ISSN 1862-4154 Preis: 5,– € Ausgabe 3.12
Die Donauregion wird europäisch
Alles im Fluss Ungleiche Brüder Wie Ost und West zueinanderfinden Weite Wege Wovon Wirtschaft und Umwelt profitieren Gutes Leben Was Menschen forttreibt Inspirierende Nachbarn Wie sich Universitäten vernetzen
Moderne Gebäudetechnik, die Sie überzeugen wird Energieeffizienz, Komfort, Sicherheit und Kostenersparnis. siemens.at/icbt Bei Siemens Building Technologies ist das Ganze mehr als die Summe seiner Einzelteile: Integrierte Gesamtlösungen vernetzen unterschiedliche Disziplinen der Gebäudetechnik und sorgen für maximale Energieeffizienz sowie optimalen Schutz und Sicherheit für Menschen und Werte. Wir bieten intelligente Infrastrukturlösungen für Industrie-, und Zweckbauten, Wohngebäude, öffentliche Einrichtungen aber auch Tunnelbauten. Unser Portfolio umfasst Gebäudeautomationssysteme, Regelungsanlagen für Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen, Zutrittskontrolle, Identifiationssysteme, Technik für Brandschutz, Evakuierung, Löschen und Gefahrenmanagement, Einbruch-
meldung und Videoüberwachung. Gerade bei komplexen Einsatzgebieten, wie Flughäfen, Krankenhäusern, Rechenzentren, Hotels, Elektrizitätswerken und Industrieproduktionen gewährleistet eine intelligente Integration verschiedener Gewerke in vernetzte Gesamtlösungen ein Höchstmaß an Produktivität, Flexibilität, Komfort, Zuverlässigkeit und Benutzerfreundlichkeit. Siemens AG Österreich Building Technologies Division 1210 Wien Siemensstraße 90 Telefon 05 1707-32000, ibt.at@siemens.com
Infrastructure & Cities Sector
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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, wer in Krems und seiner Umgebung lebt, ist verwöhnt: So nah an Wachau und Donau zu wohnen oder zu arbeiten, hat etwas Beglückendes – gerade jetzt im Herbst. Es gibt Tage, da ist es schlicht unmöglich, sich diesem Fluss durch Unachtsamkeit zu entziehen, so einnehmend fließt er in seiner strahlenden Gelassenheit dahin. Und mit ihm zieht eine Ahnung von der Weite jenseits unseres Horizonts in uns auf: 2857 Kilometer von der Quelle bis ans Schwarze Meer, zehn Anrainerstaaten, 17 offizielle Landessprachen – wobei das Gefälle zwischen den Ländern weit höher ist als das des Flusses.
UNIV.-PROF. DR. JÜRGEN WILLER Rektor Donau-Universität Krems
Der Donauraum ist so vielfältig, dass es unmöglich scheint, ihn in einem Heft zu erfassen. Deshalb haben wir uns konzentriert auf das, was uns besonders am Herzen liegt: die Wissenslandschaft in dieser Region, Europa, die Menschen und die Brücken, welche die Ufer und die Kulturen verbinden. Denn an der Donau wächst Europa zusammen, sie ist der Fluss der Einheit. Die Donauländer haben sich aufgemacht – wirtschaftlich, kulturell, politisch. Das kann man an der Binnenschifffahrt genauso ablesen wie am Tourismus, an Kunstprojekten wie an der Vernetzung der Universitäten. Doch der Weg ist noch weit, die Donauraumstrategie der Europäischen Union nur einer von vielen Schritten, die noch zu gehen sind. Neben Aufschwung und Kooperationen sind auch Abwanderung, Demokratiedefizite, Bildungsgefälle zu beobachten. In upgrade finden Sie deshalb diesmal auch widerstreitende Beobachtungen: Neben Aufbrüchen stehen kritische Worte, in scheinbar abgehängten Regionen fanden wir unerwarteten Unternehmermut. Leben am Fluss, Leben in Fluss: Die Donau-Universität Krems und der Strom, der ihr den Namen gab, passen zueinander. Beide sind in Bewegung, beide schaffen Verbindungen, beide können so etwas wie eine landschaftliche oder geistige Heimat sein. Die Universität für Weiterbildung ist nicht nur geografisch Teil des Donauraums, sie ist auch eine Akteurin, die diese Wissensregion mitgestaltet. Nicht zuletzt deshalb sind wir, trotz schwieriger Herausforderungen, optimistisch, dass dieses ambitionierte europäische Projekt gelingen wird. Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen
Besuchen Sie unsere Website! Alle Ausgaben von upgrade gibt es auch im Internet: www.donau-uni.ac.at/ upgrade
Ihr Jürgen Willer
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Themenschwerpunkt: Donauraum
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Raum, Land, Fluss Im Donauraum sollen Ost und West zusammenfinden. Aber wie wird eine europapolitische Wunschvorstellung Wirklichkeit? Noch sind die Länder entlang der Donau vor allem eines: verschieden.
Ich lasse mich treiben Thomas Bauer ist mit dem Kanu von Regensburg bis an das Schwarze Meer gepaddelt. Dabei wurde er auch mal nass.
Cover: Lars Hoffmann
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So weit das Auge reicht
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Wir haben neue Freunde
Wasserstraße, Tourismusgebiet, Ökoreservat – der Donauraum hat viele Potenziale. Wie aber kommen die verschiedenen Interessen der Wirtschaft und Naturschützer in Einklang?
Die Arbeitsgemeinschaft Donauländer will die Region sichtbarer machen. Ein Gespräch mit ihrem Generalsekretär Peter de Martin.
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Für ein gutes Leben
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Wo man lernen kann
Im Donauraum ist Bewegung: Menschen ziehen vom Land in die Stadt, vom Osten in den Westen. Einige ziehen hoffnungsvoll, andere verzweifelt. Eine Bereicherung sind die Migranten fast immer.
Sie kommen aus Ungarn, Kroatien und Bulgarien und studieren in Krems: Vier Studenten erzählen, was sie mit der Donau verbindet.
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Neues aus der Donau-Universität Krems
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Gute Nachbarschaft Die Donau-Universität Krems setzt sich für ein wissenschaftliches Netzwerk im Donauraum ein – ein Mittel ist die Konferenz der Donaurektoren.
Aufschwung im Kopf „Flow“ heißt ein Festival, bei dem junge Künstler und Wissenschaftler im bulgarischen Ruse zusammenkommen – ein Glücksfall für Teilnehmer wie Besucher.
Meinung Zahlen & Fakten Termine Buchtipps
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Was forschen Sie?
Besessen von Literatur
Die Germanistin Christine Grond leitet das Archiv der Zeitgenossen an der Donau-Universität Krems. Internationale Kooperationen
Agent Innovateur
Das Pojekt „EU-Drivers“ treibt Innovationen voran, indem es das Zusammenwirken von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik erforscht. Alumni-Porträt
Pionier der Donauschifffahrt
Robert Groiss – ein Experte für Container studiert Logistik.
Editorial Universitätsleben Alumni-Club Kunst & Kultur Vorschau/Impressum Archiv
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Die bilder dieser ausgabe Was wäre ein Fluss ohne die Menschen, die an ihm leben, die ihn befahren, besingen und manchmal auch fürchten? Nicht viel mehr als eine Menge Wasser. Deshalb zeigen wir Ihnen Männer und Frauen von den Ufern der Donau. Und wir zeigen die Brücken, über welche die Menschen gehen und fahren, um einander zu begegnen. Denn die Donau ist keine unüberwindbare Grenze mehr, sondern ein wahrlich europäischer Strom.
Deutschland
Begegnungen an der Donau Sie bezeichnen sich als „Glücksritter im roten Kanu“, der Fotograf und der Autor dieses Buches. Mehr als 2500 Kilometer sind die beiden die Donau hinunter bis ans Schwarze Meer gefahren, mit Notizblock und Kamera und einem „Erinnerungs-Schleppnetz“, in dem wunderbar erfüllende Bilder und Geschichten hängenblieben. Die Fotos begleiten Sie nun auf Ihrer Reise durch diese upgrade-Ausgabe und mit ihr die Donau hinab, bis diese in hunderten Flussarmen zerfasert und sich schließlich im Meer verliert.
Österreich
Kroatien
Gesichter der Donau – Ein Fotograf und ein Autor im Kanu zum Schwarzen Meer? Die fantastische Reiseerzählung der Donauten Lars und Niels Hoffmann Edition Morizaner, Waren 2010 www.cold-nose.de
Ungarn Slowakei
Serbien
Wege über die Donau 295 Brücken queren die Donau, die meisten sind für Autos be-
fahrbar, nur 52 von ihnen sind Eisenbahn- und 38 Radwegbrücken. Hinzu kommen 47 Brücken der schiffbaren Nebenarme. Macht 342: So viele Brücken hat der ungarische Fotokünstler Peter Gyukics für sein Buch fotografiert. Ihnen folgt der Leser in Fließrichtung und erfährt dabei Konstruktionsweisen und Baumerkmale, aber auch Zerstörungen und Umbauten. Sprechende Namen wie Schwedenbrücke oder Friedensbrücke erzählen von Krieg und der Hoffnung auf sein Ende.
Rumänien
Bulgarien
Donaubrücken vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer Fotos: Peter Gyukics, Yuki Studio, 2010
Moldawien
Schwarzes Meer
www.bruckenfotos.com
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Ukraine
Meinung 7
Es gibt keine Freiheit ohne Pressefreiheit Viele Demokratien im Donauraum sind noch jung. Ihre Fragilität zeigt sich in Angriffen auf die Unabhängigkeit der Medien. Wollen die Donauländer ganz zu Europa gehören, müssen sie ihre Sendeanstalten und Verlage stärken und endlich von der Leine lassen. Von Rubina Möhring
W
Illustration: Frederic Rätsch (S. 6), Foto: privat (S. 7)
Rubina MöhRing Dr. Rubina Möhring ist Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. Der Verein setzt sich weltweit für die Pressefreiheit ein. Möhring war Redakteurin der Tageszeitung „Die Presse“ und Redaktionsleiterin von ORF-3sat. Sie ist Herausgeberin von „Press Freedom Now – Zeitschrift für freie Information“. An der Donau-Universität Krems ist Möhring im Beirat des Zentrums für Journalismus und Kommunikationsmanagement.
ozu dieses Pochen auf Pressefreiheit? Journalisten schöpfen ihre Möglichkeiten oft doch eh schon bis zur Unerträglichkeit aus! So der Tenor an Stammtischen auch in demokratie-verwöhnten Gesellschaften. Die Verachtung der Medien aber trifft die Demokratie mitten ins Herz. Wo das freie Wort und unbehinderte Recherchen keinen Raum haben, ist es um das demokratische Bewusstsein nicht gut gestellt. Das gilt für erprobte demokratische Systeme genauso wie für die jungen Demokratien im Donauraum. Wer beim Fall des Eisernen Vorhangs geboren wurde, ist heute etwa 23 Jahre alt. Die Mehrheit der Bevölkerungen und Regierenden wurde noch durch autoritäre Regime geprägt. In ökonomischen Krisen weckt diese mangelnde demokratische Tradition wieder Sehnsucht nach einer starken Hand. Dabei wurden die Weichen in Richtung Demokratie zunächst hoffnungsfroh umgestellt. Auch die Installierung der OSZE-Institution „Representative on Freedom of the Media“ Anfang der 90er Jahre ist Ausdruck des Wunsches nach demokratischem Aufbruch. Heute sind in dieser in Wien angesiedelten Organisation neuerlich Fronten zwischen „East and West of Vienna“ spürbar. Nur knapp 215 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Wien und Budapest. Dort kontrolliert unter Ministerpräsident Orban eine neu geschaffene Behörde die Medien eisern: Die öffentlich-rechtlichen Sender wurden mit der nationalen Nachrichtenagentur zusammengelegt, für konforme Information ist damit gesorgt. Unklar ist, ob etwa das kritische
„Club Radio“ weiterhin Sendefrequenzen erhält. Statt intellektueller Diskussionen gibt es nun Volksmusik. Auf der Rangliste für Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen rutschte Ungarn deshalb von Platz 23 auf Rang 40 ab. Wie sich die Medien in Serbien nach dem jüngsten Wahlsieg des Nationalisten Tomislav Nikolic entwickeln werden, ist noch nicht abzusehen. Im Donauraum beeinträchtigen auch Wirtschaftskrisen eine seriöse Berichterstattung. Medien werden für private oder kriminelle Interessen missbraucht, Journalisten miserabel bezahlt, was sie für Selbstzensur anfällig macht. Gefährdete Medienvertreter werden durch Recht und Polizei oft eher abqualifiziert als geschützt. Demokratie ist eine staatspolitische Utopie, die besonders schwer zu praktizieren ist. Sie fordert enorm viel Toleranz – auch gegenüber kritischer Berichterstattung. Demokratiebewusstsein zu erlernen, ist ein langwieriger Prozess, das wissen wir aus der eigenen Geschichte. Umso mehr ist es unsere Pflicht, ein wachsames Auge auf die Mediensituation aller Länder zu werfen, ob vor Ort oder in den Staaten östlich von Wien, und aktiv den aufrechten Gang ihrer Medienmacher zu unterstützen. Reporter ohne Grenzen Österreich tut dies auch durch die Verleihung des „Press Freedom Award – A Signal to Europe“ an Journalisten und Journalistinnen in Ostund Südosteuropa.
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www.rog.at
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und ist wurde 1941 gebaut nz Li in ke Ăźc br en tion finden Die Nibelung digen Stahlkonstruk an llw vo r de f Au . 250 Meter lang leise Platz. d zwei StraĂ&#x;enbahng un en eif str hr Fa s ch se upgrade 3/2012
Raum, Land, Fluss Im Donauraum sollen West und Ost zusammenfinden. Aber wie wird eine europapolitische Wunschvorstellung Wirklichkeit? Noch sind die Regionen entlang der Donau vor allem eines: hรถchst verschieden. Von Elisa Holz
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ür Franz Dold gibt es keinen Zweifel. In der Abgeschiedenheit hinter seinem Hof im Schwarzwald entspringt mit der Breg die Donau und nirgendwo anders. Schon gar nicht in Donaueschingen, auch wenn dies das Adelshaus zu Fürstenberg behauptet. Aber vom Adel lässt Franz Dold sich nicht den Schneid abkaufen. „Quellenwirt“ nennt sich der Mann mit dem weichen schwäbischen Akzent und dem aufwändig gezwirbelten Schnurrbart. Der Klang- und Videokünstler Kristof Georgen hat Dold für seine Dokumentation über die Donau „Bis zum Meere 2840 Kilometer“ besucht und lange mit ihm gesprochen. Er ist nur einer von vielen Protagonisten, die in dieser Audio- und Videoinstallation für die Kremser Kunsthalle zu Wort kommen. Aber er gibt gleich zu Beginn den Ton an. Der Ton ist dissonant. Der kuriose Streit um die Donauquelle währt schon einige Jahrhunderte und konnte bis heute nicht endgültig beigelegt werden. Schließlich ist die Donau nicht irgendein Fluss, sondern eine gigantische Wasserader, die den Kontinent von West nach Ost durchfließt und schließlich im ru-
Auf den Punkt gebracht
• 2857 Kilometer sind es von
der Donauquelle bis zur Mündung. Die Donau ist nach der Wolga der zweitlängste Fluss Europas.
• Die Donau fließt durch
Deutschland, Österreich, die Slowakei und Ungarn, bildet die Grenze zwischen Serbien und Kroatien, Rumänien und Bulgarien; für 570 Meter berührt sie Moldawien, für ein paar Kilometer die Ukraine.
• Der Donauraum umfasst 115 Millionen Einwohner. Diese verständigen sich in 17 offiziellen Landessprachen.
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mänischen Sulina ins Schwarze Meer mündet. Dort haben die Menschen größere Probleme als an der Quelle. Sie leben in bitterer Armut. Als Georgen auf seiner Reise entlang der Donau im Januar 2011 in Sulina eintraf, war das Donaudelta teilweise zugefroren. Die Bewohner hackten Löcher ins Eis, um an Fisch zu kommen. Georgen war betroffen ob der schwierigen Lebensbedingungen: „Hier kann man wegen der abseitigen Lage nur schwer existieren, insbesondere im Winter.“ Zwischen den Weiten im Mündungsgebiet der Donau und dem Tann hinter dem Hof von Franz Dold liegen eben Welten. Und 2857 Kilometer Fluss – von der Mündung bis zur Quelle gezählt, was für die Rumänen in Sulina vor allem eine zentrale Frage aufwirft: Sind wir hier der Anfang oder das Ende von Europa?
„Dass ich die Donauregion entdeckt habe, hat mein Leben verändert. Der Weg nach osten war mir einfach nicht bewusst, obwohl ich an der Quelle im schwarzwald aufgewachsen bin.“ Kristof Georgen
Das Wasser verbindet und grenzt ab Wasser verbindet. Ein Diktum, das im Falle der Donau immer nur begrenzt gültig gewesen ist. Zwar war der Fluss im 18. und 19. Jahrhundert eine wichtige Handelsroute und damit auch Überbringer kultureller Errungenschaften von West nach Ost beziehungsweise von Agrarprodukten in umgekehrter Richtung. Auch Pilger und Reisende befuhren seit jeher den Fluss. Es gab Migrationswellen wie beispielsweise die der Donauschwaben, die in Ungarn, im rumänischen Banat oder Siebenbürgen siedelten. Und es gab seit jeher Initiativen, die Donauländer über Kultur oder Sport zusammenzubringen – auch schon zu Zeiten des Kalten Krieges. Natürlich schafft auch das Leben am Fluss Gemeinsamkeiten durch prägende Erfahrungen wie Hochwasser oder Umweltkatastrophen, von denen der Donauraum nicht wenige gesehen hat. Dennoch waren und sind die Lebenswelten der Menschen, die entlang des zweitgrößten europäischen Flusses leben, in hohem Maße disparat. Sie spiegeln die komplexe Geschichte sowie die schwierige Gegenwart Europas wider. Die Donau passiert zehn Staaten: Beginnend in Deutschland, fließt sie durch Österreich, die Slowakei und Ungarn, bildet die Grenze zwischen Kroatien und Serbien sowie zwischen Rumänien und Bulgarien und zieht dann noch einige Kilometer durch Moldawien und die Ukraine, bevor sie ins Schwar-
KRistoF GeoRGen Kristof Georgen ist bilden der Künstler, er lebt in Stuttgart und Wien, gebo ren wurde er 1965 in St. Georgen im Schwarzwald. Seit 2002 unterrichtet er an verschiedenen Kunsthoch schulen, unter anderem Klangkunst und Bildhauerei. Georgen gewann zahlreiche Preise und Wettbewerbe. Viele seiner Werke sind Au dioinstallationen im öffentli chen Raum.
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„Die Menschen haben gelernt, auf subversive Weise die Gesetze und Zugriffe der staatsmächte zu umgehen, weil sie an ihnen nichts ändern konnten und keine teilhabe hatten.“ Prof. Klaus Roth
ze Meer mündet. Zu ihrem Einzugsbereich gehören zahlreiche weitere Staaten, darunter die Schweiz und Italien, aber auch Bosnien und Montenegro. Die Menschen im Donauraum, die ein Fünftel der EU-Bevölkerung stellen, gehören vielfältigen Volksgruppen und Nationalitäten an. Es gibt 17 offizielle Landessprachen, von denen viele nicht artverwandt sind, was das gegenseitige Verständnis nicht erleichtert. Auch die Wirtschaftskraft der Staaten nimmt von West nach Ost stark ab. Das liegt auch daran, dass die Länder im Einzugsbereich des Flusses eine fundamental unterschiedliche Geschichte haben. So wurden Österreich und Ungarn am Oberlauf der Donau einst vom Hause Habsburg beherrscht, die Länder des Unterlaufs hingegen waren über Jahrhunderte Teil des Osmanischen Reiches. Die Donau fungierte als Grenze zwischen beiden Imperien. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam mit dem Kalten Krieg eine vertikale Trennlinie hinzu, der Eiserne Vorhang. Hinter Österreich floss die Donau bis 1990 durch den Ostblock. Die da oben, wir hier unten
Fotos: Peter Gyukics (S. 8, 9), privat (S. 10, 11)
KLaus Roth Univ.Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Roth ist emeritierter Professor des Instituts für Volkskunde/Europäische Ethnologie an der Ludwig MaximiliansUniversität in München. Er gilt als ausge wiesener Experte für Süd osteuropa. 2011 wurde ihm in Wien der Danubius Award für besondere wissenschaftliche Leistungen in Bezug auf den Donauraum verliehen.
Dass wir heute in Europa überhaupt einen Donauraum denken können, liegt maßgeblich am Ende des Kalten Krieges, den friedlichen Revolutionen ab 1989 und an der Erweiterung der Europäischen Union, die mittlerweile acht der Donauanrainerstaaten zu ihren Mitgliedern zählt. Im vergangenen Jahr nun hat die EU eine groß angelegte „Donauraumstrategie“ (EUSDR) ins Leben gerufen. Die Strategie ist auf das gesamte Donaubecken ausgerichtet und fußt auf vier Säulen: Anbindung, Umweltschutz, Aufbau von Wohlstand sowie Stärkung des Donauraums. Diese vier Säulen sind weiter in elf Schwerpunktbereiche unterteilt. Nationale Koordinatoren sollen die Umsetzung einzelner Projekte überwachen, die von den Staaten des Donauraums vorgeschlagen werden. Ziel der Strategie ist es, für die 115 Millionen Einwohner des Donauraums „eine sichere, wohlhabende und auf Chancengleichheit beruhende“ Region zu schaffen – ein hoher Anspruch und ein neuer Ansatz europäischer Regionalpolitik. Nach der Ostsee ist der Donauraum damit die zweite „Makroregion“ der Europäischen Union.
Doch bislang ist dieser Donauraum primär ein politisches Konstrukt. Von einer gemeinsamen Identität, einem Zusammengehörigkeitsgefühl und wirklich enger Zusammenarbeit zwischen den Regionen und Institutionen sind die Länder entlang der Donau bis auf Ausnahmen noch weit entfernt. Zu unterschiedlich sind die historischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen in den einzelnen Staaten, was in Folge der andauernden Wirtschafts- und Finanzkrise überdeutlich wird. Aufgrund dieser Krisen ist auch ein grundlegender sozio-kultureller Unterschied im Donauraum zutage getreten, dem Brüssel bislang kaum Beachtung geschenkt hat. Die Jahrhunderte währende Fremdherrschaft der großen Weltreiche, gefolgt von repressiven kommunistischen Regimen, hat in der Alltagskultur der Gesellschaften Südosteuropas tiefe Spuren hinterlassen. „Die Menschen haben gelernt, auf subversive Weise die Gesetze und Zugriffe der Staatsmächte zu umgehen, weil sie an ihnen nichts ändern konnten und keine Teilhabe hatten“, erklärt Klaus Roth, mittlerweile emeritierter Professor für Europäische Ethnologie in München und ausgewiesener Experte für Südosteuropa. In vielen Ländern Südosteuropas vertraue man bis heute mehr auf Familie, Freunde und Nachbarn als auf die Gesetze, Institutionen und Repräsentanten des Staates, hat Roth beobachtet. „Die da oben, wir hier unten“, das sei die vorherrschende Haltung, die über Jahrhunderte hinweg Klientelismus, Patronage und Vetternwirtschaft notwendig gemacht und gefördert hat. Westeuropa hingegen funktioniert auf der Basis gemeinsamer politischer und rechtlicher Werte, die Bürger haben zumindest prinzipiell Vertrauen in Institutionen und Systeme. Mit der EU-Südosterweiterung trafen diese zwei historisch fundamental unterschiedlich gewachsenen Kulturen aufeinander. alltag frisst Zukunft Roth betrachtet die Entwicklungen seit der EU-Osterweiterung mit Sorge, das Wirken der Europäischen Union mit Skepsis. „Die EU hat diese historisch gewachsenen Strategien der Menschen bei ihrer Erweiterung völlig außer Acht gelassen und stattdessen auf die üblichen Formalismen gesetzt“,
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stellt Klaus Roth fest. Doch diese Herangehensweise, die allein auf die Effizienz von Systemen und Institutionen vertraut, funktioniere nicht so, wie von Brüssel erhofft. Im Gegenteil: Die „bewusste Kulturblindheit“ bei der Aufnahme von Staaten wie Rumänien und Bulgarien führe nun zu schweren Verwerfungen. „Es besteht die Gefahr, dass die postsozialistische Alltagskultur über die Politik siegt“, warnt der Ethnologe. So habe die Europäische Union mit dem „Allheilmittel“ der Subvention zwar ökonomische Anreize für Entwicklung und Integration gesetzt, dadurch aber auch das klientelistische System in diesen Ländern mit viel Geld erst richtig erblühen lassen. Die Teilhabe an Europa beschränke sich weitgehend auf die neuen, alten Eliten, mit denen Brüssel ohne Skrupel verhandelt habe. Sie haben sich den Staat zu eigen gemacht und eine „Als-ob-Demokratie“ errichtet – so bezeichnet der Politologe Nicolas Hayoz das Phänomen. Jüngstes Beispiel: der versuchte Staatsstreich in Rumänien. Die Folgen sind fatal. Anstatt in einem gemeinsamen Europa anzukommen, wende sich eine breite Masse der Bevölkerung zurück in die Vergangenheit: Revanchismus, Nationalismus, ethnische Spannungen und Verklärung der sozialistischen Vergangenheit erleben im osteuropäischen Donauraum gerade eine Renaissance, hat Klaus Roth beobachtet. Viele Menschen fliehen ihre Gegenwart – und ihre Zukunft. „Dass die EU als riesige Chance gesehen wurde, die Zeiten sind vorbei“, konstatiert der Ethnologe. Was könne man einem einfachen rumänischen Arbeiter oder einem armen bulgarischen Bauern schon für die Zukunft versprechen, der im von Menschen verlassenen Hinterland die Stellung hält? Klaus Roth ist wenig optimis-tisch: „Ich mag kein Süßholz mehr raspeln, wie schön und bunt es im Donauraum ist.“ Kooperation aus eigennutz In Brüssel sieht man die Entwicklung eines Donauraums indes auf gutem Wege. Um sich ein Bild an Ort und Stelle zu machen und die Ziele und Anliegen der neuen Donauraumstrategie zu erläutern, hat der EUKommissar für Regionalpolitik, Johannes Hahn, erst in diesem Sommer eine Blitztour durch sieben Donauländer absolviert. Im In-
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ternet hat er über seine Reise ein Video-Tagebuch geführt. Man sieht einen nimmermüden Kommissar stets umringt von einem großen Tross an Mitarbeitern, Ministern, Projektleitern. Östlich von Wien lobt Johannes Hahn an Bord eines Donaudampfers das „flussbauliche Gesamtprojekt“, das neue Rahmenbedingungen für eine bessere Schiffbarkeit der Donau schaffen soll. In Budapest besucht Hahn das zentrale AbwasserKlärwerk, im serbischen Novi Sad begutachtet er den Bau einer Donau-Brücke und in Bulgarien wohnt er den Einweihungsfeierlichkeiten des „Trakia Motorway“ bei, der Sofia mit dem Schwarzen Meer verbinden soll. Das Leitmotiv der Reise ist klar: Verbindungen schaffen.
„Die Länder, die von der Donauraumstrategie umfasst werden, haben trotz ihrer unterschiedlichkeit gemeinsame herausforderungen zu bewältigen. Die gemeinsamen Probleme und Chancen verbinden.“
noch einen Gang zulegen
Dr. Johannes Hahn
Die Vorteile solcher Verbindungen für den Donauraum liegen für den Kommissar im Donauraum auf der Hand. „Die Länder, die von der Donauraumstrategie umfasst werden, haben trotz ihrer Unterschiedlichkeit gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen. Die gemeinsamen Probleme, Herausforderungen und Chancen verbinden“, ist Hahn überzeugt. Für den gebürtigen Wiener ist nach der Reise offenbar, dass die Länder zum eigenen Nutzen kooperieren wollen – insbesondere was die Schiffbarkeit der Donau, was Umwelt, Energie und wirtschaftliche Entwicklung betrifft. „Meine Reise hat dazu beigetragen, den partnerschaftlichen Ansatz der Donauraumstrategie zu unterstreichen“, ist sich der EUKommissar sicher. Die neue Strategie werde in allen betroffenen Ländern als enorme Chance für eine bessere wirtschaftliche Entwicklung gesehen. Von Verdruss über die EU habe er auf seiner Reise auf jeden Fall nichts bemerkt: „Ich bin durchwegs auf positive Resonanz gestoßen.“ Aber auch der Kommissar konzediert, dass noch einiges an Weg zu gehen ist. „Der makro-regionale Ansatz ist eine Neuheit und verlangt eine neue Herangehensweise“, erläutert Hahn. Voraussetzung für das Fruchten der Strategie sei die Bewältigung von Hindernissen wie unterschiedliche Verwaltungssysteme, Sprachbarrieren und national orientierte Interessen. Auch bei den Projekten selbst könnte man nach Ansicht des Kommissars noch „einen Gang zulegen“.
Johannes hahn Dr. Johannes Hahn ist seit 2010 Kommissar der Europäischen Union für Regionalpolitik. Der Österreicher und ÖVP Politiker bekleidete in seinem Heimatland zuletzt das Amt des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung, 2009 über nahm er kommissarisch das Amt des Bundes ministers für Justiz.
Fotos: European Union 2012, (S. 12), Lars Hoffmann (S. 13)
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Die Andrássy Universität in Budapest ist eines dieser Projekte, die bereits in vollem Gange sind. Diese kleine, im Jahr 2001 gegründete Universität ist gewissermaßen eine Stein gewordene Kooperationsbemühung zwischen Deutschland, der Schweiz, Ungarn und Österreich. 170 Studenten aus 30 Nationen studieren an der Andrássy Universität. Die Verkehrssprache ist Deutsch. Die deutsche Politikwissenschaftlerin Ellen Bos leitet dort das interdisziplinäre Ph.D.-Programm und das neu gegründete Donau-Institut der Universität. Letzteres wird von der ungarischen Regierung im Rahmen der Donau-
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raumstrategie unterstützt. Die Errichtung des Instituts geht auf eine Initiative der ungarischen Regierung zurück. Es soll die Politik beraten und die interdisziplinäre Forschung vorantreiben. eine tolle stadt, eine neue universität Ellen Bos lebt sehr gerne in Ungarn. „Budapest ist eine tolle Stadt und die Universität ein wichtiges Projekt“, sagt die Wissenschaftlerin, die völlig unvermutet in die osteuropäische Metropole geraten ist. Seit acht Jahren ist sie nun dort und weiß natürlich um die Probleme in den Ländern Osteuro-
Fotos: Lars Hoffmann (S. 14), privat (S. 15)
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pas. „Die EU hat in Osteuropa ein Kommunikationsproblem. Man müsste viel offensiver zu Bewusstsein bringen, was die Union an Gutem gebracht hat“, glaubt Bos. Die Altstadt Budapests zum Beispiel erstrahlt auch dank der EU-Fördermittel in neuem Glanz. Die Budapester aber brächten sichtbare positive Entwicklungen wie diese überhaupt nicht mit der EU in Verbindung. „Viele Ungarn fühlen sich gar nicht als Mitglied“, hat Bos beobachtet. Europa ist ganz weit weg. Das sei auch ein Grund, warum viele Mittel der europäischen Strukturfonds für Osteuropa nicht abgerufen werden. „Die Quote ist vor allem in Rumänien und Bulgarien deprimierend. Resonanzstrukturen sind in der Region einfach nicht vorhanden“, sagt Bos. austauschprojekte für studenten Die Donauraumstrategie ist nun ein Versuch, um dem Integrationsprozess wieder Momentum zu verleihen. Ob das rein über technische, ökonomische und ökologische Kooperationsprojekte, die in der Regel im kleinen Kreis verhandelt werden, gelingen kann, ist für die Politikwissenschaftlerin allerdings fraglich. „Die Tendenz geht ganz klar zu großen Projekten. Dabei bewirken zum Beispiel Austauschprojekte unter Schülern und Studenten auch sehr viel“, berichtet Bos. Aber diese „soft issues“ lägen eben nicht im Fokus der Europäischen Union. Dabei könnte auch durch politische Bildung und eine offene Vergangenheitsbewältigung mehr politische Kultur geschaffen werden. Die Professorin ist aber trotz aller manifesten Probleme zuversichtlich, was den Donauraum und damit die Verbindung von West und Ost angeht: „Die Transformationsprozesse dauern bei der Art des Systemwechsels in den neuen Mitgliedsländern eben länger als gedacht.“ Zwar sieht sie den ökonomisch-technischen Ansatz der Donauraumstrategie durchaus skeptisch. Der Erfolg sei längst nicht garantiert. „Aber ohne mehr demokratische Kultur und einen gewissen Enthusiasmus wird es nicht gehen“, ist Bos überzeugt. Kristof Georgen ist ein solcher DonauEnthusiast geworden. Für ihn hat sich mit der Entdeckung der Region eine neue Dimension aufgetan. „Das hat mein Leben verändert“, berichtet Georgen, der zwar an der Quelle im Schwarzwald aufgewachsen ist,
doch dem Fluss, den Ländern und Regionen an seinen Ufern lange Zeit wenig Interesse entgegenbrachte. „Der Weg nach Osten war mir einfach nicht bewusst.“ Dabei wurde der Weg nach Osten für Georgen auch ein Weg zurück in die eigene Familiengeschichte. Schon in Donaueschingen stieß Georgen auf die Skulpturen aus der Bildhauer-Dynastie „Winterhalder“, seiner Vorfahren, von denen er nur der Legende nach wusste. Im Verlauf seiner Reise entlang der Donau über Krems nach Sulina stieß er auf immer mehr Kunstwerke, die seine Familie über Generationen hinweg im 17. und 18. Jahrhundert auf ihrem Weg von Baden-Württemberg bis nach Bratislava die Donau hinab hinterlassen haben. Seitdem ist Georgen seinen Vorfahren auf der Spur. „Das ist mittlerweile ein Riesenprojekt“, sagt Georgen, für den der Donauraum seitdem zu einer beruflichen und auch ganz persönlichen (Ost)erweiterung geworden ist.
„Man müsste viel offensiver zu Bewusstsein bringen, was die union an Gutem gebracht hat. Die altstadt von Budapest etwa strahlt auch dank der eu-Fördermittel in neuem Glanz.“ Prof. Ellen Bos
Literatur und Links Klaus Roth, Jörg Hackmann: Zivilgesellschaft in Südosteuropa aus ethnologischer Sicht. In: Zivilgesellschaft im östlichen und südöstlichen Europa in Geschichte und Gegenwart. Oldenbourg Verlag, München 2011, 29–43. Klaus Roth: Politische Elite, Volkskultur und cˇalga. Beobachtungen zur politischen Kultur in Bulgarien. In: Sonja Schüler (Hg.), Politische Kultur in (Südost-) Europa. Charakteristika, Vermittlung, Wandel. Otto Sagner Verlag, München 2012, 85–98. Klaus Roth: Ein Sieg der Alltagskultur über die große Politik? Dankesrede zur Verleihung des Danubius Award 2011 unter www.idm.at/projekte/preise/ danubius_award Claudio Magris: Donau. Biografie eines Flusses. Dtv, München 2011 (8. Auflage) Ellen Bos und Jürgen Dieringer: Die Genese einer Union der 27. Die Europäische Union nach der Osterweiterung. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008 Europäische Union/Regionalpolitik: Die EU-Strategie für die Donauregion. Eine gemeinsame Antwort auf gemeinsame Herausforderungen. Panorama inforegio, Ausgabe Nr. 37, Frühjahr 2011
eLLen Bos Univ.Prof. Dr. Ellen Bos ist Professorin für Politikwis senschaft an der Andrássy Universität Budapest. Von 2004 bis 2011 war sie Langzeitdozentin des Deut schen Akademischen Aus tauschdienstes. Im Jahr 2009 übernahm sie die Lei tung des interdisziplinären Ph.D.Programms. Seit Kurzem leitet sie auch das DonauInstitut für Interdis ziplinäre Forschung an der Andrássy Universität.
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Ich habe mich auf dem Wasser treiben lassen Thomas Bauer ist mit dem Kajak auf der Donau von Regensburg bis zum Schwarzen Meer gepaddelt. Den Fluss hat er dabei so nah kennengelernt, dass er auch mal nass wurde. Von Angelika Ohland
upgrade: Sie sind mit dem Kajak bis ans Schwarze Meer gefahren und haben die Donau ganz hautnah erlebt. Kann dieser lange, breite Strom auch gefährlich sein? Thomas Bauer: Die Donau kann gefährlicher sein, als man annimmt. In Südserbien war ich etwa zwei Kilometer vom Ufer entfernt, als ein Sturm aufkam. Das war ein Moment, in dem ich Angst hatte – ich hätte nie damit gerechnet, dass das passieren könnte. Ich hatte anfangs eher das Bild der schönen blauen Donau aus dem Donauwalzer. Ich dachte an einen sehr kultivierten Strom. Aber je weiter man nach Osten kommt, desto wilder wird er. upgrade: Einmal sind Sie sogar mitsamt Kajak unter Wasser gedrückt worden. Bauer: Bei einem Sturm war ich bis zum Hals im Wasser, nur der Kopf hat rausgeschaut. Ich habe gepaddelt wie ein Verrückter.
Über diese Brücke in Krems führt die Eisenbahnlinie nach St. Pölten. Sie wurde 1889 bebaut und ist 660 Meter lang. 1945 wurde sie teilweise gesprengt und später erneuert.
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upgrade: Wie verändert sich die Donau in ihrem Lauf? Bauer: In Deutschland ist die Donau ein Fluss wie viele andere. In Österreich gibt es viele Staustufen. Am schönsten ist die Donau in Ungarn: ein majestätischer, eleganter Fluss mit einer soliden Strömung, dahinter die weite Puszta. Im Kajak sieht man die Welt aus der Froschperspektive, das hat etwas Beruhigendes. Man ist Teil des Flusses und völlig abseits von Straßen und Lärm. Ich habe mich von dem Fluss treiben lassen und hatte deshalb auch keine Landkarte dabei. In Serbien ist die Donau einige Kilometer breit – man fühlt sich fast wie am Meeresrand.
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An der Mündung gibt es viele Donau-Arme, die mich verwirrt haben. Oder der Fluss war eine freie Fläche, die der Wind schnell aufgewühlt hat. Während der Reise bin ich zusammen mit dem Fluss gewachsen. upgrade: Sie sind auch an der Wachau und an Krems vorbeigepaddelt. Wie haben Sie diesen Flussabschnitt erlebt? Bauer: Die österreichische Strecke ist mit dem Kajak gut befahrbar. Die Donau ist relativ schmal. Es gibt unglaublich schöne, kleine Städte, richtige Kleinode am Flussrand. Man kommt um die Kurve und sieht dann eine Stadt wie Grein. In Österreich findet man auch immer eine gute Übernachtung.
Fotos: Peter Gyukics (S. 16), privat (S. 17)
upgrade: Wie waren Ihre Begegnungen? Bauer: Ich habe eine unglaubliche Gastfreundschaft erfahren und kaum Misstrauen. Menschen haben mir ihr Haus geöffnet, mir geholfen und noch eine Wasserflasche zugesteckt. Weil man nicht immer anlanden kann, bin ich einmal in Österreich noch abends spät unterwegs gewesen. Ich sah einen allein stehenden Bauernhof auf einer Wiese. Es war schon dunkel, als ich ans Fenster klopfte. Man muss sich das vorstellen: Der Bauer macht die Tür auf und da steht so ein fremder, junger Kerl, unrasiert, nach Donau riechend, tropfnass – ich glaube, ich hätte mich selbst nicht reingelassen. Aber ich wurde immer hineingebeten, habe ein Abendessen und ein Gästebett bekommen. Mein Grundgefühl unterwegs ist immer mehr die Dankbarkeit geworden. upgrade: Sie durchfuhren acht Länder. Bauer: Anders als in Österreich war ich als Kajakfahrer aus Deutschland in Bulgarien ein Exot. Fremder wurden auch die Begegnungen. In Bulgarien bin ich in ein Gewitter gekommen und als ich an Land ging, war dort ein Romalager. Das hat mich verunsichert. Ich wurde zum Essen eingeladen und habe in einem ausrangierten, verrosteten Güterwaggon die Nacht verbracht. Ich habe mich ein bisschen wie Karl May gefühlt. upgrade: Die Donau ist auch ein Grenzfluss. Kriegt man das auf dem Wasser mit? Bauer: Als ich von Serbien nach Bulgarien kam, sagte der Zöllner: „Sie müssen jetzt durchfahren bis Vidin, bis zur ersten bulga-
rischen Stadt. Was auch passiert, Sie dürfen vorher nicht an Land gehen. Es gilt als Landfriedensbruch.“ Das sind aber 50 Kilometer, viel für einen Kajakfahrer. Die Sonne war sengend und ich kam mit einem furchtbaren Sonnenbrand in Vidin an. Ich hatte dort das Gefühl, ich bin nicht erwünscht und muss schnell durchgeschleust werden. Zwischen Rumänien und Bulgarien ist die Grenze sehr spürbar. In Österreich kam mir die Donau wie ein grenzüberschreitender Fluss vor. upgrade: Prägt der Fluss die Menschen in unserer globalen Welt immer noch? Bauer: Die Donau ist ein Lebensraum, sie prägt die Landschaft kilometerweit ins Land hinein. Ich glaube, dass sie den Menschen eine Offenheit mitgibt. Am Ufer sieht man Schiffe, die aus Hamburg oder von Bulgarien kommen. Diesem Kontakt mit anderen Ländern kann sich niemand entziehen.
„Ich habe eine unglaubliche Gastfreundschaft erfahren. Die Menschen haben mir ihr Haus geöffnet, mir geholfen und noch eine Wasserflasche zugesteckt.“ Thomas Bauer
upgrade: Haben Sie auch Fische gesehen? Bauer: Die Donau ist sehr fischreich. Manchmal sprangen die Fische auf die Spritzdecke des Kajaks – ich musste sie wieder ins Wasser werfen. Die Fische sind neugierig. upgrade: War es denn immer so romantisch oder sind Ihnen auch Industrieanlagen begegnet? Bauer: In Südserbien gibt es riesige Schleusen- und Industrieanlagen. Die haben eine seltsame Erhabenheit, aber mir war auch etwas mulmig. upgrade: Wie schaut man aus der Flussperspektive auf Europa? Bauer: Die Donau steht für die europäische Idee. Jedes Land, das ich durchfahren habe, fühlt sich europäisch, aber keines will zum Osten gehören. Der Osten ist negativ besetzt, die Länder schauen nach Westen. upgrade: Was war das für ein Gefühl, als Sie am letzten Tag Ihr Kanu aus dem Wasser zogen? Bauer: Ich war auf Wolke sieben, weil ich es geschafft hatte. Vier Wochen bis zum Schwarzen Meer – das war sportlich und ich war auch stolz auf diese Leistung. Gleichzeitig habe ich gedacht: Und jetzt? Ich war angekommen und das große Ziel war weg. Ich war glücklich und froh und traurig.
THOMAS BAUER Thomas Bauer studierte Public Policy Management und arbeitet für das Goethe-Institut in München. Er fuhr durch Frankreich mit dem Postrad, reiste per Rikscha durch Südostasien und wanderte 2500 Kilometer auf den Jakobswegen durch Europa. Neben Reisebüchern schreibt Bauer auch Gedichte. Über seine Kajak-Tour hat er das Buch „Ostwärts – Zweitausend Kilometer Donau“ geschrieben, es ist 2008 im Schweinfurter Verlag Wiesenburg erschienen: www.wiesenburgverlag.de.
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18 STATISTIKEN
Zahlen & Fakten Rumänien 21,7 Mio.
Durch diese Staaten fließt die Donau
Einwohner im Donauraum
29,0 % Ukraine
Deutschland
2,7 Mio.
9,4 Mio.
Flächenanteil am Donauraum
3,8 %
Ungarn
7,0 %
10,1 Mio. Anrainerstaat Donau
Moldau
11,6 %
1,1 Mio.
Anteil am Donauraum
1,6 % Slowakei 5,2 Mio. 5,9 %
Österreich 7,7 Mio. 10,0 % Kroatien 3,1 Mio. 4,4 %
Serbien
Bulgarien
7,5 Mio.
3,5 Mio. 5,9 %
10,2 %
Der Fluss und die Länder
Mehr als einfach nur lang: Die Donau ist der internationalste Strom der Welt Die Donau ist nach der Wolga der zweitlängste Fluss Europas. Nach dem Zusammenfluss der beiden
süddeutschen Quellflüsse Breg und Brigach nimmt sie ihren Lauf über 2857 Kilometer (inklusive Breg) bis zur rumänischen Schwarzmeermündung. Dabei passiert sie zehn Länder. Das Donaubecken mit allen Zu- und Nebenflüssen deckt 10 Prozent des europäischen Kontinents ab und erreicht insgesamt 19 Länder. Das macht die Donau zum internationalsten Strom der Welt. Der größte Anteil der 801.463 Quadratkilometer großen Fläche entfällt mit 29 Prozent auf Rumänien, gefolgt von Ungarn (11,6 %), Serbien (10,2 %) und Österreich mit 10 Prozent. In der Donauregion leben über 83 Millionen Menschen unterschiedlicher Kulturen und Sprachen. Internationale Kommission zum Schutz der Donau – IKSD, 2012
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Zahlen und Fakten in Kürze
Ökologie
Ein bedrohter Lebensraum
Die längsten Flüsse (km)
Die Donau schafft einen einzigartigen Lebensraum für ca. 2000 Pflanzen- und 5000
1. Nil 2. Amazonas 3. Jangtsekiang 4. Mississippi + Missouri 5. Jenissei + Angara 41. Donau
Tierarten. Der ökologische und chemische Status der zusammenhängenden Wasserkörper des Donaubeckens sind im „Danube River Basin Management Plan“ dargestellt. Von den 681 überprüften Wasserkörpern zeigten 437 einen guten chemischen Zustand (64 %) und 193 einen guten ökologischen Zustand. Von den 45 unmittelbar in der Donau gelegenen Wasserkörpern wurde nur dreien ein guter ökologischer Zustand attestiert. Unter den 21 baulich stark modifizierten Wasserkörpern erreichte lediglich einer die bestmögliche Klassifizierung.
Donau-Metropolen (Einwohner) 1. Wien 2. Budapest 3. Belgrad
Quelle: International Commission for the Protection of the Danube River – ICPDR, 2009 Ökologischer DE Zustand,
DE AT
AT SK HU/ SK
HU
HU HU/ RS
RS RS/RO
RS/BG
RO
RO/ UA
ökologisches Potenzial
Offizielle Landessprachen 2000
Ökologischer Zustand
1000
gut oder besser
gut
mäßig oder schlecht
mäßig
nicht gefährdet
unbefriedigend
gefährdet
* Das ökologische Potenzial bezeichnet gemäß Europäischer Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) den ökologischen Zustand, der durch bestimmte Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur erreichbar ist, ohne die bestehende Gewässernutzung signifikant einzuschränken. Ein gutes ökologisches Potenzial liegt damit typischerweise unter dem guten ökologischen Zustand.
Binnenschifffahrt und Transport
Neben Trinkwasserversorgung und Stromerzeugung dient die Donau als Verkehrskor-
ridor. 14 europäische Staaten sind auf dem Wasserweg miteinander verbunden – auf einer Gesamtlänge von 3504 Kilometer von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer. Laut dem Österreichischen Institut für Raumplanung ÖIR ist der Verkehr im österreichischen Donaukorridor von 1995 bis 2010 um 113 Prozent auf über 75 Millionen Tonnen gestiegen. Trotz der Dominanz von Straße (55,7 %) und Schiene (30,2 %) spielt die Donauschifffahrt (14,1 %) eine wichtige Rolle. Quellen: Österreichisches Institut für Raumplanung – ÖIR, via donau, 2010
24 es W
t
e nz
Transit 10.235 Donaukorridor
6
36
62
66
11 Export 7.943
Österreich Schiene
27 62
Donau (in Prozent)
60 %
624 860 931
Güterverkehr in 1000 Tonnen/Jahr
Brücken Flusskraftwerke / Schleusen Davon in Österreich
126 18 9
Grundwasser Donaustaaten beziehen 95 % ihrer Versorgung aus dem Donaubecken
Joint Danube Survey 2 (JDS2): größte wissenschaftliche Flussexpedition, 2007 2375 km 95 10 140 40.000
Import 14.016
Transit 7.762
28
31
30
34
ze
Import 23.045
e gr
gren
Export 12.360
53
Ost
63
Obere Donau (Kehlheim bis Gönyu˝) Mittlere Donau (Gönyu˝ bis Turnu-Severin) Untere Donau (Turnu-Severin–Sulina)
Untersuchte Strecke Anzahl Messpunkte Länder Untersuchte Parameter Laborergebnisse
23
30
BIP-Anteil des Donauraums in Österreich
Bauwerke Gesamtdonau, 2012
Mehr Güter aufs Wasser
7
Wirtschaft
Schiffbare Donaukilometer
vermutlich gefährdet
schlecht
17
0
Non EU MS Risikobewertung (Worst Case) basierend auf den 4 Risikokategorien Kohlenstoffbelastung, Nährstoffbelastung, gefährliche Stoffe, hydromorphologische Veränderungen
Ökologisches Potenzial
sehr gut
Straße
1,7 Mio. 1,7 Mio. 1,2 Mio.
Sprachenvielfalt im Donauraum
Donau rkm 2857
7
6852 6448 6380 6051 5540 2857
Streckenanteile gefährdet durch Kohlenstoffeintrag 47 % Nährstoffeintrag 55 % Gefährliche Stoffe 73 % Quellen: Wikipedia, via donau, Internationale Kommission zum Schutz der Donau (IKSD)
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ischen gleich hinter der serb , 60 14 r ete m lo Ki i ent und Die Donau be ic als Cargo-Dispon an Dj n ja ar M t ite be ische. Grenze: Hier ar Serbischen ins Engl m vo ten m ea llb Zo 端bersetzt f端r den upgrade 3/2012
Tourismus, schifffahrT und umwelT 21
So weit das Auge reicht Paneuropäische Wasserstraße und attraktives Tourismusgebiet – der Donauraum hat vielfältige Potenziale. Wie aber kommen die Interessen von Gütertransport und Naturschutz in Einklang? Von Hans-Peter Bayerl
M
ehr als 100 Millionen Urlauber kommen jährlich in die Donauregion – die einen erholen sich in Naturparks vom Alltagsstress, die anderen suchen Zerstreuung in den Metropolen Wien und Budapest. Wieder andere wandeln auf den Spuren ihrer Vorfahren oder genießen die kulturelle Vielfalt entlang des zweitgrößten europäischen Stromes. Der Tourismus ist längst zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren der Region geworden und die Donauschifffahrt wächst – nicht nur beim Personen-, sondern auch beim Güterverkehr. Der Ausbau muss aber mit Bedacht erfolgen, denn die Donau ist ein einzigartiges, sensibles Ökosystem, das es gemeinsam zu bewahren und zu schützen gilt. Der Fluss, dessen Einzugsgebiet 801,463 Quadratkilometer misst und der durch den Rhein-Main-Donau-Kanal eine direkte Verbindung vom Schwarzem Meer bis zur Nordsee schafft, bietet eine einzigartige Vielfalt an Naturlandschaften, Kulturräumen und historisch bedeutsamen Stätten.
Foto: Lars Hoffmann
Jeder Stein erzählt eine Geschichte So wie der Amazonas seine Besucher mit Exotik und der Nil mit Sonne und Kultur lockt, so übt auch die Donau ihren ganz eigenen Reiz auf die Touristen aus. „An der Donau hat jeder Stein eine Geschichte zu erzählen“, meint Gerhard Skoff, Präsident der bereits 1970 gegründeten Internationalen
touristischen Werbegemeinschaft „Die Donau“. So erzählt beispielsweise die Kaiserburg Trifels im Annweiler Thale bei Landau die Geschichte von König Löwenherz, der dort gefangen gehalten wurde. Dessen getreuer Freund und Sänger Blondel fand den englischen König der Sage nach auf und bewirkte seine Freilassung. „Auch die Zeit Napoleons, des Ersten und Zweiten Weltkriegs oder des Eisernen Vorhangs lassen sich an der Donau hautnah und auf verschiedene Weise erleben“, findet Skoff. „Es ist unsere Aufgabe, diese Geschichten für die Menschheit zu bewahren und sie an der Donau erfahrbar zu machen.“ Bequem und erlebnisreich In Wien gehen jährlich rund 380.000 Besucher an Land. An der Hafengebühr von zehn Euro, die jeder Tourist beim Verlassen des Schiffes zu entrichten hat, lässt sich die wirtschaftliche Dimension des wachsenden Donautourismus erahnen. Seine Hauptströme bilden laut Gerhard Skoff der Geschäftstourismus, Reisen zu Veranstaltungen wie zu den Wiener Festwochen oder dem Budapester Frühling sowie der Besuch bekannter Naturschutzgebiete. Zu diesen zählen etwa die Lobau, das in Ostkroatien gelegene Kopacˇki rit oder das Donaudelta zwischen Rumänien und der Ukraine. Danach folgen die Trends Radeln oder Flussfahrten mit dem privaten Motor- und Schlauchboot.
Auf den Punkt gebracht
• Die Donauregion ist ein
exzellentes Tourismusgebiet. Allein in Wien gehen jährlich 380.000 Besucher an Land. 100 Millionen Urlauber kommen jedes Jahr in die Donauregion.
• Der nationale Aktionsplan für die Schifffahrt in Österreich will die Menge der Güter auf der Donau bis 2015 verdoppeln. Auch für die europäischen Verkehrsminister ist die Donau zentral: Sie gilt als eine der europäischen Hauptachsen.
• Der Umweltschutz erfordert von allen Seiten Kompromisse. Die wissenschaftliche Erforschung der Donau hilft, sinnvolle Entscheidungen zu treffen.
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22 Tourismus, schifffahrT und umwelT
der Donau-Strategie berücksichtigt wurde. Skoffs Argumente: Der Tourismus helfe, Menschen zu verbinden, Vorurteile abzubauen und einen gemeinsamen Nenner für die Zukunft zu bilden. Kultur und Tourismus bilden nun die dritte von insgesamt elf Prioritäten des Strategiepapiers, das ursprünglich von der EU-Kommission initiiert, unter Beteiligung der Ausschüsse der Regionen ausgearbeitet und 2011 von 14 Anrainerstaaten und der EU unterzeichnet wurde. Helmut HABerSAck
GerHArD Skoff
Univ.-Prof. DI Dr. Helmut Habersack leitet das Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau an der Universität für Bodenkultur Wien. 2002 wurde er mit dem Umweltpreis der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik ausgezeichnet. Habersack organisierte die erste Fachkonferenz zur UNESCOInitative zur Zukunft der größten Flüsse der Erde.
Prof. Gerhard Skoff ist seit 1995 Präsident der Internationalen Werbegemeinschaft „Die Donau“. Er initiierte den „Tag der Schifffahrt“, die DonauSchifffahrtskonferenz sowie die Rad- und Wandertagung und brachte den Tourismus in die Donauraum-Strategie ein. Bis zu seiner Pensionierung 2007 war Skoff Direktor der Casinos Austria AG.
Von den jährlich 260.000 Besuchern des bekannten Benediktinerklosters Stift Melk erreichen gut zwei Drittel ihr Ziel von der Donau aus. „Fluss- und Kreuzfahrten auf Binnengewässern sind stark im Kommen“, weiß Skoff, „denn sie sind bequem und erlebnisreich zugleich. Für die Verpflegung ist gesorgt, und jeden Tag erscheint etwas Neues vor dem Kabinenfenster.“ Weihnachten im Hafen von Budapest 120 Kreuzfahrtschiffe befahren die Donau. Die Saison hat sich auf 240 Tage im Jahr ausgedehnt und reicht inzwischen von März bis Anfang Jänner. Besonders im Trend: Weihnachten im Hafen von Budapest und von dort aus die zahlreichen Märkte und Musikkonzerte erkunden. Weil der Tourismus mittlerweile zum wichtigen volkswirtschaftlichen Treiber in der Donauregion zählt, hat sich Gerhard Skoff persönlich dafür eingesetzt, dass dieser bei der Implementierung
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Der Gütertransport soll sich verdoppeln Im Zuge der Donauraumstrategie soll auch der Gütertransport auf der Donau ausgebaut werden, der im Vergleich zu anderen Transportmitteln umwelt- und klimafreundlicher ist. Schließlich fasst ein für die untere Donau typisches Schiff so viel wie 150 LKWs oder 93 Zugwagons. Der Nationale Aktionsplan für die Schifffahrt in Österreich sieht vor, die Transportmenge bis 2015 von zwölf Millionen Tonnen jährlich auf 25 bis 30 Millionen zu steigern. Auf diese Weise sollen zum einen die Straßen-, zum anderen die Umwelt- und Sozialkosten gesenkt werden. Die Bedeutung der Donau als Transportweg wird auch von Europäischen Verkehrsministern gesehen. Diese betrachten den Fluss als einen von zehn paneuropäischen Verkehrskorridoren, welche Europa als Hauptverkehrsachsen vom Atlantik bis zur Wolga und von Skandinavien bis zum Mittelmeer verbinden. Die Donauhäfen sind Alleskönner Um die Transportmengen überhaupt erhöhen zu können, ist zunächst aber die Wirtschaftlichkeit der Binnenschifffahrt zu verbessern. Denn bei Niedrigwasser müssen die Transportschiffe teilentladen werden. Das verteuerte in der Vergangenheit regelmäßig den Weitertransport auf der Straße oder auf der Schiene. Im Bestreben, die Binnenschifffahrt besser in die bestehenden Transportketten von Straße und Bahn zu integrieren, werden die Donauhäfen zu multifunktionalen Dienstleistungsunternehmen umgebaut. Der Hafen Linz schlägt heute gut fünf Millionen Tonnen Güter um, dreimal so viele wie die Wiener Hafengruppe. Die südrumänische Stadt Giurgiu, die etwa 60 Kilometer südlich von Bukarest den Donauzugang der Rumänischen Hauptstadt bildet,
Werbung für Die Donau Die Internationale Touristische Werbegemeinschaft „Die Donau“ (Danube Tourist Commission) wurde 1970 noch zur Zeit des Eisernen Vorhangs gegründet, um die politischen Grenzen zu überwinden und die Donau als einzigartige Tourismusregion zu etablieren. Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Rumänien und Serbien arbeiten bis heute freundschaftlich und unbürokratisch zusammen, Bulgarien und die Ukraine sind noch keine Mitglieder. „Die Donau“ wirkte entscheidend darauf hin, dass Kultur und Tourismus in der EU-Donauraum-Strategie aufgenommen wurden.
Fotos: privat (S. 22), Peter Gyukics (S. 23)
Die Donauraumstrategie Die Strategie der Europäischen Union für den Donauraum will eine engere Zusammenarbeit der Donaustaaten erreichen. Die vier Säulen sind „Anbindung des Donauraums“, „Umweltschutz im Donauraum“, „Aufbau von Wohlstand im Donauraum“ sowie „Stärkung des Donauraums“. Besonderes Augenmerk gilt der Infrastruktur, die in den Bereichen Mobilität, nachhaltige Energien sowie Kultur und Tourismus gefördert werden soll. Im Umweltschutz haben Wasserqualität, Katastrophenschutz und biologische Vielfalt Vorrang.
97 fertiggestellt ke in Wien wurde 19 üc br dt en und ta us na Do e Di n der U-Bahn befahr vo rd wi e Si . ng la r ustadt. und ist 344 Mete opoldstadt und Dona Le e rk zi Be e di t de verbin upgrade 3/2012
24 Tourismus, schifffahrT und umwelT
tHomAS Hein Assoz. Prof. Mag. Dr. Thomas Hein leitet die interuniversitäre Forschungseinrichtung WasserCluster Lunz und lehrt an der Universität für Bodenkultur Wien. Er befasst sich mit Nährstoffkreisläufen in Flusslandschaften, Auenund Restaurationsökologie. Der Chefredakteur der Fachzeitschrift „River Systems“ wurde 2007 mit dem Wissenschaftspreis des Landes Niederösterreich ausgezeichnet.
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plant einen Ausbau des Hafengeländes auf rund 200 Hektar. Neben acht neuen Kränen soll dabei auch ein moderner Industrie- und Logistikpark entstehen. In Österreich wurde bereits 2006 das Donau River Information System DoRiS eingeführt, das bis 2010 sukzessive mit den Schiffsinformationssystemen der anderen Donauländer harmonisiert wurde. Ziel dieser Systeme ist es, den Treibstoffverbrauch und die Stand-by-Kosten zu senken und zugleich die Sicherheit im Schiffsverkehr zu erhöhen. Mithilfe von DoRis lassen sich die Transportzeiten exakt bestimmen sowie die Hafenressourcen und Schleusenkapazitäten optimal auslasten. Der fluss gräbt sein Bett immer tiefer Eine weitere Vorreiterrolle könnte das Alpenland auch beim Wasserbau spielen. „Bauliche Maßnahmen zur Regulierung des Wasserstandes wie Buhnen oder Uferbefestigungen verändern die Fließeigenschaften des Flusses nachhaltig“, erklärt Helmut Habersack, Leiter des Instituts für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau der Universität für Bodenkultur in Wien. „Das betrifft etwa den Sedimenttransport, der einerseits unterbrochen wird, beispielsweise durch Wasserkraftwerke. Andererseits aber wird er in den freien Fließstrecken durch Regulierungsmaßnahmen wie Einengungen beschleunigt.“ Insbesondere zwischen Wien und Bratislava werden mehr Steine vom Wasser abtransportiert, als zum Ausgleich künstlich eingebracht werden können. Deshalb gräbt sich die Donau in einigen Streckenabschnitten jedes Jahr zwei Zentimeter tiefer in das Flussbett ein. „Ohne Gegenmaßnahmen würde es in den nächsten Jahrzehnten stellenweise zum Sohldurchschlag kommen, der uns bereits von der Salzach bekannt ist“, erklärt Helmut Habersack. „Das Wasser erreicht dabei die feineren, maritimen und leicht zu erodierenden Schichten aus dem Tertiär. Durch den entstehenden Canyon würde der Grundwasserspiegel absinken und zahlreiche Naturparks würden austrocknen. Außerdem könnten sich tiefe Rinnen bilden, was die Schifffahrt stark beeinträchtigen würde.“ In beiden Fällen würde die Schifffahrt zum Erliegen kommen und könnte nur
durch erhebliche Baumaßnahmen aufrechterhalten werden. Den Preis dafür würde die Natur zahlen, die ohnehin schon stark unter den früheren Baumaßnahmen zu leiden hat, was etwa an den Veränderungen bei den Fischpopulationen abzulesen ist. Bauwerke bedrohen die Biodiversität „Eines der Hauptprobleme der Donau besteht darin, dass Dammbauten und Querbauwerke die Fließgewässer fragmentieren und die Verbindung zwischen verschiedenen Flussabschnitten unterbrechen“, erklärt Thomas Hein, Geschäftsführer der inter-universitären Forschungseinrichtung WasserCluster Lunz. „Während die Populationen der heimischen Arten stark dezimiert sind, hat sich der Anteil neuer Arten von Fischen und Wirbellosen in einigen Regionen bereits auf 40 Prozent erhöht.“ Zahlreiche neue Arten wandern über künstliche Kanäle wie den Rhein-Main-Donaukanal ein. Ein Grund für den kritischen Rückgang der heimischen Populationen liegt laut Thomas Hein auch im Wegfall von Feuchtgebieten und natürlichen Uferzonen. „Rund 95 Prozent der ursprünglichen Auflächen entlang der oberen Donau sind bereits verschwunden. Viele heimische Vogelarten wie der Eisvogel oder der Seeadler, aber auch viele Pflanzen, Amphibien und Fischarten wie die Nase oder der Zingel gelten heute als gefährdet.“ Als prominentes Beispiel für eine vom Aussterben bedrohte Tierart in der Donau nennt Thomas Hein den Stör. Im Schwarzen Meer ist er ohnehin stark überfischt wegen des wertvollen schwarzen Kaviars, des gesalzenen und gereinigten Rogens der Tiere. Zudem hindern die Kraftwerke Eisernes Tor I und II den wandernden Stör an der serbisch-rumänischen Grenze am Aufstieg in seine Laichgebiete, die bis nach Deutschland reichen. ein fischaufzug für den Stör Sieben in der Donau heimische Störarten gelten mittlerweile als bedroht, wenn nicht sogar als nahezu ausgestorben. Zu ihnen gehört auch der größte Vertreter der Donaustöre, der Hausen oder Beluga. Angesichts einer Körperlänge von bis zu sieben Metern sind spezielle Aufstiegshilfen nötig, um den bis zu hundert Jahre alten Tieren die Passage durchs Eiserne Tor zu ermöglichen. Die
25
Die Rosenbrücke bei Tulln wurde 1993–95 auf der Umgehungsstraße der B19 gebaut – mit Fuß- und Radweg.
Vorschläge reichen von einem unterirdischen Tunnel über einen spiralförmigen Aufstiegspass bis hin zu einem speziellen Fischaufzug. „Wie bei allen nachhaltigen Lösungen ist es wichtig, zu schauen, was zum einen technisch machbar, zum anderen aber auch ökologisch sinnvoll ist“, kommentiert Thomas Hein. „Wir müssen lernen, uns nach der Natur zu richten und dürfen nicht erwarten, dass die Natur unseren Erwartungen folgt. Deshalb ist es wichtig, in Ergänzung zu Fangquoten, dem mechanischen Schutz vor Kraftwerksturbinen und dem Ausweis von Laichgründen auch die Lebensgewohnheiten der Tiere und Pflanzen sowie die sensiblen Zusammenhänge innerhalb und zwischen verschiedenen Ökosystembereichen noch besser zu verstehen.“ West-ost-Gefälle beim umweltschutz
Literatur unD Links Klement Tockner, Urs Uehlinger, Christopher T. Robinson: Rivers of Europe [Englisch], Academic Press, 2008
Fotos: privat (S. 24), Peter Gyukics (S. 25)
Internationale Kommission zum Schutz der Donau (IKSD / ICPDR) – www.icpdr.org Danube Tourist Commission – www.danube-river.org WasserCluster Lunz – www.wasserkluster-lunz.ac.at Aktiv für unser Wasser – www.wasseraktiv.at Universität für Bodenkultur Wien – www.boku.ac.at
Den Stör zu retten und für die Region zu erhalten, ist eines der konkreten ökologischen Ziele der Donauraumstrategie. Außerdem soll die Wasserqualität in allen Donaustaaten nach Maßgabe der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie erhalten bleiben. In diesem Punkt kommt es aber leider immer wieder zu Ausnahmeregelungen, insbesondere in den osteuropäischen Staaten. Die Folgen können verheerend sein, wie bei dem Unglück nahe der ungarischen Industriestadt Györ im Oktober 2010. Mehrere hundert Kubikmeter bleihaltigen Giftschlamms flossen damals aus dem geborstenen Rückhaltebecken einer Aluminiumfabrik in das Flüsschen Marcal. Die blutrote Brühe tötete nicht nur die dort lebenden Fische, sondern verseuchte auch zahlreiche Häuser und Grundstücke und erreichte über den Nebenfluss Raab auch die Donau. Laut WWF gab es zum damaligen Zeitpunkt in Ungarn noch 60 ähnliche Rückhaltebecken für Industrieschlamm. traum-Projekt für realisten Sich solchen Herausforderungen zu stellen, ist die Aufgabe der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau. Die IKSD (engl. ICPDR) soll die Umweltziele gemäß der Donaustrategie umsetzen. Diese wählt in ihren „Priority Areas“, etwa für die Forschung (PA7), entsprechende Flaggschiffprojekte aus. „Dream – Danube River Research and Management“ ist ein solches wissenschaft-
liches Pilotprojekt, an dem alle Donauländer mitwirken. Es soll die Grundlagen für die wirtschaftliche Nutzung der Donau erarbeiten und dabei den Umwelt- und Hochwasserschutz berücksichtigen. Im Rahmen von „Dream“ soll unter anderem ein Netzwerk an Feldmessstationen und Modellen zur Fließgewässersimulation entstehen. Außerdem soll ein Forschungsschiff, wie es bereits am Rhein existiert, gebaut werden. Als zentrales Element sieht das Projekt zwei neue Forschungslabore in Österreich und Rumänien vor. „Diese Labore werden mit einem Durchfluss von fünf Kubikmetern pro Sekunde ohne Pumpen einzigartig in Europa sein“, glaubt Helmut Habersack. „Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse werden uns helfen, die in Flüssen ablaufenden Prozesse zu optimieren, die künftigen Auswirkungen flussbaulicher Maßnahmen zu prognostizieren und innovative Lösungen zur Verbesserung der Schifffahrt, der Wasserkraftnutzung, des Hochwasserschutzes und der Ökologie zu entwickeln.“ Dem fluss mehr raum geben Ein weiteres Projekt, das die Schifffahrt sicherstellen und die ökologische Situation verbessern soll, stellt das „Flussbauliche Gesamtprojekt FGP“ östlich von Wien dar. Im Rahmen des Pilotprojektes Bad DeutschAltenburg werden seit Mai 2012 im Einvernehmen von Wirtschaft, Bürgern und Bürgerinnen sowie Umweltschützern die befestigten Ufer wieder zurückgebaut und teilweise abgesenkt. Der Johler-Nebenarm wird wieder angegliedert und die Sohleintiefung durch Einbringung größerer Kiesel reduziert. „Entscheidend ist es, im Rahmen dieser Projekte die gesamt-ökologische Situation zu verbessern“, betont Thomas Hein. „Das erfordert auf allen Seiten Kompromisse, zahlt sich aber langfristig aus.“ Nach Abschluss des Pilotprojektes in gut zweieinhalb Jahren wird die Donauregion jedenfalls wieder um eine Attraktion reicher sein – für die Touristen und für die Natur, ohne die der Donauraum seine einzigartige Vielfältigkeit einbüßen würde.
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Foto: Lars Hoffmann
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Foto: Peter Gyukics
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28 IntervIew
Wir haben neue Freunde Die Arbeitsgemeinschaft Donauländer will Kooperationen aufbauen und den Donauraum sichtbarer machen. Ein Gespräch mit dem Generalsekretär der ARGE Donauländer, Peter de Martin. Von Gerhard Gensch
upgrade: Herr Generalsekretär, die Ge schichte der ARGE Donauländer reicht zurück bis ins Jahr 1982. Damals hat der frühere Landeshauptmann von Niederöster reich, Siegfried Ludwig, die Gründung einer „Donauregion“ angeregt. 30 Jahre später hat sich die Landkarte Europas gravierend geändert. Wo liegen heute die Herausforde rungen für den Donauraum? Peter de Martin: Es hat längere Zeit gedau ert, bis es zur Gründung der ARGE kam, da die Regionen hinter dem Eisernen Vorhang nicht kooperieren durften. Die erste Konfe renz der Regierungschefs wurde 1990 ausge richtet. Der Zerfall Jugoslawiens hat die Ar beit nochmals gebremst. Aber immerhin waren wir die erste interregionale Plattform im Donauraum. 2002 wurde der Donauko operationsprozess von Österreich und Ru mänien gemeinsam mit der EU und dem Sta bilitätspakt für Südosteuropa auf nationaler
upgrade 3/2012
Ebene gegründet. Ziel war eine bessere Ko operation der Donaustaaten. Mit diesem Pro zess begann der Weg zur EUDonauraumstra tegie, eine Initiative Österreichs und Rumäniens. Inzwischen ist der Donauraum sichtbarer geworden und es wird an den Staaten, Regionen und Kommunen liegen, die Projekte im „Actionplan“ umzusetzen. upgrade: Wie viele Mitgliedsregionen gibt es aktuell und wie intensiv ist die Zusam menarbeit zwischen den Mitgliedern? de Martin: Derzeit haben wir 40 Mitglieds regionen und zwei Beobachter. Leider brem sen uns die unterschiedlichen Kompetenz und Finanzmöglichkeiten der Mitglieder. Gemäß unserem Statut bleibt es jedem Mitglied vorbehalten, wie intensiv es sich in die Arbeit einbringt, aber diejenigen, die es tun, bekommen auch den Mehrwert der Zu sammenarbeit zu spüren.
29
Die Freiheitsbrücke im serbischen Novi Sad: Am serbischen Freiheitstag 1981 für den Verkehr freigegeben, 1999 bei einem Bombenangriff der NATO schwer beschädigt, 2005 wiedereröffnet.
upgrade: Noch konkreter gefragt: Was ver bindet die Donauländer und was trennt sie – noch? de Martin: Die Donau hat bis 1989 getrennt, jetzt verbindet sie Europa. War der Rhein der Fluss der friedlichen Einigung Europas, wur de die Donau zum Fluss der Erweiterung. Es verbindet uns die Vielfalt des Donauraumes. Wir versuchen durch unsere Arbeit sowohl im EUSDR (EU Strategy for the Danube Re gion) als auch in der ARGE das Verbindende, nicht das Trennende aufzuzeigen. Ein Bei trag zur friedlichen, demokratischen Ent wicklung Europas.
Fotos: Peter Gyukics (S. 26), NLK Reinberger (S. 27)
upgrade: Die ARGE hat mit der „Kulturstra ße Donau“ eine interaktive Kulturkarte ent wickelt, die eine fundierte Übersicht über Länder, Regionen, Städte und Kulturstätten gibt. Damit soll die Idee des Europarates, die europäische Kultur als einen mit historisch kulturellen Stationen versehenen Reiseweg darzustellen, verwirklicht werden. Welche Erfahrungen hat die ARGE mit dieser Karte gemacht? de Martin: Die Karte basiert auf einer rie sigen Datenbank. Durch die ständigen per sonellen Änderungen in unseren Mitglieds regionen werden aber leider nicht alle Beiträge aktualisiert. Allerdings gibt es nach wie vor viele Zugriffe und auch Anfragen von Donautouristikunternehmen bezüglich der Nutzung. upgrade: Welche Rolle spielen kulturelle Themen in der ARGE Donauländer und wel che Initiativen und Projekte wären hier be sonders zu nennen? de Martin: Die kulturelle Zusammenarbeit ist wohl eine der erfolgreichsten, denn die Kultur verbindet. Der von Niederösterreich geleitete Arbeitskreis Kultur und Wissen schaft hat viele Aktivitäten und Projekte um gesetzt. Ich denke etwa an die Errichtung der Restaurierwerkstätte in Osijek, Kroatien. Nach den kriegerischen Auseinanderset zungen in Slawonien wurde diese Werkstätte etabliert, um Kulturgut vor Ort zu errichten.
Das größte Projekt war wohl die „Kulturstra ße Donau“. Neben der Kulturstraße gab es fünf ExpertenKonferenzen, die auch doku mentiert wurden. Derzeit stehen die ehemaligen Grenzen des Römischen Reiches im Mittelpunkt der Aktivitäten, um den „Limes“ im Donaube reich zum UNESCOWeltkulturerbe zu erhe ben. Weiter beteiligen wir uns an dem vom ungarischen Kulturinstitut in Wien betrie benen Projekt „Danube Cultural Cluster“, einem Kulturportal für den Donauraum. upgrade: Wie ist die ARGE Donauländer im Amt der NÖ Landesregierung positioniert und vernetzt? de Martin: Im Unterschied zu anderen Ar beitsgemeinschaften hat die ARGE Donau länder einen ständigen Vorsitzenden unseres Koordinationsgremiums, der so genannten „Arbeitsgruppe der Leitenden Beamten“, den Landesamtsdirektor von Niederöster reich, seit dem Jahr 2000 Dr. Werner Seif. Dies bringt Kontinuität in unsere Arbeit. Un ter seiner Verantwortung darf ich das Gene ralsekretariat der Arbeitsgemeinschaft beim Amt der NÖ Landesregierung leiten. upgrade: Welche persönlichen Erfahrungen oder Beziehungen verbinden Sie als Gene ralsekretär mit dem Donauraum? de Martin: Bei der Frage, die mir oft gestellt wird, pflege ich Folgendes zu antworten: Ich lerne den Donauraum wie eine un garische Salami kennen: scheibchenwei se. Der Donauraum ist von der Quelle in BadenWürttemberg bis zur Mündung im Donaudelta faszinierend, landschaftliche Schönheit, Kultur, die Bevölkerungen sind einmalig und liebenswert. Vielleicht zum Abschluss eine kleine Anekdote: Als ich mit einer Delegation von Vertretern aus Norddeutschland, Frankreich und Südtirol, die mich alle als „Donauver treter“ kannten, zu einer Tagung von Wien nach Pécs (Fünfkirchen, Ungarn) reiste, war das Verständnis für den Donauraum nicht sehr groß. Als unsere Delegation die Donau in Wien, Budapest und zum Abschluss der Fahrt in Mohács (Ungarn) sah, begannen sie diesen spannenden Raum und unser Enga gement besser zu verstehen. Ein wichtiger Schritt in unserem Verständnis: Wir haben neue Donaufreunde gefunden.
ARGE DONAULÄNDER • Die ARGE Donauländer wurde 1990 in der Wachau gegründet. In ihr sind die Donauregionen vertreten, also etwa Bayern, Niederösterreich, das Komitat Pest oder die Region Ruse. • Die Kulturstraße fasst die europäischen Stätten von historischer und künstlerischer Bedeutung entlang der Donau in einem Reiseweg und einer Kulturkarte zusammen. • Am 24. und 25. September 2012 veranstaltete die ARGE die 6. Europäische Konferenz der Donauländer und -regionen in Wien. www.argedonau.at
Peter de Martin Generalsekretär Peter de Martin ist seit 1982 im NÖ Landesdienst. Seit 1985 ist er mit den Agenden der ARGE Donauländer und den bilateralen und interregionalen Beziehungen des Landes NÖ sowie mit der Betreuung der AuslandsniederösterreicherInnen betraut.
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rf in Bulgarien bei sie lebt in einem Do , in fer äu rk Ve ist t Köstlichkeiten: Sveta Ihr Ladentresen birg u. na Do r de 8 57 r fskäse. Kilomete ürste, sahnigen Scha W rte he uc rä ge h, Dickmilc
Ich will doch nur ein gutes Leben Im Donauraum ist viel Bewegung: Menschen ziehen vom Land in die Stadt, vom Osten in den Westen. Die einen ziehen hoffnungsfroh fort, die anderen aus Verzweiflung. Eine Bereicherung sind die Migranten fast immer. Von Monika Goetsch
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MIGRATION 31
A
ls Melinda Nadj Abonji 2010 ihren Roman „Tauben fliegen auf“ vorlegte, jubelten die Feuilletons. Für die Geschichte zweier Mädchen, die ihre Kindheit in der Vojvodina verbrachten und später in die Schweiz emigrierten, erhielt Abonji den Deutschen Buchpreis. Die Autorin selbst ist zwar nicht zwischen Donau und Theiss in Titos Jugoslawien, sondern in der Schweiz geboren. Sie galt aber dennoch der Süddeutschen Zeitung als „ein starker Beweis dafür, dass es längst die Immigranten sind, die der deutschsprachigen Literatur neue Themen, Schauplätze, Klänge gewinnen“. Die inspirierende Kraft der Migration: Das ist kein neues Phänomen. Migration war schon immer ein herausragendes Thema der Literatur. Wer etwas verlässt, kann davon erzählen, wer neu ankommt, sieht die Welt mit wacheren Augen. Selbstverständliches ist infrage gestellt, der Alltag ausgesetzt, die Sprache fremd. Der Donauraum brachte und bringt unendlich viele Migrationsschicksale hervor. Menschen, die ihre Heimat für immer verlassen oder nur für eine Weile, die zwischen den Welten leben und zwischen den Sprachen. Hoffnungsvolle Menschen, deren Zukunft auf einmal offener scheint als die jener, die bleiben und am Vorgefundenen festhalten.
Foto: Lars Hoffmann
Migration als verbindendes Muster Für den Migrationsforscher Heinz Fassmann ist Migration „zunächst etwas ganz Normales, etwas, das immer auftritt, wenn Staaten unterschiedliche Lebensbedingungen haben und offene Grenzen miteinander teilen“. Fassmann ist Professor für Angewandte Geographie, Raumforschung und Raumordnung, er forscht und lehrt an der Universität Wien. Innerhalb des Donauraumes, jenes heterogenen, aus Staaten mit unterschiedlichsten Traditionen bestehenden Gebildes an der Peripherie Europas, sei Migration geradezu ein verbindendes Muster, ein gemeinsamer Nenner, glaubt Fassmann. „Was unter dem Begriff ‚Danube Region‘ zusammengefasst wird, ist eine demografische Schrumpfungsregion“, erläutert Fassmann. „Nicht Wachstum, sondern Bevölkerungsrückgang herrscht vor.“ Zwar ist die Bevölkerung dieser eher ländlichen Region im Vergleich zu denen westlicher Gesellschaf-
„Migration ist zunächst einmal etwas Normales. Sie ist auch eine Folge offener Grenzen.“
ten noch relativ jung, weshalb es einige Jahrzehnte dauern kann, bis der demografische Wandel zu einer spürbaren Bevölkerungsalterung führt. Aber der Grundstein ist laut Fassmann bereits gelegt. Die Kinderzahlen gehen zurück. Das habe mit fehlendem Optimismus und mangelnder ökonomischer Prosperität zu tun. Das Glück liegt immer woanders Schon jetzt verwaisen ganze Landstriche. Junge Menschen zieht es aus der Provinz in die Städte – ein auch im Westen durchaus bekanntes Phänomen. Metropolen wie Bukarest, Belgrad und Budapest verfügen über gute Universitäten, breite Ausbildungsmöglichkeiten und einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt. Allerdings verlassen auch viele das eigene Land und wandern dorthin, wo höhere Löhne gezahlt werden und Arbeitsplätze locken. „Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist Südosteuropa generell von Abwanderung gekennzeichnet“, erklärt Fassmann. „Nahezu jeder vierte Albaner suchte nach 1989 sein Glück im Ausland. Auch in Bulgarien, Rumänien und Moldau kam es zu starken Auswanderungswellen“, weiß der Autor zahlreicher Fachbücher. In den 90er Jahren zwangen Konflikte und Kriege viele Menschen zusätzlich zur Flucht. Seit 1995 ging die Zahl der Flüchtlinge jedoch zurück. Spätestens seit der Jahrtausendwende, so der Experte, „folgten die Wanderungsbewegungen in Südosteuropa fast ausschließlich der ökonomischen Logik“. „Aber nicht alle, die einen besser bezahlten Job suchen, müssen abwandern“, glaubt Fassmann. Wer in den Grenzregionen zu westeuropäischen Nachbarstaaten lebt, der kann Abwanderung durch Pendelwanderung ersetzen. Ein reger und für alle Be-
Auf den Punkt gebracht
• Die östliche Donauregion
schrumpft. Die Kinderzahlen gehen zurück, weil Optimismus und Wohlstand fehlen.
• Fast jeder vierte Albaner
suchte nach 1989 sein Glück im Ausland. Jeder fünfte Serbe hat mindestens ein halbes Jahr im Ausland verbracht.
• Der Beitritt zur Europäischen Union macht es nicht nur leichter, im Ausland zu arbeiten. Er wirkt sich auch positiv auf den eigenen Wohlstand aus und wirkt so der Abwanderung entgegen.
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32 MIGRATION
Univ.-Prof. Dr. Heinz Fassmann ist Professor für Angewandte Geographie, Raumforschung und Raumordnung sowie Vizerektor für Personalentwicklung und Internationale Beziehungen an der Universität Wien. Er war Direktor des Instituts für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Dekan der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie der Uni Wien.
Menschen ziehen der Arbeit hinterher Wie die Studie ergab, hat ein Fünftel der serbischen Bevölkerung schon einmal länger als sechs Monate im Ausland gelebt und so selbst Migrationserfahrungen gesammelt. Es handelt sich dabei um eine sehr heterogene Gruppe, zu der mehr Männer als Frauen gehören und Facharbeiter ebenso wie geringer qualifizierte Kräfte. Vor allem in Deutschland (40 Prozent) und in Österreich (12 Prozent) verbrachten die Befragten ihre Zeit, seltener in Frankreich, Russland und der Schweiz. „Die Gründe für den Auslandsaufenthalt“, kommentiert Fassmann die Studie, „waren eindeutig und entsprechen der theoretisch begründbaren Erwartungshaltung.“ Wer aus Serbien emigriert, sucht nicht die Reize einer fremden Kultur, er ist kein Reisender, den es in exotische Fernen zieht. Er wünscht finanzielle Sicherheit. Über zwei Drittel der Befragten begründeten ihre zeit-
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Links: Die Apollobrücke in Bratislava hat acht Fahrbahnen und wurde 2005 fertiggestellt. Rechts: Die Megyeribrücke in Budapest gibt es seit 2008. Ihrem Bau ging ein zehnjähriger Streit mit Umweltschützern voraus.
weilige Ausreise aus Serbien mit den besseren Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten im Ausland. Ein Fünftel zog aus familiären Gründen fort. Rund fünf Prozent gingen zu Ausbildungszwecken. Auch die Rückkehr in die Heimat hat ihre Gründe. Rund vierzig Prozent der Ausreisenden kamen nach Serbien zurück, weil sie wieder bei ihrer Familie leben wollten. Manchmal führten rechtliche Einschränkungen, etwa eine begrenzte Aufenthaltsgenehmigung, zur unfreiwilligen Rückkehr. In acht Prozent der Fälle kamen die Migranten zurück, weil sie ihre selbst gesteckten finanziellen Ziele erreicht hatten, was ihnen den Bau oder Kauf eines Hauses in der Heimat ermöglichte. Vorsichtig optimistisch Sehr viel seltener, erklärt Fassmann, seien es die guten Bedingungen der Rückkehr (6,7 Prozent) oder gar nostalgische Gefühle (5,8 Prozent), welche die Rückkehrer in die Heimat gelockt hätten. Auch die Hoffnung, das im Ausland erwirtschaftete Geld flösse als Kapital in Wirtschaftsunternehmen der Heimat, scheint nach der vorliegenden Studie nicht gerechtfertigt. Dies geschah nur bei 6,7 Prozent der Rückkehrer. „Der manchmal vernehmbare Optimismus, die Rücküberweisungen seien das Startkapital einer sich entwickelnden Wirtschaft“, sagt Fassmann, „erscheinen im Falle Serbiens übertrieben.“ Allerdings ergab die Studie auch, dass Auslandsaufenthalte durchaus mit einer offeneren Haltung gegenüber westlichen Demokratien einhergehen – sei es, dass Menschen, die emigrieren, ohnehin politisch anders denken, sei es, dass der Aufenthalt im Westen selbst auch im Denken seine Spuren hinterlässt. Serben, die länger im Ausland lebten, so Fassmann, vertreten „sehr viel häufiger die Meinung, dass westliche Demokratien auch für Serbien ein Vorbild sind, sie fühlen sich seltener als Verlierer der Transformationsprozesse und sie lehnen auch die Zeit des Kommunismus ab, in der
Fotos: privat (S. 32), Peter Gyukics (S. 33)
HeINz FASSMANN
teiligten produktiver Grenzverkehr herrscht beispielsweise zwischen Westungarn und dem Burgenland. Ungarische Kellner und Köche stellen ihre Arbeitskraft den burgenländischen Tourismusbetrieben zur Verfügung und kurbeln mit dem im Ausland erworbenen Einkommen die lokale Wirtschaft in Westungarn an. Migration und Pendelwanderung sind eben „nichts Schlechtes“, so der Wissenschaftler, sondern eröffnen die Chance, anderswo Arbeit und Auskommen zu finden. Neben den für Zuwanderer typischen Sektoren (Tourismus und Baugewerbe) entsteht im Bereich Haushaltshilfe und Altenbetreuung ein wachsendes Beschäftigungssegment. Daneben hat sich auch im hoch qualifizierten Dienstleistungsbereich ein Markt für ausländische Arbeitnehmer entwickelt. Für die in der „Danube Region“ stark aktiven Banken etwa, erzählt Fassmann, übernähmen die Arbeitskräfte aus dem Ausland dank ihrer Sprachkompetenz wichtige Brückenfunktionen. Was genau Menschen zum Verlassen ihrer Heimat veranlasst und wie sie aus dem Donauraum in den Westen emigrieren, untersucht ein umfassendes Forschungsprojekt, das von Heinz Fassmann gemeinsam mit Dieter Segert, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Wien, durchgeführt wurde. Erste Ergebnisse liegen bereits für Serbien vor.
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es nur eine Partei gab“. Politische Veränderungen, sozioökonomische Verbesserungen und ein nachhaltiger Wandel: Sie gehören zu den Zielen und Hoffnungen, die sich an die Zukunft des Donauraums knüpfen. Ein wenig Optimismus, dass diese Ziele auch erreicht werden, ist nicht unangebracht. „Dieser Raum ist zwar sozioökonomisch peripher, aber manche makroökonomischen Daten sind gar nicht so schlecht“, bestätigt Fassmann. Als Beispiele nennt er die geringen Verschuldungsquoten innerhalb der Länder, den gelungenen Aufbau der Automobilindustrie in der Slowakei und eine vielerorts gerade in den Metropolen angekurbelte Wirtschaft. Die positivsten integrativen Effekte sieht Fassmann dort, wo es Ländern gelang, der EU beizutreten. „Die harten Grenzen der politischen und ökonomischen Gegensätze haben sich ostwärts verschoben und sind dort zu finden, wo die EU endet.“ Bukarest – eine laute, kantige Stadt Dagegen steht ein ganz anderes Bild vom Donauraum: das der Armutsregion und Abwanderungsländer. Dabei hat es früher hier durchaus auch gute Zeiten gegeben. Blühende Städte. Pulsierendes Leben. Die Schriftstellerin Jolanda Piniel erinnert daran. In ihrem gerade erschienenen Romandebüt „Die Verbannte“ erzählt die Schweizerin von einer Migration in umgekehrter Richtung:
Ihre Protagonisten, ein junges Paar, auf dessen Spuren sich die Erzählerin und Enkelin bewegt, verschlägt es in den 30er Jahren nach Bukarest. Sie sind in der Schweiz verwurzelte Deutsche, die infolge der Wirtschaftskrise die Schweiz verlassen mussten. In der Fremde angekommen, sinken sie nicht etwa ab in Armut: Sie steigen auf in die besseren Kreise einer boomenden Stadt, spielen Tennis, unternehmen Ausflüge, flanieren in den schönen Parks. Bis der Krieg ausbricht und die junge Familie den Zusammenhalt verliert. Für ihre Recherchen hat Jolanda Piniel Rumänien mehrfach besucht. Sie radelte die Donau entlang, besuchte die ländlichen Gebiete, freute sich an der Schönheit der Bukowina. Dank eines Stipendiums verbrachte sie auch einen langen Winter in Bukarest, jener „lauten, kantigen Stadt“, die so viel durchgemacht hat und noch immer keine Ruhe findet: „Faschismus, Kommunismus, dann das Vakuum, der Turbokapitalismus, die sozialen Spannungen heute.“ Im Grunde war die Autorin in der Vorbereitung ihres Romans selbst Migrantin – eine Migrantin auf Zeit mit einem stillen, drängenden Projekt. Jolanda Piniel sagt: „In der Fremde wird Vertrautes infrage gestellt. Das verunsichert und ist gleichzeitig auch eine Bereicherung. Man beginnt, die Dinge mit anderen Augen zu sehen und sich in einer neuen Sprache zurechtzufinden.“
Literatur und Links Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf. Jung und Jung, Salzburg 2010 Jolanda Piniel: Die Verbannte, Dörlemann Verlag, Zürich 2012
Migration in Forschung und Lehre Das Department für Migration und Globalisierung an der Donau-Universität Krems unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Gudrun Biffl erforscht die Zusammenhänge zwischen den beiden Phänomenen, die gesellschaftliche und kulturelle Integration, aber auch die Wirkung auf die Wirtschaft der Auswandererländer. Verschiedene Lehrgänge widmen sich dem Thema Migration in Zusammenhang mit Religion, Gesundheit oder Management. www.donau-uni. ac.at/mig
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34 Studenten
Zuhause? Das ist auch da, wo man lernen kann Amanda Mak, 27, kommt aus Ungarn und arbeitet bei PBS Austria, Papier Büro und Schreibwaren GmbH in Wels. Sie studiert in Krems „Management und IT“.
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Ich komme aus Hatvan in der Nähe von Budapest. Mit der Grenzöffnung beschlossen meine Eltern, nach Österreich auszuwandern. Ich war damals vier Jahre alt. Die Österreicher begegneten mir offenherzig und aufgeschlossen. Ein paar Mal im Jahr fahre ich nach Ungarn und besuche Verwandte. Ungarn empfinde ich nach wie vor als Heimat, neben Österreich. Für mich sind beide Länder ähnlich. Die Donau bedeutet mir sehr viel. Es gibt so gute Wander- und Radwege. Zuletzt war ich im Innviertel klettern, direkt neben der Donau an der Felswand. Es wäre eine schöne Herausforderung, von Land zu Land zu wandern. Einmal im Monat fahre ich nach Krems. Ich finde die Atmosphäre dort sehr romantisch, die Stimmung ist gut und ich bin stolz darauf, eine so multikulturelle Uni zu besuchen. Ich lerne gerne Studenten aus anderen Ländern und Kulturen kennen. Vielleicht, weil ich selbst aus einem anderen Land komme. Schon als Kind wurde mir beigebracht, auf andere zuzugehen. Wenn man oft umzieht, muss man immer wieder schauen, dass man Freunde findet. Ob ich mir vorstellen kann, mal in Ungarn zu leben und zu arbeiten? Klar, wenn das Angebot attraktiv ist!
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Gabriella Könczei, 42, ist eine Ungarin aus Rumänien. Die Psychologin studiert in Krems „Psycho therapie“. Ich komme aus Rumänien, bin aber Unga-e rin, weil ich der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen angehöre. Mit 18 Jahren bin ich nach Ungarn geflüchtet, mit 25 Jahren kam ich nach Wien. Mit der Donau verbindet mich viel. Viele politische Häftlinge aus unserer Gegend waren in einem Arbeitslager im Donaudelta. Dann gibt es eine Legende über den Fluss, an dem meine Geburtsstadt liegt. Sie geht so: Ein Feenkönig wird entführt und am Meer festgehalten. Seine zwei Kinder, die beiden Flüsse Maros und Olt, ziehen aus, um ihn zu suchen. Die sanftere Maros geht den leichteren Umweg über Ungarn. Der wildere Olt kämpft sich gerade durch die Südkarpaten. Im Donaudelta, kurz bevor sie vom Schwarzen Meer verschlungen werden, erblicken Maros und Olt ihren Vater und winken sich zu. An dem wilderen Fluss bin ich aufgewachsen. Die Geschichte von den beiden Kindern erzählt auch von meinen Wurzeln. Meine Wahlheimat ist Wien, und meine Wurzeln liegen in Rumänien. Ich habe immer wieder mit dem Gedanken gespielt, zurückzukehren. Doch inzwischen wäre ich dort mehr Migrantin als hier. Für Rumänien wünsche ich mir, ebenso wie für Ungarn, mehr Demokratie, den Ausbau von Minderheitenrechten, mehr Schulen, die reformpädagogisch ausgerichtet sind. Ein Umdenken, zumindest was die Schulen betrifft, ist bereits in Gang. Ich bin sehr froh darüber.
„Zurückkehren? In meiner Heimat wäre ich mehr Migrantin als hier.“
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Die DonauUniversität Krems hat viele Studenten und Studentinnen aus Südosteuropa. Was hat sie nach Krems gebracht? Was denken sie über ihre Wahlheimat? Protokolle: Monika Goetsch
Vesselka Lalova-Muetze, 42, kommt aus Bulgarien und macht ihren „Danube Professional MBA“ in Krems.
Fotos: privat
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Ich komme aus Zagreb, für eine Fahrt nach Krems brauche ich rund sechs Stunden mit Bus und Bahn. Zwei bis drei Wochen pro Semester bin ich an der Uni. Ich zahle selbst für mein Studium. Und es lohnt sich. Es ist so ein schöner Ort: das Kloster, die Weinberge. Man lebt dort ganz abgeschieden von der Welt. Andererseits lerne ich die unterschiedlichsten Menschen kennen. Sie kommen von überallher. Der kulturelle Austausch geht weit über den Donauraum hinaus. Ich fühle mich nicht als Fremder, alle meine Kommilitonen und Professoren sind doch Fremde! Sie haben die verschiedensten Berufe und Standpunkte. Ich hatte schon immer ein leidenschaftliches Interesse an Kunst und Kunstgeschichte. In Zagreb habe ich visuelle Kommunikation studiert. Ich arbeite dort als Freelancer, mache Kunst und verdiene mein Geld mit Design. In Krems bin ich für „MediaArtHistories“ eingeschrieben und erwerbe ein Wissen, das in Zagreb nicht so leicht zur Verfügung steht. So versuche ich, meine Ausbildung zu vervollständigen. Das Wissen wende ich auch in meinem Medienlabor in Zagreb an, das ich seit einem Jahr leite.
Ich bin in Sofia, Bulgarien, geboren und habe dort einen Master of Economics erworben. Danach habe ich mich in Genf zum „Master Economics & Society“ weitergebildet. Die Grenzen waren gerade geöffnet worden. Ich dachte: Um eine Arbeitsstelle in der westlichen Welt zu finden, ist es besser, einen Abschluss im Ausland vorzulegen. In Sofia habe ich bei internationalen Gasfirmen und danach für das bulgarische Innenministerium gearbeitet. Mit meinem Mann und unseren zwei Kindern, die in Wien und Madrid geboren wurden, sind wir viel in Europa herumgekommen; seit elf Jahren lebe ich nun nicht mehr in Bulgarien. Vor zwei Jahren bekam mein Mann eine Stelle in Wien, wo ich Schwierigkeiten hatte, einen Job zu finden. Daher habe ich beschlossen, den „Danube Professional MBA“ zu machen. In Krems finde ich Ruhe, ich mag die Region und das internationale Ambiente in den Kursen. Wir sind eine sehr europäische Familie: Mein Mann ist Deutscher, die Kinder sprechen Bulgarisch, Deutsch und Englisch. Ich glaube an eine „bewegte“ Zukunft: Wer seine Fähigkeiten entwickeln will, muss sich international bewegen. Meine Kinder sind jetzt sechs und neun Jahre alt. Ich bin sicher, dass sie später an den unterschiedlichsten Orten lernen und arbeiten werden. Meine Mutter ist in den vergangenen Jahren viel gereist, um uns zu besuchen. Das werde ich mit meinen Kindern auch so machen. Wien ist für uns zwar ein „Paradies“, aber wir gehören zu Europa!
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Hrovoje Hirsl, 30, ist ein Künstler und Designer aus Kroatien, wo er ein Medienlabor betreibt. Er studiert „MediaArtHistories“ an der DonauUniversität Krems.
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36 Bildung und wissenschaft
Auf gute Nachbarschaft! Ein wissenschaftliches Netzwerk im Donauraum – dafür setzt sich auch die Donau-Universität Krems ein. Sie engagiert sich in der DonaurektorenKonferenz und unterstützt die Entwicklung von Hochschulen. Von Stephanie Schmidt
Jedem Land seine eigene Strategie Ihr Spezialwissen in Sachen Weiterbildung und Management von Hochschulen bringen Pausits und sein Team auch in das von der EU geförderte Projekt „Vernetzte und gestufte Aus- und Weiterbildung im Bildungsmanagement“ (BIMA-In) ein. Dabei arbeiten die Donau-Universität Krems, die Universität Hildesheim sowie die Staatliche Universität Novgorod in Russland seit 2008 mit sieben Universitäten in Russland, Weißrussland und
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der Ukraine zusammen, um in diesen Ländern Masterlehrgänge für das Bildungs- und Hochschulmanagement zu entwickeln. Erst im Juli dieses Jahres fanden Arbeitstreffen mit den Hochschulleitungen der beteiligten osteuropäischen Universitäten statt. „Es ging thematisch um Formen der Strategie-Entwicklung und um Finanzierungsmodelle für Weiterbildung, die von Land zu Land ganz unterschiedlich aussehen“, berichtet Pausits. Alte Zöpfe abzuschneiden und eine moderne Hochschulorganisation einzuführen, das sind wesentliche Ziele von MOREMS – „Modernisation and Reconstruction of University Management and Structure“. Das Projekt, an dem die Donau-Universität Krems partizipiert, wird von der EU finanziell unterstützt und arbeitet mit Partneruniversitäten in Deutschland, in Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien und Serbien zusammen. „An einigen Universitäten, zum Beispiel in Tetovo in Mazedonien, geht es um elementare Dinge wie eine Beratungsstelle für Studierende und eine moderne Bibliothek“, erklärt Pausits, der als Berater in Tetovo war. „MOREMS soll transparent machen, vor welchen wesentlichen Herausforderungen Hochschulen in einigen Partnerländern stehen und welche Ergebnisse wir bis zum Ende des Projekts erreicht haben.“
Auf den Punkt gebracht
• MOREMS ist die Abkürzung
für „Modernisation and Reconstruction of University Management and Structure“. Das Projekt fördert ein modernes Hochschul management.
• MARIHE steht für „Master in Research and Innovation in Higher Education“. Dahinter verbirgt sich ein neuer ErasmusMundusMaster lehrgang an der Donau Universität Krems.
• DREAM nennt sich das
Projekt „Danube River Research and Management“. Mehrere Universitäten im Donauraum erforschen das Ökosystem des Flusses.
Voneinander lernen Eine zentrale Herausforderung ist die engere Vernetzung untereinander. Oft haben die Universitäten zwar Kontakte rund um den Globus, aber kurioserweise nicht zu den eigenen Nachbarregionen. Um eine engere Zusammenarbeit möglich zu machen, wurde 1983 die Donaurektoren-Konferenz, das größte Netzwerk für Wissenschaft
Foto: Peter Gyukics
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as neue Europa ist der DonauUniversität Krems schon immer ein besonderes Anliegen gewesen. Dementsprechend hat die Weiterbildungsuniversität seit ihrer Gründung gute Kontakte zu ihren Nachbarn im Osten und Südosten gepflegt. Denn nirgends sind die Potenziale dieses neuen Wirtschafts-, Wissens- und Kulturraumes besser zu erkunden und zu erlernen als am mitteleuropäischen Standort in Krems. Zahlreiche wertvolle Kooperationen mit ost- und südosteuropäischen Hochschulen sowie deren Weiterbildungseinrichtungen konnten über die Jahre eingegangen werden. So halfen beispielsweise Experten des Departments für Weiterbildungsforschung und Bildungsmanagement dabei, an der Universität von Novi Pazar in Serbien einen Weiterbildungslehrgang in Hochschulmanagement einzurichten. „Der Lehrgang soll Personen in Leitungsfunktionen Management-Know-how vermitteln. Denn auf diesem Gebiet ist die Entwicklung in einigen osteuropäischen Ländern noch nicht so weit vorangeschritten wie im deutschsprachigen Raum“, erklärt Attila Pausits, Fachbereichsleiter des Departments, den Hintergrund.
von Ruse nach raßenbrücke führt St d un nah nb se Ei t, gebaut und Diese r Sowjetunion geplan „befreundeten de n vo e rd wu e Si Giur giu. wurde in e Stahlkonstruktion 1954 fertiggestellt. Di , gefertigt. ng malige Sprachregelu Ländern“, so die da upgrade 3/2012
38 Bildung und wissenschaft
Die beiden Partner-Universitäten entsenden wechselseitig Lehrende in der Informatik. „Mit der Donau-Universität Krems streben wir weitere Partnerschaften in den Bereichen Gesundheit, Physik, Architektur und Design sowie Politische Wissenschaft an“, sagt Bjeliš. „Auch den Austausch von Doktoranden wollen wir besonders fördern.“ Die Abwanderung stoppen AttiLA PAuSitS
MArtiN GerzAbek
Dr. Attila Pausits leitet das Zentrum für Bildungsmanagement und Hochschulentwicklung an der Donau-Universität Krems und koordiniert den neuen Erasmus-Mundus-Lehrgang „Research and Innovation in Higher Education“. Er ist im Vorstand des Netzwerkes „The European Higher Education Society“.
Univ.-Prof. DI Dr. DDDr.h.c. Martin Gerzabek ist Rektor des Instituts für Bodenforschung der Universität für Bodenkultur Wien. Außerdem ist er u.a. Präsident der Donaurektoren-Konferenz und des Netzwerkes der Lebenswissenschaftlichen Universitäten Zentral- und Südosteuropas (ICA-CASEE).
und Forschung im Donauraum, von den Rektoren der Universitäten Linz, Wien, Ulm und Budapest ins Leben gerufen. In die Donaurektoren-Konferenz sind mehr als 50 Bildungsinstitutionen, unter ihnen auch die Donau-Universität Krems, eingebunden. Neben Institutionen aus Österreich sind solche aus Deutschland, Ungarn, Bosnien, Bulgarien, Rumänien, Kroatien, Tschechien, Polen, Serbien, Montenegro, der Slowakei, Slowenien und der Ukraine vertreten. „Zentrale Anliegen der Donaurektoren-Konferenz sind der Austausch von Lehrenden und Studierenden und Aktivitäten im Qualitätsmanagement an den Universitäten“, erklärt Professor Martin Gerzabek, Präsident der Konferenz, der heuer für eine weitere vierjährige Funktionsperiode gewählt wurde. Ein solcher Austausch existiert bereits in zahlreichen Fächern. Ein Beispiel nennt Professor Aleksa Bjeliš, Physiker und Rektor der Universität Zagreb: die Kooperation mit der Donau-Universität Krems in Informatik.
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In den Donauländern sieht Gerzabek „die Region mit dem höchsten Entwicklungspotenzial in Europa“. 20 Prozent der Europäer, 115 Millionen Menschen, leben dort, drei Millionen sind Studierende. Doch da in einigen südosteuropäischen Ländern, wie in Rumänien, die wissenschaftliche Infrastruktur Defizite aufweise, würden hervorragend qualifizierte Hochschulabsolventen und Wissenschaftler abwandern. „Da müssen wir gegensteuern“, stellt Gerzabek fest. Das nächste Jahrestreffen der Donaurektoren-Konferenz findet am 22. und 23. November in Prag statt. Ziel der Konferenz sei es, ein zusätzliches Budget für die Anschubfinanzierung vielversprechender Projekte zu schaffen. Die Mittel für den geplanten „Danube Research and Innovation Fund“ sollen von den Regierungen der beteiligten Länder kommen. Die Donaurektoren-Konferenz in Prag wird sich dementsprechend auch mit Fundraising und Sponsorship im Hochschulwesen befassen. Gerzabek, der als Rektor der Universität für Bodenkultur in Wien vorsteht, schätzt die Erfolgsaussichten bei jenen länderübergreifenden Vorhaben am größten ein, die sich auf wissenschaftliche Fachgebiete spezialisiert haben. Ein gelungenes Beispiel sei das auf Initiative seiner Universität gegründete Netzwerk ICA-CASEE, zu dem mehr als 20 ost- und südosteuropäische Universitäten gehören und das die Lebenswissenschaften fördern will. Um die Fortschritte transparent zu machen, sei eine eigene Qualitätssicherungsagentur von der ICA (European Association of Life Science Universities) gegründet worden. Einblicke in die Aktivitäten dieses Netzwerkes wird Gerzabek bei der Zusammenkunft der Donaurektoren im Herbst in Prag geben. Um den Fluss Donau selbst geht es bei einem großen Vorhaben, an dem sich die Universität für Bodenkultur und zahlreiche
Fotos: Donau-Universität Krems/Reischer, Rainer Ressmann
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andere Universitäten, alle in der Donaurektoren-Konferenz, beteiligen. Das Projekt „Danube River Research and Management“ DREAM (siehe auch Beitrag S. 25) bezieht zahlreiche Forschungseinrichtungen der Anrainerstaaten ein. Sie sollen Erkenntnisse über das komplexe Ökosystem der Donau liefern. Das Spektrum der Kooperationen im „Donau-Hochschulraum“ ist breit und facettenreich. Im vergangenen Jahr zum Beispiel schloss sich die Donau-Universität Krems unter der Leitung des Politikwissenschaftlers Peter Filzmaier unter anderen mit der Babes-Bolyai-Universität in Cluj (Rumänien) und mit der Andrássy Universität in Budapest zum Universitätsnetzwerk netPOL zusammen. Ein gutes Beispiel dafür, wie die Stärken der einzelnen Universitäten gebündelt und das Potenzial einer Region gestärkt werden können. Das Netzwerk fördert, finanziell unterstützt durch das Land Niederösterreich, mit länderübergreifenden Lehrprogrammen und Forschungsprojekten die Themenbereiche Politik, Wirtschaft und Medien. Es will auch moderne Formen der Wissensvermittlung voranbringen. Dazu gehört das Blended Learning, welches Präsenzveranstaltungen mit einem Online-Studium kombiniert. Im Rahmen von netPOL wird erstmalig im Herbst 2012 ein Doktoratsstudium für Kommunikation und Politische Bildung in Europa ausgeschrieben. Ebenfalls im Herbst dieses Jahres startet erstmals der Erasmus-Mundus-Masterlehrgang „Master in Research and Innovation in Higher Education“ (MARIHE) an der Donau-
Universität Krems, der sich an jetzige oder zukünftige Verantwortliche in den Bereichen Forschung und Innovation an Hochschulen wendet. „Dass uns die europäische Kommission damit beauftragt hat, dieses Bildungsprogramm anzubieten, ist eine große Auszeichnung für unsere Aktivitäten in der Hochschulentwicklung und im Hochschulmanagement“, betont Attila Pausits, der das Programm leitet. Studienorte sind in Österreich, Finnland, Deutschland und China, wobei Pausits auch Lehrende aus Hochschulen aus dem Donauraum einbinden und nach Krems einladen möchte. Mit dem Donauraum fühlt Pausits sich persönlich „sehr verbunden“, da er aus Ungarn stammt und „an der Donau“, im oberbayrischen Ingolstadt, studiert hat. Annäherung der Arbeitskulturen Ein lebendiges Netzwerk in der Wissensregion Donauraum zu schaffen, bleibe eine große Herausforderung, glaubt Pausits. „Denn es geht nicht nur um Wissensaustausch und das Überwinden von Sprachbarrieren. Hier begegnen einander auch unterschiedliche Arbeitsweisen, Kulturen und Religionen. Um sich einander anzunähern, sind persönliche Beziehungen sehr wichtig“, betont der Wissenschaftler. Eine Möglichkeit, einander näher zu kommen, bietet die Internationale Konferenz „The EU Strategy for the Danube Region – Focussing on Human Needs“, welche die Donau-Universität Krems gemeinsam mit dem Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) am 5. Oktober 2012 am Campus Krems veranstaltet.
Literatur und Links EU Strategy for the Danube Region. Perspectives for the future. Herausgegeben von István Tarrósy und Susan Milford. Publikon Books 2011 Studie des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM): Kooperationsraum Donau. Initiativen, Projekte und Institutionen im Donauraum, Nr. 1/2010 P. Davies, B. Németh, A. Pausits: Development and Management of University Lifelong Learning. (2010). In: J. Huisman, A. Pausits (2010) European Higher Education Management and Development – Compendium for Managers. Waxmann, S. 147–158 Pausits, A.: Higher Education Management 2020 (2007). In: Tarrósy, I.; Milford, S.: European Higher Education in a Changing World – A View from the Danube Region, IDResearch, S. 85–97
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KULTUR 41
Aufschwung beginnt im Kopf Kultur trägt entscheidend zur Integration der östlichen Donau-Länder in die EU bei. Und sie beglückt Kulturschaffende wie Genießer. Zum Beispiel durch „Flow“, ein Festival im bulgarischen Ruse. Von Monika Goetsch
Fotos: Lars Hoffmann (S. 40), Wilke (S. 41)
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ung, neugierig und kommunikativ sind die 60 Künstler und Wissenschaftler, die am diesjährigen „Flow Festival“ teilnehmen. Gemeinsam werden sie im Oktober eine eher unbekannte Stadt im Norden Bulgariens erkunden: Ruse. Viele von ihnen dürften noch nie in dieser Gegend gewesen sein. Russe, Rousse oder eben: Ruse liegt in der Donautiefebene an der Grenze zu Rumänien. Nach dem Kommunismus litt die bulgarische Stadt heftig unter der ökonomischen Krise. Seit dem demokratischen Wandel jedoch hat Ruse an Bedeutung zurückgewonnen. Der Luftverschmutzung durch ein grenznahes Industriewerk wurde ein Ende gesetzt. Auch die Mitgliedschaft Bulgariens in der Europäischen Union kurbelte die Wirtschaft an. Langsam erholt sich die Stadt von der Krise. Neuerdings veranstaltet Ruse sogar regelmäßig einen literarischen Frühjahrssalon und ein Skaterfestival. Aber so etwas wie „Flow“ hat die Stadt bislang noch nicht gesehen. Es ist der ungewöhnliche Versuch, jugendliche Frische, Interdisziplinarität, Innovation und die kulturelle Integration schwächerer Regionen unter einen Hut zu bringen. Nicht der bereits erlangte öffentliche Bekanntheitsgrad zählt bei der Auswahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Festivals, sondern ihre Offenheit für die Ausei-
nandersetzung mit anderen Kulturen und Denkansätzen. Es sind Künstler und Wissenschaftler „auf dem Sprung“, am Beginn vielversprechender Karrieren. Sie stammen aus Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Österreich, der Republik Moldau, Rumänien, Serbien, der Slowakei, Ungarn und der Ukraine. Je sechs sind pro Land geladen, sich an „Flow“ zu beteiligen. Multinational und interdisziplinär zugleich ist der Austausch der Teilnehmer, Freundschaften sollen entstehen, gemeinsame Projekte und Kooperationen zwischen Menschen im Donauraum. Vergessene Orte, kulturelles Brachland Initiator von „Flow“, das in diesem Herbst bereits zum dritten Mal stattfindet, ist das Österreichische Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, die Koordination übernimmt seit 2009 das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa, IDM. Seit seinem Bestehen wandert das Festival durch den Donauraum und nimmt immer andere Städte in seinen Fokus. So gastierte es bereits in Novi Sad, der Hauptstadt der serbischen Provinz Vojvodina, die während des Kosovo-Krieges 1999 Ziel von Luftangriffen durch die NATO war. Vor zwei Jahren fand „Flow“ in Chis˛ina ˇu in der Republik Moldau statt, einer im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstörten und
SuSAn MilfOrd Dr. Susan Milford absolvierte ein Übersetzer- und Dolmetschstudium für Deutsch, Ungarisch und Englisch sowie ein Studium der Politikwissenschaft an der Universität Wien. Ihre Dissertation schrieb sie über „Ungarn auf dem Weg in die Europäische Union“. Außerdem promovierte sie in Philosophie. Seit 2007 ist die Expertin für EU-Erweiterung Geschäftsführerin des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM).
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42 KULTUR
Das ist FLOW Flow ist ein Festival, bei dem junge Künstler und Wissenschaftler aus dem Donauraum zusammenkommen, um ein Netzwerk zu bilden und an kulturellen Projekten zu arbeiten. Es findet 2012 vom 18. bis 21. Oktober in der bulgarischen Stadt Ruse statt. Seit 2009 koordiniert das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa, IDM, das Festival. www.flow-festival.info
danach im stalinistischen Stil wiederaufgebauten Stadt, deren wechselvolle Geschichte sie noch heute weit hinter den westeuropäischen Standards zurückbleiben lässt. „Fragility“, „Openness“ und „Freedom“ – Fragilität, Offenheit, Freiheit – waren die Schlüsselwörter der aufregenden Debatten, Projekte und Veranstaltungen, die im Rahmen von „Flow“ 2010 in Chis˛ina ˇu stattfanden. Künstler und Wissenschaftler fragten sich, so die Geschäftsführerin Susan Milford vom IDM, wie mit den brachliegenden öffentlichen und privaten Plätzen umzugehen sei. Was getan werden könne, um ungenutzte Räume und Orte wiederzubeleben und ins Gedächtnis zurückzurufen. „Viele dieser Orte, die aus der Geschichte heraus eine wichtige Bedeutung haben, sind in Vergessenheit geraten. Den jungen Menschen war es ein ganz wichtiges Anliegen, das zu ändern.“ Geführte Touren zu thematischen Schwerpunkten führten zu den Erinnerungsund Vergessensorten der Stadt. So wurde Chis˛ina ˇu, die Stadt selbst, zu einem entscheidenden Hauptdarsteller des Festivals. Eine Community entsteht Vedran Džihic´, Politologe aus Bosnien-Herzegowina und seit dem Jahr 2005 Director of CEIS (Center for European Integration Strategies), war in Chis˛ina ˇu dabei und gehört inzwischen als Berater zu den AdvisoryBord-Mitgliedern des Festivals. Er erinnert sich an eine „besondere Form der Energie“, die sich damals entwickelt habe. Er genoss die interdisziplinäre, wissenschaftliche und künstlerische, gegenwartsbezogene, nicht alltägliche Auseinandersetzung mit Themen und „das Eintauchen in die Stadt“. So sei, erzählt er, „etwas sehr Beeindruckendes“ entstanden. Er ist überzeugt: „In der inhaltlichen Auseinandersetzung mit anderen kommt man sehr viel weiter, als wenn man innerhalb der Grenzen des eigenen Fachs verharrt.“ Inspiration einerseits, emotionale Bindung andererseits: Für Džihic´ war das Festival ein voller Erfolg. Es entstand eine „Community von Freunden“. „Die Kontakte sind jetzt gestreut im ganzen Donauraum.“ Der Workshop, an dem er vor zwei Jahren teilnahm, begründete ein ganz konkretes Projekt zum Thema „brüchige Identitäten“, jener Brüchigkeit, erklärt Džihic´, „die
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wir alle in uns tragen“. Die Teilnehmer experimentierten auf einer „Identitätsspielwiese“ mit verschiedenen Identitätsformen. „Auf unterhaltsame Art und Weise“, erinnert sich der Politologe, „konnte man sich hier der Vielschichtigkeit und auch der Unterschiedlichkeit unserer Identitäten vergewissern.“ Spielerisch, künstlerisch, informativ und kulinarisch: Das Projekt vereinte die verschiedensten Ansätze in sich. Ein Folgetreffen ergab sich, Vedran Džihic´ selbst wandte das Spielwiesenkonzept an der Universität Wien mit interessierten Studierenden an. „Der Geist von Flow, dass aus der Kombination verschiedener Disziplinen etwas spannendes Neues entsteht“, sagt er, „bleibt weit über das Festival hinaus bestehen.“ In Ruse, der Geburtsstadt des 1994 verstorbenen Literaturnobelpreisträgers Elias Canetti, soll im Jahre 2012 alles um das Generalthema „Activating Spaces, Activating People by Micro Imagination“ kreisen, so Susan Milford vom IDM. Räume lebendig machen, Menschen anregen: Das gelang schon den vorangegangenen Festivals. Eine Revolution, scherzt die promovierte Philosophin, sei davon zwar nicht zu erwarten. Wohl aber eine Veränderung in kleinen Schritten: „micro imagination“ eben. Für drei Tage bringen die Nachwuchskünstler und -wissenschaftler viel frischen Wind nach Ruse. Man hofft nicht nur auf eine lebendige Netzwerkkultur unter den anwesenden Teilnehmern, sondern auch auf eine breite Öffentlichkeit für die geplanten Ausstellungen und Konzerte, für das Videoscreening, die Lichtinstallationen, Performances und wissenschaftlichen Präsentationen, damit auch diesmal diese mitreißende Dynamik, die enorme Energie entsteht, von der die Teilnehmer und Teilnehmerinnen noch heute schwärmen. Unterstützung erhält das Festival diesmal von der Internationalen Elias Canetti Gesellschaft. Rückendeckung kommt allerdings auch von Ruse selbst. Der Vizebürgermeister, so Susan Milford, habe großes Interesse an dem künstlerischen, jungen Blick der Festivalteilnehmer auf seine Stadt. Denn für das Jahr 2019 wünscht sich die einstmals so kraftlose Industriemetropole an der Donau vor allem eines: den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt.
44 Was Forschen sie?
Primärquellen für die Wissenschaft Das Archiv der Zeitgenossen an der Donau-Universität Krems umfasst den Vorlass des Komponisten Friedrich Cerha zu den Jahren 1935–2008, den Vorlass des Schriftstellers Peter Turrini zu den Jahren 1958–2004 sowie das Pevny-Turrini-Alpensaga-Archiv. Die Aufgaben dieser Einrichtung des Landes Niederösterreich sind die Archivierung, Katalogisierung und wissenschaftliche Aufarbeitung der Objekte, darunter zahlreiche Primärquellen und eine große Anzahl audiovisueller Dokumente. Das Forschungsservice des Archivs gibt Wissenschaftlern und Interessierten Hilfestellung bei der Suche nach Schriftstücken und der wissenschaftlichen Arbeit dazu. Im Rahmen der Vermittlungsarbeit kooperiert das Archiv unter anderem mit Schulen. www.archivderzeitgenossen.at
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Besessen von Literatur Sie ist keineswegs der Untergang des Abendlandes: die Digitalisierung von Literatur. Von Letzterer war Christine Grond, die das Archiv der Zeitgenossen an der Donau-Uni Krems leitet, schon immer besessen. Die Germanistin liest auch E-Books und sieht in der Digitalisierung nicht das Ende der Buchkultur, sondern ihre Fortsetzung. Von Roman Tronner
Christine GronD
Foto: Donau-Universität Krems/Reischer
Dr. Christine Grond ist Leiterin des Archivs der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe. Das Archiv wurde als Einrichtung der Niederösterreichischen Landesregierung im Jahr 2010 an der Donau-Universität Krems gegründet. Grond studierte Deutsche Philologie und Anglistik/Amerikanistik an den Universitäten Graz und Wien.
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ie betrachtet Literatur am liebsten durch die soziologische Brille, denn schließlich, so ist Christine Grond überzeugt, haben Literatur und jede Form des Erzählens eine starke Wirkung auf Menschen und damit auf Gesellschaft. So liegt es nahe, dass die Philologin intensiv zur Digitalisierung von Literatur forscht – ein von ihr herausgegebener Sammelband zu diesem Thema wird noch im Herbst im De Gruyter Verlag erscheinen. Dass das Buch in seiner klassischen gedruckten Form durch den Einsatz neuer Medien aussterbe, glaube sie nicht, „denn genauere Analysen zeigen, dass die Buchkultur sich in der Digitalisierung fortsetzt“. Die sich an Buchformate anlehnenden elektronischen Lesegeräte, das grafische Erscheinungsbild der Leseprogramme, das Simulieren des Umblätterns oder der dabei entstehenden Geräusche: E-Books seien doch geradezu geprägt von literarischer Kultur. Interessant an E-Books sei jedoch das, was das gedruckte Buch nicht leisten kann. Aber gerade im Literaturbetrieb, vor allem im deutschsprachigen Raum, der von idealisierten Formen literarischer Tradition geprägt sei, ortet Grond reaktionäre Reaktionen. Mit
dem auf Papier gedruckten Text in Buchform erstarrt dieser, das Objekt Buch wird mit dem Werk gleichgesetzt. „Das Wesen der Literatur ist aber nicht das Buch, sondern der Text, seine Rezeption ein kognitiver Vorgang“, hält die gebürtige Grazerin den Verfechtern des zum Kultobjekt stilisierten Buches entgegen. Vor dem Display kam der Lesestein Darüber hinaus bietet Lesen am Display den ganz praktischen Nutzen, die Schrift vergrößern zu können. Ein unschätzbarer Vorteil vor allem für betagtere Lesende, der – so spekuliert Grond – vielleicht eines Tages die Lesebrille überflüssig macht. Möglicherweise wird das E-Book dann in seiner Bedeutung sogar mit der Erfindung des Lesesteins verglichen. Um 1200 entdeckten Schmuckhandwerker die vergrößernde Wirkung von Bergkristall, der fortan als Lesestein Verwendung fand – eine bahnbrechende Innovation, denn Lesebrillen konnten erst Mitte des 14. Jahrhunderts zu erschwinglichen Preisen hergestellt werden. Während auf der einen Seite der gegenwärtige Diskurs die Flüchtigkeit und leichtere Veränderbarkeit von Text in seiner
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digitalen Form beklagt – Stichwort Diebstahl geistigen Eigentums –, wird die Digitalisierung auf der anderen Seite gerade in der Archivarbeit geschätzt, um Bestände zu erhalten und den Menschen leichter zugänglich zu machen. ein schatz aus 5000 Briefen Auch im 2010 gegründeten Archiv der Zeitgenossen an der Donau-Universität Krems, das Grond leitet, sind alle Schriftstücke weitgehend digitalisiert. Neben dem AlpensagaArchiv beherbergt diese Einrichtung des Landes Niederösterreich die Vorlässe des Schriftstellers Peter Turrini bis 2004 und des Komponisten Friedrich Cerha bis 2008. Der Aufbau und die Leitung des Archivs stehen im Mittelpunkt der Arbeit von Christine Grond, wenn sie nicht gerade ihren literaturwissenschaftlichen Studien nachgeht oder
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sich ihrer Habilitation widmet. Reichlich Erfahrung mit Archivarbeit konnte sie schon zwischen 1995 und 2000 sammeln, als sie zunächst das Archiv des Forum Stadtpark, einer selbstverwalteten Künstlerorganisation, betreute und ab 1997 dieses in einem Projekt des Wissenschaftsfonds wissenschaftlich aufarbeitete. An die Donau-Universität Krems kam Grond 2004, damals als Projektassistentin am Zentrum für Zeitgenössische Musik. „Im Moment sind wir dabei, das Fundament des Archivs fertig zu bauen: die Katalogisierung der Schriftstücke aus den Vorlässen von Turrini und Cerha.“ Spannend sei jedenfalls, mit den beiden Vorlassern noch reden zu können. Rund 5000 Briefe, 570 Typo- und Manuskripte vor Druck und auch Partituren – alles primäre Quellen – umfassen die Vorlässe, ergänzt durch Fremddokumente. Die beiden Wahlniederösterreicher haben dies alles dem vom Land finanzierten Archiv überlassen. Mit der Digitalisierung und Katalogisierung machen Grond und ihre beiden Mitarbeiterinnen Sabine Töfferl und Katrin Kröger die Dokumente für Musik- und Literaturforschende, aber auch für Journalisten leichter zugänglich. Pro Monat werden mehrere Anfragen im Rahmen des Forschungsservice bearbeitet. In Planung ist ein Forschungsprojekt, das zu einem kontextualisierten Online-Verzeichnis zu Friedrich Cerha führen soll. „Wir wollen“, so Grond, „dieses Projekt mit einem Portal für Schulen verknüpfen und generell in Zukunft verstärkt Schulklassen ins Archiv bringen.“ Materialien mit spuren
Nicht sichtbar, aber steuerlich spürbar. Unser Branchen Know-how. Hochqualitative Immobilienberatung zählt zu den wichtigsten Geschäftsfeldern von TPA Horwath, einem der führenden, international tätigen Unternehmen in den Bereichen Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Business Consulting. Umfassendes Spezialwissen für die Immobilienbranche bringt spürbare steuerliche Vorteile für unsere Kunden in Österreich sowie Mittel- und Osteuropa. www.tpa-horwath.at
Bulgarien | Kroatien | Österreich | Polen | Rumänien Serbien | Slowakei | Slowenien | Tschechien | Ungarn
Zu den Objekten im Archiv hat die Germanistin eine geradezu emotionale Beziehung. Zu ihnen zählen die Materialien mit Spuren: Turrini etwa korrigierte seinen eigenen Text handschriftlich. Handschriftliche Skizzen, in denen man die Denkweise des Autors nachvollziehen kann, gibt es auch von Cerha. Bei Christine Grond spürt man die Begeisterung für ihre Arbeit. Wie sie selbst sagt, ist sie von Literatur schon immer besessen gewesen. „Für mich gab es keine Alternative zur Literatur, höchstens die Psychiatrie. Beide konstruieren Geschichten.“ Doch letztlich war es die Literatur, die zu Christine Gronds lebensbestimmender Aufgabe in der Wissenschaft wurde.
expertenmeinungen 47
„ich begrüße die Digitalisierung, obwohl ich das Buch und die Partitur vorziehe.“
Das musikalische Œuvre Friedrich Cerhas von über siebzig Jahren bewahrt das Archiv der Zeitgenossen in Form von Partituren, Skizzen und Bearbeitungen auf. Dazu kommen Briefwechsel und Zeugnisse seiner Arbeit wie Programmhefte und Zeitungskritiken. „Die von Christine Grond vehement vertretene Sicht der Notwendigkeit einer vollständigen Digitalisierung des Archiv-Materials bestätigt sich in meinem Fall permanent auf eindrucksvolle Weise“, sagt Cerha. In der Arbeit mit auf Mikrofilm archiviertem Material hat der Komponist schlechte Erfahrungen gemacht. Trotz der möglicherweise notwendigen Vorsorge für den langfristigen Erhalt in der Zukunft zieht er daher digitale Datenträger vor. „Im Bereich der Kunst ist Digitalisierung auf jeden Fall zu begrüßen, sofern sie sich
auf Werke bezieht, die nicht durch Kauf zugänglich sind. Persönlich ziehe ich das Buch und die Partitur vor. Die gegenwärtige Situation bedeutet aber sicher nicht das Ende der Literatur. Buch, Partitur und Digitalisat werden wohl noch lange nebeneinander existieren.“ Die vertraglich gesicherte Digitalisierung seines Werks und die damit ermöglichte leichte öffentliche Zugänglichkeit war für Cerha mit ein Beweggrund, seinen Vorlass dem Archiv der Zeitgenossen zu übergeben. Mit diesem Schritt wollte er eine willkürliche Zerteilung nach seinem Tod verhindert wissen. In die wissenschaftliche Aufarbeitung greift Cerha nicht ein, der Kontakt zu Christine Grond und dem Archiv ist aber sehr lebendig und die Verfügbarkeit des Materials hat sich in der Praxis sehr bewährt.
FrieDriCh CerhA Friedrich Cerha, geboren 1926 in Wien, ist österreichischer Komponist und Dirigent. Cerha komponiert bis heute Orchester- und Bühnenwerke. Seine Oper „Der Riese vom Steinfeld“ nach Peter Turrini wurde 2002 an der Wiener Staatsoper uraufgeführt.
Fotos: Archiv der Zeitgenossen
„einem alten Folianten begegnen wir mit ehrfurcht, für ein e-Book empfinden wir das nicht.“
An sich, findet der Schriftsteller Peter Turrini, ist das E-Book nichts Schlimmes. Zu befürchten sei aber, dass mit dem Verschwinden des Buches als gedrucktes Werk auch ein Teil der sinnlichen Qualität der Literatur verschwindet. „Warum begegnen wir zum Beispiel einem alten Folianten mit Ehrfurcht, die wir dann gegenüber einem EBook nicht empfinden? Ich glaube einfach daran, dass die Dinge nicht nur eine Inhaltsform, sondern auch eine Erscheinungsform haben.“ Gleichzeitig sieht Turrini aber auch den positiven Effekt der Digitalisierung: die Bewahrung, beispielsweise von Manuskripten. Rund 400 Boxen umfasst Turrinis Vorlass im Archiv der Zeitgenossen für den Zeitraum von 1958 bis 2004. Einer der Auslöser, diesen Vorlass einem Archiv zu überlassen, war
der Literatur- und Sprachwissenschaftler Wendelin Schmidt-Dengler. „Aber meine Sympathie gehört mehr Christine Grond als den Boxen. Die Vorstellung, dass man einen Prozess der Archivierung schon zu Lebzeiten vornimmt, war zunächst ein bisschen befremdlich“, gesteht Turrini. Sein Werk sieht der Schriftsteller bei Grond in höchst kompetenten Händen. „Ich freue mich, dass mein Archiv den Menschen als bedeutend genug erscheint, um es zu katalogisieren oder zu digitalisieren. Mein Blick ist ein ganz anderer. Es gibt, glaube ich, inzwischen 100 Bücher von mir, aber ich hab’ nicht die geringste Möglichkeit, mich auszurasten. Ich setze mich jeden Tag an die Schreibmaschine und lebe davon, ständig etwas Neues zu schreiben. Ich bin ein Berserker der Literatur.“
Peter tUrrini Peter Turrini, geboren 1944, ist österreichischer Schriftsteller. Er schreibt Theaterstücke, Drehbücher, Gedichte, Aufsätze und Reden. Sein jüngstes Bühnenstück „Aus Liebe“ wurde im Mai 2012 im Theater in der Josefstadt in Wien uraufgeführt.
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48 InternatIonale KooperatIonen
Agent Innovateur Universitäten spielen eine besondere Rolle bei Innovationen in Europas Regionen. Sagt die Theorie. Doch tatsächlich sind sie dafür oft ungeeignet – zeigt die Praxis. Das Projekt „EU-Drivers“ gibt Empfehlungen, wie die Triple-Helix aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft neue Ideen dennoch vorantreiben kann. Von Roman Tronner
Trilaterales Netzwerk für Organisationen, die Elemente mischen Politik Politik
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Politik Wirtschaft
Modelle der Triple-Helix (TH): „statist regime“ (staatszentriert, links), „laissez faire“ (Mitte), „balanced“ (rechts)
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ie zapfenförmigen Ausbuchtungen, die unseren Handys als Antenne dienten, sind längst aus dem Erscheinungsbild der Mobiltelefonie verschwunden. Schuld daran war Gert Frølund Pedersen: Er erfand an der Universität Aalborg im Norden Dänemarks
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Quelle: Etzkowitz & Leydesdorff (2000)
noch in den 1990er Jahren einen neuen, ins Gerät einbettbaren Antennentypus. Trotz eines finanziell besseren Angebotes aus Schweden verkaufte er das Patent dazu seinem Entwicklungspartner, einem lokalen ITUnternehmen. Diese Innovation kam zustande, weil die dänische Universität in den
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Informations- und Kommunikationstechnologien zur Weltspitze gehört und weil sie außerdem bestens vernetzt ist mit den zahlreichen regionalen Unternehmen der Branche. Gemeinsam schlossen sie sich 2008 zum ICT-Cluster Norddänemark zusammen, das durch die Public-Private-Partnership-Plattform „Brains Business“ entwickelt worden war. „‚Brains Business‘ ist sicher ein Vorzeigebeispiel für eine gelungene Triple-Helix-Kooperation“, sagt Attila Pausits. Nach dem Triple-Helix-Modell aus der Innovationstheorie kommt das Neue am besten dann in die Welt, wenn die öffentliche Hand, Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam an einem Strang ziehen. Bei dieser Anstrengung haben Universitäten, so die Theorie, gerade im regionalen Kontext eine besondere Rolle, weil sie an der Schnittstelle zwischen internationalen Netzwerken und der Region mit ihren meist klein- und mittelständischen Unternehmen stehen. Wie die Praxis dazu aussieht, untersucht Attila Pausits im Zentrum für Bildungsmanagement und Hochschulentwicklung der Donau-Universität Krems, das er leitet und dessen Partner das Projekt „EU-Drivers“ ist. Die zehn Forschungspartner wollen von Pilotprojekten wie dem norddänischen IKTCluster lernen und Empfehlungen ableiten. „Eigentlich sind Universitäten für die Rolle vielfach nicht geeignet“, resümiert Pausits seine Erfahrungen aus der Realität. Quer durch Europa stünden diese unter starkem finanziellen Druck, sie müssten immer mehr Drittmittel beschaffen. Forschungspartner auf anderen Kontinenten seien den Hochschulen außerdem zumeist näher als das mittelständische Unternehmen ums Eck. Warten auf Godot Dabei hätten, so Attila Pausits, die Unis durchaus das Potenzial. Schließlich würden sie doch in der Triple-Helix die Logiken der Verwaltung und des Marktes, an dem sie sich zunehmend orientieren, vereinen. Außerdem bergen die von vielen Universitäten forcierten Alumni-Netzwerke Innovationspotenziale, weil Absolventen meistens überwiegend aus der Region kämen und in ihr blieben. Die Universitäten müssten auch für neue und innovationsbringende Kooperationen den ersten Schritt wagen, sagt Pausits.
Doch „EU-Drivers“ zeigt, dass die Unis tatsächlich zumeist darauf warten, dass die Unternehmen von selbst kommen – und damit wird es zum Warten auf Godot. Und wenn die Kooperationen einmal zustande gekommen sind, verlaufen sie nach Projektende nicht selten mangels gleicher Sprache und nachhaltiger Finanzierung wieder im Sand. Damit Europa wirtschaftlich wieder auf die Überholspur kommt, setzt die Europäische Kommission in der Umsetzung ihrer EU-2020-Strategie auf intelligentes Wachstum in seinen Regionen. Dorthin flossen und fließen aus den aktuellen Strukturfondsmitteln 2007 bis 2013 über 347 Milliarden Euro, vielfach in Infrastruktur. Statt der Autobahn oder des Technologieparks sollen in Zukunft Innovation und Wissensökonomie für die wirtschaftlichen Impulse sorgen. „Smart specialisation“ ist das Zauberwort. Die EU-Formel für Regionen lautet: Nischen besetzen und darauf verzichten, von Bio- bis Nanotechnologie überall mitzumischen. Keine Angst vorm Scheitern Gibt es einen Königsweg für regionale Innovation? „Den Erfolg, das zeigen die von uns untersuchten Projekte, macht nicht das gewählte Thema aus, sondern die Leute.“ Pausits empfiehlt „Change Agents“ an den Universitäten, die ausdauernd wie Marathonläufer die regionalen Innovationsprozesse vorantreiben. Das setze aber wiederum strategische Personalentwicklung an den Universitäten voraus. Wichtig seien auch ein Wechselspiel aus Strategie und Evolution sowie Profilbildung der Universitäten, damit Regionen sie nicht als dunkle Löcher wahrnehmen, sondern wissen, was drinnen ist. Außerdem: keine Angst vorm Scheitern. Der Nokia-Technologiepark im finnischen Oulu ist eigentlich eine Reihenhaussiedlung, weil der Erfolg anfangs unklar war. Wäre er gescheitert, hätte man die Gebäude immer noch für Wohnzwecke vermieten können. Solches Entrepreneur-Denken brauchen die Hochschulen, dann könnten sie, wie das Beispiel Aalborg zeigt, gut die Rolle als Motor regionaler Innovation erfüllen.
www.eu-drivers.eu
AttilA PAusits Dr. Attila Pausits leitet das Zentrum für Bildungsmanagement und Hochschulentwicklung an der Donau-Universität Krems.
DAtenbAnk Der besten PrAxis Unter Federführung der Donau-Universität Krems entstand im europäischen Projekt „EUDrivers“ eine Datenbank mit Vorzeigebeispielen und den maßgeblichen Indikatoren regionaler Innovationsprozesse. Wer die Online-Bibliothek von EU-Drivers nutzen möchte, schreibt am besten eine E-Mail an: projects@esmu.be
Das ist EU-Drivers
• European Drivers for a
Regional Innovation Platform
• Laufzeit: 2010–2012 • EU-Förderung: 650.000 Euro • Partner: 10 Universitäten, Netzwerke und Verbände
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50 Universitätsleben
Campus Krems Verdienste um Europa
ERI Prix für Premierminister Jean-Claude Juncker
Dialogforum Gmunden
Wie die Integration von Einwanderern gelingen kann Auch in diesem Sommer widmete sich das Dialogforum Gmunden der Integra-
Verleihung des „ERI Prix“ an Premierminister Jean-Claude Juncker (Mitte) durch Landeshauptmann Erwin Pröll (links) und Rektor Jürgen Willer (rechts).
Der luxemburgische Premierminister und Euro-Gruppen-Vorsitzende Jean-Claude Juncker wurde im Juni mit dem „Preis für Regionale Europäische Integration“ in Niederösterreich ausgezeichnet. Im Rahmen seiner Festrede betonte Juncker die Bedeutung der Regionen. „Europa wächst von unten, nicht von oben.“ Landeshauptmann Erwin Pröll und Rektor Jürgen Willer würdigten die Verdienste Junckers, der die Idee der europäischen Integration in seinem politischen Handeln zum Maßstab gemacht habe, wie etwa bei der Gestaltung des Maastricht-Vertrages und als Vorsitzender der EuroGruppe. Der ERI Prix wird gemeinsam vom Land Niederösterreich und der Donau-Universität Krems verliehen.
www.donau-uni.ac.at/aktuell
tion von Menschen, die nach Österreich zuwandern. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen die Zusammenhänge von Zuwanderung und Arbeitsmarkt. Bereits zum vierten Mal hatte die Donau-Universität Krems unter der Leitung von Dekanin Gudrun Biffl internationale Experten und Expertinnen aus Politik und Wissenschaft nach Gmunden in Oberösterreich eingeladen. Nach dem Motto „Miteinander statt nebeneinander“ sprachen sich Sozialminister Hundstorfer, Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz und Gudrun Biffl beim Forum für Zuwanderung und verstärkte Integration aus. Diese sei mit Blick auf Facharbeitermangel und demografischen Wandel entscheidend, besonders für Jugendliche. www.dialogforum-integration.at
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Studenten der Donau-Uni liegen vorn
Auszeichung für PR-Absolventen Bei der Verleihung der Wissenschaftspreise des Public Relations Verbands Austria
(PRVA) gingen Absolventen und Absolventinnen der Donau-Universität Krems einmal mehr als Sieger hervor. Zum dritten Mal in Folge konnten ehemalige Studierende des Zentrums für Journalismus und Kommunikationsmanagement ( JoKom) alle Preise in der Kategorie „Master-Thesen an Universitätslehrgängen“ für sich gewinnen. Zusätzlich wurde ein Ehrenpreis an eine JoKom-Absolventin vergeben. www.donau-uni.ac.at/jokom
Therapie bei Sepsis
Neues Christian Doppler Labor Fotos: Landespressedienst/Filzwieser (S. 50), PRVA/Jana Madzigon, Jochen Tack/gettyimages (S. 51)
Das Kuratorium der Christian Doppler Forschungsgesellschaft hat die Gründung
Große Freude über die Preisverleihung: v.l.n.r.: Lehrgangsleiterin Brigitte Reiter, JoKomLeiter Michael Roither, Teresa Pichler (3. Preis), David Kratz (1. Preis), Sibylle Kössler (2. Preis), Sabine Knaak (Innovationspreis), PR-PLUS-Geschäftsführerin Christina Fischbach und Lehrgangsleiterin Rosemarie Nowak
eines neuen Labors an der DonauUniversität Krems bewilligt. Das Labor wird sich mit der Entwicklung innovativer extrakorporaler Therapieverfahren bei Sepsis beschäftigen. Leiterin ist Vizerektorin und Biochemikerin Viktoria Weber. Als Firmenpartner beteiligen sich Fresenius Medical Care, Weltmarktführer bei Produkten und Dienstleistungen für die Dialyse, sowie die Anagnostics Bioanalysis GmbH, die unter anderem Diagnostiksysteme für entzündliche Erkrankungen entwickelt. www.donau-uni.ac.at/aktuell www.cdg.ac.at
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52 Alumni-Porträt
Pionier der Donauschifffahrt Ein Fluss ohne Schiffe ist wie eine Straße ohne Autos – lang, langweilig, nutzlos. Deshalb will Robert Groiss mehr Containerverkehr auf die Donau verlegen. An der Donau-Universität Krems macht er gerade seinen Master in Logistik. Von Angelika Ohland
Robert Groiss stieg nach der Handelsschule mit 17 in den Beruf ein. In den 90ern baute er das Containergeschäft für den Mierka Donauhafen Krems auf. Heute ist er Geschäftsführer der WienCont Container Terminal GmbH. An der Donau-Universität Krems schließt er gerade den MBA in Logistik und Supply Chain Management ab.
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enn Robert Groiss auf die Donau schaut, kommen ihm ganz unterschiedliche Erinnerungen: Da sind die Spaziergänge und Fahrradfahrten, die er als Kind mit seinen Eltern und Geschwistern entlang des Flusses unternahm; da ist die Donaustadt Krems, in die er vor vielen Jahren einmal der Liebe wegen zog; und da sind die Arbeitsplätze, die er in den vergangenen 30 Jahren innehatte – die meisten von ihnen direkt in Ufernähe. Ausgerechnet diese Arbeitsplätze haben ihn mehr mit dem Fluss verbunden als alles andere. Und so kommt es, dass die Donau für Robert Groiss heute weniger ein Ort der Landschaftspoesie oder des Freizeitvergnügens ist, als ganz einfach: eine Straße.
Eine Straße aus Wasser, auf der man ziemlich weit fahren kann, am besten mit möglichst viel Ladung. Geliebter Konkurrent Denn das ist Groiss’ großer Ehrgeiz: so viel Ladung wie möglich auf der Donau zu transportieren. Was konkret bedeutet: Er freut sich über jedes Containerschiff, das er den Strom hinab- oder hinauffahren sieht. Doch es könnten so viele mehr sein! „Es ist schade, dass die Donau sich im Containerverkehr so schwer tut, eine Bedeutung wie der Rhein zu bekommen“, sagt Robert Groiss. Sein größter Konkurrent ist dabei einer, mit dem er durchaus sympathisiert: die Bahn. „Vor der Finanzkrise war die Nachfrage nach
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Containertransport so hoch, dass Unternehmen verstärkt über eine Verschiffung zum rumänischen Schwarzmeerhafen Konstanza nachgedacht haben. Doch sobald die Nachfrage etwas sinkt, wird wieder die Bahn bevorzugt. Wir haben 50 Züge, die zwischen Wien und den europäischen Seehäfen fahren. Die Bahn ist zwar nicht billiger, aber genauso günstig wie das Schiff.“
Fotos: WienCont
Doppelte Ladung Doch Groiss lässt nicht locker. „Ökonomisch liegen Bahn und Schiff eng beieinander. Aber das Schiff bringt einen ökologischen Vorteil, weil es doppelt so viel laden kann wie ein Zug. Allerdings fährt es von Wien bis Konstanza auch mindestens sechs Tage. Am Rhein haben Spediteure den Vorteil, dass die längste Strecke von Basel bis Rotterdam nur fünf Tage dauert.“ Außerdem sei der Tiefgang zwischen Wien und Tschechien nicht immer ausreichend und es gebe jahreszeitlich bedingte Probleme, wenn auch selten. Doch diese Schwachstellen würden häufig überschätzt, glaubt Groiss. Also arbeitet er hartnäckig weiter an seinem Plan, dem Rhein Konkurrenz zu machen. Eine gewisse Hartnäckigkeit ist ihm dabei wohl in die Wiege gelegt. Robert Groiss ist mit fünf Geschwistern aufgewachsen, der Vater arbeitete Nachtschicht, Geld war knapp. Deshalb war schon früh für ihn klar: „Ich mache eine schnelle Ausbildung und gehe dann so früh wie möglich ins Berufsleben.“ Groiss war gerade mal 17, als er nach der Handelsschule in einer großen, österreichischen Spedition anfing, wo er ein Ausbildungsprogramm für Container und Containerhandel durchlief. Immer weiter arbeitete Groiss sich daraufhin nach oben, wechselte die Firma, besuchte Fortbildungen und Seminare, machte die Konzessionsprüfung für den Spediteur. In Krems baute er für den Mierka Donauhafen das Containergeschäft auf, stieg in das Wiener Gesellschafterunternehmen ein und wurde schließlich Geschäftsführer von WienCont. Das Unternehmen betreibt Terminal, Depot und Handel mit Containern in Krems und Wien. Man darf also sagen: Robert Groiss hat es weit gebracht. Doch unterschwellig störte es ihn, dass er nie einen höheren Berufsabschluss gemacht hatte. Dass er diesen nun an der Donau-Universität Krems nachholt,
verdankt er auch einem Zufall. Zu einer Info-Veranstaltung der Donau-Universität Krems ging er nämlich lediglich, um seine Tochter zu begleiten, gewissermaßen als Berufsberater. Doch dann gewann er einen Bildungsgutschein über 3000 Euro und investierte diesen in einen Lehrgang für Logistik, den er zunächst als akademischer Experte abschloss. Fünf Jahre später dann ist er wieder in Krems, um seinen MBA in Logistik zu machen. In seiner Master-These untersucht Groiss nun Möglichkeiten der ContainerIdentifizierung – eine für seine Arbeit als Leiter eines Container-Terminals brisante Frage, was dazu beitrug, dass sein Unternehmen die Kosten für den Master übernommen hat. „Es macht riesigen Spaß, über ein derart praxisnahes Thema zu schreiben. Was keinen Spaß macht, ist die Zeitknappheit“, findet Groiss. Zuhause ein kleines Kind, im Beruf jede Menge Entwicklungsaufgaben und Chancen, daneben ein Masterstudium – das ist großartig, aber ohne perfektes Zeitmanagement nicht zu machen. Trotzdem würde er niemandem abraten, eine derart anstrengende Ochsentour zu unternehmen. „Die Vorträge in Krems sind ausgezeichnet, die Vortragenden engagiert. Nicht weniger spannend aber sind die Studienkollegen, die alle interessante Posten innehaben. Der Austausch mit ihnen ist mir ganz wichtig. Man lernt vom anderen und erzählt einander offen und ohne Konkurrenzdenken von Berufserfahrungen und logistischen Methoden im Unternehmen. Ich habe sehr profitiert und auch Freundschaften geschlossen“, sagt Groiss.
Lehrgang Logistik Der Lehrgang „Danube Professional MBA Logistics & Supply Chain Management“ vernetzt Management- und Logistikwissen, um die hochkomplexen Anforderungen moderner Logistik optimal zu bewältigen. Besonderes Gewicht liegt auf dem Supply Chain Management. Themen sind Analyse und Steuerung von Prozessen in weltweiten Handels- und Logistikketten, zeitgemäße Managementansätze und prozessorientiertes Verständnis. www.donau-uni.ac.at/ mba/logistics
Die Öffnung Europas hilft den Häfen Profitieren werde er, an ganz anderer Stelle, auch von der Öffnung Europas, glaubt der hartnäckige Logistiker. Dabei spielen nicht nur die Donauländer Rumänien und Bulgarien eine zentrale Rolle, sondern auch Griechenland und die Türkei. „Wenn der Bahnverkehr dort ausgebaut ist und genutzt wird, haben wir die Chance, Fracht aufs Binnenschiff zu verlegen“, ist Groiss sich sicher. Und freut sich jetzt schon, nach vollbrachter Master-These weiter daran zu arbeiten, möglichst viele Container auf der Donau zu bewegen – dieser natürlichen Wasserstraße, die darauf wartet, ihrer Größe und Länge entsprechend befahren zu werden.
Viel Arbeit für Logistiker: Das Containerterminal in WienFreudenau zählt zu den größten europäischen Binnenhäfen.
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54 KarrIerenetZWerK
Alumni-Club Das war der Alumni-Tag 2012
Wert, darüber zu reden „Was wirklich zählt. Werte im Wandel“ lautete das thema des Alumni-tags am 15. September in der Donau-Universität Krems, zu dem der Alumni-Club rund 150 AbsolventInnen und Gäste begrüßen konnte. Am Vormittag führte der Direktor der Kunsthalle Krems, Hans-Peter Wipplinger, durch die Ausstellung „Francis Picabia“ und gab Einblick in das faszinierende Leben und Schaffen dieses großen Künstlers der Moderne. ExpertInnen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen diskutierten anschließend an der Donau-Universität Krems die Bedeutung des Begriffes „Werte“, lieferten Impulse und Denkanstöße. Gerhard Gensch, Leiter der Stabsstelle für Kommunikation im Rektorat, zitierte in seiner Begrüßung aus einer aktuellen Studie, wonach bei Jugendlichen zwischen 17 und 25 Jahren soziale Werte wie Familie eine hohe Bedeutung haben. Professor Peter Kampits, Leiter des Zentrums für Ethik in der Medizin der Donau-Universität Krems, sprach aus der Sicht des Philosophen über „Orientierung durch Werte“, während Unternehmensberater Dieter Windischbaur auf die Einbindung der MitarbeiterInnen bei der Umsetzung von Unternehmenswerten setzte. „Werte – Illusion oder Führungswerkzeug?“ betitelte Coach und Berater Georg M. Stantenjsky sein Panel und bot den AbsolventInnen dabei viel Gelegenheit zum interaktiven Austausch.
Werte regen an bei der BlueHour-Diskussion
Auch Bauchredner Frank Rossi liefert Wertvolles
Alumni-Club Termine 19. 9. Stammtisch Wien 26. 9. Stammtisch Innsbruck 27. 9. Stammtisch Krems 27. 9. Stammtisch Stuttgart 1.10. Stammtisch Zürich 9.10. Stammtisch Salzburg 12.10. Stammtisch Graz 13.10. Sport Challenge 18.10. Stammtisch Eisenstadt 22.10. Stammtisch Linz 5.11. Führung bei „Die Presse“ 15.11. Stammtisch Frankfurt 21.11. Stammtisch Innsbruck 22.11. Stammtisch Krems 28.11. Stammtisch Wien 29.11. Stammtisch Stuttgart 4.12. Stammtisch München 11.12. Stammtisch Salzburg
Bei der „Blue Hour“ waren heuer die Alumni der Donau-Universität Krems am Wort. Moderiert von Silvia Ettl-Huber (2. v. r.) vom Zentrum für Journalismus und Kommunikationsmanagement, diskutierten Kinderärztin Talin Gulesserian (l.), Marktforscher Werner Weißmann und Managerin Heidi Zach (2. v. l.) über ihren beruflichen und persönlichen Umgang mit Werten und deren Wandel. Alumni-Club-Leiterin Judith Bauer (r.) begrüßte die DiskutantInnen.
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www.donau-uni.ac.at/ alumni/veranstaltungen
Kongresse und Veranstaltungen 55
Termine Donau-Konferenz in Krems
Wir und die Donau Was will die EU-Donauraumstrategie? Und was hat sie bereits gebracht? Das wird auf einer hochkarätig besetzten internationalen Konferenz in der Donau-Universität Krems dargelegt und diskutiert. Im Fokus stehen die regionalen Kooperationen, Wissenschaft, Bildung und Kultur sowie die Vernetzung der Institutionen und Multiplikatoren. ReferentInnen sind u.a. der ehemalige serbische Vizepremier Božidar Delic, der Vizerektor der Uni Wien, Hein Faßmann, Martin Gerzabek, Rektor der Universität für Bodenkultur Wien und der Leiter der Plattform Politische Kommunikation an der Donau-Uni Krems, Peter Filzmaier. 5. Oktober, Audimax der Donau-Universität Krems, www.donau-uni.ac.at
Kunst an der Donau-Uni Krems
Fotos: Donau-Universität Krems/Reischer (S. 54), bosnaquilt.at/Nikolaus Walter (S. 55)
Eine Welt aus Stoff und Garn Eine Ausstellung von handgenähten, abstrakten Textilunikaten zeigt die Donau-Universität Krems: „Bosna Quilts“ geht auf eine Quiltwerkstatt zurück, die 1993 im Caritas Flüchtlingsheim Galina in Vorarlberg gegründet worden war. Die Quiltwerkstatt war damals nicht nur eine Erwerbsmöglichkeit, sondern bot auch eine Möglichkeit zur Verarbeitung der Leiden an Krieg und Flucht. Seit 1998 befindet sich die Quilt-Werkstatt in Bosnien. Zwölf Frauen steppen nach den Vorstellungen der österreichischen Malerin Lucia Feinig-Giesinger und tragen mit ihrer Arbeit zum Lebensunterhalt ihrer Familien bei. Vom 4. bis 18. Dezember an der Donau-Universität Krems, 1. Stock des Altbaus, www.donau-uni.ac.at
Nationalpark-Führung am Nationalfeiertag
Wandern in der Au Am 26. Oktober,dem österreichischen Nationalfeiertag, bieten die Mitarbeiter des Nationalparks Donauauen eine herbstliche Tour entlang der Donau zur Ruine Röthelstein bei Hainburg in Österreich. Die Route führt über den anschließenden Panoramaweg zurück zum Ausgangspunkt. Wunderbare Ausblicke auf die Donau und die Au offenbaren sich bei dieser Wanderreise, darüber hinaus nimmt man Wissenswertes zur Donau und dem Nationalpark mit nach Hause. Die Wanderung dauert rund drei Stunden, ist kostenfrei und eine jährliche Aktion der Nationalparks Austria. Keine Anmeldung erforderlich. 26. Oktober, Treffpunkt: Hainburg, Parkplatz Donaulände, 14.15 Uhr, www.donauauen.at
Weitere termine
Zeigen, was geht Der Austria Showcase gibt österreichischen Bildungsanbietern die Möglichkeit, sich vor Fachpublikum zu präsentieren sowie Kontakte zu Partnerinstitutionen und Firmen zu knüpfen: Eine Bildungsexportreise nach Sarajewo und Zagreb. 16. und 17. Oktober in Sarajewo und Zagreb, www.donau-uni.ac.at
Donau-Lounge Die Internationale Messe Buch Wien 12 wird von dem Soziologen Richard Sennett eröffnet. Ein Schwerpunkt ist die südosteuropäische Literatur. In der Donaulounge präsentieren sich Autoren aus dem Donauraum. 22. bis 25. November, Wien, www.buchwien.at
Sind wir sicher? „Globale Bedrohungen und lokale Maßnahmen“ ist der Titel für die Sicherheitskonferenz Krems. Es geht um Versorgungsketten und wirtschaftliche Sicherheit sowie um exogene Faktoren und EU-interne Rahmenbedingungen des globalen Wandels. 4.10., Donau-Uni Krems, www.donau-uni.ac.at
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56 Upgrade-Tipps
Kunst & Kultur Festival Kontraste
Ohren schärfen für den Kosmos
Vom 12. bis 14. Oktober, www.kontraste.at
Böser Strich, frohe Betrachter Schon mal vormerken, bitte: Wenn die Natur im November ihre Reize runterfährt, bringt ein Besuch im Karikaturenmuseum die Gefühle in Wallung. Dieses widmet Erich Sokol – Zeichner, Karikaturist, Cartoonist, Österreicher – eine Schau, die niemand verlässt, ohne wenigstens einmal herzhaft gelacht zu haben. Dabei wird nicht nur das Beste vom Besten gezeigt, sondern auch eine Serie satirischer Zeichnungen, die Sokol während seines USA-Aufenthaltes in den 50ern anfertigte. Die „American Natives“ sind in Krems erstmals in einer Ausstellung zu sehen.
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Francis Picabia ist der Ironiker der Moderne. Wie der Maler souverän und lässig mit den Kunstströmungen seiner Zeit hantierte und dann die Moderne in hehren Lichtspielen feierte, zeigt diese Retrospektive. Bis 4. November, Kunsthalle Krems www.kunsthalle.at
Höhenflüge Zeppeline, Raketen, Hubschrauber, Doppeldecker, fliegende Untertassen – die Art Brut ist voller fantastischer Flugkörper. „... der traum vom fliegen“ heißt die nächste Ausstellung der Gugginger Künstler.
Karikaturen in Krems
24. November 2012 bis 19. Mai 2013. Karikaturmuseum Krems www.karikaturmuseum.at
Dada adieu
Vom 11. Oktober 2012 bis zum 7. April 2013, Galerie Gugging, www.gugging.org
Cool und virtuos Strenge gepaart mit Lässigkeit, das ist Alex Katz. Während die Abstraktion zur Kunst-Religion erhoben wurde, setzte der New Yorker alles daran, die Figur auf das Wesentliche zu reduzieren. Erich Sokol, American Natives, o.T., 1959 Sammlung des Landes Niederösterreich
Bis zum 6. Januar 2013, Essl Museum, www.sammlung-essl.at
Fotos: pressefoto Lackinger, Melk; Erich Sokol Privatstiftung, Mödling
Experimente an geschichtsträchtigem Ort: Der Klangraum in der Minoritenkirche Stein
Die mittelalterliche Minoritenkirche als Hotspot experimenteller Klangkunst: In audiovisuellen Experimenten werden analoge und digitale Signale manipuliert, um so unsere Sinne für die Erkundung rätselhafter kosmologischer Welten zu schärfen. Dazu gibt es ein vielfältiges Programm von Konzerten, Filmen, Installationen und Vorträgen unter dem Motto „Electric Shadows“. Das Festival Kontraste bringt eine wunderbare Region, eine mittelalterliche Kirche und die internationale Klangavantgarde zusammen.
Weitere termine
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Bücher
Master-Thesen Eine Region rückt zusammen – und dann? Die europäische Integration begann am Rhein und wird nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nun an der Donau fortgesetzt. Was bedeutet das für Kultur und Umwelt, für die regionale und ökonomische Entwicklung? Und welchen Beitrag leistet dabei die Donauraumstrategie der EU? Das untersucht diese nun auch als Buch erschienene Master-These.
Der europäische Fluss: Die Donau und ihre Regionen als Strategieraum
Kriminalroman: Tod auf der Donau
Die Donau: Kulturschätze an einem europäischen Strom
Dieses Buch ist schon jetzt ein Standardwerk: Scharfsinnig analysiert es die Donauraumstrategie der EU, pragmatisch zieht es Schlüsse aus bisherigen Kooperationen. Dabei vergessen die Autoren nicht, sich auch mit den ethnischen Spannungen oder etwa der Rolle des privaten Sektors beim Wirtschaftsaufschwung zu befassen. Die Neuordnung Mitteleuropas nach dem Kommunismus betrachten sie dabei als Wagnis und „Einrichtung einer illusionslosen Gesellschaft“.
Sie sind alt und sie wollen das Leben noch einmal in vollen Zügen kosten – was liegt da näher als eine Kreuzfahrt? So weit, so gut – wären da nicht zwei Leichen und eine Ex-Freundin, welche die muntere Schar aufmischen. Bei Michal Hvorecky gehen die Wogen zwischen Regensburg und dem Schwarzen Meer hoch, nicht nur auf der Donau. Hvorecky, Jahrgang 1976, lebt in Bratislava und gehört zu den populärsten slowakischen Schriftstellern – glücklicherweise ist er ins Deutsche übersetzt.
Eine beeindruckende Bilddokumentation der hochkarätigen Kunstdenkmäler entlang der Donau – da dürfen österreichische Highlights wie Melk, Göttweig und Wien natürlich nicht fehlen. Überraschend ist, wie – ähnlich einem Puzzle – die Summe der Einzelteile zwischen Regensburg und dem spektakulären Panorama von Budapest ein Gesamtbild ergibt. Denn diese Reise zu Kirchen, Klöstern, Residenzen, Burgen weiß mit frischem fotografischen Blick die Kulturschätze ästhetisch zu heben.
Eckart D. Stratenschule, Florian H. Setzen: Berliner Wissenschafts-Verlag 2011 ISBN 978-3-8305-1909-6 www.bwv.verlag-online.eu
Michal Hvorecky Tropen bei Klett-Cotta, Stuttgart 2012 ISBN 978-3-608-50115-5 www.klett-cotta.de
Bernhard Schütz (Autor), Achim Bunz (Fotograf) Hirmer Verlag, München 2012 ISBN 978-3777423319 www.hirmerverlag.de
Katharina Schlick: An der schönen blauen Donau. Chancen und Nutzen der Donauraumstrategie. Frankfurt/M., Wien 2012. ISBN 978-3-631-63604-6
Wie wir morgen die Geschichten von heute erzählen werden Der digitale Wandel mischt die Verlagsbranche auf und bringt die klassischen Formate ins Wanken, reine Printprodukte geraten zunehmend in Bedrängnis. Denn die Zukunft gehört dem crossmedialen Geschichtenerzählen – es wird uns ganz neue haptische und visuelle Erlebnisse bringen. Hugo Engelbrecht: Crossmediale Nachrichtenverbreitung in der Ära der Slates. DonauUniversität Krems 2012. www.donau-uni.ac.at/ bibliothek
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58 Vorschau / Impressum
Vorschau 4.12 Wo Kunst und Wissenschaft sich begegnen Kunst und Wissenschaft entdecken zunehmend gemeinsame Fragestellungen und Arbeitsweisen. Denn die kreativen Prozesse in den Künsten und Wissenschaften sind ähnlich, doch ihre Ergebnisse können grundsätzlich verschieden sein. Der Campus Krems hat sich seit vielen Jahren zu einem Zentrum der Begegnung von Kunst und Wissenschaft entwickelt und zieht darüber hinaus durch sein Kino im Kesselhaus sowie seine Kunstwerke im öffentlichen Raum viele BesucherInnen an. upgrade stellt in der kommenden Ausgabe das vielfältige Spektrum der Künste am Campus Krems vor und gibt gleichzeitig einen Einblick in Lehre und Forschung an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst. Die Donau-Universität Krems wendet sich seit dem Jahr 2000 mit Campus Cultur sowohl an MitarbeiterInnen und Studierende als auch Kunstfreunde aus der Region.
Impressum upgrade Das Magazin für Wissen und Weiterbildung der Donau-Universität Krems (ISSN 1862-4154) Herausgeber Jürgen Willer, Rektor der Donau-Universität Krems Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, A-3500 Krems Chefredakteur Gerhard Gensch, Donau-Universität Krems E-Mail: gerhard.gensch@donau-uni.ac.at Verlag Süddeutscher Verlag onpact GmbH Geschäftsführer: Christian Meitinger Hultschiner Straße 8, D-81677 München Leiter der Redaktion des Verlags Hartmut Rätsch, E-Mail: hartmut.raetsch@sv-onpact.de Verantwortliche Redakteurinnen Ingrid Ladner, E-Mail: ingrid.ladner@donau-uni.ac.at, Angelika Ohland
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AutorInnen dieser Ausgabe Hans-Peter Bayerl, Gerhard Gensch, Monika Goetsch, Elisa Holz, Angelika Ohland, Stephanie Schmidt, Roman Tronner Layoutkonzept ki 36, Sabine Krohberger Grafik Brigitta Bender Schlusslektorat Mirko Partschefeld Leser- und Abonnementservice Claudia Kittinger, Telefon: +43 (0) 2732 893-2577 E-Mail: claudia.kittinger@donau-uni.ac.at Herstellung sandlerprint&more, Johann Sandler GesmbH & Co KG, Marbach Auflage 20.000 Erscheinungsweise vierteljährlich, upgrade 4.12 erscheint im Dezember 2012
Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen kann für die Richtigkeit nicht gehaftet werden. Nachdruck und Verwendung, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Gender-Hinweis: Im Sinne einer besseren Lesbarkeit unserer Artikel verwenden wir die maskuline oder feminine Sprachform. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts.
archIV 59
Archiv Sind Sie an unseren upgrade-Ausgaben interessiert? Über den Online-Abonnement-Service können Sie einzelne Magazine oder ein Jahres-Abo bestellen: www.donau-uni.ac.at/upgrade
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Ausgabe 4.11
Die Donauregion wird europäisch
Alle lless iim mF Flus lusss Ungleiche Brüder Wie Ost und West zueinanderfinden Weite Wege Wege Wovon Wirtschaft und Umwelt profitieren Gutes Leben Was Menschen forttreibt Inspirierende Nachbarn Wie sich Universitäten vernetzen
3.12 Gesundheit und Wohlbefinden
Human Resource Management
In Bewegung bleiben
Ich bin dabei
Balance finden – wie wir wieder ins Lot kommen Arbeitswelt – warum Gesundheitsförderung zählt Entschleunigung – was uns im Tanz bewegt
3.11
Seelenschau Wenn Personaler (zu) viel wissen Nachhaltigkeit So können Unternehmen gute Mitarbeiter an sich binden Betriebsräte Die unterschätzte Kraft Demografischer Wandel Verfallsdatum, nein danke
4.11
1.12
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Ausgabe 4.10
15 Jahre Donau-Universität Krems
Wegbereiter und Wegbegleiter
Gehirn und Geist
Kreativität und Innovation
Handwerk des 21. Jahrhunderts
Die Weiterbildungsuniversität – Pionierin seit 15 Jahren Forschung und Lehre – wie sie zusammenspielen Lebenslanges Lernen – für Glück und Karriere
Was den Menschen ausmacht
Open Society – Wie soziale Netzwerke Politik mitbestimmen Open Government – Wie sich Regierung und Verwaltung öffnen Open Business – Wie Neue Medien Unternehmen beeinflussen
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Digitale Gesellschaft und Ökonomie
Alles offen?
Mentale Gesundheit – Wenn die Psyche krankt Neue Medien – Wie sie unser Denken verändern Hirnschädigungen – Hilfe bei Demenz und Schlaganfall
Die Kreative Ökonomie – Wertschöpfung im Wissenszeitalter Creative Industries – Wenn sich Kunst und Kommerz vereinen Innovationsförderung – Von der Forschung zum Produkt
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Ressource Bildung
Form, Design, Ästhetik
Voneinander lernen
Bildungsraum Europa – 10 Jahre Bologna-Reform Die Netz-Generation – Neue Medien in der Lehre Lehrerausbildung – Finnlandisierung erwünscht
Zukunftsfrage Migration – Quo vadis, Austria? Identität – Leben in zwei Kulturen Mobile Wissenschaftler – Kampf um Köpfe
Energie und Mobilität
Wohin geht die Reise?
Corporate Architecture – Gebaute Kommunikation Produktdesign – Die Macht der Farben Informationsdesign – Mit den Augen sprechen
Regenerativ und autark – Die Energie-Revolution Vernetzt und mobil – Verkehr sucht Zukunft Nachhaltig und effizient – Das Haus als Kraftwerk
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