Alumnus des Monats Mai 2015

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«Architektur ist Kunst im Handwerk» Alumnus des Monats Mai 2015 René Finger


Lieber René, wann hat Dein Interesse für die Architektur angefangen? Mein Interesse für Gebautes wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt. Mein Grossvater ist Baumeister gewesen, mein Vater ist Baumeister und so ist es auch mein Bruder, mein Onkel und mein Cousin. Ich bin beinahe auf dem Bau aufgewachsen. Mein Interesse für die Architektur, die bewusste Gestaltung der gebauten Umwelt, ist aber erst etwas später geweckt worden. Das Feuer dafür wurde vor allem im Studium durch meine Dozenten entfacht, geschürt und entwickelt. Es wurden mir Wege und Möglichkeiten aufgezeigt, die ich vorher nicht gekannt hatte. Das Studium hat mir einen wesentlich tieferen Zugang zur Sprache der Architektur verschafft.

«Ich verstehe Architektur als Sprache, die man richtig sprechen können muss.» Wie bist Du damals auf Liechtenstein als Studienort aufmerksam geworden? Es war damals auch eine Entscheidung für das Regionale. Im Weiteren hatte und hat die Architekturausbildung in Liechtenstein einen guten Ruf. Ein gutes Gespräch mit Hansjörg Hilti hat mich dann für das „familiäre“ Studium in Vaduz überzeugen können. Damals war alles noch eine gute Nummer kleiner als heute. Die Studenten waren fast ausnahmslos aus der Region und unterrichtet wurde grossteils im Klassenverband. So sind die Studenten zusammengewachsen und wir konnten gegenseitig viel voneinander profitieren. Was sind für Dich die wichtigen Erfahrungen aus dem Studium, was hast Du als schönstes Erlebnis mitgenommen? Eine gute Erinnerung ist die an die Freiheit! Damit meine ich vor allem die Freiheit, Neues auszuprobieren und Fehler machen zu können. Zudem hat die Nähe zu den Entwurfsdozenten mir die Möglichkeit gegeben, deren Sichtweise auf die Kunst der Architektur kennenzulernen und auch zu

reflektieren. Diese offene Atmosphäre der Ateliers hat einem, zusammen mit den erfahrenen Dozenten, den Weg zum eigenen Architekturverständnis aufgetan. Das habe ich sehr genossen eigentlich hätte ich länger studieren sollen, aber ich habe mich wohl zu sehr beeilt! Was hast Du aus Deinem Studium für Deine jetzige Arbeit gelernt? Benedikt Loderer - seines Zeichens, Stadtwanderer und damals Chefredaktor der Zeitschrift Hochparterre - hat in seiner Rede, anlässlich unserer Diplomverleihung, erwähnt das wir jetzt den Jagdschein erhalten hätten, aber vom Jagen noch keine Ahnung hätten... Damit hatte er natürlich recht! Mittlerweile verstehe ich Architektur als Sprache und ich darf sagen, dass mir das Studium den Zugang zur ebendieser Sprache gezeigt hat. Man lernt im Studium den Grundwortschatz, büffelt viel Grammatik und versucht sich daran, die ersten Poesien zu verfassen - meistens mit überschaubarem Erfolg, aber später profitiert man sehr davon.

«Was ich auch gelernt habe, ist Geduld zu haben – auch mit mir selber.» Und Fleiss: Den Fleiss, etwas zu machen, um es gleich wieder zu verwerfen und nochmals neu anzufangen, um schlussendlich doch wieder auf den ersten Entwurf zurück zu kommen. Dadurch lernt man insbesondere damit umzugehen, Irrwege zu begehen. Aus all diesen Dingen habe ich sehr viel gelernt. Ein schönes Bild das Du da benutzt – Architektur als Sprache. Ja, ich verstehe Architektur als eine Sprache, die man auch nicht zwanghaft neu erfinden muss. Überhaupt nicht! Die Vokabeln und Wörter, die bereits existieren, werden von den Menschen auch verstanden. Allerdings muss man die Sprache korrekt sprechen können, Satzbau, Deklinationen etc. müssen korrekt angewendet werden. Jeder Mensch hat ein angeborenes „Gefühl“


beziehungsweise ein Verständnis für das korrekte Gefügte in der Architektur. Wird die Sprache der Architektur nicht richtig gesprochen, entsteht eine gebrochene Sprache. Man erkennt Sie meist auf den ersten Blick. Es handelt sich um die Gebäude, welche sich nicht in ihren Kontext einfügen. Dabei handelt es sich meist autistische Gebilde, gebaut aus Selbstgefallen. Gibt es für Dich Architekten oder Architekturstile die Vorbildcharakter haben? Ja sicher, viele! Es gibt aber nicht etwas Einzelnes oder Spezielles, das ich Dir nennen kann. Meine Überzeugung ist, dass es zu jeder Aufgabe eine Lösung gibt und diese muss man finden. Ich denke nicht, dass es eine Richtung in der Architektur oder einen Architekten gibt, der allgemeine „Richtigkeit“ besitzt. Wie gesagt: Das Ziel ist eine korrekte Lösung für die gestellte Aufgabe in ihrem Kontext - nur darum geht es. So ist das übrigens auch bei uns im Büro. Es gibt kein allgemeingültiges Leitbild, das überall passt, sondern es geht darum, so lange zu knobeln bis die passende Lösung für die Aufgabe und den Bauort gefunden ist. Was war bisher Dein Lieblingsprojekt? Gibt es das überhaupt? Schwierig. Nein, also ein Lieblingsprojekt gibt es nicht. Jedes Projekt braucht Herzblut. Von Kollegen habe ich gehört, dass sie bereits Projekte haben, die ihnen gar nicht liegen und irgendwie einfach nicht richtig gelingen wollen. Das habe ich zum Glück noch nicht erfahren. Die einen Projekte brauchen etwas mehr Aufwand und Arbeit und die anderen gehen leichter von der Hand. Aber ich habe kein „Lieblingsprojekt“. Momentan beschäftigt mich Laborgebäude der interstaatlichen Hochschule für Technik, NTB, in Buchs ein Projekt sehr und dieses liegt mir auch sehr am Herzen. Dabei handelt es sich um eine sehr komplexe und spannende Aufgabe. Wir arbeiten dort mit Fachplanern, Spezialisten und einem Nutzerteam der NTB sehr eng zusammen. Ein Laborgebäude ist eine sehr spezielle Aufgabe. Wie seid Ihr an dieses Projekt heran gegangen – wie arbeitet Ihr daran?

Was immer ganz wichtig ist, ist ein vorbehaltloser Dialog mit Bauherr und Nutzer. Man muss immer wieder Vorschläge unterbreiten und Fragen stellen, um so herauszufinden, wo des Pudels Kern vergraben ist. Gerade in der Frühentwicklung eines Projektes ist es unerlässlich alle Parameter zu berücksichtigen. Da ist es wichtig einfach mal vorzupreschen, Lösungsansätze aufzuzeigen und dann die Reaktion vis-à-vis abzuholen. Insbesondere bei einem komplexen Projekt, bei welchem viele Experten und Spezialisten beteiligt sind. Hier fällt dem Architekten auch die Rolle des Organisators zu. Es ist immens wichtig, die Fäden in der Hand zu behalten und darauf zu achten, dass einem kein Faden entgleitet und kein Fehler passiert.

«Unser Job ist auch ein Managementjob.» Planen und bauen ist zum Teamwork geworden. Die Zeiten, in denen Architekten alleine gearbeitet haben, sind vorbei. Ohne ein Netzwerk von Fachplanern und Spezialisten ist es heute nicht mehr möglich erfolgreich zu sein. Bisher hast Du in Deinem Beruf stets in der Praxis gearbeitet. Hast Du schon einmal sowas wie einen Lehrauftrag angenommen oder warst Du schon mal bei einer Forschung beteiligt? Nein, leider nicht. Das würde ich aber sehr gerne machen. Für mich wäre ein Austausch mit Studenten und Dozenten äusserst spannend und wünschenswert. Um diesen Austausch etwas zu fördern, arbeite ich im Vorstand des Architektur Forum Ostschweiz mit. Austausch mit Studierenden geht auch über andere Kanäle – sucht Ihr in der Regel auch Praktikanten? Immer, ja! Das ist etwas sehr wichtiges. Ich bin der Meinung, dass man den jungen Leuten die Chance geben sollte in die Praxis zu schnuppern und im Büro mitzuarbeiten. Besonders wichtig ist dies bei Studierenden, die nicht aus dem Berufsleben, sondern direkt von der Schule kommen. Andererseits erleben wir oft, dass diese Praktikanten mit frischen Ideen, viel Fachwissen und


neuen Hintergründen von der Universität kommen, welches für uns auch sehr schön ist. Wir suchen eigentlich immer nach fähigen Praktikanten. Das freut die uni.li Studierenden sicher! Zurück zu Dir: gibt es noch irgendeinen Ziel, das Du unbedingt noch in Deinem beruflichen Leben erreichen möchtest? Architektur zu machen!

«Ich muss nicht noch einen Eifelturm bauen.» Gibt es aus Deiner Sicht als Alumni unserer damals noch Fachhochschule eine Empfehlung für unsere Studierenden? Step-by-step! Sich Zeit lassen, einfach voraus schauen und eigene Erfahrungen machen. Das ist das Wichtigste, glaube ich! Probiert Sachen aus vielleicht auch Dinge, die man sich am Anfang nicht zutraut. Über den eigenen Schatten springen. Ich glaube, dass das für Architekten sehr wichtig ist. Freiheit aus dem System herauspicken und unbedingt ein Erasmussemester machen. In die Welt hinausgehen: reisen, Architektur in der ganzen Welt anschauen und andere Leute kennenlernen. Ich habe das Gefühl, dass das die Erfahrung ist, die man am Einfachsten in der Studienzeit machen kann. Bist Du beruflich in Kontakt mit anderen Alumni? Zu wenig, wirklich. Aber es gibt noch eine kleine Gruppe von guten Freundschaften, die während des Studiums gewachsen sind.

Zur Person René Finger, Absolvent der damaligen Fachhochschule Liechtenstein. Seit 2008 ist er selbständiger Architekt und Inhaber der Firma „Finger Architekten sia/fsai“ (www.fingerarchitekten.ch) in St. Gallen. Neben zahlreichen weiteren Wettbewerben gewann er auch die Ausschreibung zum Neubau des NTB Laborgebäude 2 in Buchs – sein bislang herausforderndstes Projekt. Vor seinem Architekturstudium an der uni.li, schloss René 1998 erfolgreich eine Lehre als Hochbauzeichner ab. Während seinem Masterstudium nahm er auch die Gelegenheit wahr, ein Auslandssemester in Portugal an der Universidade Moderna Setubal Portugal zu absolvieren. 2004 schloss er schliesslich sein Masterstudium an der Universität Liechtenstein ab.


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