unclesally*s 148

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unclesally*s magazine

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Juli/August 09 / Ausgabe 148 „’Octahedron‘ ist einfache Musik für einfache Leute.“ (Cedric Bixler/The Mars Volta)

JENNIFER ROSTOCK Billy Talent / Dinosaur jr. / Spinnerette / Matt & Kim Lemonheads / Portugal. The Man / Little Boots / The XX Jack Peñate / Im Test: K.I.Z. / The Mars Volta / Gossip

Kino

ZERRISSENE UMARMUNGEN

Festivals

LAST CALL FOR TICKETS

Noch was: KINO / COMIX / COMPUTERSPIELE / DIE BESTEN PLATTEN / HÖRSPIELE / BÜCHER / DVDs



EDITORIAL

Hallo Rätselrater und Hobbyschnüffler, habt ihr denn heute schon gegitterrätselt? Oder einen spannenden Kriminalfall gelöst, mit Augen zu und Licht aus? Brav. Auch wir haben uns in diesem Monat gedacht: Mensch, für die pfiffigen Rateratten unter unseren Lesern sollten wir mal einen Kriminalroman erfinden. Einen mit heißen Öfen, kaltblütigen Bräuten und frischem Éclair. Gedacht, gemacht! Also Vorhang auf, bienvenue and please welcome den Star dieser Ausgabe, den feuchten Albtraum der Cosa Nostra, die Trenchcoat tragende Inkarnation von Josef Matula (in lebensgroß): Detektiv Storock! Storock? Was’n dit?, fragt sich da der Knobelkönig. Haben die Amöben vom sally*s ihre Buchstabensuppe im Schnaps ertränkt oder was?! Sprechen die nicht mal geographisch?! Die haben Beth Ditto im Heft, aber keinen Diercke in der Speisekammer oder wie! Wir sagen: Korrekt kombiniert, liebe Glücksradler und Spezifreunde. Deshalb bitten wir euch in diesem Kriminalfall um kollegiale Amtshilfe. Solltet ihr sachdienliche Hinweise zum wahren Namen von Spürhund Storock liefern können oder in Rostock wohnen: Lasst echt mal stecken. Artet sonst nur in Arbeit aus. Wir machen lieber die Beine hoch und dann schön Shanti. Schließlich ist auch hier unten im Brunnen mal Sommer.

Aprops Sommer. Ursprünglich hatten wir vor, so eine trashlastige Überbrückungsausgabe zur nächsten Popkomm zu bauen, aber dann stieg Jasper ins Boot und ging mitsamt der Messe-Mumie baden. Gut für uns! Denn wir können uns nach dem Abpfiff von Gornys Geistergala ganz, gar und gloria auf unser Bühnenjubiläum namens sally*sounds09 konzentrieren, das pünktlich zu unserer 150. Ausgabe an drei politisch und popkulturell unvorbelasteten Orten gleichzeitig steigt: dem Dr. Motte-Denkmal in Berlin (gleich neben dem Bärenbezwinger), der A2 bei Helmstedt (Zebrastreifen links, bei der Post) und natürlich Playback im Fernsehgarten. Da war zwar der Jasper schon, aber wir gehen vorher noch mal mit dem Kärcher bei – sicher ist sicher. Nun viel Spaß im Urlaub und immer schön die Hand aufs Geld, am besten schon beim Buchen. Die besten Spar- und Schnäppchentipps für Reisen ins In- und Umland gibt’s natürlich wie immer bei www.autovermietung.pl oder auf der Fähre von Büsum nach Helgoland. Aber auch hier heißt es: Vorsicht! An Deck lauern windige Halunken, die schon mal Katzen im Sack verkaufen - falls das jetzt jemanden juckt. Euch einen tollen Sommer! (Smoke) Flo


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MUSIK STORIES

INHALT

unclesally*s magazine

No. 148 – Juli/August 09

Foto: Sight Of Sound

Foto: Dustin Rabin

Musik: Seite 40

Musik: Seite 48

Kino: Seite 68

Dinosaur Jr. Vs. Lemonheads

Billy Talent

ZeRrissene Umarmungen

Zwei der prägendsten Indie-Bands der Neunziger veröffentlichen quasi zeitgleich ihre neuen Alben. Grund genug für unseren Anekdotenkönig Torsten Hempelt, einmal in die Geschichte beider Bands abzutauchen und nach Parallelen zu fischen. Ganz seltene Schätze hat der Mann an Bord gezogen, allesamt aus Silber, Gold und Platin.

Die sympathisch-krachigen Kanadier von Billy Talent haben ihre drei (ach nee...) Alben umfassende Trilogie abgeschlossen und schmücken ihre Songs auf „Billy Talent III“ mit mehr Tiefe. Verpackt haben Ben Kowalewicz & Co. ihren Nonstop-Seelenstriptease in groovende Rock-Hymnen, die erst auf lange Distanz ihre ganze Wucht entfalten.

In einem extrem eindrucksvollen Interview erläutert „Zerrissene Umarmungen“-Regisseur Almodóvar seine intensive Beziehung zur Hauptdarstellerin Penélope Cruz, warum Sex am Set für ihn tabu ist und wieso es bei anderen so problemlos funktioniert. On top gibt’s natürlich auch eine ausführliche Besprechung des filmgewordenen Sommerhits.

06 Starter

26-33 Platten

60-63 Auf Tour/ Festivals

06 Arctic Monkeys/ Lukas Sherfey 07 Jasper 08 Beastie Boys/ Devil Driver/ Snow Patrol 09 Miss Li 10 Euer Ding

11-21 Musik Stories I

11 The Airbourne Toxic Event 12 The Mars Volta 13 Regina Spektor 14 La Roux & Little Boots 15 Future Of The Left 18 Robin Tom Rink/ Auletta/ Amazing Baby 19 Jack Peñate 20 The XX 21 Portugal. The Man

16 Auf Achse

Nervös? Gestresst? Müde? Versucht’s doch mal mit Yoga! Das, was an jedem Abendbrotisch der Ü30-Generation als Allheilmittel gegen Alltagsstress abgefeiert wird, haben wir mal einem Praxistest unterzogen. Ob Yoga wirklich die Nerven beruhigt, testen für uns und euch The Temper Trap aus Australien. Foto: Tim Klöcker

Die CDs des Sommers, angeworfen und abgehört von Leuten, die auch nicht viel mehr Mittel zur Verfügung haben als guten Geschmack.

32-41 Musik Stories II

34 Gossip 35 Florence And The Machine 36 Telekinesis/ Passion Pit/ Amanda Blank White Denim/ Toy Fight/ Molotov Jive 38 Jupiter Jones/ Alexis On Fire 39 Matt & Kim 46 Spinnerette

37 Auf Der Couch

Sie reiten wieder! Trotzdem würden The BossHoss lieber als eigenständige Rock-Band in die Geschichtsbücher eingehen und nicht als diese Band, die Outkast auf Country kann. Das sollte doch klappen.

64 In The Mix 65 Sport 66 Quickies

66-73 Kino

70 Das Haus der Dämonen/ Mitte Ende August/ Tropa De Elite 71 Maria, ihm schmeckt’s nicht!/ Coraline 72 Kino Shortcuts 74 Kino DVDs

76-82 Der Rest

Liegt ja nahe: Wir baten Nouvelle Vague, die CoverKönige von Loungehausen, mal um ihr ultimatives Mixtape. So kriegt ihr gute Sachen auf die Kassette.

44 Test

MeHr Auf SALLYS.net

47 Reiseführer „Jenny“ sollte man die Frontfrau von Jennifer Rostock lieber nicht nennen, deshalb haben wir ihr gleich einen komplett anderen Namen an den Trenchcoat geheftet. Gestatten: Detektiv Storock, und der hat noch jeden Fall gelöst...

64 - 66 Für ZWISCHENDURCH

76 Computerspiele 78 Comics 79 Bücher 80 Kreuzworträtsel 81 Redaktionscomic 82 Vorschau/ Impressum/ Screenshots

43 Mixtape

In Sachen Emanzipation ist bei den vier Kids von K.I.Z. wohl Hopfen und Malz verloren. Ob die Typen ihrer Süßen trotzdem mal die Tasche tragen oder sie beim rückwärts Einparken netterweise in die Lücke winken, erfahrt ihr hier.

20 Titel JENNIFER ROSTOCK

Auf diesen Seiten wird deutlich, dass wir alt, faltig und im Gestern zu Hause sind. Wir freuen uns auf Gleichgesinnte bei CJ Ramone und den Riverboat Gamblers.

Prag ist vielleicht nicht mehr das, was es mal war, aber wir lassen uns trotzdem die schönsten Ecken zeigen. Danke, Marta.

50-59 Festivals

Wieder erwacht aus dem Rock am Ring-Koma? Hier stehen ALLE Line-Up-Updates zum Festivalfinale.



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Neuigkeiten

Foto: Dustin Rabin

Heute auf: Finnisch kuolleet ja loukkaantuneet (Tote und Verletzte) DEPECHE MODE

Dave Gahans vermeintlicher Magen-DarmInfekt, der zu mehreren Konzertabsagen von Depeche Modes „Tour Of The Universe“ führte, entpuppte sich als bösartiger Blasentumor. Eine Operation und Ruhe stellten Gahan so weit wieder her, dass die Truppe weiter durch die Lande ziehen kann.

EMPIRE OF THE SUN

Während der letzten Tour hat Luke Steel, eine Hälfte von Empire Of The Sun, seinen persönlichen Sonnentiefststand erreicht. Steel verausgabte sich bei der Konzertreise derart, dass er auf Grund seiner andauernden Schwächeanfälle auf ärztlichen Rat hin kürzer tritt und eine Auszeit nimmt.

JEFF HANSON

Der Singer/Songwriter Jeff Hanson wurde im Alter von 31 Jahren tot in seinem Haus in St. Paul, Minnesota, aufgefunden. Es wird vermutet, dass er durch einen Sturz oder einen vergleichbaren Unfall ums Leben kam.

MANIC STREET PREACHERS

Bei Bassist Nicky Wire macht sich das Alter bemerkbar. Auf Grund einer verletzten Bandscheibe erlitt Wire einen Krampfanfall während eines Gigs. Für den Rest der Tour war er als personifizierte Salzsäule zu erleben.

THE OFFICIAL SECRETS ACT

Vor einigen Monaten war Alex McKenzie von Official Secrets Act in einen Autounfall verwickelt, nun wurde festgestellt, dass sich der Bassist dabei einen Wirbel brach. Während der Behandlung ist Alex White von The Brakes die Vertretung am Zupfinstrument.

hajoamiset ja tauot (Trennungen und Pausen)

SPORTFREUNDE STILLER

Die Sportfreunde Stiller nehmen sich vorerst eine Auszeit. Wann sie wieder auf das Spielfeld zurückkehren, bleibt dabei offen, aber immerhin steht die WM 2010 bevor.

jäsenten vaihdokset (Mitgliederwechsel) AGAINST ME!

Einen anderen Weg der kreativen Betätigung suchte sich Warren Oakes. Anstatt der Drumsticks bei Against Me! schwingt dieser nun den Kochlöffel in seinem Restaurant „Boca Fiesta“. Ersatz haben die Bandkollegen in George Rebelo von Hot Water Music gefunden.

LOS CAMPESINOS!

Aleks von den Los Campesinos! tauscht den Probenraum gegen die Bibliothek. Die Keyboarderin/Vokalistin der britischen Band will sich nach der Arbeit am neuen Album und einer Tour im August wieder ihrem Studium widmen und verlässt die Truppe nach drei gemeinsamen Jahren. Ersatz soll bereits in einem noch ungenannten Freund gefunden sein, heißt es im bandeigenen Blog.

LOSTALONE

Keinen Platz mehr im Terminkalender findet Tom Kitchen für seine Bandkollegen von LostAlone. Aus diesem Grund haben Sänger Steven Batelle und Drummer Mark Gibson entschieden, den Bassisten durch Alan Williamson zu ersetzen. Album und Tour sind in Planung.

SMASHING PUMPKINS

Der 19-jährige Mike Byrne hat gute Chancen, festes Mitglied der Smashing Pumpkins zu werden. Nach dem Ausstieg von Jimmy Chamberlin,

im hobbykeller mit:

Lukas Sherfey (Ex-THE MOVEMENT)

Arctic Monkeys Nachdem sich Sänger Alex Turner mit den Last Shadow Puppets musikalisch fremdvergnügt hat und die anderen Arctic Monkeys ihre Freizeit genossen haben, ging es kürzlich für die vier aus Sheffield wieder gemeinsam zurück an die Arbeit. Ihre dritte Albummission führte sie erst zu Josh Homme in die Wüste, wo der Queens Of The Stone Age-Chef ihnen mithilfe von phantasievollen Euphemismen neue Töne besorgte. In New York, der neuen Heimat von Alex Turner, wartete anschließend Simian Mobile Disco-Mitglied James Ford auf die Jungs, um im Großstadtdschungel den Rest zu erledigen. Das Ergebnis der kleinen Produktionsreise nennt sich „Humbug“ und wird am 21. August erscheinen. Alles über die neuen Bärte der Indie-Propheten, ihre Partys mit P. Diddy und den dritten Langspieler “Humbug” erfahrt ihr in unserer Septemberausgabe. dem letzten Originalmitglied neben Frontmann Billy Corgan, vertritt Byrne diesen vorerst aushilfsweise an den Drums. Wenn alles gut läuft, darf sich der Erstsemesterstudent im Herbst offiziell Kürbiskopf nennen.

XIU XIU

Multi-Instrumentalistin Caralee McElroy wird ab sofort nicht mehr ihren Beitrag zu den experimentellen Klängen von Xiu Xiu beitragen. Mit einem „Thank You“ im Blog verlässt sie die Indie-Band ihres Cousins Jamie Stewart.

uudet projektit ja uudelleenkokoontumiset (Neue Projekte und Wiedervereinigungen) AT THE DRIVE-IN

Reinigung des Karmas: Mars Volta-Frontmann Cedric Bixler-Zavala hat mit den Mitgliedern seiner 2001 aufgelösten Hardcore-Band At The Drive-In gesprochen und einige persönliche Differenzen beigelegt. Hoffnungen auf eine Reunion sind möglicherweise verfrüht, aber diese Maßnahmen scheinen die richtigen Schritte in die richtige Richtung zu sein.

BAD LIEUTENANT

New Order abzüglich Peter Hook haben sich mit Blur-Bassist Alex James unter dem Namen Bad Lieutenant zusammengefunden. Im Oktober erscheint das erste Album.

“In meiner Freizeit beschäftige ich mich mit Sozialismus und allem, was damit zu tun hat. Ich habe Kisten voll mit Flugblättern, Abzeichen, Postern und revolutionärer Literatur. Sämtliche Bücher von ’Black Panther Party’ bis ’10 Days That Shocked The World’. Als Kind war ich Mitglied der dänischen Pioniere und im Sommer jeweils im Ferienlager in der Sowjetunion. Wenn ich auf Tour bin und Zeit habe, versuche ich mir Denkmäler aus dem Zweiten Weltkrieg anzusehen. Das der Roten Armee im Treptower Park in Berlin gehört zu meinen Favoriten.“ Heimat: lukassherfey.com Auch gut: „Soul Vacation“ - das neue Album von Lukas Sherfey

THE CODEINE BREAKFAST CLUB

THE HOT RATS

Radioheads Produzent Nigel Godrich und die beiden Supergrass-Musiker Gaz Coombes und Danny Goffey haben das Projekt The Hot Rats gegründet. Im Herbst erscheint ein Album voller Coversongs, z.B. von den Sex Pistols, Syd Barrett und Gang Of Four.

IGGY AND THE STOOGES

Iggy Pop denkt darüber nach, das legendäre „Raw Power“-Album wieder live und in Farbe mit den Stooges zu spielen. Konkrete Pläne sind noch nicht bekannt.

JACK WHITE

Neben den White Stripes, The Raconteurs und der noch frischen Formation The Dead Weathers plant Workaholic Jack White ein Solo-Projekt. Sein enormer musikalischer Output soll noch in diesem Jahr in ein Album fließen.

MONSTERS OF FOLK

Unter dem kuriosen Bandnamen Monsters Of Folk haben sich Conor Oberst, M. Ward und Jim James von My Morning Jacket zusammengefunden und unter den produktiven Händen von Mike Mogis ein Album aufgenommen, das im August erscheinen soll.

MUCKY PUP

„Zur Feier ihres 20. Jubiläums“ spielen die New Jerseyer Hardcore-Helden Mucky Pup 13 Jahre nach der Trennung und 24 Jahre (!) nach ihrer Gründung eine kleine Reunion-Tour in Europa.

Der Frontmann der Fratellis, Jon Fratelli, hat mit The Codeine Breakfast Club ein neues Projekt am Start. Bisher ist noch kein Output nach draußen gedrungen.

levyt

HOLE

Das vierte Studioalbum der vier Bostoner ist momentan in Produktion und erscheint im Herbst.

Kurt Cobain-Witwe Courtney Love möchte ihr angekündigtes zweites Soloalbum „Nobody’s Daughter“ unter dem Namen ihrer früheren Band Hole herausbringen. Damit würden die 2002 aufgelösten Hole reformiert und ihr viertes Studioalbum veröffentlichen. Inwieweit es eine Beteiligung der früheren Bandkollegen geben wird, ist noch unklar.

(Platten) AMERICAN HI-FI

ASH

Statt ihr neues Material auf üblichem Wege als Album zu veröffentlichen, bringen Ash ab Oktober ein Jahr lang im Abstand von zwei Wochen je einen neuen Song als Seven-Inch-Vinyl und als Download heraus. Das Projekt läuft unter dem


Namen „A-Z-Series“, der auch die Reihenfolge der Veröffentlichung der Songs beschreibt.

zum Beispiel Damon Albarn von Blur und Guy Carvey von Elbow.

THE EDITORS

MÚM

„In This Light And On This Evening“ erscheint im September.

KIM?

Die einstigen Kind Im Magen aus Bochum veröffentlichen Mitte August ihr Debütalbum „Allez Allez Allez“ mit viel Punk, Rock und Achterbahn drin.

KINGS OF CONVENIENCE

Der Nachfolger zum 2004’er Werk „Riot On An Empty Street“ der Band um Erlend Øye (auch Frontmann von The Whitest Boy Alive) ist fertig produziert und erscheint Ende September.

THE KOOKS

The Kooks befinden sich im Vorbereitungsprozess ihres dritten Albums. Ein YouTube-Video zeigt sie beim Komponieren in Südfrankreich.

MEW

Der Titel des kommenden vierten Studioalbums der Dänen von Mew soll den einzigartigen Titel „No More Stories - Are Told Today - I’m Sorry They Washed Away - No More stories - The World Is Grey - I’m Tired - Let’s Wash Away“ tragen und im August den Weg aus Kopenhagen in die Welt antreten.

MASSIVE ATTACK

Im Oktober kommt mit „Weather Underground“ das erste neue Massive Attack-Album seit sechs Jahren. Gäste hinter der Studioscheibe waren

Das fünfte Album der Isländer mit dem Titel „Sing Along To Songs You Don’t Know“ erscheint Ende August.

MUSE

„The Resistance“ ist der Titel des fünften Studioalbums von Muse, welches ab September Ohren in aller Welt beschallen kann. Im Oktober und November folgt die zugehörige Tour.

MY CHEMICAL ROMANCE

Gemeinsam mit Produzent Brendan O’Brien nehmen My Chemical Romance dieser Tage ihr viertes Album auf. Derweil wurde Frontmann Gerard Way Vater der kleinen Bandit Lee Way.

SOULSAVERS

Ende August markiert die Rückkehr der Soulsavers mit einem neuen Album. Auf „Broken“ sind unter anderem Mark Lanegan und Bonnie „Prince“ Billie zu Gast.

TOCOTRONIC

Das Studiolicht fällt auf Tocotronic, während sie mit einem Streichorchester und einem zeitgenössischen Komponisten das neunte Studioalbum aufnehmen.

ZOOT WOMAN

Im August kommt Album Nummer Drei von Zoot Woman in die Läden. „Things Are What They Used To Be“ ist das erste Werk seit sechs Jahren.

HELDEN & DIEBE

Heute mit: JASPER

Ein Mann und seine Gitarre. Im Falle von Jasper könnte man vielleicht eher von einem Jungen zu sprechen, an der alten Garde der Singer/Songwriter kommt der 23-jährige aus dem ostfriesischen Emden aber trotzdem nicht vorbei. Auch wenn der Junge mit der Mütze eher „unbewusst“ Inspiration konsumiert, haben wir ihn mal zu drei möglichen Helden befragt. OLLI SCHULZ

Olli ist ein oberlustiger Typ, der coole Texte schreibt. Mit seinem Lied „Mach Den Bibo“ konnte ich allerdings nicht so viel anfangen. Vielleicht ist mir das schon wieder zu lustig. Ich meine, mit meinem „HDL“-Song fahre ich auch die Humorschiene, aber ich bin jetzt nicht der geborene Spaßmacher. Der Junge Mit Der Gitarre

Dazu kann ich nichts sagen. Der ist komplett an mir vorbeigegangen.

Reinhard Mey

Reinhard Meys Musik hat mich auf jeden Fall inspiriert und begleitet, als ich begonnen habe, Gitarre zu spielen. Ich habe großen Respekt vor ihm und seiner tollen Art zu texten. Der Mann hat wirklich was zu sagen. Außerdem finde ich es bewundernswert, dass er nach so vielen Jahren im Geschäft immer noch locker die großen Hallen füllt. Heimat: myspace.com/jaspermusik Auch gut: „Neidlos“ - das aktuelle Album von Jasper

Foto: Erik Weiss


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elokuvat ja tv

(Film und Fernsehen) SVEN REGENER

Integraler Bestandteil des flippigen Roadmovies „Contact High“ von Michael Glawogger ist der Soundtrack. Der Regisseur legte gleich selbst Hand an und spielte den Titelsong zusammen mit Sven Regener und den beiden Hauptdarstellern Raimund Wallisch und Michael Ostrowski ein.

PULP

Schräge Filme wie „The Royal Tenenbaums“ oder „Darjeeling Limited“ ist man von Wes Anderson gewöhnt. Jetzt hat er sich dem Kinderbuch “Fantastic Mr. Fox” von Roald Dahl zugewandt. Für den Animationsfilm, der im Herbst erscheint, haben nicht nur George Clooney und Owen Wilson ihre Stimme zur Verfügung gestellt, auch Jarvis Cocker darf einer kleinen Marionette Leben einhauchen und nebenher gemeinsam mit dem Regisseur einen Song anstimmen.

muut

(Der Rest) AC/DC

Ihrem Ruf alle Ehre machten die Altrocker von AC/DC bei ihrem Auftritt im Münchener Olympiastadion. Im Verlauf des Abends gingen über 100 Beschwerden über Lärmbelästigung bei der örtlichen Polizei ein – einige sogar aus dem 20 Kilometer entfernten Unterhaching.

KISS

Frontkuss Gene Simmons hat sich angeblich einen Nierenstein entfernen lassen und bei eBay versteigert. Die 15.000 US-Dollar sollen wohltätigen Zwecken zugeflossen sein.

MANIC STREET PREACHERS

Mit der Begründung, das Cover von „Journal For Plague Lovers“ könnte Kunden abschrecken, wei-

gerten sich einige britische Supermarktketten, das aktuelle Album der Manic Street Preachers zu vertreiben. Das gemalte Bild zeigt das blutverschmierte Gesicht eines Mädchens. Die Band gibt sich verwirrt, dass das Kunstwerk Anstoß erregen könne, wo doch heutzutage Popstars halbnackt auf Plattencovern zu sehen seien.

NIRVANA

Wer behauptet, Rock’n’Roll wäre unpolitisch, kennt Bob Geldof, Bono von U2 oder Krist Novoselic nicht. Der ehemalige Nirvana-Bassist hat sich mit seiner nicht-existenten „Grange“-Partei in Wakhkiakum County (Washington) zur Wahl stellen lassen. Ziel der Aktion war es, die Zustände im Staat zu kritisieren, wo sich jeder Politiker mit seiner eigenen Partei zur Wahl stellen kann.

SLUT

Slut begeben sich wieder auf literarische Wege: Nach der Neuinterpretation einiger Songs aus der Dreigroschenoper von Kurt Weill und Berthold Brecht liegt ihr neues musikalisches Engagement in der Umsetzung des Juli Zeh-Romans „Corpus Delicti“. Die Platte dazu folgt im September, ebenso wie eine dazugehörige Tour, die die Band selbst als einen Mix von „Radiohörspiel und Konzert“ ankündigt.

PHIL SPECTOR

Das Strafmaß der wegen Mordes an der Schauspielerin Lana Clarkson verurteilten 69-jährigen Produzentenlegende Phil Spector beträgt 19 Jahre Gefängnis, wie nun bekannt gegeben wurde. Gemäß den Aussagen mehrerer Zeugen soll der Mord beim Russisch Roulette geschehen sein.

THE WHITE STRIPES

Im Rahmen einer Doppelhochzeit in Jack Whites Garten ehelichte Meg White den Sohn von Patti Smith, Jackson Smith, während Dead WeathersBassist Jack Lawrence seiner Braut Jo McCaughey das Ja-Wort gab. The White Stripes planen für 2010 die Veröffentlichung des siebten Studioalbums.

BEASTIE BOYS Auf ihre alten Tage nehmen die Beastie „Boys“ (alle so Mitte bis Anfang 40, no shit!) nochmal ganz schön Fahrt auf: Nachdem sie in anderen Phasen ihrer Karriere gerne auch mal geschlagene sechs Jahre zwischen zwei Alben haben verstreichen lassen, geht es in der zweiten Hälfte der Nullerjahre beinahe Schlag auf Schlag. Gerade mal zwei Jahre ist das etwas halbgare und dennoch Grammygekrönte Instrumental-Album „The Mix-Up“ alt, und schon stehen die drei mit dem Nachfolger auf der Matte. Im September erscheint „Hot Sauce Committee“, eine Platte mit „vielen Songs“ und beinahe noch mehr angekündigten Arbeitstiteln (Whatever happened to „Tadlock Glasses“?), die Adrock, Mike D. und MCA laut Eigenaussage in „bizarre neue Richtungen“ geführt hat. Wir folgen dem Trio selbstredend auf all ihren Wegen – und berichten im nächsten Heft. Hier die Termine für drei Stunden sally*s-Nightflight mit Flo im Juli & August, jeweils ab 0.00 Uhr (natürlich LIVE und im Anschluss 24/7 als Loopstream auf fritz.de!) 9. auf 10.7. (Billy Talent Spezial mit Aaron & Ben) *** 23. auf 24.7. *** 6. auf 7.8. *** 20. auf 21.8. (CJ Ramone Spezial mit CJ)

my favourite new band

Heute mit: Dez Fafara (DEVILDRIVER)

T-Mobile Street Gigs Mit Snow Patrol auf die Piste

Mit ihrer Single „Chasing Cars“ haben Snow Patrol 2006 schon unbewusst den Grundstein für ihren T-Mobile Street Gig 2009 gelegt. Am 28. Juli werden die britischen Alternative-Popper auf der Kartbahn-Liedolsheim bei Karlsruhe zeigen, wie gut sie tatsächlich mit den schnellen Flitzern mithalten können und ganz nebenbei noch ein kostenloses Konzert zum Besten geben. Ihr wollt dabei sein? Dann sichert euch Tickets für die Show, die wie immer nur online unter t-mobile-streetgigs.de gewonnen werden können. Allerdings verlosen auch wir auf sallys.net 1x2 Karten inklusive Fanpaket mit signiertem Poster, T-Shirt und einer CD. Und obendrauf gibt es noch ein schniekes Samsung Handy. Gas gegeben.

T-Mobile Street Gigs

28.7. Karlsruhe - Kartbahn-Liedolsheim Live: Snow Patrol Tickets unter: t-mobile-streetgigs.de

„Ehrlich gesagt gibt es viele Bands, die ich heute ganz okay finde, aber ich kann mich nicht erinnern, dass mich etwas in den letzten vier oder fünf Jahren wirklich begeistert hätte. Ich höre echt sehr viel Musik: Metal, Psychobilly, Blues, Jazz. Ich finde es auch wichtig, dass ich nicht nur auf ein Genre fixiert bin. Aber ich stehe immer eher so auf die alten Sachen. Pantera zum Beispiel gehören für mich zu den Größten oder Kiss und Motörhead, mit deren Musik ich aufgewachsen bin. Noch älter als diese, aber nicht minder großartig, sind Johnny Cash, Hank Williams Senior oder auch Blues-Legenden wie Howlin’ Wolf.“ Heimat: devildriver.com Auch gut: „Pray For Villains“ - das aktuelle Album von Devil Driver


60 SEKUNDEN mit: MISS LI

Miss Li aka. Linda Carlsson ist ein zuckersüßes Püppchen, das gern rosa Kekse bäckt. Stimmt vielleicht, aber dann bitte mit einem Schuss Kräuterschnaps. Nach den folgenden 60 Sekunden werdet ihr euch in Zukunft nicht mehr wundern, wenn die schwedische Singer/Songwriterin in High-Heels und Fußballtrikot fluchend an euch vorbeitorkelt. Um mich am morgen fertig zu machen und zu schminken brauche ich… ...fünf bis zehn Minuten an einem normalen Wochentag. Vor einem Konzert kann es allerdings auch 35 bis 40 Minuten dauern, weil ich so lange an meinen Haaren rumschrauben muss, die wollen oft nicht so wie ich. Ich wäre gern mit mir selbst befreundet, weil… ...ich gern sehr viel Bier trinke und dann abgefahrene Sachen mache. Meine mädchenhafteste Angewohnheit ist es... ...süße Kleider, vorzugsweise in Pink und Rot, und dazu High-Heels zu tragen. Ich trage nie Hosen oder Pullis. Am wenigsten mädchenhaft finde ich an mir... ...mein Interesse für Fußball. Ich habe früher selbst gespielt und fühle mich in Sachen Fußball eher wie ein Junge. Das letzte mal, als ich gern jemand anderes gewesen wäre... ...habe ich Steve Marriott (Small Faces) bei YouTube singen sehen. Er war der beste weiße Sänger der Welt! Wenn ich für 24 Stunden der Hund eines Prominenten sein könnte, würde ich mich einmieten bei... Barack Obama. Er hat doch gerade einen Hund für die Familie gekauft. Der wäre ich gern. Das wäre sicher super interessant und die würden mich bestimmt liebevoll behandeln. Das letzte Mal geweint habe ich... ...vor zwei Tagen, als ich den Film „Riding in cars with boys“ gesehen habe. Ich war extrem müde, sicher war das der Grund für mein Geflenne. Das letzte Mal ein Schimpfwort in den Mund genommen habe ich... Keine Ahnung, ich benutze sie ja ständig. Heimat: myspace.com/experiencemissli Auch gut: „Dancing The Whole Way Home“ - das neue Album von Miss Li


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EUER DING

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euer ding

Liebe Leserinnen und Jungs

Das hier ist EURE Seite, auf der ihr uns eure Meinung geigen könnt oder sonst so erzählen, wer oder was euch gerade beschäftigt. Jeder will zum Festival, und das möglichst umsonst. Nachdem uns im letzten Monat bereits Katha & Flo mit dem Aufspüren stumpfer Datumsverdreher ein paar Melt!-Tickets abknüpfen wollten, erreichte uns neulich das hier: einem Portrait von Dexter Holland verziert hast. The Offspring will doch keiner mehr auf dem Cover haben... Hier ein Aufruf in eigener Sache:

Hey Trip, du bist Fan, hm?! Schön, dass du uns daran teilhaben lässt. Hoffen wir, dass du deinen linken Arm nicht mit

unclesally*s sucht einen FÄHIGEN und zuverlässigen MySpace-Freak, der unsere Seite mal ein bisschen aufhübschen und optisch auf Vordermann bringen kann. Wir haben keine Ahnung von so was. Kurze Bewerbung mit Link zu eurer eigenen MySpace-Seite an flo@sallys.net Danke!

DAS GUTE GESCHÄFT IN DIESEM MONAT ist: tisch - Berlin halt. Aber ohne dieses pseudo-hippe Getue, was einem ab und an auf den Keks gehen kann. Egal ob vor der Party oder nach der Party oder - wie in meinem Fall - ohne Party, die 8mm Bar ist definitiv einen ihrer gut gemixten Longdrinks wert.“ Empfohlen von: Dennis Lisk

Hi Christine, geile Karte. Ich denke, das sollte klappen mit den Tickets fürs Open Flair. Was wir uns nach eingehender Betrachtung deiner Post aber wirklich fragen, ist: Wer ist diese Braut an unserem Stand?! Und noch viel mehr: Wo zum Teufel sind unsere Banner? Die scheinen ein beliebtes Souvenir zu sein, denn egal, wie hoch wir die Din-

ger hängen und wie hart wir sie verknoten - spätestens nach der zweiten Nacht sind die Fahnen verschwunden. Solltet ihr also eines unserer Banner besitzen und euch nicht mehr daran erinnern, wie es in euer Zelt kam: Wir nehmen es gerne zurück... Trip ist der Meinung, die Juni-Ausgabe mit dem Doppelcover aus Rancid und Green Day haben wir nur für ihn gestrickt:

Schickt eure Leserbriefe an sallys@sallys.net oder per Post an unclesally*s, Waldemarstr. 37, 10999 Berlin.

8mm Bar Schönhauser Allee 177b 10437 Berlin

„Der Laden ist irgendwie charmant. Nicht nur, weil man nach einem langen Studiotag in Kreuzberg auf dem Heimweg noch einen (oder auch zehn) Absacker zu sich nehmen kann. Oder weil die Beastie Boys Ehrensache für jeden dort abhängenden DJ zu sein scheinen. Der Laden ist entspannt, die Bedienung halb-freundlich, alles irgendwie broke und dennoch authen-

Dennis Lisk war unter dem Namen Denyo 77 einst Co-Beginner mit Jan Delay, seit Anfang des Jahres ist das HipHop-Mastermind solo unterwegs und veröffentlicht jetzt mit „Suchen & Finden“ sein erstes Album.


The Airborne Toxic Event

Stehen halt so da: TATE.

Die Gypsy Kings des Indie-Rock Trübsal adé: The Airborne Toxic Event zelebrieren das Leben und sich selbst. Zuhause machten sie sich damit bereits viele Freunde. Aufstieg und Fall liegen in der Pop-Musik noch näher beieinander als im Leben. Im Falle des Aufstiegs der frischen und doch so lebenserfahrenen kalifornischen Indie-Rock-Band The Airborne Toxic Event bedingte das eine das andere: Der bandeigenen Legende nach passierte es innerhalb nur einer Woche, dass dem bis dato erfolgreichen Journalisten, Autoren und Essayisten Mikel Jollet die Freundin weglief, die Mutter starb und bei ihm eine Autoimmunerkrankung diagnostiziert wurde. „Fuck it“, soll er sich da gedacht haben, „wenn ich jetzt keine Band gründe, wann dann?“. „Glaub mir, die Geschichte haben wir nicht erfunden“, sagt ein an Gelassenheit kaum zu übertreffender Mikel Jollet bei seinem ersten Glas Rotwein an einem Abend, den The Airbourne Toxic Event in eine ausgelassene WG-Party verwandeln. Ihr wie die Band und damit nach einer Passage aus Don DeLillos Roman ‘White Noise‘ benanntes Debüt ist zu diesem Zeitpunkt hierzulande noch nicht erschienen. Die von den Musikern auf die rund 150 Neugierigen überschwappende Stimmung aber lässt erahnen, warum The Airborne Toxic Event in den USA schon durchgestartet sind. Nachdem Jollets Leben auf links gekrempelt wurde, versammelte er einen Haufen talentierter und quirliger Mitmusiker um sich und zimmerte ein Album, auf das die Pop-Welt nicht gewartet hat – und sich umso enthusiastischer zeigt. Die Single ‘Sometime Around Midnight‘ avanciert zum Dauergast in Late Night Shows, TATE werden in einer Tour mit Kollegen wie The Arcade Fire oder Modest Mouse verglichen und spielen ihre Songs live, akustisch und vor der Kamera fürs Internet ein. Location suchen. Spielen. Filmen. Weiterfahren. Wie Indie-Zigeuner. „Ganz ehrlich? Außer einer Geigerin haben wir mit The Arcade Fire nichts gemein“, glaubt Jollet, während sich besagte Anna Bulbrook lächelnd auf der Couch lümmelt. Die Leute brauchen Schubladen und Vergleiche, das weiß Jollet als Journalist und als Musikfan, der er immer noch ist. „Ich bin mit 34 Jahren der alte Sack der Band“, gibt er zu und zupft sich seinen schicken Zweiteiler zurecht: „Aber gerade neulich wieder lief ich nachts um vier mit Regenschirm und Rotwein durch die Straßen, irgendwo auf Tour, und habe mich meines Lebens gefreut!“ Zumindest den Teil mit dem Alkohol hört Jollets Arzt gar nicht gern. Wohl aber: „Wenn nicht jetzt, wann dann?!“ Text: Fabian Soethof Foto: Erik Weiss Heimat: theairbornetoxicevent.com


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von den klassischen Band-Trademarks. „Unsere Philosophie ist es, uns nicht zu wiederholen, und da unsere letzte Platte ein solcher Shitstorm aus Gewalt und Negativität war, fühlte es sich nur natürlich an, zu vereinfachen und wegzulassen“, erklärt Omar, der mit seinem vergoldeten Siebziger-Kassengestell und der stetig abstrakter werdenden Frisur immer mehr vom Funk-Gott zum verrückten Professor zu mutieren scheint. „Jeder Mars VoltaSong klingt am Anfang genau so wie auf unserem neuen Album, mit ganz klassischen A,B,A,C-Strukturen und so weiter. Normalerweise denke ich dann ’Da müsste ein Part A1 dazwischen und dort B2’, und dann schneide ich wie ein Chirurg daran herum, bis es für mich Sinn ergibt. Diesen Schritt habe ich diesmal ausgespart. Ich wollte in Richtung klassische Pop-Musik der Fünfziger, Sechziger, ShangriLas und so.“ Das und die Tatsache, dass Omar laut Eigenaussage rund 300 fertige Songs in seinem Laptop hat, die er jederzeit nach Belieben zu einem Album zusammenstellen kann, erklärt dann auch die kurze Entstehungszeit von drei Wochen im bandeigenen Studio, die ‘Octahedron‘ bis zum fertigen Masterband benötigte. In jedem von Omars Worten schwingt eine übermäßige Zufriedenheit mit - in Bezug auf sich selbst und die Platte. Schön. Weit weniger euphorisch klingt Sänger Cedric zwei Monate später: „‘Octahedron‘ ist nicht meine Lieblingsplatte, sie ist mir zu simpel. Einfache Musik für einfache Leute. Unsere Fans sind hauptsächlich Nerds, und mit diesem Album wollten wir neue Fans erreichen“, gibt er unumwunden zu und klingt dabei fast zynisch. „Ich würde dir gern was zum Konzept der Platte sagen, aber es ist einfach schon zu lange her, dass wir daran gearbeitet haben. Ich weiß es einfach nicht mehr. Es basiert aber alles auf den Kidnappings in unserer Heimatstadt. Genauer gesagt geht‘s um Dinge, die plötzlich verschwinden können - Liebe, Hass, der Manic Street Preachers-Typ.“ Ein für TMV-Verhältnisse sehr unscharfes Konzept, aber wie gesagt: alles neu. Verschwinden werden TMV so schnell jedenfalls nicht, da sie nun auf die nächste Karriere-Stufe zusteuern. Ob das auch die „Nerd-Fans“ mittragen, muss sich aber erst noch zeigen! Stehen so vor einem Regal: Omar Rodriguez Lopez (links) und Cedric Bixler.

The Mars Volta Geometrie für Anfänger

Bei aller Bewunderung für diese Band - die aus ihren jüngsten Veröffentlichungen gezogene Haupterkenntnis ist, dass selbst ein grenzenloser Soundkosmos nicht vor einer gewissen Routine schützt! Der Überraschungseffekt, den The Mars Volta damals mit ihrem Debüt ‘De-Loused In The Comatorium‘ erzielen konnten, schien trotz konstant guter Alben langsam zu verblassen. So weit die Grenzen auch sein mögen, die Rezeptur haben sie nie groß verändert, allenfalls die Dosierung der Zutaten! Das nun erscheinende fünfte Studiowerk der Salsa-Prog-Punks ‘Octahedron‘ haut einen dank eines unerwarteten Wendemanövers namens Reduktion dann aber doch wieder einigermaßen aus den Latschen! Einfache Songstrukturen, klare Balladenschlagseite, Null Salsa und genau ein Gitarren-Solo: das Ergebnis ist die wohl seltsamste TMV-Platte überhaupt! Wir haben die beiden

Hauptverantwortlichen hinter der Platte, Songwriter/Arrangeur/Produzent Omar RodríguezLópez und Texter/Sänger Cedric Bixler-Zavala getrennt voneinander zu den Hintergründen befragt und durchaus zwiegespaltenes Echo geerntet - es ist wieder spannend im Hause Mars Volta! 15. März. Vor seinem Berliner Gastspiel mit der Omar Rodríguez-López Group, lädt Namensgeber Omar zum entspannten ‘Octahedron‘-Testlauf mit parallel laufendem Plausch. „Weißt du, für mich war der Entstehungsprozess dieser Platte wie bei jeder anderen auch“, widerspricht das kleine, dünne Energiebündel der These einer bewussten Abkehr

Text: Thomas Müller Foto: Michael Rizzi Heimat: thebedlam.net

Jeff Jordan Wer „Amputechture“ und/oder den Nachfolger „The Bedlam In Goliath“ bereits sein Eigen nennt, dem dürfte auch das Artwork von „Octahedron“ bekannt vorkommen, denn wie bei den beiden Vorgängern dient ein Werk des zeitgenössischen, US-amerikanischen Surrealisten Jeff Jordan als Vorlage. Jordan gibt vor allen Dingen griechische Mythologie als Einfluss an und gilt als Pionier der so genannten „Lowbrow Aesthetics“. Optische Täuschungen und Verschiebung der Größenverhältnisse sind sein Steckenpferd, so sieht man schon mal mutierte Riesenküken oder Frauen mit Entenbeinen durch seine bizarren Welten laufen. Oder in des Meisters Worten: „Wenn diese Kreaturen wirklich existierten, könnten sie ein Produkt der Umweltverschmutzung sein? Wäre ein 100 Fuß großes radioaktives Hühnchen in der Lage, einem Zyklopen in den Arsch zu treten? Oder Godzilla? Wie würden sie leben und was würde unser Verhalten ihnen gegenüber uns über uns selbst verraten?“ Einen besseren Illustrator hätten sich The Mars Volta also wohl kaum wünschen können! Weitere Infos unter jeffjordanart.com


Florence And The Machine Etwas muss passiert sein

Florence Welch wäre gerne noch einmal 15 und ein Teenager, der einen Scheiß auf alles gibt. Stattdessen spricht sie über Verantwortung für ihre Band, ihre Musik und den plötzlichen Erfolg – eine nicht immer ungefährliche Kombination. Im Frühjahr ging ein Raunen durch die Presse. Wie heißen die? Florence And The Machine? Nie gehört! Trotzdem gewannen die Unerhörten den KritikerPreis bei den Brit-Awards 2009 – ohne überhaupt ein Album veröffentlicht zu haben. „Die komplett verrückte Situation: Ich stand auf der Bühne, hatte die Auszeichnung in der Hand und wollte mich sofort entschuldigen“, erinnert sich Sängerin Florence Welch. Das Unbehagen rührte daher, dass ihre Combo bis dato nur eine paar Singles veröffentlicht hatte und ‘Lungs’, das aktuelle Debüt, noch nicht erhältlich war. „Eigentlich ein Traumstart“, erzählt die Londonerin. „Wir hatten gerade mal ein gemeinsames Bandjahr auf dem Buckel und schon den ersten Preis abgesahnt. Anderseits wusste ich: Wenn ‘Lungs’ nicht der absolute Kracher wird, dann fliegen die Fetzen.“ Dem Druck hat die Band glücklicherweise standgehalten und mit ihrem Erstling ein wahrhaft berauschendes und vielseitiges Pop-Album aufgenommen: „Meine Mutter war eine echte Party-Queen und ging viel aus. Das habe ich wohl geerbt.“ So gesellen sich auf ‘Lungs’ imposante Piano-Passagen zu stürmischen Akustik-Gitarren und dem engelsgleichen Gesang der Dame selbst. „Wenn ich am Klavier sitze, fühle ich mich wie ein Teenager“, berichtet die 22-Jährige. „Ich vergesse alles um mich herum und komme erst wieder in der Realität an, wenn ich das Studio verlasse.“ Dann fallen ihr auch regelmäßig die vergangenen Monate ein, was alles passiert ist und noch passieren könnte. „Ich komme mit den Erwartungen inzwischen gut zurecht. So ist das halt, wenn man im Leben Verantwortung übernehmen muss.“ Und wenn „Verantwortung übernehmen“ am Ende solch ein fabelhaftes Ergebnis mit sich bringt, ist es schön, dass Florence And The Machine ein Stück erwachsener geworden sind. Text: Marcus Willfroth

Foto: Erik Weiss

Heimat: florenceandthemachine.net Auch im Sitzen hübsch: Florence Welch.


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La Roux vs. Little Boots

Beide hübsch: Elly Jackson (La Roux) & Victoria Hesketh (Little Boots).

Wettstreit der Blog-Pop-Prinzessinnen

Die eine ist 20 Jahre alt, hat kurze rote Haare und gibt sich schrill-burschikos, die andere ist fünf Jahre älter, trägt die Haare lang und blond und ist eher der elegant-verträumte Typ. Echte Verwechslungsgefahr besteht also eigentlich keine, aber nicht nur in der britischen Presse werden Elly Jackson und Victoria Hesketh gerne in einem Atemzug genannt. Oder besser noch: ähnlich wie damals Blur und Oasis in direkte Konkurrenz gestellt. Was daran liegen dürfte, dass die beiden als La Roux bzw. Little Boots gerade gleichzeitig als Retterinnen des Elektro-Pop gefeiert werden – und in Deutschland sogar ihre Debütalben am selben Tag veröffentlichen.

schenpost.“ Auch La Roux’ Elly ist schwer auf Zack, wenn es um den Weg zum Ruhm geht: „Wenn man nicht auf allen Kanälen präsent ist, geht einfach nichts. Außerdem muss man von Anfang an alles parat haben: ein paar coole Songs, Videos, Outfits – ein komplettes Image.“

Dass sich die beiden miteinander messen lassen mussten, war schon vor einem halben Jahr so, als es offiziell noch gar keine Musik von ihnen zu kaufen gab. Als die BBC zum Jahreswechsel Experten und Blogger befragte, wer im Pop-Geschäft das ganz große Ding 2009 werden wird, kam Little Boots auf Platz 1, La Roux (offiziell ein Duo, aber Produzent Ben Langmaid hält sich im Hintergrund) immerhin auf Platz 5. Schon damals war der Hype enorm – auch weil beide Paradebeispiele dafür sind, wie man heutzutage zum Pop-Star wird.

In dieser Hinsicht machen sowohl Little Boots als auch La Roux alles richtig. Die Videos sind aufwändig, das Styling ist so hip und lässig, dass selbst Zeitschriften wie die Vogue Schlange stehen – und das Beste sind in der Tat die Songs. La Roux setzen auf dem selbstbetitelten Erstling ganz auf kühle Synthie-Beats, die direkt den Achtziger-Maschinen von Yazoo oder Human League entsprungen sein könnten, während auf ‘Hands’ von Little Boots die elektronischen Melodien ein bisschen süßer und fluffiger daherkommen, fast so als wolle man Kylie Minogue neidisch machen.

„Ohne Facebook, MySpace oder YouTube geht in dieser Branche nichts mehr“, erklärt Hesketh, die ihre Karriere in der Elektro-Girl-Group Dead Disco begann und auf YouTube handgemachte Little Boots-Clips aus ihrem Schlafzimmer postet. „Einer Plattenfirma heute noch ein Tape als Bewerbung zu schicken, ist ungefähr so ergiebig wie eine Fla-

Auch offline klingt das, auf durchaus unterschiedliche Weise, nach ganz großem Pop, wie er moderner derzeit nirgends zu hören ist. Und das ist natürlich immer noch, wie Hesketh glaubt, das Entscheidende: „Natürlich ist das Internet wichtig, aber gerade Blogs sollte man nicht überschätzen.

Nur weil du bei der Hype-Machine ganz oben stehst, heißt das noch lange nicht, dass dir der Durchbruch gelungen ist. Die Musik muss auch jenseits dieser Szene bestehen können.“ Zumal die virtuelle Welt durchaus ihre Tücken hat, wie Jackson erklärt: „Es ist ein super Start, wenn du von Anfang an im Internet bejubelt wirst. Aber das Schwierige ist, diesen ganzen Hype dann auch über Monate am Laufen zu halten. Sonst ist alle Aufmerksamkeit verpufft, bis deine CD wirklich in die Läden kommt. Das ist in diesem Jahr schon einigen passiert.“ Ein Seitenhieb auf die Kollegin, die zu Jahresbeginn noch die Nase vorn hatte? Offiziell will niemand von Konkurrenz sprechen, schließlich sei das ein Medienkonstrukt „von Neandertalern, die alles in einen Topf schmeißen, was weiblich ist und elektronische Musik macht“ (Jackson). Und außerdem ist es fast egal, ob am Ende Little Boots mehr CDs verkauft oder doch La Roux. Denn der Gewinner in diesem Wettstreit ist ohnehin der ElektroPop, der gleich zweimal neues Leben eingehaucht bekommt. Text: Patrick Heidmann Foto Little Boots: Erik Weiss Heimat: laroux.co.uk, littlebootsmusic.co.uk


Future Of The Left

Suche: Aufmerksamkeit, biete: Schläge An allzu viele Veränderungen mussten sich die McLuskyFans nicht gewöhnen – sicher war es traurig, als die Band 2005 das Handtuch warf. Doch die Trauer sollte verfliegen, als Sänger Andy „Falco“ Falkous und Drummer Jack Egglestone als Future Of The Left zurückkehrten. Bis zum Exzess verzerrte Bass-Sounds, verdroschene Drums, beißende Zwei-MinutenMonster, der notorische Hang zur Schräglage in Text und Ton, diese Wut und Energie – alles noch da! Nachzuhören auch auf dem neuen Output ‘Travels With Myself And Another‘ – und zwar in Bestform. Der Frontmann war zu Recht stolz auf dieses Biest, das die Band in nur zehn Tagen auf Band gebracht hatte – wie beim Vorgänger ‘Curses‘ auch mit Unterstützung von The Automatic-Produzent Richard Jackson. Die Freude sollte nicht lange anhalten. Am 22. April, nur drei Tage nach Abschluss des Masterings, reiste ‘Travels...‘ auch schon als Leak durch das Internet, verbreitete sich über Musikblogs, und bevor auch nur eine CD das Presswerk verlassen hatte, waren die neuen FOTL-Songs schon in aller Ohren. Zur Schadensbegrenzung konnte die Band nur noch Pre-Orders mit sofortiger Downloadmöglichkeit anbieten. In seinem MySpace-Blog äußerte sich der Sänger mehr als angepisst über die rücksichtslosen Klauer. Für einen Musiker, für den Integrität an erster Stelle steht, und der deswegen auch keinerlei Kompromisse eingeht, ist die Erkenntnis, dass Musik - in welcher Form auch immer - keinen realen Gegenwert zu Geld mehr darzustellen scheint, eine schmerzhafte. Auch wenn er sicherlich keine Ambitionen hat, der nächste Paul McCartney zu werden - die Arbeit, das Herzblut und der Aufwand, die er und seine Kollegen in Future Of The Left stecken, möchte er dann doch entlohnt wissen: „Was mich an der Geschichte am meisten aufgeregt hat, war eben nicht, dass uns Geld durch die Lappen geht. Das neue Album, für das wir uns monatelang aufgerieben haben, droht dadurch wieder so unter dem Aufmerksamkeitsradar durchzufliegen wie das letzte.“ Um das zu vermeiden, hätte er auch schon Ideen, wie er seine Aggressionen loswerden kann: „Wir, vor allem Kelson mit seinen Python-Armen, sind mehr als bereit, ein paar Indie-B-Promis zu vermöbeln, um der Band ein bisschen öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen“, scherzt er. Dank solcher Sprüche und seiner direkten, offenen Art hat sich der Waliser ein dezentes Aggro-Image angelacht, das auch seinem Publikum nicht verborgen blieb: Die Wortduelle zwischen Falco und Zwischenrufern aus dem Publikum waren schon zu McLusky-Zeiten legendär. Nur ein weitere Grund, sie live nicht zu verpassen. Text: Robert Goldbach

Heimat: futureoftheleft.com

Foto: Hamish Brown

Hocken halt so auf dem Geländer: Future Of The Left aus Cardiff.


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AUF ACHSE

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auf achse...

MIT THE TEMPER TRAP ZUM URBAN-HARDCORE-YOGA

Yoga - der Clou jedes Anti-AggressionsSeminars! Wer könnte ein bisschen Entspannung nötiger haben als die vier von The Temper Trap, bei denen der chronische Wutanfall schon im Bandnamen steht?! Die Australier lassen sich gerne auf unsere Therapiestunde ein, um zu lernen, wie man auch in Stresssituationen absolute Ruhe bewahrt.

Tote, argwöhnische Blicke - doch ihr seht nicht, was die Jungs gerade sehen. Als wir den Indie-Boys unseren hypergelenkigen Yoga-Guru in seiner Lieblings-Kamasutrapose präsentieren, hält sich die Begeisterung in Grenzen.

Doch was sein muss, muss sein, und so machen sich Jonny, Dougy, Lorenzo und Toby auf den beschwerlichen Weg zu ihrer inneren Mitte - und der führt sie natürlich unweigerlich durch Berlins BaustellenChaos. Auch wenn es mit der Beweglichkeit noch hakt, hilft die erste Übung...

...um unbeschadet über die achtspurige Straße zu kommen. Während Basser Jonny mit der „Krummen Kerze“ seine Lendenwirbelsäule wieder fit macht, beweist Sänger Dougy, dass auf Planet Yoga theoretisch keiner Füße braucht, um glücklich zu sein.


Da die Kapelle momentan in London lebt, wollte unser Therapieleiter sehen, ob die Herren auch entspannen können, wenn sie im „Australia Shop“ direkt mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden. Und tatsächlich: Drummer Toby gelingt es, durch seine Meisterübung „Schneidersitz“ das Heimweh zu unterdrücken. Als Gitarrist Lorenzo selbst bei der Dreifachbeschallung mit dem Didgeridoo nicht zuckt, ist klar: Die Jungs sind bereit für den ganz großen Schritt, das glorreiche Yoga-Finale an einem der stressverseuchtesten Orte, den das urbane Leben zu bieten hat...

...dem U-Bahnhof! Vor dem Abstieg in die Katakomben bereiten sich die Jungs mit einem Mix aus allen erlernten Übungen auf die schwerste Prüfung „öffentliche Verkehrsmittel benutzen“ vor.

Die Bewegungen sind nun perfekt, anmutig und geschmeidig... Doch ist Dougys Synapsen-Landschaft dafür jetzt auch so entspannt, dass er die U-Bahn verpasst... Einatmen, ausatmen, 10-9-8-7-6-5-4-3-2-1... Text: Christine Stiller, Fotos: Oliver Schümers Heimat: thetempertrap.net Auf sallys.net: sally*sTV! Yogaschule mit The Temper Trap Auch gut: „Conditions“ - das aktuelle Album der Australier Dank an: Australia Shopping World, Berlin


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Robin Tom Rink

Abgestürzt und aufgerappelt

Die Strapazen der letzten Jahre sieht man dem entspannten Robin Tom Rink nicht an. Doch blättert man in seiner Biografie, klingt plötzlich auch sein melancholisches Debüt eine Spur düsterer. Eigentlich steht der 27-jährige Sänger, Komponist und angehende Ehemann Rink ja nicht darauf, mit seiner Drogenvergangenheit hausieren zu gehen. „Ich habe lange darüber nachgedacht, das alles so offen zu legen. Aber ich hab mir überlegt, dass man diese Infos braucht, um meine Songs richtig zu verstehen“, erklärt Rink. Mit 18 vom schnöden Westfalen nach Berlin getürmt, ein Drogenexzess nach dem anderen, drohender Absturz – Songs schreibt Rink trotzdem unentwegt. Zurück nach Münster, weg von den Drogen, rein ins Arbeitsleben als – tatsächlich - Postbote. Paris ist sein nächstes Ziel: „Die Stadt hat mir gut getan, und zu dem Zeitpunkt war ich auch wieder gefestigter.“ Doch Pustekuchen! Das aufreibende Von-der-Seele-Schreiben treibt Rink an den Rand des Nervenzusammenbruchs, er liegt monatelang flach.

Trotzdem hat alles ein gutes Ende gefunden, denn dank treuer Begleiter und einem unerschütterlichen Willen fanden die über Jahre gesammelten Songs ihren Weg ins Studio und wurden mit der befreundeten Band Elyjah aufgenommen. Die Sehnsüchte und Verlustängste der Vergangenheit kommen dabei eher subtil zum Vorschein: „Es gibt ein, zwei Lieder, die sehr traurig sind. Das sind die Berlin-Lieder“, so Rink. „Alles andere verschwimmt ein bisschen.“ Clean hin, verliebt her, eine gewisse Traurigkeit wird Rink sich auch in Zukunft bewahren: „Ich glaube, das ist einfach die Gefühlslage, in der ich am besten schreiben kann.“ Es muss ja nicht von Dauer sein. Text: Isabel Ehrlich Foto: David Biene Heimat: robintomrink.com

Auletta

Wie es singt und kracht

Hier ein Hinweis an alle, die für ein Austauschsemester, ein mehrmonatiges Praktikum oder ein Jahr als Au Pair ins Ausland gehen möchten: Wenn ihr zurückkommt, seid ihr nicht mehr die alten! Und das - soviel steht fest - kann nur gut sein! Auch Auletta-Frontmann Alex kehrte seiner Mainzer Heimat nach absolvierter Schulpflicht zunächst den Rücken und verabschiedete sich via Easyjet ins Indie-Rock infizierte und vor Aufbruchsstimmung brodelnde London. Was er dort in den sechs Monaten seines Aufenthalts an Inspiration auflas, sollte ihn fortan nicht mehr loslassen. Wie ein Schwamm sog er auf, was aus Clubs, Bars und Hinterhöfen schallte, und was zum zukünftigen Trademark seiner Band werden sollte: Die Riffs, der Rhythmus und der Look von Bands wie den Libertines, Franz Ferdinand oder den nach den Sternen greifenden The Kooks. Als er vor Input zerberstend im heimischen Proberaum aufschlägt, ist nichts mehr so, wie es mal war. SOndern viel besser

Nach Alex’ Rückkehr bekommt die einst in Akustik-Pop verpackte Poesie von Gitarrist Martin das passende Soundkleid übergestülpt. Die Kombination aus Fäuste schwingender Aufbruchslyrik und roughen Stakkato-Rhythmen kommt an - nicht nur in Mainz. Denn auf Deutsch getextet bleibt so ein Pamphlet gegen Gleichgültigkeit, Konformismus und Trägheit gleich doppelt gut hängen. Auletta sind smart genug, zu wissen, dass sie sich ihre Fans in den hiesigen Clubs live erspielen müssen, und entsprechend spielen sie jedes Konzert so, als sei es ihr letztes. Von den Großen lernen, heißt also siegen lernen. Auch wenn man dafür manchmal ins Ausland muss... Text: Dieter Rasse Heimat: auletta.de

Amazing Baby

Abnabelung mit Hindernissen

Als Sohn eines Predigers bereiste Will Roan mit seiner Familie den Norden der USA und landete schließlich in New York. Dass seine Band Amazing Baby aus Brooklyn kommt und ein wenig an MGMT erinnert - Zufall. Oder etwa nicht? Auf die Frage, ob er diesen Verlgeich nachvollziehen könne, reagiert der Sänger empfindlich. „Mit so etwas sollte man äußerst vorsichtig sein. Die Silver Jews sind dadurch nie aus dem Schatten von Pavement herausgekommen.“ Das letztere ein Projekt ersterer waren und seine eigene Bandgeschichte indirekt mit der von MGMT zusammenhängt - Gitarrist Simon O’Connor teilte sich während seiner Collegezeit mit dem Duo nicht nur ein Zimmer, sondern zeitweise auch eine Band - soll deshalb nur am Rande erwähnt bleiben. Dass beide Bands im ähnlichen Genre grasen, lässt sich hingegen nicht leugnen, denn auch Amazing Baby geben sich auf ihrem Debütalbum ‘Rewild‘ spacig-verspielt und Hippie-esk. Dabei trafen sich Hauptsongschreiber Will und Simon in einer Klingeltonfabrik. Innerhalb kürzester Zeit hatten beide die ersten

Songs geschrieben, eine Band - inklusive Ex-Icarus Line-Gitarrist Don Devore - rekrutiert und wenig später einen neuen Arbeitgeber. Auf Europatour ging’s natürlich auch. Im Vorprogramm von MGMT. Mit den Referenzen werden Amazing Baby vorerst leben müssen. Simon, frisch aus einer Metal-Band entflohen, absolvierte halbnackt und mit Kriegsbemalung eines der erste Amazing Baby-Fotoshootings, als plötzlich seine alten Kollegen in der Tür standen „und sich total kaputtgelacht haben“. Er hat’s verkraftet und eingesehen, dass es am Ende egal ist, was die anderen denken. Text: Ina Göritz Heimat: theamazingbaby.com


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Seite 19

Jack Peñate

Ein Gentleman verändert sich ’Everything Is New’ ist ein gewagtes Statement für ein zweites Album, aber Jack Peñate macht ja gerne mal auf dicke Hose. Nicht ganz unberechtigt übrigens. Mit seinem Erstlingswerk ’Matinee’ eroberte er Mädchen- und Kritikerherzen gleichermaßen und seine Hitsingle ’Torn On The Platform’ wird heute immer noch in jeder Dorfdisko gespielt. Nachdem im Anschluss ans ’Matinee’ nun alle Biere getrunken und alle Schlüpfer wieder angezogen wurden, meint Mr. Peñate, dass er „auf dem neuen Album keine unrealistischen Schuljungen-Träume“ mehr besinge und „keine ausgedachten Situationen aufs Papier bringt“, sondern „dass diesmal wirklich alles passiert ist und man das an einzelnen Songs auch festmachen kann.“ Hört sich an, als ob da Herzen gebrochen und wieder zusammengeflickt wurden?! „Genau“, sagt Jack. Das erklärt auch, wieso der ausgelassen-halsbrecherische Rockabilly-Sound des Erstlings nun für nachdenklichere Stücke Platz macht. Boy-Wonder Jack erklärt, dass sein „Sound immer noch extrem fröhlich und unbefangen“ sei, jedoch „mit durchaus melancholischen Untertönen“, versetzt. Denn eigentlich, sei er „ganz schön Emo, aber nicht so My Chemical Romance-Emo, eher so Bright Eyes-Emo.“ Apropos Emo: Nach ’When We Die’ von ’Matinee’ und ’Let’s All Die’ vom neuen Album fragt man sich als Fan zwangsläufig, ob der Londoner Troubadour

Guckt halt so: Jack Peñate aus London.

eine gewisse Todessehnsucht verspürt. Aber Jack kann uns beruhigen, schließlich sei „alles nur der Carpe Diem-Gedanke. Man muss sich ständig daran erinnern, das Leben genießen zu wollen, denn ansonsten wäre das alles hier eine ganz schön düstere und quälende Erfahrung.“ Nicht zuletzt deshalb überlegt der 24-Jährige neuerdings auch, aus dem wahnsinnigen Moloch London in den noch wahnsinnigeren, jedoch sonnigen Moloch L.A. zu ziehen, einfach weil „da alle total durchge-

knallt sind“. Da ein bisschen übergeschnappt sein nie schaden kann und Jack nach einer nahezu schlaflosen Nacht und einem James-Bond-Style-Martini diesen gewissen manischen Blick hat, bitten wir ihn, sein neues Album in nur sechs Worten zusammenzufassen. Nachdem er die paar Silben gefühlte zehn Minuten lang in seinem Köpfchen geordnet hat, sagt Jack trocken: „Ich bin stolz auf mein Album.“ Das kann er auch sein! Text: Linda Aust Foto: Alex Sturrock Heimat: jackpenate.com


Seite 20

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THE XX

Die Party ist vorbei

XX und hopp: The XX aus London.

Eine neue junge Band aus dem Vereinigten Königreich tritt auf den Plan und möchte nur eins: mehr von der Welt sehen. Und natürlich, dass mehr Menschen ihre Musik hören. Hätte man sich denken können. London muss eine verwüstete Stadt sein. Deutsche Touristen fallen wie Heuschrecken über die Carnaby Street her und kaufen die Geschäfte leer, das schwache Britische Pfund macht es möglich. Das Finanzzentrum liegt brach, die Schreihälse des ungebremsten Marktes, denen England immer ein fruchtbarer Mutterboden war, halten die Klappe. Margaret Thatcher dämmert in der Demenz. Gordon Brown packt die Koffer, sein halbes, desolates Kabinett ist schon an die frische Luft gesetzt. Die Party des ewigen Wachstums ist vorbei. Zurück bleiben verunsicherte Teenager, die durch die Straßen streifen und nach einem Sinn, wenigstens nach Liebe suchen. So wie The XX, vier 19-Jährige aus dem gediegenen Stadtteil Wandsworth, die in dieselbe Schule gingen wie die Jungstars von Hot Chip und auf ihrem Debüt eine Musik spielen, die sich gut in die Krisenstimmung einpasst. Minimalistische Melancholie, sparsam instrumentiert, geschult am gothischen Pop der Achtzigerjahre - The Cure, Joy Division. Gitarren, die klingen, als seien sie in einer gähnend leeren Lagerhalle aufgenommen worden. Muffige

Synthie-Beats. Im Video zu ‘Crystalised’, einem veritablen Ohrwurm, stehen sie wie singende Zinnsoldaten in Reih und Glied vor einer Leinwand, auf der nichtige bunte Bilder flimmern. Sänger und Bassist Oliver Sim könnte ein Draufgänger sein, der in der Disco auf Brautschau geht, wie viele in seinem Alter. Doch auch er wirkt wie sediert. In ihren Texten umkreisen sich Sim und Sängerin/ Gitarristin Romy Madley Croft immer aufs Neue, ohne sich je zu treffen. Wie zwei traurige Satelliten im leeren Weltraum. „Oliver und ich kennen uns, seit wir drei Jahre alt sind. Beim Texten und Singen nehmen wir häufig unterschiedliche Sichtweisen an. Wir singen uns nicht an, wir waren nie ein Liebespaar. Aber wir funken auf derselben Wellenlänge.“ Es ist nur ein Scheinwiderspruch, dass die Musik kalt und distanziert klingt, die Texte aber emotional sind. Es sind Assoziationen und Versatzstücke, punktuell und fragmentarisch, austauschbar. Auch der Bandname hat keine tiefe Bedeutung, es sei denn, man lässt pure Ästhetik als Antwort gelten. „Der Buchstabe X

sieht schön aus, Oliver fand das auch, also haben wir ihn gleich zweimal hintereinandergesetzt.“ Mehr nicht. Alle Dinge streben ihrer ureigenen Bestimmung entgegen. Die Bestimmung des NME ist es, jede Woche die Fanfare zu blasen und das neue, heiße Ding zu präsentieren. Die kargen Klänge von The XX zum hochoffiziellen In-Sound der Hauptstadt zu erklären, passt in diese Zeit, auch wenn Croft alles anders sieht: „Wir sind nicht politisch. Dazu lebe ich viel zu sehr in meiner eigenen Welt. Ich schreibe über ganz Persönliches, verpackt in einen Sound, den keine andere Band hat.“ Ihre Affinität zu den Achtzigern wissen im Augenblick vor allem die älteren Semester zu schätzen: „Wir haben bislang vor allem vor Leuten gespielt, die über 30 sind. Vielleicht erinnert sie unsere Musik an die Zeit, als sie noch jung waren.“ Als sie noch jung waren. Als alles besser war. Angeblich? Vermutlich! Text: Gordon Gernand Foto: Erik Weiss Heimat: myspace.com/thexx


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Portugal. The Man Satanische Verse

„In meinem Kopf passieren immer zehn Sachen gleichzeitig“, krächzt ein hörbar gutgelaunter John Baldwin Gourley, während er gerade den Band-Van zur abendlichen Show kutschiert. Dass diese Worte mehr sind als Phrasendrescherei, ahnt man - schließlich hat auch die Musik seiner Band Portugal. The Man aus Portland immer den Verdacht erweckt, möglichst alle potentiellen Hörer bedienen zu wollen. Rock, Soul, Psychedelia, Dub, Funk - das und einiges mehr wirbelten vor allem die ersten beiden PTMAlben zu einem genial eigenen Stil durcheinander. Auch wenn das aktuelle Album ‘The Satanic Satanist‘ den scheinbar homogeneren, unaufgeregteren Weg, den sie mit ihrem letzten Album, dem Hippieesken Kritikerliebling ‘Censored Colours‘ eingeschlagen haben, fortzuführen scheint, beherbergt es Musik, die so wohl von keiner anderen Band stammen könnte. Trotzdem hat das Quartett diesmal einiges umgekrempelt und mit alten Gewohnheiten gebrochen: „Wir haben versucht, richtige Songs zu schreiben. So wie eine ‘normale‘ Band“, erklärt der mit einer prägnant hohen Stimme gesegnete Gourley. „Zuvor haben wir einfach so lange gejamt bis wir dachten: ’Das ist es jetzt!’“ Ein weiterer Grund für die Besinnung auf ‘klassisches‘ Songwriting war auch, dass man für ‘Satanic Satanist‘ mit Paul Q. Kolderie (Pixies, Radiohead), Adam Taylor

Hauptsache drauf: Portugal. The Man aus Portland, Oregon.

(Lemonheads, Dresden Dolls) und Cornershops Anthony Safferty zum ersten Mal ’richtige’ Produzenten angeheuert hatte. Leute, die nicht dem eigenen Freundeskreis entstammen. „Wir hatten alle ziemlich Schiss, dass das für uns nicht funktionieren könnte. Um im Vorfeld wenigstens einige Reibungspunkte auszuschließen, haben wir die Songs wie besessen geübt, bevor wir ins Studio gingen.“ Den ‘The Satanic Satanist‘-Sound beschreibt John übrigens als Reise in seine Kindheit: „Ich bin in Alaska aufgewachsen, ich hatte damals keine Ahnung, dass

so was wie Underground-Musik überhaupt existiert und so war ich aufs Radio angewiesen. Für mich klingt unsere Platte wie das Radioprogramm damals, viel klassischer Rock und Pop, Beatles-Melodien, Neunzigerjahre-HipHop-Beats...“ Wie gesagt, immer zehn Dinge gleichzeitig, aber wir lernen: Multitasking und ADS müssen nicht immer anstrengend sein, denn entspannter und ausgeglichener als Portugal. The Man kann man dieser Tage wohl kaum klingen! Text: Thomas Müller Heimat: portugaltheman.net


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TITEL

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Liebe und Hass sind so dicke wie Batman und Robin. Davon können auch Jennifer Rostock ein Liedchen singen. In den vergangenen zwölf Monaten spielten sich Jennifer Weist und Joe Walter gemeinsam mit ihren drei Musketieren und dem Debüt ‘Ins Offene Messer‘ entweder in flammenden Herzen oder ins Würgreflexzentrum ihrer Peergroup. Doch wie uns fast jeder Hollywood-Blockbuster lehrt: Ohne Antihelden keine Helden. Und umgekehrt. Vorhang auf für „Der Film“! „Kino ist die Verbesserung des Lebens“, wusste schon der französische Regisseur François Truffaut. Auch Jennifer Rostock glauben offensichtlich an die Wahrheit dieser Worte. Zumindest tauften die fünf Wahl-Berliner ihr neues Opus entsprechend auf den Namen „Der Film“. Ihre berufsbedingte Angewohnheit, die Realität zu dramatisieren, teilen Frontfrau Jennifer, Keyboarder Joe, Gitarrist Alex, Bassist Christoph und Schlagzeuger Baku nicht nur mit anderen Künstlern, auch wir finden, dass man sich dieser Band am besten aus der Hitchcock-Perspektive nähert. Spannung, Skandale, beknackte Kostüme - Jennifer Rostock: „Der Film“ - wir haben ihnen ein Drehbuch geschrieben.

+++ AUFBLENDE +++ RO +++ +++ INNEN - EIN BÜ +++ EN RG +++ FRÜHER MO Ein hoffnungslos unaufgeräumter Schreibtisch nimmt fast die gesamte Fensterseite des verrauchten Büros ein. Daneben ein ramponierter Aktenschrank und ein schäbiger Sessel mit einem niedrigen Beistelltischchen. Durch die halb heruntergelassenen Jalousien bricht das trübe Morgenlicht und schneidet die Luft in Streifen. Hinter dem Schreibtisch sitzt Detektiv Storock, den Hut ins Gesicht gezogen, eine bis auf den Filter heruntergebrannte Zigarettenkippe in der Hand, und döst. Plötzlich schrillt das Telefon. Storock schreckt hoch, eine Hand schnellt an den Revolver, der in einem Schulterholster an seiner Seite baumelt, mit der anderen versucht Storock das Telefon abzuheben. Nachdem er zuerst in einen übervollen Aschenbecher gegriffen und dann eine leere Whisky-Flasche vom Tisch gestoßen hat, reißt er fluchend den Hörer von der Gabel. Storock (in den Telefonhörer): Hallo? Stimme (hysterisch): Sie sind verschwunden! Storock legt langsam auf, zündet sich eine Zigarette an, streift den Trenchcoat über und verlässt das Büro. Storock (voice over): Wie ich in dieser Nacht wieder in mein Büro geraten bin, will mir mein schmerzender Kopf einfach nicht verraten. Die Ereignisse der letzten Stunden sind in einem Nebel abgeraucht. Klar ist nur, dass der morgendliche Anruf nichts als Ärger bedeutet.

+++ INNEN +++ ER +++ DAS HINTERZIMM +++ EINES NACHTCLUBS +++ TAG +++ Detektiv Storock betritt das Zimmer durch eine gepolsterte Tür. Kurz dringt Lärm aus dem dahinter liegenden Nachtclub ins Büro, als Storock die Tür schließt, herrscht Totenstille. Links befindet sich ein Wandschrank, der eine ähnliche schallisolierende Polsterung aufweist wie die Eingangstür. Rechts steht ein Aquarium mit tropischen Fischen. Vor einem kleinen Tisch voller Spirituosen posiert Joe, der zwielichtige Clubbesitzer, schüttet sich langsam einen Drink hinter und zieht an einer Zigarettenspitze. Ein heimtückisches Lächeln huscht über sein Gesicht, als Storock einen Schritt näher tritt.

Storock (voice over): Joe ist Besitzer eines illegalen Casinos in der Erkstraße. Einer der großen Fische im verpesteten Teich dieser gottverdammten Stadt. Aber auch große Fische gehen manchmal unter. Joe hat Probleme, mit denen er sich nicht an die Polizei wenden kann. Probleme, die nur ein Schnüffler wie ich für ihn lösen kann. Seine Hausband Jennifer Rostock ist spurlos verschwunden. Sie ist die Lebensversicherung für seinen Laden, macht Abend für Abend die Bude voll, animiert die Leute zum Saufen und Zocken. Sogar die leichten Mädchen, die für Joe arbeiten, fahren bessere Umsätze, wenn Jennifer Rostock auftreten.

Storock: Wer könnte deiner Band an die Wäsche wollen? Joe: An die Wäsche wollen denen viele. Das hat natürlich mit der Sängerin Jennifer zu tun. Der Pöbel kann sich da oft nicht zurückhalten. Die rufen bei Konzerten dann „Ausziehen!“ (lacht laut auf) Ich weiß auch nicht, was die Leute sich dabei denken. Ob sie glauben, dass sie damit was Neues erfunden haben oder hoffen, dass sich die Dame tatsächlich auszieht?! Das sind halt Bauern. (rollt mit den Augen) Storock: Gab es irgendwelche besonderen Zwischenfälle in letzter Zeit? Hysterische Fans? Eifersuchtsdramen? Wollen die Eltern deine Schäfchen vielleicht wieder von der Straße holen? Joe (zündet sich mit spitzen Fingern die nächste Zigarette an): Ich glaube, Christophs Mutter hätte es gerne gesehen, wenn er erst sein Studium abgeschlossen hätte. Aber ihn deshalb gleich entführen lassen? Nein, da ist wohl mittlerweile alles in trockenen Tüchern (er pustet kleine Rauchringe aus und piekst mit spitzem Finger hinein). Baku hat mal gesagt, seine Mutti finde die Jennifer pfiffig. Und untereinander ist da auch wenig Spannung. Joe und Jennifer schreiben die Lieder gemeinsam und haben eigentlich nie von Neid oder Eifersucht berichtet.

Joe setzt sich umständlich auf eine dünnbeinige Chaiselounge und nippt nervös an seinem Drink, nur um ihn danach in einem Zug hinunter zu stürzen. Storock zieht ein schäbiges Notizbuch und einen Kugelschreiber aus der Innentasche seines Trenchcoats und baut sich gegenüber auf.

Storock: Klingt alles so undramatisch... neigen so Künstlertypen nicht eher zum Gefühlsausbruch? Joe (lacht erneut hysterisch): Dafür bin wohl eher ich der Richtige. Manchmal steigert man sich doch auch in kleine Gefühle rein, die dann plötzlich immens werden.

Joe: Sie haben sich Zeit gelassen. Wie war noch mal Ihr Name? Es ist schlimm, ich habe weder ein Namensgedächtnis noch eins für Gesichter. Wenn ich mich Leuten vorstelle, sagen die immer „Ja, ich weiß“... (kichert hysterisch) Wie trinken Sie ihren Whisky? Mit Eis? Mit Wasser? Storock: Nur Whisky. Allerdings bin ich nicht hergekommen, um mit dir einen zu heben. Joe (maniriert): Sie sind wohl von der schnellen Sorte... (drückt hektisch seine Zigarette in einem Kristall-Aschenbecher aus)


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Storock: Was meinst du mit Reinsteigern? Joe: ...eine Sehnsucht, die man nicht beschreiben kann. (nestelt nervös an seiner Federboa herum) Etwa dann, wenn man jemanden attraktiv findet und der erwidert das nicht. Man überhöht diese Gefühle dann, so dass man den Betreffenden noch viel besser findet als er eigentlich ist. Während Storock noch in sein Notizbuch kritzelt, gießt sich Joe fahrig den nächsten Drink ein. Joe (eher zu sich selbst als zu Storock): Das letzte Mal, als ich so viel getrunken habe, hat mir die Band erzählt, ich hätte nachts noch in den Papierkorb gereihert...

+++ INNEN +++ +++ IRGENDWO IN DER +++ BERLINER UNTERWELT + ++ +++ NACHT Storock (auf dem Weg zur Tür): Ich gehe mal ein paar russische Eier umdrehen... Eine rostige Stahltür führt an der goldverzierten Theke und einer Armee aus senffarbenen Samtsofas vorbei ins Hinterzimmer der Russendisko. Gangsterboss Ivan sitzt mit übereinander geschlagenen Beinen in einem weißen Lehnstuhl und zieht

genüsslich an einer Zigarre. Das überhebliche Grinsen scheint dem glattpolierten Ganoven in die Mundwinkel gemeißelt zu sein und verschwindet auch nicht, als er Storock erblickt. Storock (voice over): Es hat mich einige Mühe gekostet, hierher zu kommen. Ich musste meine Kontakte spielen lassen. Der Typ ist kein kleiner Fisch. Der hält sich nicht selbst mit der Drecksarbeit und billigen Kaufhauskrawatten auf. Typen wie der machen mich aggressiv. Aber er kennt die Band sehr gut. Bevor sie zu Joe übergelaufen sind, haben sie jeden Abend in seinem Nachtclub gespielt. Also ran an die Made... Storock: Ich nehme an, Sie wissen, dass die Hausund Hof-Band ihres größten Konkurrenten vermisst wird?! Ivan: Ich habe davon gehört... Storock: Was wissen sie über die Kapelle? (Ivan grinst wissend und lässt eine lange - eine sehr lange Kunstpause) Ivan: Die gibt es seit 2007. Die haben nach und nach zueinander gefunden. Jennifer und Joe waren schon zehn Jahre ein Team, kommen ja beide aus… irgendwo bei Rostock. Dann haben sie nach ihrem Umzug nach Berlin im Tonstudio gearbeitet und Baku, Alex und Christoph kennen gelernt. Die wa-

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ren schon in anderen Bands und - (zieht an seiner Zigarre) wie war noch mal die Frage? Storock: Dann haben Sie sie unter ihre Fittiche genommen... Ivan: Stimmt... Storock: Und dann ist die Kapelle zu ihrem ärgsten Feind übergelaufen... Wie ärgerlich! Ivan: Ja, sehr ärgerlich... Storock: Fragen wir mal so: Könnte es sein, dass die Combo durchgebrannt ist, weil sie mittlerweile keine Lust mehr auf den ganzen Band-Zirkus hat? Vielleicht haben sie ja Angst, etwas zu verpassen. Ivan: Ich glaube, die sind ganz zufrieden mit ihrem Job. Müssen ja nicht im Dreck rumstochern so wie du. (süffisantes Grinsen) Die sehen das nicht so eng mit der konventionellen Karriere. Jennifer hat mir mal gesagt, sie könnte nie einen 9 to 5-Job machen. Storock: Vielleicht haben sie ja ihre Meinung geändert, nach dem Tourstress des letzten Jahres... Ivan: Das ist doch kein Stress! Auf Tour hängt man doch nur rum, labert Quatsch zusammen, isst und trinkt viel und macht nichts Sinnvolles. Nur Alex ist in fast jedem Ort auf Sightseeing-Tour gegangen. Aber ansonsten wartet man nur stumpf auf das Konzert am Abend. Ich meine, das ist ein Traumjob. Wärst du selbst ein bisschen begabter gewesen,


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müsstest du jetzt nicht in den Ausscheidungen anderer Leute rumwühlen und wüsstest, dass das Leben auch Spaß machen kann. Storock (packt ihn daraufhin an den Hosenträgern): Du Spulwurm, ich weiß genau, dass du dahinter steckst! Wo ist die Kapelle? Weiter kommt Storock nicht, denn in diesem Moment wird die Konversation durch zwei lebende Wandschränke mit Anker-Tattoos, doppelt gebrochenen Nasenbeinen und starker Rückenbehaarung unterbrochen...

+++ AUSSEN +++ +++ +++ EIN HINTERHOF NACHT Nächster Versuch. In einem schäbig grauen Berliner Hinterhof, in den sich seit Jahrzehnten kein Sonnenstrahl mehr verirrt hat, steht ein bulliger Mann in einer abgerockten Weste und einem billigen Touri-Shirt. Sein Körper zeigt deutlich die Spuren der Prügelei der letzten Nacht. Er raucht gleich zwei Zigaretten auf einmal und stopft sich dabei ein halbes Stück kalte Salamipizza in den Mund. Detektiv Storock schlappt mit eingerollten Schultern, einem überheblichen Gesichtsausdruck und einer feuchten Zigarette im Mundwinkel auf ihn zu. Storock (voice over): Typen wie er sind mir schon oft begegnet. Raue Jungs. Typen von der Straße. Bevor er zuhört, haut er lieber drauf. Mit einem Spatzenhirn geht das nur so. Typen wie er arbeiten immer für jemanden, der sie mit schneller Kohle und leichten Mädchen lockt. Gangsterboss Ivan hat von beidem

genug. Mal sehen, wie loyal diese Eiterbeule seinem Boss gegenüber ist.

rohes Schnitzel vor die Rübe gezimmert bekommen. Alles schon passiert.

Storock: Ich bin hier, um über Jennifer Rostock zu sprechen. Dass die Band verschwunden ist, wissen Sie sicher bereits. Können Sie mir verraten, ob die Kapelle irgendwelche Feinde hatte? Oder sollte ich besser sagen: Warum finden viele die Kapelle so scheiße? Bruno: Scheiße finden die vor allem so Punkrock-Polizisten, die denken, sie wären die coolen Heinis und alle anderen blöd, die plötzlich einen auf Kommerz machen und deren Videos auf MTV laufen. Für die sind Jennifer Rostock einfach kein Punk.

Bruno zieht tief im Rachen nach einem dickschleimigen Flatschen Rotz und spuckt ihn Storock vor die Füße. Der spreizt reflexartig die Fußspitzen und reibt sich in einer grüblerischen Geste das Kinn.

Storock: Könnte das auch was mit der Musik zu tun haben? Bruno: Ich glaube, weil die mit so vielen Stilen jonglieren, ist das vor allem ein Definitionsproblem. Wenn das nun einer Elektro-Punk nennt, kommen die Punks und ziehen ’ne Fresse, und die Elektro-Clique fühlt sich gleichermaßen auf den Schlips getreten. Kinderkacke eben... Bruno lässt einen fahren und hält sich debil grinsend die S-förmige Nase zu. Storock verzieht angewidert das Gesicht. Storock: Wie sind solche Leute denn an die Band herangetreten? Bruno: So viel ich weiß, kam nie einer an und hat konkret gesagt: „Das finde ich scheiße!“ Aber die Kapelle hat zum Beispiel immer viele Wald- und WiesenFestivals gespielt und da laufen ab und an auch mal Nazis auf. Da die Band auf diese Mischpoke wenig Bock hat und das auch sagt, wurden sie bei solchen Veranstaltungen auch schon mit Matsch beschmissen und/oder bespuckt. Jennifer hat auch mal fast ein

Storock: Mmmh, ich verstehe. Löst die Band denn sonst auch ein derart aggressives Verhalten beim Publikum aus? Bruno: Natürlich nicht. Es kommt für gewöhnlich höchstens mal vor, dass sich ein verirrter Indie-Poser ein Konzert lang mit ausgestrecktem Mittelfinger in die erste Reihe stellt. Oft ändern die Kids nach einer Show aber ihre Meinung, so von wegen: „Auf Platte fand ich die Musik scheiße, aber live geht das richtig gut nach vorn. Eigentlich seid ihr ganz coole Typen.“ Storock: Verstehe. Dann mal anders herum gefragt: Haben die Bandmitglieder in der letzten Zeit vielleicht sogar sehr viele neue BESTE Freunde gefunden? Bruno: Nein, so blauäugig sind die nicht! Im Gegenteil. Jennifer hat mir mal gesagt, dass sie fast nie neue Leute kennen lernt. Die findet das ekelhaft, wenn sich jemand nur für sie interessiert, weil sie in einer Band spielt und man ihr das eigene Demo unterjubeln kann. Die haben alle einen stabilen Freundeskreis, da muss man sich keine Sorgen machen. Storock: Ah ja, so solide sind die also... (Storock lässt eine Kunstpause und verzieht wissend die Augen zu schmalen Schlitzen.) Hat die Band an ihrem Image eigentlich lange getüftelt? Bruno: Da gibt es keine Absprachen. Wenn Alex auf der Bühne raucht, dann weil er nicht ohne Kippe kann. Und wenn die sich ein Bier nach dem


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anderen hinterschütten, dann weil die das schon immer so gemacht haben, zumindest auf der Bühne. Da gibt’s kein Coolness-Konzept, verstanden?! Die sind so. Storock: Für mich stinkt das trotzdem stark nach strategischer Karriereplanung... Bruno: Klar, das sieht aus wie zusammengebastelt: Ein Alternativer, ein Quotenschwuler, eine Braut am Mikro... Aber ich kenn‘ die, die sind schon sauber. Ich zeig‘ dir lieber mal, WAS wirklich stinkt... Bruno drückt einen weiteren sauren Furz durch den ausgefaserten Stoff seiner Baumwollhose. Storock verliert die Beherrschung und schlägt ihn mit einer blitzsauberen Rechten zu Boden. Dann dreht er sich um und schlurft davon. Storock (voice over): Der Plausch mit der HinterhofAmöbe hat mich nicht wesentlich weitergebracht. Es ist wohl an der Zeit, in den Spesenkoffer zu greifen...

+++ AUSSEN +++ ÜCKE +++ +++ GLIENICKER BR +++ NACHT +++ Ein fahler Silbermond wirft kaltes Licht auf das rostige Gerüst der Glienicker Brücke. Ein hagerer Mann in schäbiger Lederjacke und Schiebermütze lehnt im Schatten eines Stahlträgers und sieht sich immer wieder nervös nach allen Seiten um. Storock nähert sich langsam vom westlichen Ende der Brücke. Storock (voice over): Meine Insider-Informationen beziehe ich in den meisten Fällen von Wiesel. Dieses schmierige kleine Subjekt ist schon für kleines Geld zu haben und hat immer den brühwarmen Gossip aus

den dunkelsten Ecken der Stadt parat. Er arbeitet für drei Syndikate gleichzeitig und lebt in der ständigen Angst, am nächsten Morgen aufgeschlitzt in der Spree zu treiben. Storock steht Wiesel jetzt genau gegenüber. Ängstlich blickt sich der Spitzel noch einmal um. Wiesel: Haben Sie das Geld? Storock: Hast du einen Gehirnschlag? Bezahlt wird, wenn ich etwas weiß. Gibt es eine bestimmte Rollenaufteilung in der Band? Wiesel: Jennifer würde sagen: „Joe macht alles, die anderen machen nichts.“ Aber eigentlich steuert jeder seinen Teil bei. Storock: Gab es Streit in der Band, als die an ihrem „Film“ gearbeitet haben? Wiesel (hektisch): Nicht mehr als die üblichen Macken und Zickereien. Der Keyboarder ist manchmal extrem zickig und spritzt schon mal mit Bier im Bus rum. Im Endeffekt wissen aber alle, dass das nicht böse gemeint ist. Ansonsten haben sie extrem wenig Konfliktpotenzial. Sie machen auch privat viel zusammen, gehen gerne abends weg oder hängen im Park rum und lassen die Flaschen tanzen. Storock: Ach ja? Proben müssen die wohl nie... Wiesel: Bei 170 Konzerten im Jahr wird das schwierig. Deshalb haben die ja auch die Soundchecks genutzt, um am neuen Album zu arbeiten... Storock (versucht seine Aufregung zu verbergen): Das genügt. Hier, das hast du dir verdient. Storock steckt dem verdutzten Spitzel einen Geldschein zu und entfernt sich eilig.

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+++ INNEN +++ ER EINES +++ DAS HINTERZIMM CHT +++ NACHTCLUBS +++ NA Joe sitzt an einem großen Schreibtisch und untersucht betont lässig seine Fingernägel. Ihm gegenüber beugt sich Storock über den Tisch und mustert den Clubbesitzer. Storock: Ich weiß, wo deine Band steckt... Joe: Ach ja? Storock: Weißt du noch, als wir über Gefühle gesprochen haben und wie man sich darin verlieren kann? Joe: Was hat das mit meiner Band zu tun? Storock: Einiges mein Lieber, einiges... Storock geht zum Wandschrank, zieht den Revolver und schießt auf das Schloss. Joe kreischt, Storock reißt die Schranktür auf und findet im Inneren des geräumigen Möbels die geknebelten, gefesselten und mit Säcken über den Köpfen bewusstlos ineinander gefallenen Jennifer Rostock. Mit erhobenem Schießeisen dreht sich Storock zu Joe um. Storock: Du wolltest sie für dich haben, du kleine Made. Du hattest Angst, dass sie dir mit ihrer neuen Platte davonlaufen könnten. Und ich sollte dir einen Verdächtigen liefern, der für dich in den Knast wandert. Storock geht auf Joe zu und versetzt ihm einen Fausthieb. Nachdem er dem Clubbesitzer Handschellen angelegt hat, befreit er die Band und mixt eine Runde Disco-Schorlen zum Wachwerden. Prost.

Text: Timo Richard, Christine Stiller. Fotos: Tim Klöcker. Haare & Make-Up: Arielle Troß Heimat: jennifer-rostock.de. Auf sallys.net: sally*sTV! Das Making Of der Coverstory Auch gut: „Der Film“ - die neue Platte von Jennifer Rostock & die Single „Du Willst Mir An Die Wäsche“


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PLATTEN/10 GEBOTE

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DIE 10 GEBOTE

Dinosaur jr. Farm

(PIAS/Rough Trade) Hypes, Trends und sonstiger Schnickschnack gehen J Mascis und Co. bekanntermaßen genau so am Arsch vorbei wie den zwei grünen Typen auf dem grandiosen Coverbild von „Farm“ die düsteren Wolken aus den Fabrikschloten. Da stehen sie alle drüber. Und: Das Trio aus Amherst und L.A. vollführt hiermit ein amtliches DreifachWunder. Denn nicht nur scheint die unwahrscheinliche 2005er Reunion zu funktionieren, nicht nur hat sie bereits ein veritables Comeback-Album hervorgebracht („Beyond“, 2007) – obendrein haben J, Lou und Murph offenbar auch noch ihren Groove gefunden, um die Naturgewalt, die sie mit ihrer Musik entfesseln, inzwischen so kontrollieren zu können, dass sie nicht selbst dadurch von der Kommandobrücke gepustet werden. „Farm“ nun atmet, und das ist eine neue Nuance, einen gehörigen Seventies-Spirit. Sonst ist alles wie immer – laut, knarzig, wuchtig und schön!

Text: Torsten Hempelt

Matt & Kim Grand

(Nettwerk/Soulfood) Musik kann so einfach sein. Ein rumpelndes Schlagzeug, ein fiepsendes Keyboard, ein Sänger, der nicht jede Note, aber dafür den Ton trifft, fertig ist die Laube. Mit „Grand“ legen Matt & Kim ihr zweites Album und den bisher besten Witz des Jahres vor. Denn während sich andere Bands noch über Kunst Gedanken machen, sind Matt & Kim schon längst im musikalischen Bällebad ab- und mit haufenweise buntem Plastik-Pop wieder aufgetaucht. Tatsächlich schafft es das New Yorker Duo, sein bei Live-Auftritten omnipräsentes Dauergrinsen in zwölf beschwingte Lo-Fi-Stadionrock-Songs zu übersetzen. Energisch, überdreht und mit erhöhtem Spaßfaktor dilettantieren sich Matt & Kim durch ein Album, das zwar einfach, aber nicht simpel ist. Denn Melodien, die so hartnäckig im Gehörgang kleben bleiben, muss man sich eben erstmal einfallen lassen. Man würde sie gerne Mitsingen, kann aber nicht vor Lachen.

Text: Timo Richard

Frank Turner Love, Ire & Song

(Epitaph/Indigo) Dem ein oder anderen dürfte Frank Turner schon positiv aufgefallen sein – als Akustikgitarre behangener Troubadour im Vorprogramm von The Gaslight Anthem. Der einstige Schüler des Eaton College entschied sich trotz exzellenter Noten und prominenter Klassenkameraden aber nicht für eine Karriere als geldgepuderter Geschichtsprofessor, sondern schnappte sich seine abgerockte Klampfe und verfasste seine tollen, ironie- und wahrheitstrunkenen Lieder von der Liebe und vom Leben. Alle, die sich an solchen Typen wie Billy Bragg, Elvis Costello oder am Soloalbum von Tom Gabel erfreut haben, werden Frank Turners „Love, Ire & Song“-Platte lieben, denn dieser Mann schreibt nicht nur ähnlich eingängige Folk-Punk-Hymnen wie seine legendären Mistreiter, sondern er hat sogar Humor (und manchmal eine Geige dabei)!

Text: Florian Hayler

Portugal. The Man The Satanic Satanist

(Defiance/Cargo) Das vierte Portugal. The Man-Album ist Rückbesinnung, Neuanfang und Wiederholung zugleich. Rückbesinnung, weil erstmals seit dem Wahnsinns-Debüt „Waiter: You Vultures“ wieder Loops und Samples eine dominante Rolle spielen. Neuanfang, weil die Jungs aus Alaska noch nie so zugänglich, soulig und poppig klangen - Drei-Minuten-Hits statt Jams, Ehrerweisungen an Isaac Hayes, Polyphonic Spree, die Beatles, Sly And The Family Stone und Ween. Und Wiederholung, weil auch das vierte Album in vier Jahren eine Gebot ist - welche andere Band vermag es schon, sich mit jeder Platte neu zu erfinden, und doch immer wieder einen Meilenstein zu erschaffen, der Ende des Jahres in jeder ernst zu nehmenden Top-Alben-Liste zu finden sein muss? „The Satanic Satanist“ ist eine Sommer-, eine Hit- eine unbeschwerte Hippie-Flower-PowerPop-Platte. Und ein zwingender Grund, warum man auch anno 2009 noch in die Läden stürmen und CDs kaufen sollte.

Text: Tito Wiesner

Future Of The Left Travels With Myself And Another

(4AD/Beggars/Indigo) Spätestens mit diesem zweiten Album von Future Of The Left sollten auch die größten McLusky-Nostalgiker ihren Frieden finden, denn es führt die besten Eigenschaften der ehemaligen mit denen der aktuellen Band von Andy Falkous und Jack Egglestone zusammen. Hektische McLusky-Riffs treffen auf überdrehtes Future Of The Left-Keyboard-Gedudel, werden in einen Sack gesperrt und kämpfen bis zur totalen Erschöpfung. „Travels With Myself And Another“ ist ein roher, böser Brocken arty GaragenRock, überschlägt sich permanent in schöner Parallelität mit Falkous Stimme und bietet massenweise schlaue Sprüche für die Poesie-Alben kleiner Cousinen. „It only happened cause I couldn’t stop drinking“, krakeelt es aus den Boxen und man kann nur hoffen, dass damit nicht die Entstehung dieses Albums gemeint ist.

Text: Timo Richard

We Were Promised Jetpacks These Four Walls

(Fat Cat/PIAS/Rough Trade) Der Vergleich mag zwar hinken, aber wenn Glasgow das neue Sheffield wäre, dann wären We Were Promised Jetpacks die neuen Arctic Monkeys. Vielleicht mit ein bisschen mehr Ruß auf der Seele und nicht so flächendeckend stadiontauglich, dafür aber mit dem gleichen Maß an Sturm und Drang, Frische und der Gabe, rohe, energetische Post-Punk-Pop-Songs zu schreiben. Zusammen mit den Produzenten Peter Katis (The Twilight Sad, Frightened Rabbit, The National) und Ken Thomas (Sigur Rós, David Bowie), hat das Quartett mit „These Four Walls“ ein Debüt aufgenommen, das mit der unvermittelten Direktheit seiner überwiegend live eingespielten Songs die ungeschliffene Schönheit eines Rohdiamanten besitzt und einem folgendes Wortspiel förmlich aufzwingt: Diese Band wird auch ohne die versprochenen Düsenrucksäcke einen Raketenstart hinlegen.

Text: Boris Mischke

Jennifer Rostock Der Film

The Mars Volta Octahedron

Text: Florian Hayler

Text: Volker Bernhard

(Warner) Wenn irgendwer oder höchstwahrscheinlich Jennifer Rostock-Bandchef Joe für „Der Film“ eine spür- und hörbare Weiterentwicklung des bandeigenen Klangparks verordnet hat, dann hat er das konsequent durchgezogen. Auf den so angenehm zwischen die Beine tretenden Sound aus Punk und NDW des Debüts schichteten Jennifer Rostock mit „Der Film“ nun Funk, Pianoklänge oder gellenden Screamo und stehen damit im hiesigen Biz konkurrenzbefreit und ziemlich alleine da. Noch viel wichtiger als ihr eigenes Genre kreiert zu haben ist für Jennifer Rostock aber, dass aus dem einst über viele Zufälle zusammengewürfelten Disco-Ensemble eine Einheit geworden ist; eine Gang aus fünf grundverschiedenen, dickköpfigen, aber nicht minder loyalen Kämpfern für die gemeinsame Sache. Ergo ist „Der Film“ keine Fiktion, sondern in erster Linie eine Doku, aber auch die kann durchaus ein Happy End haben.

Wilco Wilco (The Album)

(Nonesuch/Warner) Bei Jeff Tweedy kann man sich sicher sein: Wenn er etwas macht, dann macht er es richtig. Das bewies er schon mit den sechs Vorgängern, und auf dem neuen, schlicht „Wilco“ betitelten Album übertrifft er sein bisheriges Schaffen als Songwriter einmal mehr. War „Sky Blue Sky“ aus dem Jahr 2007 träumerisch-melancholisch mit Hang zur Depression, ist das neue Werk energetischer, ja teilweise gar fröhlich. Aber trotz positiver Note geht es in den neuen Songs doch wieder „nur“ um die Liebe - und die Trauer, Verletztheit und Enttäuschung, die sie mit sich bringen kann. Angefangen vom starken, aufbäumenden „I’ll Fight“, dem herzzerreißenden „Everlasting“ bis zum absoluten Höhenpunkt des Albums, dem wunderschönen Duett mit Feist „You And I“.

Text: Kati Weilhammer

(Universal) Nach zwei eher durchwachsenen und verfrickelten Platten haben sich The Mars Volta - die Band, die mit ihrem Debüt „De-loused In The Comatorium“ 2003 schon einen modernen Rock-Klassiker schrieb - endlich auf alte Stärken besonnen. „Octahedron“ ist ihre vermutlich klarste Platte seit etlichen Jahren, der Rauswurf zweier Multiinstrumentalisten brachte puren Segen: Endlich steht wieder der Song im Vordergrund, „weniger“ ist endlich wieder „mehr“ im Kosmos Mars Volta. Schon dieser wunderbare Beginn mit „Since We’ve Been Wrong“: Nach zwei Minuten leiser Geräuschkulisse nahezu intimer Gesang mit verhaltener Gitarre, zum Schluss mächtige Schlagzeugbegleitung. Das sich anschließende „Teflon“ rockt unerwartet direkt und überzeugt mit fordernder Rhythmusgruppe, die folgenden sechs Songs stehen dem in nichts nach. Welch ein phantastisches Album!

The XX The XX

(Young Turks/XL/Beggars/Indigo) Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Während sich allerorten neu errichtete Walls of Sound, frisch gehäkelte Keyboardteppiche und monumentale Joy Division-Denkmale in der britischen Musiklandschaft auftürmen, haben The XX in einem Londoner Vorort die klapperdürre Antithese zum Hype gebastelt. Das Ergebnis sind karg instrumentierte, kristallklare Songs mit komplexen R’n’B-Beats, die durch die lässig-verträumten Stimmen der beiden perfekt harmonierenden Sänger Romy Madley Croft und Oliver Sims zusammengehalten werden. Fast schon schüchtern zurückhaltend wirkt die reduzierte Produktion und konterkariert damit angenehm die dickhosige Rock-Pose des nöligen Insel-Stadion-Rock. Und trotzdem, The XX sind nicht einfach nur dagegen. Die junge Band hat aus Bekanntem und Neuem einen angenehm eigenständigen Sound synthetisiert, der sie wahrscheinlich zum nächsten Hype macht.

Text: Timo Richard


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PLATTEN/OFFENBARUNG

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DIE OFFENBARUNG The Dead Weather Horehound (Sony)

Schon wieder ein neues Projekt des emsigen Jack White. Diesmal war der Auslöser eine schnöde Bronchitis. Die führte dazu, dass The Kills-Sängerin Alison Mosshart bei ein paar RaconteursKonzerten für den heiseren Frontmann einsprang, was wiederum in der Gründung dieser gemeinsamen Band endete. Neben RaconteursBassist Jack Lawrence, der angeblich einfach in der Nähe war, stieß Dean Fertita von den Queens Of The Stone Age zu der Supergroup. Keine Frage: Die Erkältung war ein Glücksfall. Mit The Dead Weather treibt White seine

musikalische Obsession für den Blues radikaler als je zuvor weiter. Und er hat ebenbürtige Mitstreiter gefunden. Mosshart krächzt und fiebert sich durch die Songs und Fertitas scheppernde Psych-Riffs erinnern an den frühen Hard-Rock der Edgar Broughton Band, aufgepeppt mit todsicherem Stilgefühl und durch überraschende Referenzen. Grandios inszeniert etwa bei „I Cut Like A Buffalo“, wenn Whites Sprechgesang auf eine bombastische Deep-Purple-Hammond trifft. Ein düsteres, gewaltiges Album in formvollendetem Lo-Fi-Sound. Text: Arne Lieb

1 hoffnungslos ** 2 egal ** 3 üben ** 4 bemüht ** 5 kann man machen ** 6 gut ** 7 vorn dabei ** 8 wichtig ** 9 grandios ** 10 klassiker The Adicts Life Goes On

(People Like You/EMI) 31 Jahre nach Bandgründung sind die PunkClowns der Adicts LIVE noch immer für die ein oder andere Überraschung gut, auf ihren Alben experimentieren sie hingegen nie. Entsprechend stilsicher klingt auch „Life Goes On“: Neben dem bewährten Popund Singalong- gepolsterten UK-Punk hagelt es natürlich auch astreine Balladen und sinnfreie Bubblegum-Hymnen, was freilich ganz im Sinne der Fans sein dürfte. Zu hören und zu sehen sind die Adicts in Kürze im Vorprogramm der Toten Hosen. 5

Text: Florian Hayler

The Alexandria Quartet The Alexandria Quartet

(Nettwerk/Soulfood) Die Liebe - nicht nur das große zentrale Thema dieses Planeten, sondern auch des ersten Albums dieser vier jungen Norweger. Weil man sich in London besser der Romantik hingeben kann als möglicherweise in Kopervik oder Tromsö, ist die ganze Truppe dann kurzerhand nach England übergesiedelt. Was musikalisch durchaus Sinn macht, denn statt das Erbe von a-ha anzutreten, schwelgen The Alexandria Quartet in klassischen und romantischen Brit-Pop-Klängen. Die ganz großen Gefühle werden in hübsche Melodien mit behutsam eingesetzten Streichern gebettet oder mit sanften Piano-Einsätzen deutlich gemacht. Das Ergebnis ist natürlich sehr gefällig, aber hier kommt garantiert jeder, dessen Herz nicht im Permafrostboden konserviert wurde, ins verliebte Schwärmen. Da sie das Songwriting zum zentralen Thema des Planeten also ganz gut beherrschen, könnte das Alexandra Quartet noch ganz groß werden. 7

Text: Tim Kegler

Amanda Blank I Love You

(Downtown/Cooperative/Universal) Philly-Pussy mit PopMission. Nach ihrer ersten offiziellen Single „Might Like You Better“ rieben sich bestimmt viele schon gierig die Hände: Eine neue dauergeile Rap-Konkubine, die partylüstern alles bespringt, was nicht schnell genug Indie-Disko brüllt. Toll. Doch die junge Dame aus Philadelphia sabbert auch gern mal süß und

entblättert etwa in „A Love Song“ ihre mädchenhaft romantische Seite. Zwei schlagkräftige Argumente oberhalb der Gürtellinie hat Amanda auch am Start: Zum einen eine Spitzenstimme, zum anderen das Händchen für den perfekt sitzenden, körperbetonten Pop-Song. Bei Tracks wie „Might Like You Better“, „Make It Take It“, „Big Heavy“ oder „DJ“ müssen so auch die knorpeligsten Indie-Spacken unweigerlich den Hinterschinken kreisen lassen. 7

Text: Christine Stiller

Amazing Baby Rewild

(V2/Cooperative/Universal) Es ist der perfekte Zeitpunkt - nachdem letztes Jahr MGMT die Musikwelt ordentlich aufgemischt haben, erscheint jetzt die ebenfalls aus Brooklyn stammende Band Amazing Baby auf der Bildfläche. Auch sie bedienen sich im Siebzigerjahre-Prog-Rock-Fundus und sorgen mit lauten verzerrten Gitarren für hallende Feedbacks und mit plärrendem Keyboard für neue Hymnen auf den Tanzflächen. Auch wenn „Rewild“ nicht gleich beim ersten Hören überzeugt, lässt sich die ein oder andere Perle entdecken - wie zum Beispiel die erste Singleauskopplung „Headdress“, bei der vor allem der eindringliche und sehnsüchtig-drängende Gesang von William Roan überzeugt. „Rewild“, ein Album, das lange braucht, um sich zu entfalten und das auch schnell wieder vergessen sein wird. 5

Text: Kati Weilhammer

Apostle Of Hustle Eats Darkness

(Arts & Crafts/Alive) Dass die Broken Social Scene derzeit weiterhin auf Eis liegt, kann innerhalb der Band niemanden ernsthaft stören, geht doch jedes Mitglied des kanadischen Kollektivs einer bis 20 Nebenbands nach. Auch Andrew Whitemann nutzte die Auszeit, um als Apostle Of Hustle zum dritten Mal an seiner Vision von Indie-Pop-Musik mit dem Schwung kubanischer und brasilianischer Folklore zu feilen. Mit seinen drei Mitstreitern hat er abermals eine Sammlung gut gelaunter Tunes zusammengetragen, die - dem Albumkonzept folgend - von befremdlichen Klangcollagen umrahmt sind. So lässt sich die Idee hinter „Eats Darkness“ wie folgt beschreiben: Songs, deren Strahlkraft sich durch die Dunkelheit frisst - um am Ende des Tunnels am Licht herauszukommen. 7

Text: Robert Goldbach

Auletta Pöbelei & Poesie

(Virgin/EMI) Der Name von Aulettas Debütalbum „Pöbelei & Poesie“ ist Programm. Die vier Jungs aus Mainz sind sehr ambitioniert, schmissig und dabei leider nicht sonderlich originell. Statt der Auletta-Texte könnte man genauso gut die ihrer schwedischen oder englischen Indie-Rock-Kollegen mitsingen, denn auch die Melodien sind die gleichen. Hoffnungslos ist es zwar nicht, nur sollten sich die vier Freunde weniger Inspirationen von anderen Bands holen und einen eigenen Stil entwickeln. Der letzte Song des Albums, „Die Blaue Blume“, lässt erahnen, dass Auletta mehr können als nur nachmachen. 4

Text: Maleen Mohr

Autokratz Animal

(Kitsuné/Cooperative/ Universal) Die Londoner Autokratz werden in ihrer Heimat zwar als die Retter des Elektro abgefeiert, aber ganz so neu ist ihr beatbeladener Dance-Mix nicht. Wo ‘Kitsuné‘-Labelmates Simian Mobile Disco und Digitalism die Neu-Raver euphorisch steppen lassen, schaffen es Autokratz mit ihrem Debüt vielleicht, ein paar betrunkene Mädchen zum Arschwackeln zu überreden. Dass dies nicht unbedingt von Nachteil sein muss, weiß jeder, der sich schon mal auf einer Party mit betrunkenen Mädchen amüsiert hat. Obwohl das „Animal“ von Autokratz nicht besonders bissig ist, gibt es Lichtblicke wie „Stay The Same“, das sich anhört, als würden Hot Chip und Kraftwerk zusammen Ecstasy einwerfen. Auf „Human Highway“ wiederum beweisen Autokratz, dass sie am besten sind, wenn sie den Fuß vom Gas nehmen, den ganzen Coolness-Faktor-Scheiß der Elektro-Szene vergessen und sich einfach der Melodie hingeben. 7

Text: Linda Aust

THE BOSSHOSS DO OR DIE

(Island/Universal) Schon mit „Stallion Battallion“ haben die einstigen Cowboy-Cover-Kings den Anteil an geborgtem Liedgut zugunsten von mehr Eigenmaterial zurückgeschraubt. Auch „Do Or Die“ haut in jene Kuhgatterzaun-Kerbe. The BossHoss haben es sich in ihrer Nische zwischen Neo-Country, Rock(abilly) und Pop bequem gemacht, ohne dabei in kompletter Lagerfeuer-Lethargie wiederkäuend vor sich hin zu

vegetieren. So hat „Do Or Die“ genügend heiße Western-Eigenständigkeits-Eisen im Feuer, um Langnese-Jingles wie Schnee von gestern anmuten zu lassen. Kurzum: Originalität und originär Obskures aus dem Sechziger-Bubblegum-Automaten wie „Quick Joey Small“ von Kasenetz Katz Singing Orchestral Circus beweisen, dass sich die urbanen Hut-Träger ihre musikalischen Selbständigkeitssporen verdient haben. Hossa! 6

Text: Frank Thießies

Bowerbirds Upper Air

(Dead Oceans/Cargo) Komischer Name, tolle Band: Als die Bowerbirds vor einem Jahr ihr Debüt „Hymns Of A Dark Horse“ veröffentlichten, stand die Musikwelt Kopf und lobpreiste die amerikanische Band als „Retter der Akustikgitarre“. Zu Recht, wie auch ihr neues Album „Upper Air“ beweist - die Songs bewegen sich irgendwo zwischen klassischem Sixties-Pop und postmodernem Weird-Folk. Folgerichtig dreht sich alles um die arg gebeutelte Natur und unserem skrupellosen Umgang damit. So gehört es sich für Hippies, die knapp 40 Jahre zu spät auf die Welt gekommen sind. Doch gerade dieses Traditionsbewusstsein macht den Charme der Bowerbirds aus: Sie hieven ihre Lieder in transzendentale Höhe, verlieren nie den Boden unter den Füßen und liefern mit „Upper Air“ ein famoses Gesamtkunstwerk ab. Ohne Frage bemerkenswert. 8

Text: Marcus Willfroth

Broken Records Until The Earth Begins To Part

(4AD/Beggars/Indigo) Was ist in den NME gefahren? Welche Umstände konnten dazu führen, dass die britische Indie-Geschmackspolizei die Broken Records als „one of the country’s most exciting new bands“ bezeichnet? Haben die richtig hingehört? Ein Himmel voller Geigen und Trompeten! Eine Vorliebe für keltischen Folk und Melodrama-Rock! Ein Sänger, der sich im Pathos suhlt wie Bono Vox in seinen bierernstesten Tagen! Seit wann bitteschön können sich die Berufszyniker vom NME für so etwas begeistern? Letztlich ist es aber auch egal. Es ist ja nicht so, dass man dem Schotten-Septett das Lob missgönnen oder ihm Talent und schöne Melodien absprechen wollte. Aber die Broken Records scheinen mit der emotionalen Wucht ihrer Musik wahrlich die Erde spalten zu wollen. Und dabei nehmen sie keine Rücksicht. 5

Text: Nina Töllner


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The Butterfly Effect Final Conversation Of KINGS

(Superball/SPV) Dass sich auch komplizierte Musikstile wie ProgRock einer relativ großen Beliebtheit erfreuen, spricht für die Intelligenz des Publikums. Alle Jahre wieder stolpern so Bands wie Tool oder aktuell Dredg in den Fokus der Öffentlichkeit, obwohl sie Musik machen, die für den Endverbraucher so leicht zu verdauen ist wie eine olle Scheibe Dinkelbrot. Auch die vier Australier von The Butterfly Effect können sich rühmen, trotz relativ kantigen musikalischen Outputs in ihrer Heimat regelmäßig vom süßen Charterfolg kosten zu dürfen. Zu Recht, denn sie schlagen auch auf ihrer dritten Langspielplatte gekonnt den Bogen zwischen verspieltem Filmsoundtrack, straightem Rock und Mucker-Gefrickel. „Final Conversation Of Kings“ ist ein detailverliebtes Album für Leute, die Musik auch mit dem Gehirn wahrnehmen. 6

Text: Timo Richard

Cargo City On.Off.On.Off

(Rebecca & Nathan/Intergroove/Cargo)

Tortuga Bar Narcotic Junkfood Revolution

(VierSieben/Alive) Wenn gleich im ersten Song ein berühmter Held der Adoleszenz-Literatur zum Durchhalten aufgefordert wird, dann gibt das schon einigen Aufschluss über des Schöpfers Wesensart - „Hold On In The Rye, Holden“ eröffnet das zweite Album von Cargo City, und der hauptberufliche Sozialpädagoge Simon Konrad, der sich hinter diesem Bandnamen verbirgt, kann von Beginn der Platte an punkten. Fluffiger Indie-Gitarren-Pop, der vor elektronischen Einbauten nicht zurückschreckt, und dem mit ein bisschen Glück durchaus eine Zukunft im Radio-Tagesprogrammes zwischen Death Cab For Cutie und Polarkreis 18 blühen könnte. Zu einer solchen hat es bei der selbsternannten „Ost-Westfalen-Lippe-Indie-Legende“ Mark Kowarsch ungeachtet des ganz ähnlichen musikalischen Spielfeldes bisher nie ganz ge-

reicht, trotzdem konnte er mit seinen bisherigen Bands wie u.a. Sharon Stoned im Laufe der letzten 25 Jahre durchaus Erfolge einfahren und vor allem Kontakte knüpfen. Das kommt ihm nun zugute, denn das Album seines neuen Projektes „Tortuga Bar“ wimmelt nur so vor Gästen unterschiedlicher Couleur: Evan Dando von den Lemonheads ist genau so dabei wie Phillip Boa und Herr Nagel von Muff Potter. Insgesamt würden sich die beiden hier besprochenen Platten übrigens prima zu einem Doppelkauf eignen! 6/5

Text: Ralph Schlegel

Caspian Tertia

(Make My Day/ Alive) Es gibt laut, es gibt leise. Dass das Zusammenspiel von beidem sehr eindrucksvoll wirken kann, ist nun auch nicht mehr das bestgehütete Geheimnis der Musikgeschichte. Gerade das Genre, das Caspian beheimatet, und das gemeinhin als Post-Rock überschrieben wird, lebt davon, dass sich wilde Gitarrenorkane über sanft fließende Soundflächen erheben. Reizvoll ist das Spiel dennoch immer wieder. Caspian finden sich in der Ahnenreihe von Mogwai und Godspeed You! Black Emperor - Atmosphäre statt Gesang. Die Kunst des Spannungsbogens beherrschen sie gekonnt - nicht nur über Song, sondern auch auf Albumlänge. Das adäquat betitelte „Of Foam And Wave“ macht’s vor: Hier die Brecher, dort die auslaufenden Schaumkronen. Insgesamt nichts, was man so nicht schon kennen würde, aber eine Empfehlung für Genre-Fans. 6

Text: Robert Goldbach

Clutch Strange Cousins From The West

(Weathermaker/Soulfood)

The Bakerton Group El Rojo

(Weathermaker/Soulfood) Clutch sind immer noch so etwas wie ein Geheimtipp, auch wenn die Band schon seit 1991 dabei und „Strange Cousins From The West“ ihr neuntes Album ist - und abermals ein großartiges dazu. Auf einer mehr als soliden Blues-Grundlage haben

An dieser Stelle noch einmal nachträglich... ...na, der Hinweis darauf, dass es eine neue Breeders-EP gibt. „Fate To Fatal“ (breedersdigest. net) heißt die und umfasst vier Songs, darunter die wunderschöne Interpretation von Bob Marleys(!) „Chances Are“ und mit „The Last Time“ sogar einen von Mark Lanegan gesungenen Song. Für Vinyl-Freunde kommt diese Nachricht leider recht spät, denn die auf 1.000 Stück limitierte 12“ ist ausverkauft (zumindest bei den Breeders) - aber die Download-Variante dürfte ca. bis zum Ende des Internets zu erwerben sein.

Flipper“ und „Gone Fishin’“, die Singles-Compilation „Sex Bomb Baby“ sowie Live-Album „Public Flipper Limited“ (alle: Domino/Indigo). Alte Hüte, aber sehr kleidsam.

Ebenjenes könnten die folgenden Herrschaften vermutlich sogar überleben (gemeinsam mit den Kakerlaken wohl auch einen Atomkrieg), denn die - selbst durch gleich mehrere verstorbene Mitglieder unstoppbaren - chaotischen Monoton-Heavy-Punker von Flipper haben Anfang der Jahres tatsächlich ein neues Alben veröffentlicht. Grund genug, einen Großteil des legendären Backkatalogs mal wieder fein säuberlich restauriert auf den Markt zu werfen - als da wären: die ersten beiden Alben „Album/Generic

Weiß gar nicht, ob’s das gibt - die abschließende schöne Platte gibt’s aber sehr wohl, und zwar heißt die „Josephine“ (Secretly Canadian/Cargo), und kommt von der Magnolia Electric Co. Diesmal etwas weniger wuchtig als gehabt, ist immer noch genug Neil Young’sche Breitseite in Stimme und Musik von Jason Molina, der das Heldentrio aus 1. Bonnie Billy, 2. Callahans Will(y) und 3. eben Jason erst komplettiert.

Völlig unbekleidet ist hingegen die (gemalte) Dame auf „The Afterlife“ (Reverb/Alive), dem fünften Album von Elysian Fields. Darauf geben sich Jennifer Charles und Oren Bloedow (was’n Name!) wieder seeehr lasziv und noktambul. Schönes Wort, oder?

Text: Torsten Hempelt

die vier aus Maryland ihre ganz eigene Form von groovigem Hard-Rock entwickelt, mit starken Metal- und Soul-Einflüssen. Sehr eingängige, extrem riff-lastige Lieder mit spannenden Texten, die Sänger Neil Fallon mit seiner gleichzeitig nöligen und sehr souligen Stimme vorträgt. „Strange Cousins From The West“ schließt nahtlos an die Vorgängeralben an, ohne sie jedoch zu wiederholen. Fast noch besser ist die neue Scheibe der Bakerton Group - dem Seitenprojekt von Clutch, das aus derselben Mannschaft besteht. Der einzige Unterschied ist, dass Neil Fallon hier nicht singt. Eine reine Instrumentalband also, die noch tiefer im Blues und dem Klang der großen Hard-RockBands der Siebziger gräbt als es Clutch schon tun. Da wird gejammt und stets Neues eingebaut, etwa coole Saxophon/Gitarren-Duelle und HammondOrgelpassagen. Für Feinschmecker. 7/8

Text: Hans Vortisch

Cortney Tidwell Boys

(City Slang/Universal) Die Pop-Welt strotzt aktuell nur so vor singenden, Gitarre zupfenden und komponierenden Damen, die ihre musikalischen Ergüsse unters Volk bringen. Eine von den talentierteren unter ihnen heißt Cortney Tidwell, kommt aus einer waschechten Musikerfamilie und hat gerade ihr zweites Album „Boys“ herausgebracht – blöd nur, dass bis dato kaum jemand die junge Mutter aus Nashville kennt. Vielleicht werden ja jetzt ein paar mehr zu Freunden vom klangvollen, stimmlastigen und experimentellen Pop der Mrs. Tidwell, denn genau der findet sich auf „Boys“. Dabei variiert die Musikerin gitarrendurchsetzte Strecken, elektronische Spielereien und minimalistische Parts, die stets getragen werden von ihrer träumerischen Stimme. Melodisch, sanft, größtenteils angenehm, – nicht mehr und nicht weniger. 6

Text: Isabel Ehrlich

Dennis Lisk Suchen & Finden

(Four/Sony) Dennis Lisk hieß mal Denyo und war einer von den drei Beginnern. Unter richtigem Namen wandelt er nun auf Solo-Pfaden und trippelt denselben Gänsepfad entlang, der auch seinen ehemaligen HipHopKollegen Clueso vom Rappen zum Liedermachen geführt hat. Mit der Gitarre um den Hals und echtem Bemühen in der Stimme öffnet Lisk das erste Kapitel seines „seriösen“, weil erwachsenen, Musikwerks. Auf „Suchen & Finden“ wird viel gesucht, nach den richtigen Worten, nach der Hookline oder nach der klaren Linie. Finden lassen sich aber auch freundliche Momente, Funk, PopReggae, sogar dezente Anflüge von Rio Reiser und viel kommerzielles Potenzial. Gastauftritte von Jan Delay, Clueso und Max Herre garantieren zumindest, dass Dennis Lisk mit dem hier nicht noch mal durch die Jugendzentren muss. 6

Text: Timo Richard

DevilDriver Pray For Villains

(Roadrunner/Warner) Viele Bands starten extrem und wenden sich mit den Jahren immer mehr den massentauglicheren Sounds zu. Dez Fafara macht es umgekehrt - mit seiner ersten Band Coal Chamber rockte er die Nu-Metal-Tanzflächen, mit seinem aktuellen Projekt DevilDriver hingegen perfektioniert er seit Jahren den extremen und alles andere als Ohrwurm-tauglichen Metal. „Pray For Villains“ stoppt allerdings den bisher eingeschlagenen „Immer härter, immer schneller“-Weg und setzt auf deutlich mehr Variation und Groove. Machine Head-Fans dürften da jedenfalls jubilieren: DevilDriver geben sich technisch so versiert und kompositorisch so interessant wie nie zuvor. Verweichlichung muss aber trotzdem niemand

befürchten: Von eingängigen Refrains will Fafara auch 2009 nichts mehr wissen - dem gedrosselten Tempo zum Trotz ist auch „Pray For Villains“ der erhoffte Schlag in die Magengrube. 7

Text: Tito Wiesner

Dúné Enter Metropolis

(Sony) Kinder, wie die Zeit vergeht. Für Dúné waren die letzten zwei Jahre wahrscheinlich die ereignisreichsten ihres bisherigen Lebens. Der Veröffentlichung ihres Debütalbums „We Are In There, You Are Out There“ folgten Schulabschluss, Auszeichnungen und ein Umzug nach Berlin. Genug Material also, für mindestens ein neues Album. Der neuen deutschen Heimat entsprechend heißt das „Enter Metropolis“ und klingt ähnlich perfekt wie der Erstling. Und genau das ist das Problem. Die sieben Dänen posen so gekonnt im Schein der Neonreklame und stapeln SynthieSchichten so dick übereinander, dass trotz juveniler Sehnsucht und überschlagender Stimme nicht viel Emotionen ankommen. Viel hilft nicht immer viel, aber wer nicht viel erwartet, wird hier auch nicht enttäuscht werden, denn trotz allem haben Dúné ihren Job ordentlich gemacht. 6

Text: Britta Arent

El Grupo Nuevo De Omar RodrIguez-Lopez Cryptomnesia

(Rodríguez-López Productions/Cargo) Wieder einmal zollt der Mars Volta-Gitarrist seiner schier unbändigen Kreativität Tribut und gewährt mit seinem neuen Album Einblick in seine Gedankenwelt. Im Gegensatz zum überaus gelungenen neuen Werk seiner Hauptband gestaltet sich das jedoch leider recht häufig enervierend: Anders als auf früheren Soloplatten, die oft jazzig oder als reine Geräuschalben herauskamen, ist „Cryptomnesia“ klarer, betont aggressiv und vor allem härter als diese, wofür sich Hella-Schlagzeuger Zach Hill verantwortlich zeigt. Irgendwo zwischen guten Momenten, die aus der Anfangszeit von The Mars Volta stammen könnten, und nicht auf den Punkt gebrachtem Math-Rock weiß man nicht so richtig, wohin mit dieser Platte. 5

Text: Volker Bernhard

Florence & The Machine Lungs

(Universal) Weil der Bedarf nach jungen hübschen Frauen im Pop nicht nur in elektronischen und souligen Gefilden unersättlich ist, hat nun auch der Indie-Pop eine neue Vorzeige-Mittzwanzigerin. Musikalisch verbindet Florence & The Machine die exzentrisch-schönen Melodien von Bat For Lashes mit der Melancholie Cat Powers, der Toughness von PJ Harvey und dem britischen Witz Lily Allens. Das ergibt auf dem Debütalbum „Lungs“ eine entrückt-abwechslungsreiche und sehr überzeugende Mischung, die nicht zuletzt durch die eindringliche, angenehm unperfekte Stimme der Engländerin begeistert. Absolutes Pflichtprogramm für alle, die neben La Roux und Little Boots, also jenseits der Disco, noch Kapazität für einen weiteren Brit-Hype haben. 8

Text: Patrick Heidmann

Fruit Bats The Ruminant Band

(Sub Pop/Cargo) Ein bisschen waren die Fruit Bats schon immer so etwas wie die „kleinen Geschwister“ der Shins - und seit einiger Zeit ist dieses Verwandtschaftsverhältnis noch inniger geworden, denn nach FB-Chef Eric Johnson ist nun auch deren Multiinstrumentalist/Bassist Ron Lewis dem Vernehmen nach bei den - neben Death Cab For Cutie - wohl größten Indie-Vorzeige-Nerds eingestiegen. Interessant, dass ausgerechnet nun das neue Fruit


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Bats-Album wesentlich weniger nach den Shins klingt als die beiden Vorgänger. Stattdessen musizieren Johnson & Co. hier eher auf den Spuren des klassischen Rocks, mit all seinen Formeln und Schemata, jedoch mit einer gehörigen Portion Charisma; bauen auf vertrautem musikalischem Terrain wunderliche Häuser bzw. Songs - mehr Flying Burrito Brothers als Rolling Stones, sozusagen. Hübsch. 6

Text: Ralph Schlegel

Gemma Ray Lights Out Zoltar!

(Bronzerat/Soulfood) Das Schicksal von Gemma Ray ist wenigen bekannt: Die englische Songwriterin leidet seit Jahren an einer mysteriösen Krankheit, die sie regelmäßig ans Bett fesselt. Ihr letztjähriges Debüt „The Leader“ verarbeitete dieses Schicksal mit düsteren Texten und tiefschwarzem Folk. Nun kommt „Lights Out Zoltar!“, der Nachfolger - und es scheint, als ignoriere Gemma Ray die privaten Umstände komplett: Erstaunlich ungezwungen setzen die Beiträge auf große Arrangements, massige Soundschichten und überbordenden Pop-Appeal. Manches gerät dabei arg verspielt und wirkt zu euphorisch, kitschig vielleicht. Dem gegenüber stehen jedoch die leisen, ruhigen Momente, in denen sich Gemma Rays sagenhafter Gesang perfekt entfaltet. „Lights Out Zoltar!“ ist daher beides: Aufarbeitung und Zuversicht. Hätte wohl niemand so erwartet. 6

Text: Marcus Willfroth

God Fires Man Life Like

(Arctic Rodeo/Alive) Endlich mal wieder eine Band mit richtig coolem

Bandnamen. Die Platte selbst geht dabei ebenfalls ganz gut nach vorne. Drückender ProgressiveRock in ungeschliffener, schöner Reinform mit gelegentlichen Schreieinlagen. Auf Tour war die Band bereits mit Taking Back Sunday, Thursday und 65daysofstatic. Wem im Sommer also die Sonne zuviel auf den Kopf scheint, der schmeißt diese Scheibe ein und verzieht sich mittels Kopfkino zurück in dunkle Herbstnächte. 6

Text: Sebastian Ruchay

God Help The Girl God Help The Girl

(Rough Trade/Beggars/ Indigo) Stuart Murdoch ist ein cleverer Typ. Als ihm vor zwei Jahren auffiel, dass die neuen Songs nicht zu seiner Band Belle & Sebastians passten, entschied er sich für den Alleingang - mit unzähligen Freunden im Schlepptau. So ist sein Projekt God Help The Girl als eine Art Kommune zu verstehen, bei der jeder mitmachen darf, der will. Neben reichlich Gastsängerinnen sticht vor allem der Auftritt Neil Hannons hervor: Dem hauptberuflichen Divine Comedy-Frontmann gelingt es fraglos, die Größe des Murdoch’schen Songwritings einzufangen und mit stimmlicher Wucht perfekt umzusetzen. Klingt prätentiös? Ist es auch, denn wer mit einem 45-köpfigen Orchester - abseits der eigentlichen Band - ein Debütalbum aufnimmt, braucht sich über solche Vokabeln nicht zu wundern. Doch „God Help The Girl“ ist allen Zweifeln erhaben: Stuart Murdoch besitzt die Fähigkeit das Elegische auf den Punkt zu bringen. Wie pfiffig! 7

Text: Marcus Willfroth

Graham Coxon The Spinning Top

(Transaggressive/Rough Trade) Schlechtes Timing oder Absicht? Pünktlich zum Blur-Comback veröffentlicht Gitarrist Graham Coxon sein neues Soloalbum „The Spinning Top“. Es beweist einmal mehr, welch hervorragender Songwriter in ihm steckt und präsentiert im Gegensatz zum ruppigen Vorgänger „Love Travels At Illegal Speeds“ gediegenen Singer/Songwriter, der nur selten einen stürmischen Moment durchbrechen lässt. Coxon bezeichnet die Aufnahmen als ungezwungen, befreiend und verspielt. Dem ist zweifellos zuzustimmen und nur so lässt es sich erklären, weswegen „The Spinning Top“ überraschend leichtfüßig daherkommt: Mit allerhand Akustikgitarren und Folk-Momenten brilliert Coxon über die gesamte Länge des Albums. Eigentlich schade, wenn dieses Meisterwerk im ReunionTrubel von Blur untergeht. Es verdient vollste Aufmerksamkeit. 8

Text: Marcus Willfroth

Jack Peñate Everything Is New

(Beggars/Indigo) The Beat goes on, keine Chance für Stillstand. Mit seinem zweiten Album „Everything Is New“ verspricht Jack Peñate eine musikalische Generalüberholung, dabei brillierte der Londoner vor zwei Jahren mit seinem Debüt „Matinée“ und ungestümen Indie-Pop-Songs jenseits des aktuellen Tageshypes. Doch er ist clever genug um zu wissen, dass man ihm die Nummer kein zweites Mal abnehmen würde. Vorhang auf also für den

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neuen Jack: Mit Discokugel unterm Arm und Träne im Knopfloch vollführt er diesmal seinen Seiltanz zwischen Calypso, Afro-Beat und Disco, wechselt catchy Refrains mit verliebten Phrasen und Falsettgesang mit bratzigen Gitarrenparts. Das ist so gut, dass man den alten Jack kaum vermisst. 7

Text: Ina Göritz

Jay Reatard Watch Me Fall

(Matador/Beggars/Indigo) Hoch lebe der neue LowFi-Punk! Jay Reatard, schon als blutjunges Kerlchen mit den Reatards und den fantastischen Lost Sounds am Start, macht auch auf seinem „ersten echten eigenen Album“ wieder alles richtig. Und während man bei seinen Schubladen-Genossen wie Wavves oder Vivian Girls gehässig „Viel Lärm um (fast) nichts“ denkt und insgeheim deren Promoter beglückwünscht, wippt man hier freudig mit und sehnt schon die nächste Live-Darbietung der überwiegend zuckersüßen Sommer-Songs herbei. Eine gesunde und gelungene Mischung aus Bubblegum-Pop, Garagenlärm und entspanntem, aber gutem Songwriting im Geiste von Buzzcocks, Damned, Oblivians („A Whisper = Bad Man“) und Saints. Eine tolle Platte voller Hits! Und die bleiben im Ohr. 8

Text: Tanja Marquardt

Julian Plenti Julian Plenti Is Skyscraper

(Beggars/Indigo) Julian Plenti ist das Alter Ego von Paul Banks, dem Sänger von Interpol. Statt sich wie Paul mit einer Band arrangieren zu müssen, durfte Julian sein erstes Album ganz nach eigenen Wünschen und größtenteils allein aufnehmen. Das Ergeb-


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nis der Ego-Tour klingt gar nicht so weit entfernt von der letzten Interpol-Platte. Plenti kreiert einen detailverliebten, alle Tricks moderner Aufnahmetechnik nutzenden Sound, in dessen Mittelpunkt sein charakteristischer Ian-Curtis-Bariton steht. Bläser und Streicher waren ins Studio geladen, die Schrammel-Gitarre wird dafür nur sparsam eingesetzt. Das alles hat sehr schöne Momente, streckenweise hätte dem Album aber etwas mehr Bewegung gut getan. 7

Text: Arne Lieb

Killswitch Engage Killswitch Engage

(Roadrunner/Warner) Im Grunde haben Killswitch Engage schon alles erreicht, was eine Metal-Core-Band erreichen kann: Sie sind Aushängeschild ihres Genres, haben den Mix aus Zuckerbrot-Melodie und Knüppel-Peitsche perfektioniert und beschallen mit ihren Hits die Metal-Tanzflächen weltweit. Irgendwie logisch also, dass die Band auf Platte Nummer Fünf keine Experimente wagt, sondern versucht, Gutes noch besser zu machen. Mit StarProduzent Brendan O’Brien, etwas erhöhtem Metal-Anteil und ein bisschen mehr Aggressivität wird die bekannte Formel einmal mehr perfektioniert, der Härte-Pegel noch wuchtiger ausgelotet, die Refrain-Zeilen werden noch eingängiger geschliffen. Folgerichtig heißt die neue Scheibe auch wie die Band selbst - das hier sind Killswitch Engage in ihrer pursten, direktesten, eindringlichsten Form. Überraschungsfrei - aber erneut beeindruckend gut. 7

Text: Tito Wiesner

K.I.Z. Sexismus Gegen Rechts

(Universal) Pipi, Kacka, Pups, Penis, Nutte, Hitler - da kichert der Intellektuelle und der Teenie findet’s geil verboten. Und während ersterer in so viel ungehörige Skandalnudel-Lyrik gepfefferte Ironie projiziert, rezitiert letzterer hohläugig Hits wie „Ringelpiez mit Anscheißen“ beim Flatrate-Saufen in der Spackendisco. Alles, was sich der Indie-Spießer nie getraut hat auszusprechen und was die Mama dem Halbwüchsigen verbietet, verwursten K.I.Z. auch auf ihrem zweiten Album „Sexismus Gegen Rechts“ bis zum Exzess und setzen auf den Hysterie-Reflex überzivilisierter Weißbrote. 17 Mal „Arschficksong“ mit wahlweise Half Time-, Surfoder Old School-Beat, Sido ist natürlich ooch jefeatured. Die Party bounct im Takt und spült sich nachher den Mund mit Seife aus. Ich find’ Leute doof, die meine Mama ficken wollen. 4

Text: Timo Richard

La Roux La Roux

(Universal) Geboren kurz nachdem Depeche Mode „Music For The Masses“ veröffentlichten, hatte Sängerin Elly Jackson genug Zeit, sich mit den Jahren die Tricks der Elektro-Größen abzugucken und nun mit Ben Langmaid einen an ihrer Seite, der ihr Eurythmics-like das Rampenlicht lässt und im Hintergrund für die Musik sorgt, anzuwenden. Die Symbiose der beiden als La Roux funktioniert beispielhaft: Ihre Single „Quicksand“ schnurrt mit „When Doves Cry Beat“-Beat in Ohr und die Hitqualität von „In For The Kill“ und „Bulletproof“ muss nicht weiter gelobt werden. Das Beste: Songs wie „As If By Magic“ funktionieren auch bei Tagelicht, wenn die Tanzschuhe längst in der Ecke liegen und nein, Zauberei ist das alles nicht. Aber mehr als die meisten zustande bekommen ohne Frage. 8

Text: Ina Göritz

Little Boots Hands

(Warner) Nachdem schon vor Monaten die formidable erste Single „Stuck On Repeat“ durchs Internet geisterte und der Hype phasenweise keine Grenzen mehr zu kennen schien, ist es nun endlich da, das Debütalbum von Little Boots. Und tatsächlich kann „Hands“ die enormen Erwartungen fast erfüllen, denn weit mehr als die Hälfte aller Songs sind ähnlich lässig aus dem Ärmel geschüttelter, fluffig glitzernder OhrwurmPop für die Disco wie der Vorbote. Mindestens so sehr wie Achtziger-Synths und komplexe Melodien à la Hot Chip, die immerhin an der Albumproduktion beteiligt waren, stand allerdings auch Massenkompatibles in der Tradition von Kylie Minogue Pate, weswegen das Album hin und wieder so überzuckert ist, dass es manchem vielleicht auf den Magen schlägt. 7

Text: Patrick Heidmann

Madness The Liberty Of norton Folgate

(Edel) Madness Nach dem jüngsten Album „Dangerman Sessions Vol. 1“, auf dem die Band seelenlose Interpretationen von Ska-, Reggae- und Rocksteady-Klassikern an vereinte, war die Freude verhalten. Mit ihrem neuen Konzeptalbum über einen kleinen, einst unabhängigen Teil von London haben sie diesmal aber so etwas wie Meisterwerk geschaffen. Wer Tanzflächenfüller wie „Baggy Trousers“ erwartet, wird sicherlich enttäuscht sein, aber wer Lust auf ein liebevoll arrangiertes Pop-Album hat, der wird an den 15 Songs und dem Mikrokosmos, den sie illustrieren, seinen Spaß haben. Dabei wenden sich Madness nicht komplett vom 2 Tone ab, aber dem klassischen Englischen Pop noch etwas mehr zu. Aber warum, um alles in der Welt, diese glattgebügelte Produktion? Es ist 2009! 7

Mikroboy Nennt Es, Wie Ihr Wollt

Moby Wait For Me

(Ministry Of Sound/Edel) Der Tag beginnt mit Krönung light. Später gibt es Mikroboy. Als hätte ihnen einer das Koffein aus der Aufweck-Brühe destilliert, schwärmen und schwelgen sich Songschreiber Michael Ludes und seine drei Bandkollegen von Mikroboy durch ihr Debüt, ohne dass der ruhige Puls nur einmal nach oben schnellen könnte. „Und auch die allerschlimmste Qual wird irgendwann egal“, singt Ludes, und tatsächlich strahlen die Lieder auf „Nennt Es, Wie Ihr Wollt“ eine gewisse, vielleicht buddhistische Gleichgültigkeit aus. Auch wenn der Post-EmoSound aus ruhigen Jimmy Eat World-Momenten und noch ruhigeren Kettcar-Anleihen herzergreifende Emotionalität nahe legt, klingt das Album letztendlich so kühl kalkuliert, als wäre es eine Beilage zur letzten Neon-Ausgabe. 5

(Little Idiot/Ministry Of Sound/Edel) Nach Millionen verkaufter Platten und zuletzt einem wenig gelungenen DiscoExperiment namens „Last Night“ befand Moby die eigene Musik als zu seelenlos und unpersönlich, weswegen es auf Album Nummer Neun nun heißt: Back to the roots. Womit in diesem Fall die „Play“-Tage gemeint sind. Denn die neuen Songs, in der Tat weit weniger glatt gebügelt und etwas handgemachter als zuletzt, erinnern in ihrer melancholischen Besonnenheit durchaus an „Why Does My Heart Feel So Bad“ und Co. Gleiches gilt für den Einsatz von Samples und Stimmen, auch wenn man prominente Gäste dieses Mal auf „Wait For Me“ vergeblich sucht. Alles in allem also keine wirkliche Neuerfindung - aber in jedem Fall eine überzeugende und sehr schöne Rückkehr zu alter Form. 7

Text: Timo Richard

Text: Patrick Heidmann

Miss Li Dancing The Whole Way Home

Molotov Jive Songs For The Fallen Apart

Text: Christine Stiller

Text: Christine Stiller

(DevilDuck/Indigo) „Pink it and shrink it“ auf den ersten Blick ist das eine Platte für Mädchen in Vintage-Polyesterblusen von einem Mädchen in Vintage-Polyesterbluse. Und - wie es der Teufelskreis so will - möchten deshalb andere Protagonistinnen des PüppchenPop sofort unbewusst ihr Revier markieren. Doch Linda Carlsson aka Miss Li darf da drüber stehen. Das mittlerweile vierte Album der jungen Schwedin ist alles andere als auf Trend gestrickt. Ihre angejazzten Pop-Perlen sind nur deshalb so bezaubernd, weil sie so authentisch kauzig wirken, dabei gleichzeitig aber süß und leichtverdaulich sind wie Zuckerwatte. Hier klimpern keine Wimpern, sondern Triangeln. Und wenn sich kantige Bläsereinsätze dazwischen schieben, sind alle Pop-Püppchen-Vergleiche im Nu vergessen. 7

(Strange Ways/Indigo) Sie sind jung, süß und immer noch ganz doll aufgeregt vor einem Konzert. Blutjunge Musikfans, zumeist weiblichen Geschlechts, die mit leuchtenden Augen in der ersten Reihe die Songs mitträllern, als gäbe es kein Morgen mehr. Für genau diese jugendliche Leichtigkeit dürfte „Songs For The Fallen Apart“ gemacht worden sein. Für Menschen, die wohl mit dem „Born To Run“Vergleich, den die Band im Zuge ihrer zweiten Albumveröffentlichung auf den Tisch spuckte, nur in Ausnahmefällen etwas anzufangen wissen. Und das müssen sie auch nicht. Der Boss kommt nicht aus Karlstadt. Dafür liefern die Jungs nette, tanzbare Gitarren-Pop-Melodien von der schwedischen Retro-Rock-Akademie ins Mädcheninternat von Hanni und Nanni. 5

Text: Tanja Marquardt

Major Lazer Guns Don’t Kill People… Lazers Do

(Downtown/Cooperative/ Universal) Die beiden Produzenten hinter MIA, Bonde Do Role und Santigold entwickeln mit einer Reihe teils hochkarätiger Gäste ihre Version vom Digital-FutureDancehall. Mehr muss man über „Guns Don’t Kill People... Lazers Do“ fast nicht wissen, um zu ahnen, dass dieses Album den Rest des Sommers bestimmen wird. Auch wenn die selbst erdachte Legende von Major Lazer - einer Art jamaikanischer SechsMillionen-Dollar Mann, der mit einem tödlichen Laser-Arm ausgerüstet wurde, um fortan als GeheimAgent zu arbeiten und dessen Undercover-Identität eines Nachtclubbesitzers in Trinidad es ihm erlaubt, Premium Dancehall-Platten aufzunehmen - wirklich hübsch ist, bleibt dieses Album einfach ein clever produziertes Stück Gute-Laune-Musik. 7

Text: Thomas Müller

Men Without Pants Naturally

(Vicious Circle/Alive) Wenn Russell Simins, hauptsächlich bekannt als Schlagzeuger von The Jon Spencer Blues Explosion, mit Gorillaz-Produzent Dan „The Automator“ Nakamura gemeinsame Sache macht, ist der Rahmen relativ eindeutig abgesteckt: rockende Gitarrenriffs treffen auf elektronische Programmierungen. Bestenfalls macht das Spaß wie beim ersten Stück „And The Girls Go“, schlimmstenfalls nervt es wie beim völlig überdrehten „Rock Show“. Ein anderer Song heißt passenderweise „Never Gonna Do That Again“ - besser ist das! 4

Text: Holger Muster

Gossip Music For Men (Sony)

PRO

Auf Album Nummer Eins nach dem Indie-Disco-Evergreen „Standing In The Way Of Control“, vier NME Covern (inkl. nackter Beth) und neu gewonnenem Superstarstatus übertrifft sich das Trio ein weiteres Mal selbst! More Dance, less Punk scheint diesmal die Devise. Nachdem sie für den Vorgänger mit Fugazi-Legende Guy Picciotto scheinbar schon den bestmöglichen Produzenten gefunden hatten, durfte diesmal niemand Geringeres als Produzenten-Guru Rick Rubin hinter den Reglern Platz nehmen. Er schneiderte „Music For Men“ einen extrem drückenden Sound auf den Pelz. Egal, ob Beth, wie in der neuen Band-Hymne „Heavy Cross“, stimmgewaltig über die Ungerechtigkeiten der Liebe singt, Gitarrist Brace seiner Smiths-Obsession wie in „2010“ (und dem Cover) endlich offensiv huldigen darf, Drummerin Hannah bei „Pop Goes The World“ in bester ESG und Liquid Liquid Manier über die Kuhglocken tänzelt oder die Band um der alten Zeiten willen mit dem finalen „Spare Me From The Mold“ noch mal einen Punk-Kracher raushaut: Das Album überzeugt auf ganzer Linie!

Text: Thomas Müller

CONTRA

Man darf der derzeit unisono abgefeierten „Stil-Ikone“ Beth Ditto, mit der sich die blitzlichtgewöhnte A-Prominenz genauso nerzgleich schmückt wie der Lesbenverband, durchaus auf die breite Schulter klopfen und dicke Props für die beneidenswerte Kompromisslosigkeit in Sachen Wort und Körperkult nach Portland schicken. Dem neuen Album „Music For Men“ sollte man sich als erklärte Zielgruppe aber ausnahmsweise mal von einem musikalischen Standpunkt nähern, und spätestens damit hat sich der Hype erledigt. Der Beat- und Funk-lastige Achtziger-Pop des Trios versandet trotz lustig platzierter Kuhglocken und Salt’n’Pepa-Zitaten irgendwo auf dem weiten Weg vom Kleinhirn zum Dancefloor (oder wahlweise zur Bar). Beth Ditto ist immer dann am besten, wenn sie nicht singt, sondern hustet oder ihr Organ als Falsett-Waffe gegen die Gitarren einsetzt – was leider zu selten vorkommt, denn es gibt davon so wenig. Und auch Brummbär Rick Rubin konnte bei der Suche nach kickenden GossipSounds nicht helfen. Und das, obwohl der ja eigentlich auch Zielgruppe sein müsste.

Text: Dieter Rasse


NAVVY IDYLL TANGIBLE

(Angular/Alive) Ein passenderes Label als ‘Angular Records‘ hätte das Sheffielder Quartett Navvy kaum finden können. Wer erinnert sich? „Angular“, also „eckig“, war das Kritiker-Wort der Stunde, als 2005 die Welle der Gang Of FourWiedergänger den Rock-Sound der Stunde lieferte. Und wenn ein Adjektiv auf „Idyll Tangible“ zutrifft, dann doch bitte dieses. Repetitiv und fahrig, „eckig“ eben, hoppeln E-Gitarre, Bass und Schlagzeug durch 13 kompakte Post-Punk/ Art-Rock-Nummern. Bassist Keith Jones sprechsingt in Eddie Argos-Manier über die Banalitäten des Lebens. Kollegin Claire Hill gibt den widerspenstigen Gesangsgegenpart und bringt per Billig-Synthie etwas mehr Farbe ins Geschehen. Wie so oft bei „eckiger“ Musik droht auf Dauer die Monotonie. Aber Gott sei Dank sind Navvy schlau genug, sich kurz zu fassen. 6

Text: Nina Töllner

Noisettes Wild Young Hearts

(Universal) Die Noisettes mit ihrer wahrhaft fantastischen Sängerin wollen es offensichtlich wissen. Ihr erstes Album „What’s The Time Mr. Wolf?“, ein Garagen-Soul-Punk-Kracher, wird einigen noch in guter Erinnerung sein. Nun legen sie nach, und man wünscht sich, man könnte den Drang nach oben nicht in jeder einzelnen Note hören. Die Rauheit und Blues-Lastigkeit des Debüts musste weichen, denn als erste Band in der Musikgeschichte haben diese drei sich vorgenommen, uns zu zeigen, dass „Pop-Musik auch heute noch anders klingen und spannend sein kann“. Na, darauf haben wir gewartet! Sicherlich sind ein paar sehr nette Pop-Nummern auf „Wild Young Hearts“, aber mit dem Radio-Hit „Don’t Upset The Rhythm“ schlagen sie jedem Fass den Boden aus und werden sicherlich in zehn Jahren zum festen Repertoire jeder Bad-Taste-Party gehören. 3

Text: Tanja Marquardt

Nouvelle Vague 3

(PIAS/Rough Trade) Die französischen Nouvelle Vague-Produzenten Marc Collin und Olivier Libaux bitten zum dritten Streich – und tatsächlich hat sich ein bisschen was getan. Auch wenn es immer noch darum geht, Punk- und sonstige Klassiker von vor langer Zeit neu, weiblich und eher trendig-schick einzukleiden, heißt das musikalische Tuch nicht mehr nur Bossa Nova, sondern es darf auch mal eine Runde Country oder Bluegrass gewebt werden. Interessant auch, dass einige der Originalinterpreten zum Duett antreten. So ist bei „Master & Servant“ doch tatsächlich Martin Gore zu hören. Insgesamt ist man aber dem Konzept treu geblieben: eine breite Auswahl an großartigen Original-Songs von „Blister In The Sun“, über „So Lonley“ bis zu „God Save The Queen“, die man dank Nouvelle Vague jetzt eben auch zum Latte Macchiato hören kann und der schmeckt ab und an ja auch dem ein oder anderen Biertrinker ganz gut. 6

Text: Caroline Frey

The Parlotones A World Next Door To Yours

(Eastzone/Soulfood) In Südafrika geht einiges. Nachdem die Indie-PopFormation Dear Reader aus Johannesburg vor kurzem das Radar der Indie-Gemeinde durchkreuzten, folgt mit den Parlotones nun der nächste Schub: Spürbar beeinflusst von Bands wie Radiohead, Placebo oder The Ark fahren die Parlotones schön Synthie-geschmierten PathosPop, der wie handgeschnitzt fürs Radio aus den

Boxen sifft. In ihrer Heimat haben die Parlotones so bereits ordentlich Wellen geschlagen, mal sehen ob es ihnen gelingt, ihr Zelt auch in unserer Nachbarschaft zu errichten. 4

Text: Dieter Rasse

Passion Pit Manners

(Sony) Das erste Album also. Eins mit Vorgeschichte. Denn eigentlich war die Hälfte der Songs auf dem Debüt von Passion Pit nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Frontmann Michael Angelakos schrieb sie größtenteils für die eigene Freundin, um seine Dankbarkeit für die gemeinsame Beziehung auszudrücken. Wie gut, dass er es sich anders überlegt hat und „Manners“ endlich das Licht der Welt erblickt: Im Stile von MGMT zelebrieren Passion Pit eine wilde Mischung aus poppigen Hooks, elektronischen Beats und kruden Keyboard-Wänden. Zusammengehalten durch Texte, die genauso offenherzig wie verschachtelt sind. Zwar könnte es schwer werden, sich von der oben erwähnten Konkurrenz abzuheben - sollten Passion Pit aber etwas Geduld mitbringen, werden sie es mit der nächsten Platte sicher schaffen. Es liegt ganz bei ihnen. 7

Text: Marcus Willfroth

Psychopunch Death By Misadventure

(Silverdust/Soulfood) Es mag ja eine große Kunst sein, sich musikalisch ständig neu zu definieren und nicht auf der Stelle zu treten. Nicht zuletzt bekommt man für zwei aufeinander folgende Alben ähnlicher Bauart von den Kritikern oft umgehend Gelb, das dritte wird dann mit Gelb-Rot geahndet oder gleich als Tätlichkeit ausgelegt. Eine Band wie Psychopunch müsste demnach längst eine lebenslange Sperre absitzen, würde sie nicht eine vielleicht noch größere Kunst als die eingangs erwähnte beherrschen: Sieben Platten lang (plus Singles, EPs, Bonus-Discs etc.) nicht ein Jota von ihrem Kurs abzuweichen und trotzdem spannend zu bleiben. Es hilft ja nix: „Death By Misadventure“ ballert wieder dermaßen mit Hits um sich, dass man für eine knappe Stunde vergisst, wie schmerzhaft lang der Zeitraum zwischen zwei Social D.-Platten ist. Pflichtkauf für jeden Fan. 8

Text: Marek Weber

Regina Spektor Far

(Warner) Ihr Album „Begin To Hope“ machte aus dem Geheimtipp Regina Spektor vor drei Jahren einen Star. Der Nachfolger bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass das nicht so bleiben sollte. Spektor schreibt gute Pop-Songs, singt schön, wirkt sympathisch und kann Klavier spielen. Die Songs auf „Far“ balancieren geschickt ein kleines Stück über der Grenze, unter der man sie als zu nett verschmähen könnte. Regina Spektor klingt damit wie das weibliche Pendant zu Ben Folds, der wiederum mal treffend als der Elton John des Indie-Pop gewürdigt wurde. Bleibt nur die Frage, was sie uns eigentlich mit der religiös angehauchten Single „Laughing With“ sagen will. 7

Text: Arne Lieb

Rhino Bucket The Hardest Town

(Acetate/Cargo) Anfang der Neunziger machten Rhino Bucket aus Kalifornien mit drei Scheiben als gute AC/DCEpigonen von sich reden, bevor das Quartett die Segel strich. Seit einigen Jahren lärmen sie wieder zusammen und legen mit „The Hardest Town“ ein solides Werk vor. Zum wiederhol-


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PLATTEN

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ten Mal sitzt Ex-AC/DC-Schlagzeuger Simon Wright an den Drums - und kann bei Tracks wie „Know My Name“ oder „Dog Don’t Bite“ so weiterspielen wie bei seinem alten Arbeitgeber. „To Be Mine“ erinnert gar an die großen Bon ScottBalladen wie „Ride On“ oder „Night Prowler“. Das Ganze ist bluesiger, allerdings auch weniger zwingend als bei den Himmelsstürmern von Airbourne, aber an die kommen die Young-Brüder zumindest im Studio ja auch nicht mehr ran. Freuen wir uns auf die Club-Gigs Anfang kommenden Jahres. 6

Text: Jens Fritze

Robin Tom Rink The Dilettante

(Viva Hate/Cargo) Ein Künstler tut seinem Promoter und dem Journalisten-Volk einen Riesengefallen, wenn seine Lebensgeschichte einen Schuss Dramatik oder Exzentrik aufweist - vor allem wenn der Künstler aus Münster kommt. Verkauft sich einfach besser. So liest man in Robin Tom Rinks Vita von Drogenproblemen, einem Job als Postbote und einer geheimnisvollen Krankheit. Wirklich nötig hat der 27-jährige derartige Aufmerksamkeitshascherei nicht. Sein Debüt ist auch so interessant genug, bewegt es sich doch jenseits typischer Singer/SongwriterEinheitssoße. Klar, auch Rink haucht traurige Texte zur Akustikgitarre oder hockt melancholisch am Klavier. Doch umschifft er geschickt Pathos und Langeweile, indem er beispielsweise zur E-Gitarre greift und zwischendurch ein bisschen Krach schlägt. Dilettantismus klingt anders. 7

Text: Nina Töllner

Sights & Sounds Monolith

(Redfield/Cargo) Obwohl Andrew Neufeld mit seiner Hauptband Comeback Kid in den letzten Jahren bewiesen hat, dass er sich nicht ohne weiteres auf einen bestimmten Hardcore-Sound festlegen lässt, war offensichtlich das Bedürfnis nach einem weiteren Projekt da: Zusammen mit seinem Bruder Joel sowie Mitgliedern von Sick City und Figure Four rief er deshalb Sights & Sounds ins Leben. Wer erneut härtere Töne erwartet, wird überrascht sein: Die Songs auf „Monolith“ haben durchaus Energie, sind Emo und Rock aber deutlich näher als Mosh und Pit. Ein gutes Indiz sind dafür allein die Einflüsse der Band, die von Mew über Lifetime bis hin zu Peter Gabriel und den Foo Fighters reichen. Letztere sind der passendste Vergleich, aber auch an Jimmy Eat World, Mineral oder Rival Schools muss man immer wieder denken. Beeindruckend ist vor allem, wie gut Neufeld singen kann - kein Wunder, dass die Hardcore-Klänge von Comeback Kid ihm auf Dauer nicht genügend Spielraum boten. 7

Text: Tito Wiesner

Singapore Sling Perversity, Desperation And Death

(8MM/Cargo) Albentitel, die einen gewissen Optimismus verbreiten, scheinen bei den isländern von Singapore Sling nicht wirklich angesagt zu sein. Nachdem ihnen „Life Is Killing My Rock’n’Roll“ und „Taste The Blood Of Singapore Sling“ einiges an Beachtung - und nebenbei ein paar Gigs mit den Strokes - eingebracht haben, liegt nun das dritte Studioalbum vor. „Perversity, Desperation And Death“ erinnert an die guten alten Zeiten in der Indie-Disco, als dort noch The Jesus And Mary Chain, My Bloody Valentine oder Joy Division monoton durch den Trockennebel waberten. Auch Singapore Sling würden mit ihren von stoischen Rhythmen unterlegten Songs gut dort hinpassen, weil sie hier eine düstermelancholische, aber auch sehr schöne Shoega-

zer-Variante abliefern. Und mit „Martian Arts“ haben sie ganz am Ende sogar einen möglichen Hit für die nächste Dark-Wave-Party versteckt. 8

Text: Tim Kegler

Siva Same Sights, New Light

(Devil Duck/Indigo) Der Titel von Sivas zweitem Album sagt ja einiges über Pop und Geldverdienen: Man muss nur die Beleuchtungsmaschinerie beherrschen, dann lässt sich aus trockenen Zitaten Begehren rauskitzeln. Die vier Berliner aus dem ‘Sinnbus‘Umfeld (u.a. beteiligt bei SDNMT und I Might Be Wrong) können das. „Photograph“ ist das beste Beispiel, denn hier wird mit furztrockenen Beats, Synthie-Akkorden und dem eingedickten Gesang von Andreas Bonkowski eine Reminiszenz an Phoenix bzw. Radiohead beschworen, die den Song zugänglich und gleichzeitig irgendwie „new“ macht. Zwischendrin immer wieder kühle Akustiktracks, kleine Krisen. Das plätschert nicht, das fließt. 7

Text: Philipp Kohl

(The Sounds Of) Kaleidoscope All This Heaven

(8MM/Cargo) Über viele Jahre eher eine Spielwiese denn reguläre Band, wünscht man den Mitgliedern von (The Sounds Of) Kaleidoscope auf Grund des vorliegenden Werkes ein wenig mehr Stringenz in ihrem Schaffen, denn die vom amerikanischen Indie-Rock geprägten Songs haben definitiv Hand und Fuß. Das hier ist Pop, jedoch von seiner überaus angenehmen Seite. Immer wieder springen nette Melodien ins Ohr, diese wirken durch unkommerzielle Songstrukturen und die angeraute Produktion jedoch nie nach Geschmacksverstimmungen aus dem Radio. Oder um eine alte Rezensenten- Floskel zu verwenden: In einer besseren Welt würde das ein oder andere Lied von „All This Heaven“ aus dem Radio schallen. 7

Text: Volker Bernhard

Spinnerette Spinnerette

(Hassle/PIAS/Rough Trade) Erst die Auflösung ihrer alten Band The Distillers, dann eine Scheidung und die Geburt ihres ersten Kindes - im Leben von Brody Dalle ist in den letzten Jahren einiges passiert. Nebenbei schrieb sie immer weiter Songs, die sie jetzt unter dem Namen Spinnerette veröffentlicht - zwar mit Band eingespielt, aber kreativ komplett auf ihrem Mist gewachsen. Wer auf eine Wiedergeburt der punkig-eingängigen Distillers-Töne gewartet hatte, dürfte allerdings enttäuscht werden: Dalle klingt 2009 düsterer, vielseitiger, experimenteller - aber nur noch bedingt nach Punkrock. Ein bisschen Queens Of The Stone Age-Spirit, ein paar düstere ElektroKlänge, etwas Noise und obendrauf laszive Refrainzeilen - sie hat alles probiert, worauf sie Lust hatte. Das resultiert mal in großartigen Momenten, mal in halbgaren Songfragmenten - leicht macht es die Dame ihren Hörern nicht. Hätte man bei einer derart extravaganten Frau aber ja eigentlich auch nicht anders erwartet. 6

Text: Tito Wiesner

Telekinesis Telekinesis!

(Morr Music/Indigo) Michael Benjamin Lerner, der Mann aus Seattle mit dem emblematischen Namen, macht Musik unter dem Namen Telekinesis. Klingt nach Band, ist aber als Soloprojekt ausgewiesen, was diese Unterscheidung auch schon

wieder hinfällig macht. Die Referenzen haben wir schnell beieinander: Produzent Chris Walla hat sich mit Death Cab For Cutie einen Namen gemacht, ansonsten macht die potente GesangGitarre-Architektur die Sache zu einer Weezerähnlichen Veranstaltung. Manchmal schön vital („Foreign Room“), manchmal auch nahe am Teeniefilm („All Of A Sudden“). Der Promotext beschreibt es unappetitlicher, als es eigentlich ist: „Großherzige Songs, die ungefiltert und direkt aus dem Bauch herausströmen.“ 5

Text: Philipp Kohl

Theory Of A Deadman Scars & Souvenirs

(Roadrunner/Warner) „Fans are gonna hear our record and hear some softer stuff, but we’re a rock band. I think it sounds bigger than the other two albums we’ve done“ - so weit Frontmann Tyler Connolly über das dritte Album seiner Band. Stimmt zwar nicht so ganz - im Grunde klingt die neue Scheibe kaum anders als die ersten beiden. Macht in dem Fall aber nichts: Schließlich waren Theory Of A Deadman auch bisher schon die beste Ersatzdroge, die man Nickelback-Fans auf Entzug in die Anlage schmeißen konnte. Und daran ändert sich auch diesmal nichts: Dick produzierter, hymnischer Alternative-Rock, der von eingängigen Faustreck-Hymnen bis zur Feuerzeug-Ballade fürs Stadion alles zu bieten hat, die obligatorischen Texte über Leben und Liebe obendrauf. Mehr braucht es eben nicht für ein überraschungsfreies, aber gelungenes Breitwand-Werk mit zahlreichen potenziellen Radio-Hits. 7

Text: Tito Wiesner

Tiny Vipers Life On Earth

(Sub Pop/Cargo) Das Leben - besonders auf der Erde - ist eines der schwersten und endet meistens mit dem Tod. Die Musik auf dem neuen, zweiten Tiny Vipers-Album ist auch nicht gerade leichte Kost, passt sich also in all ihrer Schwermut dem Titel hervorragend an. Leider passen sich auch die meisten der Songs einander sehr stark an, will sagen: Die ersten 20 Minuten dieses über eine Stunde langen Longplayers sind doch etwas arg gleichförmig - akustische Gitarre, dazu die leicht klagende Stimme von Jesy Fortino und gut ist’s. Im fünften Stück, „Time Takes“, wird die Gitarre dann wenigstens schon mal geschlagen statt gezupft, und später kommt sogar noch ein verlorenes Klavier hinzu. Insgesamt eine sehr meditative Angelegenheit; nicht gänzlich ohne Charme aber leider doch ohne eindeutige Highlights. 5

Text: Ralph Schlegel

Toy Fight Peplum

(Cityslang/Universal) Wer bei frankophilen Musikexporten regelmäßig feuchte Hände und Herzrasen bekommt, ist bei Toy Fight richtig aufgehoben. Allerdings fährt die Paris-Lyon-Connection keine dahergesäuselten Elektro-Sounds auf, sondern haut ordentlich auf den Putz. Reichlich Spielzeug hat die Sechserbande zusammengetragen, um seine Version von wirrem und verspieltem Folk-Pop zu verwirklichen, doch ihre Vorliebe für den großzügigen Instrumenteneinsatz und die kleinteilige Bauart verlangt zuweilen starke Nerven. Ruhige Momente, wie die Kleinstadtode „The If Song“, sind perfekter Pop zu hübscher Kulisse und den Sommerurlaub. Apropos: Wer Urlaub von der Großstadt und Vorurteilen braucht, sollte es mal mit Toy Fight versuchen. 6

Text: Britta Arent

Two Tongues Two Tongues

(Vagrant/Soulfood) Whinos of the world unite! Die letzten überzeugten Jammer-Emo-Bands der Welt - Say Anything und Saves The Day - haben sich zu einer GefühlsduseleiSupergroup fusioniert und als Ergebnis das Debüt „Two Tongues“ ausgespuckt. Der Tonträger liefert keine Seitenscheitel, kein Kajal, aber jede Menge College-Emo-Rock in Neunziger-Bauart inklusive Herzschmerz, Eingeständnis der eigenen Unzulänglichkeit und Melodien, Melodien, Melodien. Tatsächlich funktioniert das gemeinsame „Den-Mond-Anheulen“ der beiden Projekt-Köpfe Chris Conley und Max Bemis recht gut, auch wenn hier nicht jedes Lied zum Hit geraten ist. Pop-Refrains treffen auf ernst gemeinte Vorstadtjungen-Wut, unsportliche Körper auf fitte Gehirne und zuletzt erfüllt „Two Tongues“ alle Versprechungen, die das eigentlich längst ausgestorbene Genre überhaupt machen kann. 6

Text: Timo Richard

V/A Vans Warped Tour 2009-06-20

(Sideonedummy/Cargo) Jedes Jahr zur Sommerzeit zieht in den USA ein rund 250 Bands umfassender Punk-, Emo- und HardcoreZirkus namens „Warped Tour“ über staubtrockene Parkplätze von Wal Mart. Mit dabei sind viele kleine und nicht so bekannte Combos, und ein paar ganz große, zum Beispiel NOFX oder die Gallows. Rund 50 der im 15. Jubiläumsjahr an der „Warped Tour“ beteiligten Bands haben für den vorliegenden Sampler brav ein paar Songs abgeliefert, was natürlich spitze ist. Noch spitzer ist aber das Liedgut von unbekannten Kapellen wie Middle Finger Salute oder I Set My Friends On Fire. Gelungen, günstig und ganz geil. 6

Text: Florian Hayler

White Denim Fits

(PIAS/Rough Trade) ’Kennen Sie das? Neulich mit meiner Freundin im Kaufhaus’ war gestern. Heute ist: ’Kennen Sie das? Kommt ‘ne Band um die Ecke und sagt, sie wäre total anders’. Aber heutzutage gilt Feierabends Anything goes-Theorem in der Pop-Musik schon allerlängst, oder? Hier kommen also drei Texaner mit ihrem dritten Langspielalbum und zwölf Songs um die Ecke, deren gemeinsamer Nenner - alternativer GaragenBlues-Post-Punk-Rock - noch von massenweise kapriziösen Verrücktheiten und Stilzitaten, manchmal auch windschiefen Melodien überschüttet wird. Wenn also so etwas passiert, was macht man dann? Weitergehen und tun, als sei nichts passiert? Ritalin Methylphenidat verschreiben? Was macht man mit so einem vertonten Zappelphilipp-Syndrom? Versuchen, White Denim zu mögen und ihren scheppernden, organischen Sound und ihren Mut zur Eigentümlichkeit zu honorieren! Aber leicht machen sie es einem nicht. 5

Text: Gordon Gernand

Noch mehr Platten findet ihr auf sallys.net


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DEMODESASTER

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DEMODESASTER

Im gonna send him outer space „That’s one small step for man, one giant leap for mankind“, sprach Neil Armstrong, als er vor 40 Jahren am 21. Juli als erster Mensch seinen Fuß in den Mondstaub setzte. Heute geht die Raumfahrt davon aus, dass in 15 Jahren Menschen in einer Raumstation permanent auf dem Mond wohnen können. Armstrong rührt heute im Übrigen die Werbetrommel für bemannte Marsmissionen, so dass wir aus Anlass seiner historischen Leistung die Bands in diesem Monat jeweils mit einem entsprechenden Empfangskomitee begrüßen. ABREAKTOR ANY DAY NOW AND

Alex O. aka Abreaktor hat sich ganz der erweiterten Sozialität des www verschrieben. Ihr wisst schon, Web 2.0 und so. Der Soundtüftler aus Düsseldorf testet seine Tracks zuvor im Netz und schraubt das Feedback in sie ein. Fünf Stücke haben es am Ende auf die EP geschafft. Und diese knacken, knurpsen und schwurbeln ebenso krumm und verrückt wie es die Musik eines Aphex Twin oder Squarepushers tut. Kein straightes Elektro-Rummsdibumms also, sondern aufgekratztes Synthesizer- und Sampling-Tetris, in dem die flächigen Sounds nur zeitweise Raum zur Entfaltung finden. Wir stehen ja auf so was, deswegen Daumen hoch, Herr O. und Netzgemeinde! 8 Marsmännchen Heimat: myspace.com/abreaktor

ANDRÁSSY THIS IS WHERE WE MET

Weswegen sich eine Band aus München nach einem ungarischen Premier aus dem 19. Jahrhundert benennt, wissen wir nicht, hat sie doch augen- und ohrenscheinlich kaum politische Ambitionen. Vielmehr wagt sie ein Konzeptalbum in Post-Rock, das sich mit Ausflügen gen Emo um eine gescheiterte Liebesbeziehung spinnt. Andrássy treiben es dabei nicht ganz so ausladend wie andere Gitarrenflugvertreter, Kopfkino ist trotzdem drin. Der Fünfer macht szenisch alles richtig, was gleichzeitig nicht einer gewissen Problematik entbehrt. Denn bis auf den Indie-Moment bei „Those Fourty Percent...“ mit seiner schönen Trompete bleibt er dem leidlich bekannten Storyboard verhaftet, das leider nicht mehr wirklich fesseln kann. Trotzdem eine gute Genreplatte. 6 Marsmännchen Heimat: andrassymusic.com Live: 4.7. Grafing - Jig *** 25.7. München Wombats Music Festival

FAT MANS WAR FACE THE WHITE LIGHT

Die Apokalypse droht, will uns das Cover wohl sagen. Das auf Songlänge gedehnte Intro mit Streichereinlage lässt erst einmal nichts Böses ahnen, führt uns aber an der Nase herum. Denn eigentlich sind Fat Mans War Face in Sachen (Death-)Metal-Core unterwegs. Der alsbald losbrechende Groove ist mächtig und drückt. Insgesamt setzen die Berliner auf eingeführte Moshund Blast-Standards, garniert mit Growls aus der Todesgrube, man kennt das ja. Allerdings gelingt es FMWF immer wieder, mit kleinen Gitarren-, Sampling- und Rhythmik-Spielereien für Überraschungsmomente zu sorgen. Uns bleibt deswegen vor Aufregung nicht gleich die Spucke weg, zu einem veritablen Krawallklumpen gerät „The White Light“ damit aber allemal. 6 Marsmännchen Heimat: myspace.com/fmwf Live: 22.7. Brandenburg - Krach am See *** 24.7. Berlin - SO 36

NEW RADIO EXPLICIT NEW

Neu, und das auch noch explizit? Nun, der erste Höreindruck klingt ganz schön vertraut. Und zwar nach Shirley und ihren Garbage-Boys. Na gut, ein wenig rauchiger ist der Gesang schon, was daran liegen mag, dass hier ein Sebastian und keine Frau Manson ins Mikrofon quengelt. Im weiteren Verlauf schält sich jedoch immer mehr ein gewisser Brian Molko aus seinen Stimmbändern. Auch Sebastians Mitstreiter scheinen Brit-Pop mit Hang zum Pathos etwas abgewinnen zu können. Gemeinsam haben sie drei hübsche Indie-Songs gemacht, die noch nicht zur Heavy Rotation gereichen. Das Potenzial haben New Radio jedoch durchaus, auch wenn das „New“ etwas überkandidelt erscheint. 6 Marsmännchen Heimat: newradio-music.com Live: 4.7. München - SZ Stadt-Land-Rock Festival

NOTE. MY CITY OF GHOSTS, STARS AND HOURS

Songtitel gibt es bei Note. keine. Eine Stimme auch nicht. Stattdessen vertrauen die Pfälzer ganz auf instrumentale Wirkungsmacht. Kaum verwunderlich, dass sie sich in Progressive-Land zuhause fühlen. Und so wandern sie in Landschaften voll weit flirrender Sounds herum. Das erinnert natürlich an Mogwai, allerdings sind Note. rockiger und jazziger unterwegs. Wirklich packend sind die Geschichten allerdings nicht, die der Vierer von seinen Reisen mitbringt. Vor allem in den sessionartigen Passagen können sie nur wenig Tiefe erzeugen und stolpern stattdessen etwas zu klimperverliebt aneinander vorbei. Insofern ein etwas durchwachsener Trip. 5 Marsmännchen Heimat: myspace.com/noteband Live: 17.7. Pirmasens - Smash Festival

RAKETENSOMMER RAKETENSOMMER

Wie eine Rakete ist dieser Sommer ja bislang noch nicht abgegangen, jedenfalls nicht in Berlin. Sollten jedoch in den kommenden Wochen ein paar lauschige Abende drin sein, böte sich die EP des gleichnamigen Trios durchaus als passende Untermalung an. Raketensommer schwelgen in von Celloklängen assistiertem Akustik-Pop, ganz in Liebe und Freiheitsdrang getaucht. Dabei verschenken sie Gänseblümchen statt roter Rosen, Deine-Augen-sind-sowunderschön-Kitsch kommt ihnen jedenfalls nicht über die Lippen. Stattdessen suchen sie ihr Heil in schüchterner Poesie, die trotzdem hoffnungslos romantisch ist. Wer also noch Beschallung fürs zweisame Weintrinken auf dem Balkon sucht, ist hier ganz richtig. 6 Marsmännchen Heimat: raktensommer.de

SHELLYCOAT RATTLE, RATTLE HERE COMES THE...

In Sachen Design reicht Shellycoat so schnell niemand das Wasser. Der Sumpfkrake auf dem Cover macht jedenfalls einiges her. Auch musikalisch haben die Jungs von den Hamburger Landungsbrücken alle Planken beieinander und zocken melodiegetränkten Punkrock, der dreckig im Ton, aber blitzsauber in der Darbietung daherkommt. Ihre Debüt-EP klingt frisch, schnörkellos und gut durchlüftet. Dass überdies noch fantastische Singalongs wie bei „What’s Inside“ am Start sind, setzt dem Ganzen die Matrosenkappe auf. Derartige Geniestreiche gelingen (noch) nicht immer, in Sachen Kompaktheit und Tightness ist „Rattle, Rattle...“ aber auf alle Fälle ein Statement. 7 Marsmännchen Heimat: shellycoat.de

STØR FILET

Die einen nennen Størs Musik lieblichen Terror-Jazz, andere wiederum sprechen von fieser Lounge-Musik. Die Wahrheit liegt wie so oft dazwischen. Wir halten fest: Zunächst können die fünf Jungs, allesamt in fesch-grelles Elastan gehüllt, ihre Instrumente spielen, als da wären Gitarre, Bass, Schlagzeug, Trompete und Rhodes-Synthesizer. Diese verquirlen sie zu einem knusprigen Groove, der regelmäßig von exzellent vorgetragenen Soli aufgebrochen wird. Die Grundstimmung ist gediegen, bei verschärftem Tempo blitzt jedoch auch mal eine Spur von Furor auf. Wir schlagen deshalb als Etikett „bissiger Filigran-Funk“ vor. Am Ende tut’s aber auch das gute alte „Spitze!“. 8 Marsmännchen Heimat: myspace.com/stoere

Text: Roy Fabian


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MUSIK STORIES

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Sein ganzes Leben dreht sich um Musik. Rick weiß intuitiv, worauf es ankommt und wie was wann laufen muss. Eine unglaubliche Erfahrung.“ Dass die Platte zudem in den legendären Shangri-La Studios in Malibu aufgenommen wurde, sorgte zumindest bei Beth nicht für die zu erwartende Ehrfurcht. Die Frontröhre sah sich vor Ort eher mit hausgemachten Problemen konfrontiert: „Ich kann dir gar nicht sagen, wie schwer es war, in der Nähe des Studios einen Donut zu bekommen. Ich musste ziemlich lange suchen, bis ich endlich einen Donut-Laden fand.“ Zum Glück die einzigen Widrigkeiten, mit denen Beth während der Aufnahmen zu kämpfen hatte. Wie zum Beweis schreit sie uns schon im ersten Refrain des Openers ’2012’ ein beherztes „I’ve made it this far. Without you…“ entgegen. Überhaupt macht ’Music For Men’ mit seiner für Gossip typischen frischen, direkten Art und der herrlich beiläufigen Post-Punk-Schnoddrigkeit nicht den Eindruck, unter großem Erfolgsdruck entstanden zu sein. Eine Vermutung, die Beth selbstbewusst bestätigt: „Nein, so ticken wir nicht. Da gab es keinen Druck. Wir haben uns ja insgesamt drei Jahre Zeit gelassen, hatten also auch nicht das Gefühl, irgendeinem Erfolg gerecht werden zu müssen. Wir wollten eine Platte aufnehmen, auf die wir stolz sein können. Und glaub mir, ich bin wirklich stolz auf diese Songs.“ Zu Recht. ’Music For Men’ ist die ehrliche, kompromisslose Weiterentwicklung einer Band, die jetzt schon größer ist als so mancher ihrer Einflüsse. Aber was hat einen so starken und polarisierenden Menschen wie Beth persönlich geprägt? Punk und New-Wave? Die erste Liebe oder vielleicht der jetzige Erfolg? Weit gefehlt: „Meine Mutter spielt da schon immer eine große Rolle“, gesteht Beth freimütig. „Sie hat ihr Leben lang hart gearbeitet und es wurde nie gewürdigt. Nie hat sich irgendjemand bei ihr bedankt dafür, dass sie uns Kinder alleine aufgezogen hat. Niemand hat je zu ihr gesagt, wie cool das eigentlich ist. Sie hat sich 30 Jahre lang als Krankenschwester den Arsch abgearbeitet und sich um andere Menschen gekümmert. Sie hatte immer zu kämpfen, machte aber immer auch das Beste daraus. Das hat mich geprägt. Dafür bin ich ihr dankbar.“

Gossip

Wichtig ist nur der Kontext Beth Ditto hat eine laute Stimme. Gut so. Schließlich hat sie auch einiges zu sagen. Dabei ist Beth auf den erster Blick vieler nur klein, dick und lesbisch. Nicht gerade die Lehrbuch-Voraussetzungen für eine Karriere als Mode- oder Rockstar. Trotzdem wird die Frontfrau von Gossip seit dem durchschlagenden Erfolg ihres dritten Albums ’Standing in The Way Of Control’ vom Musik- und FashionBusiness gleichermaßen hofiert. Gerade erst wurde sie von einem britischen Magazin zur Ikone unserer Generation gekrönt. Eine Auszeichnung, der sie alle Ehre macht. Hier schnell die Party des Modelabels Fendi aufgemischt, dort mit Kate Moss die neuesten Modetipps ausgetauscht, um am Abend mal eben Club und Publikum in Grund und Boden zu singen. Beth Ditto ist ein Phänomen. Das haben mittlerweile alle erkannt. Warum sie aber tatsächlich auch zum nachhaltigen Idol taugt, wird deutlich, wenn man ihr genau zuhört. Küsschen, Küsschen, Trubel und Glamour konnten dieser Frau anscheinend nichts anhaben.

Die Entscheidung ist daher schwierig: Politik, Mode, Menschenrechte, Gesellschaft, Musik. Mit Ditto will man über alles gleichzeitig reden. Man will ihr sagen, wie befreiend es ist, sie auf der Bühne zu sehen. Wie sehr man beim Hören ihrer Stimme - einer Mischung aus Aretha Franklin und Madonna - Gänsehaut bekommt und dass man es außerdem ganz toll findet, dass sie ihre ganz eigene Definition eines Models kreiert hat. Um ihr neues Album ’Music For Men’ aufzunehmen, wandten sich Beth, Brace und Hannah vertrauensvoll an keinen Geringeren als Produzentenlegende Rick Rubin. Glaubt man der hörbaren Begeisterung in Beths Stimme, hat die so entstandene Zusammenarbeit nicht nur dem Ergebnis gut getan, sondern auch sonst einen bleibenden Eindruck hinterlassen: „Er ist großartig. Fast wie ein Magier.

Bei so viel Aufrichtigkeit stellt sich die Frage wie man als intelligenter und lautstarker Mensch den ständigen Wechsel aus Realität, Musik- und Modeszene unbeschadet bewältigt? „Ich bin immer die gleiche Person. Egal ob unter Leuten oder allein in meinem Zimmer. Das ist also kein Problem. Letztlich ist es mit der Mode wie mit der Kunst. Fashion People inspirieren mich. Außerdem liebe ich es, mich zu stylen. Und wenn du mich nach meiner Definition von ‘Schönheit‘ fragst, dann sage ich: Wichtig ist nur der Kontext.“ Text: Ben Dominik Foto: Lee Broomfield Heimat: thegossipmusic.com

Eine für alle Beth Ditto ist nicht nur die Sängerin des PostPunk-Trios Gossip. Sie ist das neue Enfant Terrible der Mode- und Musikszene. Neben ihrer Position als frisch gewähltes Sprachrohr einer ganzen Generation, sieht man Beth auch gerne mal neben Karl Lagerfeld über den roten Teppich schreiten oder in der ersten Reihe einer Modenschau in Paris, Mailand oder New York. Kritiker mögen in Beth Ditto nur ein lautes, dickes Mädchen mit schlechten Manieren sehen. Für alle anderen, und das ist der Großteil, ist sie die personifizierte Erlösung von Magerwahn, Prüderie und Scheinheiligkeit.


Regina Spektor

Hoffnungsvoll, aber nicht ernst „Das weiß ich selbst nicht“, lässt Kurt Vonnegut sein literarisches Alter Ego Kilgore Trout einem Zeit- bzw. Buchgenossen in ’Breakfast Of Champions’ auf dessen Frage antworten, ob Trout all diese schrulligen Ansichten, die er so von sich gibt, auch ernst meint. „Und ich werde es erst wissen, wenn ich rausgefunden habe, ob das Leben ernst gemeint ist. Es ist gefährlich, soviel steht fest. Und es kann ziemlich schmerzhaft sein. Das bedeutet aber nicht, dass es auch ernst ist.“ So sehr Regina Spektors Augen bei der Nennung des 2007 verstorbenen Autoren leuchten - all zu häufige Konfrontation mit ganz ähnlichen Fragen und die oftmals damit einhergehende Beschreibung ihrer Lieder und Person als „quirky“, also in etwa „schrullig“, haben sie in den gut zehn Jahren, die sie mittlerweile Musik veröffentlich, dann doch eher genervt als gefreut. Aber - ganz in Vonnegutscher Denkungsweise hat sie eine Art gefunden, damit umzugehen: „Ich habe es mir anders überlegt, und nun macht es mir nichts mehr aus, so bezeichnet zu werden. Ich denke, die Welt ist surreal und absurd - und gleichzeitig sehr lustig und seltsam. Wenn die Menschen sich aber gerne einreden möchten, alles sei logisch, linear und ‘normal‘ - was auch immer das heißt - dann finde ich gerade das sehr sonderbar! Andererseits kann ich jedoch nachvollziehen, dass ich jemandem, der glauben möchte, die Welt sei einfach zu verstehen, ’schrullig’ vorkomme. Aber Danke der Nachfrage!“ Ähnlich souverän und charmant geht die 29-Jährige mit nahezu jeder Frage um, ohne dabei für einen Moment abgedroschen-routiniert zu wirken. Sie, deren „offizieller“ Backkatalog 2001 mit einem selbstproduzierten und -finanzierten Album namens ‘11:11‘ in einer Auflage von 1.000 Exemplaren begann (über deren schließlichen Abverkauf sie „sehr froh“ ist, weil ihr das gute Stück inzwischen etwas peinlich ist), und deren 2006 erschienener Durchbruchs-Longplayer „Begin To Hope“ mittlerweile über eine Million Mal verkauft wurde („Das ist Wahnsinn! Wer sind all diese Leute?“), hofft - wie so viele ihrer Kolleginnen und

Kollegen der musizierenden Zunft - dass aus der in ihrem Business schon eine Weile wütenden Krise „vielleicht eine Lehre gezogen wird, die die Situation für alle verbessert - und dass ich nicht wieder in einem dieser schrecklichen Jobs arbeiten muss...“ Wobei deren erster doch eigentlich ganz putzig war: „Direkt nach dem College landete ich auf einer Schmetterlingsfarm - vermutlich angemessen für jemanden, der ein abgeschlossenes Musikstudium hat; denn es zementiert die Tatsache in dein Bewusstsein, dass es eigentlich gar keine Jobs für Musiker gibt. Aber es war toll: Ich konnte die ganze Zeit mit einem riesigen Netz durch Wiesen und Felder laufen und Schmetterlinge einfangen.“ Soviel Spaß ihr das auch gemacht haben mag: Sie hat trotz allem einen - wohlverdienten - Platz auf der Sonnenseite des Musikgeschäftes erhaschen können. Was nicht nur für die freiheitsliebenden Schmetterlinge die beste Lösung ist; auch wir Menschen können durchaus davon profitieren, uns von ihr in ihre schrulligen - pardon: nicht-linearen, songgewordenen Gedanken mitnehmen zu lassen. So auch auf ihrem neuen Album ’Far’, wenn sie dem ‘Genius Next Door‘ genauso ein Denkmal setzt, wie sie fröhlich das ‘Dance Anthem Of The 80s‘ zelebriert, und uns mit ‘Laughing With‘ alle daran erinnern möchte, dass wir schlussendlich vermutlich nicht über Gott lachen, sondern mit ihm. Gleiches gilt für Regina Spektor! Text: Torsten Hempelt Heimat: reginaspektor.com

Naturverbunden und auch sonst ganz lustig: Regina Spektor.


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SPEED DATING

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Foto: Shane McCauley

Foto: Jenny Jimenez

SPEED DATING

Foto: Elizabeth Weinberg

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TELEKINESIS Suchen: Mädchen mit Herz für leicht schrullige Typen und hübsche Melodien. Der erste Eindruck: Nerdiger Indie-Pop für Death Cab For Cutie-Fans. Und das nicht nur, weil Sänger Michael Benjamin Lerner Mitglied in Benjamin Gibbards Brillenclub ist. Das werden die Schwiegereltern sagen: Ist der nicht ein bisschen langweilig? Hochzeit oder kurze Affäre: Wen es nicht stört, dass Mr. Telekinesis möglicherweise ein „Awkward Kisser“ ist und im dazugehörigen Video mit einer Schaufensterpuppe flirtet, könnte mit ihm auch langfristig glücklich werden. Heimat: myspace.com/telekinesismusic Aktuelles Album: „Telekinesis!“

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PASSION PIT

AMANDA BLANK

Suchen: Honigschlürfende Tanzbienen, die sie mit einer Zehnfachladung Synthie-Süßstoff nach Lala-Land verschleppen können. Der erste Eindruck: Hand hoch, welche junge Dame steht auf Typen mit Fistelstimme? Keine? Schade! Dabei hat sich Sänger Michael Angelakos zum Einsingen doch extra eine große Wäscheklammer in die Familienjuwelen geklemmt. Darin bin ich (nicht) eigen: Leute, die MGMT oder, noch besser, Empire Of The Sun mögen, dürften auch hier auf ihre Kosten kommen. Hochzeit oder kurze Affäre: So viel ElektroPop geht auf Dauer auf keine Kuhhaut, auch wenn die in Boston ja besonders dick sein sollen. Verhaltensregel bei Antrag: Nicht annehmen, abwarten.

Sucht: Nach einem Lover mit Raketenantrieb, der noch vor DIESEM Date einen kleinen Abstecher in die Wäschekammer mit ihr macht. Der erste Eindruck: Attraktive Großfresse, die nicht lange fackelt oder anders ausgedrückt: eine Rap-Pop-Queen wie aus dem Bilderbuch, Arschwackeln inklusive. Darin bin ich eigen: „I might like you better if we slept together [...] don‘t fuck with them chicks just fuck with me.“ Sauber. Hochzeit oder kurze Affäre: Da sich bei Amanda Kollaborationspartner wie Santigold, Ghostface Killah oder M.I.A. die Klinke in die Hand geben, ist sie in Sachen Sexualpartner eher am einfachen Pöbel interessiert, der ihr einen Ehering aus dem Kaugummiautomaten fischt.

Heimat: myspace.com/passionpitjams Aktuelles Album: „Manners“

Heimat: myspace.com/amandablank Aktuelles Album: „I Love You“

Foto: Marika Mathieu

NAME:

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WHITE DENIM

NAME:

TOY FIGHT

MOLOTOV JIVE

Suchen: Gut sortierte Supermärkte zwecks Plünderung der Domestos-Regale. Weil irgendwie muss ja die Farbe aus der Hose. Der erste Eindruck: Geht so. White Denim sind ihrer Zeit so weit voraus, dass unser Kleinhirn auf den Klangmix aus Southern-Rock, Fuzz, Funk und Brooklyn-Beat nur bedingt klar kommt. Trinken hilft aber. Darin bin ich eigen: Wir kennen ja nur die Musik von denen, aber wahrscheinlich sind die Typen nicht nur eigen, sondern vor allem brötler. Hochzeit oder kurze Affäre: Lebenslang, keine Frage. Tipp an die Bräute der Jeansfreunde: Sollten euch eure Kids beim Blättern durchs Familienalbum fragen, warum der Papi früher so scheiße aussah, lasst die Brut am Domestos nippen. Remember: Trinken hilft.

Suchen: Standhafte franko-indiephile Zinnsoldaten und biegsame Ballerinen, die auch in entspanntem Tempo sauber Pirouetten drehen können. Der erste Eindruck: Ein französischer Akzent ist auch im Indie-Business um Lichtjahre erotischer als es zum Beispiel ein russischer oder chinesischer je sein könnte – allein die Vorstellung... Darin bin ich eigen: Versprochen ist gelogen. Ken und Barbie, Asterix und Obelix oder Papa und Mama Schlumpf werden in eurem Kinderzimmer nicht kämpfen, sondern sich zu zarten Pop-Melodiechen ganz doll lieb haben. Verspro... Hochzeit oder kurze Affäre: Nach 16 Songs mit Chou-Chou-Akzent ist auch euer emotionales Epizentrum zum Ja-Sagen verführt.

Suchen: Dieses EINE Mädchen, das ihnen Sugarplum Fairy und Mando Diao übrig gelassen haben. Also Stefanie Blümner aus der Wallgasse 17 in 64376 Speyer. Der erste Eindruck: Sie nutzen vielleicht die gleiche Garage wie ihre Idole Springsteen und The Clash, aber frei war nur noch die Parkbucht von Meat Loaf. Das größte Kompliment: Kopf hoch, Meat Loaf war ja jetzt auch nicht so born tu run. Hochzeit oder kurze Affäre: Molotov Jive-Fan zu werden ist ungefähr so wie seinen Cousin heiraten zu müssen. Dann doch lieber ohne Trauschein.

Heimat: whitedenimmusic.com Aktuelles Album: „Fits“

Heimat: myspace.com/toyfight Aktuelles Album: „Peplum“

Heimat: molotovjive.se Aktuelles Album: „Songs For The Fallen Apart“


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AUF DER COUCH

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AUF DER COUCH MIT: The BossHoss The BossHoss haben ein Problem - ein kleines zwar, aber eins, das nerven kann und das auch Sean Connery, Luise Marjan und Tom Sellek haben: Das einst erfolgbringende Image ist ganz schön schwer wieder loszuwerden. Nachdem das eigentlich als Spaßprojekt von Sascha und Alec ins Leben gerufene erste Album „Internashville Urban Hymnes“ (mit Country-Covern von allerlei Hits) zu einem gigantischen Überraschungserfolg wurde, versuchte man schon mit Platte Nummer Zwei, den Hörer behutsam aber bestimmt an die Hand zu nehmen und ihm zu zeigen, dass die Vollblutmusiker es sehr wohl auch alleine können und vor allen Dingen auch wollen. Die Coverversionen wurden von Album zu Album weniger, so dass es nicht wirklich verwundert, dass auf dem aktuellen Album „Do Or Die“ nur noch drei zu finden und die Originale meilenweit weg von irgendwelchen Chart-Hits sind. Das Dumme aber ist, auch wenn die wahren Fans das schon lange gemerkt haben, der Rest macht immer noch gerne die CowboySchublade auf und dann ganz schnell wieder zu. Dabei würden sich die Jungs echt freuen, wenn nicht nur die Fans, sondern auch der Rest der Welt etwas genauer hinhören würde. Wir baten also nicht nur Boss Burns, sondern auch sein Alter Ego (oder war es umgekehrt?) Alec auf unsere Couch, um uns das Phänomen mal genauer anzugucken. Musikalisch seid ihr mit „Do Or Die“ mitten im Rock’n’Roll angekommen... Auf jeden Fall. Am Anfang sind wir als die CountryBand, die lustige Cover macht, wahrgenommen worden, in den letzten vier Jahren haben wir unseren eigenen Sound gefunden und unsere Rock’n’RollWurzeln, die wir ja im Herzen tragen, sind immer mehr zum Vorschein kommen. Inzwischen ist es eine gute Mischung aus Rock’n’Roll, Country, Sixties und

Rockabilly - also den Einflüssen, die uns auch am stärksten geprägt haben. Wichtig ist uns, dass wir nicht mehr davon abhängig sind, ob wir eine gute Idee für eine Coverversion haben. Glaubst du, dass ein Konzert möglich wäre, in dem ihr nicht eine Coverversion spielt? Für unsere Hardcore-Fans wäre das kein Thema, aber für den Rest würde es vermutlich nicht funktionieren. Es gibt schon auch Leute im Publikum, die genau das wollen. Die stecken ja auch nicht so tief drin wie wir, die wir das seit fünf Jahren tagtäglich machen, sondern die sehen vielleicht einmal im Jahr ein Konzert. Das ist auch völlig in Ordnung, es macht uns ja auch Spaß und es darf auch gerne ein Teil von uns bleiben, wir möchten nur nicht mehr komplett darauf reduziert werden. Gab es Situationen, in denen ihr euch eurem Image beugen musstet, wo die Erwartungen von außen Entscheidungen gefordert haben, auf die ihr eingegangen seid - auch ohne vollends dahinter zu stehen? Es gab ein paar Fernseh-Auftritte, die vielleicht nur so semicool waren. Du kommst da an und das erste, was du hörst ist: „Da hinten steht der Wagen, wir fah-

ren jetzt zum Pferdehof“. Du versuchst das zwar mit Humor zu nehmen, denkst dir aber: Verdammt noch mal, wir sind doch eine Rock’n’Roll-Band! Nur weil wir Hüte aufhaben, heißt das doch nicht, dass wir den ganzen Tag an Pferden rumspielen. Oder du kommst zum Radio und die Einspieler mit Pferdegetrappel und Peitschenknall sind schon fertig und alle sagen ständig Yeeeaahhh, Yippieh und Howdy. Irgendwann denkst du echt, die sind alle irre, obwohl sie es natürlich eigentlich gut meinen. Inzwischen können wir das aber ganz gut in unsere Richtung drehen. Gab es mal den Gedanken, die Hüte wegzulassen, also die Entwicklung zur Eigenständigkeit auch optisch zu unterstreichen? Das nicht. Damit fühlen wir uns wohl, mit unserer Identität und unserem Image haben wir in der Beziehung gar kein Problem. Im Gegenteil, ich finde das als Alleinstellungsmerkmal gut, so ähnlich wie bei den Hives, die ja auch nicht im Schlabberlook auf die Bühne kommen würden. Das ist schon unser Ding und das darf es auch bleiben. Text: Caroline Frey Foto: Erik Weiss Heimat: thebosshoss.com


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MUSIK STORIES

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Alexisonfire

Neues aus dem Screamo-Nest Mit vier Alben in acht Jahren sind Alexisonfire eine der dienstältesten Vögel im melodischen Hardcore. Nach gemeinsamen Touren mit Rise Against oder Billy Talent gehen die Kanadier mit ihrem neuen Album ’Old Crows, Young Cardinals’ erneut an die Grenzen eines Genres, das sie einst mitbegründeten. Seit der Bandgründung ist selbstverständlich viel passiert, was auch dazu geführt hat, dass sich die Band ihr Debut heute nicht mehr ohne ein gelegentliches Schmunzeln anhören kann, wie Gitarrist Dallas Green erklärt: „Es ist schon komisch zurückzublicken, was man vor acht Jahren gemacht hat. Ich meine, wir waren damals völlig andere Menschen. Seitdem haben wir uns wirklich immer wieder verändert und sind mit jedem Album bessere Musiker, bessere Texter - eine bessere Band geworden.“ Eine Entwicklung, die man ja auch in den Titel des neuen Albums ’Old Crows, Young Cardinals’ hineinlesen kann, das sich, so Green, „textlich mit Gegensätzen aller Art auseinandersetzt: von den ungestümen Jung-Kardinälen zu den erfahrenen alten Krähen.“ Griesgrämig, grau und krächzig klingt die Platte auf keinen Fall. Aber es fällt doch auf, dass die elf Songs düsterer und langsamer aus den Boxen rollen als es noch beim Vorgänger ’Crisis’ der Fall war, der sich noch sehr an klassischen Screamo-Songstrukturen entlang bewegte. „Das neue Album ist finsterer und

ich finde, es hat viel mehr Groove, obwohl das gar nicht unsere Absicht gewesen ist. Eigentlich haben wir nur drauf losgespielt.“ Eine Arbeitsweise, die sich für den Hörer auszahlt, denn mit ’Old Crows, Young Cardinals’ schafft es die Band, irgendwo zwischen ihren älteren Alben und düstererem PostHardcore wie Planes Mistaken For Stars neue Impulse ins abgestandene Screamo-Genre zu bringen.

nicht an die Decke sondern bleibt entspannt: „Weißt du, mir ist es egal, wie die Leute unseren Sound bezeichnen. Die Medien brauchen ja einen Begriff, um Musik zu beschreiben. Da ich Musik mache und nicht darüber rede, brauche ich mir um ihre Seite keine Gedanken zu machen. Es ist doch gut, wenn sich die Leute überhaupt für meine Band interessieren.“ Das werden sie auch weiterhin.

Sicherlich zahlt sich auch die Gleichgültigkeit der Band gegenüber dieser Genreklassifizierung dabei aus. Auf ’Screamo’ angesprochen, geht Green

Text: Florian Zühlke Heimat: theonlybandever.com

tig, alle könnten sie kaum stolzer sein auf ’Holiday In Catatonia’: „In Schockzuständen können Menschen in eine Katatonie verfallen. Sie verharren in der gleichen Position, ohne sich äußern zu können“, erklärt Nicki die ungewohnten Retrospektiven. „Für unbestimmte Zeit, manchmal auch für den Rest ihres Lebens.“ Jupiter Jones hätten sich in selbiger befunden, sagt er - „bis wir uns erfolgreich befreiten!“.

parolen und Pop und Punkrock in jeder Sekunde. Als Gäste holten sich Jupiter Jones alte und neue Bekannte wie Jana Pallaske, Ingo Donot und Oliver Rohrbeck an Bord und Mikrofon, ein so ansagefreudiger und wütender Opener wie ’Das Zu Wissen’ wurde dieses Jahr in Deutschland noch nicht veröffentlicht. Und Jupiter Jones’ Mut zum Fortschritt wird belohnt, wie Sascha zur endlichen Veröffentlichung zu Protokoll geben kann: „Wir sind gerade in die Albumcharts eingestiegen!“

Jupiter Jones

Hallo Angst, Du Arschloch! Einmal Katatonien und zurück: Jupiter Jones erwecken sich selbst aus der Starre „Grönemeyer? Mit dem Vergleich kann ich sehr gut leben!“ Gitarrist Sascha Eigner hockt neben Sänger und Songschreiber Nicholas Müller in einem winzigen Berliner Backstage-Zimmerchen und ist sehr guter Dinge. Es ist Frühjahr, Jupiter Jones gehen mit ihrer ’Das Jahr In Dem Ich Schlief’-EP auf neue Tuchfühlung, der Titeltrack dient als Kampfansage und Vorabsingle zu ’Holiday In Catatonia’, ihrem dritten Album in sechs Jahren. Ein bisschen nervös ist Sascha aber auch nach der Show noch, weil die Ziele hehre sind: „Wir wollen in die Charts!“. Den Mut zum Pop, den Drang zum Pathos, all das hörte man Jupiter Jones schon auf dem guten wie polarisierenden Vorgänger ’Entweder Geht Diese Scheußliche Tapete - Oder Ich“ in jeder Pore an. Der raue Punkrock ihrer frühen Tage wich einem Gespür für größere Momente, das Herzblut blieb. Viel mussten sie sich anhören: Von Revolverheld war da die Rede, oft von Silbermond. Immer seltener von Hot Water Music und Muff Potter. Heute, mit zwei Jahren Abstand, versteht Nicki solche Vergleiche. „Einige Songs waren hart an der Grenze, ja“, sagt er und erinnert sich an zu viel Naivität bei den damaligen Aufnahmen, an zu wenig Halt im Privaten und an Labelprobleme, die Jupiter Jones beinahe in die Knie zwangen. All das ist jetzt Geschichte. Saschas Ein-Mann-Label ’Mathildas’ und Jupiter Jones tragen sich gegensei-

’Holiday In Catatonia’ ist kein Befreiungsschlag. Es ist ein Manifest der Selbstreferenz, eine Erkenntnis der vergangenen Jugend, ein Abgesang auf immerwährende und altbekannte Durchhalte-

Text: Fabian Soethof Heimat: jupiter-jones.de


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Matt & Kim

Jubel, Jubel, Freu, Freu Matthew Johnson und Kimberly Schifino wirken wie aus einer romantischen Indie-Komödie entsprungen. Sie sind ein Liebespaar, das gemeinsam in einem kleinen Bus durch die USA tuckert, um jeden Abend einen ihrer „Muppet-Show trifft Ramones“-Auftritte zu absolvieren. Von den Anwesenden werden sie hemmungslos abgefeiert. Brooklyns Antwort auf Marianne & Michael heißt Matt & Kim. Mit offensiv guter Laune und Melodien für Millionen auf den Lippen erspielt sich das Duo zurzeit die Sympathien der globalen IndieGemeinde. Ein bisserl Herzilein braucht eben auch die Hornbrillen-Fraktion. „In dieser Welt ist Platz für etwas Euphorie!“, findet der schlacksige Matt. „Viele Leute erzählen, dass sie unsere Platte auflegen, um morgens besser aus dem Bett zu kommen.“ In die Senkrechte verhilft ‘Grand‘, das zweite Album des Duos, sicher so manchem, immerhin ist es rappelig wie ein Kindergeburtstag mit ColaAusschank. Aufgenommen haben Johnson und Schifino das Schmuckstück in Matts altem Kinderzimmer in Vermont. „Ich hatte gehofft, dass wir dort eine Atmosphäre vorfinden würden, in der man kreativ sein kann. Alle meine High SchoolPunk-Bands haben auch in diesem Zimmer aufgenommen, deshalb dachten wir, es würde sich ein Kreis schließen. Die sechs Wochen dort waren allerdings saukalt und im Endeffekt hätten wir uns an der langen Leine, die wir uns selbst gelassen haben, fast aufgehängt. Zu viel Freiheit kann manchmal tödlich sein.“ Fertiggestellt wurde ‘Grand‘ innerhalb der nächsten sechs Monate in den eigenen vier Wänden. Das heuristische Prinzip ‘trial and error‘ zieht sich als roter Faden durch die Bandgeschichte. Als Matt & Kim anfingen, gemeinsam zu musizieren,

Stürzen gerne gemeinsam ab: Matt & Kim aus Brooklyn.

konnten weder Johnson noch Schifino mit ihren Instrumenten – einem verstaubten Keyboard und einem ausgemusterten Drumset – wirklich umgehen. „So sind unsere Persönlichkeiten nun mal gestrickt. Wir sind beide ziemlich unreif“, lacht Matt. „Und unsere Arbeit erlaubt uns, sehr kindisch zu sein, immerhin leben wir gerade einen Kindheitstraum.“ Der im Falle eines Falles auch mal zum Albtraum wird. Nachdem man sich auf den letzten SXSW-Festivals gehörig loben ließ, musste die folgende Tour abgebrochen werden, weil Matt sich den Rücken so schwer verhoben hatte, dass

er in den nächsten Wochen auf allen Vieren durch Brooklyn kriechen musste. Der Geschundene gibt sich einsichtig: „Ich bin zu jung, um mich alt zu fühlen. Man muss irgendwann zugeben, dass man zumindest zwei Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen sollte und auch gerne mal mehr als zwei Stunden schlafen. Wenn man so viel unterwegs ist wie wir, wird man nicht automatisch reifer, aber sehr schnell viel älter.“ Text: Timo Richard Foto: Tod Seelie Heimat: mattandkimmusic.com


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. r j r u a s o n Di

vs.

LEMONHEADS

Bauer sucht SUPERMODEL

Wenn das Leben dir Zitronen gibt... J Mascis (Dinosaur jr.)

Es begab sich aber zu der Zeit, dass laute Gitarren, lange Haare und eine gewisse Schluffigkeit en vogue waren. Die Rede ist von den frühen bis mittleren Neunzigern - deren Beginn, das Jahr 1991, die daran nicht ganz unschuldigen Sonic Youth in ihrem Tour-Video als „The Year Punk Broke“ feierten. Nur: Ob der Punk damit seinen Durch- oder Zusammenbruch erlebt, bleibt offen. Fakt ist: Nirvana sind ’ne große Nummer, die mächtig Wellen macht. Das bleibt nicht ohne Folgen, und um bei der maritimen Metapher zu verweilen: Auf der Welle surfen viele andere Bands (bis heute); manche gehen unter (inklusive der Wellenverursacher), andere schwimmen gegen den Strom - und wieder andere lassen sich treiben. Zu Prachtexemplaren letzterer Kajüte gehören zwei Bands aus dem Osten der USA - die möglicherweise beide ihre Lässigkeit daher nehmen, dass sie schon eine ganze Weile vor dem großen „Alternative“-Knall im kalten Wasser paddelten. 1984 gründen J Mascis, Lou Barlow und Murph in Amherst, Massachusetts, Dinosaur jr., mit dem Ziel, „ohrenzerfetzende Country-Musik“ zu machen. Zwei Jahre drauf folgen in Boston Evan Dando und die Lemonheads, die - wie der Name schon verrät - bittersüßen Indie-Pop im Schilde führen. Ein weiteres Jahr später kommt es zur ersten Begegnung der zwei so ulkigen wie unterschiedlichen Band-Cheffes Mascis und Dando (siehe nächste Seite!), deren Wege sich im Laufe der nächsten knapp anderthalb Jahrzehnte irgendwie immer mehr verwursteln werden.

über sich ergehen zu lassen. In diesem unserem Falle auch über den jeweils anderen. Leider „verfehlten“ sich der Brünette und der Ergraute zwar um einen Tag bzw. eine Stadt (Mascis fand sich nach einem Übernachtflug übernächtigt und dennoch irgendwie frisch am Montag in Hamburg ein, während Dando am Dienstag kurioserweise in Js

So auch im Jahr 2009: Nicht nur, dass ihre jeweils neuen Alben ’Varshons’ (Lemonheads) und ’Farm’ (die andern) am selben Tag (in den USA - in Deutschland mit einer Woche Abstand) erscheinen; auch ihre beiden Schöpfer sind höchstselbst in Deutschland erschienen, um allerhand Fragen

zweiter Heimat Berlin dem nicht ganz so nachvollziehbaren Schlafmangel anheim fiel), dennoch aber hatten sie die eine oder andere Anmerkung und -ekdote zum Pendant parat. Dazu mehr auf der folgenden Doppelseite, hier zunächst noch ein paar semi-trockene Fakten.

„Ich strich ein Haus in der Nachbarschaft, um das Geld für meine erste Gitarre zusammen zu kriegen, 400 Dollar. Letztes Jahr musste ich mein Haus streichen lassen, und es kostete 10.000 Dollar.“ (J Mascis)

’Farm’ ist ein merkwürdiges Album - ist es doch das zweite seit der Zusammenraufung der einst als unkittbar überworfen geltenden Originalbesetzung von Dinosaur jr. im Jahr 2004. Da aber seitdem besagte Zwistigkeiten und ihre Erledigung schon zur Genüge durchgehechelt wurden, darf an dieser Stelle einfach mal tief Luft geholt werden um anschließend das sonnige Gefühl der Freude zuzulassen: Die können wirklich wieder bzw. endlich miteinander. Musik machen, natürlich. Aber anscheinend auch reden und Spaß haben (an dieser Stelle sei auf das schöne Roll- und Radsport-Video zur Single ’Over It’ hingewiesen). Mitte 40 und dann doch irgendwie weise. Evan Dando ist eine Idee jünger (42) und steht ein wenig alleine da. Zumindest hat‘s mit ihm (oder andersrum: er) noch keine Band-Besetzung über mehrere Jahre ausgehalten. Macht aber nix: „Ich möchte inzwischen ohnehin mehr alleine auf Tour gehen. Es macht mir nicht mehr so viel Spaß, in einer Band zu spielen. Solo kann man machen, was man will - kann spontan entscheiden, welche Songs man spielen möchte. Das kann allerdings nach einer


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Weile auch langweilig werden... Die Abwechslung macht‘s wohl.“ Und so hat der gute Dando zur Abwechslung mal das Heft aus der Hand gegeben, nämlich in die von Buddy Gibby Haynes. Der ist nicht nur ein echter Butthole Surfer, sondern auch der Produzent des neuen Lemonheads-Albums ’Varshons’. Darauf sind nicht nur Kate Moss und Liv Tyler als Gastsängerinnen, sondern auch ausschließlich Coverversionen zu hören - ausgesucht von Haynes. „Ein Album voll mit meinen eigenen Lieblingssongs - das wäre langweilig, und möglicherweise sogar in die Hose gegangen. Stattdessen suchte Gibby Songs aus, die ich teilweise nicht mal besonders mochte.“ Darunter auch das von Ex-4 Non Blondes-Sängerin Linda Perry geschriebene und von Christina Aguilera zum Hit gemachte ’Beautiful’. Cover-Songs, könnte man unken, waren ja schon immer eine ziemlich sichere und auch wichtige Bank für die Lemonheads - man denke nur an ’Mrs. Robinson’. Dem Simon & Garfunkel-Cover verdankten sie schließlich ihren Durchbruch mit dem Resultat, dass Evan selbst den Song mehr oder weniger aus seinem Gedächtnis verbannen möchte. Ein Problem, das J wohl nicht so schnell bekommen dürfte: „Ich habe nie besonders viel Wert drauf gelegt, anderer Leute Songs nachzuspielen - so wie viele Leute die Ambition haben, ’Stairway To Heaven‘ spielen zu können. Ich wollte lieber eigene Songs und eine Band haben.“ Text: Torsten Hempelt Foto J Mascis: Sight Of Sound, Foto Evan Dando: Rosa Merk Heimat: dinosaurjr.com / thelemonheads.net

Die Wege kreuzen sich zum ersten Mal... Evan: „Es war 1987, bei einer Screaming Trees/ Dinosaur-Show. Ich brachte meine Mutter mit und wir hatten Gelegenheit, mit J nach der Show zu reden. Er sah, dass ich einen Ski-Pass an meiner Jacke hatte, und lud mich zum Skifahren nach Vermont ein. Von da an fuhren wir bis etwa 1993 mindestens einmal pro Jahr zusammen Ski. Er ist wirklich gut!“

Evan Dando (Lemonheads) versteht die Idee, findet sie aber nur mittellustig... Ja, das ist ein Dinosaurier-Baby.


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Dinosaur jr.

vs.

LEMONHEADS Er über ihn J über Evan: „Es ist immer wieder unglaublich - er kann anscheinend jeden beliebigen Song spielen und singen, wenn er will. Ich hingegen kann so ziemlich gar keine fremden Songs spielen. Ich hab‘s aber auch nie wirklich probiert...“ Evan über J: „Wenn ein Außerirdischer auf die Erde käme - ich würde ihm Dinosaur jr. vorspielen, um ihm zu zeigen, wie großartig Musik sein kann. Denn die Musik von J hat etwas Überirdisches, etwas, das nicht von dieser Welt ist.“

Kleine Zitronenköpfchen und Dinosaur jr. jr.? Während Dinosaur jr.-Touren dank Lou Barlows Tochter Hannelore(!) und Js Sohn Rory inzwischen durchaus Familienausflugcharakter besitzen, statten bei Evans Lemonheads tendenziell immer noch mehr Supermodels als -nannys dem Backstage-Bereich einen Besuch ab; auf Nachwuchspläne angesprochen gibt sich Dando wortkarg - ganz im Gegensatz zu Mascis, der des Öfteren unvermittelt und mit leuchtenden Augen vom Sohnemann berichtet, der „den Nachbarskindern in Amherst die ersten deutschen Worte beibringt: ’Auto‘ und ’Bagger‘.“ Warum deutsch? Rorys Mutter ist Berlinerin. Warum Rory? Teilweise wegen Js Verehrung für den irischen Blues-Rock-Gitarristen Rory Gallagher: „Er war quasi der erste ’Grunger‘ - mit seinem Flanellhemd hatte er bereits in den Sechzigern den ’Look‘.“

Die erste(n) Gitarre(n) Evan: „Ich benutzte zuerst die klassische Gitarre meines Vaters, eine Yamaha. Mit Zehn bekam ich eine japanische Epiphone EGitarre, ich fing also recht früh an mit den elektrischen Gitarren. Diese war besonders leicht zu spielen, da der Hals etwas kleiner ist als bei anderen Modellen. Es war eine ziemlich schäbige Gitarre, die ich irgendwann in meiner High School vergessen habe, glaube ich. Die erste, die ich selbst kaufte, war eine 1984er SG von Gibson - für 300 Dollar von einem Freund. Ich finde es immer sehr schwierig, in einen Laden zu gehen und eine neue Gitarre zu kaufen - man steht irgendwie unter Beobachtung und Druck... Die SG jedenfalls spielte ich lange, nahm sie mit auf jede Tour - bis ich 1993 in Hamburg von der Bühne der ’Großen Freiheit‘ fiel. Die Gitarre rettete mich, denn sie federte die Wucht des Sturzes ab. Ich brach mir nichts, aber die Gitarre war hin.“

Murph hier, Murph da Drummer Murph ist ein weiteres Bindeglied zwischen beiden Bands, denn nach seinem Rausschmiss bei Dinosaur jr. heuerte er fürs 1996er Lemonheads-Album „Car, Button, Cloth“ bei Dando & Co. an - was ihn heute noch beschäftigt. J Mascis: „Als er dann wieder bei Dinosaur spielte, ging es die ganze Zeit: ’Bei den Lemonheads war dies besser, war jenes cooler, und diese Supermodels... Bei den Lemonheads Bla Bla Bla‘... Ja, Murph - was soll ich dazu sagen? Evan hing immer mit Supermodels ab. Ich denke nicht, dass Murph all zu viel davon profitiert hat, außer vielleicht ab und an mal eines Backstage zu sehen... Es war allerdings schon ganz schön aufregend, als Evan mal Liv Tyler zu einer DinoShow mitbrachte...“

J: „Ich strich ein Haus in der Nachbarschaft, um das Geld für die Gitarre zusammen zu kriegen, 400 Dollar. Letztes Jahr musste ich mein Haus streichen lassen, und es kostete 10.000 Dollar (lacht)! Und selbst für die damalige Zeit war das Geld, das ich als Ferienjobber bekam, keine besonders gute Bezahlung. Damit wollte ich mir eigentlich eine Fender Stratocaster kaufen, weil ich die Vorstellung in meinem Kopf hatte: ’Fender = Gitarren, auf denen man auch ohne Verstärker ein wenig die Saiten anschlagen und Songs schreiben kann’. Aber die einzige Fender innerhalb meines Finanzlimits war eine Jazzmaster. Der einzige Musiker, den ich kannte, der eine Jazzmaster spielte, war Elvis Costello - was ich nicht besonders aufregend fand. Später aber wurde die Gitarre mit all ihren Eigenheiten das Fundament für die ersten drei Dinosaur-Alben.“ Und inzwischen gibt es sogar ein J MascisJazzmaster-Signaturmodell (Bild links).

Die Cover der beiden Platten erklärt Evan Dando über das von „Varshons“: „Ich hatte eigentlich geplant, ein ’richtiges‘ neues Lemonheads-Album aufzunehmen. Damit war ich aber nur halb fertig, als ich mir dieses teure Gemälde von Mark Dagley zulegte. Ein riesiges Bild, auf dem mit optischen Täuschungen experimentiert wird, und das nun bei mir im Wohnzimmer hängt. Eigentlich eine extravagante, unverantwortliche Anschaffung - deshalb musste ich eine Art und Weise finden, es in einem ’Budget‘ unterzubringen und so die Kosten abzufedern.“

Hatter „Bums“ gemacht... Aus dem Video zu „Over It“

Verheiratet sind übrigens sowohl J als auch Evan. Aber während auf Evans Hochzeit zu dessen großer Freude J mit seiner damaligen Band The Fog spielte, gab es auf der Mascis-Hochzeit vor allem traditionelle indische Musik zu hören - denn die Trauung wurde von der von ihm verehrten Amma vorgenommen. Die heißt mit vollem Namen Mata Amritanandamayi, gilt ihren Anhängern als Heilige und reist durch die Welt, um die Menschen zu umarmen.

Eine historische Geste: Die legendären Streithähne Mascis und Barlow, ebenfalls aus dem Video.

Keine Supermodels mehr, und auch sonst ist der Boden der Realität ein hartes Pflaster für Murph...

Während die Dinosaur-Originalbesetzung seit der Reunion erstaunlich stabil scheint, herrscht bei den Lemonheads große Fluktuation: Schwang für das Comeback-Album 2006 noch Descendents-, Black Flag- und ALL-Legende Bill Stevenson die Stöcke, half auf Tour unter anderem George Berz (ebenfalls ein Ex-Dinosaur-Drummer) aus. Aktuell rührt laut Evan Mark Cutsinger von den Old School-Punkrockern The Zero Boys die Lemonheads-Trommeln. Zumindest fürs Erste und das sind nur die Drummer!

J Mascis über „Farm“. „Wo gehen diese ’Leute‘ hin? Vielleicht haben sie die Luftverschmutzung einfach satt, hauen ab, und nehmen auf ihrem Weg diese Kinder mit, um sie auf der ’Farm‘ abzusetzen... Ob ich einen Bezug zum Farmer-Dasein habe? Meine Frau plant, Gemüse anzubauen. Einige meiner Freunde sind Farmer, aus Familientradition. Es gibt in der Gegend, wo ich wohne, einfach eine Menge Bauernhöfe. Mein Vater war Zahnarzt, und oft hat er mit den Leuten Naturaliendeals im Gegenzug für Dentalbehandlungen ausgehandelt - deswegen hatten wir beispielsweise immer einen Kofferraum voller Kartoffeln...“


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MIXTAPE

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life‘s a mixtape Heute mit: NOUVELLE VAGUE Über Tellerränder schauen Nouvelle Vague nicht nur gerne, sondern hauptberuflich. Die beiden französischen Cover-Könige Marc Collin und Olivier Libaux verdienen sich ihr Baguette damit, die Songs ihrer Punk- und NewWave-Helden neu zu interpretieren und diverse Künstler für sich singen zu lassen. Anlässlich der Veröffentlichung ihres dritten Albums „3“ haben wir Monsieur Libaux deshalb gleich mal zur Musik anderer Leute befragt. Die beste Coverversion aller Zeiten ist? Es gibt viele gute Coversongs. Was mich aber wirklich berührt hat, ist „Personal Jesus“ in der Johnny Cash-Version. An welcher Coverversion wärt ihr selbst fast mal gescheitert? Es kommt öfter vor, dass da was nicht so hinhaut, wie man es gerne hätte. Die Version des Magazine-Songs „Parade“ auf unserer aktuellen Platte lag zum Beispiel eine Zeit lang brach, bis wir die finale Eingebung hatten. Stell dir vor, du willst einen Marathon laufen und darfst während der gesamten 42 Kilometer nur eine Platte hören. Welche Musik trägt dich ins Ziel? Ich bräuchte etwas, das mich meinen Körper und die ganzen Schmerzen vergessen lässt. Etwas zum absoluten Abschalten. „Illinoise“ von Sufjan Stevens ist so eine Platte - großartig. Eigentlich würde mir davon auch schon der Song „Chicago“ im Wiederholungsmodus genügen.

Du bist Gastgeber einer Party und willst nur noch, dass die Gäste endlich verschwinden. Welche Musik legst du auf, um sie loszuwerden? Variété-Musik ist ein volkstümliches Genre bei uns in Frankreich und gehört zum Mainstream. Wenn ich das auflegen würde, würde sich meine Wohnung schneller leeren, als ich Chanson auf eine Rolle Klopapier schreiben könnte. Und wenn deine Nachbarn nachts eine lautstarke Party feiern würden? Bei welcher Musik wäre deine eigene Schmerzgrenze so weit überschritten, dass du die Polizei rufen müsstest? Ich bin ja ein extrem toleranter Typ, wenn es um Musik und Musikgeschmack geht. Aber wenn die ganze Nacht europäischer Techno laufen würde, könnte ich das auch kurzzeitig mal vergessen. Welche Musik schützt dich vor Wutanfällen? Johannes Brahms funktioniert da fantastisch.

Was ist dein peinlichster Lieblingshit? Ich könnte mir vorstellen, dass viele „Womanizer“, Britney Spears‘ Comeback-Single, billig finden. Meiner Meinung nach ist das aber ein Hammersong mit einem genialen Refrain. Bei welcher Platte oder Band hat es bei dir erst sehr verzögert gefunkt? In den Achtzigern waren auch in Frankreich alle total verrückt nach The Smiths. Das hat mich am Anfang überfordert. Ich war ein New-Wave-Jünger und nicht so begeistert von Morrissey und seinen unheimlichen Texten. Ich meine, ich mochte die Gitarre, aber das Gesinge der Smiths war mir zu abgefahren. Mittlerweile habe ich Morrisseys Genie aber verstanden, auch wenn ich selbst zu keiner seiner Shows gehen würde. Sein 94er Album „Vauxhall And I“ ist brillant. Text: Christine Stiller, Heimat: nouvellesvagues.com Auch gut : „3“ - das aktuelle Album von Nouvelle Vague


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TEST

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TEST

K.I.Z.

Im großen Emanzipations-Check Wenn jemand in Sachen Frauenrechte und Emanzipation ganz vorne mitturnt, dann sind das K.I.Z. – dachten wir jedenfalls. Ehrlich gesagt: nicht wirklich. Wir hofften, dass es einfach nur ganz unterhaltsam werden könnte, das Feingefühl von K.I.Z. in Sachen Gleichberechtigung mit den folgenden Fragen zu testen. Recht hatten wir!

FRAGE 1 Frauen in Führungspositionen... A ...verdienen zu Unrecht weniger als

Männer im selben Job

B ...nennt man Domina C . ..haben sich hochgeschlafen Nico: C! (allgemeine Zustimmung) Das heißt ja nicht, dass Männer sich nicht auch hochschlafen, dazu gehören ja immer zwei. Maxim: Können wir jetzt anstatt Frauen immer „Huren“ sagen? Das Wort „Frauen“ irritiert uns. Das ist so veraltet.

FRAGE 2 Wie werden bei dir und deiner Freundin die Einkaufstüten nach oben getragen? A Wir teilen auf, sie nimmt die leichten

und ich die schwereren

um ihr auf den Hintern zu gucken

B Sie schleppt und ich laufe hinterher, C Ich trage alles alleine

Nico: Meistens reißt meine Freundin die schweren Sachen an sich und sagt: „Geht schon!“ Maxim: Das kenn’ ich auch, die wollen zeigen: „Ey, das krieg ich hin.“ Und ihr kennt ja unsere

Freundinnen nicht. Das sind alle so zwei Meter große Baumschubser. (demnach: B)

FRAGE 3 Es gibt so wenig weibliche MCs, weil... A ...die männerdominierte Rap-Szene

das nicht zulässt

B ...Frauen nicht so gut rappen

können – weil sie immer einen Schwanz im Mund haben C ...Rap ist eben Männersache, Frauen machen R’n’B und Soul Maxim: (ohne die Antworten abzuwarten.) Nein, Frauen sind in der Küche, die gehören nicht vor’s Mikro. Es ist doch wissenschaftlich erwiesen, dass Frauen kleinere Gehirne haben. Hast du nicht „Borat“ gesehen? Die Größe von einem Eichhörnchen oder Brontosaurus. Nico: Zum Rap muss man schon ziemlich schlau sein, das weiß jedes Kind. (demnach: A)

FRAGE 4 Deine Freundin hat eine platonische Beziehung mit einem Mann. A Toll, so kann sie auch einen männlichen

Standpunkt kennen lernen

B Der Typ hat demnächst ’ne platonische

Beziehung mit meiner Faust in seinem Arsch C Gibt’s nicht. Es läuft immer nur auf das eine hinaus

Nico: (ohne die Antworten abzuwarten) Gibt’s nicht! Ich denke, es gibt überhaupt keine platonische Beziehung zwischen Menschen, das läuft immer auf Sex hinaus. Frau/Mann, Mann/ Mann, Mann/Hund. Alle menschlichen Beziehungen sind sexuell, das hat schon Watzlawick gesagt. Also C.

FRAGE 5 Du siehst zwei Lesben beim Knutschen und denkst? A Na klar, was sonst B Ich mach’ gleich mit C Was die zu Hause machen, ist mir egal,

aber sehen will ich’s nicht

DJ Craft: Ich nehme eine Mischung aus A und B, das kann man sehr gut miteinander kombinieren. Nico: A, weil alle menschlichen Beziehungen nur auf Sex hinauslaufen. Maxim: Typisch Schlampen, immer gleich ran. Immer. Sofort.


FRAGE 6 Du fährst ohne deine Freundin in den Urlaub. Was passiert mit deinem Auto? A Ich habe kein Auto –

schon aufgebraucht ist. Dann entweder Porno rein oder schnell ein Baby machen, dann ist die Beziehung gerettet.

FRAGE 10

WIR haben ein Auto.

Germany’s Next Topmodel...

brauche ja auch keine Waschmaschine

holt mich wieder ab, sonst nichts. Danach kontrolliere ich den Kilometerstand

A …ist eine menschenverachtende Fleischbeschau B ...hätte ich gerne mal zu Hause C ...gucken nur Mädchen

B Meine Frau braucht kein Auto, ich C Sie fährt mich zum Flughafen und

Nico: B! (ohne alle Antworten abzuwarten)... Oh, C ist ja noch besser! C! B wäre ja genau Mario Barth, die krasse Schlusspointe einer achtstündigen Show. Ja, ich habe Ehrfurcht vor Mario Barths extrem witzigen Fünfzigerjahre-RevivalHumor, so Vintage-Kram feiern die Leute ja gerade ab, das ist wie Retro-Sneakers tragen.

FRAGE 7 Wie wird dein Auto gewaschen? A In der Waschanlage B Im Bikini kann mein Mädchen

waschen was sie will.

Radio – das ist wie Meditation!

C Samstag Nachmittag - Fußball im Nico: Bikinis und Autos gehören zusammen wie Pech und Schwefel. Das beste Rap-Video der Welt ist übrigens von Sir Mix-a-Lot. Maxim: „Put Em On The Glass“, der Titel ist Programm. Da reiben die ganze Zeit so geile Nutten in neongelben Schlüppern auf der Autobahn bei Tempo 100 ihre Titten an Autoscheiben. Also B.

FRAGE 8 Wenn ich ein Mädchen in Baggy Pants sehe, denke ich… A ...sieht gut aus B ...Powerlesbe C …Frauen sollten eher was Enges tragen Maxim: Ich guck’ auf den Arsch. Nico: Dann sollten sie lieber was Enges tragen. DJ Craft: Wenn eine Frau zu Hause mit Trainingsanzug rumläuft, finde ich das auch mal geil, sogar irgendwie sexy, weil’s gemütlich ist. Aber im Alltag steh’ ich eher auf Minirock als auf weite Hosen.

Nico: A, B und C. Heidi Klum ist eine blöde Frau. Solche Sendungen machen mich auf der einen Seite aggressiv, auf der anderen traurig und dann gibt’s auch – zugegeben - immer diese kurzen Momente der Geilheit. Maxim: Diese Sendungen bereiten dich super auf das Leben vor. Wir sind alle nett zueinander und hoffen trotzdem, dass der andere auf die Fresse fliegt. Das ist gut, wenn man das jungen Leuten vermittelt, bevor sie ins Berufsleben eintreten, die Schule ist doch viel zu soft.

FAZIT Wie war das mit dem Fünfzigerjahre-Revival?! Ach ja, richtig. Papa kümmert sich um sein Auto und Mama um alles, was spricht, Dreck macht und im Kochtopf landet. Mit ihren fünf CAntworten enttarnen die Herren ihren Sinn für ein tradiertes Rollenbild. Doch wenn die Perle leichtbekleidet die Karre wienert, darf sie später vielleicht auch noch die schweren Einkaufstüten schleppen. Da sind sie offen.

AUSWERTUNG Emanzipations-Typ A: Was soll man sagen außer: Bravo! Dieser Mann ist zu tolerant, um wahr zu sein. Doch Vorsicht: Gleiches Recht für alle bedeutet im Umkehrschluss, ihr Mädels könnt euch den süßen Augenaufschlag sparen. Mädchenspielen zieht nicht mehr. Emanzipations-Typ B:

Pornos...

Worte wie „Hupen-Susi“ oder „geile Alte“ flutschen ihm so oft und selbstverständlich durch die Zähne, als hätte es das Wort „Respekt“ nie gegeben. Um ehrlich zu sein, hat es das für ihn auch nicht. Fremdwörter gehören bei Puller-Panini eher selten auf den Speiseplan. Frauen schätzen ihn aber für sein – ja, wofür eigentlich? Gute Frage (bitte Antwort an hupensusi@sallys.net).

A ...sind langweilig, Frauen können

Emanzipations-Typ C:

FRAGE 9

mehr als ficken B Wäre ich kein Musiker, würde ich Pornos machen C ...können eingeschlafene Beziehungen wieder interessanter machen Nico: Können auch frische Beziehungen interessanter machen. DJ Craft: Quatsch, Pornos können keine Beziehungen retten. Nico: Doch, immer wenn wir uns streiten: Porno rein, wenn nix mehr hilft und der Heiratsantrag

Der olle Nachbar aus dem Reihenhaus von nebenan. Doch gerade als du dich an die karierten Spießerpantoffeln erinnerst, wird dir bewusst, dass du dem Typen auf deinem Sofa gerade ein Bier holen gehst. Alter Spießer vs. Kleiner Prinz 2.0., so weit liegt das gar nicht auseinander. Text: Christine Stiller Recherche: Yessica Yeti, Timo Richard, Christine Stiller Heimat: k-i-z.com Auch gut: „Sexismus Gegen Rechts“ das neue Album von K.I.Z.


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MUSIK STORIES

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Spinnerette

Auf dem besten Weg in eine neue Zukunft: Tony Bevilacqua & Brody Dalle.

Das neue Leben der Brody Dalle Abgetaucht ist sie, drei Jahre lang. Brody Dalle nutzte die eigens verordnete Auszeit vom Rampenlicht, um zu sich selbst zu finden, zu heiraten, eine Tochter zu bekommen und sich mit Bedacht an ihre musikalische Reinkarnation heran zu tasten. Nun ist die Metamorphose abgeschlossen und aus dem einstigen Krustenpunk bei den Distillers wurde die nachdenkliche Frontfrau von Spinnerette – einer Band, für die Scheitern keine Option ist. „Wie einen großen Wanderzirkus“ möchte die 30-jährige Mutter eines Mädchens namens Camille ihre neue Band aufziehen, wie ein Karussell, bei dem die Mitglieder je nach Lust, Zeit und Laune aufund wieder abspringen können. Nur der Kern bleibt erhalten. Neben Brody gehört dazu Gitarrist Tony Bevilacqua, Dalles Sidekick aus Distillers-Tagen und „langjähriger Freund und geschätzter Musikpartner“. Gemeinsam mit dem ehemaligen Queens Of The Stone Age-Gitarristen Alain Johannes und dem Gründungsmitglied der Red Hot Chili Peppers, Schlagzeuger Jack Irons, spielte Brody Dalle ihr selbstbetiteltes Debüt ein und schuf einen düsteren, basslastigen Brocken aus Wave, Punk und Prog. Brody, alle Songs auf dem Spinnerette-Album sind auf dem Bass geschrieben worden. Wieso? Bei uns zu Hause liegt dieser Sechzigerjahre-YamahaBass rum. Josh hat darauf fast sämtliche Songs von „Lullabies To Paralyze“ geschrieben und nennt das Ding nur den „magischen Bass“. Und es stimmt: darauf schreiben sich die Songs quasi von alleine. Es heißt, du hättest mit den Songs auf „Spinnerette“ eine Katharsis durchlebt.

Das Album hatte für mich in jedem Fall eine reinigende Wirkung. In meinem Leben ist viel passiert, genau wie auch in meinem Umfeld. Aber neben den Katastrophen und all dem Glück ist das Album thematisch auch durchsetzt von Transformation; von der Entwicklung, die unser Planet durchmacht oder von der Allgegenwärtigkeit der Industrie – egal, wohin man blickt, überall werden natürliche Ressourcen geplündert, der Lebensraum wird immer enger. Darüber mache ich mir Gedanken – gerade als Mutter. Gibt es denn ein paar Dinge, die dir in der Erziehung deiner Tochter wichtig sind; etwas, das du selbst erlebt hast und ihr nicht zumuten willst? Ich komme aus einer sehr politischen und sozial engagierten Familie. Meine Mutter war Krankenschwester und Homöopathin, sie schickte mich auch auf diese Bio-Bauernhöfe von „Friends Of The Earth“. Das hat mich natürlich geprägt. Ich möchte meiner Tochter ähnliche Dinge mit auf den Weg geben, aber sie ist noch zu klein dafür. Schon beängstigend, wieviel Macht Eltern haben: Da ist dieser neue Mensch und du kannst ihn komplett programmieren; ihm deine Meinung, deine Gedanken, deine fundamentalen Überzeugungen mitgeben.

Wie wirst du dein Familienleben mit dem Job ausbalancieren? Josh und ich werden unsere Terminkalender aufeinander abstimmen, das klappt bereits ganz gut. Nur manchmal müssen wir die Schwiegereltern bitten, uns auszuhelfen. Gibt es ein paar Fehler, die du bei den Distillers gemacht hast, die dir jetzt nicht mehr widerfahren würden? Schon. Eine Lehre aus der Auflösung der Distillers ist, die Band nicht zu einer Maschine werden zu lassen; zu etwas, das Geld verschlingt, Neid verursacht, Missgunst sät. Eine Band soll den Mitgliedern Spaß und Erfüllung bringen, deshalb rotieren wir im Tour-Line-Up. Wer gehen will, kann gehen – ohne Reue, ohne Frust. Du bist jetzt 30, Was macht Brody Dalle mit 40? Sie arbeitet an ihrem zehnten Spinnerette-Album und bringt ihr drittes Kind in den Kindergarten. Danach geht sie in Rente. Text: Florian Hayler Heimat: spinnerettemusic.com


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REISEFÜHRER

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R E R H Ü F E S I E R L L O ROCK'N'R Mit Marta Jandová nach Prag

(DIE HAPPY)

Die Hits ihrer bisherigen Karriere mit Die Happy hat Sängerin Marta Jandová auf dem Album „Most Wanted“ versammelt, für uns hat die gebürtige Tschechin zudem das Best Of ihrer alten und neuen Heimatstadt Prag zusammengestellt. Euer letztes Studioalbum „Six“ habt ihr in Prag aufgenommen. Ist die Stadt auch ein guter Ort, um neue Bands zu entdecken? Unbedingt, aber um ehrlich zu sein, habe ich bisher nur die Theaterbar kennen gelernt. Es gibt natürlich viele Clubs, aber was in Tschechien am besten funktioniert, sind kleine Kneipen, wie das „U Provaznice“ (Provaznicka 3), wo man bis Mitternacht Knödel essen kann. Es ist kein typischer Touristenort, sondern wird von vielen Tschechen besucht, weil es dort auch gutes Bier gibt. Welchen Satz sollte man können, wenn man in Prag unterwegs ist? „Bitte“ („Prosím“), „Danke“ („Dekuij“) und „Guten Tag“ („Dobrý den“) sollten in jeder Sprache drin sein. Was super wichtig ist: In Prag muss man wissen, wie man Bier be-

stellt, „Pivo - Jedno pivo, prosím“. Die Tschechen mögen es, wenn man versucht, ihre Sprache zu sprechen.

einem Kaffee auf die Terrasse oder die Wiese setzen.

Der typische Prager... ...hat das Laissez-faire der Franzosen. Die Leute hier arbeiten sehr viel, aber in ihrer Freizeit hängen sie auf keinen Fall zu Hause rum. Die Tschechen sind ein Ausgehvolk und besetzen im Sommer sämtliche Parks, wie den Riegrovy Sady (Vinohrady), in dem es mehrere Biergärten und Kneipen gibt. Direkt im Park ist das „Mrikarna“, ein sehr schönes Café, das von jungen Leuten betrieben wird, und man kann sich dort gemütlich mit

Wo ist der schönste Platz an der Moldau? Es gibt ein wunderschönes Hotel im Zentrum, gleich am tanzenden Haus (Rašínovo Nábreží 80), einem relativ neuen Gebäude, mit viel Glas und Metall. Direkt darunter ist das „Botel Matylda“. Das Essen dort ist auch unglaublich gut und man kann außerdem unter Deck übernachten. Nicht unbedingt preiswert, aber sehr schön und noch nicht sehr bekannt. Auf der anderen Seite der Moldau ist die Halbinsel Kampa zu empfehlen, auch dort

gibt es viele nette Restaurants. Von wo aus hat man den besten Blick über die Stadt? Auf dem Letná gibt es einen sehr schönen Aussichtspunkt und man kann von dort aus sogar bis zur Prager Burg laufen. Es ist ein wunderschöner Blick auf die Stadt, ganz anders, als man es von Postkarten gewohnt ist. Außerdem stehen dort viele Tische und Stühle und man kann sich entweder am Kino eine Kleinigkeit zu essen holen oder selbst etwas mitbringen. Text: Ina Göritz , Foto: Duncan Smith Heimat: diehappy.de, Checkout: prag.cz


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MUSIK STORIES

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Aller guten Dinge sind vier: Aaron, Jon, Ben und Ian (Billy Talent v. links).

Billy Talent

Eine Frage der Perspektive Mit dem Erfolg ist das so ein Ding. Erst lässt er ewig auf sich warten und später wird man nur noch an ihm gemessen. Das nennt man wohl Ironie des Schicksals. Kein Problem für Billy Talent, die als anatomisches Wunder auch mit Anfang 30 noch wachsen – manchmal sogar über sich hinaus. Im Jahr 16 nach Bandgründung sind der in Montreal geborene Ben Kowalewicz (Gesang) und seine Highschool-Freunde Aaron Solowoniuk (Schlagzeug), Jon Gallant (Bass) und Ian D’Sa (Gitarre & Mastermind) noch immer eine eingeschworene Gang, die ihren späten Durchbruch mit jedem Atemzug genießt. Nach zehn gemeinsamen Jahren in einer Band namens Pezz, der taktisch klugen Umbenennung in Billy Talent und zwei abgefeierten Hit-Alben namens ‘Billy Talent I‘ und ‘Billy Talent II‘ legt der kanadische Vierer nun nach. Der Titel der neuen Platte (wer hätte das für möglich gehalten?!): ‘Billy Talent III‘! Ein im tiefsten Inneren der Bandmitglieder auf Spurensuche gehender Rock-Brocken, der nicht auf den schnellen K.O. zielt, sondern langsam und mit bleischwerem Nachdruck im Ziel landet. Als die vier in ihrer Heimat Toronto fest verwurzel-

ten Bandmitglieder Mitte Mai in der Billy TalentHochburg Deutschland aufschlagen, gilt es noch an ein paar letzten Details zu schrauben: Das Artwork für ‘BT III‘ ist noch nicht komplett, hinter den Kulissen wird noch mit der finalen Tracklist jongliert und trotzdem schafft es die Band, zwischen Interviews, Geheimkonzerten, Fotoshootings und flugs anberaumten Fan-Treffen halbwegs den Überblick zu behalten. Und schon wieder „kein Problem“, wie der mit einer beneidenswerten Betonfrise in Bügeleisenform gesegnete Ian bemerkt: „Wir arbeiten gerne viel und hart. Billy Talent sind nicht gut darin, sich mal ‘frei zu nehmen‘.“ Entsprechend akribisch, detailverliebt und zeitaufwändig gestalteten sich die Aufnahmen zu ‘BT III‘, einem Album, das Frontmann Ben als „the least concept record of all time“ bezeichnet und das nach Wunsch der Plattenfirma gerne früher hätte

erscheinen dürfen, allerdings bestünde das Werk dann wahrscheinlich nicht aus Songs, sondern „einer Sammlung von 30-sekündigen Klingeltönen“. Was hat jeder einzelne von euch zu „Billy Talent III“ beigetragen – wo spürt man eure individuelle Handschrift? Jon: Wenn man nach dem Hören das Gefühl hat, soeben von einem Panzer überfahren worden zu sein, dann ist das mein Verdienst: Mein Bass killt. Ian: Ich war die ganze Zeit im Kontrollraum und habe darauf geachtet, dass unsere Songs zeitlos klingen. Dass man sie auch in zehn Jahren noch gut hören kann. Ben: Ich habe sehr an meiner Stimme gearbeitet. Man könnte so sagen: Ich traue mir mehr zu und bin bereit, verschiedene Facetten zuzulassen. Ich schreie einfach nicht mehr so viel. Aaron: Ich hatte den härtesten Job von allen. Ich musste mir einen Albumtitel überlegen…


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Lustig, dieser Aaron. Dabei hat er tatsächlich den härtesten Job in der Band. Der Pokerfan muss als Vater einer sechsjährigen Tochter nämlich nicht nur Familien- und Bandleben miteinander in Einklang bringen, sondern als an Multipler Sklerose Leidender auch sehr auf Ernährung und ausreichend Schlaf achten. Das erfordert Disziplin und Mitdenken bei sowohl Band als auch Umfeld, schließlich soll Aaron auch in Zukunft problemlos die allabendliche Rhythmusmaschine anwerfen können, damit Hymnen wie ‘Red Flag‘, ‘Try Honesty‘ oder die neue Single ‘Rusted From The Rain‘ weiterhin für ordentlich Wellengang im Moshpit sorgen. Apropos. Natürlich sind auch die neuen Songs auf ‘Billy Talent III‘ auf ausreichend Durchdrehzahl gestrickt, allerdings reduzierten Billy Talent den Anteil von Punk und Geschwindigkeit zugunsten einer zusätzlichen Schicht Groove. „Das war eine ganz bewusste Entscheidung“, erklärt Ian. „Wir wollten unseren Trademark-Sound natürlich nicht aufgeben, haben aber trotzdem versucht, uns anderweitig zu orientieren. Wir haben unsere Vorliebe für Frühneunziger-Bands und deren Alben wiederentdeckt: Jane’s Addiction, Soundgarden, Rage Against The Machine. Das hat deutlich auf unser Album abgefärbt.“ Ähnlicher Meinung ist auch Ben, der seine Abende zu Hause am liebsten mit Freunden, Freundin und geselligem Kochen verbringt: „Wir sind jetzt 33, 34 Jahre alt und die Hälfte unseres Lebens gemeinsam in dieser Band. Ich würde sagen, wir altern in Würde,

Billy Talent Vs. die Fans Mai 09

MUSIK STORIES

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wie ein guter Wein. Und auch unser neues Album sollte man behandeln wie einen edlen Tropfen: Entkorkt es mit Bedacht und lasst es erst einen Moment atmen. Erst danach entfaltet sich sein volles Bouquet.“ Text: Florian Hayler Foto: Dustin Rabin Foto Fans: Jan Windszus Heimat: billytalent.com Auf sallys.net: sally*sTV! Kreuzverhör mit Aaron, Ian, Ben & Jon

Billy Talent Special im Radio unclesally*s Nightflight 9. auf 10.7., 0.00 Uhr live auf Fritz und fritz.de

Billy Talent I-III – die Richterskala So unterschiedlich die einzelnen Bandmitglieder von Billy Talent auch über ihr Album I urteilen, so einig sind sie sich über die Qualität ihrer zweiten und dritten Longplayer. Auf einer Skala von eins (übel) bis fünf (perfekt) bewerten Aaron, Ian, Jon und Ben ihr bisheriges Lebenswerk wie folgt: Billy Talent I Aaron: Vier. Ian: Drei. Jon: Fünf. Ben: Drei. Billy Talent II Alle: Vier. Billy Talent III Alle: Fünf!


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FESTIVALS

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Die Festival-Saison geht in die finale Runde und bietet nochmal einige große Highlights für das feierwütige Partyfolk. Und das Beste: für alle von uns präsentierten Konzerte verlosen wir Tickets (erkennbar am unclesally*s Logo und an den - genau - Ticket-Symbolen). Wer gewinnen will, schickt einfach eine Mail mit dem entsprechenden Festival-Namen und seiner Telefonnummer an: verlosung@sallys.net! Und wo wir schon dabei sind: Schickt uns doch bitte auch eure Festival-Schnappschüsse für unser Konzertfoto Of Death-Festivalspecial in der nächsten Ausgabe. Danke. OASIS

Der Drei-Tage-wach-Spaß in Gräfenhainichen ist diesmal nicht nur was für Freunde bunter Brillen und Pillen, auch Brit-Pop-Jünger der frühesten Stunden kommen auf ihre Kosten. Die Gallagher-Brüder geben sich in diesem Jahr ebenso die Ehre wie Kasabian, die norwegischen Elektro-Fraktion von Röyksopp, die Punks von Muff Potter und die Astralkörper von Gossip. Line-Up: Amazing Baby, Animal Collective, !!!, Anna Ternheim, Cold War Kids, Crystal Castles, Glasvegas, The Virgins, Patrick Wolf, Oasis, Bloc Party, Aphex Twin, Kasabian, Muff Potter, The Whitest Boy Alive, Gossip, Bonaparte, Foals, Goldie, Jochen Diestelmeyer, Mediengruppe Telekommander, Polakreis 18, The Faint u.a. VVK: 50 Euro (Tagesticket), 77 Euro (2-Tageticket), 99 Euro (3-Tageticket) Infos: meltfestival.de

Line-Up: Amon Amarth, Dimmu Borgir, Elsterglanz, Hatebreed, Motörhead, Sepultura, Soulfly, Bouncing Souls, Emil Bulls, Maroon, Mastodon, Smoke Blow, Social Distortion, Static-X, Suicidal Tendencies u.a.

VVK: 80 Euro Infos: withfullforce.de

Line-Up: Bosse, Friska Viljor, Kilians, Olli Schulz, Angelika Express, Der Tante Renate, Diego, Frittenbude, Sixxxten, Sondaschule, Super 700, Tiger Lou, Wired For Mono u.a.

VVK: 27 Euro Infos: rocken-am-brocken.de

Highfield

17. bis 19.7. Ferropolis

3. bis 5.7. Löbnitz, Flugplatz Roitzschjora

31.7. & 1.8. Elend

Die toten hosen

Melt!

With Full Force

Rocken am Brocken

SOCIAL DISTORTION

21. bis 23.8. Erfurt, Stausee Hohenfelden Ein bisschen Wehmut schwingt schon mit in diesem Jahr. Immerhin gastiert das landschaftlich schönste Festival der Republik nun zum letzten Mal am Stausee Hohenfelden. Doch die Tränen werden trocknen, dafür sorgen sahneschnittige Headliner wie Faith No More, Farin Urlaub Racing Team, Maxïmo Park, Tomte, Turbostaat und Die Toten Hosen. Natürlich sorgen auch wir mit unserer Neuauflage der Highfield-Games für stramme Waden bei Bands & Publikum. Sport frei. Line-Up: Spinerette, Riverboat Gamblers, Maccabees, Metric, Blitzen Trapper, Auletta, Die Toten Hosen, Arctic Monkeys, Farin Urlaub Racing Team, Maxïmo Park, Selig, Wilco, Rise Against, The Offspring, Clueso, Faith No More, AFI, Apocalyptica, The Wombats, Ohrbooten, Tomte, Turbostaat u.a.

VVK: 99 Euro inkl. Gebühren und Müllpfand Infos: highfield.de

Splash!

10. bis 12.7. Leipzig, Halbinsel Pouch Line-Up: Deichkind, Clueso, Dizzee Rascal, The Streets, Samy Deluxe, Olli Banjo, Lady Sovereign, Boys Noize, Curse, Peaches, Santigold, Stereo MC’s, Method Man, Redman u.a.

VVK: 94 Euro (3-Tageticket), Infos: splash-festival.com

THE STREETS


OSTEN Emiliana Torrini

Fritz im Freien

10.7. & 1.8. Berlin, Zitadelle Spandau Line-Up 10.7.: Clueso & Band, Selig, Emiliana Torrini, Super 700 u.a. Line-Up 1.8.: Mia., Tele, Klee u.a.

VVK: ca. 30 Euro (Tagestickets), Infos: fritzimfreien.de

GladeRock Festival

6. bis 9.8. Brandenburg, Heidesee Line-Up: Dog Eat Dog, Life Of Agony, Walls Of Jericho, Dozer, Hatesphere, Callejon, Fear My Thoughts, Samavayo, Boozed, Anticops u.a.

Berlin Festival 2009 Open Air in Tempelhof 7. & 8.8. Berlin, Flughafen Tempelhof

Zur vierten Auflage des Berlin Festivals kapern in diesem Jahr Bands wie Deichkind, The Thermals, The Rifles, Dendemann, Jarvis Cocker und Florence And The Machine den – und hier lauert die Ironie in diesem Satz – „stillgelegten“ Flughafen Tempelhof. Zur Ruhe kommt die alte Haubitze so schnell nicht… Line-Up: Peter Doherty, Deichkind, Jarvis Cocker, Saint Etienne, Dendemann, The Thermals, WhoMadeWho, Kilians, Bodi Bill, Oneida, Bonaparte, The Rifles u.a.

VVK: 49 Euro, Infos: berlinfestival.de

Foto: Kevin Westenberg

VVK: 48 Euro, Infos: gladerock.de

Peter Doherty

Foto: Florian Wörner

SIDO

Ein Hartz Für Berlin

19.7. Berlin, Zitadelle Spandau Wenn ihr in einem gut geordneten Lexikon eine „Win-win-Situation“ nachschlagt, sollte dieser Tage synonym „Ein Hartz für Berlin“ daneben stehen. Das Festival mit dem guten Hintergedanken wird von Icke & Er und Bela B. präsentiert und trumpft mit Headlinern wie Peter Fox, Sido und K.I.Z. Alle Erlöse der Spendengala kommen der „Berliner Tafel e.V.“ zugute, die bedürftige Familien mit günstigen oder kostenfreien Lebensmitteln versorgt. Ihr seht also... Line-Up: Bela B., K.I.Z., Sido, Icke & Er, Peter Fox, Pohlmann, T. Raumschmiere u.a.

VVK: 28 Euro, Infos: einhartzfuerberlin.de


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FESTIVALS

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Omas Teich

24. & 25.7. GroSSefehn Line-Up: The Lemonheads, Auletta, Blood Red Shoes, Deichkind, Turbonegro, Baddies, ClickClickDecker, Disco Ensemble, Egotronic, Gisbert Zu Knyphausen, Kilians, Montreal, Muff Potter, Saboteur, Sondaschule u.a. VVK: 45 Euro, Infos: omasteich.de

NORDEN Wacken Open Air

30.7. bis 1.8. Wacken Line-Up: Bullet For My Valentine, Machine Head, Motörhead, Amon Amarth, Axel Rudi Pell, Borknagar, Callejon, Cathedral, Dragon Force, Einherjer, Epica, GWAR, HammerFall, In Extremo, In Flames, Kampfar, Kingdom Of Sorrow, Napalm Death, Nevermore, Testament, Tristania, Volbeat, Walls Of Jericho, Touble, D-A-D, Eths u.a.

MAD SIN

Ausverkauft!, Infos: wacken.com

M'era Luna

8. & 9.8. Hildesheim Line-Up: Blutengel, Deathstars, De/Vision, IAMX, L‘ame Immortelle, Nightwish, The Prodigy, Apocalyptica, Subway To Sally, Letzte Instanz, Oomph!, The Crüxshadows, Untoten, Whispers In The Shadows, Zeraphine, Zeromancer u.a.

Force Attack

31.7. bis 2.8. Klingendorf Line-Up: Anti Nowhere League, Blechreiz, Die Mimmis, D.O.A., Dödelhaie, Loikaemie, Mad Sin, Normahl, UK Subs, 44 Leningrad, Chefdenker, Church Of Confidence, Fliehende Stürme, Los Fastidios, Menace, PVC, Rasta Knast, Rawside, Red Ska, Schließmuskel, The Offenders, The Other u.a.

VVK: 74 Euro inkl. Müllpfand und Gebühr, Infos: fkpscorpio.com/meraluna

VVK: 38,50 Euro inkl. Müllpfand, Infos: forceattack.de

Vainstream Beastfest

3. & 4.7. Wiesbaden, Schlachthof-Gelände Line-Up: Architects, Bring Me The Horizon, Comeback Kid, Heaven Shall Burn, Ignite, Muff Potter, Parkway Drive, The Gaslight Anthem, Bouncing Souls u.a. VVK: 55 Euro zzgl. Gebühren Infos: beastfest.de

Rocco del Schlacko 14. & 15.8. Püttlingen

Line-Up: Farin Urlaub Racing Team, Rise Against, Anti-Flag, Baddies, Deichkind, Kilians, Mia., Muff Potter, Samy Deluxe, Stakeout, Enter Shikari u.a. VVK: 44 Euro Infos: rocco-del-schlacko.de

Umsonst & DrauSSen Lindau Festival 25.7. Lindau, Toskanapark

Line-Up: Nosliw, Far From Finished, Strike Anywhere, Talco u.a. Eintritt frei! Infos: /


T-MOBILE EXTREME PLAYGROUNDS

30.8. Pinneberg, Wasserksi-Arena (s.S. ) Line-Up: Rise Against, Mad Caddies

Foto: Ed Hutchinson

ART BRUT

Open Flair

7. bis 9.8. Eschwege Vom 7. bis zum 9. August mutiert das beschauliche Eschwege wieder zum Epizentrum südlicher Festivalgewalt. Deichkind, Peter Fox, Maximo Park, Clueso und The (International) Noise Conspiracy sind nur einige der großen Namen, die euch an diesen Tagen den Campingausflug versüßen werden. Line-Up: Peter Fox, Bosse, Art Brut, Deichkind, Flogging Molly, In Extremo, Maxïmo Park, Mia., Selig, Silbermond, The Subways, Clueso, Dog Eat Dog, Emil Bulls, Jennifer Rostock, K.I.Z, The (International) Noise Conspiracy, One Fine Day, Smoke Blow, Sondaschule, Trashmonkeys, Taking Back Sunday, Itchy Poopzkid u.a. VVK: 70 Euro, Infos: open-flair.de

Taubertal Festival

7. bis 9.8. Rothenburg ob der Tauber, Eiswiese Line-Up: Clueso, Die Toten Hosen, Farin Urlaub Racing Team, Maxïmo Park, The (International) Noise Conspiracy, The Subways, In Extremo, 5Bugs, Bonaparte, Montreal, Smoke Blow, Sondaschule, The Duke Spirit, The National, Taking Back Sunday u.a. VVK: 82 Euro zzgl. Gebühren, Infos: taubertal-festival.de

SÜDEN


Foto: pertramer.at

KETTCAR

Area4 Festival

21. bis 23.8. Lüdinghausen, Flugplatz Borkenberge Line-Up: AFI, Anti Flag, CJ Ramone, Die Toten Hosen, Eagles Of Death Metal, Farin Urlaub Racing Team, Kettcar, Life Of Agony, Mad Caddies, Panteón Rococó, Rise Against, The Offspring, Turbostaat, Faith No More, Deftones, Thursday, The Get Up Kids u.a.

BON IVER

Foto: Sara Cass

VVK: 94 Euro inkl. Gebühren und Müllpfand, Infos: area4.de

Haldern Pop Festival 13. bis 15.8. Rees-Haldern

Line-Up: Bon Iver, Grizzly Bear, The Thermals, The Maccabees, The Temper Trap, Patrick Watson u.a. VVK: 66 Euro, Infos: haldern-pop.de

MILLENCOLIN

Devil Side

28.6. Duisburg, Landschaftspark Line-Up: Clawfinger, Motörhead, Soulfly, Millencolin, Bloodhound Gang, Anthrax, Misfits, Cro-Mags, Hammerhead u.a. VVK: 39 Euro zzgl. Gebühren, Infos: devilside.de

WESTEN


Vainstream Rockfest

3. & 4.7. Münster, Am Hawerkamp Line-Up: Gogol Bordello, Hatebreed, Heaven Shall Burn, Parkway Drive, Suicidal Tendencies, The Gaslight Anthem, Bouncing Souls, Bring Me The Horizon, Ignite, Maroon, Muff Potter, Walls Of Jericho u.a. VVK: 55 Euro zzgl. Gebühren, Infos: vainstream.de/Rockfest

SOULFLY

ESTEN Serengeti Festival 27. & 28.6. Schloss Holte-Stukenbrock

Line-Up: Neaera, Kamikaze Queens, Anthrax, Bloodhound Gang, Donots, Down, Millencolin, Soulfly, Static X u.a. VVK: 50 Euro Infos: serengeti-festival.de

c/o Pop

12. bis 16.8. Köln Line-Up: Moderat, Beirut, Patrick Wolf, The Whitest Boy Alive, Bonaparte, The Notwist, Black Lips, Gonzales u.a. VVK: 76 Euro, Infos: c-o-pop.de

VIRGINIA JETZT!

Rheinkultur

4.7. Bonn, Rheinaue Line-Up: The Bronx, Culcha Candela, Baddies, Black Stone Cherry, No Use For A Name, Pete Philly & Perquisite, The Casting Out, Virginia Jetzt!, Selig, Kilians u.a. Eintritt frei! Infos: rheinkultur-festival.de


FESTIVALS

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Foto: Nikolaus Brede

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Haltestelle Woodstock

31.7. bis 2.8. Kostrzyn, Polen Line-Up: Caliban, The Futureheads, Guano Apes, Sham 69, Volbeat u.a.

Glastonbury

26. bis 28.6. Pilton, GroSSbritannien Line-Up: Blur, Bruce Springsteen & The E-Street Band, Doves, Emiliana Torrini, Franz Ferdinand, Kasabian, Lily Allen, Neil Young, Echo & The Bunnymen, Fleet Foxes, The Ting Tings, White Lies

DEICHKIND

Roskilde Festival

2. bis 5.7. Roskilde, Dänemark Line-Up: Pet Shop Boys, Coldplay, Madness, Kanye West, Deichkind, Nine Inch Nails, Oasis, Social Distortion, Röyksopp, Slipknot, Lily Allen, Lil Wayne, Fleet Foxes, Yeah Yeah Yeahs, Volbeat, White Lies u.a.

Eintritt frei!, Infos: haltestelle-woodstock.de

Ausverkauft! Infos: glastonburyfestivals. co.uk

FM 4 Frequency

20. bis 22.8. St. Pölten, Österreich Line-Up: Bloc Party, Grace Jones, Peter Fox, Editors, Mando Diao, Mia., Kasabian, Radiohead, Rise Against, The Prodigy, AFI, Anti-Flag, CJ Ramone, Eagles Of Death Metal, Enter Shikari, Farin Urlaub Racing Team, Glasvegas, Heather Nova, Jet, Kettcar, Polarkreis 18, Selig, The (International) Noise Conspiracy, The Sounds, The Subways, The Ting Tings u.a.

VVK: ca. 248 Euro Infos: roskilde-festival.dk

VVK: 105 Euro, Infos: frequency.at

Hultsfred

8. bis 11.7. Hultsfred, Schweden Line-Up: A Camp, Dropkick Murphys, Franz Ferdinand, Kings Of Leon, Mando Diao, Sahara Hotnights, The Killers, Anna Ternheim, Baddies, Cyndi Lauper, Gossip, Klaxons, Madness, Peter Bjorn And John, Regina Spektor, The Do, The Sounds, The Virgins, White Lies u.a.

VVK: 150 Euro, Infos: rockparty.se

Festival Internacional de Benicassim

europa

16. bis. 19.7. Castellón-Benicàssim, Spanien Line-Up: Elbow, Franz Ferdinand, Kings Of Leon, Lily Allen, Oasis, Paul Weller, The Killers, Friendly Fires, Glasvegas, Late Of The Pier, Laurent Garnier, Lykke Li, Maxïmo Park, Mystery Jets, Peaches, The Horrors, The Psychedelic Furs, The Walkmen, TV On The Radio, White Lies, 2 Many DJs, Foals u.a.

Foto: Steve Gulick

Ausverkauft! Infos: fiberfib.com

GLASVEGAS

Soundlabs Festival

4. & 5.9. Roseto degli Abruzzi, Italien Unser hauseigenes Reisebüro entsendet einen Festivalfan von euch nach „Bella Italia“. Mit etwas Glück und einer E-Mail an verlosung@sallys.net (Stichwort: Soundlabs-Reise) gewinnt einer von euch das Touripaket bestehend aus Hin-und Rückflug (Berlin-Pescara-Berlin) mit Flyonair und einem Ticket, mit dem er/sie sich vor Ort auch Zutritt zu Pre- und Aftershowparties verschaffen kann. Line-Up: Glasvegas, José González, The Wave Pictures, Zu, Massimo Volume, Dente, Cometa Fever, mehr t.b.a.

VVK: 30 bis 43 Euro (Festivalticket), 20 bis 25 Euro (Tagesticket) Infos: soundlabs.it

Sziget Festival

12. bis 17.8. Obudai-Donauinsel, Budapest, Ungarn Line-Up: Bloc Party, Die Toten Hosen, Placebo, Snow Patrol, Klaxons, The Offspring, The Prodigy, Backyard Babies, Calexico, Disco Ensemble, Donots, Fatboy Slim, The Ting Tings u.a.

VVK: 188 Euro (Festivalticket inkl. Camping), 40 Euro (Tagesticket) Infos: sziget.hu/festival_german



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FESTIVALS

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Coca-Cola Soundwave Discovery Tour 2009

Halbfinale bei Rock Am Ring - und die Reise geht weiter... Die glorreichen Sechs sind gekürt. Beim großen Live-Clash der Coca-Cola Soundwave Discovery Tour 2009 bei Rock Am Ring lösten die besten Kapellen ihr Live-Ticket für die kommenden Festivals.

Zwölf Bands bangten und bibberten am Festivalsamstag hinter der Bühne des Coca-Cola Soundwave-Zelts. Nachdem sie eine zähe Auswahlprozedur bestehend aus Online-Voting und Live-Konzerten mit Bravour gemeistert hatten, stand den letzten zwölf nun die Königsklasse unter den Live-Shows bevor. Schließlich können nur die wenigsten behaupten, die Bretter, die die Welt bedeuten, mit Spitzenkapellen wie dem Headliner The Gaslight Anthem geteilt zu haben. Aller Nervosität zum Trotz besannen sich die Nachwuchskapellen im entscheidenden Moment aber auf das, was sie am besten können und hauten kräftig in die Tasten, Saiten- und Percussion-Instrumente.

Bis zum Halbfinale durchgeboxt haben sich schließlich TOS aus Ravensburg, Phases Of Life aus Berlin, Videoclub aus Münster, Andioliphilipp aus Heilbronn, Whitenights aus Frankfurt und The Rising Rocket aus Stuttgart, die allesamt nicht nur die Expertenjury, sondern auch das anwesende Publikum am eindrucksvollsten von ihren Qualitäten überzeugen konnten. Als Belohnung ging es bereits weiter zum Hurricane. Das Melt! und das Highfield werden die nächsten Reiseziele der Soundwave-Bands sein. Im Anschluss an jedes der Festivals heißt es dann noch einmal Daumen drücken und Online-voten! Unter myspace.com/cokemusic entscheidet ihr, welche drei Kapellen ins große Finale einziehen und am 3. Oktober vor unzähligen Menschen am Brandenburger Tor um den Sieg der Soundwave Discovery Tour 2009 spielen werden. Die entscheidenden Online-Voting-Runden laufen vom 21. bis 26. Juli und vom 25. bis 30. August.

Videoclub

Die selbst ernannte Hedonistentruppe aus Münster & Hamburg zündete ihren Indie-lastigen, von Bob Mould, Joy Division oder Propaghandi infizierten Noise-Pop so herzerfrischend ins rote Rund, dass die Jury gar nicht anders konnte, als die Jungs auf große Festival-Fahrt zu schicken.

myspace.com/cokemusic

TOS

Hatten keinen leichten Job: die erfahrenen Jury-Mitglieder (v.l.): Torsten Groß (Rolling Stone), Ken Jebsen (Radio Fritz/rbb), Oliver Plöger (Eins Live), Eric M. Landmann (Manager Beatsteaks), Uli Kuppel (Publishing, u.a. Reamonn), Lars Grewe (Co-Manager Peter Fox)

TOS aus Ravensburg entwickelten schon lange vor ihrem Auftritt im Coca-Cola Soundwave-Zelt massiven Ehrgeiz, als es darum ging, das Festival-Publikum per Flyer persönlich zum Konzert einzuladen. Die Mühe hat sich gelohnt. TOS wurden mitsamt ihres farbenfroh blühenden Klangparks abgefeiert wie die großen Acts auf der Hauptbühne.


Andioliphilipp

Das Heilbronner Pop-Punk-Trio war mit Abstand die flirtaktivste Kapelle im Coca-Cola Soundwave Tent. Das Publikum ließ sich von ihrem Charme und ihrer Außenseiterqualität bezirzen - als einzige Band des Entscheidungstages setzten Andi, Oli und Philipp auf deutsche Texte. Mit Erfolg.

Phases Of Life

Von allem nur das beste. Phases Of Life sammeln sich nur die schicksten Elemente aus Pop, Elektro-Funk, Soul und HipHop zusammen und konnten live ganz besonders durch die umwerfende Präsenz und Stimme ihres Sängers Kiko überzeugen.

The Rising Rocket

Sie luden das Publikum ein auf eine Viertelstunde astreine „Tanzmusik“, wie Frontmann Benjamin den Sound seiner Indie-Rock-Fraktion treffend auf den Punkt brachte. Zackige Riffs, tanzbare Beats und ein Sound irgendwo zwischen Franz Ferdinand und Mando Diao. Diese Rising Rocket ist noch lange nicht verglüht.

Whitenights

Das sind Teamspieler, wie sie in der Betriebsanleitung stehen. Doch die Frankfurter Post-Punker gewannen die Sympathien von Publikum und Jury nicht nur dank ihrer Fünf-Musketiere-Ausstrahlung, sondern machten auch auf musikalischer Ebene einen super professionellen Eindruck.


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KONZERT DES MONATS

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KONZERT DES MONATS

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Gallows

8.6. Berlin - Zitadelle Spandau Als die Jungs von Billy Talent neulich zwecks ihres großen Fantreffens in Berlin weilten, redeten sie – frisch eingeflogen aus London – nur von einem: Dem Konzert der Gallows im „Underworld“, dem letzten Gig auf der Englandtour zum neuen Album „Grey Britian“. Offensichtlich hat die Show bleibenden Eindruck bei den Kanadiern hinterlassen, von blutenden Visagen und völliger Verausgabung war da die Rede, von einem Circlepit bisher unbekannten Ausmaßes und Fäuste schwingenden Anarchisten. Klingt nach Spaß und einem sehenswerten Zirkus, so ein Konzert der Gallows. Und obwohl die Voraussetzungen für die Gallows im Vorprogramm von Korn denkbar ungünstig waren (Beginn um 17.00 Uhr, Publikum: ein paar verstreute Zaungäste, anwohnerfreundlich gedimmter Sound), legten Frank Carter & Co. los wie ein Taifun: Die Bühne wurde kurzerhand in die Mitte des peinlich betretenen und respektvoll zur Seite tretenden Publikums verlegt, Carter entledigte sich seines T-Shirts und haute sich das Mikro non-

Fotos: Frank Abel

stop vor die Stirn, so wie er es – den Blessuren nach zu urteilen – schon so oft getan hat. Fazit: Diese Band gehört nicht ins Vorprogramm einer egalen Alte-Männer-Combo wie Korn oder Metallica, sondern in den Club zu Gleichgesinnten - zur „Underworld“. Nehmt euch in Acht.

KONZERTFOTOS OF DEATH Ihr geht doch alle auf Konzerte. Und macht dabei - Fotos? Die wollen wir sehen. Und prämieren. Denn an dieser Stelle küren wir die „Konzertfotos Of Death“ - egal, ob mit Handy oder der Digitalen geschossen. Schickt uns euer Konzertfoto inklusive Namen der geknipsten Band/Person, Ort, Datum und zwei Sätzen dazu, wie’s so war, auf dem Konzert. Entweder per Mail an sallys@sallys.net oder aber ihr ladet euer Foto ganz einfach auf sallys.net hoch. Da könnt ihr dann auch die Fotos der anderen bestaunen und euren Senf dazugeben. Die besten, schrägsten und lustigsten aus den letzten Wochen zeigen wir euch hier:

Alesana 29.5. Berlin – Lido Geknipst von: Zwielicht

Auch wenn sie ganz schön abheben, war‘s ein ganz gutes Konzert…

Billy Talent 4.6. Hamburg - Markthalle

Green Day 7.5. Berlin – Kesselhaus Geknipst von: Pammy-Lane

So sieht’s dann aus, wenn Billie Joe auf den Boxen rumklettert…

Telekinesis 30.5. Neustrelitz – Immergut Festival Geknipst von: Meralunis

Telekinesis versprühen, nicht zuletzt durch ihren fantastischen Sänger und Schlagzeuger, einen einzigartigen Spirit auf der Bühne, auf den man sich einfach einlassen muss.

Geknipst von Fluffy:

Aufnahme von der Billy Talent-Secret Show! 900 Leute, Hitze ohne Ende und dann noch gratis! Hammer-Konzert. Keine Vorband. Eineinhalb Stunden volle Power der Jungs. Super auch: Sie haben einen noch unbekannten Song gespielt namens „Saint Veronika“. Die Jungs waren auch in einer klasse Verfassung, so dass der Sänger schön abging und seine Späße gemacht hat.

…Trail Of Dead 10.6. Dresden - Beatpol Geknipst von Eric: Ohne Worte.


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KONZERTFOTOS OF DEATH

Eagles Of Death Metal 31.1. Berlin – White Trash Geknipst von: Der Crusher

All American Rejects 6.6. Bochum – Zeche

Die EODM haben nach ihrem Konzert im Frannz Club nochmal ihr komplettes Set im White Trash gespielt. Anschließend hat sich Jesse Hughes im Tattoostudio „NoPainNoBrain“ im Keller des Trashs noch stechen lassen. Alles in Allem ‘ne runde Sache, wa!?

Geknipst von: HipHappy Ganz in weiß.

Pale 27.5. Münster – Gleis 22 Geknipst von: Gilbert Tjormann

Zum Schreien traurig: Unser letztes Konzert von Pale im Gleis. Von links: Sebastian, Holger, Ina.

Vicky 11.4. Isafjördur, Island Peter Pan Speedrock 10.6. Emsdetten - Plattendeck Geknipst von: Lennbardo

Rotzig, Roh, Rock´n´Roll... einfach eine LiveGranate.

Geknipst von: Herfried

Hallo! Hier ein Foto von einem der ungewöhnlichsten und abgelegensten Festivals der Welt: „Aldrei For Eg Sudur“ in Isafjördur, Island. Die Band heißt Vicky, eigentlich eine reine Girl-Band, auf dem Foto mit Gastsänger.

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PRÄSENTIERT

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Präsentiert TOUR DES MONATS. CJ RAMONE & BAND 13 Jahre nachdem CJ Ramone letztmalig mit seinen „Brüdern“ Johnny, Joey und Marky durch Deutschland tourte, meldet sich der Mann am Bass nun zurück. Verstärkt durch seine Mitstreiter Brant Björk (Ex-Kyuss) am Schlagzeug und dem langjährigen Ramones-Produzenten Daniel Rey an der Gitarre wird CJ in erster Linie Ramones-Songs zum Besten geben, darunter natürlich Klassiker wie „Rockaway Beach“ und „Blitzkrieg Bop“, aber auch obskure und selten live gehörte Stücke wie „Sitting In My Room“ oder „It’s A Long Way Back To Germany“. CJ, der 1989 das Gründungsmitglied Dee Dee Ramone am Bass ersetzte, wird neben einigen Konzerten im Vorprogramm der Toten Hosen sowie einem Auftritt beim Area 4-Festival in erster Linie Clubshows spielen, was der Atmosphäre besonders zuträglich sein dürfte. Natürlich wird die Rückkehr des Ramones-Bassisten würdig gefeiert. So umranken das Konzert in Berlin diverse Specials, darunter eine Ausstellung mit Ramones-Memorabilia aus CJs Privatbesitz, eine Dia-Show mit bisher unveröffentlichten Ramones-Fotos sowie ein Meet & Greet im Ramones Museum, bei dem die Fans Gelegenheit haben, sich Andenken signieren zu lassen oder ein Erinnerungsfoto mit einem „echten“ Ramone zu knipsen. Hier die Details:

CJ RAMONE & BAND 12.8. Übersee/Chiemsee - Open Air *** 19.8. Wiesbaden - Schlachthof *** 23.8. Stuttgart - 1210 *** 25.8. Augsburg - Musikkantine *** 26.8. Leipzig - Werk II *** 27.8. Berlin - Festsaal Kreuzberg (Memorabilia Show) *** 28.8. Berlin, 13.00 Uhr - Ramones Museum *** 28.8. Berlin, 17.00 Uhr - Waldbühne (mit DTH) *** 29.8. Losheim - Strandbad (mit DTH)

Mit einer E-Mail an verlosung@sallys.net habt ihr die Möglichkeit, für sämtliche von uns präsentierten Shows den ein oder anderen Gästelistenplatz zu ergattern. Bitte schreibt den Namen eurer Wunschkonzert-Combo in den „Betreff“ und gebt eure Adresse an! 3 Feet Smaller & Templeton Pek

18.10. Nürnberg – Cult 19.10. Hannover - Bei Chez Heinz 20.10. Hamburg - Logo 21.10. Berlin - Knaack 22.10. Stuttgart - Club Zentral 23.10. Freiburg - Waldsee 24.10. Kelten - Mehrzweckhalle Dietlingen

5 Bugs

19.09. Hannover - Musikzentrum 29.09. Dortmund - FZW 30.09. Düsseldorf - Stone im Ratinger Hof 01.10. Köln - Underground 02.10. Paderborn - Multikulti 03.10. Bremen - Tower 05.10. Frankfurt/M. - Nachtleben 06.10. Weimar - Schützengasse 07.10. Hamburg - Logo 08.10. Kassel - Spot 09.10. Osnabrück - Kleine Freiheit 10.10. Berlin - Kesselhaus

03.10. Dresden - Beatpol 08.10. Flensburg - Maxx 09.10. Hamburg - Uebel & Gefährlich 10.10. Einbeck - Eulenfest 13.10. Saarbrücken - Kleine Garage 14.10. Fulda - Kulturkeller 15.10. Halle - 1. Semesterparty@Volkspark 16.10. Potsdam - Waschhaus 17.10. Cottbus - Bebel 21.10. Darmstadt - Centralstation 22.10. Recklinghausen - Vest Arena 23.10. Münster - Triptychon 24.10. Bremen - Lagerhaus 28.10. Lüneburg - Vamos! Kulturhalle 29.10. Osnabrück - Kleine Freiheit 30.10. Braunschweig - Meier Music Hall 31.10. Wuppertal - Live Club Barmen 04.11. München - 59 to 1 05.11. Freiburg - Waldsee 06.11. Tübingen - Sudhaus 07.11. Passau - ProLi

The Cinematics

Bouncing Souls

23.09. Köln - Luxor 24.09. München - Atomic Cafe

Dúné

28.06.Lindau- Club Vaudevielle 01.07. Schweinfurt - Alter Stattbahnhof 02.07. Stuttgart - Universum

Bosse

26.09. Paderborn - Cube 01.10. Aachen - Musikbunker 02.10. Erfurt - HSD

13.10. Köln - Luxor 14.10. Hannover - Musikzentrum 16.10. Berlin - Lido 17.10. Hamburg - Grünspan

Mikroboy

03.07. Erlangen - E-Werk 04.07. Düsseldorf - Zakk 28.08. Berlin - Frannz 29.08. Kaiserslautern – Kammgarn 04.09. Duisburg - Steinbruch 22.10. Wiesbaden - Schlachthof 23.10. Ludwigshafen – Das Haus 24.10. Trier – Ex-Haus 25.10. Stuttgart - Universum 26.10. München – 50 to 1 27.10. Halle – Objekt 5

05.11. Köln - Stollwerck 25.11. Hamburg - Fabrik 26.11. Bielefeld - Kamp 27.11. Bremen - Lagerhaus 28.11. Hannover - Faust 30.11. Münster - Sputnikhalle 01.12. Düsseldorf - Zakk 03.12. Frankfurt - Batschkapp 07.12. Freiburg - Jazzhaus 08.12. Pforzheim - Kupferdächle 10.12. Dortmund - FZW 11.12. Osnabrück - Kleine Freiheit 13.12. Flensburg - Volksbad 19.12. Berlin - Astra

Peter Fox

15.08. Dresden - Elbufer 25.08. Berlin - Wuhlheide 26.08. Berlin - Wuhlheide

EVENTS David Schumann – Lesung The Tokyo Diaries 10.09. Augsburg - Ostwerk 11.09. München - Ampere 25.09. Braunschweig - Cafe Riptide 06.10. Leipzig - Moritzbastei 07.10. Oberhausen - Druckluft 08.10. Nürnberg - MuZ Club 09.10. Wiesbaden - Kulturpalast 14.10. Köln - Die Werkstatt 15.10. Osnabrück - Lagerhalle 16.10. Berlin - 101@Admiralspalast

Ohrbooten

10.10. Weinheim - Café Central 18.10. Stuttgart - Wagenhallen 21.10. Karlsruhe - Substage 28.10. Dresden - Beatpol

T-Mobile EXtreme Playgrounds mit Rise Against und Mad Caddies 30.08. Pinneberg - Wasserskiarena


Im Tourbus mit:

RIVERBOAT GAMBLERS

Nach ihrer erfolgreich absolvierten Tour mit Rancid und Rise Against durch amerikanische Megahallen freuen sich die sagenhaften Riverboat Gamblers nun auf ihre Clubtour in Europa. Frontmann Mike Wiebe hat seine Hausaufgaben schon gemacht: Mike, lernt ihr denn schon wie besessen Fremdsprachen für euren Trip nach Europa? Schließlich gilt es, Straßenschilder oder Speisekarten richtig deuten zu können. Nicht wirklich. Wir lernen nur das Nötigste, also den Satz: „Wo steht das Bier?“ Darüber hinaus achte ich penibel darauf, nichts über unsere Reiseroute zu wissen oder mich auf Eventualitäten einzustellen. Das würde der Sache nur den Wind aus den Segeln nehmen. Ich mag es, geschockt zu werden. Ihr wisst sicher, dass wir in Europa weniger Platz auf den Parkplätzen und kleinere Vehikel haben. Habt ihr denn einen Einparkprofi dabei? Unser Gitarrist Fadi ist der Einparkweltmeister. Sogar mit Anhänger kommt der in jede Lücke, was ich extrem beneide. Ich kurbel mir dabei immer einen Wolf, denn man muss das Steuer entgegengesetzt zur Parkrichtung einschlagen. Das ist irgendwie zu kompliziert für mein Hirn. Übrigens: Hierzulande muss man eine Menge Leute bestechen, um sicher über Grenzen und Brücken zu kommen. Was habt ihr als „Mitbringsel“ dabei? Echt? Wir sind so pleite, dass Geld nicht in Frage kommt. Ich würde versuchen, die Beamten mit der Aussicht auf großes Selbstverstümmelungskino zu bestechen: Ich lasse mich einfach so lange Buster Keaton-mäßig auf den Asphalt fallen, bis es heftig blutet. Dann lassen die uns schon aus Mitleid passieren. Welches Souvenir werdet ihr mit ins heimische Texas nehmen? Ihr habt ganz geilen Absinth in Europa. Davon würde ich mir ein paar Flaschen einpacken. Oder Mineralwasser, das findet man in Amerika nur schwer. Auch schön ist der europäischen Second Hand-Chic, Krawatten und Sechzigerjahre-Anzüge und so. Letzte Frage: Freut ihr euch mehr auf die blassen Britinnen oder die rassigen Südeuropäerinnen? Solange mich die Frauen schlecht behandeln, ist mir egal, woher sie kommen. Text: Florian Hayler Heimat: riverboatgamblers.com Auch gut: “Underneath The Owl – das neue Album der Riverboat Gamblers

Riverboat Gamblers auf Tour 17.8. Essen – Fear & Fury Festival *** 18.8. München – 59 to 1 *** 21.8. Stuttgart – Zwölfzehn *** 22.8. Hohenfelden – Highfield Festival ***23.8. Berlin (nachmittags) – Ramones Museum (Akustik-Set) *** 23.8. Berlin (abends) – Tommy Weissbecker Haus *** 25.8. Hamburg – Molotow


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MIX

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ken: Am Wochenende wächst sich die Straße zu einer einzigen Party-Fußgängerzone aus. Wenn man die warme Jahreszeit erwischt, ist es auch durchgehend hell, bis um sechs die Lichter in den Locations ausgehen.

amiina, Kippi & Maggi

Und davon gibt es auf der Insel, wo gefühlt jeder zweite Bewohner in einer Band spielt, nicht wenige. Etwa das Sodoma, in dessen Herrentoilette sich stille Kapitalismuskritik äußern lässt: Gesichter von Managern, die das Land in den Ruin getrieben haben, sind in die Pissoirs geklebt. Zur Stärkung zwischendurch: ein Hotdog, Marke „SS“. Dann weiter ins Kaffibarinn, eine Bar mit Tanzpotenzial, an der Blur-Sänger Damon Albarn seit längerem Anteilseigner ist. Zwei Ecken weiter stapelt es sich im Karamba, wo sich ein paar Bands zum spontanen Sonntagabend-Gratis-Gig zusammengefunden haben. „Wir haben Party-Zeit“, verkündet FM Belfast-Sänger Árni Vilhjálmsson auf deutsch, der einem kurz zuvor noch ein Bier ausgeschenkt hat. „3,67 Euro “, sagt die Kreditkartenabrechnung später. Dank Kursverfall haben sich die Bierpreise unserem Niveau angenähert, ein Argument für das heimische „Viking“ (FAZ: „wie angezapfter Gletscher“) ist das dennoch kaum.

Living Room Concerts 22. – 25. Mai, Reykjavik Arts Festival

Die Finanzkrise hat Island letztes Jahr mächtig durchgeschüttelt. Doch das kreative Völkchen lässt sich wenig anmerken und exportiert seine fabelhaften Bands zu uns; nämlich mit einer Reihe von Gigs des „Nordrid - Iceland Express Musik Klub“. Philipp Kohl hat sich auf der Insel mal umgesehen. „Welcome to half-price country“ lockte auf dem Tiefpunkt des Kronenkurses ein Schild am Flughafen von Reykjavík. So kaputt wollte sich dann doch keiner fühlen. Man hat das Schild in die

Raucherlounge gestellt. Es geht irgendwie weiter in Reykjavík. Ein paar Läden auf der niedlichen Haupteinkaufsstraße Laugavegi stehen leer, aber die feiernde Gesellschaft lässt sich wenig anmer-

Es geht auch ohne Schweiß: Bei den „Living Room Concerts“ während des Reykjavík Art Festivals (Ende Mai) werden Wohnzimmer zur Bühne. Amiina zum Beispiel spielen auf ihren zauberhaften Gegenständen (Glockenspiel, Gläser, singende Säge), die Zuschauer sind gebannt. Das Tolle ist: Island kommt zu uns geschwebt, mit dem Programm des „Nordrid - Iceland Musik Express Klub“. Im Oktober unter anderem mit dem Elektro-Projekt Gus Gus, im November gibt sich MultiinstrumentalBarde Ólafur Arnalds die Ehre. Konzertdaten gibt‘s bald auf: www.myspace.com/nordrid oder auch: http://icelandmusic.is

Am 11. Juli wird unter anderem der Volkswagen Sound Foundation Newcomer F.R. aus Braunschweig, der momentan als Pate von den alten HipHop-Hasen Die Fantastischen Vier unter die Fittiche genommen wurde, zum gemeinschaftlichen Hüftschwung aufspielen.

Siri Svegler

Am 18. Juli dürfen dann alle Festivalbesucher neben diversen Pop-Kapellen der Volkswagen Sound Foundation auch Newcomerin Siri Svegler - eine zarte PopPerle mit liebreizender Jazz-Affinität - begrüßen. F.R.

Am 1. August mietet sich dann Gevatter Rock zum großen Finale im Allerpark ein und wird die Sound Foundation Talents The Wedges aus Oberhausen, The Dots aus Dresden sowie die Sound Foundation Family Band Yeahbutnow! aus Oberhausen mitbringen.

Sommerplanung bei der Volkswagen Sound Foundation Music Festival Days

Drei Tage wach - beziehungsweise drei Samstage unter freiem Himmel bei den Music Festival Days in Wolfsburg. Die Volkswagen Sound Foundation entsendet ihre musikalischen Talente in die Plaza im Allerpark, um bei (hoffentlich) Sonnenschein und ohne Eintrittskosten ihre Ziehkinder aus den Bereichen Pop, Rock und HipHop zu präsentieren.

Veranstalter ist die Wolfsburg AG. Der Veranstaltungspartner „Hallenbad - Kultur im Schachtweg“ ruft gemäß dem Motto „Musik braucht Raum“ zu Spenden auf, um den Ausbau von notwendigen Proberäumen vorzunehmen. Finden wir gut! Alle weiteren Infos zu den Bands unter: volkswagen-soundfoundation.de

Die Volkswagen Sound Foundation bei den Music Festival Days Wann 11.7., 18.7. und 1.8. Wo: Plaza im Allerpark in Wolfsburg. Einlass: 18.00 Uhr, Beginn 19.00 Uhr Der Eintritt für alle Veranstaltungen ist frei.


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SPORT

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Footbag World Championships

Rise Against

Kick it!

Sowohl beim Doppelnetz („Ball über die Schnur/ Netz“) als auch beim Freestyle („Ich halte den Ball ohne Hände so in der Luft, dass andere es nicht nachvollziehen können, wie ich es gemacht habe“) kann sich unser Ball-verrücktes Land mit dem Weltmeistertitel schmücken. Ob es auch in Zukunft so sein wird, könnt ihr euch bei den 30. World Footbag Championships im Juli in Berlin anschauen. Über 350 Teilnehmer aus 25 Nationen tricksen, schmettern und feiern mit dem kleinen Ball. Unser Tipp: Hingehen, zuschauen, Spaß haben und den Jungs mit den großen Bällen danach zeigen, wie es geht.

Mad Caddies

Foto: Claudio Farkasch

T-Mobile Extreme Playgrounds Summersession Mit Rise Against und Fruit Loops

Wenn Jungs machen dürfen was sie wollen, lassen sie am liebsten die Sau raus. Wenn sie sich dann auch noch sicher sein können, dass sie dabei von hübschen Mädels angehimmelt und gefeiert werden, klingt das nach einem ziemlich perfekten Tag. Einen solchen haben 26 Extremsportler Ende August nordwestlich von Hamburg vor sich. Aus Großbritannien, Holland, den USA, Australien und Deutschland treffen die besten Wakeboarder und BMX-Miniramp-Artisten in Hamburg ein, um sich gegenseitig mit Bugwellen und Fahrradöl zu bespritzen. Die Wakeboarder haben dabei die größte Fahrt schon hinter sich gebracht. Über vier Kontinente sind sie während der laufenden „WWA Wake Park World Series“ bereits gereist, um auf der Wakeboard-Anlage in Pinneberg das Finale zu begehen. Man könnte an dieser Stelle viel Platz darauf verwenden, Tricks wie „Dum Dum 540“, „Fruit Loop“, „Half-Cab Double Back Roll Mobe“ oder „Discombobulator“ zu erklären, aber zum einen ist es schlicht unmöglich, dem Wahnsinn solcher Bewegungen mit Buchstaben auch nur ansatzweise gerecht zu werden, und zum anderen soll nicht unterschlagen werden, dass zu jedem anständigem Sportevent auch die richtige musikalische Untermalung gehört. Da

es hier nicht um eine Meisterschaft im Hallen-Murmeln geht, haben die Veranstalter sich nicht lumpen lassen und die LAUTEN Jungs zum spielen eingeladen. Aus dem sonnigen Kalifornien kommen die Ska-Punks von den Mad Caddies nach Pinneberg. Mit im Gepäck: das aktuelle Album „Keep It Going“, mit dem sie zur zit quer durch Europa touren. Headliner bei der T-Mobile Extreme Playgrounds Summersession werden die Chicagoer Rise Against sein. Zum zehnjährigen Bandjubiläum werden sie live wieder einmal zeigen, dass sie auch ohne Brett oder Bike den Sportlern im körperlichen Einsatz in nichts nachstehen.

Footbag World Championships 19. bis 25.7. Berlin – Arena Berlin Live: Ricoloop & Berlin Boom Orchestra

La Bumm - Die Fehde Immer mitten in die Fresse rein

Was machen eigentlich Kinder der Achtziger, die in den letzten 30 Jahren gefühlte 200 Mal Rocky vs. Ivan Drago gesehen haben, und deshalb nicht verstehen können, warum es fünf große Boxverbände gibt, in denen keiner Mister T. in den vorderen Rängen verzeichnet ist? Richtig, sie gründen ihren eigenen Verband. In diesem Falle den IRBF (International Raging Bull Federation). Bei der ersten „professionellen Laienboxliga“ geht es vielleicht nicht immer ganz ernst zur Sache, aber weh tut es den Kämpfern trotzdem. Da sich bei der NOTRB (Night Of The Raging Bulls) nicht irgendwelche wildfremden Boxer gegenüberstehen sollen, sondern im besten Fall Freund und Ex-Freund, Schüler und Ex-Lehrer geht es entsprechend lustig und mit Augenzwinkern zur Sache. Wir erwarten mit Spannung La Bumm - Die Fehde.

T-Mobile Extreme Playgrounds 30.8. Hamburg. Wasserskiarena Pinneberg Live: Rise Against & Mad Caddies VVK: 23 Euro zzgl. Gebühren Infos: t-mobile-playgrounds.de

La Bumm - Die Fehde 22.8. Köln – Gloria La Bumm 2 – Die Fehde geht weiter 28.8. Düsseldorf – Ambis Club (Ex-Tor 3)


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QUICKIES

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QUICKIES

Alles nur gekauft Nivea Sun

Spaßbremse war gestern

In der Euphorie der Sommerlaune geht der Matschwetter geplagte Mitteleuropäer gern zu schnell zu weit. Krebsrot und sonnenverbrannt droht dann am nächsten Tag schon das Spaß-Aus im Schatten. Doch keine Angst. Mit der neuen Light Feeling Sun Lotion und dem transparenten Spray von Nivea Sun wird niemand mehr zum Grottenolm. Die Produkte bieten zuverlässigen Schutz vor der Sonne und werden euch und eure Eincremepartner nicht mit störenden Fettfilmen auf Haut und Badekleidung belästigen. Wer selbst Hand anlegen möchte, der begebe sich doch bitte auf sallys.net, wo wir gemeinsam mit Nivea Sun drei Sets bestehend aus diesen beiden hübschen Flaschen verlosen. nivea.de Foto: Nivea Sun

5 Gum

Knusper, knusper Kaugummi

So, Kinder. Hier könnt ihr mal wieder was von der alten Tante lernen: Ein Lifestyle-Kaugummi ist ein Kaugummi mit Spezialeffekten – so wie der neue 5 Gum von Wrigley. Es gibt ihn jetzt in den zwei zuckerfreien Sorten „Electro“ und „Pulse“. Die „Electro“-Variante schmeckt nach grüner Minze und prickelt auf der Zunge, „Pulse“ hingegen hat einen tropisch-fruchtigen Geschmack und knuspert beim Kauen. Klingt abgefahren? Ist es auch. Wer probieren möchte, erhält im Laden für 1,49 Euro eine schicke Packung 5 Gum mit zwölf Kaugummistreifen. Und wer ein Bonuspaket gewinnen will, ist auf sallys.net ganz richtig. Hier verlosen wir Lautsprecher-Boxen von 5 Gum natürlich zusammen mit den Kaugummis.

Bonaqa Fruits

So exotisch kann Wasser sein

Im Duo stärker: Bonaqa Fruits gibt es jetzt in zwei neuen, doppelt fruchtigen Geschmacksrichtungen. So unexotisch Wasser als solches ist, so exotisch sind die Bonaqa Fruits-Neukreationen Pfirsich-Maracuja und Zitrone-Passionsfrucht, die zum optimalen Durstlöscher für gesundheitsbewusste Wasserfans werden. Denn das mit Fruchtsaft und natürlichen Aromen angereicherte Wasser bringt es auf nicht mehr als 16 Kalorien pro 100 Milliliter. Bei dieser minimalen Gefahr für die gute Figur könnt ihr euch demnächst ruhig weniger bewegen. Dafür verlosen wir auf sallys.net einen eScooter (im Wert von 519 Euro), mit dem sich bald einer von euch entspannt von A, nach B, C, D usw. chauffieren kann.

wrigley.de

bonaqa.de

AXE Hot Fever

Der „Muchas Maracas“-Effekt

Mütter sperrt die Töchter weg. Mit dem neuen AXE Hot Fever schütteln die Jungs nur ein paar mal mit der Flasche und die Mädels sofort ihre Hüften. Der Fachmann nennt das Phänomen „Muchas Maracas“, und wer es selbst erleben möchte, braucht nur eine frische Dusche mit dem stimulierenden Shower Gel Hot Fever, das mit Extrakten aus der glutheißen brasilianischen Erde und dem Aroma der roten Drachenfrucht angemischt worden ist, um eure Partynächte schwülwarm und extrem lang werden zu lassen. Wer auch an der Bushaltestelle noch tanzen will, für den gibt es jetzt: das AXE Hot Fever Duschgel entweder solo (unverbindliche Preisempfehlung 2,99 Euro) oder im Team mit den pfiffigen, aufblasbaren Maracas (5,99 Euro) sowie als Bodyspray (3,99 Euro) im Handel. Doch Achtung: Auch gestandene Männer sollten bei der Verwendung Vorsicht walten lassen. Man munkelt, Hot Fever provoziere sogar die bravsten Mädels zu hemmungslosen Taten... Wer genau das ausprobieren möchte, der kann auf sallys.net, zwei Pool-Party-Sets, bestehend aus einem Pool (für zwei), zwei Super Soaker und natürlich das AXE Hot Fever Duschgel und Bodyspray gewinnen. Wir wünschen mucha suerte! Ob ihr für „Muchas Maracas“ bereit seid, erfahrt ihr ab 1. Juli unter axe.de



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KINO

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Gucken Tatort: Penélope Cruz und Lluis Homar.

Zerrissene Umarmungen

Die Leidenschaft fürs Kino – und für Penélope Verglichen mit seinem letzten Film, der heißblütigen Familiengeschichte „Volver“, wirkt „Zerrissene Umarmungen“, der neue Film des spanischen Ausnahme-Regisseurs Pedro Almodóvar, fast ein wenig kühl. Nicht dass die Emotionen keine Rolle spielen würden in der Geschichte über einen erblindeten Drehbuchautor und Ex-Regisseur (Lluis Homar), der durch das Auftauchen eines mysteriösen Fremden noch einmal mit der unheilvollen Arbeit an seinem letzten Werk und vor allem der großen, tragisch geendeten Liebe zu seiner Hauptdarstellerin Lena (Penélope Cruz) konfrontiert wird. Aber die Leidenschaft, um die es hier geht, ist weniger die zwischen den Protagonisten, als die fürs Kino allgemein, was Almodóvar in zahllosen Film noirund Louis Malle-Referenzen, kunstvoll konstruierten Rückblenden und Film-in-Film-Sequenzen und theoretischen Überlegungen zum Verhältnis von Film und Realität auslebt. Selbst die schrille Künstlichkeit seines eigenen Frühwerks zitiert Almodóvar. Langweilig ist das keinen Moment lang, und selbst ein unterkühlter Film von ihm hat mehr Eleganz, tragischen Witz und Originalität als die meisten Arbeiten seiner Kollegen. Zumal „Zerrissene Umarmungen“ natürlich einmal mehr auch eine Liebeserklärung an die wunderbare Penélope Cruz ist, die ihren wohl verdienten Oscar zwar für Woody Allens „Vicky Cristina Barcelona“ gewonnen hat, aber immer noch am vielseitigsten – und schönsten – ist, wenn sie die Muse ihres besten Freundes Almodóvar sein darf. Text: Patrick Heidmann Kinostart: 6. August 2009

Sex am Filmset wäre ein Debakel! Pedro Almodóvar im Interview

Fast 30 Jahre liegt sein erster Spielfilm „Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón“ zurück, doch bis heute gehört Pedro Almodóvar zu den kreativsten, vielseitigsten und frischesten Regisseuren der Welt. Nach „Volver“ meldet sich der spanische OscarGewinner (für „Sprich mit ihr“) nun mit seinem 17. Film „Zerrissene Umarmungen“ zurück – und stand während der Filmfestspiele in Cannes Rede und Antwort. Zur Abwechslung steht in „Zerrissene Umarmungen“ mal wieder ein Mann im Zentrum des Geschehens. Eine bewusste Entscheidung? Nicht wirklich, denn ich dachte erst darüber nach, als die erste Drehbuchfassung fertig war. In der Tat spielen dieses Mal die Männer wieder eine größere Rolle; letztlich herrscht ja sogar ein Gleichgewicht der Geschlechter. Aber das liegt schlicht und einfach an der Geschichte, die mir dieses Mal in den Sinn kam. Derzeit arbeite ich an vier verschiedenen Drehbüchern, von denen sich nur eines ausschließlich den Frauen widmet. Es ist also tatsächlich etwas dran, dass ich mittlerweile mehr als früher das Männliche und das Weibliche gleichermaßen zum Zuge kommen lasse. Aber das ist nichts, was ich bewusst forciere. Der Protagonist Ihres Films ist ein Regisseur. Erkennen Sie sich in ihm wieder? Ein wenig von mir steckt sicher in ihm. Ich bin nun ein-

mal Regisseur, da lag es nahe, mich selbst als Referenz zu benutzen. Aber natürlich habe ich nicht eins zu eins meine Persönlichkeit in das Drehbuch übertragen. Eher Äußerlichkeiten, wie etwa meine Klamotten aus den Neunzigerjahren, die nun Mateo Blanco in den Rückblenden trägt. Und wenn er in der anderen Zeitebene den Namen Harry Caine benutzt, hat das auch einen Bezug zu mir, denn eine Weile habe ich das selbst als Pseudonym verwendet, weil mir der Name Almodóvar zum Hals raus hing. Ach, und meine DVD-Sammlung ist im Film auch zu sehen, in Mateos Wohnzimmer. Ihre Filme handeln fast immer von Emotionen, von der Liebe, der Leidenschaft, Angst oder Trauer... Das ist nun einmal, was uns ausmacht. Und was könnte es für ein besseres Quellmaterial für die Fiktion geben als die Natur des Menschen?! Vor allem natürlich deren Fehler und Makel! Ich lege Wert darauf, dass ich Filme für ein erwachsenes Publikum drehe.


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Dass die großen Filmstudios, vor allem in Hollywood, fast ausschließlich für junge – oder zumindest kindische – Männer produzieren, finde ich entsetzlich. Der Regisseur in „Zerrissene Umarmungen“ verliebt sich in seine Hauptdarstellerin. Ist so etwas im echten Leben für einen Film ein Glücksfall oder ein Debakel? So eine Beziehung kann für einen Film eine Bereicherung sein, genauso gut aber auch eine Katastrophe. Es gab immer tolle Regisseure, die Beziehungen mit ihren Schauspielerinnen hatten, Ingmar Bergmann etwa, Josef von Sternberg mit Marlene Dietrich, John Cassavetes mit Gena Rowlands oder Woody Allen mit praktisch jeder seiner Darstellerinnen. In diesen Fällen profitierte die Arbeit von der Liebe, oft wurde sogar die Beziehung zum Thema des Films. Aber für mich persönlich wäre das ein Debakel. Ich würde mich nicht wohl fühlen, wenn ich morgens ans Set käme und mit jemandem arbeiten müsste, mit dem ich geschlafen habe. Wobei wir hier eben nur von Sex reden. Liebe und Sinnlichkeit bringe ich meinen Schauspielern immer entgegen. Ihre Leidenschaft für Penélope Cruz ist in der Tat nicht zu sehen. Wie würden Sie Ihr Verhältnis beschreiben? Die Chemie zwischen zwei Menschen ist immer ein Rätsel, nicht nur in meinem Beruf. Was genau zwischen Penélope und mir passiert, kann ich daher gar nicht beschreiben. Aber man spürt sofort, dass etwas passiert. Was ein Segen ist, denn unsere Arbeit gewinnt eindeutig dadurch, dass wir uns so nahe sind. Was macht die Arbeit mit ihr so besonders? Penélope hat einfach einige Eigenschaften, die ich in einer Schauspielerin suche und brauche. Sie ist

Dienst ist Dienst: Pedro Almodóvar geht lieber auf körperliche Distanz zu seinen Schauspielerinnen.

keine technische Schauspielerin; man sieht ihr nie an, dass sie spielt, denn es kommt alles aus ihrem Gefühl heraus. Außerdem hat sie eine große Zerbrechlichkeit, die eine ganz wunderbare Wirkung entfaltet, gerade wenn sie starke Frauen spielt. Ist Penélope die einzige, die Sie schon beim Schreiben eines Drehbuches im Kopf haben? Es gab immer Phasen in meiner Karriere, die sehr durch die Schauspieler geprägt waren, mit denen ich

gearbeitet habe. Aber in all diesen Abschnitten gab es eigentlich immer höchstens einen Film, den ich explizit für einen von ihnen geschrieben habe. Bei Penélope war das „Volver“ – auch wenn die erste Drehbuchfassung schon so lange zurückliegt, dass ich sie damals noch für die Rolle der Tochter im Sinn hatte. In der Regel kommen mir aber potentielle Darsteller erst in den Kopf, wenn das Skript so gut wie fertig ist. Interview: Patrick Heidmann


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Das Haus der Dämonen Auf ins nächste Gruselhaus

„Nach einer wahren Begebenheit“ ist als Aufhänger klasse für einen GruselSchocker. Schließlich heißt das ja, dass an der Geschichte irgendetwas dran sein muss – was im Idealfall den Gänsehautfaktor steigert. Es sei denn, man hält so etwas für geschmackloses Marketing. „Das Haus der Dämonen“ beruht jedenfalls auf Ereignissen, die sich in den Achtzigerjahren in den USA zugetragen haben sollen: Der junge Matt Campbell (Kyle Gallner) hat Krebs und muss sich einer kostspieligen neuartigen Therapie unterziehen. Deshalb sucht die Familie nach einer Bleibe in der Nähe des Krankenhauses. Das Geld ist knapp und so entscheidet sich Matts fürsorgliche Mutter (Virginia Madsen) für ein heruntergekommenes Haus, das sonst niemand haben will, weil es „a bit of a history“ hat, wie es heißt. Das neue Heim der Familie war mal ein Leichenschauhaus. Und wenn’s da nicht spukt, wo dann?!

alt, aber verlässlich. Regie-Newcomer Peter Cornwell macht daraus keinen Hehl und bemüht sich gar nicht um Originalität. Stoisch setzt er einen Schockmoment an den anderen und klaut so unverblümt, dass man mit Wohlwollen fast von ironischen Zitaten sprechen könnte. Immerhin aber ist der Versuch zu erkennen, Atmosphäre zu schaffen. Zum Teil gelingen verstörende Bilder und die Darsteller überzeugen ebenfalls. Die zugrunde liegende „wahre Begebenheit“ darf allerdings bezweifelt werden. Schon die Buchvorlage zweier selbsternannter Geisterjäger, die bereits mit dem berüchtigten „Amityville Horror“ zu tun hatten, sah sich entsprechender Kritik ausgesetzt.

Wer jetzt denkt, dass so etwas schon tausendmal da war, hat Recht. Das „Haunted House“-Szenario ist ur-

Text: Peter Meisterhans Kinostart: 2. Juli 2009

Mitte Ende August Eine Sommerliebe

Frei nach Goethes „Wahlverwandschaften“ erzählt Regisseur und Schauspieler Sebastian Schipper („Absolute Giganten“) in seinem dritten Film die Geschichte von Thomas (Milan Peschel) und Hanna (Marie Bäumer). Das ungleiche Paar hat sich ein altes Haus auf dem Land gekauft. Schon während sie renovieren, wird ihre traute Zweisamkeit auf die Probe gestellt. Zudem kommt Besuch – und die scheinbar glückliche Beziehung gerät gewaltig ins Wanken. Hannas Patenkind Augustine, großartig verkörpert von Anna Brüggemann („Kleinruppin Forever“) und Thomas’ depressiver Bruder Friedrich, gespielt von André Hennicke („Jerichow“), mieten sich bei den beiden ein. Nachdem sie eine der zwei großen Tannen vor dem Haus gefällt haben, ist das nicht nur das Ende für das traute Nadelbaumpaar. Das „Bäumchen, wechsel dich“-Spiel beginnt. Betrug, Verrat, Nähe und Distanz wechseln einander ab – und die Verwirrung der Gefühle scheint geradewegs in die Katastrophe zu laufen.

Dabei überzeugt „Mitte Ende August“ vor allem dann, wenn nicht viel passiert. Wenn ein Blick auf zwei verlassene Teetassen in Friedrichs Zimmer Thomas eine betrogene Nacht erahnen lässt – dann ist jeder ganz nah dran. Doch wenn Hannas Vater mit seiner russischen Blondine anrauscht, oder Milan Peschel („Netto“) seine Rolle als buhlender Gockel manchmal zu sehr übertreibt, ist das eigentlich für die Geschichte nicht nötig. Dennoch überzeugt Schipper durch empfindsame Beobachtungen und sein feines Gespür für die Irrungen und Wirrungen der Protagonisten. Ein gelungener Film über eine Sommerliebe – und genau richtig für den August. Text: Karola Kostede Kinostart: 30. Juli 2009

Tropa de Elite

Nur die Harten kommen in den Garten

Endlich schafft es der Berlinale-Gewinner 2008 auch bei uns auf die Leinwand! Ausgangspunkt der Handlung ist der bevorstehende Besuch von Papst Johannes Paul II. in Rio de Janeiro 1997. Der von seinem nervenaufreibenden Job ausgebrannte Capitão Nascimento (Wagner Moura) ist auf der Suche nach einem würdigen Nachfolger. Als Hauptmann des BOPE, einer mit äußerster Brutalität agierenden Spezialeinheit der Militärpolizei, deren Hauptaufgabe im urbanen Kampf gegen die schwer bewaffneten Drogenbanden besteht, unterliegt Nascimento auch die Ausbildung neuer Rekruten. Aktuell ist sein Kommando damit beauftragt, vor dem Papstbesuch in der an das Haus des Bischofs angrenzenden Favela für Ruhe zu sorgen – mit allen Mitteln. Meisterhaft gelingt es Regisseur José Padilha den Teufelskreis aus Korruption und Gewalt zu beschreiben, der in Brasilien sämtliche gesellschaftlichen Bereiche und Schichten durchsetzt. So verfolgen wir neben den mordenden Polizeitrupps auch eine Gruppe wohlmeinender, aber blauäugiger Studenten aus

der Mittelschicht. Diese wollen nicht verstehen, dass ihr eigener ausschweifender Lebensstil und Drogenkonsum in direktem Zusammenhang mit der Gewalt steht, der sie durch ihr NGO-Projekt in der Favela eigentlich entgegenzusteuern versuchen. Durch die Prämisse des Films, immer so schmerzhaft nah wie möglich am Geschehen zu sein, ohne dabei eine eindeutige Position zu beziehen, erhält man als Zuschauer einen umfassenden und gleichzeitig Schwindel erregenden Einblick in die von Bestechung und Gewalt unterwanderte brasilianische Großstadtgesellschaft. Text: Lasse Holler Kinostart: 6. August 2009


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ein glückliches Paar und wollen heiraten. Also steht zuvor ein Besuch bei Saras Eltern an: Ihr Vater Antonio (Lino Banfi) ist Italiener, ihr Mutter Ursula (Maren Kroymann) Deutsche. Und Antonio ist von der Vorstellung, seine Schnucke, wie er Sara liebevoll nennt, einem anderen Mann im Allgemeinen und dem etwas unbeholfenen Jan im Besonderen anzuvertrauen, alles andere als begeistert. Auch Jan findet keinen rechten Draht zu seinem Schwiegervater in spe und hält entsprechend wenig von der Idee, dass die Hochzeit ausgerechnet in Antonios italienischem Heimatdorf stattfinden soll. Doch gegen diesen Herzenswunsch von Antonio, dem sich auch Sara anschließt, aufzubegehren, wagt er nicht, und so macht sich eine Autokarawane über die Alpen ins süditalienische Campobello auf, wo ein paar Tage später pünktlich zum Hochzeitsfest auch Jans italienliebende Eltern erwartet werden.

Maria, ihm schmeckt’s nicht! Italienisch für Anfänger

Man hätte diesen Stoff auch komplett gegen die Wand fahren können. Zum Beispiel, indem man auf Teufel komm raus und mit Christian Ulmen als blödelndem Zugpferd keine Chance ausgelassen hätte, aus dem Aufeinandertreffen zwischen italienischer und deutscher Mentalität billiges Komikkapital zu schlagen. Doch darauf haben die Macher dieser Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers glücklicherweise verzichtet. Das mag zum einen daran liegen, dass Romanautor Jan Weiler selbst am Drehbuch beteiligt war, zum anderen daran, dass mit Neele Leana Vollmar eine Regisseurin am Werk war, die mit dem Haudrauf-Humor vieler Kollegen herzlich

wenig anfangen kann, wie sie mit ihrer bezaubernden Debütkomödie „Urlaub vom Leben“ bereits bewiesen hat. Äußerst spritzig bringt sie die Geschichte von Sara (Mina Tander) und Jan (Christian Ulmen) auf die große Leinwand. Die beiden sind seit einiger Zeit

Der entscheidende Punkt für das Gelingen dieser Komödie liegt in ihrer Hauptfigur. Und die ist nicht Jan oder Sara, sondern Antonio, der vom italienischen Comedy- und Kino-Star Lino Banfi hingebungsvoll verkörpert wird. Hin- und hergerissen zwischen seiner italienischen Herkunft und seinem Leben in Deutschland, ist Antonio die etwas traurige Verkörperung eines Wanderers zwischen zwei Kulturen: In Deutschland wird er nicht müde vom dolce vita zu schwärmen, in Italien dagegen von der Zuverlässigkeit der Deutschen. Aus diesem stetigen Widerspruch strickt Regisseurin Vollmar zusammen mit ihrem starken Schauspielerensemble ein durchaus ernsthaftes Spiel mit Klischees, das eine wunderbar stimmungsvoll-leichte Sommerkomödie ergibt. Text: Dirk Lüneberg Kinostart: 6. August 2009

Coraline

Stop-Motion in 3D „Nightmare before Christmas“ läutete vor fast 15 Jahren eine Art Trendwende im Animationsfilm ein: Der Film war alles andere als brav und niedlich, eher wunderbar morbide. Jetzt präsentiert Regisseur Henry Selick (von Tim Burton stammte damals ja nur das Drehbuch) mit „Coraline“ wieder ein Novum, nämlich den ersten mittels Stop-Motion animierten Spielfilm in 3D. Coraline ist Einzelkind und gerade mit ihren Eltern in ein neues Haus gezogen. Letztere arbeiten viel und haben keine Zeit für sie, Freunde hat sie in der neuen Umgebung noch nicht gefunden. So erkundet Coraline, aus Mangel an Alternativen, das neue Haus. Bei einer ihrer Touren entdeckt sie eine kleine Tür hinter der Tapete. Dahinter liegt ein seltsamer Gang, der sie in eine andere Welt bringt. Eigentlich sieht die aus wie ihre, nur in einer viel besseren Version: Alles ist bunt und sauber, auf dem Tisch stehen frische Muffins und Pizza, sogar ihre Eltern sind da und haben Zeit zum Spielen. In der nächsten Nacht geht Coraline wieder in das spannende Duplikat ihres Lebens, doch schnell muss sie feststellen, dass dieser Trip gefährlicher ist als sie dachte. „Coraline“ überzeugt in erster Linie durch die liebevolle und absolut gelungene visuelle Umset-

zung. Der gleichnamige Kinderbuchklassiker von Neil Gaiman scheint bei Selick in besten Händen gewesen zu sein. Drei Jahre lang hat er mit seinem Team an dem Film gearbeitet und eine Welt erschaffen, die vor Ideenreichtum und raffinierten Kleinigkeiten nur so strotzt. Zwar ist „Coraline“ nie so düster wie „Nightmare before Christmas“, aber eine latent unheimliche Grundstimmung ist trotzdem enthalten. Und das ist auch gut so, denn

so wandelt sich der verlockende Gedanke an eine Parallelwelt nach und nach in eine beunruhigende Vision. Die 3D-Version ist allerdings nicht mehr als eine nette Spielerei, denn auch ohne Brille weiß der Film durch seine perfekte Animation zu überzeugen. Und zwar alle Altersklassen. Text: Cornelis Hähnel Kinostart: 30. Juli 2009


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KINO SHORTCUTS

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9to5 - Days in Porn

Affären à la Carte

In manchem Männerschädel spukt die etwas verquere Idee herum, Pornodarstellerinnen hätten Spaß an ihrer Arbeit. Das mag auf einige wenige vielleicht zutreffen, auf die meisten jedoch wohl nicht. Dass dahinter viel Wunschdenken auf Seiten der Konsumenten und ebenso viel Selbstbetrug auf Seiten der Protagonistinnen steht, führt uns Jens Hoffmann in seinem Dokumentarfilm „9to5 – Days in Porn“ (ab 2.7.) vor Augen. In Los Angeles schlägt das Herz der US-Pornomaschinerie und der deutsche Regisseur begleitet anderthalb Jahre lang Darstellerinnen, Produzenten, Regisseure und Agenten. Was wie ein unkritischer Streifzug durch das Sexgeschäft beginnt, verfinstert sich zu einem desillusionierenden Porträt einer Industrie, die zwar dem Konsumenten Freude spendet, aber nur selten denen, die dort arbeiten: Sie saugt die Menschen aus, bläst ihr Ego auf und spuckt sie schneller wieder aus, als man „vorzeitiger Samenerguss“ sagen kann. Und die Gewinner sind nicht die Frauen vor, sondern die Männer hinter der Kamera.

Der Franzose an sich redet gern und viel. Zumindest legt uns dies der zumeist überaus dialogreiche filmische Output der Grande Nation immer wieder nahe. In Danièle Thompsons Beziehungskomödie „Affären á la Carte“ (ab 16.7.) ufert das fidele Geplaudere allerdings derart aus, dass es binnen kürzester Zeit zur wahren Herausforderung wird, den zahlreichen geschäftlichen, freundschaftlichen und amourösen Verwicklungen zwischen zehn(!) dinierenden Freunden und Bekannten zu folgen; sei es auf intellektueller oder emotionaler Ebene. Und da dem Zuschauer nicht einmal eine einzige wirkliche Identifikationsfigur angeboten wird, schaut dieser bald bloß noch einer Gruppe fremder Individuen zu, für deren Probleme er sich herzlich wenig interessiert und deren pausenloses Gequatsche letztlich den gesamten Film – ebenso unverhofft wie zwangsläufig – zur nervlichen Belastungsprobe werden lässt. Text: Sebastian Gosmann

Text: Dirk Lüneberg

Edge of Love Der Krieg ist nicht nur an der Front grausam. Bomben fallen auf London, und Veras (Keira Knightley) Jugendliebe Dylan (Matthew Rhys) bittet um Unterschlupf in ihrem kleinen Appartement – samt Ehefrau Caitlin (Sienna Miller). Der Krieg da draußen weicht so einem Kampf mit den eigenen Gefühlen, den Vera kaum gewinnen kann, zumal der narzisstische Poet Dylan Gefallen daran findet, die zwei Frauen um sich kämpfen zu lassen, und ihre Rivalität noch anheizt. Doch er rechnet nicht damit, dass Vera und Caitlin Freundinnen werden. Die monotonen Sepia-Bilder werden durch animierte Sequenzen aufgebrochen, die einzelnen Szenen mehr Tiefe verleihen und das drohende Unheil bereits ankündigen. Die Biografie des walisischen Schriftstellers Dylan Thomas zeigt kaum mehr, als dass es im Krieg nur Verlierer gibt. Die brüchigen Figuren, die nicht in der Lage sind, geradlinig zu handeln, machen „Edge of Love“ (ab 23.7.) dann aber doch zu einem authentischen Drama über Liebe und Freundschaft in Zeiten des Krieges. Text: Jochen Barthel

Das Mädchen aus Monaco Dass ältere Männer gerne den Verstand verlieren, wenn sie von jungen Frauen sexuelle Avancen bekommen, wird vor allem in französischen Filmen immer wieder thematisiert. So auch in „Das Mädchen aus Monaco“ (ab 2.7.), wo es den Staranwalt Beauvois (Fabrice Luchini) beruflich an die Cote d’azur verschlägt. Doch das Geschehen im Gerichtssaal tritt bald zugunsten der Frauen in den Hintergrund. Sein Objekt der Begierde heißt Audrey (Louise Bourgoin), trägt die knappsten Kleidchen des Fürstentums, arbeitet als Wetterfee und erinnert in ihrer naiven Unbedarftheit stark an Verona Pooth. Je länger der Film dauert, umso stärker stellt man sich die Frage, was den intelligenten Anwalt wohl geritten haben mag, sich zum schwanzgesteuerten Deppen degradieren zu lassen? Entsprechend bleiben er und alle anderen Figuren kaum mehr als alberne Abziehbildchen und diese erotisch angehauchte Komödie erscheint ebenso dümmlich und flatterhaft wie ihre beiden Hauptfiguren. Text: Dirk Lüneberg

Erzähl mir was vom Regen Als Agnès Jaoui mit ihrem Debüt „Lust auf anderes“, als Regisseurin reüssierte, hatte sie sich in der Filmwelt bereits einen Namen gemacht. Zusammen mit ihrem Lebens- und Leinwandpartner Jean-Pierre Bacri verfasste sie das Drehbuch zu Alain Resnais’ „Das Leben ist ein Chanson“ und verhalf dem Veteranen damit zum größten Publikumserfolg seiner Karriere. Ihrem Drittwerk nun mangelt es jedoch leider an Geradlinigkeit in der Erzählung, die mit der Darstellung gleich vier unterschiedlicher Schicksale thematisch schlicht zu überladen ist, um eine klischeefreie Entwicklung all ihrer Protagonisten gewährleisten zu können. Als gediegenes, fabelhaft gespieltes französisches Konversationskino ist „Erzähl mir was vom Regen“ (ab 30.7.), in dem ein verkrachter Journalist und sein Kumpel eine Reportage über eine in die Politik gewechselte Autorin aus ihrer Region drehen wollen, dennoch allemal eine Kinokarte wert. Text: Sebastian Gosmann

Fanboys Dass ausgerechnet „Star Wars“, der überflüssigste Film aller Zeiten, soviel fanatische Erbsenzählerfans mobilisiert, ist eine epochale Ironie. In „Fanboys“ (ab 30.7.) schickt Regisseur Kyle Newman vier junge Verehrer (einer von ihnen todkrank) auf eine Mission. Sie wollen zu George Lucas’ Skywalker-Ranch, um dort den brandneuen Teil der Saga zu sehen, bevor es irgendwer sonst auf der Welt kann. Koste es was es wolle. Nun gibt es weiß Gott schon einige Road Movies mit fast identischer Spielanleitung. Und den Jungs dabei zuzusehen, wie sie sich auf ihrer Reise mit „Star Trek“-Anhängern duellieren, ist so, als ob man Kölnern und Düsseldorfern beim Wetttrinken zusieht. Wer aber nichts anderes erwartet als unschuldigen Spaß, der sich nicht mit Geschmackskriterien der FAZ verträgt, wird ihn bekommen. Am Ende muss man gestehen: Es geht nicht um den blöden „Star Wars“-Film. Es geht um die Leidenschaft. Und das ist rührend und ansteckend. Text: Gordon Gernand


Killshot

Kommissar Bellamy

La Misma Luna

Die Arbeit an „Killshot“, beruhend auf dem gleichnamigen Roman von Elmore Leonard, schien unter keinem guten Stern zu stehen. Nach dem Ende des Drehs mussten die Schauspieler erneut antreten, weil man mit dem ersten Ergebnis nicht zufrieden war. Regisseur John Madden ließ „Killshot“ (ab 16.7.) zudem einige Male umschneiden, und am per Trailer angekündigten Mitwirken von Quentin Tarantino und Johnny Knoxville hat sich letzten Endes auch noch einiges geändert. Tragischerweise merkt man dem Thriller dieses Tohuwabohu seiner Entstehung durchaus an, und das ist schade. Denn die Story um den Auftragskiller Blackbird (Mickey Rourke), der sich gnadenlos an die Fersen eines Ehepaares heftet, die Beobachter eines „unglücklichen Zwischenfalls“ wurden, birgt durchaus Potenzial, zumal selbst die Vorkehrungen des Zeugenschutzprogramms mühelos ausgehebelt werden. So bleibt am Ende eine spannende Geschichte, die durch unnötige Ungereimtheiten leider nicht das halten kann, was sie verspricht.

Auch mit seinem 58. Film bleibt Regielegende Claude Chabrol der bewährten Mischung aus Krimi und Komödie treu. Gérard Depardieu, verschmitzt wie lange nicht, ist in die Titelrolle geschlüpft und verbringt als Pariser Ermittler seinen Urlaub mit der Gattin in Südfrankreich. Die Ruhe währt allerdings nicht lange, denn bald steht ein Fremder (Jacques Gamblin) vor der Tür und behauptet, einen Obdachlosen umgebracht zu haben. Und kurz darauf taucht auch noch Bellamys saufender und klauender Halbbruder (Clovis Cornillac) auf. Ein wenig altbacken und sehr gemächlich schleppt sich „Kommissar Bellamy“ (ab 9.7.) über die Runden, nicht unähnlich Chabrol selbst bzw. dem titelgebenden, von Depardieu lustmolchig verkörperten Protagonisten. Aufregend ist das nicht wirklich und weit weg von den früheren Meisterwerken des Regisseurs. Aber auf entspannt-alberne Weise macht die Sache durchaus Spaß, nicht zuletzt durch den finalen Twist, der der Geschichte eine unerwartete Wendung gibt.

Als seine Großmutter eines Morgens tot im Bett liegt, ist für Carlos (Adrian Alonso) alles klar: Irgendwie muss er versuchen, von Mexiko nach L.A. zu kommen. Dahin war seine Mutter vor Jahren geflohen, um die Familie aus der Ferne zu versorgen. Aber Carlos ist erst neun. Unterdessen beginnt seine Mutter Rosario (Kate del Castillo) daran zu zweifeln, ob sich ihre Flucht damals gelohnt hat. Als Mensch zweiter Klasse, ständig auf der Flucht vor den Behörden und immer getrennt von der Familie, erlebt sie nicht gerade den amerikanischen Traum. Patricia Riggens Roadmovie „La misma luna“ (ab 9.7.) packt die ganze Ungerechtigkeit der Flüchtlingsdramen entlang des Grenzzauns in den USA in das Schicksal eines kleinen Jungen, der Angst hat, dass seine Mutter ihn nicht mehr lieb haben könnte. Riggens bedient die Klaviatur der Gefühlsmaschine dabei mit Meisterschaft. Zwar überwindet die Liebe hier alle Grenzen, aber bevor die Emotionen überzuschäumen drohen, schlägt die Regisseurin immer wieder leise Töne an.

Love Exposure

Salami Aleikum

Tödliches Kommando

Nach „Strange Circus“ liefert der japanische Regisseur Sono Sion nun seinen nächsten großen Wurf ab. Mit fast vier Stunden ist „Love Exposure“ (ab 13.8.) dabei ein Mammutwerk geworden – aber allen Bedenken zum Trotz nicht eine Minute zu lang. Der herzensgute Yu sehnt sich nach der Aufmerksamkeit seines Priester-Vaters. Einzig während der Beichte finden sie zusammen, doch Yus Leben ist moralisch völlig unbedenklich. Um seinem Vater näher zu kommen, beschließt er den Weg der Sünde einzuschlagen und beginnt, heimlich Mädchen unter den Rock zu fotografieren. Dabei verliebt er sich in die Männer hassende Yoko und versucht ihr in der Maskerade als Miss Scorpion näher zu kommen. Doch dann gerät Yoko in die Fänge einer Sekte und Yu wird gezwungen, in der Porno-Industrie zu arbeiten, um sie wiederzusehen. Klingt wild? Ist noch viel wilder! Mit barocker Opulenz rast der Film nur so durch die Minuten, was dank Sions grandioser Erzähllust und vielen absurden Einfällen keine Sekunde langweilig ist.

Die Cultural Clash-Komödie von Ali Samadi Ahadi sieht am Anfang aus wie eine „typisch“ deutsche Komödie; schon in den ersten zehn Minuten wird das Prinzip „Show, don’t tell“ mit Füßen getreten. Es geht um den sensiblen Iraner Mohsen (Navid Akhavan), der die Metzgerei seines Vaters übernehmen soll, obwohl er doch das Schlachten eigentlich hasst. Als er ein paar billig eingekaufte Schafe in Polen abholen will, strandet er in einem ostdeutschen Kaff. Dort verliebt er sich in die ehemalige Kugelstoßerin Ann (Anna Böger), auch vermutet man in ihm einen reichen Geschäftsmann, der der Region neues Leben einhauchen könnte. Da taucht sein Vater auf. Das Drehbuch des Regisseurs wimmelt vor Gemeinplätzen, in seinen stärksten Momenten kommen jedoch knallige Dialoge dabei heraus. Alle spielen ihre Rollen fast hingebungsvoll. Allein: in „Salami Aleikum“ (ab 23.7.) gibt es keine Neonazis. Ein modernes Märchen, was?!

Kathryn Bigelow („Strange Days“) war schon immer etwas tougher als andere Frauen im Filmgeschäft. Nach sechsjähriger Kinoabstinenz hat sie nun mit dem Irak-Kriegs-Actiondrama „Tödliches Kommando“ (ab 13.8.) wieder einen cineastischen Testosteron- und Adrenalinstoß inszeniert, in dem es um Elite-Soldaten geht, die Bomben entschärfen und sich als Freiwillige immer wieder auf dieses Spiel mit dem Tod einlassen. Stärke (aber hin und wieder auch Schwäche) des Films, in dem Guy Pearce und Ralph Finnes in Nebenrollen auftauchen, ist allerdings, dass er ausschließlich die Perspektive dieser Soldaten einnimmt und Bigelow so eine Atmosphäre der Anspannung inszeniert, die über die gesamten 131 Minuten spürbar bleibt. Anders als bei Fernsehberichten aus der Kriegsregion geht die Kamera dabei nah ran an die Soldaten und fing beim Dreh an Schauplätzen im Nahen Osten Bilder und Details ein, die nach Aussage der Regisseurin so authentisch und realistisch wie möglich sein sollten – mit ziemlich aufreibendem Resultat.

Text: Daniel Schieferdecker

Text: Cornelis Hähnel

Text: Patrick Heidmann

Text: Gordon Gernand

Text: Jochen Barthel

Text: Sascha Rettig


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KINO DVD

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DVD des Monats

Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat (20th Century Fox)

Was wurde im Vorfeld zu „Operation Walküre“ nicht alles angeprangert: Eine Entweihung von Originalschauplätzen wurde herbeigeschrieben, ohne auch nur eine einzige Szene gesehen zu haben. Die geschichtliche Brisanz wurde angemahnt, die eine Verfilmung des StauffenbergAttentats auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 nur scheitern lassen könne. Und die Anfeindungen gegenüber der religiösen Ausrichtung von Hauptdarsteller und Produzent Tom Cruise nahm bisweilen paranoide Züge an. Doch getreu dem Motto: Jede Pro-

motion ist gute Promotion ging das Kriegsdrama seinen Weg, lockte immerhin 1,3 Mio. Zuschauer ins Kino und erntete völlig zu Recht überdurchschnittlich gute Kritiken, mit denen wohl niemand gerechnet hatte. Doch selbst die typisch deutsche Rumnörgelei über eine Verzerrung historischer Tatsachen und eine unnötige Simplifizierung der Geschehnisse kann nicht über den Fakt hinwegtäuschen, dass „Operation Walküre“ ein spannender, kurzweiliger und wohl recherchierter Film geworden ist. Neben Hauptdarsteller Tom Cruise liefern

Schauspieler wie Bill Nighy, Kenneth Branagh und Christian Berkel beeindruckende Performances ab, und Regisseuer Bryan Singer kombiniert die Kammerspiel-Intimität mit einer bildgewaltigen SuperheldenÄsthetik, sodass Cruise’ historisch aufgezäumtes trojanisches Pferd im Thriller-Gewand siegreich ins Ziel einreitet und auf DVD solche Extras wie Audiokommentare, Making-Of und eine Dokumentation zum Thema in der Satteltasche bei sich trägt.

Bride Wars

Effi Briest

aufdrückt, der Spannung keinen Abbruch tut. Die Extras enthalten u. a. ein Special über das Verhältnis der Theater- zur Leinwandversion.

(20th Century Fox) Weil sie am gleichen Tag und am gleichen Ort heiraten wollen, werden Liv und Emma quasi über Nacht von besten Freundinnen zu Todfeindinnen. Besonders witzig oder glaubwürdig ist das, mitsamt der fiesen-albernen Hinterhältigkeiten in Frisiersalon oder Solarium und aller kitschigen Hochzeitshysterie, nicht wirklich. Und auch die sonst durchaus unterhaltsamen Hauptdarstellerinnen Anne Hathaway und Kate Hudson hat man schon mit mehr Charme agieren sehen. Daran ändern auch Specials wie entfallene Szenen und Featurettes nichts.

Text: Jonathan Fink

Der Schrei der Eule

(Ascot Elite) Ohne je die hochkarätige Eleganz von „Der talentierte Mr. Ripley“ zu erreichen, weiß diese Patricia Highsmit h-Ver f ilmung durchaus zu überzeugen. Spannend ist die Geschichte des in die Provinz gezogenen Robert, der sich zum Voyeur entwickelt und schließlich von einer geheimnisvollen jungen Frau ertappt wird, auf jeden Fall. Und was Julia Stiles an Ausstrahlung nach wie vor fehlt, macht Paddy Considine („In America“) in dieser kanadisch-deutschen DVD-Premiere locker wett. Als Bonus gibt es außerdem ein Making Of.

Text: Jonathan Fink

Die Klasse

(Concorde) In Paris wächst eine Jugend heran, die schon in der Schule zu spüren bekommt, dass sie in der Gesellschaft kaum Chancen hat: Kinder mit Migrationshintergrund. Eine Klasse solcher Schüler unterrichtet François (François Bégaudeau) und führt einen Kampf zwischen Mitmenschlichkeit und Bürokratie. Der im Dokumentarstil gedrehte Spielfilm nach einem Roman Bégaudeaus, selbst Lehrer, streut erbarmungslos Salz in die Wunden des französischen Bildungssystems. Die Laienschauspieler faszinieren und sind authentisch. Zusätzlich gibt es auf der DVD noch Interviews mit Regisseur Laurent Cantet und dem Autor.

Text: Jochen Barthel

(Constantin/Highlight/ Paramount) Regisseurin und Drehbuchautorin Hermine Huntgeburth zeichnet ihre Titelfigur als eine moderne, liberal denkende und auf Selbstbestimmung drängende junge Frau, die ihre Ziele jedoch unter den gesellschaftlichen Bedingungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts nicht erlangen konnte. Julia Jentsch in der Hauptrolle und das hochkarätige Schauspielerensemble sind die Stars dieser ansonsten sehr braven Kostümverfilmung des Fontane-Klassikers. Auf der DVD finden sich noch ein Making Of, entfallene Szenen, Interviews, Featurettes sowie Infos zu den Darstellern.

Text: Dirk Lüneberg

Ein Geheimnis

(Arsenal/Good Movies) Francois ist ein ungelenkes, schmächtiges Kind, so ganz anders als die sportlichen Eltern. Bei der Nachbarin fühlt er sich geborgen – bis die ihm von seiner Familiengeschichte erzählt. Claude Miller inszeniert eine Geschichte von Verdrängung und Erinnerung, Schuld und Versöhnung, in der Francois nach Ende des Zweiten Weltkrieges aufwächst und doch von den Geschehnissen des Krieges und seiner jüdischen Herkunft geprägt wird. Die Bilder der Idylle bekommen hier nach und nach Risse. Ein Making Of und ein Interview mit dem Autor der Vorlage runden die DVD ab.

Text: Elisabeth Nagy

Glaubensfrage

(Walt Disney Studios) Allein das meisterliche Mienenspiel Meryl Streeps, die als strenge Ordensschwester Aloysius im Kampf gegen den des Kindesmissbrauchs bezichtigten Pfarrer Flynn (der stets großartige Philip S. Hoffman) alle Register zieht, rechtfertigt den Kauf dieser DVD. Die messerscharfen Wortgefechte zwischen den klerikalen Kontrahenten erzeugen einen derartigen Sog, dass selbst die arg aufdringliche religiöse Symbolik, die Regisseur John Patrick Shanley der Verfilmung seines eigenen Bühnenstücks

Text: Daniel Schieferdecker

Text: Sebastian Gosmann

Gran Torino

(Warner) In seiner jüngsten Regiearbeit hat Clint Eastwood vielleicht zum letzten Mal die Hauptrolle übernommen und gibt mit gewohnt minimalistischem Spiel, aber großer Präsenz einen rassistischen, grantelnden „Dirty Harry“-Rentnerknochen, der sich mit einem koreanischen Nachbarsjungen und dessen Familie anfreundet. Zwar kommt dieses unebene, eigenwillige Werk bisweilen so grob daher wie seine Hauptfigur, wirkt aber auch wie eine sehr persönliche Arbeit, die ein Vermächtnis sein könnte für das, wofür Eastwood als Regisseur und Schauspieler bislang stand. Als Bonus gibt es leider nur ein Making Of.

Text: Sascha Rettig

JCVD

(Koch Media) Jean-Claude van Damme, belgischer KampfsportExport und abgehalfterter B-Movie-Star, spielt „sich selbst“ – oder so was ähnliches jedenfalls: Mitten im Sorgerechtsstreit um seine kleine Tochter kommt es für van Damme immer dicker. Die Rollenangebote sind Mist und das Geld ist knapp. Da wird der Gebeutelte zuhause in Belgien auch noch in einen Raubüberfall mit Geiselnahme verwickelt. Die dramatisch-ironische Selbstdemontage van Dammes ist zuweilen wirklich lustig, verschafft ihm aber auch die Gelegenheit, beeindruckende Emotionen zu zeigen. Die umfangreichen Extras der DVD geben einen guten Einblick in die Produktion.

Text: Peter Meisterhans

Le silence de Lorna

(Piffl/Good Movies) Ein famos gespieltes, erschreckend trostloses Stück Sozialrealismus der belgischen DardenneBrüder, das unangenehme moralische Fragen aufwirft. Um die belgische Staatsbürgerschaft zu erhalten, führt die gebürtige Albanerin Lorna eine Scheinehe mit einem Junkie, der jedoch bald aus dem Weg geräumt werden soll, damit

Weitere DVD-Besprechungen findet ihr auf sallys.net

jener frei ist für die Heirat mit einem reichen Russen, der ebenfalls belgischer Staatsbürger werden will. Die formale Reduziertheit und zwischenmenschliche Kälte des Films sind ebenso abstoßend wie mitreißend. Mit Making Of und Interview fällt das Bonusmaterial allerdings enttäuschend mickrig aus.

Text: Sebastian Gosmann

Marley & Ich

(20th Century Fox) Das Leben von John (Owen Wilson) und Jenny (Jennifer Aniston) wird bereichert vom Welpen Marley, bei dem jedoch alle Erziehungsversuche erfolglos bleiben. Und obwohl der ungestüme Labrador seine Besitzer immer wieder in peinliche Situationen versetzt, wächst er den beiden ans Herz. Das Ganze lässt sich stimmig an, der Knuddelfaktor ist naturgemäß hoch und Wilson und Aniston sind mit Spaß dabei. Lediglich in den letzten 15 Minuten wird etwas zu stark auf die Tränendrüse gedrückt. Die DVD enthält noch 19 entfallene Szenen, Outtakes, Audiokommentare und Featurettes.

Text: Dirk Lüneberg

Nick & Norah – Soundtrack einer Nacht

(Sony) „Where is Fluffy?“ sind in der Stadt und kein Musiknerd darf den Geheimgig der angesagten Underground-Combo verpassen. Der Zufall führt so die beiden verlorenen Seelen Nick (Michael Cera) und Norah (Kat Dennings) zusammen, die sich bald auf einer turbulenten Tour kreuz und quer durch das nächtliche New York befinden. Trotz deutlicher inszenatorischer Schwächen ist die Teenie-Komödie eine sympathische Ode an die erste wahre Liebe, deren geschmackvoller Soundtrack jedes IndieHerz höher schlagen lässt. Erfreulich auch das umfassende Bonusmaterial mit entfallenen Szenen, Outtakes etc.

Text: Sebastian Gosmann


unclesally*s magazine

O’Horten

(Pandora/ Alive) Lokführer Odd Horten steht vor der Pensionierung. Ausgerechnet an seinem letzten Tag verschläft er und verpasst den Zug. Junggeselle Horten, wie so oft in norwegischen Filmen eine innerlich zerrissene Figur, ist wortkarg und verzieht auch bei den Absurditäten des Alltags keine Miene. Ohne seine Züge ist er jedoch orientierungslos – und begegnet fortan allerlei Sonderlingen oder gerät in skurrile Situationen. Bent Hamer („Kitchen Stories“) setzt die Seelenlandschaften seiner Figuren in kleine, surreale Tableaus und erzählt, leider ohne Bonusmaterial, von einer Odyssee durch die nordische Dunkelheit mit lakonischen Humor und Melancholie.

Text: Elisabeth Nagy

Rock’n’Rolla

(Warner) Pünktlich zur MadonnaScheidung gelang Guy Ritchie die Rückkehr zu cineastischer Form. Nicht, dass diese durchaus brutale Geschichte aus dem Londoner Gangstermilieu, in der sich One Two (Gerard Butler) und seine Jungs eher zufällig mit ein paar ziemlich großen Fischen anlegen, thematisch eine echte Neuorientierung verglichen zu „Snatch“ und Co. wäre. Aber anders als etwa das GattinnenDebakel „Stürmische Liebe“ macht diese rasante Profanität einfach Spaß. Dazu gibt’s als Bonus einen Audiokommentar, entfallene Szenen und mehr.

Traitor

(Universum) Zwischen Politthriller und gängigem Actionkino pendelt die Geschichte des gebürtigen Sudanesen und Wahl-Amerikaners Samir, der vom FBI wegen vermeintlicher Verwicklungen in Terrorplanungen verfolgt wird. Trotz einiger Klischee- und Glaubwürdigkeitsschwierigkeiten ist die DVD-Premiere dabei konstant spannend, mitunter sogar richtig clever. Vor allem aber überzeugt sie durch Hauptdarsteller Don Cheadle, der wieder einmal bemerkenswerte Präsenz an den Tag legt. Gelungen ist auch die Ausstattung der DVD, mit einem Audiokommentar, Interviews, der B-Roll und mehr.

Text: Patrick Heidmann

Vorbilder?!

(Universal) Als Vorbilder taugen Danny (Paul Rudd) und Wheeler (Seann William Scott) nur bedingt. Sie ziehen von Schule zu Schule, um die Kids von einem bestimmten Energydrink zu überzeugen. Als sie bei einem dieser Aula-Auftritte ausflippen, bekommen sie qua Richterspruch jeder ein Problem-Kid zugeteilt, um das sie sich fortan zu kümmern haben. Erzählt wird diese Jungmännerkomödie mit frechem, aber nie überzogen ekligem Humor und einer handlichen Portion Herzenswärme. Auf der DVD sind unter anderem noch Audiokommentare, entfallene Szenen, Outtakes sowie ein Easter Egg zu finden.

KINO DVD

Seite 75

Kult Gossip Girl – Staffel 1 (Warner)

In Deutschland versendet sich die Serie im samstäglichen Nachmittagsprogramm, und auch in den USA sind die Quoten nicht berauschend. Doch das hielt die TeenieSeifenoper – Internet sein Dank – nicht davon ab, zur vielleicht meist besprochenen neuen Serie der letzten zwei Jahre zu werden. Und das nicht zu Unrecht, denn wenig im Fernsehen hat derzeit soviel strahlenden Glamour, modernen Sex-Appeal und unrealistischen Soap-Charme wie die Geschichten über Serena, Blair und die anderen New Yorker Rich Kids. Da kann die lahme Neuauflage von „90210“ nicht annähernd mithalten! Auf DVD gibt’s außerdem entfallene und verpatzte Szenen, Musikvideos, Mode-Specials und mehr. Text: Jonathan Fink

WIN A LOT Auch in diesem Monat könnt ihr wieder zahlreiche der hier vorgestellten DVDs gewinnen. Schickt uns einfach eine Postkarte oder E-Mail (verlosung@sallys.net) mit dem Kennwort „DVDVerlosung“ und eurem Wunschtitel. Altersnachweis nicht vergessen! Zu gewinnen gibt es: 3x Operation Walküre, 3x Gossip Girl, 3x JCVD + Poster + EnergyDrink, 3x Nick & Norah, 3x The Spirit, 3x Bride Wars, 3x Shopaholic, 3x Traitor, 3x Der Schrei der Eule, 3x Effi Briest, 3x O’Horten, 3x Le silence de Lorna, 3x Wäre die Welt mein, 3x Ein Geheimnis, 3x Marley & ich, 3x Wen die Geister lieben, 3x Rock’n’Rolla, 3x Gran Torino, 3x Die Klasse, 3x Passengers, 3x Almost Heaven, 3x Inside Hollywood, 3x The Broken, 3x The Rocker, 2x Vorbilder + Anti-Stress-Möpse, und 1x Glaubensfrage. Und zum Kinostart von „Affären à la carte“ legen wir auch noch drei Kochbücher „French Basics“ aus dem Hause GU drauf.

Text: Dirk Lüneberg

Text: Patrick Heidmann

Wäre die Welt mein Shopaholic – Die Schnäppchenjägerin

(Walt Disney Studios) Rebecca (Isla Fisher) ist dem Kaufrausch verfallen, den nicht einmal akute Geldnot stoppen kann. Doch das hindert sie nicht, ausgerechnet bei einem Wirtschaftsmagazin anzuheuern. Dort trickst sie sich so lange durch alle Widrigkeiten, bis sie die wahren, unbezahlbaren Werte zu schätzen lernt. PJ Hogan bewies einst mit „Muriels Hochzeit“ Gespür für lockere, gefühlvolle Komödien. Doch „Shopaholic“, nach der gleichnamigen Vorlage von Sophie Kinsella, hält solchen Vergleichen leider nicht stand. Die DVD kommt mit zusätzlichen Szenen und Pannen vom Dreh daher.

(Pro-Fun) Inspiriert von Shakespeare mischt in dieser märchenhaften Teeniekomödie der junge Timothy einen Zaubertrank, mit dem er nicht nur den Rugbyspieler Jonathon in sich verliebt macht, sondern auch gleich die ganze Kleinstadt in einen homosexuellen Liebesrausch versetzt. Was sich – nicht zuletzt aufgrund einiger Musical-Einlagen – nach albernem Kitsch anhört, ist in Wahrheit einer der sympathischsten, kreativsten und massenkompatibelsten Filme, die es sowohl in Sachen High Schooll-Film als auch Queer Cinema zuletzt zu sehen gab. Da lässt sich verkraften, dass die DVD mit einem Audiokommentar wenig üppig ausgestattet ist.

Text: Patrick Heidmann

Text: Elisabeth Nagy

The Spirit

Wen die Geister lieben

Text: Dirk Lüneberg

Text: Sascha Rettig

(Sony) In Central City lebt der mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattete Spirit (Gabriel Macht), der ähnlich wie Batman der Polizei in Sachen Kriminalitätsbekämpfung behilflich ist, es hier jedoch mit gleich zwei Gegnern zu tun bekommt: Seinem psychisch angeknacksten Erzfeind Octopus (Samuel L. Jackson) und mit seiner Ex, der undurchsichtigen Diebin Sand Saref (Eva Mendes). Wenngleich dessen Verkörperung hier quietschfidel über die Leinwand turnt, fehlt es der Comicverfilmung leider ein wenig an Spirit. Dies trifft auch auf die DVD zu, auf der sich lediglich noch ein Audiokommentar, eine Featurette, Storyboard-Skizzen sowie der Trailer befinden.

(Kinowelt) Nach den TV-Großtaten „The Office“ und „Extras“ ist Hollywood die nächste Station des Komikgenies Ricky Gervais. Hier gibt er auf Jack Nicholsons Spuren einen misanthropischen Zahnarzt, der auf einmal die Toten sehen kann, die mit der Welt noch offene Rechnungen haben – und wird darüber zum Menschenfreund. Dabei entwickelt diese altmodische Fantasy-Romanze vor allem durch Gervais einen ganz eigenen Charme, der gallige Dialoge in die märchenhafte Atmosphäre meckert und die sentimentalen Momente mit anrührendem Ergebnis erdet. Die DVD ist u.a. mit Making Of und Audiokommentar durchaus passabel ausgestattet.

Best of the Rest Gewöhnlich widmen wir uns an dieser Stelle all den spannenden DVDPremieren, die jeden Monat in die Videotheken kommen und ein bisschen zusätzliche Aufmerksamkeit brauchen, weil kein Kinogänger ihre Titel kennt. Auch diesen Sommer gibt es davon natürlich wieder einige, den unausgegorenen und in aller Rätselhaftigkeit durchschaubaren, aber durchaus atmosphärischen Mystery-Thriller „Passengers“ (Universum) etwa, in dem Anne Hathaway und Patrick Wilson die Hauptrollen spielen. Oder auch den mit gar nicht so unähnlichen Elementen spielenden Suspense-Thriller „The Broken“ (Koch Media), in dem Lena Headey einer Doppelgängerin begegnet und Regisseur Sean Ellis auf den Spuren von großen Vorbildern wie Lynch und Polanski wandelt. Aber zur Abwechslung soll auch wieder einmal auf Filme hingewiesen werden, die es zwar auf die Leinwand geschafft haben, aber dort ein wenig untergingen. „Almost Heaven“ (EuroVideo) zum Beispiel, ein Road Movie, das vor vier Jahren seine Kinopremiere hatte. Die Geschichte einer kranken Country-Sängerin, die es zufällig nach Jamaika verschlägt, hat durchaus Ethnokitsch-Potenzial, doch Hauptdarstellerin Heike Makatsch ist hier so blendend aufgelegt wie selten. Verdammt wenig Aufmerksamkeit wurde im Kino auch „It’s A Free World“ (Neue Visionen/Good Movies) zuteil, obwohl immerhin Regielegende Ken Loach hinter der Kamera stand. Wer sein arbeitskämpferisches Realismus-Kino bisher mochte, sollte aber auch hier hingucken. Ebenfalls ein wenig übersehen wurde „Inside Hollywood“ (Concorde), zwar nicht die überraschendste Komödie übers Filmemachen, mit der uns die Film-Metropole beglückt, aber immerhin eine mit Robert de Niro, Bruce Willis, Catherine Keener und Co. hochkarätig besetzte. Und auch „The Rocker“ (20th Century Fox), in der TV-Komiker Rainn Wilson als abgehalfterter Hardrocker ein Comeback versucht, lief nur so kurz auf deutschen Leinwänden, dass es wohl kaum jemand mitkriegte. Nicht ganz zu Unrecht vielleicht, aber für leichte Unterhaltung auf dem Sofa ist immerhin gesorgt. Text: Patrick Heidmann

Weitere DVD-Besprechungen findet ihr auf sallys.net


Seite 76

COMPUTERSPIELE

unclesally*s magazine

ber eine neue Karriere mit ihren Sims starten? Zu tun gibt es schließlich auch diesmal wieder genug: Andere Sims anflirten, mit ihnen ausgehen, tratschen, spielen oder kochen etwa. Und immer wieder gespannt sein, wie sie auf Annäherungsversuche reagieren - schließlich weist jeder Sim andere Charaktermerkmale auf. Die Animationen der Sims sind dabei sehr ausdrucksstark; so kann eine Partie „Sims 3“ durchaus den Unterhaltungswert einer Soap-Opera im TV übersteigen. Bevor es raus in die weite künstliche Welt geht, sollte aber ohnehin zunächst vor dem Spiegel Platz genommen werden: Durch die freie Farb- und Kombinationswahl für Hautfarbe und jedes separate Kleidungsstück macht es mehr Spaß denn je, das passende Outfit für alle Gelegenheiten zu basteln. Im Vergleich zum Vorgänger fällt zudem auf, dass „Sims 3“ runder wirkt. Die komplette Kleinstadt ist für den Spieler ohne Ladezeiten zugänglich. So kann erst im Einkaufszentrum gebummelt, im Kino Popcorn gefuttert und zum Abschluss im Park in die Sterne geschaut werden – alles ohne störende Pausen.

Die Sims 3

(Electronic Arts) Für PC Die Sims sind nicht nur einfach ein Spiel - sie sind ein Phänomen. Millionen Menschen weltweit haben in diesem Mikrokosmos schon ihre eigenen virtuellen Alter Egos gehegt und gepflegt (oder gequält und ignoriert), die unzähligen Add-Ons und Zubehörpakete gekauft, die Umsetzungen für Konsolen und Handys ausprobiert. Jetzt erscheint der dritte Teil, und die Erwartungen sind gigantisch - hat das Entwicklerteam Maxis es geschafft, die Serie noch besser zu machen?

Werden fortan noch mehr Männer (und wie bei kaum einem anderen PC-Spiel auch: Frauen) ihr reales Leben vernachlässigen und stattdessen lie-

Perfekt ist „Sims 3“ trotzdem nicht: Die Grafik ist nur dezent besser als beim Vorgänger; wer den zweiten Teil mit allen Add-Ons kennt, wird vom Umfang der Möglichkeiten in „Sims 3“ zudem etwas enttäuscht sein. Es gibt weder Haustiere, noch einen Jahreszeitenwechsel oder echte Urlaubsmöglichkeiten. Und ein Mehrspieler-Modus fehlt auch immer noch. Aber irgendwas muss man sich ja auch noch für „Sims 4“ aufheben - die Jahre bis dahin sind jedenfalls dank „Sims 3“ bestens verplant. Text: Tito Wiesner

einem zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt wieder in die zerstörten Straßen der Großstadt entlassen wird, vermag er ganz problemlos, Blitze von sich zu schleudern. Zudem ist er nach seinem Unfall plötzlich ein eleganter Akrobat: Das Hangeln von Strommast zu Strommast, das Klettern an Hauswänden, das Überspringen einer in der Mitte zerstörten Brücke – alles kein Problem mehr. Natürlich kann Cole in Emerald City trotzdem nicht ungehindert schalten und walten: Die Polizei riegelt das Katastrophengebiet ab und lässt niemanden hinaus, marodierende Banden - allen voran die mächtigen Reaper - machen ihm zudem das Leben schwer. Aber auch er selbst muss kein Kind von Traurigkeit sein; die Entwickler überlassen es dem Spieler, ob er sich zu einem strahlenden guten Helden oder einem Menschen verachtenden Monstrum entwickelt.

Infamous

(Sucker Punch/Sony) Für PS3 Manchmal reicht eine laute Explosion, und schon wird aus einem ganz normalen Menschen ein Superheld – zumindest, wenn es nach den Entwicklern von Sucker Punch Productions und ihrem Action-Titel „Infamous“ geht. Eigentlich wollte Cole McGrath ja nur seinem Kurierjob nachgehen und ein Paket zustellen, da legt plötzlich eine Druckwelle weite Teile seiner Hei-

matstadt Emerald City in Schutt und Asche. Damit aber nicht genug: Cole ist plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes elektrisch geladen – als er nach

So darf der Spieler selbst entscheiden, ob er sich benötigte Lebensmittel unter den Nagel reißt oder mit seinen Mitmenschen teilt; ob er sich alleine auf die Polizisten stürzt oder einen Krawall anzettelt und so unschuldige Menschenleben riskiert. Welchen Weg er auch einschlägt - viel Spaß machen beide Varianten. Zwar kann „Infamous“ die Faszination der ersten Stunden nicht bis zum Ende durchhalten - was einerseits an kleineren technischen Mängeln, vor allem aber den im Spielverlauf immer wieder ähnlichen Missionsabläufen liegt. Trotzdem gilt: Solch ein mächtiges Superhelden-Gefühl haben einem bisher nur wenige Spiele vermittelt. Texte: Tito Wiesner


unclesally*s magazine

Damnation

Fuel

Ein Wildwest-Szenario in einem alternativen Amerika, angereichert mit Science-Fiction-Elementen: Mit diesem ungewöhnlichen Grundgerüst will sich „Damnation“ von anderen Shootern abheben. Gute Absicht, schlechte Umsetzung: Der Mix aus Springen und Schießen belastet das Nervenkostüm des Spielers von Beginn an, weil nichts so wirklich funktioniert. Hauptheld Rourke muss beständig an Seilen hangeln und Wände hochklettern, nur ist die Bedienung dabei ebenso hakelig wie die Sicht ungünstig. Beim Schießen sieht es nicht besser aus - Zielen und Abdrücken ist kompliziert, die Gegner zudem strunzdoof. Da helfen all die guten Ansätze in punkto Story und Schauplätze nichts, wenn die Entwickler keinen davon zu nutzen wissen.

Ganz schön sinnlose Hintergrundgeschichte: Das Öl ist aufgebraucht, und um an die letzten verbliebenen Benzin-Reserven zu kommen, muss man mit Vollgas durch die Gegend rasen und Rennen gewinnen. Abgesehen von der ökologisch inkorrekten Story hat „Fuel“ aber zum Glück noch mehr zu bieten: Riesige Welten etwa, zahlreiche Fahrzeuge, Abkürzungen abseits der gepflasterten Straßen, ein Wettermodell inklusive Regen und Sturm, abwechslungsreiche Herausforderungen wie ein Hubschrauber-Rennen sowie einen umfangreichen Online-Modus. Ein paar belebte Details mehr hätten die Entwickler dem Spiel allerdings schon spendieren können - ab und zu ist es fast ein bisschen eintönig, durch die weitläufigen Szenarien zu brettern, während nichts und niemand zu sehen ist.

(Codemasters) Für PC, Xbox360, PS3

Text: Tito Wiesner

(Codemasters) Für PC, PS3, Xbox360

Text: Tito Wiesner

COMPUTERSPIELE

Seite 77

Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte. Es ist schon unglaublich, wie die Politik regelmäßig die Augen verschließt: vor jeglichem sinnvollen Handeln, vor neuen politischen Bewegungen, vor der Wirklichkeit. Mit dem nun doch beschlossenen Gesetz zur Zensur von Internetseiten hat die Regierung wieder einmal bewiesen, dass es - wie auch bei der sinnfreien Abwrackprämie - vor allem darum geht, populistische Politik zu betreiben. Nur ist den werten Damen und Herren im Bundestag diesmal anscheinend etwas Wesentliches entgangen: Weder wird mit dem Zensursula-Gesetz etwas gegen Kinderpornografie getan - nicht umsonst hat sich die Protestbewegung im Netz unter dem Claim „Löschen statten Sperren“ formiert - noch war die Entscheidung für das Gesetz besonders populär. Allein im Netz haben sich über 100.000 Menschen gegen das Gesetzesvorhaben formiert, und wenn man die simple, konservative Rechnung anstellt, dass ein aktiver Macher im Netz für geschätzte 100 passive User steht, dann waren über 30% der deutschen Onliner gegen die Zensur. Etwas Gutes ist bei den Protesten aber entstanden: Eine neue politische Bewegung, die sich digital formiert hat und die sich - wie in den Achtzigern die Friedensbewegung - aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Schichten zusammensetzt: Anarchisten, digitale Boheme, Teile der FDP, Basisdemokraten, Linke. Kleinster gemeinsamer Nenner: Freiheit. Und für diese lohnt sich zu kämpfen - immer und immer wieder.

Ghostbusters (Atari) Für Playstation3

Wer auf die Frage „Who You Gonna Call?“ wie aus der Pistole geschossen mit „Ghostbusters!“ antwortet, hat wohl schon ein paar Jahre auf dem Buckel - der erste Auftritt von Dan Aykroyd, Bill Murray und Co. als sympathische Geisterjäger in New York liegt schließlich schon 25 Jahre zurück. Zum Jubiläum darf man nun als ahnungsloser Rookie selbst Teil der Elite-Einheit werden - und auf der Playstation3 mit Protonen-Pack auf dem Rücken den Big Apple von diversen Spukgestalten säubern. Slimer ist ebenso mit dabei wie der Marshmallow Man, und wem das alles nichts sagt, der braucht hier nicht weiter zu lesen - das Spiel ist eben eher was für Fans. Die verzeihen den Entwicklern nämlich auch das auf Dauer etwas monotone Spielprinzip - und freuen sich über die gebotene Originalmusik genauso wie über den grandios eingefangenen typischen Humor der Filme. Text: Tito Wiesner

Indiana Jones und der Stab der Könige

(Lucas Arts) Für Wii, PS2, DS, PSP Wer denkt, das Leben eines Indiana Jones sei spannender als unser aller Alltag, hat nur bedingt Recht irgendwie passiert dem Mann mit Schlapphut ja auch ständig dasselbe. Mal wieder muss ein wertvolles Artefakt gefunden werden (diesmal eben Moses’ sagenumwobener Stab der Könige), mal wieder machen böse Nazi-Schergen ihm dabei das Leben schwer. Und mal wieder muss sich Indy durch einen Mix aus Kampfeinlagen und kleinen Rätseln mogeln, um am Ende als Sieger dazustehen. Trotz einiger Wiederholungen und einer nicht immer perfekt umgesetzten Steuerung macht es aber auch diesmal wieder Spaß: Peitsche und Fäuste schwingen, dabei ein paar coole Sprüche auf den Lippen und stilvolle Musik im Hintergrund - es gibt definitiv schlechtere Möglichkeiten, seine Freizeit zu verbringen. Text: Tito Wiesner

Alle Zensur-Befürworter werden sich noch im jetzt kommenden Wahlkampf wundern, was es heißt, gegen diesen geballten Widerstand im Netz einen Online-Wahlkampf zu machen. Ach so gerne würden CDU und SPD einen auf Obama machen und sich twitternd an die Wähler heranmachen - aber daraus wird wohl nichts werden. Wenn Merkel, Müntefering und Co. es schaffen, sich mit zwei blauen Augen aus dem Netz zurückzuziehen, wäre das wahrscheinlich schon ein Erfolg. Lasst uns also die entstandenen Infrastrukturen nutzen, um aus dem Online-Wahlkampf der Zensurparteien einen Höllenritt zu machen. Digital, dezentral, kreativ und schnell. Wäre doch gelacht, wenn es die zukünftigen Generationen nicht schaffen würden, ihre Ansichten durchzusetzen über kurz oder lang werden wir die Oberhand über die Internetausdrucker schon gewinnen. Für die Freiheit - immer! *Lou Canova und John F. Nebel metronaut.de


Seite 78

COMICS

unclesally*s magazine

Das hat nix mehr mit selbst kopierten Comic-Fanzines aus den Achtzigern zu tun, sondern ist in großen Teilen sowohl vom Inhalt her als auch in der Aufmachung - schlicht professionell. Sicher, es braucht ein hohes Maß an Idealismus und Organisationstalent, und reich und berühmt ist damit auch noch keiner geworden. Aber das wirst du bei Ehapa auch nicht! Dort lagern Absatzzahlen in den Giftschränken, die den Laien die Kinnladen an die Brust tackern würden. Wir brauchen die großen Verlage nicht!

Jazam 4: Monster!

Neulich überreichte mir eine Arbeitskollegin die Mappe eines ambitionierten Freundes. Darin waren Comicseiten und ein Konzept für eine längere Geschichte. Damit hat er sich schon mehrmals bei größeren Verlagen beworben. Erfolglos. Die Comics waren eigentlich ganz witzig. Teilweise etwas krude gezeichnet, aber originell und unterhaltsam. Ich habe mich dann nie bei ihm gemeldet, weil ich nicht wusste, was ich ihm sagen sollte, außer: Vergiss es! Schau dir das neue Carlsen-Programm an! Außer Reinhard - Johnny Cash – Kleist, der gerade seine Narrenfreiheit genießt, gibt es dort keine einheimischen Comiczeichner (lassen wir jetzt Flix mal weg).

Und dass sich Ehapa überhaupt noch Comic-Verlag nennt, ist recht drollig in Anbetracht dessen, dass sie den ganzen Tag nur darüber nachdenken, wie man die alten Carl Barks-Seiten noch mal neu zusammenheften kann. Deswegen jetzt hier mein Rat: Macht es selber! Auf welch hohem Niveau das heute möglich ist, zeigt einmal mehr die neueste Ausgabe des Jazam-Projektes.

Niles/Jones

Batman: Mitternacht in Gotham 1 Er ist wieder da! Der dunkle Schattenprinz Kelly Jones, den irgendein durchgeknallter DC-Typ in den Neunzigerjahren zahlreiche Hefte der regulären Darkknight-Serie zeichnen ließ und der mit seinem düsteren, grotesken Zeichenstil so einige Batman-Fans zu Boden gehen ließ. Nie war ein Batman-Zeichner umstrittener. Erneut von der (langen) Leine ließ ihn niemand Geringeres als Horror-Comic-Bestseller Steve Niles (“30 Days of Night“). Und zusammen machen sie keine Gefangenen. Gothams Irre wüten wie eh und je. Aber ihr System hat sich verändert. Zusätzlich treibt noch eine Art Serienkiller,

der seinen Opfern das Herz entfernt, sein Unwesen. Gibt es eine Verbindung zwischen beiden Phänomenen? Batman ist verwirrt. Dahinter scheint ein gewisser Midnight zu stecken, dem man (ohne seine Maske) nicht im Dunkeln begegnen möchte. Und auch sonst nie. Es gibt zu viele Hinweise, und nichts scheint zusammen zu passen.

Das Projekt Jazam ist eine Art Mainstream-Panik-Elektro. Es widmet sich pro Ausgabe einem Thema, zu dem dann interessierte Zeichner ihre Arbeiten einreichen können. Nach „Märchen“, „Göttern“ und „Zeit“ lautet das Thema der vierten Ausgabe „Monster“. Und ein wahres Monster ist das Buch mit seinen 356(!) Seiten und 68(!) Beiträgen auch geworden. Damit dürfte es im Moment eine der fettesten ComicEigenproduktionen in Deutschland überhaupt sein. Und das mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis sowieso. Gleichzeitig gibt es einen guten Überblick, was in der deutschen MainstreamComicszene gerade so geht. Es gibt eine Webseite, auf der der Entstehungsprozess jedes Buches ausführlich begleitet und oft auch diskutiert wird. Bildet Banden! Zeichnet Comix! Test: A. Hartung Preis: 15 Euro

Heimat: jazam.de

Jones ist so düster und detailreich wie schon lange nicht mehr. Niemand kann den dunklen Ritter so bedrohlich posen lassen wie er. Das Konzept funktioniert. Anstatt mit Robin und Batgirl Tee zu trinken, sät er Schrecken in den Herzen seiner Feinde, das Gesicht zu einer zähnefletschenden Drohung verzerrt. Tageslicht gibt es nicht. Richtig groß wird es aber erst durch den leisen Humor, mit dem Jones den Pulp-Horror liebevoll bricht. So sieht das Batmobil aus, wie beim Autoscooter geleast. Und von den langen Ohren, die man immer “Dooiiiinnng“ machen lassen will, ganz zu schweigen. Für alle die schon immer sehen wollten, wie sich Batman als eine Art Krieg-der-Welten-Roboter mit einem haushohen Lehmmonster (Clayton) prügelt, ist „Mitternacht in Gotham 1“ unbedingt zu empfehlen. Von der Story her sicher kein Meilenstein, dafür aber ganz großer Rummel! Text: A. Hartung Heimat: paninicomics.de Preis: 16,95 Euro

Fünf Fragen an

Schwarwel Gibt es etwas, was nur Comic kann? Ja, Comic ist einzigartig. Es vereint Schrift und Bild zu etwas völlig Neuem, das komplett für sich selbst steht. Comic ist eine eigene Kunstform, die es spielend mit allen anderen (Malerei, Grafik, Illustration, Cartoon, Trickfilm, Realfilm, Literatur, Skulptur etc.) aufnehmen kann und die meisten dieser Kunstformen sogar in sich vereint. Welche Musik hörst du (momentan) am liebsten beim Zeichnen? Am liebsten gar keine. Wenn es denn sein muss, lasse ich meine Wiedergabeliste „Alles außer Schrott“ laufen. An haarigen Stellen (Strukturen, solide Schatten setzen, Anatomie zusammenfuddeln) darf es schon mal Slayer sein. Beim Lettering bevorzuge ich aber eindeutig Mozart - der rockt immer noch am meisten. Welcher ist dein aktueller Lieblingscomic? (Bitte nicht witzigerweise den eigenen nennen!) Ohne Witz: mein eigener. (Da ich für mich persönlich im letzten Heft endlich meine Kreaturen und deren Welt in den Griff bekommen habe. Und darauf bin ich stolz wie Bolle.) An zweiter Stelle: Allzeit-Favorit „Didi & Stulle“. Danach: seeehr lange nichts. Danach: alles andere. Was empfiehlst du jungen Nachwuchskünstlern? Durchhalten, niemals auf Kritiker hören und die eigenen Ziele hinterfragen. Und dann nur noch zeichnen wie ein Weltmeister. Welche Musik soll bei deiner Beerdigung laufen? Ist mir scheißegal - ich muss es ja nicht hören. Auch gut: Der erste Schweinvogel-Film „Schweinevogel - Es lebe der Fortschritt!“, der am 29. August im Rahmen des 2. Leipziger Comicfestes (27. Bis 29.8.) Premiere hat. Einen ersten Eindruck gibt es unter myspace.com/schweinevogel


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HÖREN UND LESEN

Seite 79

The Tokyo Diaries Als ob Japans Hauptstadt nicht schon abgefahren genug wäre. Für David Schumann wird Tokio zu einem Ort der unbegrenzten Unmöglichkeiten. Während eines Auslandssemesters wird der abgerockte Kölner Punk dort als Model entdeckt – gelangt zu Geld, Ruhm und einer festen Freundin. Eine Geschichte wie aus dem Märchenbuch? Denkste, Puppe. Bevor alle glücklich und zufrieden bis zum Rückflug leben, lauern die Tücken eines surrealen Alltags auf den selbsternannten Protagonisten dieser wahren Geschichte über Liebe, Musik, Bier und Leute, die für einen ausgeglichenen Hormonhaushalt ihrer Haustiere auch gern mal Hand anlegen.

Comic in der Kiste Nachschub

Lange bevor überhaupt an megaerfolgreiche Blockbuster-Verfilmungen von Marvel-Comic-Superhelden zu denken war (in der ersten Hälfte der finsteren Neunzigerjahren), wurden stattdessen alle Marvel-Helden, die bei Drei nicht auf den Bäumen waren, mehr oder weniger erfolgreich animiert. Die Serien liefen in den USA und auch bei uns am Wochenende in der Glotze im Früh- und Vormittagsprogramm. So prügelten sich diese (teilweise recht trashigen) Cartoon-Serien ins kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation. In diesen Tagen werden nun diese Serien auf DVD veröffentlicht. Im Zuge des Erscheinens der Spiderman- (1994) und Silver Surfer-Fernsehserien (1998) trafen wir uns mit den Protagonisten zu einem Gespräch. Herr Spiderman… Spiderman: Sagen sie Spidey zu mir. Okay, Spidey. Die Spiderman-Serie von 1994 war die zweiterfolgreichste der Marvel-Animations-Serien… Spidey: Nur die zweiterfolgreichste? Ein großer Erfolg, wenn man bedenkt, dass der Silver Surfer es nur auf eine Staffel gebracht hat.

Silver Surfer: Das liegt vielleicht an meiner vergleichsweise komplexen und tragischen Geschichte. Spidey: Was wollen sie damit sagen, Herr Surfer? Wollen sie mich als geistigen Dünnschiss bezeichnen? Außerdem ist es auch die am sorgfältigsten animierte Serie der ganzen Marvel-Serien. Spidey: Jetzt reicht‘s aber. Ich glaube mein Schwein pfeift. Meine Serie ist doch topmäßig und außerdem gibt’s bei mir freche Sprüche. Und Dr. Octopus knallt doch allemal mehr als dieses Weltraum-Esoterik-Gesülze. Silver Surfer: Also Entschuldigung, ich weiß zwar nicht genau, wer sie sind, aber ich glaube nicht… Oh Entschuldigung, darf ich vorstellen: Peter Parker alias Spid… Spidey: Ahh… sie Idiot, jetzt haben sie mein Inkognito enttarnt. Arrgghh! Ich hau ab. Ich muss eh noch drei Hausarbeiten schreiben. Silver Surfer: Und ich muss mit meinem Meister reden. Wie heißt dieser Planet hier?

Was im Selbststudium zu Hause schon Lachen, Staunen, Ekel und/oder Entsetzen provoziert, kommt in geselliger Runde noch viel besser. David Schumann hat nämlich nicht nur im JapanischUnterricht gut aufgepasst, sondern bekommt auch fürs Vorlesen Note eins mit Sternchen. LESUNG – The Tokyo Diaries 10.9. Augsburg - Ostwerk *** 11.9. München - Ampere *** 25.9. Braunschweig - Cafe Riptide *** 6.10. Leipzig - Moritzbastei *** 7.10. Oberhausen - Druckluft *** 8.10. Nürnberg - MuZ Club *** 9.10. Wiesbaden - Kulturpalast *** 14.10. Köln - Die Werkstatt *** 15.10. Osnabrück - Lagerhalle *** 16.10. Berlin - 101@ Admiralspalast


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X-WORT

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QUERGEFRAGT Einfach die Antworten auf die Fragen in die dazugehörigen Kästchen kritzeln, und somit im besten Fall das richtige(!) Lösungswort ermitteln. Das könnt ihr dann per Postkarte oder E-Mail an uns schicken und nehmt damit automatisch teil an der Verlosung von drei Exemplaren des Jennifer Rostock-Albums „Der Film“. Einsendeschluss ist der 15. August ’09. [Sämtliche Umlaute (also ä, ö, ü) werden zu Vokalen (ae, oe, ue) und alle Begriffe werden ohne Leerzeichen geschrieben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.]

Waagerecht 3. Paul Banks alias Julian Plenti ist eigentlich Chef dieser Band 6. Marta Jandová gibt Reisetipps für diese Stadt 7. Hier lebte David Schumann seine Tagebucheinträge 9. Graham Coxons neue alte Band 11. Bevor sie sich Billy Talent nannten, hieß ihre Band so 13. La Roux-Elly trägt diesen popmusikalisch nicht ganz unbedeutenden Nachnamen 16. Vor ihrer Karriere sammelte Regina Spektor diese Tiere statt Kritikerlob 18. Brody Dalle ist mit ihm verheiratet 22. „Brooklyns Antwort auf Marianne & Michael“ 24. Kein Nonsens, dieser Titel des neuen Arctic Monkeys-Albums

SENKRECHt 1. Sehen kann man das neue Jennifer Rostock-Album nicht, aber hören 2. Entspannungstechnik von The Temper Trap 4. Den Mann an den Reglern nennt man so 5. „Liebe Ist Leise“, aber live ist er laut 8. Indie-Pop und keinen Krieg im Kinderzimmer liefern diese Franzosen 10. Christopher Joseph Ward war einst Mitglied dieser Band & tourt mit ihren Songs jetzt durch Deutschland 11. Robin Tom Rink brachte den Leuten früher die... 12. Vor Future Of The Left musizierten Andy Falkous und Jack Egglestone in dieser Band 14. Statt in dieser Band weiter Schlagzeug zu spielen, entschied sich Warren Oakes für eine Zweitkarriere als Koch 15. Bildung erhielt Frank Turner an diesem College 17. Neue Heimatstadt von Dúné 19. Grüner Comic-Held & Wrestler 20. Richard Melville Hall musiziert unter diesem Namen 21. Englisch: Bauernhof & Titel der aktuellen Dinosaur jr.-Scheibe 23. Alles über „Sexismus Gegen Rechts“ und Emanzipation erläutern diese Berliner Das Lösungswort des Rätsels aus der letzten Ausgabe war übrigens: „Gilmanstreet“.

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Chicken-Dance mit Schweinchen Dick

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Ich kaufe Milch. Am liebsten kaufe ich Milch mit Bildern von Kühen drauf. Ich mag die lachende Kuh und die grasende Kuh-Familie vor dem Bergpanorama. Aber am liebsten mag ich die coolen Kühe mit den Sonnenbrillen auf der Schülermilch. Die sind stark! Fleischproduktion, Massentierhaltung, Tiertransporte - allen Tieren geht es prächtig! Da reicht ein Blick auf die H-Milch, die Käse-Packung oder den vorbeifahrenden Kühltransporter. Überall wo Muh und Mäh gehalten, herumgefahren, geschlachtet, verkauft oder verspeist werden, erblickt man Bilder strahlender Tiergesichter. Es wird gelacht, getanzt und gehüpft, dass die Federn nur so flattern. Am besten geht es den Hühnern. Auf dem Transporter eines Hähnchen-Frischgrills lachten mich die Comic-Hühnchen letztlich nicht nur fröhlich an, nein, sie tanzten! In einer langen Reihe standen sie, wedelten mit den Flügeln, warfen ihre Schenkelchen in die Luft und tanzten Cancan. IN dem Wagen reisten ehemalige hühnische VarieteTänzerinnen, die zu alt geworden waren, ihren Beruf länger auszuüben und sich deshalb selber freiwillig der Nahrungsmittel-Produktion übergeben hatten. Hühnerbrust statt Tittenshow. Chapeau! Vor meiner Stamm-Metzgerei, in die ich ungefähr einmal im Leben gehe, steht eine lachende Sau mit einer Kochmütze. Auch dieses Schwein hat seinen eigentlichen Job hingeschmissen. Als Koch wusste es natürlich genau, wie gut es schmeckt. Irgendwann ließen sich dann Beruf und Berufung nicht mehr miteinander vereinbaren. Also beschloss es, die Kochmütze und sich selbst an den Nagel zu hängen. Jetzt lebt es seinen Traum - als Leberwürste.

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Oft sieht man Bilder von Ferkelchen, die sich Essbesteck in den Körper gesteckt haben und dabei vor Freude quieken. Sauische Selbstmordattentäter und Iss Lammisten sind in Großschlachtereien keine Seltenheit. Nur die wenigsten Tiere kommen hier von Menschenhand um. Die meisten sterben als fanatische Glaubenstäter, die den Freitod im Kampf für „die gute Sache“, und „den guten Geschmack“ selbst wählen. Eine Ansammlung fröhlicher Menschen nennt man einen „Hühnerhaufen“, in dem alle „gackern wie die Hühner“. Warum? Hühner sind enorm gesellig! Nur die extreme Enge der Käfighaltung kann deshalb als wirklich artgerechtes Wohnen bezeichnet werden. Dass hier dann auch noch das Essen automatisch vorbei gefahren kommt und Hühner nie das Klo abziehen müssen, ist natürlich ein Leben wie im Traum. Chicken Wellness! Wie schön wäre es für UNS, wenn wir nicht mehr zu McDrive fahren müssten, sondern McDrive zu uns gefahren käme, in der dritten Etage am Schlafzimmerfenster halten und uns die Chicken Nuggets direkt ins bereits vollgekackte Bett werfen würde. Aber mit der Massenmenschhaltung sieht es hierzulande ja eher düster aus. Und Bilder von glücklich tanzenden Menschen auf Autos und Häuserwänden will ja wahrscheinlich auch niemand sehen. Yessica Yeti

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Frank Abel, Linda Aust, Thorsten Barth, Jochen Barthel, Elmar Bassen, Volker Bernhard, Matthias Bossaller, Daniela Bringer, Isabel Ehrlich, Lukas-Christian Fischer, Ben Foitzik, Jens Fritze, Martin Gegenheimer, Gordon Gernand, Steven Gläser, Robert Goldbach, Sebastian Gosmann, Steffen Guzy, Cornelis Hähnel, Tanja Hellmig, Holger Hoffmann, Lasse Holler, Leon Ilsen, Tim Kegler, Philipp Kohl, Eric Landmann, Arne Lieb, Dirk Lüneberg, Marta Marszewski, Peter Meisterhans, Boris Mischke, Maleen Mohr, Christopher Mühlig, Elisabeth Nagy, Vanessa Pape, Sascha Rettig, Heiko Reusch, Timo Richard, Christian Rottstock, Sebastian Ruchay, Marie Schaefer, Daniel Schieferdecker, Maritta Seitz, Fabian Soethof, Frank Straessner, Frank Thießies, Nina Töllner, Hans-Christian Vortisch, Marek Weber, Kati Weilhammer, Philipp Wilke, Marcus Willfroth, Christian Wölki, Yessica Yeti, Florian Zühlke

Praktikanten:

Lisa Piorko, Katrin Spicher

Fotografen:

Titelfotos Jennifer Rostock: Tim Klöcker Fotografen: Frank Abel, David Biene, George DuBose, Birte Filmer, Ali Ghandtschi, Tim Klöcker, Rosa Merk, Oliver Schümers, Sight Of Sound, Jan Umpfenbach, Erik Weiss, Jan Windszus, Ben Wolf

INTERVIEWS

Layout:

Pause! Wir sehen uns erst ab dem 21. August wieder und präsentieren euch nach der Sommerpause wie gewohnt Neues aus der Welt der Punkrocker und Indie-Sternchen. Mit dabei: Beatstie Boys, The Used, Arctic Monkeys, Brendan Benson, Jamie T & Jet.

Caroline Frey, Mario Krenz Editorial Design & Konzept: Bijan Latif * www.latifoberholz.de

Druck:

Frank Druck GmbH & Co. KG

Jet

IM KINO

Dúné (Foto: Casper Balslev)

Natürlich warten alle auf „Inglourious Basterds“, der Ende August endlich in die deutschen Kinos kommt. Wir trafen einige von Tarantinos brutalen Nazi-Jägern zum Interview. Aber auch sonst wartet der Herbstanfang mit einigen Kino-Höhepunkten auf, darunter Ang Lees liebevolle Sixties-Hommage „Taking Woodstock“, Neues von Andreas Dresen („Whisky mit Wodka“), Meryl Streep („Julie & Julia“) und Bully Herbig („Wickie und die starken Männer“) sowie nicht zuletzt Lars von Triers schwer kontroversen Schocker „Antichrist“.

Vertriebspartner:

unclesally*s Distribution: Berlin, Potsdam Cartel X Culture Promotion: Hamburg, Bremen, Oldenburg, Osnabrück, Hannover, Braunschweig, Frankfurt/Main, Wiesbaden, Mainz, Stuttgart, Nürnberg, Rostock, Kiel, Flensburg, Göttingen u.a. PMS Köln: Köln, Düsseldorf, Essen, Bochum, Dortmund, Wuppertal, Oberhausen, Bonn, Krefeld, Duisburg u.a. Primeline Dresden: Dresden, Leipzig, Halle, Chemnitz Blanda Promotions: München Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Es wird keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte, Tonträger und Fotos übernommen. Diese gehen in den Besitz des unclesally*s über. Nachdruck, auch auszugsweise nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der unclesally*s GmbH & Co.KG. Für alle Verlosungen ist der Rechtsweg ausgeschlossen. Es gilt die Anzeigenpreisliste vom 01.01.2009




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