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RECHTSHILFERECHTLICHE EIGENARTEN IN LIECHTENSTEIN
Bei der sogenannten «kleinen Rechtshilfe in Strafsachen» handelt es sich um einen in Strafverfahren mit grenzüberschreitendem Erhebungsbedarf angewandten Mechanismus. Bezogen auf die für Liechtenstein besonders relevante Übermittlung von Bankunterlagen wird untersucht, ob und inwieweit es «Liechtenstein’sche Eigenarten» gibt, ob diese fortbestehen und wenn ja, ob es einer Korrektur bedarf.
Einem Staat ist es grundsätzlich verwehrt, auf fremden Territorien hoheitliche Verfolgungshandlungen zur Aufklärung eines in seine Zuständigkeit fallenden Strafdeliktes zu setzen. Folglich kann dieser dort auch keine Beweise erheben und ist deshalb darauf angewiesen, dass der andere Staat Hilfe leistet und notwendige Verfolgungshandlungen vor- bzw. übernimmt. Während Strafverfahren mit Auslandsbezug früher eher die Ausnahme bildeten, hat die fortschreitende Technologisierung und Globalisierung die Lebensrealitäten derart geändert, dass heute kaum noch Strafverfahren ohne grenzüberschreitenden Erhebungsbedarf vorkommen. Um die Strafverfolgung nicht vor souveränitätskausalen Verfolgungsdefiziten kapitulieren zu lassen, bedarf es eines institutionalisierten Mechanismus grenzüberschreitender Hilfeleistung bei der Sammlung von Beweisen. Diesen Mechanismus nennt man die «kleine Rechtshilfe in Strafsachen». Nur wenn sich die Staaten gegenseitig unterstützen, können Verbrechen wirksam bekämpft werden, womit eine effektive Rechtshilfe zur Vorbedingung einer funktionierenden Strafverfolgung und der damit verfolgten Präventionsziele insgesamt wird.
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Rechtshilfefeindliche Jurisdiktionen sind somit «kriminellenfreundliche» Jurisdiktionen, die nicht nur der Strafverfolgung insgesamt schaden, sondern auch ihrer eigenen Reputation. Der Staatsgerichtshof hat in diesem Sinne bereits mehrfach festgehalten, dass gerade ein Kleinstaat wie Liechtenstein darauf angewiesen sei, «von der Völkergemeinschaft als kooperativer und solidarischer Partner akzeptiert zu werden»1, und erkennt auch die Regierung ein «unbestritten staatspolitisches Interesse»2 an einer schnellen und effektiven Rechtshilfe an. Solche Bekenntnisse verkommen aber dort zum sprichwörtlichen Feigenblatt, wo sie keine Entsprechung im nationalen Rechtsbestand finden, das inländische Rechtshilferegime also gerade keine schnelle und effektive Unterstützung gewährleistet. Dieser Kritik sah sich Liechtenstein in der Vergangenheit u.a. im Zusammenhang mit Rechtshilfeersuchen ausgesetzt, die in oder im Konnex mit österreichischen Wirtschaftsstrafverfahren gestellt wurden. So bezeichnete z.B. 2013 die ehemalige Vorsitzende des Korruptions-Untersuchungsausschusses, Gabriela Moser, die Rechtshilfeleistung in der BUWOG-Causa als «Schlag ins Gesicht der österreichischen Justiz»3 und setzte fort, dass «die Glaubwürdigkeit des österreichischen Rechtsstaats […] nicht […] von Liechtenstein’schen Eigenarten ruiniert werden»4 dürfe.
Ausgehend von dieser Kritik wird im Rahmen meines an der UFL im September 2022 abgeschlossenen Dissertationsprojekts bezogen auf die für Liechtenstein besonders relevante Übermittlung von Bankunterlagen untersucht, von welchen «Liechtenstein’schen Eigenarten» des kleinen Rechtshilfeverkehrs gesprochen wurde, ob diese fortbestehen und wenn ja, ob sie von solcher Qualität sind, dass sie einer Korrektur bedürfen.
In diesem Sinne werden in einem ersten Kapitel die grundlegenden Fragestellungen zur kleinen Rechtshilfe beantwortet, insbesondere wird auch auf die Rechtsnatur des Instituts eingegangen und dieses von anderen Mechanismen behördlicher Zusammenarbeit abgegrenzt. In einem zweiten Kapitel wird die historische Entwicklung des liechtensteinischen Rechtshilferechtes dargestellt, um einerseits ein ausreichendes Fundament für die inhaltliche Befassung mit der Thematik im Hauptteil zu geben, andererseits um das Verständnis für allenfalls später auszumachende Eigenheiten zu schärfen. Im Hauptteil wird die Übermittlung von Bankunterlagen integral untersucht, wozu die Erörterung der Struktur des Rechtshilferechts, die Beschreibung der Rechtsquellen und deren Verhältnis zueinander, die Systematisierung der Bankunterlage als Objekt des Beweistransfers und die Darstellung der materiellen Voraussetzung der Rechtshilfeleistung samt der dieser entgegenstehenden Rechtshilfehindernisse ebenso gehören, wie jene der Verfahrensgrundsätze, des Verfahrensablaufes und der dem Betroffenen zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten. Um dem Anspruch einer möglichst vollständigen Bearbeitung gerecht zu werden, werden dabei über 750 inländische, teils unveröffentlichte Gerichtsentscheidungen eingearbeitet.
Als Resümee der Untersuchung lässt sich festhalten, dass sich das liechtensteinische Rechtshilferecht seit 2013 erheblich verändert hat, allerdings nach wie vor bestimmte Eigenheiten auszumachen sind, die den inländischen Rechtsbestand von verwandten Rechtsordnungen abhebt. Wesentlich ist dabei nicht zuletzt die Erkenntnis, dass sich diese Eigenheiten nicht ausschliesslich aus dem Rechtshilferecht selbst ergeben, wie z.B. der Rechtszug an den Staatsgerichtshof zeigt.
— Gregor Hirn, Staatsanwalt bei der Liechtensteinischen Staatsanwaltschaft in Vaduz, Doktorand an der Privaten Universität im Fürstentum Liechtenstein (UFL)
1 Statt vieler: StGH 2000/28 Erw 3.2 LES 2003, 243. 2 BuA 55/2000, 2. 3 APA, Der Kurier, Grasser-Akten «extrem» geschwärzt, www.kurier.at/ politik/inland/causa-buwog-grasser-akten-aus-liechtenstein-extremgeschwaerzt/2.619.927, Onlineabfrage (14.08.2022). 4 Ebd.