt vitalisierend und
Saßen wir nicht jahrelang auf unbeweglichen
bedient ein großes Spektrum individueller Be-
Stühlen und fest verankerten Bankreihen in
dürfnisse. Sowohl der angeregte Austausch als
Hörsälen und haben uns mit fortschreitender
auch die eigene Zentrierung, Erholung und Ver-
Sozialisierung an eine automatische Aufmerk-
arbeitung von neuen Eindrücken und Informati-
samkeits- und Ideenhemmung gewöhnt? Wa-
onen, findet auf diese Weise Raum.
rum sollte man im Rahmen wissenschaftlicher Veranstaltungen aus der gewohnten Konformi-
Die gemeinsam verbrachte Zeit, die unter-
tät heraustreten? Sollten wir etwa der ›natur-
schiedlichen Menschen als auch die theoreti-
bedingt‹ hoch kriechenden Trägheit den Kampf
schen und praktischen Seminare, Vorträge und
ansagen?
Arbeitsgruppen, kann man als einen besonders potentiellen Freiraum begreifen. Dieses Poten-
Warum nicht? Wir könnten den Austausch wis-
tial maximal zu nutzen und die Eindrücke hoch
senschaftlicher Themen als einen vielschichti-
motiviert zurück in die verschiedenen Arbeits-
gen kreativen Akt begreifen, bei dem Dozen-
und Lebensbereiche zu transportieren, wäre
tInnen, TeilnehmerInnen, OrganisatorInnen
ein Ziel erfolgreicher Veranstaltungen. //
und HelferInnen als ein komplexes System gewürdigt werden. Gerade in Zeiten, in denen
BUCHEMPFEHLUNG
wir vielfach vorgegebene Pfade zu gehen ha-
Triadisches Verstehen in sozialen Systemen; Rieforth,
ben, lohnt es neue Möglichkeitsräume zu ent-
Joseph (Hrg.); Carl-Auer-Verlag; 2006; S.253
un-plaqued No 19 | 113
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
WENN WISSEN SICH TEILT, WIRD MEHR DARAUS TEXT Frank Stratmann
Seit dem Jahr 2010 bin ich regelmäßig eingeladener Referent auf großen Kongressen der Gesundheitswirtschaft. Dabei gehe ich genauso regelmäßig einen Barter-Deal ein. Denn ich bekomme den Zugang zum Podium aufgrund meines Wissens und erhalte dafür Sichtbarkeit. Gut – und die Reisekosten.
A
m Rednerpult stehend spreche ich aus,
die eine Öffentlichkeit herstellen (Prof. Jeff Jar-
was ich für wahr halte. Auf Basis meiner
vis: What would Google do?). Ich möchte Ihnen
Erfahrungen und meiner durch mich
in diesem Zusammenhang zwei Veranstaltun-
verarbeiteten Informationen entstand – ir-
gen vorstellen, die in 2012 wie eine neue Wahr-
gendwann einmal und entsteht fortwährend –
heit klingen, wenn es um den Transfer von Wis-
Wissen, um in meinem Fachgebiet zu bestehen.
sen in der Gesundheitswirtschaft geht. Es geht
Darüber darf ich dann reden und mich mittei-
um die Erkenntnis, dass Wissen wächst, wenn
len. Das Publikum konsumiert das Gesagte,
das Milieu nicht wie gewohnt dem Sender-Emp-
empfängt mein Wissen als Information und
fänger-Prinzip folgt, also mehr oder weniger
zieht daraus folgend subjektive Schlüsse. Was
frontal passiert.
damit im Anschluss passiert, bleibt im Verbor-
Im Gegensatz dazu basieren beide Konzepte
genen. Leider.
auf der Idee, dass, wenn sich Wissende treffen,
Sichtbar im Sinne des gestreuten Themas war
um ihr Wissen zu teilen, sich daraus neues Wis-
und bleibe nur ich und meine Präsentation.
sen akkumuliert. Diese Akkumulation von Wis-
In der Finanzwirtschaft ist die These der Ent-
sen entsteht durch Vernetzung. Ähnlich arbei-
stofflichung eine Mär. Beim Wissenstransfer
tet ein gesundes Gehirn. Je mehr drin ist, desto
allerdings nicht. Während mit faulen Kredi-
mehr passt rein. Diese Tatsache ist nicht nur
ten haptische Gärten angelegt und Häuser ge-
eine subjektive Empfindung, sondern eine wis-
baut wurden, bezahlt man beim Wissenstausch
senschaftliche Wahrheit.
künftig eher für die Rahmenbedingungen, in denen sich Wissen teilt. Weniger für die Tat-
Kreativkonferenz Klinikmarketing - Kn
sache, dass jemand Wissen hortet und es nur
Für strategische Marketingkommunikation in
häppchenweise gegen Cash verteilt. Je größer
Kliniken gibt es keine Altvorderen. Überlie-
der Cash, desto größer der Happen?
fertes Wissen gibt es nicht. Woher die theoretischen Grundlagen kommen könnten und wo
In Zukunft wird sich die Macht von denen, die
welche Ansätze bereits erfolgreich sind, wur-
Geheimnisse haben, hin zu denen verschieben,
de Ende Mai in Berlin diskutiert. Dies geschah
114 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
einerseits vor dem Hintergrund sich entwi-
Medicamp 2012 für die Gesundheitswirtschaft
ckelnder Technologien und andererseits durch
Jetzt kündigt sich das erste Barcamp für die Ge-
die nicht aufhaltbaren gesamtgesellschaftli-
sundheitswirtschaft an. Seit 2005 gibt es die
chen Veränderungsprozesse.
Idee der Barcamps und schon 2006 fand das Erste in Berlin statt. Das Format einer Unkonferenz
In drei unterschiedlichen Know-
löst bekannte Konferenzstruktu-
ledge-Cafés wurde im Rahmen
ren auf, in dem die Teilnehmer
der Konferenz unter gleichbe-
das Programm selbst bestimmen.
rechtigter Teilhabe der Teil-
Die eigens für das Barcamp ein-
nehmer gearbeitet, Wissen zu-
gerichtete Online-Community
sammengetragen, diskutiert, am folgenden
medizincamp.de, spielt eine große Rolle beim
Tag vertieft und neu arrangiert wieder mitge-
Gelingen der Veranstaltung. Es gibt im eigentli-
nommen. Machen Sie sich selbst ein Bild auf
chen Sinne keinen Veranstalter, Gastgeber und
khochn.de, wo ein Online Forum die Kreativkon-
Zuhörer sind ebenso unüblich. Hier heißen sie
ferenz über die eigentliche Veranstaltung hin-
Mitwirkende.
aus verlängert.
JE MEHR DRIN IST, DESTO MEHR PASST REIN.
un-plaqued No 19 | 115
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
Die Vermarktung des Events gelingt über virale Marketingeffekte via Internet. Das Medicamp findet im Herbst 2012 statt und jeder, der Lust hat, darf sich jetzt schon beteiligen. Jeder ist eingeladen. Auf Facebook findet man die entsprechende Fanpage zum Medicamp 2012. So unterschiedlich die Branche, so unterschiedlich sind die Menschen, die die Themen eines Barcamps gestalten. Der Fokus der diesjährigen Veranstaltung dreht sich um die wirtschaftlichen Entwicklungen im Gesundheitsmarkt und um
facebook.com/ medizincamp
die allgemeinen Herausforderungen im Gesundheitswesen. Rezepte erwartet niemand. Nur Wissen, das sich ohne Bedingung teilen darf, um in jedem einzelnen Teilnehmer zu überleben und zu wachsen. Die Zeit scheint reif. In einer Branche, in der sich, wie in keinem anderen Wirtschaftszweig, ein asymmetrisches Wissensverhältnis manifestiert, benötigen wir neue Wahrheiten. Das erzeugt Kreativität, um die Rahmenbedingungen für Gesundheit im Sinne der Menschen zu verbessern. //
praxis2null.de
DIE MACHT WIRD SICH ZU DENEN VERSCHIEBEN, DIE EINE ÖFFENTLICHKEIT HERSTELLEN 116 | un-plaqued No 19
KEIN MAINSTREAM. NUR STREAM. www.radio-vru.de un-plaqued No 19 | 117
PER ASPERA AD ASTRA TEXT Ingmar Dobberstein
Fachkongresse, Messen und Fortbildungen für ZahnärzteInnen sind mittlerweile an jedem Wochenende im Jahr verfügbar. Üblicherweise werden diese durch eine mehr oder minder große Dentalausstellung begleitet, die über die neuesten Produkte auf dem Dentalmarkt informiert. Der implantologische Sektor ist dabei einer der am häufigsten vertretene Schwerpunkt der Zahnmedizin, nicht zuletzt weil die Fortschritte der letzten Jahrzehnte einem Quantensprung gleichkommen, der sonst gerade mal durch die CAD/CAM-Technik erreicht wird.
D
och was kann und soll man erwarten, wenn eine
toph Hämmerle, Lyndon Cooper so-
einzige Firma zu ihrem internationalen Weltkon-
wie Clark Stanford. Sehr schnell
gress einlädt? Kann man auf ein umfangreiches
wurde klar, was den roten Faden der
und vielseitiges Programm hoffen oder wird man mit mo-
Veranstaltung bestimmen sollte: Für
notoner Eigenwerbung konfrontiert? un-plaqued folgte
eine langfristige und erfolgsverspre-
der Einladung von Astra Tech ins schwedische Göteborg,
chende Implantation sollte der Pla-
um auf dem ATWC (Astra Tech World Congress) im Mai
nungsphase mindestens die gleiche
2012 heraus zu finden, wie eine der führenden Firmen in
Aufmerksamkeit geschenkt werden
der Implantologie ihr wissenschaftliches und technisches
wie dem eigentlich chirurgischen
Gesamtkonzept vor mehr als 3.000 internationalen Teil-
Handwerk. So war es kaum verwun-
nehmern präsentiert.
derlich, dass ein besonderer Fokus auf Planungssoftware wie Facilita-
Nach New York 2006 und Washington 2008 versprach der
te™ oder auf die patientenindivi-
nunmehr dritte Weltkongress von Astra Tech im Geburts-
duellen und Implantatsystem unab-
land der Osseointegration auch vor dem Hintergrund des
hängigen CAD/CAM-Abutments von
Zusammenschlusses des Unternehmens mit DENTSPLY Fri-
Atlantis™ gelegt wurde, die eine
adent, ein besonderes Ereignis zu werden. Mehr als 150 in-
Versorgung mit den technisch aus-
ternationale Referenten gestalteten das viertägige Pro-
gereiften Astra Tech Implantaten
gramm, darunter so renommierte Wissenschaftler wie
prä- und postimplantologisch ver-
die Professoren Tomas Albrektsson, Jan Lindhe, Chris-
vollständigen.
118 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
Der Pre-Congress
gende Lebensqualität der Menschen.
Dass neben technischen und prozessorientierten Neu-
In diesem Zusammenhang wurde die
erungen ein kritischer Erfahrungsabgleich der behan-
ORIS Studie und deren Ergebnisse
delnden Implantologen im Fokus stand, machte bereits
vorgestellt, bei der Patienten mit im-
der Pre-Congress am Mittwoch deutlich. Hier wurde den
plantatgetragener partieller Prothe-
einzelnen Regionen und Ländern die Möglichkeit zum
se denen mit Totalprothese gegen-
moderierten Erfahrungsaustausch geboten. Dieser dien-
übergestellt wurden. Während die
te zum einen dazu, den unterschiedlichen Vorlieben in
Studie zwar leichte Unterschiede in
der Implantatversorgung, die trotz internationaler Stu-
der Akzeptanz des neuen Zahnersat-
dien und einer gewissen Einheitlichkeit der Wissenschaft
zes beider Gruppen feststellte, und
existieren, Rechnung zu tragen. Hier wären zum Beispiel
die subjektiven Zufriedenheitswerte
die Zementierung oder Verschraubung des definitiven
in der Gruppe mit Implantat getra-
Zahnersatzes, die Verwendung von Kurzimplantaten, der
gener Prothese etwas höher waren,
Zeitpunkt der Belastbarkeit als auch die generelle Art
stellte die Studie keine nennenswer-
der prothetischen Versorgung zu nennen. Zum anderen
ten Unterschiede in Bezug auf die ei-
führten die Country Sessions dazu, dass sich die interna-
gentliche Lebensqualität der Patien-
tionalen Teilnehmer einer Region spezifisch miteinander
ten bei beiden Versorgungsformen
vernetzen konnten, um den Erfahrungsaustausch im eige-
fest. Auch wenn die subjektiv emp-
nen Land fortsetzen zu können. Mein Interesse erweckte
fundene Mundgesundheit bei Im-
die Nordic Session, die vom Gastgeberland Schweden so-
plantatpatienten höher war als bei
wie den anderen skandinavischen Ländern durchgeführt
denen mit Totalprothese, wurde
wurde. Neben einer Live-OP mit anschließender Diskus-
man in der Diskussion darüber einig,
sion, konzentrierte sich diese Veranstaltung vor allem auf
dass Lebensqualität (Qualitiy of Life,
die mit Gesundheit und Mundgesundheit zusammenhän-
QOL) eine überdimensional komplexe
un-plaqued No 19 | 119
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
Empfindung der menschlichen Psyche ist, die kaum ausschließlich mit der Versorgung mit oder ohne Implantaten in Zusammenhang gebracht werden kann. Weit deutlicher waren die Steigerungsraten der Lebensqualität bei Tumorpatienten, die nach Sektion und Bestrahlung mit implantatgetragenem Zahnersatz versorgt wurden. Hier wurde neben grundsätzlichen ethischen Fragen der chirurgischen
going back to the roots‹ den Veränderungen in der im-
Maximalversorgung vs. eines men-
plantologischen Versorgung. So sei es auffällig, dass zwar
schenwürdigen Lebensabends vor
immer weniger komplett zahnlose Patienten existierten,
allem diskutiert, welche unterschied-
diese allerdings meist wesentlich schwierigere Ausgangs-
liche Bedeutung Lebensqualität je
situationen aufwiesen. Auch sei der Anspruch an die Im-
nach Schwierigkeit des Krankheits-
plantologie aufgrund immer jünger werdender Patienten
bildes haben kann. Einigkeit bestand
deutlich gestiegen – an die Haltbarkeit und Lebensdau-
bei allen Diskussionen darüber, dass
er von Implantaten aber auch ihre Ästhetik. Erschwerend
Tumorpatienten von Anfang an inter-
komme hinzu, dass aufgrund der besseren medizinischen
disziplinär und damit auch zahnme-
Versorgung, heutzutage andere Co-Faktoren wie neue
dizinisch kontrolliert versorgt wer-
Medikamente und komplexere Vorerkrankungen zu be-
den müssen. Wenn ein Patient die
rücksichtigen seien, so Lyndon Cooper bei seinem Eröff-
Tumordiagnose erhält, hat er zumeist
nungsvortrag. Zudem würdigte er die Fortschritte, die in
andere Sorgen als die Zähne, die al-
der Technik und vor allem in Hinblick auf die ästhetischen
lerdings während der Tumortherapie
Bedürfnisse der Patienten gemacht werden können.
sehr stark und vorhersehbar in Mitleidenschaft gezogen werden. Leider
Dass der ATWC 2012 mehr als nur ein üblicher großer Kon-
ist hier laut Aussage der skandinavi-
gress war, wurde besonders durch die Interaktion mit dem
schen Vertreter auch in Ländern wie
Publikum während der Main Sessions deutlich. So wurde
Schweden und Dänemark, ebenso
zum Beispiel ein komplexer Behandlungsfall grundsätz-
wie in Deutschland noch viel Arbeit
lich unter der Voraussetzung dargestellt, dass mehre-
in der Kommunikation und dem Aus-
re Ärzte verschiedene Behandlungsstrategien verfolgen
bau der Zusammenarbeit zwischen
können, ohne dass diese sich gegenseitig ausschließen.
entsprechenden Tumorzentren und
Nach der Vorstellung des Behandlungsfalls durch einen
zahnmedizinischen Versorgungszen-
Referenten sowie der drei ausgewählten Therapieansätze,
tren zu leisten.
konnte das Publikum mittels ausgeteiltem Abstimmgerät seinen bevorzugten Weg in einer ›Live-Evaluation‹ wäh-
Die Main-Sessions
len, welcher sofort in Geschlecht, Behandlungserfahrung
Die Main-Sessions, die jeden Kon-
und Spezialisierung aufgeschlüsselt an die Wand proji-
gresstag für alle Teilnehmer im
ziert wurde. Im Anschluss fanden ausführliche Statements
Hauptsaal eröffneten und beende-
durch Kliniker für die jeweiligen Behandlungsstrategien
ten, widmeten sich unter dem Kon-
statt, die wiederum durch ein fünfköpfiges Expertenteam
gressthema ›Creating the future by
ausführlich diskutiert wurden.
120 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
Eine weitere ›Live-Evaluation‹ zum
schäftigen sollten, wie sich eine Milliarde Menschen die-
Ende der Veranstaltung zeigte, in-
ser westlichen Kultur (Europa, USA) in Zukunft im Umfeld
wieweit das Publikum nach der Dis-
von fünf Milliarden Asiaten und zwei Milliarden Afrika-
kussion der Vor- und Nachteile eine
nern integrieren werden. Denn es sei unaufhaltbar, dass
andere Therapiestrategie wählen
alle Länder auf das Niveau der USA und Europas aufho-
würde. Ergänzt wurde diese für mich
len würden, besonders wenn man die wirtschaftlichen
sehr neue und beispielhafte Integra-
Wachstumszahlen vergleicht (Europa 0,3 % vs. Afrika 5
tion eines Publikums von knapp 3.000
%). Allein die Globalisierung bewirke, dass sich heutzu-
Kollegen, durch die Möglichkeit, via
tage kein einzelnes Land mehr vom Feld aller Länder ab-
einer Smartphone-App auch Fragen
setzen könne. Ob ein Zusammenwachsen der Welt seitens
an die Referenten zu stellen, die die-
der westlichen Kultur überhaupt gewünscht sei, war da-
se dann nach eigenen Ermessen in ih-
bei eine der Kernfragen seines Vortrages. Denn aus der
ren Vortrag einbauten.
Statistik sei die Beobachtung ableitbar, dass die westliche Welt nicht in der Lage sei, wirklich abzugeben.
Gapminder.org
Stattdessen sei die technologische Abstufung das Mit-
Dass die Schweden nicht nur in der
tel der westlichen Welt, einen einheitlichen Wohlstand
Implantologie einen grundsätz-
möglichst lange hinaus zu zögern. Das könne man am Bei-
lich ganzheitlichen Ansatz verfol-
spiel von Autokonzernen, die in den einzelnen Weltregi-
gen, wurde auch in der Inspiratio-
onen unterschiedliche Automarken einsetzen, beobach-
nal Speech von Prof. Hans Rosling
ten. Ein weiterer Beweis dafür sei seiner Meinung nach
vom Karolinska Institut in Stockholm
das Zerklüften der westlichen Kultur selbst, in deren Län-
deutlich. Als einer der Entwickler
dern trotz übermäßigen Wohlstands eine weiteres Ausei-
der Weltstatistik auf gapminder.org
nanderdriften in arme und reiche Gesellschaftsschichten
referierte er über die Entwicklung
zu beobachten sei, obwohl es dafür keinerlei Notwendig-
der Bevölkerungsstruktur der Län-
keiten gäbe. In diesem Zusammenhang stellte er die im-
der dieser Erde seit 1800 bis in die
mer noch stattfindende Entwicklungshilfe seitens westli-
nahe Zukunft. Mithilfe der dynami-
cher Länder für China genauso in Frage wie den Nutzen
schen Statistik der offenen Plattform
der Ländergrenzen in einer globalisierten Welt. Gapmin-
gapminder.org wird deutlich, wie
der.org beweist laut Rosling, dass sich zuerst immer die
schnell die Welt zusammenwächst
Human Ressources entwickeln, aus denen im Anschluss
und die Unterschiede zwischen west-
ein Wirtschafts- und Technologiewachstum hervorgehe.
licher Kultur und den Entwicklungsländern aller Kontinente immer kleiner werden. Dabei werde allerdings auch deutlich, dass die Unterschiede heutzutage kaum noch in Lebenserwartung und Kinderzahl zu finden seien, als vielmehr im Einkommen der Menschen. Rosling schloss dabei nicht aus, dass diese Unterschiede vor allem durch die Steuerung der globalen Entwicklung durch die westlichen Länder der nördlichen Hemisphäre aufrecht erhalten würden, die sich schon heute mit der Frage beun-plaqued No 19 | 121
Die beste Erfindung sei seiner Meinung nach diejenige, die
lich. Auf dem Kongress wurden fast
so günstig ist, dass alle Menschen sie sich leisten könnten,
eine halbe Million Schwedische Kro-
was aber wenig im Interesse marktwirtschaftlich ausge-
nen durch die Teilnehmer gespendet.
richteter Firmen sein dürfte. Dass diese Denkweise wei-
Die gleiche Menge Geld wird zusätz-
terhin verbreitet in der westlichen Kultur sei, führt Ros-
lich von Astra Tech gestiftet, womit
ling dabei auf die Dominanz der Babyboomer-Generation
auch hier auf eines der dringlichsten
der 50er und 60er Jahre zurück, die - heute fest im Sattel
Probleme der Zukunft aufmerksam
sitzend - offenbar so stark in ihrem Systemdenken kon-
gemacht wurde.
kurrierender Länder und politischer Systeme verankert
Ohne Übertreibung kann ich sagen,
seien, dass ein echtes Zusammenwachsen der Menschen
dass dieser Astra Tech World Con-
erst durch nachfolgende Generationen verwirklicht wer-
gress zu den beeindruckendsten
den könne.
Großveranstaltungen in den letzten 15 Jahren Zahnmedizin meines Le-
›Water for Life‹
bens gehörte. Ich danke den Mühen
Das Zusammenwachsen der internationalen Teilnehmer
der Menschen, die diesen Weg zu
des ATWC wurde in Göteborg auch durch die zwei wun-
Astra (Tech) möglich gemacht haben.
derbaren Abendveranstaltungen realisiert. Während alle
//
Teilnehmer am Donnerstag in die Göteborger Oper zu einem ›Abend der offenen Tür‹ eingeladen wurden und dabei hinter alle Kulissen schauen konnten, fand am Frei-
Mehr Info´s zum ATWC 2012, Videos und
tagabend die Abschlussgala statt, die alles bisher Gesehe-
Abstracts findet Ihr unter:
ne verblassen ließ. Im Scandinavium Stadion wurden die über 2.500 Gäste mit einem tollen Vier-Gänge-Menü verköstigt und dabei durch eine Show unterhalten, die auf
gapminder.org
vier Bühnen mit Sängern, Akrobaten, einem Kinderchor und den schönsten skandinavischen Klängen, dem Rhythmus der Jahreszeiten und des Lebens huldigte. Beeindruckend wäre zu wenig gesagt, denn vielmehr ist
wateraid.org
es den schwedischen Organisatoren von Astra Tech gelungen, Begeisterung für die Implantologie, ihr Land, als auch für eine menschlich gerechte Welt zu verbreiten. Letzteres wurde nicht zuletzt durch die Spendenaktion ›Water for Life‹ an die WaterAid Stiftung, die Trinkwasserprojekte in den ärmsten Ländern dieser Welt unterstützt, deut122 | un-plaqued No 19
astratechworld congress.com
whdentalcampus.com The platform for students
lte Dentaund -gerä ente m m u r t ins n zu
e tarif! f u a k nten e l, Stud infach, schznieerlt. i E
mpl o k n u
Information – Community – Fun Do you want to network and share experiences with dental students all over the world? Register today at whdentalcampus.com
Die W&H News App – kostenlos auf Dein iPhone, iPad, Android, iPod Touch.
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
THE BIGGER THE BETTER?! TEXT Dr. Hans Christian Lux ‧ FOTO AMFORT/Christian Lendl
E
uroperio 7 – die Tagung der European
rückläufige Teilnehmerzahlen aufweisen. Die
Federation of Periodontology (EFP) fand
DGP zog für 2012 die richtige Konsequenz und
vom 6. bis 9. Juni 2012 in Wien statt. Eine
hält keine Jahrestagung ab.
Mammutveranstaltung, 125 Sessions mit unzähligen Referenten und noch mehr wissen-
Wie war es in Wien? Dem Ziel, alle wichtigen As-
schaftlichen Postern. Zusätzlich konnten sich
pekte der aktuellen parodontalen und implan-
die über 7.900 Teilnehmer bei 113 Industrieaus-
tologischen Therapie im wissenschaftlichen
stellern über neueste Produkte informieren.
Programm abzubilden, wurde man gerecht.
Drei Jahre nach der letzten Europerio 6 in Stock-
Zudem gab es unter den Vorträgen erstaunlich
holm war es Zeit für die turnusmäßige Zusam-
wenige Überschneidungen und die Referenten
menkunft aller europäischen Fachgesellschaf-
waren weitestgehend erstklassig, fachlich auf
ten für Parodontologie. Allein die Seltenheit
den Punkt und immer im Zeitrahmen. Die The-
der Tagung und der Anspruch, die Parodonto-
mengebiete waren vielseitig und eine gute Mi-
logie Europas zu repräsentieren, versprachen
schung aus Wissenschaft und Praxis; die At-
eine gewisse Exklusivität. Doch bürgt eine der-
mosphäre war mit Kollegen aus dem Mittleren
artige Großveranstaltung gleichzeitig auch für
Osten, den USA, Südamerika und Asien erfreu-
Qualität?
lich international. Auch die Referenten erfüll-
Schon oft haben insbesondere die Großver-
ten hohe Standards. Zum Beispiel wurden in
anstaltungen enttäuscht. Der Zahnärztetag in
fast allen Vorträgen ggf. beteiligte Sponsoren
Frankfurt 2011 zeigte zum Beispiel eine Hoch-
einer Forschungsarbeit oder Studie zu Anfang
glanz-Industrieshow, aber ein nur durch-
der Präsentation aufgeführt und somit eine
schnittliches wissenschaftliches Programm.
große Transparenz geschaffen.
Auch auf anderen Jahrestagungen in Deutsch-
Sei es aufgrund der vielseitigen Einflüsse und
land klopft sich die Familie der Altvorderen
Diversität der Referenten, oder weil in den drei
gerne selbst auf die Schultern ohne wirkliche
Jahren zwischen den Tagungen viel Neues pas-
Innovationen zu präsentieren. Masse statt Qua-
siert ist: Im Gegensatz zu den letzten Großkon-
lität. Dies mag unter anderem ein Grund da-
gressen der deutschen Dachgesellschaften,
für sein, dass die Jahrestagungen der verschie-
präsentierte sich die Europerio 7 trotz ihrer
denen Fachgesellschaften stagnierende oder
Größe als Tagung mit erstklassiger Qualität. //
124 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
Einen großen Fokus im Rahmen der Europerio 7 nahm die intensive Diskussion um Entzündungen an dentalen Implantaten ein. Neben neuen Konsenszahlen zur Häufigkeit der Periimplantitis, wurde vor allem resümiert, dass der präventiven Pflege von Zahnimplantaten eine hohe Bedeutung zukommen muss. Das Aktionsbündnis gegen Periimplantitis (gegen-periimplantitis. de) stellte in Wien unter dem Titel ›Implantate brauchen Pflege‹ die erste spezielle Infobroschüre für Patienten vor, die zur häuslichen, täglichen Mund- und Implantatpflege motivieren soll. Im Bereich der professionellen Reinigung von Implantatoberflächen, zeigte insbesondere die Vorstellung einer randomisierten und kontrollierten Fallstudie von Prof. Dr. Thomas Flemmig (Seattle), dass durch den Einsatz von Glycin-Pulver und der speziellen AIRFLOW PERIO Technologie (EMS) auch Implantate regelmäßig, effizient und ohne Veränderungen der Titanoberflächen vom Biofilm befreit werden können.
un-plaqued No 19 | 125
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
IMPLANTATE BRAUCHEN PFLEGE
on
off
TEXT Kristin Jahn
Nahezu jede implantologische Fachgesellschaft, Fortbildung oder Fachzeitschrift thema tisiert Periimplantitis als eine Begleiterscheinung der Implantologie. Auch auf der Europerio 7, der weltgrößten parodontologischen Konferenz in Wien, widmeten sich vom 6. - 9. Juni 2012 viele wissenschaftliche Vorträge diesem Thema. Die Prävention der Periimplantitis entwickelt sich zu einer der größten Herausforderungen der Implantologie.
D
ie Verbreitung der periimplantären Mu-
ge Prophylaxe scheint bislang die beste Prä-
kositis ist mit über 50 Prozent, die der
vention für beide Erkrankungen zu sein.
Periimplantitis mit zwölf bis 40 Prozent
angegeben1. Periimplantitis ist eine irreversib-
Aktionsbündnis thematisiert Entzündun-
le Entzündung im Gewebeumfeld eines in Funk-
gen an Implantaten
tion befindlichen osseointegrierten Implanta-
Mit der Gründung des Aktionsbündnisses gegen
tes, die zur Rückbildung des Kieferknochens
Periimplantitis im Herbst 2011 ist die erste inter-
führt. Als Folge liegt das Implantat frei und
disziplinäre Initiative entstanden, die sich aus-
muss mittelfristig zumeist entfernt werden.
drücklich der Information und Aufklärung über
Für die Prävention und Therapie der periim-
die Gesunderhaltung von Implantaten wid-
plantären Mukositits, der reversiblen Vorstufe
met. In diesem Bündnis setzen sich Unterneh-
der Periimplantitis, stehen mittlerweile ver-
men aus den Bereichen der Implantologie und
schiedene gut funktionierende Behandlungs-
Dentalprophylaxe, führende Fachverlage und
ansätze zur Verfügung. Ein wissenschaftlicher
Wissenschaftler für die Prävention der Periim-
Konsens über die Prävention und Therapie der
plantitis ein. Das Bündnis macht durch eine ge-
Periimplantitis steht noch aus. Eine engmaschi-
zielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und den
126 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
Aufbau langfristiger Kooperationen auf die Präventi-
1
on und Verbreitung periimplantärer Entzündungen auf-
Consensus report of the Sixth European
merksam. Die Arbeitsgruppe gesundes Implantat, der Pa-
Workshop on Periodontology, Group D. J
tientenkanal des Aktionsbündnisses, informiert über die
Clin Periodontol 2008; 35 (8 Suppl): 282-285
Lindhe J, Meyle J: Peri-implant diseases:
Notwendigkeit der richtigen Pflege von Implantaten. Das Ziel dieser Arbeit sind gesunde Implantate, die ästhetisch und funktionell allen Anforderungen gerecht werden. Neue Patienteninformation – Implantate brauchen Pflege Mit der Broschüre Implantate brauchen Pflege der Arbeitsgruppe gesundes Implantat erhalten Patienten neutrale Informationen über die Notwendigkeit der Pflege von Implantaten. Das Heft erklärt auf acht leicht verständlichen Seiten im DIN-A5 Format die Bedeutung einer optimalen Mundhygiene für die Langlebigkeit von Implantaten. Die Arbeitsgruppe gesundes Implantat präsentierte die Bro-
KONTAKT
schüre Implantate brauchen Pflege erstmals während der
Aktionsbündnis gegen Periimplantitis
Europerio 7 in Wien in Deutsch und Englisch, wo sie an den
c/o DentaMedica GmbH
Messeständen von EMS Electro Medical Systems und Gla-
Harkortstr. 7
xoSmithKline zur Mitnahme auslag und hohen Zuspruch
04107 Leipzig
bei den Messebesuchern fand. Interessierte Zahnmedizi-
Fon: +49 (0) 341 – 99 99 76 -43
ner können die Broschüre unter gegen-periimplantitis.de
info@gegen-periimplantitis.de
für ihre Praxis bestellen. Neue Studie zur Prävention der Periimplantitis Die Arbeitsgruppe gesundes Implantat unterstützt eine neue wegweisende Mulitzenterstudie zur Prophylaxe periimplantärer Erkrankungen, die PD Dr. Dirk Ziebolz (Universitätszahnmedizin Göttingen), Sylvia Fresmann
gegen-periimplantitis.de
(1. Vorsitzende der DGDH) und Prof. Dr. Johannes Einwag (Direktor des ZFZ Stuttgart) gemeinsam konzipiert haben. Etwa 200 Probanden werden in vier Gruppen mit verschiedenen Prophylaxemaßnahmen eingeteilt, um herauszufinden, ob ein Präventionsansatz dem anderen überlegen ist. Die Betreuung der Probanden und die Datenerhebung gewährleisten in erster Linie Dentalhygienikerinnen. Die Studie ist auf drei Jahre angelegt. Mehr Informationen zu den aktuellen Projekten des Aktionsbündnisses und der Arbeitsgruppe gibt es im Internet unter gegen-periimplantitis.de.
un-plaqued No 19 | 127
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
I
I
I I
/
/
I I
()
SIEBEN WAHRHEITEN ÜBER QUALITÄTSMANAGEMENT TEXT Sascha Kötter
Die Befürworter des Qualitätsmanagements (QM) sind zahlreich. Die Gegner ebenso. Neben der gesetzlichen Verpflichtung durch den Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wird häufig über Sinn und Unsinn eines QM im ambulanten Praxiswesen diskutiert. Hier zur Abwechslung ein paar Wahrheiten zum QM in der Zahnarztpraxis. 128 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
Die Ausgangssituation Mediziner und Zahnärzte sind mal wieder gezwungen etwas umzusetzen, das einen abstrakten Namen trägt: Qualität managen? Als Krönung werden in naher Zukunft Prüfer bei Ihnen erscheinen, die genau kontrollieren, ob Sie das auch können, Qualität managen. Befürchtungen drängen sich auf, es könnte jemand kommen, der die Qualität Ihrer zahnärztlichen Arbeit überprüft.
1. Es ist nicht Aufgabe des QM, Ihre Behandler-Qualitäten zu bewerten. Vielmehr sollte QM in erster Linie als Rahmenwerk für eine gesamtheitliche Praxisausrichtung verstanden werden. Diese Ausrichtung hat letztendlich immer ein Ziel: die Verbesserung. Aber kann QM in Wahrheit zu Verbesserungen in der zahnmedizinischen Praxis führen und wenn ja, für wen? Um dies zu beantworten, müssen zwei häufig vermischte Begriffe näher betrachtet werden: Effektivität und Effizienz. Stellen wir einige Aussagen der QM-Befürworter auf die Probe: ›QM setzt Potentiale in punkto Effektivität und Effizienz frei.‹ Dabei bedeutet Effektivität ›das Richtige zu tun‹ (Ziele festlegen und diese erreichen) und Effizienz ›etwas richtig zu tun‹ (Aufwand-Nutzen Relation). Anders formuliert: Effektives Handeln beschreibt ›was‹ getan wird, effizientes Handeln beschreibt ›wie‹ etwas getan wird. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden diese Begriffe fälschlicherweise häufig als Synonyme verwendet. Es ist beispielsweise effektiv, eine brennende Kerze mit einer Magnumflasche Moët & Chandon zu löschen. In aller Regel ist die Kerze danach aus, das Ziel wurde erreicht. Effizientes Handeln sieht allerdings anders aus. Nehmen wir als Ausgangspunkt der Unterscheidung von ›Effektivität‹ und ›Effizienz‹ ein sehr verbreitetes QMNormwerk, die ISO 9001. Bei genauer Betrachtung wird man in der ISO-Norm viele Inhalte zu dem Thema finden, ›Was‹ (Effektivität) getan werden soll. Allen QM-Methoden ist dabei ein patientenfokussiertes Handeln gemein, was gleichzeitig die Frage nach dem größten Nutznießer der QM initiierten Verbesserungen beantwortet: Es geht um die Patientensicherheit. un-plaqued No 19 | 129
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
2. Die Ebene der Effektivität wird vom QM ausführlich bedient. Inhalte zur Effizienz, also ›Wie‹ etwas getan werden sollte, sind in dem QM Normwerk allerdings kaum zu finden. Zwar wird ein prozessorientierter Ansatz gefordert, der jedoch im ersten Schritt lediglich festlegt, ›wie‹ der Dokumentationsstandard auszusehen hat. Auch fordern die meisten QM-Ansätze eine Prozessverbesserung bzw. Methoden, die diese anschieben. Wie konkret man allerdings ›besser‹ wird, bzw. was ›besser‹ überhaupt bedeutet, lässt das Qualitätsmanagement offen.
3. Die Ebene der Effizienz wird vom QM nur oberflächlich bedient. Die Wirklichkeit in der Praxis zeigt generell zwei verschiedene Herangehensweisen an das QM. Die Einen begnügen sich damit, die Mindestanforderungen zu erfüllen, teilweise sogar weniger. Damit bedient man vor allem die eingangs beschriebene Idee eines regulatorischen Kontrollinstruments. Verständlicherweise ist bei dieser Einstellung niemand bereit, viel Geld oder Zeit in das Projekt Qualitätsmanagement zu investieren. Dementsprechend befüllen diese Behandler lediglich die Freitextfelder eines beliebiges QM-Handbuchs. Jedem dürfte klar sein, das dieser Weg zwar kostengünstig ist, aber natürlich nur minimale Potentiale freisetzt. Sofern sie vor dem Erwerb des Handbuchs ineffiziente Prozesse hatten, haben Sie diese auch danach. Dem QM ist das weitestgehend egal. Das zweite Lager bilden diejenigen Behandler, die sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Sie sehen Potentiale in der Installation eines QM in Ihrer Praxis, haben Seminare mit blumigen Namen wie ›Gelebtes QM‹ oder ähnliches besucht und obige Aussage ›QM setzt Potentiale in punkto Effektivität und Effizienz frei‹ geglaubt. Voller Tatendrang haben sie über Wochen und Monate die praxisinternen Prozesse bis ins kleinste Detail erfasst und ihr individuelles QM aufgesetzt, eventuell sogar zertifizieren lassen. Nicht selten sind diese Behandler nach einer Weile frustriert, weil der anfangs versprochene Erfolg trotz 130 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
massiven Aufwands ausbleibt. Was
man allerdings erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, eine
ist hier falsch gelaufen?
unternehmensweite Qualitätsausrichtung sogar erst um
Die Handlungsebene der Effektivität
1965. Für die Entscheidung ›Wie etwas getan wird‹ wur-
›Was getan wird‹ wurde nahezu voll-
den Milliarden in Produktionsverfahren investiert, ›Was‹
ständig erschöpft, aber die Effizienz
getan wird entschied in der Regel alleine das Top-Ma-
›Wie es getan wird‹ blieb meistens
nagement. Daher schlummern in der klassischen Indust-
außen vor.
rie die größeren Potentiale auf der Handlungsebene der Effektivität, denn das Top-Management hat in der Regel
Um hier einen Erklärungsansatz zu
wenig Bezug zur Basis — dem Kunden. Hier liegt der größ-
finden, muss man sich bewusst ma-
te Unterschied. Das Management in der Praxis, also der
chen, woher die QM-Rahmenwerke
Behandler, steht dagegen täglich im Kontakt zur Basis.
ursprünglich stammen. In der klas-
Ungeachtet dieser Situation ist Effektivität auch in der
sischen Industrie bestand lange Zeit
zahnärztlichen Praxis ein Thema. Beispielsweise bilden
ein Ungleichgewicht zwischen Effek-
Patientenbefragungen in den meisten Praxen immer
tivität und Effizienz. Die Entwicklung
noch die Ausnahme, obgleich sie ein hervorragendes
von Effizienzmaßnahmen ist wesent-
Werkzeug sind, Probleme frühzeitig zu identifizieren und
lich älter. Fließbandfertigung wur-
darüber hinaus die Patientenbindung zu festigen. Den-
de beispielsweise schon im 15. Jahr-
noch arbeitet grundsätzlich keine Praxis am generellen
hundert im Schiffsbau praktiziert,
Bedarf des Patienten vorbei. Das liegt in der Natur der
die ersten Qualitätskontrollen findet
Sache begründet.
4. In der zahnärztlichen Praxis liegen die größeren Potentiale zumeist in der Effizienz. Stellt diese Aussage die Daseinsberechtigung des QM in der zahnmedizinischen Praxis in Frage? Nein, Sie müssen noch ein paar Schritte weiter gehen, um alle Potentiale nutzen zu können. Wie lässt sich die Effizienz steigern? Eine frohe Botschaft vorweg: Falls Sie sich die Mühe gemacht haben, Ihre Prozesse mit Hilfe eines Qualitätsmanagements detailliert abzubilden, haben Sie den größten Aufwand bereits hinter sich. Zur Steigerung der Effizienz halten die gängigen QM-Methoden keine weiteren Werkzeuge bereit. Ab diesem Punkt kommen die Methoden des (Geschäfts-) Prozessmanagement (engl. Business Process Management, BPM) zum Einsatz. Sie geben Auskunft über die Leistungsfähigkeit von Prozessen, bieten Werkzeuge zur Optimierung sowie zur nachhaltigen Kontrolle. Falls Sie sich mit diesen Methoden eigenständig auseinandersetzen möchten, hier eine Auswahl der geläufigen Ansätze: KAIZEN (Wandel zum Besseren), Total Cycle Time (TCT), Business Process Reengineering (BPR, radikaler Ansatz), Kontinuierlicher Verbesserungs-Prozess (KVP), Lean (Nicht wertschöpfende Tätigkeiten eliminieren), SixSigma (statisun-plaqued No 19 | 131
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
tische QM-Methode), Prozesssimulation und vieles mehr. Eine Einschränkung gilt für jede medizinische Praxis: Die Effizienz der eigentlichen Behandlung lässt sich unter medizinischen Qualitätsprämissen meist nicht steigern. Reden wir über Effizienzsteigerung sind hauptsächlich solche Prozesse gemeint, die administrative Aufgaben oder Faktoren betreffen, wie z.B. die Behandlungsvorbereitung, Kapazitätsauslastung und Abrechnung.
5. QM alleine reicht als Methode zur Effizienzsteigerung nicht. Es bietet jedoch durch den Prozessansatz eine sinnvolle Ausgangsbasis, mittels Methoden des Geschäftsprozessmanagements die Effizienz zu verbessern. Einen Sonderstatus nimmt der oben genannte ›kontinuierliche Verbesserungsprozess‹ ein. Dieser wird daher von vielen QM-Methoden gefordert. Doch wie sympathisch finden Sie eine Aufgabe, die NIE endet? Ihren Mitarbeitern wird das nicht anders gehen, womit wir einen weiteren Grund hätten, warum viele mit QM nicht glücklich werden. Der Faktor Mensch Nehmen wir an, Sie haben es geschafft, Ihre Prozesse zu identifizieren, die Leistungsfähigkeit relevanter Prozesse zu messen (IST-Zustand), daraus abgeleitete Prozessziele zu formulieren (SOLL-Zustandsdefinition) und konkrete Maßnahmen für jene Zielerreichung auszuwählen. Jetzt müssen Sie ›nur noch‹ jeden in Ihrer Praxis davon überzeugen, dass im Extremfall plötzlich ›alles anders ist‹ und dadurch ›alles besser wird‹. Würden Sie so einer Aussage glauben? Grundsätzlich haben die meisten Menschen zunächst Angst vor Veränderung. Das ist etwas völlig Natürliches. Machen Sie jetzt nicht den Fehler, diese Widerstände nicht zu akzeptieren. Oft liegen die Ursachen hierfür wesent132 | un-plaqued No 19
Rübeling +Klar Dental Labor Berlin Zahntechnik am Puls der Zeit
Vortragsveranstaltung Humboldt Carré, Berlin
12. September 2012 Moderne Konzepte in der Implantologie Dr. med. dent. Peter Randelzhofer Können wir, was wir wollen oder wollen wir, was wir können? Schwerpunktthemen:
· Hart- und Weichgewebsmanagement bei Implantatlösungen mit hohem funktionellen und ästhetischen Anspruch
· Moderne prothetische Lösungen für einen maximalen Erfolg
Weitere Informationen und Anmeldung über: Rübeling + Klar Dental Labor GmbH www.ruebeling-klar.de www.ruebeling-klar.de
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
lich früher im Verlauf des Praxisgeschehens. Der Bereich Change Management betrachtet diese Problematik genauer. Eine leichte aber sehr populäre Lektüre ist zudem Das Pinguin Prinzip von J. Kotter und H. Rathgeber.
6. Der Erfolg einer Veränderung, auch bei einer QM-Installierung, hängt maßgeblich davon ab, wie Akzeptanz und Handlung aller Akteure nachhaltig verändert werden können. Kontinuität Alle bisherigen Bemühungen haben zum Ziel gehabt, ein Stück mehr Wahrheit über die eigene Praxis zu erfahren. Diese individuelle Wahrheit hat den Vorteil, die ›objektivste‹ Entscheidungsgrundlage zu sein. Auch eine verhältnismäßig kleine Organisation wie die zahnmedizinische Praxis ist kein statisches Konstrukt, sondern vielmehr ein organisches Gebilde und unterliegt so oder so einem stetigem Wandel. Mitarbeiter kommen und gehen, Patientenwünsche, staatliche Anforderungen und damit auch entsprechende regulatorische Maßnahmen ändern sich permanent. Es wäre daher fatal, sich auf der Momentaufnahme auszuruhen. Mit der QM-Evaluation sollten Sie Ziele formulieren, die es innerhalb eines gewissen Zeithorizonts zu erreichen gilt. Eine häufig zutreffende Aussage lautet: ›Was nicht gemessen wird, wird nicht getan.‹ Sowohl QM als auch Prozessmanagement bieten Inhalte dazu, was gemessen werden kann. Dennoch sollte die kontinuierliche praktische Erfassung im Idealfall keinen Zusatzaufwand bedeuten und daher weitestgehend durch eine starke IT-Implementierung in die täglichen Arbeitsprozesse integriert werden. Bestenfalls erhalten Sie auf diese Weise eine objektive Sofortabbildung der Realität Ihrer Praxis. Sie können Probleme früher identifizieren und werden schneller und zielgerichteter reagieren. Die Versuchung liegt nahe, nach der erfolgreichen Um-
T
setzung eines Qualitätsmanagements die Früchte der Arbeit zu bestaunen. Allerdings werden Sie schneller, als Ihnen lieb ist, feststellen, dass die freigesetzten Potentiale nach und nach im Alltagsrauschen untergehen. Neben der oben genannten Kontrolle auf Basis von Kennzahlen ist daher auch regelmäßiger Abgleich von Modell und Realität
134 | un-plaqued No 19
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
unabdingbar, damit das Modell eben nicht zu jenem statischen Konstrukt verkommt, dessen Mehrwert höchstens noch das Handbuch in Form eines Türstoppers ist. Das bedeutet unter anderem, das Checklisten und Arbeitsanweisungen regelmäßig aktualisiert und verbessert werden und dass ein QM angepasst wird, sobald Veränderungen im Bereich der Mitarbeiter auftreten. Viele scheuen den damit verbundenen Aufwand oder auch das Konfliktpotential im Team. Das ist verständlich und zugegeben, ein nicht immer leichtes Unterfangen. Daher kommt es vor allem auf die Praxisrelevanz der verwendeten Werkzeuge an. Wer möchte sich erst in einem 300 Seiten dicken Handbuch verirren, um die gesuchte Checkliste zu finden? Auch hier kann eine konsequente IT-Integration helfen, mehr Übersicht zu schaffen. Die letzte Maßnahme, um Stillstand vorzubeugen, sind Kommunikationskanäle für Verbesserungsvorschläge seitens der Mitarbeiter.
7. Der Nutzen eines QM versickert im Alltag, falls regelmäßige Zielkontrollen, Modellprüfung und kontinuierliche Verbesserungen nicht stattfinden. Achten Sie daher genau auf die Praxisrelevanz von Werkzeugen und Methoden. Fazit QM alleine ist kein Garant für eine erfolgreiche Praxis. Selbst eine Zertifizierung nach bspw. ISO 9001:2008 sagt erst einmal nichts über die Effizienz der praxisinternen Abläufe aus. Da im Zuge eines Qualitätsmanagements ohnehin die Notwendigkeit besteht, die eigenen Prozesse zu dokumentieren, ist es ratsam, diese mit Hilfe des Prozessmanagements zu optimieren. Durch diese Maßnahme kann neben der Effektivität auch die Effizienz verbessert werden. Nicht zuletzt sollte bedacht werden, wer künftig mit dieser Methodik in Kontakt kommt. Der Faktor Mensch sollte von Beginn an Teil der Überlegungen und der Umsetzung sein. Werden diese kritischen Faktoren berücksichtigt und praxisnahe Werkzeuge eingesetzt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass QM einen echten Mehrwert bringt, der sich nicht zuletzt auch in einem positivem Return of Investment niederschlägt. Kritisch zu bewerten sind Vorlagen wie QM-Handbücher und IT-Lösungen mit vordefinierten Prozessen. Sie mögen zwar einer etwaigen Prüfung standhalten, bieten Ihnen in der Regel aber keine bedarfsgerechte Abbildung Ihrer individuellen Notwendigkeiten. Behalten Sie den Mut, Ihr eigenes Praxiskonzept zu entwickeln. Zeigen Sie dabei im eigenen Interesse die Offenheit, dieses durch Methoden wie QM auf seine Umsetzbarkeit regelmäßig zu überprüfen. // Kontakt zum Autor unter: s.koetter@beocondis.de
un-plaqued No 19 | 135
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
AND THE WINNER IS … ! Eine Geschichte mit Blick auf das Gesundheitssystem in Deutschland
TEXT Dr. Gerhard Brodmann ‧ ILLUSTRATION Britta Zwarg
Zwei konkurrierende Unternehmen A und B vereinbaren ein WettkampfRudern im Männer-achter. Die Mannschaften beider Unternehmen trainierten intensiv und als der große Tag kam, waren beide ›fit for fight‹. Wettbewerber A gewann mit einem Kilometer Vorsprung.
W
ettbewerber B war am Boden zerstört. Die Unternehmensführung beschloss einstimmig, dass der Wettkampf im nächsten Jahr unbedingt gewonnen werden muss. Eine Projektgruppe wurde beauf-
tragt, die Ursachen der Niederlage zu finden. Nach aufwändiger Recherche fand diese schließlich heraus, dass bei Wettbewerber A – vollkommen unverständlich – sieben Ruderer und ein Steuermann im Boot saßen, während im Boot des eigenen Unternehmens sieben Mann steuerten und einer ruderte. In dieser kritischen Situation war von der obersten Ebene nun geballte Führungskompetenz gefordert. Unverzüglich wurde ein Beratungsunternehmen damit beauftragt, Strukturen und Schwachstellen des eigenen Ruder-Achters näher zu analysieren. Nach Monaten intensivster Arbeit kamen die Berater zu dem abschließenden Ergebnis, dass zu viele Männer gleichzeitig steuerten und möglicherweise zu wenige Männer ruderten. Auf Grundlage dieser Erkenntnis stellte die Unternehmensführung B eine neue Mannschaft auf: vier Steuermänner, zwei Ober-Steuermänner, ein Steuermann-Koordinator und einen Ruderer. Der Ruderer sollte zusätzlich dadurch motiviert werden, indem man ihm mehr Verantwortung in seinem Arbeitsgebiet übertrug, sein bisheriges Gehalt kürzte und dafür ein erfolgsorientiertes Bonussystem einführte.
136 | un-plaqued No 19
Den nächsten Wettkampf gewann Wettbewerber A mit zwei Kilometern Vorsprung. Wettbewerber B entließ daraufhin seinen Ruderer fristlos. Gleichzeitig war man sich einig, dass der Führungsebene des Unternehmens aufgrund ihres verantwortungsvollen Handelns ein finanzieller Extra-Bonus zusteht. Erneut wurden die Berater mit einer umfassenden Analyse beauftragt. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass die gewählte Taktik und Mannschaftsaufstellung zweifelsfrei richtig war, dass die Motivationsstrategie als innovativ zu bewerten sei und dass somit die Lösung eigentlich nur noch in der Verbesserung des Materials liegen könne. Momentan ist Wettbewerber B damit beschäftigt, einen neuen Bootstyp zu entwickeln. Sollten Sie sich möglicherweise mit den Themen zur Zukunft des ›Gesundheitsmarktes Deutschland‹ befassen, zum Beispiel mit dem Spannungsfeld zwischen GKV und PKV, der Systemfrage Bürgerversicherung oder Prämienmodell, der Zukunft von GOZ und GOÄ, mit Fragen zur Freiberuflichkeit und Überreglementierung etc., und sie haben in obigen Zeilen Parallelen mit Akteuren und Aktionen unseres Gesundheitswesens entdeckt, so wäre dies rein zufällig. Aktuell ist unser Berufsstand mehr denn je gefordert, auf Handlungsstrategien mit >Weitsicht und Pragmatismus< zu setzen (Leitartikel von Dr. Peter Engel, in der ZM vom 1. Juni 2012). //
zm-online.de/m2.htm
un-plaqued No 19 | 137
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
WAS BOOTE UND ZÄHNE VERBINDET Am Anfang einer Entwicklung steht immer eine Frage, ein Problem, eine Herausforderung, oder einfach die Suche nach etwas Neuem!
U
nsere
Geschichte
jedoch
kommt aus dem Jahr 1936, in dem Pierre Castan (1899–
1985), Chemiker der Züricher Firma
Im folgenden Fall bestand die Her-
De Trey AG (heute Dentsply DeTrey)
ausforderung in der Suche nach
sich an die Erforschung neuer Mate-
einem neuen Material zur Herstel-
rialien für dentale Prothesenkunst-
lung von zahnärztlichen Prothe-
stoffe gemacht hat. Er stieß dabei auf
sen. Aus heutiger Sicht nichts Be-
einen Harz, welches bei der Reaktion
sonderes, sollte man meinen.
von Bisphenol A mit Epichlorhydrin entsteht und mit Phthalsäureanhydrid gehärtet werden konnte. Wie sich erst viel später herausstellen sollte, hatte er damit die Grundlage für einen Werkstoff gelegt, dessen Bedeutung zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Entferntesten abzusehen war. Einzig die Verwendung in der Zahnmedizin schien vorerst nicht möglich zu sein, was in Anbetracht der Ausgangsfragestellung wie eine Enttäuschung wirkte. Grund dafür war, dass die Aushärtung des Materials in der feuchten Mundhöhle nicht möglich war. 1983, fast ein halbes Jahrhundert später, wurde schließlich das Schweizer Patent vergeben, auf dessen Ursprung die Weiterentwicklung dieses Materials beruhte. Ab diesem Moment beginnt der Werkstoff seinen Siegeszug durch nahezu alle Bereiche der technischen Fertigung. Die Rede ist von Epoxidharz,
138 | un-plaqued No 19
ODER TEXT David Rieforth
THEORIE & PRAXIS / WAHRHEIT
DIE ENTDECKUNG DES EPOXIDHARZES einem Zweikomponentenmaterial, bestehend aus einem Flüssigharz auf der Basis von Bisphenol A und Epichlorhydin sowie einer Härtungskomponente auf Basis von Polyamin oder Amin-Addukten. Vermischt man beide Bestandteile miteinander, lassen sich Materialien mit Glasfaser, Kohlenstofffasern und Aramidfasern, wie sie im Schiff- und Flugzeugbau eingesetzt werden, verbinden. Darüber hinaus wird Epoxidharz zum Beispiel bei der industriellen Tauchlackierung von Automobilen, der Betonbeschichtung, zur Herstellung von elektrischen Schaltungen auf Leiterplatten sowie als Bindemittel für verschiedene Anstrichstoffe in der Innenschutzlackierung für Lebensmittelverpackungen verwendet. Die Einsatzfähigkeit von Epoxidharzen geht bei weitem über die hier aufgezählten Bereiche hinaus, schließlich hatte man, einfach gesagt, einen neuen Hochleistungsklebstoff gefunden. Besonders im Bootsbau entfaltet der Werkstoff seine Vorteile, da er Osmoseschäden ausschließt, auch wenn er direkt mit Seewasser in Kontakt kommt. Zu guter Letzt fand dieser Werkstoff, der sich ähnlich wie UHU-2-Komponenten-Epoxidharzkleber verarbeiten lässt, auch eine Verwendung in der Zahnmedizin. Hauptbestandteile der Paste A sind hierbei Bisphenol-A sowie Bisphenol-F Epoxidharz. Paste B besteht zum Großteil aus den reaktiven Elementen Dibenzyl-Diamin und Aminoadamantan. Mischt man die beiden Pasten im Verhältnis 1:1, erhält man einen von den zahnmedizinischen Fachgesellschaften empfohlenen Sealer für Wurzelfüllungen. Allgemein geläufig ist dieser unter dem Namen AH Plus der Firma Dentsply De Trey GmbH. So verschieden die Kunst des Bootsbaus und der Zahnmedizin auch sind, im Detail gibt es enge Verknüpfungen technischer Entwicklungen, die sich nicht zuletzt auch aufgrund eines ähnlichen Milieus und der einwirkenden Kräfte nutzen lassen. // un-plaqued No 19 | 139
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
DIE SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT DES KAFFEES oder soziales Unternehmertum und Bildung in Äthiopien
140 | un-plaqued No 19
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
un-plaqued No 19 | 141
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
TEXT · FOTO Alexander Klebe
I
m September 2011 hatte ich die lang erwarte-
kratisch organisierten und sozial orientierten
te Gelegenheit, für eine wissenschaftliche
Kooperativen auf Produzentenseite.
Feldforschung nach Äthiopien zu reisen. Die-
Am Beispiel der Kaffeeproduktion in Äthiopi-
se Reise war eine ideale Möglichkeit meine frü-
en, dem Ursprungsland des Kaffee, möchte ich
heren wissenschaftlichen Vorarbeiten im Ur-
die Ergebnisse meiner Forschungsreise über die
sprungsland des Kaffees zu vertiefen und
Förderung von wirtschaftlich nachhaltiger Ent-
gleichzeitig Menschen persönlich begleiten
wicklung und hier insbesondere den Aufbau ei-
und interviewen zu können, die sich unterneh-
ner sozialen Unternehmenskultur in Äthiopien
merisch und sozial engagieren.
präsentieren und dabei auch die Bedeutung von
Schon während der Recherchen zu meiner Di-
Bildungsarbeit herausarbeiten.
plomarbeit faszinierte mich das Thema Kaffee und dessen spezifische Wertschöpfungskette.
Hungersnot und Entwicklungshilfe
Am Beispiel des Fairtrade-Konzeptes unter-
Vor dem Hintergrund der Nachrichten aus dem
suchte ich damals alternative Handelsmodel-
Sommer 2011 über die schlimmsten Hungers-
le und Geschäftsbeziehungen, die mehr soziale
nöte in Ostafrika seit 60 Jahren und gewaltige
Gerechtigkeit für Kaffeebauern in den Entwick-
Nahrungsmittelhilfslieferungen in die betrof-
lungsländern bringen sollten. Einen Aspekt des
fenen Länder, drängte sich die Frage nach der
Fairtrade-Modells fand ich besonderes interes-
langfristigen Wirksamkeit von klassischer Ent-
sant: die Förderung von eigenständigen, demo-
wicklungshilfe auf.
142 | un-plaqued No 19
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
un-plaqued No 19 | 143
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
In der Fachwelt wird bereits seit längerem da-
Gerechter Handel statt Hilfe!
rüber diskutiert, ob klassische Entwicklungs-
Im Kontrast zu klassischer Entwicklungshilfe
hilfe eine nachhaltige Entwicklung nicht sogar
stehen Methoden zur Förderung von sozial ori-
teilweise verhindere. Inwieweit sind wohltäti-
entiertem Unternehmertum und der Ausbil-
ge Spenden z.B. an Nahrungsmitteln, Kleidung
dung von lokalen Fachkräften und Know-how
und Haushaltsgegenständen förderlich bei dem
im landwirtschaftlichen Sektor.
Ziel, eine lokale wirtschaftliche Entwicklung zu
Ines Possemeyer, die auch als Journalistin für
begünstigen? Kurzfristig gleichen sie eine Not-
GEO in Äthiopien recherchierte (vgl. GEO, Ausg.
wendigkeit aus, in der langfristigen Betrach-
7, 2011), berichtet, dass Äthiopien weltweit die
tung ergibt sich jedoch die Frage der Generie-
größten Mengen an Hilfslieferungen des World
rung von wirtschaftlichen Abhängigkeiten und
Food Programm (WFP) erhält. Dies spiegelt sich
negativen Preiseffekten auf lokalen Märkten.
auch im volkstümlichen Sprichwort: ›In Äthiopi-
Auch die Werkzeuge der westlichen Parla-
en hofft man auf viel Regen in Kanada‹ wieder.
mente, über direkte finanzielle Hilfe die Etats
Dabei bieten sich in Äthiopien ideale Bedingun-
der Regierungen in den betroffenen Regio-
gen für die landwirtschaftliche Produktion, die
nen aufzustocken, werden mit dem Argument
ausländische Investoren aus dem Nahen Osten,
kritisiert, dass die politischen Strukturen der
Asien und Holland anlocken. Zu allem Wider-
Empfängerländer mit ihrer zentralen Wirt-
spruch liegen im Hafen von Djibuti, dem Haup-
schaftspolitik, staatlichen Exportmonopo-
tumschlagsplatz für den äthiopischen Seehan-
len und Beschränkungen ausländischer Direk-
del, eben jene Frachter mit den Hilfslieferungen
tinvestitionen und sozialer Engagements, die
des WFP neben denen mit in Äthiopien ange-
größten Entwicklungshemmnisse darstellten.
bautem Reis für Saudi-Arabien und Korea.
144 | un-plaqued No 19
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
Die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts erwirt-
ten und ihre Ernte an Mittelsmänner weiter-
schaftet Äthiopien mit landwirtschaftlichen Er-
verkaufen, die dann die großen Importeu-
zeugnissen. Kaffee, Getreide und Reis sind die
re und Röster bedienen. Der größte Teil der
wichtigsten Einnahmequellen des Landes, in
Wertschöpfung wird jedoch in der Veredelung
dem ca. 85% der Bevölkerung in der Landwirt-
erzielt. Während die großen Röster hohe Mar-
schaft arbeiten. Kaffee ist mit 840 Millionen
gen mit den Kaffeebohnen realisieren, reichen
US-$ Exportvolumen das wichtigste Exportgut
die Einnahmen der Kaffeebauern oft nicht ein-
des Landes und Äthiopien ist größter Kaffeeex-
mal aus, um ihre Familien vollwertig zu ernäh-
porteur in Afrika.
ren, geschweige denn steigende Nahrungsmit-
Das Land erfuhr in den letzten Jahren ein star-
telpreise durch eigene finanzielle Rücklagen
kes Wirtschaftswachstum von zuletzt 9% per
auszugleichen.
anno und damit auch einen Wandel, der am
Da die Kaffeebauern selbst nur erschwerten Zu-
deutlichsten auf den Großbaustellen in der
gang zu Märkten, Informationen und Darlehen
Hauptstadt Addis Abeba sichtbar ist. Auf den
haben, verhilft die Selbstorganisation in Form
umliegenden Ackerflächen und in Gewächshäusern internationaler Konzerne wird mit Hightech Blumenzucht und Reisanbau betrieben. Auch die Hauptverkehrswege von Addis Abeba in die Provinzregionen zeugen, mit den großen Baumaschinen chinesischer und koreanischer Konzerne am Straßenrand, von einem Wettlauf um Einfluss und von heißbegehrten Leasingverträgen für Ackerflächen. In den ländlichen Regionen kommt dieser Fortschritt jedoch nur langsam an und wenn, dann eher in Form von gestiegenen Preisen für Grundnahrungsmittel. Die Verantwortung der wirtschaftlichen Entwicklung liegt hier zumeist in den Händen der Kleinbauern selbst, die ihr weniges Ackerland oft mit Ochsen und Holzpflügen bestellen. Kaffeeproduktion und Welthandel Kaffee zählt mit einem Marktwert von mehr als 10 Mrd. US-$ nach Öl zu den wichtigsten internationalen Handelsgütern. Der Kaffeeanbau wird von mehr als 25 Mio. Kleinbauern in Entwicklungsländern betrieben, die ca. 50% der Weltproduktion erwirtschafun-plaqued No 19 | 145
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
einer Kooperative potenziell zu mehr sozia-
durch am Markt höhere Preise zu erzielen. Den
ler Partizipation und Marktmacht. Die Koope-
Erfolg der eigenen Arbeit misst Technoserve am
rative übernimmt die Aufgaben der Weiter-
Einkommenswachstum der Kaffeekooperativen
verarbeitung und den Verkauf des Kaffees. Ein
und der Bauern selbst und veranstaltet regel-
Export durch die Kooperative bietet einen hö-
mäßig Konferenzen auf denen die Fortschritte
heren Rückfluss des Gewinns an die Bauern als
der verschiedenen Kooperativen miteinander
der Export durch Mittelsmänner. Der Zugang
verglichen und Investitionsprojekte ausgewer-
zu Krediten wird vereinfacht und langfristige
tet werden.
Investitionsprojekte sind möglich.
Konkret bedeuten diese Projekte z.B. die Anschaffung und Finanzierung einer Waschwalze,
In Äthiopien sind die grundlegenden Struktu-
mit der die Kooperativen eine weitere Produk-
ren von landwirtschaftlichen Kooperativen im
tionsstufe in ihre Wertschöpfung integrieren
Ansatz noch weit verbreitet, da die Ursprün-
und die Qualität ihrer Produktion erhöhen kön-
ge der Zusammenschlüsse von oft hunderten
nen. Mit der verbesserten Produktionsmetho-
Kleinbauern noch aus den Zeiten des kommu-
de, die sich vom klassischen Trocknen der Boh-
nistischen Derg-Regimes stammen.
nen qualitativ erheblich abhebt, lässt sich ein
Lokal tragen diese Kooperativen eine große Be-
mehr als doppelt so hohes Einkommen pro ver-
deutung, da sie nicht nur die Rolle und das de-
kauftem Kilogramm Kaffee erzielen.
mokratische Selbstverständnis der Farmer in ei-
Cervone betont, welche Bedeutung Eigentum
ner kollektiven Organisation stärken, sondern
für die Farmer hat. Da die Bauern der Koope-
mit ihr auch soziale Verantwortung überneh-
rative selbst dafür arbeiten, selbst einen Kre-
men. Frei nach dem Gedanken von Muhammad
dit aufnehmen, das Fundament und das Dach
Yunus, soziale Probleme lokal durch unterneh-
selbst bauen, entsteht diese wichtige Gefühl, et-
merische Konzepte zu lösen, werden in den Ko-
was selbst geleistet zu haben und etwas Wert-
operativen wichtige Entscheidungen getroffen,
volles zu besitzen. Dieses Gefühl übersetzt sich
die das Wohl der Allgemeinheit im Sinn haben
in die Motivation, es auch langfristig zu pfle-
sollen. Die selbstbestimmten und lokal agieren-
gen und damit das Einkommen nachhaltig zu
den Kooperativen dienen als Grundlage des so-
verbessern.
zialen Unternehmertums in Entwicklungsländern, dessen Verbreitung vielfältig gefördert
Ebenso bedeutend ist der Lerneffekt, dass ge-
werden kann.
meinsame Anstrengung und langfristige Investitionen sich durch eine höhere Lebensqualität
Der Schlüssel, Armut zu bekämpfen, ist
bezahlt machen. Für zukünftige Investitions-
soziales Unternehmertum.
vorhaben der Kooperative wird damit ein wich-
Von Addis Abeba aus arbeitet Carl Cervone, un-
tiger Grundstein gelegt.
terstützt von einem 50-köpfigen Netzwerk von
Der Weg aus der Armut beginnt für die Bauern
lokalen Beratern, mit den Kaffeekooperativen
mit dem Wandel des eigenen Verständnisses,
zusammen. Cervone ist gebürtiger Amerikaner
sich nicht nur als passive Rohstofflieferanten
und Landesdirektor von Technoserve Ethiopia,
zu verstehen, sondern auch weitere Produkti-
einer von der Bill and Melinda Gates Foundation
onsschritte und Aufgaben in die Verantwortung
geförderten Non-Profit-Organisation, die Kaf-
der Kooperative zu übertragen. Vom erzielten
feebauern dabei unterstützt, die Qualität ihres
Gewinn der Kooperative werden rund 70% an
Kaffees durch effizientere Anbau- und Weiter-
die einzelnen Farmer ausgezahlt, 20% als fi-
verarbeitungsmethoden zu verbessern und da-
nanzielle Reserve für kommende Investitionen
146 | un-plaqued No 19
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
zurückgestellt und 10% direkt in gemeinschaft-
sondern dort, wo der Kaffee geröstet und sei-
liche Sozialprojekte investiert, wie die Entwick-
ne ›Geschichte‹ erzählt wird. Diese Geschichte
lung von Schulen, Brunnen und Rentenfonds.
wird von den Genießern weltweit noch eher mit
Diese Investitionen sind gerade für die Farmer
dem Gesicht George Clooneys oder der Kaffee-
ein bedeutender Faktor auf dem Weg zu selbst-
hauskette Starbucks assoziiert, als mit Bildern
bestimmten und sozialem Unternehmertum.
der Kaffeebauern selbst. Doch auch dieses Bild
Als herausragendes Beispiel dient hier die Ge-
verändert sich im Laufe der Zeit.
schichte der Kuapa Kokoo Kooperative aus Gha-
Denn mit der steigenden Qualität der Kaffee-
na. Schritt für Schritt wurden von der Koopera-
produktion, der Vermittlung von Geschäftskon-
tive nachfolgende Stufen in der Wertschöpfung
takten zu internationalen Einkäufern und der
des eigenen Kakao integriert, bis sie dann selbst
Unterstützung beim Marketing bietet sich den
in Kooperation mit lokalen Partnern in Groß-
Kooperativen die Möglichkeit, ihren Gourmet-
britannien die Vermarktung von Divine Cho-
Kaffee direkt an Importeure zu liefern und so
colate aufbaute. Mit dem Gewinn werden eine
ihr Einkommen, und ebenfalls Ihre Marktprä-
Vielzahl von gemeinschaftlichen Projekten im
senz zu erhöhen.
Gesundheits-, Bildungs- und sozialen Bereich realisiert. Konsumenten wissen dieses Konzept
Die Bedeutung von Bildung
zu schätzen, denn mittlerweile kaufen sie nicht
Die Begleitung der Berater von Technoserve im
mehr nur Produkte, sondern Lösungen. Dabei
Feld zeigt, dass ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit
vermischen sich die ökonomischen und sozialen
in der Wissensvermittlung von praktisch-an-
Ansprüche der Verbraucher.
wendbaren und ökonomischen Grundkenntnissen liegt: Buchhaltung, Management und Mar-
Auch beim Kaffee findet die größte Wertschöp-
keting. Viele betriebswirtschaftliche Konzepte
fung nicht in den Entwicklungsländern statt,
werden auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten un-plaqued No 19 | 147
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
vor Ort angepasst, so berichten zum Beispiel die
akademische Entwicklung der Adama Universi-
Kaffeekooperativen seit neuestem täglich per
ty in Äthiopien, betont.
SMS über die erzielten Erntemengen und Erlöse.
Die wenigen Studienplätze werden in Äthiopi-
Durch die wirtschaftliche Entwicklung in den
en meist ohne Berücksichtigung der persönli-
ländlichen Gebieten werden zusätzliche, wenn
chen Studienwünsche der Bewerber vergeben.
auch bisher noch wenige Arbeitsplätze in den
Zudem können es sich nur wenige Familien auf
Kooperativen geschaffen. Derzeit, so Carl Cer-
dem Land leisten, auf ihre Kinder als Arbeits-
vone, sei es jedoch schwierig, gut ausgebilde-
kraft zu verzichten, denn traditionellerweise
tes Personal für die anspruchsvolleren Auf-
hilft jedes Familienmitglied, Einkommen zu ge-
gaben in den Anbauregionen selbst zu finden.
nerieren.
Lokal verfügbare Fachkräfte stellen für die-
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Mög-
se wirtschaftliche Entwicklung zwar einen ent-
lichkeit Bildungschancen wahrzunehmen eng
scheidenden Schlüssel zum Erfolg dar, doch die
mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
Tür zum Wandel wird nur mit Hilfe der exter-
verbunden ist. Wenn Familien, die ihr Einkom-
nen Berater geöffnet.
men hauptsächlich in der Landwirtschaft erzielen, eine stärkere wirtschaftliche Basis aufbau-
Bildung und Perspektive sind eng miteinan-
en können, ist es ihnen ebenfalls möglich, ihren
der verknüpft. Menschen, die in der Bildung
Kindern eine Ausbildung zu finanzieren.
eine Perspektive sehen, sich zukünftig besser zu stellen, werden auch die nötige Motivation
Die Bildungsarbeit im Rahmen der wirtschaft-
aufbringen, um zu studieren. Jedoch gibt es in
lichen Entwicklungsarbeit hat demnach drei
Äthiopien kaum weiterführende Universitäten,
Aufgaben: Die Vermittlung von ökonomischem
die sich dem Management und der Verwaltung
Basiswissen, die Einführung von Lowtech-In-
widmen, wie Prof. Dr. Dirk Linowski, Berater für
novationen und das Setzen von nachhaltigen
148 | un-plaqued No 19
GOOD BYE DENTIST/ WAHRHEIT
Bildungsanreizen durch wirtschaftliche Absi-
der von Sahay Solar, eine Zukunft für Äthio-
cherung und Perspektivbildung. Diese Pers-
pien. Mit Hilfe der von ihm gegründeten Non-
pektivbildung bedeutet vor allem, wirtschaft-
Profit-Organisation will er die Ausbildung von
liche, d.h. lokale Geschäftsmöglichkeiten und
Ingenieuren im Solarbereich in Kooperation mit
internationale Marketingstrategien gemein-
der Arbaminch Universität vorantreiben. Geför-
sam mit den Akteuren vor Ort zu entwickeln,
dert wird dieses Vorhaben von der Schweizer
als auch persönliche Entwicklungsperspektiven
Regierung. Die ausgebildeten Ingenieure sol-
zu eröffnen und zu fördern. Denn nicht selten
len in kleinen Teams sowohl kommerzielle als
kommt die Motivation zu mehr Leistung durch
auch soziale Solarprojekte gemeinsam planen,
Vorbilder, positive Beispiele und viele kleine,
installieren und betreuen. In der Unterneh-
eigene Erfolge.
mensvision sieht Max Pohl die Chance, ein eigenständig wirtschaftendes Solarunternehmen
Soziales Unternehmertum beginnt bei uns
in Äthiopien aufbauen zu können und so die de-
Das Berliner Start-Up Coffee Circle, an dem der
zentrale Solarenergie langfristig als Lösung für
Tengelmann-Konzern 30% der Anteile hält, ist
die Energieversorgung in Afrika zu etablieren.
Kaffee-Importeur. Die drei Gründer Martin Elwert, Robert Rudnick und Moritz Waldstein-
Fazit und Ausblick
Wartenberg, verstehen sich als soziale Unter-
Soziales Unternehmertum ist bereits weit in die
nehmer. Pro verkauftem Kilogramm Kaffee
Kaffeeanbaugebiete Äthiopiens vorgedrun-
fließt ein Euro in die Umsetzung von Projekten
gen, steckt jedoch noch in den Kinderschuhen.
in den Anbauregionen in Äthiopien, wie z.B.
Pioniere sind Unternehmer, Berater und Fach-
den Bau einer Grundschule oder die Versorgung
kräfte, die von Stiftungen unterstützt werden.
einer Krankenstation mit Solarstrom.
Sie konzentrieren ihre Arbeit darauf, mit Wis-
Im Solarstrom sieht auch Max Pohl, der Grün-
sen und Kreativität geschäftsfähige Lösungen un-plaqued No 19 | 149
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
150 | un-plaqued No 19
GOOD BYE DENTIST/ WAHRHEIT
für soziale Probleme zu entwickeln. Jedoch
schen Aspekten auch soziale Werte in ihre Ent-
stellt jeder Anfang wirtschaftlicher Entwick-
scheidungsprozesse einfließen zu lassen. Die
lung hohe Anforderungen an die Ausbildung
Wurzeln für die wirtschaftliche Entwicklung in
von jungen, einheimischen Fachkräften.
Afrika liegen zum Großteil auch in der Gestal-
Dieser Wandel in den Köpfen und dem Handeln
tung der Hilfsmaßnahmen selbst. Wenn sich
der Menschen benötigt Inspiration, Erfahrung
diese von Formen einer Almosenpolitik hin zu
und Geduld, damit der von Frans Johansson be-
gerechten und respektvollen Handelsbeziehun-
schriebene ›Medici Effekt‹ einsetzen kann. Die-
gen wandeln, dann ist wirtschaftlich nachhalti-
ser entsteht aus der Zusammenarbeit von Men-
ges Wachstum möglich. Im besten Fall entsteht
schen aus unterschiedlichen Feldern, Kulturen
sogar das ökonomische Selbstverständnis, dass
und Industrien. Eine Vielfalt an Expertise, die
Unternehmen und Kooperativen wirtschaftli-
sich mit konkreten Problemstellungen befasst,
che und soziale Interessen maximieren.
fördert Johansson zufolge das Potenzial neuartige und zukunftsfähige Lösungen für die Her-
Meine Untersuchungen verstärken den Ein-
ausforderungen unserer Zeit zu entwickeln.
druck, dass ›Handel‹ statt ›Hilfe‹ der Schlüssel zum Erfolg ist. Jedoch ist Hilfe beim Aufbau gerechter Handelsbeziehungen und der Ausbildung von wirtschaftlichen Akteuren gefragt. Wie das im konkreten Beispiel der Kaffee-Kooperativen in Äthiopien aussehen kann, habe ich im dokumentarischen Kurzfilm: We are Coffee Farmer zusammengefasst. Das Material für den Film konnte ich ebenfalls während der Forschungsreise sammeln und in den darauffolgenden Monaten editieren. Der Film dient als Best-Case Studie und als Anregung für weitere entwicklungspolitische Betrachtungen. Mein Dank gilt der Haniel-Stiftung für die groß-
Nicht zuletzt ist der Einsatz von engagierten
zügige Unterstützung der Forschungsreise,
Menschen gefragt, die unmittelbar auf ihr
durch die es mir möglich war, eben jene positi-
Umfeld einwirken, eine Kombination von lo-
ve Entwicklung im Rahmen des sozialen Unter-
kalem Potential und internationalem Know-
nehmertums und der Bildungsarbeit zu beglei-
how innovativ verknüpfen und so den Weg
ten und zu dokumentieren. //
für wirtschaftlich rentable und soziale Unternehmensstrukturen ebnen. Die anfänglichen
Link zum Film:
Erfahrungen der Kaffee-Kooperativen sind ein
vimeo.com/35764583
Beispiel für die Entwicklung und Förderung dieser Strukturen, welche sich auf andere Wirtschaftszweige übertragen lassen und weiter
Deutsch-Äthiopischen Studenten-
ausgebaut werden können.
& Akademikerverein: daesav.de
Es bedarf jedoch auch eines Umdenkens in den westlichen Gesellschaften. Verbraucher wie Unternehmer sind aufgefordert, neben ökonomi-
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
152 | un-plaqued No 19
GOOD BYE DENTIST/ WAHRHEIT
TEIL 1
WIE VERÄNDERT MAN WAHRHEIT?
Mein Name ist Onon Disdaabazar. Ich komme aus der Mongolei und bin angehende Zahnärztin in der Abschlussphase des Staatsexamens. Seit 2004 studiere ich an der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Ich bin nach Deutschland gekommen um Zahnmedizin zu studieren. Eine gute Zahnärztin zu werden war und ist mein Kindheitstraum. Der Weg dahin war allerdings von vielen Herausforderungen und Hoffnungen geprägt. Immer wieder haben mich Menschen gefragt, warum ich mir gerade diesen Weg ausgesucht habe? Dazu möchte ich Euch meine kleine Geschichte erzählen:
A
ls kleines Kind hatte ich einen schlim-
tät in Moskau studiert, als ich einen Anruf mei-
men Zahnunfall, bei dem ein Frontzahn
ner Mutter mit der Nachricht erhielt, dass unse-
disloziert wurde und nicht mehr in der
re Familie nach Deutschland umziehen würde.
Zahnreihe stand. Mein Lächeln war schnell
Meine Mutter ist Diplomatin und war als Han-
weg. Nach einer sehr langen und aufwendigen
dels- und Wirtschaftsrätin der Botschaft der
Behandlung hatte ich irgendwann mein altes
Mongolei in Deutschland tätig. Sie bot mir an,
Lächeln zurück. Zum Glück ist dieser Zwischen-
mit der Familie nach Deutschland zu kommen.
fall am Ende relativ gut für mich ausgegangen,
Nach einer kurzen Überlegung, entschied ich
zumal er in mir den Wunsch geweckt hat, eine
mich für Deutschland.
Ärztin zu werden, die den Leuten das Lächeln schenkt.
Da meine Sprachkenntnisse nicht ausreichend
Ich ging damals in die 5. Klasse, war zielstrebig
für das Studium in Deutschland waren, musste
und fleißig und hatte in allen Schulfächern gute
ich zunächst sechs Monate Deutsch als Fremd-
Noten, besonders in den naturwissenschaftli-
sprache lernen und als Ausgleich zu meinem
chen. Schon zu dieser Zeit habe ich angefangen,
mongolischen Abitur ein Jahr am Studienkol-
mich bewusst für ein Medizinstudium vorzube-
leg absolvieren. Dann begann das Zahnmedi-
reiten. Nach der Schule wurde ich dann stolze
zinstudium an der Charité in Berlin …
Zahnmedizinstudentin in der Mongolei. In den folgenden zwei Jahren wurde mir immer klarer,
Obwohl das Studium nicht immer leicht war,
dass die Zahnmedizin viel mehr zu bieten hat-
hatte ich viel Spaß. Ich bin glücklich und stolz,
te, als wir in der Mongolei lernten, weswegen
in Deutschland studiert zu haben. Ich habe ei-
ich mich über ein Auslandstudium informierte.
nen tollen Mann und zwei wunderbare Söhne,
Als sich die Gelegenheit bot, in Moskau Zahn-
die mich während dieser Zeit sehr unterstützt
medizin zu studieren, habe ich mich sofort da-
haben. Weil ich beide Kinder während mei-
für beworben. Weil ich damals bereits fließend
nes Studiums bekommen habe, musste ich zwi-
Russisch sprach und gute naturwissenschaftli-
schendurch das Studium aussetzen und unter
che Kenntnisse hatte, bekam ich den Studien-
nicht ganz leichten Bedingungen im Anschluss
platz samt einem Stipendium. Ich hatte gerade
weiter studieren.
zwei Monate an der 3. Medizinischen Universiun-plaqued No 19 | 153
GOOD BYE DENTIST / WAHRHEIT
Nun geht diese schöne aber auch anstrengentigsten Hygienemaßnahmen nicht eingehalten de Zeit in Deutschland langsam zu Ende und ich werden, die Bevölkerung zu wenig informiert werde noch in diesen Sommer in die Mongoist und die angebotenen Behandlungen häufig lei, mein Heimatland, zurückkehren. Einerseits qualitativ schlecht sind. Man bekommt ein mulfreue ich mich riesig, dass ich meinem so lang miges Gefühl, wenn man sich bewusst macht, angestrebten Ziel endlich nahe gekommen bin, dass die meisten Zahnärzte mit sehr alten Techandererseits mache ich mir viele Gedanken um niken und Methoden behandeln und nur wenig meine Zukunft als praktizierende Zahnärztin in der heutigen modernen Zahnmedizin Anwender Mongolei. dung findet. Mein größtes Ziel und tägliche Motivation während des Studiums war der Wunsch, mit meiMein Traum ist es, eine moderne, nach deutnem Fachwissen mongolischen Bürgern die besschem Standard ausgestattete Praxis zu eröffte deutsche Zahnmedizin bieten zu können. nen und mein ganzes Können meinen LandesIn der Mongolei gibt es im zahnmedizinischen leuten anzubieten. Ich möchte mich dabei auch Bereich einiges zu verbessern, vor allem bei auf Kinderzahnheilkunde spezialisieren und Kindern und Jugendlichen, die fast 70% der Gewerde auch in Zukunft postgraduale Fortbilsamtbevölkerung der Mongolei ausmachen. dungen in Deutschland besuchen, um auf dem Laut einer Studie liegt Kariesverbreitung bei neuesten Stand der Zahnmedizin zu bleiben. Ich Kindern im Alter von 0–6 Jahren bei 87–100% möchte mein Wissen an die mongolischen Kolund auch Parodontitis ist mit 85–97% ein sehr legen weitergeben und Arbeitsgemeinschaften weit verbreitetes Problem. einführen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass Die Mongolei ist ein großes und wunderschönes Prophylaxe ernst genommen und kontinuierlich Land mit 2,7 Millionen Einwohnern, die sich auf durchgeführt wird. Ich möchte den Leuten helder vierfachen Fläche von Deutschland verteifen, die weit weg entfernt von der Stadt leben len. In der Hauptstadt Ulaanbaatar lebt ungeund keine Möglichkeiten haben, zahnärztliche fähr die Hälfte der Bevölkerung, für die es insBehandlungen zu bekommen. Und ich hoffe, gesamt nur zehn staatliche Ambulanzen und dass ich in Zukunft mit deutschen Kollegen eng ca. 350 kleine Privat-Praxen für die zahnmedizusammenarbeiten kann und Unterstützung zinische Versorgung gibt. Dabei ist Besorgnis bei diesen Zielen, auch vor Ort, erhalten werde. erregend, dass in der gegenwärtigen mongoIch habe mich während des Studiums immer lischen Zahnmedizin die einfachsten und wichwieder gefragt, wie ich das in Deutschland er154 | un-plaqued No 19
GOOD BYE DENTIST/ WAHRHEIT
worbene Wissen und Können im praktischen Berufsleben in der Mongolei umsetzen kann. Da der zahnärztliche Beruf mit vielen technischen Gerätschaften verbunden ist, mache ich mir immer wieder Sorgen, wie ich die Qualität und Standards so hoch halten kann, wie hierzulande. Es wäre sehr schade, wenn ich das, was ich hier gelernt habe, in der Mongolei nicht praktizieren und verwirklichen könnte. Da ich aus einer durchschnittlichen mongolischen Mittelstandsfamilie stamme, sind die finanziellen Möglichkeiten meiner Eltern, mir bei der Ausrüstung einer modernen zahnärztlichen Praxis zu helfen, begrenzt. Ich würde mich sehr freuen, wenn Zahnmediziner in Deutschland Interesse an meinem Projekt einer modernen, ›deutschen‹ Zahnarztpraxis in der Mongolei hätten und mich bei der Verwirklichung dieses Traumes unterstützen würden. Hier in der un-plaqued werde ich regelmäßig über die Fortschritte meiner Arbeit und den weiteren beruflichen Werdegang berichten. Denn am Ende ist es ein unglaublich schönes Gefühl, etwas bewirken und zum Positiven verändern zu können.
In diesem Zusammenhang meine Bitte: Jede Hilfe und Unterstützung für eine moderne ›deutsche‹ Zahnarztpraxis in der Mongolei sind willkommen! Sei es in Form von Beratungen zu Führung und Management einer Praxis, materieller Unterstützung mit Geräten und Technik, Instrumenten und Materialien oder auch einer Zusammenarbeit vor Ort, verbunden mit dem Kennenlernen der wunderschönen Mongolei. Danke!
rlin 37 Be sse: 4 e 0 r 1 d a • kt e 78 Konta Straß r com e n e ag qued. h a l n p e p n n@u r • Ko • ono abaza 8 a 0 d s 3 i D 41 60 Onon 176 2 0 : n o F un-plaqued No 19 | 155
LABORATORIUM DIFFICILE / WAHRHEIT
DIE WĀRA DES IMPLANTOLOGISCHEN TEAMS Wāra – die althochdeutsche Wurzel des Wortes ›Wahrheit‹ bedeutet ›Vertrauen‹ und ›Treue‹. Wie sieht es mit ›Vertrauen‹ und ›Treue‹ in der Implantologie aus? Was ein bisschen altbacken klingt, kann für eine erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit stehen, die in der Implantatprothetik ästhetisch optimale Langzeitergebnisse hervorbringt. Das heißt in der Kurzfassung: Die Wahrheit steckt in der Teamarbeit! TEXT Jörn von Mensenkampff
Erleben Sie implantologisches Teamwork als App auf Ihrem iPad. Sie können Zahnarzt und Zahntechnikermeister multimedial und interaktiv bei der prothetischen Arbeit ›über die Schulter gucken‹. Dr. Helmut Steveling und José de San José González kommentieren die jeweiligen Schritte dabei aus ihrer Sicht. Zusammen mit der detaillierten visuellen Darstellung bietet die App >Learning by viewing< in einer ganz neuen Form.
D
ie Implantologie ist der Bereich in der Zahnmedizin, der sich in den letzten Jahrzehnten am stärksten entwickelt und verändert hat. Während man früher beim Therapieerfolg von der ›survival rate‹ sprach, also
die Osseointegration und die Funktion des Implantates definierte, ist heute die ›success rate‹ in den Fokus gerückt, die auch ästhetische Parameter mit einbezieht. Diese Entwicklung, zu der CAD/CAM-Abutments (siehe Atlantis) maßgeblich beigetragen haben, hat nicht nur die Aufgabenfelder vom Zahnarzt, sondern auch vom Zahntechniker grundlegend verändert. Die Zahntechnik, früher eine rein handwerkliche Disziplin, bietet heute außerdem computergestützte,
vielschichtige
Leistungen,
die
analytische
Fähigkeiten,
Kreativität und Präzision verlangen. Damit wird der Zahntechniker zum gleichberechtigten Partner des chirurgisch-prothetisch arbeitenden Zahnarztes. 156 | un-plaqued No 19
teamwork-media.de
LABORATORIUM DIFFICILE / WAHRHEIT
Planung und Durchführung der Implantatpro-
nuten, da präzise Absprachen zwischen Zahn-
thetik gestalten Zahnarzt und Zahntechniker
arzt und Zahntechniker die Parameter bereits
gemeinsam, detaillierte Absprachen sind un-
festgelegt haben. Kurze Zeit nach Abschicken
verzichtbar. Ausgeführt wird die Zusammenar-
der Bestellung holt ein Logistikdienstleister
beit mit einem durchdachten, standardisierten
das Implantatmodell mit Wax-up und Gegen-
Workflow – echtes Teamplay also.
kiefer ab und schickt es in speziellen Versandboxen nach Schweden. Alternativ kann das Mo-
Implantatplanung auf Basis der prothe
dell im Labor eingescannt und und die Daten
tischen Vorgaben
digital übermittelt werden.
Wenn Zahnarzt und Zahntechniker Hand in Hand arbeiten, können vorhersehbare und hervorragende Behandlungsergebnisse erzielt werden,
SCHRITT 2 – ANPASSUNG UND FREIGABE
die die Patientenwünsche umsetzen und nach
In Mölndal, der schwedischen Produktionsstät-
anatomischen, funktionellen und ästhetischen
te von Atlantis, wird das Modell – soweit noch
Gesichtspunkten optimal konzipiert sind. Die
nicht geschehen – eingescannt. Ein Abutment-
im Vorfeld gemeinsam erarbeiteten protheti-
Designer entwirft mit Hilfe einer speziellen
schen Vorgaben sind die Basis für das Backward
Software (Atlantis VAD – Virtual Abutment De-
Planning, mit dem das Ziel der Behandlung de-
sign) ein virtuelles Abutment, das sich an der
finiert und der Weg dorthin festgelegt wird. Die
Form der endgültigen Krone orientiert. Be-
Implantatposition wird beim Backward Plan-
handler und Zahntechniker können in der Re-
ning nicht mehr während der Implantation be-
gel einen Tag nach der Bestellung den Abut-
stimmt, sondern im Vorfeld berechnet. Dabei
mententwurf in der virtuellen Mundsituation
ergänzen sich das Wax-up auf dem Planungs-
auf dem Web-Portal begutachten. Der Atlan-
modell, das der Zahntechniker erstellt, und das
tis 3D Editor, eine neu entwickelte Software
Planungssystem (siehe Facilitate) zur compu-
optimierung, erlaubt es, Änderungen an den
tergestützten Implantatplanung und schablo-
Abutment-Entwürfen direkt am PC vorzuneh-
nengestützten Implantatinsertion.
men. Das können zum Beispiel Anpassungen am Stumpf und am Durchtrittsprofil oder Ver-
Step by Step – vier Schritte zur Prothetik am
laufsänderungen der Präparationsgrenze sein.
Beispiel von Atlantis
Allerdings bleiben vorgenommene Änderun-
SCHRITT 1 – BESTELLUNG
gen immer softwarekontrolliert, so erfolgt z. B. bei Unterdimensionierung ein Warnsignal. Das
Mithilfe der Indexregistrierung überträgt der
System ermöglicht einen einfachen Zugriff auf
Zahntechniker nach der Implantatinsertion die
den jeweiligen Patientenfall rund um die Uhr.
exakte Implantatposition auf das Planungsmo-
Tatsächlich wird der weitaus größte Teil der de-
dell und modelliert ein weiteres Wax-up. Da-
signten Abutments ohne Änderungswünsche
bei wird jetzt zusätzlich das Augenmerk auf die
freigegeben.
Gestaltung des Emergenzprofils, des Weichgewebes und der Papille gelegt. Dieses neue Waxup ist Basis für das Design des CAD/CAM-Abut-
SCHRITT 3 – PRODUKTION
ments, das über die Atlantis WebOrder bestellt
Nach erfolgter Freigabe werden die Abut-
wird. Vom Einloggen bis zur Komplettierung der
ments unter Einsatz modernster Frästechnik
Bestellung und Definierung der Anforderungen
mikrometergenau aus einem Titan- oder Zir-
(Größe, Breite, Emergenzprofil, Tiefe der Prä-
kondioxid-Rohling gefräst. Abutments aus
parationsgrenze, etc.) dauert es nur wenige Mi-
Titan sind die am häufigsten verwendeten un-plaqued No 19 | 157
LABORATORIUM DIFFICILE / WAHRHEIT
Implantataufbauten und können bei allen Indikationen und in allen Positionen im Mund eingesetzt werden. GoldHue sind titannitridbeschichtete TitanAbutments, die dem Abutment einen warmen, goldenen Farbton verleihen – ideal beim Einsatz in hochästhetischen Zonen bei einem dünnen Gingiva-Biotyp. Abutments aus Zirkondioxid sind in verschiedenen Farbnuancen erhältlich und besonders für hochästhetische Ergebnisse geeignet, zum Beispiel im Frontzahnbereich.
Atlantis TM Abutments in unterschiedlichen Materialien
SCHRITT 4 – AUSLIEFERUNG Im wahrsten Sinne des Wortes erfolgt die Auslieferung des fertigen Abutments ›postwendend‹. Das Abutment muss nicht mehr nachbearbeitet werden und passt perfekt auf das Modell. Der Zahntechniker kann sofort mit dem Anfertigen der Suprastruktur beginnen. Interdisziplinäres Teamwork von Anfang an Erfahrene Praktiker bevorzugen die möglichst frühe Einbindung der Zahntechnik in den implantologischen Prozess – zu oft wird der Zahntechniker erst nach der Implantation hinzugezogen. Das frühzeitige Involvieren erlaubt beiden – Zahnarzt wie Zahntechniker – von Anfang an den Weg zum Ziel mit dem ›Blick aufs Ganze‹ gemeinsam zu gestalten. CAD/CAM-Abutments bieten die perfekte Möglichkeit, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu hochästhetischen und vorhersagbaren Ergebnissen zu führen. Dabei ist das einfache und schnelle Handling bemerkenswert, der Arbeitsaufwand im Vergleich zu konventionellen Abutments, die zeitintensiv nachbearbeitet werden müssen, gering.
>>>
Teamwork ist auch in der Zahnarztpraxis gefragt – mehr dazu auf Seite 84: AUFBRUCH IN DIE IMPLANTOLOGIE 158 | un-plaqued No 19
2008 lernten wir die dürftige zahnmedizinische Versorgungslage in Gambia kennen.
2009 gründeten wir den gemeinnützigen Verein ÄRZTE HELFEN e.V.,
richteten eine kleine Zahnklinik in unserer Partnerklinik ein und organisierten die ersten Ärztetransfers. Das Projekt TEETH beginnt.
2010 konnten wir zwei gambianische Oral Health Worker anstellen. Sie praktizieren seitdem ganzjährig.
2011 richteten wir ein kleines Zahnlabor ein und können Zahnersatz anfertigen.
2012 kämpfen wir mit der schwierigen nanziellen Situation unserer Partnerklinik. Für den weiteren Bestand der medizinischen Versorgung werden Sach- und Geldspenden sowie das persönliche Engagement medizinischer Fachkräfte benötigt.
www.aerztehelfen.de 030/39202449
Helfen Sie uns zu helfen. Spendenkonto ÄRZTE HELFEN e.V.: Konto 78 15 700 BLZ 300 606 01 (Deutsche Ärzte- und Apothekerbank)
RUBRIK UN-PLAQUE / WAHRHEIT YOUR LIFE / WAHRHEIT
Das aufregende Leben der
CA SS AN DR A- M IC HE LE
Folge 3: Wahrheit
160 | un-plaqued No 19
UN-PLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
oder: When a man loves a woman
D
a liege ich mit meiner Freundin ganz entspannt auf der Couch und wir schauen so eine romantische Liebesschnulze namens: ›When a man loves a woman‹ an – da höre ich sie plötzlich leise weinen, sie reibt ihr
kleines, nasses Näschen im Taschentuch und haucht ganz verlegen so etwas wie: ›Oh nee, was schön.‹ Ich erhebe mein müdes Haupt und werfe ihr so zärtlich, wie es mir möglich ist, die nackte Wahrheit vor die Füße: ›Vergiss den Scheiß, dat gibt es doch gar nicht.‹ Ich habe leider alle Illusionen verloren, sämtliche Bastionen sind gefallen und eben diese nackte Wahrheit macht mir und meiner im Grunde doch sehr romantischen Seele einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Die Wahrheit ist: es gibt keine Prinzen mehr. Eigentlich sind meine Mutter und Mr. Walt Disney daran schuld, denn beide prägten meine Phantasie mit einschlägigen Märchen von mutigen Prinzen, die gegen böse Drachen und gemeine Hexen kämpften. Prinzen, die sich in holde Schönheiten verliebten, sie retteten, befreiten und erlösten. Prinzen – die hätten jede haben können und haben sich doch nur für die Eine entschieden. Und am Ende haben sie sich immer bekommen – da stand sie dann in ihrem weißen Kleid und Hochsteckfrisur, er hielt ihr zartes rosa Händchen – und wenn sie nicht gestorben sind, bla, bla, bla ... So verließ ich den heiligen Gral meiner Kindheit, sorgsam behütet, naiv und mit Dauerwelle. Ich wurde zwangsläufig erwachsen mit allen Konsequenzen: Girokonto, GEZ-Nachzahlung und mehrfach gebrochenem Herzen. Wo sind sie denn nun? Diese verdammten Prinzen? Heute tragen sie verwaschene T-Shirts vom Wühltisch und zerlatsche Turnschuhe, sie haben Mut und Leidenschaft gegen eine langweilende Coolness eingetauscht. Heute zieht keiner mehr sein Schwert für die Liebe! Gefühle werden heimlicher als Drogen gehandelt. Die ›Eine‹ wird eine von vielen – auf jeder Party, in jedem Club warten neue Optionen und am Ende gibt es keine Entscheidung. Der Mann hat aufgehört zu kämpfen, wobei sich jedoch der Wert seiner Beute erst durch den Kampf definiert. Der Mann konsumiert das Weibchen, schnell und unkompliziert. Das Weibchen sitzt am Ende da, wartet auf seinen Anruf, macht RTL2 an und schaut blöde Schnulzen! Der feine Herr sonnt sich in seinem Testosteronspiegel, lässt sich einen Drei-Tage-Bart stehen und spricht mit Laptop und Latte im Cafe sitzend vom Zauber der unendlichen Freiheiten. un-plaqued No 19 | 161
UN-PLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
Da sitz ich nun in meinem Turm, lasse mir die Haare wachsen, doch niemand steht unten und will rauf. Hoffnungslos verloren zwischen Mädchen-Trauma und Erwachsenen-Vernunft versuche ich mir am Ende das optimistische Beruhigungsmantra aufzusagen: ›Gedulde dich, holdes Weib, er wird schon kommen.‹ (Fuck you.) Welche der unzähligen Begegnungen geht über den Tausch einer Telefonnummer hinaus? Welche Begegnung überlebt erste zwischenmenschliche Aktivitäten? Manchmal habe ich das Gefühl, dass mehr Sorgfalt auf Unverbindlichkeit, als auf Annäherung gelegt wird. Die Flucht beginnt schon vor dem ersten ernsten Manöver – so werden keine Kriege gewonnen, werte Herren. Und so hetzen sie alle durch Berlin, rennen ihren Träumen hinterher oder begraben sie still und leise am Straßenrand – die Stadt trägt tausend Mahnmale gebrochener Herzen. Die Prinzessinnen mit oder ohne Hoffnung, die Prinzen mit oder ohne Schwert begegnen einander oder auch nicht. Am Ende sprechen wir dann von Schicksal oder vom Märchen. Kurz bevor mich die düstere Realität versucht mit ihren kalten Pranken zu schnappen, greife ich zu meiner Geheimwaffe – Luther Vandross! Seine Musik legt sich auf meine Synapsen, vernebelt mein Gehirn und ich schwebe auf einer weichen, weißen Blase aus Liebe, Hoffnung und Zuversicht der Zukunft entgegen. Gott sei Dank gibt es Schuhläden und Luther Vandross. ›Liebe Gemeinde, versucht Euch zu erinnern, an dieses warme Gefühl Eurer Kindheit, fest daran zu glauben, dass es da draußen tatsächlich echte Prinzen gibt. Mutige Männer in Rüstung, zu allem bereit, um für die Liebe zu kämpfen! Hört auf Euer Herz, gebt nicht auf und kämpft. Was habt Ihr zu verlieren? Es ist die Selbstlosigkeit, die Euch zu wahren Helden macht. Gefühle zeigen macht nicht angreifbar, sondern stark.‹ Eure Cassandra-Michelle
162 | un-plaqued No 19
UNPLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
INGE‘S MUSIC IN THE BOX Kennen gelernt habe ich sie mit Sugar my Skin, die Seele aus dem Leib getanzt
Konzerte 2012
habe ich mir zu Songs wie Alles Neu, Ekelhaftes Benehmen und Kreisel, gehei-
Erfurt 02.11.
ratet habe ich zu Tanz der Moleküle und zur Scheidung hörte ich Dann war das
Offenbach 03.11.
wohl Liebe. Wann immer besondere Situationen in meinem Leben stattfan-
Köln 08.11.
den, war mit Sicherheit auch ein MIA.-Song dabei. Wenn ich die Arme in den
Hannover 09.11.
Wind strecke und mir die Freiheit um die Nase weht, und ich dabei Heroes oder
Magdeburg 10.11.
Fallschirm höre, oder in den melancholischen Momenten zu Rien ne va plus, 5
München 15.11.
bis 8 oder Brüchiges Eis gedanklich abschweife – ihre Songs haben mich oft da-
Stuttgart 16.11.
bei begleitet. Weil sie etwas zu sagen haben, und weil das weitere Gedanken
Oberhausen 17.11.
in mir auslöst.
Bamberg 23.11.
Schon oft hat MIA. Menschen polarisiert, mit ihren Texten Themen aufge-
Dresden 07.12.
bracht, die zum Nachdenken angeregt, Protest ausgelöst oder Zustimmung
Leipzig 08.12.
geerntet haben. Die größten Diskussionen hat wahrscheinlich der Song Was
Hamburg 14.12.
es ist erzeugt, als sie von schwarzem Kaffee, roten Lippen und der goldenen
Berlin 15.12.
Sonne sang. Aber es hat mitten in die Neufindungsphase meiner Identifikation mit Deutschland gepasst. PRO Test hat mich in so mancher Situation weiter an die Sache glauben lassen und mich auf meinem Weg bestärkt. Und natürlich ist Hoffnung im Pauken & Trompeten Remix meine absolute Hymne, einen schlechten Tag wieder schön zu machen. Das neue Album von MIA. heißt so, wie sie sind und wie sie immer waren: TACHELES ! Seit der ersten Platte sprechen sie Klartext, erzählen sie ihre Geschichten oder auch ihre Erfahrungen und Wahrheiten. So auch hier, und doch sind sie anders als auf den vorherigen Alben. Und irgendetwas ist dazu gekommen, denn die Texte und Songs passen schon wieder zu den Themen meines Lebens. Durchhaltevermögen, Genuss, Liebe, Verlust, Erwartungen und noch viel mehr. Wer die Mieze einmal auf der Bühne erlebt hat, weiß, dass sie ihre Perspektive des Lebens besingt und dass sie lebt, worüber sie singt. MIA. hat eine Message, und mit dieser verbreiten sie Mut, und inspirieren zu neuen, eigenen Wegen. Ich finde, wenn Menschen Musik so lieben, wie diese Band, und anderen mit ihrer Musik so viel zurückgeben, ist das mehr als eine Empfehlung wert. Deswegen: Hören Mitsingen Kaufen Verschenken Teilen! Eure Inge =)
www.miarockt.de un-plaqued No 19 | 163
MIA. TACHELES
ZÄHNE AUF DEM CATWALK
164 | un-plaqued No 19
un-plaqued No 19 | 165
UN-PLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
166 | un-plaqued No 19
UN-PLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
TEXT Ingmar Dobberstein · FOTO Lars Kroupa
W
ann immer man denkt, man hätte schon alles gesehen – wird man von Neuem überrascht. So geschehen in diesem Jahr auf der Berliner Fashion Week 2012, bei der gleich auf drei Modenschauen
Schmuck der Designerin Zofie Angelic gezeigt wurde. Das Besondere daran: die Schmuckstücke basieren auf Vitapan Kunststoffzähnen, die normalerweise für die Herstellung von partiellen und totalen Prothesen eingesetzt werden. Umso erstaunlicher ist es, dass sich die Schmuckdesignerin Zofie Angelic dieses Materials bedient hat, um es in ihre Kollektion zu integrieren. Während Zähne normalerweise nur bei Zahnmedizinern ästhetische Faszination auslösen, hat sie diese in Form von Armbändern, Colliers, Ringen und Masken in einen gänzlich neuen ästhetischen Rahmen gesetzt. Zofie Angelic ist in der Modewelt für ihren unkonventionellen, ästhetischen Stil, sowie die besondere Materialauswahl ihrer handgefertigten Schmuckstücke bekannt. Aus mehreren hundert einzelnen Svarowski-Kristallen kreierte sie unter anderem den Kopfschmuck für die Fashion Show von Guido Maria Kretschmer, die mit großer Eleganz an Motive aus Tausendundeiner Nacht erinnerten. Die Show des Labels Siok ließ seine Models sogar ausschließlich ihre Zahnschmuckkollektion als Accessoires tragen. Auf der Berliner Fashion Week begeisterte Zofie Angelic mit ihrer extravaganten Zahnschmuck-Kollektion nicht nur Publikum, Models und Designer sondern auch den ein oder anderen Celebrity. Die Idee zu dieser Aktion entstand in Zusammenarbeit mit der Agentur White & White und der VITA Zahnfabrik, die in den letzten Jahren immer wieder durch un-plaqued No 19 | 167
UN-PLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
besondere Aktionen um die Ästhetik und die Identifikation mit Zähnen aufgefallen sind. Dass es die Firma VITA nach Musikvideos, Apps und einigen beeindruckenden Imagekampagnen nun bis zu Deutschlands größtem Fashionevent geschafft hat, überrascht einmal mehr. Die Berliner Fashion Week findet zweimal jährlich statt und vereint mehrere Modemessen in der Stadt. Längst hat sie es zu weltweiter Anerkennung gebracht, nicht zuletzt weil Berliner Designer immer wieder durch extravagante Kreationen als Querdenker auf sich aufmerksam machen. Dabei steht die in Berlin gezeigte Mode nicht für die Haute Couture à la Paris, sondern vielmehr für spezielle, aber unbedingt tragbare Mode. ›Are you excentric enough...‹ war das Motto der diesjährigen Fashion Week – die Zahnschmucklinie von Zofie Angelic ist definitiv exzentrisch genug, um sogar herausnehmbare Zähne gesellschaftsfähig werden zu lassen. Seit mehr als 50 Jahren produziert das Bad Säckinger Familienunternehmen VITA Kunststoffzähne und beliefert damit Zahntechniker und Zahnärzte weltweit. Als Sponsor für die Zahnschmucklinie von Zofie Angelic gibt das Unternehmen ein eindeutiges Bekenntnis zu konfektionierten Zähnen. Auch die gelungene fotografische Inszenierung (White & White) zeigt, dass konfektionierte Zähne alles andere als langweilig sind. Lars Kroupa, Inhaber der Agentur White & White steht stolz hinter der Idee: ›Unsere Zahnschmuck-Bilder sind in diesem Umfeld etwas provokant, aber es sind alles Motive, auf denen das Auge gerne verweilt. Erst wenn die Bilder länger wirken, werden die unechten Zähne sichtbar. Ähnlich dem Anspruch bei Zahnersatz im Mund – nahezu unsichtbar und hochästhetisch!‹ Und da behaupte mal einer, herausnehmbare Zähne wären nicht sexy ... un-plaqued ist begeistert! // 168 | un-plaqued No 19
UN-PLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde
Das Einzige, was stört,
Kieferorthopädie
ist der Patient
F. G. Sander, N. Schwenzer,
R. Rankel,
M. Ehrenfeld
O. Reichert di Lorenzen
2. Aufl., neu erst. 2011, 489 S.,
1. Aufl. 2010, 144 S., Set Buch &
1.324 Abb., geb.,EUR 89,95
Hörbuch, EUR 34,80
ISBN 978-3-13-593802-8
ISBN 978-3-86867-037-0
Die zweite, neu erstellte und erweiterte Aufla-
Bücher zur erfolgreichen Praxisführung gibt es
ge des KfO-Klassikers zeigt sich als umfassendes
viele. Oliver Reichert di Lorenzen, ein begehr-
Lehrbuch für die Aus- und Weiterbildung. In 15
ter Ansprechpartner in Fragen dentaler Schön-
Kapiteln wird das gesamte kieferorthopädische
heit und Roger Rankel, Experte für Kundenge-
Spektrum beleuchtet. Die ungewöhnlich zahl-
winnung, haben mit ›Das Einzige, was stört, ist
reichen, qualitativ hochwertigen Abbildungen
der Patient‹ einen neuen Ansatz gewählt: Sie
vermitteln das Wissen leicht und überaus an-
verbinden auf inspirierende und unterhaltsa-
schaulich, so werden dem Leser viele Arbeits-
me Weise zahnmedizinische Branchenkenntnis
schritte aus Labor und Praxis Schritt für Schritt
und betriebswirtschaftliches ›Verkaufsden-
näher gebracht.
ken‹. In kurzweiligem Ton betrachten die Auto-
Jungen Zahnmedizinern, die sich mit den
ren den Patienten – ›der Mensch, der am Zahn
Grundlagen und der kieferorthopädischen Di-
hängt‹, sie untersuchen verschiedene Praxis-
agnostik befassen, dient es als gutes Nachschla-
konzepte, die Qualität des Erstkontakts zum Pa-
gewerk, vielleicht auch als Anregung für eine
tienten und die Einstellung der Mitarbeiter. Je-
spätere Laufbahn als Kieferorthopäde. Dem
des Kapitel wird durch eine Checkliste ergänzt,
Praktiker werden aktuelle Behandlungsmetho-
so dass ein alltagstauglicher, Praxis-orientier-
den vermittelt und zahlreiche konkrete Thera-
ter Leitfaden entstanden ist – voller Ideen, die
pievarianten aufgezeigt. Vor allem die Praxis-
nicht viel kosten, außer Einsatz und ein wenig
tipps sind sehr hilfreich und werden durch das
Kreativität. Ein empfehlenswerter Ratgeber für
nötige theoretische Hintergrundwissen so un-
Praxisinhaber und Mitarbeiter, die ihre eigene
terfüttert, dass die Anwendung dieser oder je-
Praxisphilosophie kritisch hinterfragen und Be-
ner Apparatur bzw. Therapie stets nachvollzieh-
triebsblindheit vorbeugen wollen.
bar ist.
Für alle, die bei unserer letzten Ausgabe zum
Das Buch ist sehr empfehlenswert, da es sowohl
Thema Kommunikation auf den Geschmack ge-
inhaltlich als auch optisch viel zu bieten hat. Be-
kommen sind und sich ausführlicher mit diesen
sonders Weiterbildungsassistenten können sich
Themen beschäftigen wollen, ist dieses Buch ein
den ›Sander‹ getrost unter ihr Kopfkissen le-
Muss. Wer wenig Zeit zum Lesen hat oder ein-
gen!
fach lieber zuhört, gibt es den Leitfaden im Set als Buch und als Hörbuch – gelesen von Dagmar Berghoff.
WIR EMPFEHLEN: 170 | un-plaqued No 19
UN-PLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
Privatleistungen
Basis Parodontologie
erfolgreich anbieten
Einfach Perfekt -
Praxiserfolg sichern
Perfekt Einfach
R. Homma
C. Langhorst,
181 S., 9 Abb., Br.,1. Aufl. 2011
Illu: E. Langhorst
EUR 37,80
1. Aufl. 2010, EUR 39,90,
ISBN 978-3-94196-442-6
ISBN 978-3-00-0319452-5
Patienten für notwendige Privatleistungen
Cord Langhorst, Leiter der ZMP-/ZMF-Ausbil-
und höherwertige Versorgungen zu gewinnen,
dung und langjähriger Zahnarzt, hat mit seiner
ist für manchen Zahnarzt immer noch eine un-
Tochter Eva Langhorst ein wunderbar illustrier-
gewohnte Herausforderung. Das aktive An-
tes Lehrbuch zur Parodontologie verfasst. Ein-
bieten von Privatleistungen erfordert eine ge-
gebettet in eine phantasievolle Rahmenhand-
naue Kenntnis der Persönlichkeitsmerkmale
lung, in der die Zahnarzthelferin Zari aus einem
und Verhaltensweisen des Patienten. Reinhard
fernen Land nach Deutschland kommt, um eine
Homma hat mit seinem Praxisleitfaden ein rea-
Weiterbildung als Dentalhygienikerin zu ma-
listisches und praxistaugliches Konzept entwi-
chen, vermittelt das Buch auf kreative Weise
ckelt, um Kunden für private Behandlungsmaß-
die Grundlagen der Parodontologie.
nahmen zu gewinnen. Sein Ratgeber vermittelt
Trotz der künstlerischen Aufmachung ist das
nicht nur Hintergrundwissen zum Thema Kauf-
Lehrbuch ein klar strukturierter Leitfaden, der
motivation, Denk- und Verhaltensstrukturen
aktuelles Basiswissen vermittelt: Angefangen
von Kunden, es werden ebenso die emotiona-
bei den Ursachen der Erkrankung, über die Be-
le Ansprache der Kunden in der Praxis beleuch-
funderhebung und Mundhygiene bis zu den Be-
tet, als auch typische Kommunikationsaussa-
handlungsmöglichkeiten von parodontalen Er-
gen und mögliche Verbesserungen präsentiert.
krankungen. Darüber hinaus wird im Kapitel
Ebenso wird deutlich, wie wichtig es ist, mit Be-
›Verhaltensänderungen‹ psychologisch ein-
geisterung und Leidenschaft in das Kundenge-
fühlsam erklärt, wie man eine Bewusstseinsän-
spräch zu gehen und eine klare Strategie in der
derung beim Patienten im Umgang mit seiner
Kommunikation zu verfolgen. Interviews mit
Erkrankung erreichen und ihn zu einer Verhal-
verschiedenen Zahnärzten untermauern den
tensänderung bewegen kann.
Erfolg des vorgestellten Praxiskonzeptes – mit ›Privatleistungen erfolgreich anbieten‹ werden
Entstanden ist ein origineller und ganzheitli-
Praxisneugründer wie auch erfahrene Zahnärz-
cher Leitfaden durch die Parodontologie mit
te angesprochen, Kommunikation erfolgreich
vielen verständlichen Beispielen, die so schön
umzusetzen.
illustriert sind, dass man sie sich spielerisch
Mehr zum Thema in Reinhard Hommas Artikel
merkt. Ein Fachbuch, das man so gerne liest,
›Kannst Du erfolgreich sein?‹ in der UN-PLAQUED,
wie eine spannende Geschichte.
Nr. 18, Kommunikation.
DAS LESEN un-plaqued No 19 | 171
UN-PLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
WUSSTET IHR SCHON? UN-PLUEQAD Wusstet ihr schon, dass es eagl ist, in wlehcer Rehenifloge Bcuhstbaen in eneim Wrot sethen, Huaptschae, der esrte und ltzete Bcuhstbae snid an der rhcitgien Setlle? Ncah enier Sutide, die uetnr aerdnem von der Cmabirdge Uinertvisy dührruchgeft wrdoen sien slol, ist die Bcuhstbaenrehenifloge in eneim Wrot eagl. Solnage der esrte und ltzete Bcuhstbae rhcitg ist, kenönn die rsetclhien Bshcuteban ttoal druchenianedr sien, und man knan es tortzedm onhe Poreblme lseen, wiel das mneschilhce Gherin nhcit jdeen Bcuhstbaen enizlen leist, snodren das Wrot als Gnazes. =) mrc-cbu.cam.ac.uk
Patientenaufklärung am Kaffeetisch Der nexilis Verlag wendet sich als Sachbuchverlag mit einem speziellen Angebot an Zahnärzte sowie Fachspezialisten der Zahnmedizin. Die beiden Patientenratgeber ›Moderne Zahnmedizin. Schöne Zähne.‹ und ›Praxisratgeber Implantologie‹ heben sich nicht nur optisch und haptisch von üblichen Ratgeberbüchern ab, sondern bestechen durch ihre Individualisierbarkeit. Eine Praxis kann in Herausgeberschaft eine eigene Auflage des Patientenratgebers realisieren. Dabei werden die Praxis auf mehreren Seiten in Wort und Bild vorgestellt, der Umschlag komplett individuell gestaltet sowie der Herausgeber mit Porträt und Kurzvita in der Umschlagklappe dargestellt. So erhält das Buch einen sehr persönlichen Touch und wird vom Patienten als noch werthaltiger empfunden.
nexilis-verlag.com
In der Beratung persönlich überreicht, unterstreicht das eigene Buch die Kompetenz und Hochwertigkeit der Leistungen der Praxis, und ist deutlich langlebiger als ein Praxisflyer. Ab 2,96 € / Buch (je nach Auflage).
172 | un-plaqued No 19
UN-PLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
Am Anfang war das Licht Dass Lupenbrillen hilfreich bei der täglichen Arbeit in der Praxis sind, steht mittlerweile außer Frage. Aber wusstet Ihr schon, dass man mit der richtigen Beleuchtung zusätzliche 2 cm Tiefenschärfe gewinnen kann? Mal abgesehen davon, dass jegliches lästiges Licht einstellen der OP-Lampe endlich überflüssig wird. Die Firma starMed, seit vielen Jahren verlässlicher Anbieter für medizinische Beleuchtungssysteme und Lupenbrillen, bietet mit dem starLight nano eine äußerst leichte (8g) und stufenlos dimmbare LED-Leuchte an, die auf alle gängigen Lupenbrillen adaptiert werden kann. starVision-Lupenbrillen, die übrigens auch als Studentensammelbestellung zu besonders günstigen Konditionen erhältlich sind, verfügen bereits ab Werk über den entsprechenden Adapter. Wenn Ihr also wirklich sehen wollt, was Ihr gerade am Patienten fabriziert habt, kann man Euch die starVision-starLight nano-Kombination nur empfehlen – ... und es ward Licht. starmed-technik.de
Die Okklusions-Community Dr. Jean Bausch GmbH & Co. KG, führender Anbieter von Okklusionsprüfmitteln, ist jetzt mit einer Facebook-Seite vertreten. Auf facebook.com/bauschdental finden Sie die neuesten Informationen über Bausch-Produkte sowie interessante Videos und Fotos zur Okklusionsprüfung. Treten Sie einer Community von über 2000 Fans bei und beteiligen sich an Diskussionen über Zahnheilkunde und
facebook.com/
Okklusion: bauschdental.de
bauschdental
un-plaqued No 19 | 173
UN-PLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
›VITA ToothFinder‹ navigiert zum richtigen Zahn Der VITA ToothFinder ist ein neues Programm, das die Auswahl passender Front- und Seitenzähne für herausnehmbare voll- und teilprothetische Versorgungen erleichtert. Schritt für Schritt erreicht der Anwender sicher die richtigen Garnituren. Auf der ersten Stufe wählt der Nutzer aus den drei zur Verfügung stehenden Frontzahnlinien die jeweils passende aus. Das Angebot reicht vom vollanatomischen Frontzahn VITA PHYSIODENS bis hin zum unschlagbaren Klassiker VITAPAN, der seit April 2012 in optimierter Anatomie und Schichtung als VITAPAN PLUS angeboten wird. Ist die Entscheidung für eine Frontzahnlinie getroffen, leitet das System über die Erklärung unterschiedlicher Aufstellkonzepte zur Bestimmung der jeweils funktionsgerechten Seitenzahnlinie: VITA PHYSIODENS mit vollanatomisch ausgeformten Kauflächen, VITA LINGOFORM mit anatomisch präabradierten Kauflächen, VITAPAN CUSPIFORM mit semianatomisch schmal gestalteten Kauflächen und VITAPAN SYNOFORM mit plan angelegten Kauflächen. Darüber hinaus findet der Interessierte detaillierte Ausführungen zum VITA MRP (Microfüller Reinforced
vita-zahnfabrik.com
Polyacrylic)-Material, das millionenfach erfolgreich verarbeitet wird. Weitere Informationen zu fachspezifischen Kursen und Arbeitsinstrumenten sowie die Möglichkeit, Prospekte und Formenkarten herunterzuladen, runden das Programm ab.
Parodontitis-Selbsttest-App: Kampfansage an eine Volkskrankheit Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e.V. (DGP) hat die App ›Selbsttest Parodontitis‹ zur Früherkennung von Parodontitis für Patienten auf den Markt gebracht. Mit der neuen Anwendung sollen auf spielerische Art Berührungsängste abgebaut und der Zugang zur Parodontitis-Behandlung erleichtert werden. Unbehandelte Parodontitis kann mittel- bis langfristig nicht nur zu Zahnverlust führen, sondern auch den Verlauf chroni174 | un-plaqued No 19
UN-PLAQUE YOUR LIFE / WAHRHEIT
scher Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder von Herz-Kreislauferkrankungen verschärfen. Einfach verständlich und leicht zu bedienen führt die neue App den Laien zu einer groben Einschätzung, ob eine parodontale Erkrankung bei ihm vorliegen könnte. Elf Fragen mit je drei Antwortmöglichkeiten ermitteln die persönliche Erkrankungswahrscheinlichkeit. Ist diese hoch, wird ihm zum Besuch bei seinem Zahnarzt geraten.
itunes.apple.com
Entwickelt hat Professor Kocher die App gemeinsam mit seinem DGP-Vorstandskollegen Dr. Filip Klein. Nach erfolgreicher Einführung der ersten AppVersion plant die DGP für das Update bereits eine weitere Verfeinerung: ›Unser nächstes Ziel ist es, in einer zweiten Ausbaustufe den Selbsttest mit einen Algorithmus zu unterlegen, der auf den wissenschaftlichen Daten einer großen Bevölkerungsstudie (SHIP) beruht‹, so Professor Kocher.
PLAQUE 'N' PLAY Nach dem Erfolg des AKW-Quartetts gibt ein neues Supertrumpf-Kartenspiel: Das Demo-Quartett ›Deutschlands Proteste‹ portraitiert auf 32 Karten die wichtigsten Bürgerbewegungen. Mit den acht Kategorien Studenten, BauProjekte, Soziales, Anti-AKW, Krawalle , Frieden, DDR und Menschenketten fächert das Quartett die großen Themen zivilgesellschaftlichen Engagements auf, vom Arbeiteraufstand 1953 in der DDR bis zur großen Anti-Atomkraft-Kundgebung nach dem Fukushima-GAU. Nach bewährter SupertrumpfManier kann man sich gegenseitig mit Werten wie ›Wutpotential‹ und ›Erfolgsfaktor‹ überbieten.
UED Q A PL U N- R L O S T T T E. E T VE R ie QUA de d O sen finM d E n u nn 3D lück en ›Wa
ge in G nell e De die Fra raditio ?‹ an h c t f t su t au hr die lin stat . Ver r wor Ant jedes Ja e in Be ed.com l den Krawal -plaqu n i u a @ M info
un-plaqued No 19 | 175
demo-quartett.de
DER GESUNDE MENSCHENVERSTAND / WAHRHEIT
DIE WAHRHEIT IST: ILLUSION!
Wahrheit und Illusion liegen dicht beieinander.
Unser Selbstbild und die Bedeutung, die wir
Die Suche nach der Einen lässt uns meistens die
ihm geben, bestimmen unseren Terminkalen-
Andere entdecken.
der und die Prioritäten, nach denen wir leben. Was aber würde der Welt fehlen, wenn es den
Das größte Geheimnis ist die Zukunft, deren Un-
Einzelnen von uns nicht mehr gäbe?
gewissheit unserem Bedürfnis nach Sicherheit gegenüber steht. Doch wie kann man das Unbe-
Der Tag ist dabei wie eine Glocke, die simuliert,
kannte entdecken, wenn man täglich kleine und
wir wären die bedeutendste Spezies, allein auf
große Pläne macht?
dieser Welt. Die Nacht dagegen öffnet das Fenster, das uns zum Teilchen im Universum werden
Kontrolle zu haben ist ein Gefühl, dass uns
lässt.
Wahrheit und Selbstbestimmung vermittelt. Die Zufälle des Lebens belehren uns täglich ei-
Illusionen sterben, je mehr Erfahrungen wir
nes Anderen. Was also kontrollieren wir wirk-
machen. Auf dem Weg ermöglichen sie uns al-
lich?
lerdings die tägliche Lebensfähigkeit zwischen Wunsch und Wirklichkeit.
Liebe ist Antrieb und Motivation für die größten Taten und stärksten Bindungen des Menschen. Aber wie wählerisch ist die Liebe, wenn ihr Entstehen auf Substanzen, wie Endorphinen und Oxytocin basiert?
176 | un-plaqued No 19
LANG LEBE DIE ILLUSION.
VITAPAN PLUS Innen vollkommen. Außen vollendet. ®
HORIZONT-ERWEITERUNG ERWÜNSCHT?
VITA shade, VITA made. Anforderungen wachsen, Bedürfnisse ändern sich. Darauf gilt
Winkelmerkmale für eine harmonischere Frontaufstellung,
es, zu antworten. Dies haben wir getan: VITAPAN PLUS ist die
verbreiterte Zahnhälse zur altersgerechten Zahnfleischgestal-
weiterentwickelte Ergänzung von VITAPAN und mit seiner mo-
tung und eine optimierte Schichtung für mehr Lebendigkeit.
dernisierten Anatomie die perfekte Symbiose aus Ästhetik
Das ist Ihr Plus an Multifunktionalität, Ästhetik und Sicher-
und Funktion. Hierzu zählen unter anderem verbesserte
heit. Das ist Ihr VITAPAN PLUS./ www.vita-zahnfabrik.com
un-plaqued frei Haus nur 20 € im Jahr: info@un-plaqued.com (auch ältere Ausgaben nachbestellbar)
un-plaqued
Foto: anna.k.o.
3420_2D
Der Klassiker unter den Frontzähnen – aus Ansprüchen neu geformt.