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REGULIERTE FONDSBEZOGENE VERTRIEBSTÄTIGKEITEN Von der Fondsrechtsgeschichte zum Konzept

Die Regulierung fondsbezogener Vertriebstätigkeiten zählt seit jeher zu den anspruchsvollen Gebieten im Finanzmarktrecht. In der Praxis ist oft unklar, ob eine bestimmte fondsbezogene Vertriebstätigkeit als reguliert gilt. Dem kann mit einem Prüfschema entgegengewirkt werden, das eine strukturierte und umfassende rechtliche Qualifikation erlaubt.

In der Schweiz wurden die ersten Anlagefonds in den 1930er-Jahren gegründet. Geprägt vom angelsächsischen Raum kam die Idee auf, dem Kleinsparer 1 die Möglichkeit zu geben, das angesparte Vermögen professionell verwalten zu lassen. Bereits vor der ersten Regulierung in den 1960er-Jahren wurde erkannt, dass die positive Entwicklung dieser für die damalige Zeit neuen Investitionsform eng mit Vertriebstätigkeiten im Zusammenhang stand. Fondsbezogenen Vertriebstätigkeiten wurden seit dem Aufkommen der Fondsbewegung in der Schweiz grosse Bedeutung beigemessen.2

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Obwohl das Schweizer Fondsrecht seit rund 60 Jahren existiert, ist bis heute oftmals unklar, in welchen Fällen eine regulierte fondsbezogene Vertriebstätigkeit vorliegt. Die Regulierung fondsbezogener Vertriebstätigkeit in der Schweiz gilt als komplex und unübersichtlich. Das Ziel meiner Untersuchung bestand darin, das Schweizer Fondsrecht mit Fokus auf den fondsbezogenen Vertriebsbereich von den Anfängen bis in die Gegenwart zu untersuchen und simplifiziert darzustellen, um einem breiten Kreis von Lesern den Einstieg in dieses anspruchsvolle Rechtsgebiet zu erleichtern und Erkenntnisse aus der Vergangenheit auf die aktuelle Regulierung systematisch anzuwenden.

Aus der systematischen Erfassung der Rechtsmaterialien liess sich ableiten, dass sich das Schweizer Fondsrecht im Wesentlichen in fünf wegweisende Fondsrechtsetappen unterteilen lässt. Die erste Etappe des Schweizer Fondsrechts begann mit der Inkraftsetzung des Anlagefondsgesetzes von 1966. Anzuknüpfen war auf Vertriebsebene primär an die öffentliche Werbung als Rechtsbegriff. In einer zweiten Fondsrechtsetappe wurde das Anlagefondsgesetz durch das revidierte Anlagefondsgesetz von 1994 ersetzt. Der Begriff der «öffentlichen Werbung» als Anknüpfungspunkt blieb erhalten. Eine dritte Etappe im Schweizer Fondsrecht folgte mit der Einführung des Kollektivanlagegesetzes von 2006. Für die rechtliche Qualifikation fondsbezogener Vertriebstätigkeiten knüpfte man weiterhin an die öffentliche Werbung an. In einer vierten Etappe des Schweizer Fondsrechts trat das revidierte Kollektivanlagegesetz von 2013 in Kraft. In dieser Etappe wurde der Begriff des «Vertriebs» eingeführt. Ob eine fondsbezogene Vertriebstätigkeit vorlag, stand und fiel mit der Anknüpfung an den Rechtsbegriff des Vertriebs. Ausserdem wurden regulatorische Ausnahmetatbestände zum Vertrieb rechtlich verankert. Gegenwärtig – in der fünften Etappe des Schweizer Fondsrechts – gilt das Kollektivanlagegesetz von 2013 in überarbeiteter Version primär nur auf Produktebene. Fondsbezogene Vertriebstätigkeiten werden neu durch das Finanzdienstleistungsgesetz von 2020 geregelt. Auf Institutsebene kommt das Finanzinstitutsgesetz von 2020 zur Anwendung. Aktuell ist im fondsbezogenen Vertriebsbereich zwischen der Finanzdienstleistung, dem Angebot und der Werbung zu unterscheiden. Der Begriff des Vertriebs gilt in der fünften Etappe des Schweizer Fondsrechts rechtlich nicht mehr als Anknüpfungspunkt.

Nach Unterteilung des Schweizer Fondsrechts in fünf Etappen wurde die Untersuchung weiter ausgeführt. Es wurden insbesondere die Kriterien, welche eine rechtliche Qualifikation regulierter fondsbezogener Vertriebstätigkeiten erlauben, für jede einzelne Fondsrechtsetappe dargelegt. Aus den anwendbaren Kriterien für die rechtliche Qualifikation regulierter fondsbezogener Vertriebstätigkeiten liess sich ein Prüfschema entwickeln. Das Prüfschema stellt im Wesentlichen auf (i) den respektive die in der jeweiligen Fondsrechtsetappe anwendbaren Rechtsbegriff(-e) auf Vertriebsebene als Anknüpfungspunkt, (ii) den Bezug zu einem Fondsprodukt und (iii) das Abzielen auf die Zeichnung von Anteilsscheinen ab, wobei (iv) die Form der ausgeübten Vertriebstätigkeiten sowie (v) die Vermittler im Fondsbereich nicht massgebend für rechtliche Qualifikation fondsbezogener Vertriebstätigkeiten sind. In einem letzten Schritt gilt es zu prüfen, ob (vi) eine regulatorische Ausnahmeregelung auf Vertriebsebene vorliegt. Dieses Prüfschema trägt dazu bei, regulierte fondsbezogene Vertriebstätigkeiten nach gegenwärtigem Recht zutreffend qualifizieren zu können.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Untersuchung mit einer systematischen Analyse der Schweizer Fondsrechtsgeschichte startete und zu einem Prüfkonzept führte, welches heute zweckmässig bei der rechtlichen Qualifikation fondsbezogener Vertriebstätigkeiten eingesetzt werden kann.

Mercedes Nieto, Head of Legal, Petiole Asset Management, Doktorandin an der Privaten Universität im Fürstentum Liechtenstein (UFL)

1 Der besseren Leserbarkeit halber wird vorliegend das generische Maskulinum verwendet. 2 Vgl. zum Ganzen: Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Anlagefonds vom 23. November 1965, BBI 1965, 264 ff.

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