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ISSN 1862-4154 Preis: € 5,– Ausgabe 4.13

Jens K., 32, Fahrradbote, mit Udo Lindenberg, Musiker

Kultur und Gesellschaft

Vorbilder Kompass fürs Leben Warum wir Vorbilder brauchen Ausbildung Welche Anreize uns helfen

Europa Wie wir den Nationalstaat überwinden

Unternehmen Wie wir Werte glaubwürdig leben


Moderne Gebäudetechnik, die Sie überzeugen wird Mehr Energieeffizienz, Komfort und Sicherheit für Menschen und Infrastruktur. siemens.at/icbt Siemens AG Österreich Building Technologies Division, 1210 Wien, Siemensstraße 90 Telefon 05 1707-32541, icbtareawien.at@siemens.com

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Answers for infrastructure & cities Ins. Upgrade PR DUK 11.13::

21.11.2013

14:47 Uhr

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Typische Studentin. In Krems. Andrea Wildberger ist Schuldirektorin und studiert berufsbegleitend im Bereich Bildung, Medien und Kommunikation an der Donau-Universität Krems. Schließlich lernt man nie aus. Mehr als 150 exklusive Masterstudiengänge, Kurzlehrgänge und Seminare warten auch auf Sie! Und worauf warten Sie noch?

Donau-Universität Krems Die Universität für Weiterbildung +43 (0)2732 893-2246 www.donau-uni.ac.at/typisch-donau-uni


Upgrade 3

Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, brauchen wir noch Vorbilder? Oder verstellen uns die vielen Stars und Sternchen, Prominenten und Pseudo-Prominenten den Blick auf Persönlichkeiten, die uns Orientierung geben? Vorbilder sind Menschen, die Werte verkörpern, aber der Kanon unserer Werte ist, besonders in modernen Industriegesellschaften, in ständigem Wandel begriffen. Unstrittig ist, dass gerade junge Menschen ­einen Kompass fürs Leben brauchen, denn eine Identitätsfindung ohne äußere Vorbilder, so die psychologische Forschung, sei eher schwierig und könne leicht misslingen.

Mag. Friedrich Faulhammer Rektor der Donau-Universität Krems

Das neue upgrade fragt deshalb, was Vorbilder ausmacht, welche Rolle sie für ein selbstbestimmtes Leben spielen und warum Idole als Vorbilder für das echte Leben nicht taugen. Nach einer Um­frage der Stiftung für Familienfragen nennen 78 Prozent der B ­ efragten die eigenen Eltern als Vorbild. Auch nach ethischen Gesichtspunkten handelnde Menschen wie Mutter Teresa oder Mahatma Gandhi sind gern genannte Vorbilder. Dass die Kombination von Erfolg und ethischer Integrität Vorbildfunktion hat, zeigt eine Unter­ suchung des Market-Instituts von 2012. Dort rangiert Red-BullGründer Dietrich Mateschitz vor dem Bundespräsidenten und Skistar Marcel Hirscher als meistgenannte Leitfigur.

Foto: Donau-Universität Krems/Reischer

Dass wir uns an Vorbildern orientieren und von ihnen lernen, ist zweifelsohne eine grundlegend menschliche Eigenschaft, sagt Silke Gahleitner, Professorin am Department für Psychotherapie und ­Biopsychosoziale Gesundheit der Donau-Universität Krems. Aus Sicht der Biologie sei dieses Bedürfnis ein uraltes Verhaltenserbe, denn alle Säugetiere bräuchten ältere Individuen, unter deren Obhut und Anleitung sie sich entwickeln könnten. Führungskräfte sind in besonderem Maße Vorbilder. Wir haben de­shalb den Unternehmer des Jahres 2013, Georg Kopetz, Vorstand und Mitgründer der TTTech Computertechnik AG, zu seinem Vater, zu Arbeitsmotivation und Vorbildern in der Welt der Hightech ­befragt. Ob das Modell Europa noch als Vorbild taugt, darüber führen der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, und der Schriftsteller Robert Menasse ein Streitgespräch. Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Besuchen Sie unsere Website! Alle Ausgaben von upgrade gibt es auch im Internet: www.donau-uni.ac.at/ upgrade

Ihr Friedrich Faulhammer

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Schwerpunkt: Vorbilder

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Kompass fürs Leben Was macht ein Vorbild eigentlich aus und warum sind Vorbilder wichtig? Sie geben Orientierung im Leben und sind meist ganz nah, zum Beispiel in der Familie. Auch Idole prägen die Phase des Heranwachsens. Als Vorbilder für das echte Leben taugen sie allerdings kaum.

Titelfoto: Zara Pfeifer

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Mut haben

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Bildungspfade

Jung und mutig hat der „Unternehmer des Jahres 2013“ eine erfolgreiche Hightech-Firma aufgebaut. Vorbild Georg Kopetz über Viktor Frankl, die NASA, Stammesriten und Motivation.

Ein erfolgreicher Ausbildungsweg braucht Wegweiser. Intensive Förderung durch private Initiativen soll systembedingte Mängel ausgleichen.

26 Selbstbestimmt

Rektor Friedrich Faulhammer erzählt, warum wir inter­na­ tionale Netzwerke b ­ rauchen, wieso lebensbegleitendes Lernen noch w ­ ichtiger wird und was Vorbilder für uns leisten können.

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Europa im Visier Othmar Karas und Robert ­Menasse – zwei Kenner E ­ uropas plädieren für ein Überwinden des Nationalstaates.


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42 Neues aus der Donau-Universität Krems

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7 18 53

Marken-Werte

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Internationale Kooperationen

Rosige Zeiten

Die Donau-Universität Krems weckt die Begeisterung junger Mädchen für technische Berufe.

Eine Marke muss für Mitarbeiter wie Kunden erlebbar sein, nur dann wird sie bestehen bleiben.

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Haltung mit Gefühl

46 Das Wissen der Mitarbeiter

Die Meditationslehrerin Tineke Osterloh über Glaubwürdigkeit, spirituelle Suche und inneres Wachstum.

Meinung Zahlen & Fakten Buchtipps

Was forschen Sie?

Im Team zum Erfolg

Der Biologe Jens Hartmann arbeitet interdisziplinär an einem umfassenden Konzept zur Therapie der Sepsis. Alumni-Porträt

Wissensmanager Roland Napetschnig über das Speichern des geistigen Gutes und die Partizipation daran.

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Editorial Universitätsleben Alumni-Club Termine Kunst & Kultur Vorschau/Impressum Archiv

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Meinung 7

Vorbilder ja, aber welche? Die Frage ist nicht, ob wir Vorbilder brauchen, sondern welche. Kulturarbeit kann einen wesentlichen Beitrag leisten als Impulsgeber für neue Denkansätze und zukunftsorientierte ethische Dimensionen des Handelns. Von Peter Burwik

K

Illustration: Thomas Kussin, Foto: Fodor

Peter Burwik Univ.-Prof. Dr. Peter Burwik ist Musikdirektor des „ensemble xx. jahrhundert“, das er 1971 gründete und mit dem er weltweit in Konzertreihen und bei namhaften Festivals tätig ist. Er studierte Dirigieren bei Hans Swarowsky und Theaterwissenschaften an der Universität Wien. Neben langjähriger Lehrtätigkeit an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien ist Burwik außerdem gefragter Gastdirigent renommierter Orchester.

unstproduktion und die Vermitt­ lung von Kunst sind das Ergeb­ nis individueller geistiger Arbeit – was mit einer immanenten Ver­antwortung gegenüber dem hierfür ge­ wählten Material verbunden ist und im Di­ alog mit einer in Entwicklung begriffenen Gesellschaft, die diesen Dialog braucht, er­ folgen sollte. Wer sich mit Kunstproduktion eigenverantwortlich und innovativ in der Gesellschaft deklariert und einbringt, über­ nimmt damit bereits Vor­bildfunktion. Das gilt in gleichem Maße für Lehrer und Eltern, die mit ihrem Wissen und ihrer Lebens­ erfahrung die Voraussetzungen schaffen, ih­ rem eigenen Umfeld oder einer nächsten Generation die Grundlagen zu vermitteln, mit denen eigenverantwortliches Handeln sich künftig entwickeln kann. Ich hatte das Glück, beides zu haben: ­tolerante Eltern, die mir eine arbeitsinten­ sive Ausbildung ermöglichten, und Lehrer, die als Künstler den technischen Aspekt des Metiers virtuos beherrschten, einen breit gefächerten Bildungshintergrund be­ saßen und zum andern als Individuen mit ihrer Arbeit ethische und moralische Forde­ rungen verbanden, die mich prägten. Dabei hatten vor allem zwei außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeiten Vorbildcharakter: der Komponist und Dirigent Bruno Mader­ na und der Dirigent Hans Swarowsky. Unsere Gesellschaft, die sich von der „vaterlosen“ über eine vorbildlose zu einer

im alltäglichen ökonomischen wie auch po­ litischen Bereich ruhiggestellten entwickelt hat, scheint die Kraft verloren zu haben, aus der sich abzeichnenden Einsicht in ihre kul­ turellen Defizite die notwendigen Schlüsse zu ziehen. Und doch lassen sich immer ­öfter Ansätze zu einem Umdenken feststellen – nicht zuletzt angesichts der jetzt auch bei uns angekommenen Nachrichten über welt­ weit eingetretene Entwicklungen. Egal, ob es vielleicht nur dem wiedererwachenden Selbsterhaltungstrieb zuzuschreiben ist oder dem Verdruss mit dem Laisser-faire in der politischen Stagnation der vergangenen Jahre sowie der Verweigerung langfristig verantwortlicher Entscheidungen, wenn damit auch unangenehme Konsequenzen verbunden sein könnten: Das Verlangen nach Menschen, die in der Gesellschaft auf dem Boden moralischer Werte Position be­ ziehen, wird stärker und lauter. Es ist des­ halb nicht die Frage, ob wir wieder Vorbil­ der brauchen, sondern: welche – und welche Werte sie vertreten. Kulturarbeit in ihrem umfassendsten Sinn und nicht reduziert auf den Kunst­ sektor ist Arbeit an der Gesellschaft. Das Potenzial von Kulturarbeit, für die erforder­ lichen neuen Denkansätze grundlegende Impulse zu vermitteln und zukunftsorien­ tierte, ethisch normierte Maßstäbe zu set­ zen, muss stärker als bislang ausgeschöpft werden. Vorbilder dazu hat es vor hundert Jahren in Wien schon einmal gegeben.

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Robert F., 41, Abteilungsleiter, mit Elfriede Jelinek, Schriftstellerin.

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Vorbilder und Helden 9

Kompass fürs Leben Idole helfen Kindern und Jugendlichen beim Heranwachsen. Aber als Vorbilder für das echte Leben taugen sie kaum. Diese Rolle übernehmen zumeist die Eltern. Eine Erkundung. Von Robert Czepel

Foto: Zara Pfeifer

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ira geht in einen Fußballverein, spielt im Gymnasium Badminton und besucht einmal die Woche den lokalen Tanzverein, um Cha-Cha-Cha und Rumba zu üben. Sie ist beileibe keine Stubenhockerin. Trotzdem begeistert sie sich wie viele Teenager für TVSerien. „Hannah Montana mag ich am liebs­ ten“, sagt die 13-Jährige. Die Hauptfigur, dargestellt von Miley Cyrus, schätzt sie besonders. Warum? „Weil sie …“ – Mira denkt kurz nach – „Weil sie so gut singen kann. Und weil sie ein Doppelleben führt. Sie ist ein Popstar, aber ihre Mitschüler wissen nichts davon.“ Auf die Frage, was sie später einmal werden will, antwortet sie: „Malerin – so wie meine Mama.“ Und welchen Beruf hat Papa? „Der geht ins Büro und kommt am Abend spät nach Hause.“ Miras Familie mag nicht in jeder Hinsicht repräsentativ für die österreichische Bevölkerung sein. Gleichwohl sind in ihr einige

Motive versammelt, die von der Medien- und Jugendforschung während der vergangenen Jahre sichtbar gemacht wurden. Kinder und Jugendliche sind schon früh mit der Fantasiewelt des Fernsehens konfrontiert. Hier die reale Welt mit Schule, Alltag, Familienleben. Dort die Gegenwelt der Stars und Idole. Die beiden Sphären bilden Kontaktflächen aus – aber sie verschmelzen nicht. „Wenn wir heute Jugendlichen die Frage stellen: ‚Gibt es eine Person, für die du besonders schwärmst?‘, dann antworten 50 bis 60 Prozent aller Mädchen und Jungen mit Ja“, sagt Dagmar Hoffmann, Medien- und Kommunikationsforscherin an der Universität Siegen, Nordrhein-Westfalen. „Viele stellen allerdings sofort die Gegenfrage: ‚Ich darf nur eine Person nennen? Ich schwärme für viele!‘ Die Welt der Stars und Idole ist sehr ausdifferenziert. Das Idol schlechthin gibt es nicht mehr. Wir leben im Zeitalter des Heldenpatchworks.“

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10 Vorbilder und Helden

Rita L., 52, Bankkauffrau, mit Malcolm X, Bürgerrechtler.

Silke Gahleitner Univ.-Prof. Dr. Silke Gahleitner ist Professorin für ­Integrative Therapie und Psycho­soziale Inter­ ven­tionen am Department für Psycho­therapie und Bio­psycho­soziale Gesundheit der Donau-Universität Krems. Sie studierte ­Psychologie und E­rziehungs­wissen­ schaften an der Freien Universität ­Berlin.

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Laut Statistiken begeistern sich Jungen zumeist für Sportler – hoch im Kurs sind vor allem Fußballer. Mädchen indes schwärmen für Pop- und Fernsehstars. Freilich gibt es auch Überschneidungen: Harry Potter vermag beide Geschlechter zu faszinieren. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil es im Fantasie-Universum von Joanne K. Rowling sowohl Helden als auch Heldinnen gibt, die genügend Raum zur Identifikation eröffnen. Helden kennen keine Grenzen Die Auswahlmöglichkeiten sind auch für die Jüngsten enorm. Sage und schreibe 900 Hauptfiguren stehen im deutschen Kinderfernsehen Woche für Woche bereit, um die kleinen Medienkonsumenten in eine andere Welt eintauchen zu lassen. Wenn etwa Pippi Langstrumpf ihr Pferd in der Villa Kunterbunt einquartiert und mit den (natürlich beschuhten) Füßen auf dem Kopfpolster ­

schläft, dann hat dies eine konkrete Funktion, schreibt der deutsche Pädagoge und Autor Jan-Uwe Rogge. „Helden und Heldinnen kennen weder zeitliche noch räumliche Grenzen, sie setzen Logik und Sinn außer Kraft, sie stellen die Wirklichkeit auf den Kopf und sagen vermeintlichen Autoritäten den Kampf an.“ Helden, so das Credo von Entwicklungspsychologen, helfen beim Großwerden. Pippi lebt in spielerischer Weise vor, wie man Regeln bricht, die von öden Erwachsenen gemacht wurden. Und Hannah Montana zeigt, dass jedes Mädchen auch etwas Aufregendes erleben kann – die Mitschüler müssen ja nichts davon wissen. Steckt nicht in jedem Kind ein Held? Ja, lautet die Antwort. Erwachsenwerden hat auch damit zu tun, Normen zu akzeptieren, indem man sie übertritt – und sei es, indem man eine Stellvertreterin vorausschickt. TV-Figuren wie Hannah Montana sind zweifelsohne wichtige, aber oftmals nur


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Dagmar Hoffmann

Fotos: Zara Pfeifer (S. 10);  Donau-Universität Krems  (S. 10, Gahleitner); www.himatic.de, Alexander Hauck (S. 11)

Prof. Dr. Dagmar Hoffmann ist ­Soziologin und seit 2011 Professorin für Medien und Kommunikation an der Universität ­Siegen, u. a. mit Schwerpunkt ­Mediensozialisation. Sie gibt die Zeitschrift „Diskurs Kindheits- und Jugendforschung“ heraus und fungiert als stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikations­kultur (GMK). 2007/08 war Hoffmann Gastprofessorin an der Donau-Univer­sität Krems.

temporäre Identifikationsobjekte. Für das wirkliche Leben taugen sie kaum als Vorbilder. „Idole sind Kunst- und Kultfiguren. Sie haben oft etwas Kompensatorisches an sich und sind auch gar nicht dazu da, nachgeahmt zu werden“, sagt Dagmar Hoffmann. Orientieren könne man sich an ihnen unter Umständen durchaus. „Aber imitieren kann man in der Regel nur Menschen, die uns ähnlich sind und uns praktikable Anleitungen geben. Medienakteure spiegeln selten etwas zurück. Und sie belohnen auch keine Nachahmung.“ Das zeigt sich auch in Umfragen. Auf ihre Berufswünsche angesprochen, antworten dieselben Jugendlichen, die soeben von David Alaba, dem FC-Bayern-Verteidiger, oder Lady Gaga, der Popdiva, geschwärmt haben, durchaus bodenständig. Studium, Handwerk, kaufmännische Berufe werden am häufigsten genannt. Kunst, Musik und Sport sind indessen selten dabei. Die echten Vorbilder sind nah „Als ich jung war, habe ich für Albert Schweitzer geschwärmt“, sagt der Sozialund Bildungswissenschaftler Klaus Hurrelmann von der Hertie School of Governance in Berlin. Zweifellos eine gute Wahl: Der deutsche Arzt und Theologe gründete in Französisch-Äquatorialafrika ein Urwald­ hospital, machte sich als Organist, Musikwissenschaftler und Theoretiker des Orgelbaus einen Namen, erforschte die Mystik des Apostels Paulus und kämpfte zeit­­ le­ bens gegen Rüstung und Krieg. 1952 erhielt er für seine Bemühungen den Friedens­ nobelpreis. „Schweitzer war ein bemerkenswerter Mensch mit einem eindrucksvollen Lebenslauf. Aber ich erkannte bald: Er war auch sehr weit von mir entfernt“, erzählt Hurrelmann. „Da dachte ich mir: Ich orientiere mich doch lieber an Menschen in meiner Umgebung.“ So wurde der Deutsch­ lehrer zur ersten prägenden Per­ sön­ lichkeit: „Er hat mich gefordert und gefördert. Seine Haltung, seine Art zu ­ ­argumentieren und sein Lebensstil gaben mir ein Signal.“ Solch prägende Erlebnisse untersucht Hurrelmann heute als Wissenschaftler. Er hat 12- bis 25-Jährigen beispielsweise die Frage gestellt: Wie möchtest du einmal

„Mit einem überdimensionierten Idol kommt man nicht durchs Leben.“ Klaus Hurrelmann

l­eben? „So wie meine Eltern“, lautete bei 80 Prozent die Antwort. Vorbilder sind, das ­zeigen auch andere Jugendstudien, zumeist reale Menschen aus dem nächsten Umfeld, vor allem Mutter und Vater. Das war nicht immer so. Früher lag die Ablehnungsrate gegenüber den Älteren deutlich höher – das mag ein Hinweis darauf sein, dass das Verhältnis zwischen Kindern beziehungsweise Jugendlichen und ihren Eltern gegenwärtig sehr spannungsfrei ist. Eltern sind heutzutage Vorbild in vielerlei Hinsicht. In Bezug auf den Lebensstil, die Haushaltsführung oder die Art und Weise, wie sie Beruf und Familie verbinden. „Natürlich können auch andere Menschen aus dem Umfeld Vorbild sein“, sagt Klaus Hurrelmann. „Lehrer und Lehrerinnen etwa. Der Fußballtrainer, die Pastorin, die Nachbarn. Letztlich geht es darum: Ihre Werthaltungen dienen uns als Maßstab, sie geben uns Orientierung.“ Was im Umkehrschluss bedeutet: Wenn wir keine Vorbilder hätten, wären wir alleine und orientierungslos, so der Bildungsforscher. „Um einen Begriff aus der schnodd­ rigen Sprache der Betriebswirtschaft zu verwenden: Vorbilder sind ‚benchmarking points‘.“ Das Vorbild ist, so könnte man sagen, ein biografischer Magnet, an dem man die persönliche Kompassnadel ausrichten kann. Freilich weisen die biografischen Magnet­ linien gewisse regionale Unterschiede auf. Jugendliche in Deutschland und Öster-

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12 Vorbilder und Helden

Auf den Punkt gebracht

• V orbilder Nummer eins

sind bei 80 Prozent der Jugendlichen noch immer die Eltern.

•W ir brauchen Vorbilder,

um von ihnen zu lernen und uns zu orientieren, aber das glückt nur bei emotionaler Bindung.

• H elden und Idole sind

wichtig für die Entwicklung, sind aber im realen Leben keine Orientierungshilfe.

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reich sind pragmatisch und realistisch in ihrer Einschätzung. In den südlichen Ländern Europas hingegen sind sie etwas verträumter. Allerdings: Die nationalen Unterschiede werden geringer. Das Realvorbild gewinnt, das Idol verliert an Bedeutung – europaweit. Und in den USA? Schließlich gehört das Konzept des „role model“ zum offiziellen Inventar des amerikanischen Erziehungsideals: „Real- und Idealvorbild scheinen in den USA tatsächlich etwas stärker zu verschmelzen als in Europa. Das mag auch mit der amerikanischen Ideologie vom Tellerwäscher zu tun haben, der sich zum Millionär hocharbeitet“, sagt Hurrelmann. „Doch auch in Amerika gilt: Mit einem überdimensionierten Idealvorbild kommt man nicht durchs Leben. Auch für die Verwirklichung des amerikanischen Traums bedarf es realer Personen, die einem sagen, wie es weitergeht.“

Überall Gesichter Das Phänomen „Vorbild“ ist auch für die Kulturwissenschaft ein überaus ergiebiges Thema. Der österreichische Philosoph Thomas Macho hat in einer 2011 erschienenen Studie die Verbindung von Vorbildern und Gesichtern untersucht. Letztere, schreibt er, seien allgegenwärtig: Im Fernsehen, in Magazinen, auf Plakaten – überall blicken uns Gesichter entgegen. „Wir leben in einer facialen Gesellschaft“, lautet sein Fazit. Diese Entwicklung wird wohl durch die Online-Medien verstärkt. Dort können auch wir, die Normalsterblichen und Nichtprominenten, ein klein wenig von jener Aufmerksamkeit erhaschen, nach der alle zu streben scheinen. Fast könnte man meinen, Facebook sei erfunden worden, um einen Satz von Andy Warhol nun auch im Internet zu bestätigen. Er hatte 1968 vorausgesagt: „In the future, everyone will be world-­famous for 15 minutes.“ Dass Gesichter einen besonderen Magnetismus ausüben und somit das Bild sich fast automatisch als medialer Multiplikator in den Dienst des Vor-Bilds stellt, mag auch an unserer Wahrnehmung liegen. Wie Neu­ ro­­­ biologen berichten, gibt es im Gehirn spezialisierte Nervenzellen, die nur dann aktiv werden, wenn im Blickfeld das Gesicht eines Menschen erscheint. Der Mensch ist ein soziales Wesen, und das Gesicht sei, so sagt der Volksmund wohl nicht zu Unrecht, das Spiegelbild der Seele. Darauf sind wir in unserer Wahrnehmung programmiert: Gesichter erscheinen selbst dort, wo gar keine sind. Wer hat nicht schon mal in Baumrinden, auf Autokarosserien und Häuserfassaden gesichterhafte Züge entdeckt? Anthropologen der Universität Wien wiesen vor zwei Jahren nach, dass nicht nur wir Europäer die Frontalpartie von Autos ver­ menschlichen. Auch in anderen Kulturkreisen, dort, wo Autos und Filme wie „Cars“ kaum eine Rolle spielen, werden die Scheinwerfer zu Augen, die Rückspiegel zu Ohren und der Kühlergrill zur Nase. Das Gesicht scheint uns zu verfolgen. Auch die Politik bleibt von unserer Gesichterfixierung nicht unbeeinflusst. Hier hat sich mittlerweile eine „optical correctness“ durchgesetzt: Politiker müssen, wie Thomas Macho schreibt, gut aussehen, im


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Klaus Hurrelmann

Fotos: Zara Pfeifer; Hertie School of Governance (Hurrelmann)

Prof. Dr. Klaus Hurrelmann ist Professor of Public Health and Education an der Berliner Hertie School of Governance. Er studierte Soziologie, Psychologie und Pädagogik an den Universitäten Freiburg, Berkeley (USA) und Münster und war Professor an mehreren deutschen Universitäten. Sein Forschungsschwerpunkt verbindet Familien- und Bildungspolitik mit An­sätzen der Sozial- und Gesundheitspolitik.

Idealfall Models gleichen, ansonsten habe die Wahlwerbung der Kandidaten wenig Aussicht auf Erfolg. So gibt denn die Politik selbst vor, dass sich Schönheit mit Kompetenz und Tugend zu paaren habe – eine erfolgreiche, aber auch riskante Strategie: Denn wo der Politiker zum Idealmenschen stilisiert wird, vergrößert sich im gleichen Maß auch die mögliche Fallhöhe. Wie der Plagiatsfall Guttenberg zeigt: Der ehemalige Star der deutschen Politik – jung, smart, erfolgreich – wurde als Betrüger entlarvt und musste zurücktreten. Zurück blieben ein demoliertes Image und die Erkenntnis, dass man Vorbild und Bild nicht verwechseln sollte. Uraltes Verhaltenserbe Dass wir uns an Vorbildern orientieren und von ihnen lernen, ist mit Sicherheit eine grundlegend menschliche Eigenschaft. „Nur wenn wir sozial gut eingebunden sind, können wir Neues entdecken. Nur dann haben wir den dafür notwendigen inneren Raum“, sagt Silke Gahleitner vom Depart-

ment für Psychotherapie und Biopsycho­ soziale Gesundheit der Donau-Universität Krems. Aus Sicht der Biologie ist dieses Bedürfnis ein uraltes Verhaltenserbe: „Alle Säugetiere brauchen ältere Individuen, die sie anleiten und durch die sie sich entwickeln können. Wodurch wir uns von anderen Säugern – hoffentlich – unterscheiden, ist die Fähigkeit zur Reflexion. Also die Fähigkeit, auf uns selbst zu blicken und über uns nachzudenken“, sagt Gahleitner – und betont: Die Anleitung durch andere funktioniere allerdings nur, sofern wir zu unseren Vorbildern ein emotionales Band knüpfen können. Der menschliche Kontakt sei unersetzbar. Womit Medienforschung, Sozialwissen­ schaft und Psychologie zu durchaus ähn­ lichen Befunden kommen. Echte Vorbilder müssen offenbar so real sein wie das ­Leben.

Oben: Renato S., 28, Chemiker, mit Giovanni Falcone, Jurist. Links: Selin K., 24, Lehrerin, mit Malala Yousafzai, Kinderrechts­ aktivistin.

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14 Interview

Man muss Mut haben Georg Kopetz ist Vorstand und Mitgründer der TTTech Computertechnik AG. Audi und die NASA zählen zu seinen Kunden. Im Gespräch mit upgrade erzählt Kopetz von Stammesriten und Vorbildern in der Welt des Hightech. Von Robert Czepel

Georg Kopetz mit Partner Stefan Poledna bei der Austria’13Preisverleihung.

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upgrade: Sie wurden soeben mit Ihrem Gründungs- und Vorstandskollegen Stefan Poledna von der Tageszeitung Die Presse als „Österreicher des Jahres“ in der Kategorie „Unternehmertum“ ausgezeichnet. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges? Georg Kopetz: Das Geheimnis ist, dass man sich Ziele steckt und diese hartnäckig

verfolgt – auch dann, wenn es Gegenwind gibt und schwierig ist. Und natürlich geht es um den Sinn und die Freude an der Sache. Nur wenn man Dinge gerne macht, macht man sie auch gut. Für mich ist das Thema Unternehmertum etwas, das mit Freiheit und Gestaltungsmöglichkeit zu tun hat. Mein Credo seit der Firmengründung der TTTech war, sich frei entfalten und frei ge-


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stalten zu können. Viktor Frankl, der ein großes Vorbild für mich ist, hat es einmal ungefähr so ausgedrückt: Der Sinn erzeugt die Freude im Leben. upgrade: Was ist Ihr Ziel? Kopetz: Unsere Vision war und ist, ein Unternehmen in Österreich aufzubauen, ­ das zu einem globalen Player im Bereich der Technologie wird. upgrade: Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Woche? Kopetz: 50 bis 60 Stunden, wenn ich in Wien bin. Wenn ich bei Kunden bin, ist es mehr. Das ist ein bis zwei Wochen pro Monat der Fall. Ich bin gewissermaßen der Betriebsmann in der Firma. Der österreichischamerikanische Ökonom Peter Drucker hat einmal sinngemäß gesagt: „Inside is fantasy. Outside is reality.“ Man muss den Kundennutzen erkennen.

Fotos: © Die Presse /Rudolph (S. 14), TTTech (S.15)

upgrade: Wie eignet man sich Leadership für eine Position wie die Ihre an?

und selbst in der Businessclass sitzen. Das funktioniert nicht. Unsere Mitarbeiter sind sensibel und merken sofort, wenn man sie nicht gerecht behandelt. Ansonsten muss man Arbeitseinsatz zeigen und sich nicht besserstellen als die anderen. Darauf achten wir auch bei der Anstellung von neuem Führungspersonal. Wir haben eine Kultur einer gewissen Verbrüderung in der Firma. Hightech-Firmen wie die unsere sind durchaus mit Stämmen und ihren Riten vergleichbar. Auf diese Riten müssen sich die neuen Mitarbeiter einstellen. Unsere Hierarchie ist sehr flach. upgrade: Als Sie die Firma gegründet ­haben, waren Sie erst 23 Jahre alt. Wie lief das ab? Kopetz: Mein Vater war Professor an der Technischen Universität Wien. Davor war unsere Familie auch einige Zeit in Kalifornien, wo mich schon als Schüler eine gewisse Faszination für das US-amerikanische Unternehmertum gepackt hat. Ende der 80er und Mitte der 90er Jahre begann mein Vater technische Patente anzumelden.

Kopetz: Ich glaube, das ist auch eine Frage der Persönlichkeit. Es gibt solche, die Klassensprecher werden, und solche, die das nicht wollen. Wenn man das Kommando scheut, sollte man eher kein Unternehmen gründen. Man muss den Mut haben, vor der Mannschaft zu stehen und eine Entscheidung mitzuteilen.

Kopetz: Patente für ein zeitgesteuertes Protokoll. Heute würde man sagen: ein Datenbussystem. Datenbusse sind elektronische Verbindungen, quasi ein Kommunikationssystem, zum Beispiel für die elektronische Lenkung im Auto.

upgrade: Wie motivieren Sie Mitarbeiter?

upgrade: Wie geht die Geschichte weiter?

Kopetz: Über die Aufgabe und über einen gewissen Freiraum. Für uns ist Vertrauen sehr wichtig. Unsere Mitarbeiter bekommen Budget- oder Entwicklungsziele, aber wie sie diese erreichen, ist ihre Sache. Und es braucht auch eine gewisse Streitkultur. Man muss Probleme offen ansprechen können.

Kopetz: In den 90ern studierte ich Jus in Wien. Zu dieser Zeit diskutierte ich mit meinem Vater die Frage, wie man aus diesen Patenten ein Geschäft machen könnte. Dann begannen wir die Patente für Forschungsprojekte zu lizenzieren – vor allem mit Daimler-Benz. Diese klaren Verhältnisse waren die rechtliche Voraussetzung für die dann er­folgte Firmengründung. Und da wir uns keinen Anwalt leisten wollten, habe ich die Ausverhandlung der Verträge übernommen.

upgrade: Inwiefern sind Sie als Vorbild in der Firma gefragt? Kopetz: Der Fisch beginnt vom Kopf zu stinken. Nehmen wir das Beispiel der Flugreisen: Ich kann nicht von meinen Mitarbeitern verlangen, Economyclass zu fliegen,

upgrade: Welche?

Georg Kopetz Georg C. Kopetz ist ­Vorstandsvorsitzender der TTTech Computertechnik AG. Der Unternehmer ­studierte Rechtswissenschaften in Wien und ­Paris und gründete 1997 ­gemeinsam mit ­seinem Vater Hermann Kopetz und Stefan Poledna ­T TTech. Das IT-­Unter­­ nehmen mit Sitz in Wien beschäftigt weltweit rund 300 Mitarbeiter. Zu seinen Kunden zählen u. a. Audi, Volvo, Boeing und die NASA. TTTech ist spezialisiert auf zeitgesteuerte Kontrollsysteme, zum Beispiel für selbstfahrende Autos oder zur Flugzeugsteuerung.

upgrade: Hat man in diesem Alter keine Angst, über den Tisch gezogen zu werden?

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16 Interview

„Ich war als Teenager in Cape Canaveral und hatte lange ein Poster des Space Shuttle mit allen technischen Systemen über dem Bett.“ Von links nach rechts: Marianne T., 28, Juristin, mit Nelson Mandela, Friedens­nobelpreis­träger. Anna B., 25, Musikerin, mit Mutter Teresa, Ordensschwester. Caren K., 29, Lehrerin, mit Sissi, Kaiserin.

Georg Kopetz

Kopetz: Natürlich hat man die. Aber die Verträge haben alle gehalten. Nach dem Studium lernte ich einen ehemaligen Doktoranden meines Vaters, Stefan Poledna, kennen. Da die Technologie bereits marktreif war, begannen wir Anfang 1997 einen Businessplan zu schreiben. Ich hatte zu dieser Zeit ein Fulbright-Stipendium für ­ ein postgraduales Studium in den USA, und Stefan Poledna war bei der Firma Bosch tätig, mit sechs Monaten Kündigungsfrist. Wir wussten: Wenn wir im nächsten Jahr, das war 1998, mit der Firma starten wollen, dann muss ich auf das Stipendium verzichten und Stefan Poledna muss im Sommer seinen Job kündigen. So haben wir es gemacht. Im Dezember 1997 wurde die Firma ins Firmenbuch eingetragen. upgrade: Woher kam das Kapital? Kopetz: Wir haben unser eigenes Geld eingelegt, private Investoren unter Verwandten und Freunden gesucht und ein Darlehen bei der Innovationsagentur aufgenommen. Die privaten Investitionen und das Darlehen lagen jeweils bei umgerechnet etwa 500.000 Euro. Damit haben wir im ersten Jahr Produkte entwickelt. Wobei uns bewusst war: Wir müssen sie spätestens im Dezember verkaufen, denn dann haben wir im ersten Jahr Umsatz gemacht und sind im zweiten Jahr für Investoren viel interessanter. Und so war es auch. Nach der Weihnachtsfeier 1998 haben wir noch Produkte verpackt und rausgeschickt. upgrade: Welche Produkte waren das? Kopetz: Elektronische Karten, die einen Datenbus simulieren. upgrade: Also ein „proof of concept“? Kopetz: Genau, das waren Prototypen für die Forschung, etwa für Volvo und Mitsubishi. Echte Chips für die Serie haben wir erst später entwickelt. 1999 war klar: Das kann etwas werden. upgrade: Machen wir einen Sprung in die Gegenwart. Was verkaufen Sie aktuell? Kopetz: Wir bauen Steuerungsplattformen

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für Autos, Baumaschinen, Flugzeuge, Hubschrauber und für die Raumfahrt. upgrade: Wozu sind diese Plattformen gut? Kopetz: Sie sind beispielsweise für das semiautonome – also halbautomatische – Fahren von Autos notwendig. Oder für die digitale Flugzeugsteuerung, das sogenannte Fly-by-Wire. Oder für die Steuerung von Windkraftwerken. upgrade: Sie haben neben Audi, Boeing oder dem kanadischen Flugzeughersteller Bombardier auch die NASA auf der Kundenliste. Wie kam es dazu? Kopetz: Unsere Technologie war im wissen­ schaftlichen Bereich relativ bekannt. Wir haben recht früh erkannt, dass wir Partnerschaften brauchen, um größere Firmen anzusprechen. Eine solche Partnerschaft war ein Lizenzvertrag mit Motorola, damals Weltmarktführer im Bereich der Autochips. Motorola hat für uns einen Kontakt mit der Transportsysteme-Sparte des US-Konzerns Honeywell hergestellt. Einige Jahre später wurde uns klar, dass wir mit unserer Technologie einen Neustart brauchen, um dauerhaft Erfolg zu haben. Daraus entstand das sogenannte Deterministic Ethernet oder TTEthernet-Protokoll, das wir mit Honeywell entwickelt haben. Und Honeywell wurde wiederum von der NASA ausgewählt, um die Avionik-Systeme – also die gesamte Elektronik – für die neue Raumfähre Orion zu entwickeln. So kamen wir an Bord.

Fotos: Zara Pfeifer

upgrade: Hand aufs Herz: Wenn die NASA anklopft, flattern da die Nerven? Kopetz: Ich war als Teenager in Cape Canaveral und hatte lange ein Poster des Space Shuttle mit allen technischen Systemen über dem Bett in meinem Zimmer. Die Raumfahrt war für mich immer ein besonders spannendes Thema. Deswegen war ich besonders motiviert, hier mit unserem Unternehmen etwas zu bewirken. Der zweite schöne Aspekt ist: Die NASA entwickelt nur rund alle 30 Jahre eine neue Raumfähre. Wenn man einmal drin ist, ist man für 30 Jahre drin. Ich hoffe nur, dass das Projekt weitergeht. Es wurde unter Präsident Oba-

ma schon einmal fast beendet, nun ist es wieder „auf Schiene“.

René S., 38, Anwalt, mit Edward Snowden, Whistleblower.

upgrade: Das heißt, Sie waren nicht nervös, sondern besonders motiviert? Kopetz: Ja, das würde ich so sagen. Man muss bedenken: Es ist nicht so, dass man dafür einen guten Auftritt wie auf der Bühne braucht, der darüber entscheidet, ob man hier reinkommt oder nicht. Es sind ­viele kleine Dinge, die nach Houston führen. Im Übrigen arbeiten wir heute auch mit der ESA beziehungsweise ihren europäischen Zulieferern zusammen, die das Service­ modul für die neue Raumfähre der NASA bauen. Die Raumfahrt ist eine schöne Erfolgsgeschichte für uns – aber sie ist auch sehr langwierig und mitunter frustrierend. Es kann jederzeit sein, dass Bestellungen der Regierungen verschoben werden und wir unsere Businesspläne nicht erfüllen können. Das muss man als Organisation aushalten. Ein wirkliches Geschäft ist die Raumfahrt für uns noch nicht.

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18 Zahlen & Fakten

78

%

Vorbild: Eltern, Familienangehörige

Mutti ist doch die Beste!

Moral steht zuoberst: Nach ethischen Gesichtspunkten handelnde Menschen sind gern genannte Vorbilder.

Mutter ­Teresa, Martin Luther King und Mahatma Gandhi wurden laut der deutschen Stiftung für Zukunftsfragen von Jugend­lichen auf die ersten drei Plätze gereiht. Oft ist es aber auch die Kombination aus moralischer Integrität und Erfolg, die Menschen zu Vorbildern für andere macht. Das ergibt eine Umfrage des Market-Instituts von ­vergangenem Jahr: Dort hat Dietrich Mateschitz den Spitzenplatz erklommen, vor Bundespräsident Heinz ­Fischer und ­Skistar Marcel Hirscher. Aber was sind die Milliarden des Red-Bull-Gründers oder das barmherzige Wirken von Mutter Teresa gegen die eigenen Eltern. Sowohl deutsche als auch österreichische Befunde zeigen: Für junge Menschen wie für Erwachsene sind die Eltern in Sachen Moral und Werte Vorbild Nummer eins. Und einer schon etwas älteren Umfrage der Illustrierten Stern zufolge steht die eigene Mutter für die Deutschen überhaupt an der Spitze. –––––––––––––––––––––– Quellen: Stiftung für Zukunftsfragen 2009, in: Statista, www.stiftungfuerzukunftsfragen.de/de/newsletter-forschung-aktuell/220.html Market-Institut, Umfrage MA 652, 2012; www.stern.de/kultur/buecher/ vorbilder-nehmen-wir-zum-beispiel-mama-514665.html

Wofür die Jugend schwärmt

60

%

Vorbild: Wissenschaftler

Burschen finden ihre Vorbilder und Idole im Sport, Mädchen im Fernsehen und in der Musik. –––––––––––––––––––––– * Quelle: IFAK-Institut 2012, in: Statista, de.statista.com /statistik/daten/studie/29998/umfrage/ bereiche-aus-denen-vorbilder-und-idole-fuer-kinder-stammen/

58

%

Vorbild: Sportler

Mädchen Burschen *Sport 4% 47%

*Musik 33% 9%

*TV / Film 44% 33% Vorbild: Politiker

upgrade 4/2013

17%


19

–––––––––––––––––––

10 % weiß nicht –––––––––––––––––––

Splitter

55% eher nicht

Haben die EUBürger Vertrauen in die Union? Der Euro­­barometer.

–––––––––––––––––––

35% eher ja

Vorbild für die anderen

Vorbild Island

Auch politische Gebilde wie die

Quelle: World Economic Forum, The Global Gender Gap Report 2013

Europäische Union können Vorbild sein. Meist aber für „die anderen“: Während der Verband Südostasia­ tischer Nationen (ASEAN) die EU als Vorbild beim Aufbau eines ­Binnenmarktes bis 2015 sieht, ­vertrauen die Europäer ihren Institutionen weniger. Immerhin: Freier Personenverkehr und der Friede in Europa sind für über die Hälfte der Europäer positive Errungenschaften der EU. Nur 31 Prozent der Europäer vertrauen den EU-Institutionen wie Parlament oder Kommission. Interessanterweise liegen die Österreicher leicht über dem EU-Durchschnitt. –––––––––––––––––––––– Quellen: Euronews, de.euronews.com/­ 2012/04/03/asean-staaten-nehmeneu-als-vorbild/; Standard Eurobarometer EB79, Frühjahr 2013

Fünfmal in Folge belegt Island Platz eins bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau.

900 Unter so vielen potenziellen Helden und Idolen können Kinder im Fernsehen auswählen. Quelle: KIM-Studie 2012, Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest

Vorbild Manager Nach Eltern und Familien­ angehörigen sind Manager das Vorbild für knapp zwei Drittel der 16- bis 29-Jährigen in Österreich. Quelle: Market-Institut, Umfrage MA 652, 2012

50 bis 60 Prozent aller Buben und Mädchen schwärmen für Popsänger, Sportler und TV-Stars. Quelle: KIM-Studie 2012, Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest

Vorbild USA „Vereinigte Staaten von Europa“: Vom US-Modell träumt die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Viviane Reding.

Produkt und Charisma

Illustration: Thomas Kussin

Warum ist Apple so beliebt? Weil

Menschen der Marke vertrauen. Mehr noch: Es ist eine Marke mit Charisma, mit der sich Menschen gerne identifizieren. Das macht sich bezahlt. Apple, Brand Nummer eins weltweit, hat einen Markenwert von über 110 Milliarden Euro. Apple führt damit das Eurobrand-Global-Top-100-Ranking an. Dieses Ranking zeigt: Die USA haben die Welt der Marken fest im Griff, die Plätze eins bis neun belegen US-Brands. Österreichs Nummer eins ist übrigens Red Bull mit über 15 Milliarden Euro Markenwert.

Quelle: ec.europa.eu/commission_2010-2014/ reding/eufuture/index_de.htm

Vorbei ist für Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier die Zeit der Vorbilder für Jugendliche. Quelle: Beate Großegger, Bernhard Heinzlmaier: Die neuen vorBilder der Jugend. Stil- und Sinnwelten im neuen Jahrtausend, G&G Verlag, Wien 2007

–––––––––––––––––––––– Quellen: eurobrand 2013 GLOBAL TOP 100; eurobrand Austria 2013, European Brand Institute

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Auf den Punkt gebracht

• A ufstiegschancen der

Kinder hängen stark von Bildung, Beruf und Einkommen der Eltern ab.

• E in überholtes Bildungs­

system provoziert heute Schlagzeilen und Zurufe aus beinahe der ganzen Bevölkerung in Österreich, doch die Reformen stocken.

• I mmer mehr Privatpersonen, Unternehmen und NGOs greifen inzwischen ein, damit nicht noch mehr Talente verlorengehen.

Vererbte Bildung, frühe Selektion, Defizitorientierung und Frustration vor und hinter dem Pult. Wo bleibt der Ausgleich?

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Bildungspfade verbreitern Private Initiativen unterstützen unser Bildung­swesen, um Kinder und Jugendliche auf einen erfolgreichen Ausbildungsweg zu führen. Intensive Förderung, aber auch Vorbilder und Begeisterung sollen systembedingte Mängel ausgleichen. Von Astrid Kuffner

Foto: Zara Pfeifer (S. 20), Wilke (S. 21)

P

apier ist geduldig. Die Bundesverfassung nennt zwei zentrale Bildungsziele. Schule soll „… der gesamten Bevölkerung, unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund, unter steter Sicherung und Weiterentwicklung bestmöglicher Qualität ein höchstmögliches Bildungsniveau“ sichern, und „... jeder Jugendliche soll ... befähigt werden, am Kultur- und Wirtschaftsleben Österreichs, Europas und der Welt teilzunehmen“. Erwin Greiner, pensionierter Schuldirektor im (Un)ruhestand, schnaubt: „Solange wir die Kinder mit neuneinhalb Jahren selektieren und die Elementarpädagogik nicht in Bezahlung und Ausbildung stärken, können diese Ziele nicht umgesetzt werden.“ Ein Blick auf die Zahlen der Allgemeinbildenden Höheren Schule (AHS) TheodorKramer-Straße in Wien-Donaustadt, wo Greiner Schulleiter war, macht ihn sicher: „Jeder Sechste im ersten Maturajahrgang begann mit einem Dreier im Abschlusszeugnis der Volksschule. 16 Prozent der Jugendlichen wären an einer anderen AHS nicht aufgenommen worden, obwohl sie die Fähigkeiten zur Reifeprüfung erwiesener­ maßen mitbringen.“ Seit einem Jahr ist der ehemalige Englisch- und Psychologielehrer als Arbeiterkind-Botschafter in Schulen unterwegs und lädt die Jugendlichen ein, über den Tellerrand der eigenen Familie hinauszublicken: „Unser Ansatz ist nicht, alle zum Studieren zu bewegen, sondern die jungen

Menschen so zu informieren, dass sie eine vernünftige Entscheidung über ihren weiteren Ausbildungsweg treffen können.“ ­Seine eigene Hochschulausbildung verdankt Greiner, das Kind einer Hilfsarbeiterin und eines gelernten Schlossers, zwei engagierten Lehrern. „Es sollte aber nicht vom Zufall abhängen, sondern systemimmanent sein, dass man auf die Talente junger Leute achtet“, sagt er. Manchen reicht für den Weg an die Uni eine Stipendieninfo, weil sie genug Ansporn erfahren haben, um von dort selbst weiterzugehen. Andere brauchen in einer vergleichbaren Situation ein Vorbild. Greiners Eindruck ist, dass junge Menschen heute mehr auf ihre eigenen Interessen schauen, mit Blick auf die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, denn aufs Prestige. Jugendkulturforscher Bernhard Heinzlmaier bezeichnet die „ Jugend von heute“ als „Generation Ego“. „Sie hat die Konsumgesellschaft mit der Muttermilch aufge­ sogen, lebt im Moment, da die Zukunft ungewiss und der Wandel rasant ist, investiert in Selbstdarstellung, ist konkurrenzorientiert und hat wenig soziales Einfühlungsvermögen.“ Wo hat sie sich das nur abgeschaut? Ganz grob lassen sich heimische Jugendliche laut Heinzlmaier in zwei Gruppen einordnen: die schrumpfende Gruppe der „Postmaterialisten“, die sich um ihrer selbst willen zu bilden versuchen, und den großen Rest, der „hineinmanipuliert wurde in eine adaptiv-pragmatische Gesinnung. Dieser

Bernhard Heinzlmaier Mag. Bernhard Heinzlmaier studierte Geschichte, Psychologie und Philo­ sophie. Er ist Vorsitzender des Instituts für Jugend­ kulturforschung in Wien und Geschäftsführer des Marktforschungsunter­ nehmens t-factory in Hamburg. Er ist auch Vor­ tragender an der DonauUniversität Krems und mehrfacher Buchautor.

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wendet betriebswirtschaftliches Denken – maximaler Output bei minimalem Input – auch auf Bildung, Beziehung und Karriere an“, so der Vorsitzende des Instituts für Jugend­kulturforschung in Wien. Nur wo es etwas bringt, bringen sich diese jungen Menschen ein. Eingeschrieben und schon abgeschrieben Adib Reyhani Adib Reyhani, MSc ­studierte Volkswirtschaft an der Karl-Franzens-­ Universität Graz und Inter­ nationale Ökonomie an der Maastricht University (NL). Reyhani arbeitete als Unternehmensberater in den Bereichen Prozess­ management und Strategie und unterrichtet seit 2012 als „Teach for Austria ­Fellow“ an einer kooperativen Mittelschule in Wien.

Was Bildung bringt, hängt stark vom Elternhaus ab. Die Entscheidung für Schultyp und Beruf fällt meist im engen Umfeld – so können Möglichkeiten unbekannt bleiben oder unerreichbar scheinen. Unter einem anständigen Beruf versteht eine besonders ehrgeizige Schülerin von Adib Reyhani, Sekretärin in einem Anwaltsbüro zu werden. Wenn er sie fragt, warum sie nicht Anwältin werden will, antwortet sie: „Das kann ich doch nicht schaffen.“ Der Steirer mit iranischen Wurzeln und Abschlüssen in Volkswirtschaft und International Economics ist „Teach for Austria Fellow“, einer von 24 aus 460 Bewerbern. Seit dem Schuljahr 2012/13 unterrichtet Reyhani Geschichte und Informatik für ein Junglehrersalär an einer kooperativen Mittelschule in Wien-Favoriten. Bedingt durch Herkunft und Elternhaus, beginnt man seine Schullaufbahn hier unter keinem guten Stern. An dieser Schule ist gewissermaßen bereits abgeschrieben, wer sich eingeschrieben hat. Seine Rolle als Lehrer legt Reyhani nicht als unfehlbarer Wissender an, sondern als

www.teachforaustria.at „Teach for America“ wurde 1989 von der IvyLeague-Absolventin Wendy Kopp gegründet. Sie beobachtete, wie Recruiter in Princeton um die Top-Leute kämpften, und hatte folgenden Gedanken: Wieso unterrichten die besten UniAbsolventen nicht Kinder aus benachteiligten Schulen? Inzwischen gibt es 32 Organisationen weltweit. „Teach for Austria“ bringt seit 2011 persönlich und fachlich herausragende Hoch­ schulabsolventen für zwei Jahre als Lehrer und Lehrerinnen an herausfordernde Schulen.

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ständig Lernender. Er betrachtet das Gehirn als trainierbaren Muskel und bezieht Lob daher stets auf Wachstumsbemühungen des Einzelnen. Mit seinem Unterricht will er für alle 25 in der Klasse Verantwortung übernehmen. Also bereitet er seine Stunden intensiv vor, als Fellow des Spezialprogramms mit viel mehr Unterstützung als andere Lehrer, und ist bereit, Umwege zu gehen, um alle ins Boot zu holen. Um nach den Stärken der Kinder zu differenzieren, musste er sie und ihren Lerntyp kennenlernen. Das hat ein halbes Jahr gedauert. Eine zeitliche Dimension, die in Filmen wie „Dead Poets Society“ oder „Dangerous Minds“ nie abgebildet wird. Seither hat auch Adib Reyhani seine „Hollywood-Momente“. Die Entdeckung Amerikas beginnt mit aufgeschlagenen Atlanten und der Beschreibung einer Notlage in Europa, seit die Osmanen auf der Route nach Indien hohe Steuern einhoben. Alle suchen alternative Wege, und erst dann wird ein Text über Christoph Columbus gelesen: „Alphabetisierung muss sein. Auch wenn jemand besser zeichnen als schreiben kann“, meint Reyhani. Danach präsentieren seine Schützlinge das Thema als Comic oder Theaterstück. Adib Reyhani will auf die Berufswelt vorbereiten und sieht bei den Multikulti-­ Jugendlichen gute Voraussetzungen: Sie sind kleine Selbstdarsteller, aber auch großzügig und empathisch. Besonders wichtig ist dem Fellow das Nachdenken über die eigene Verantwortung. Wenn der Park sauber blei-

www.arbeiter-kind.at www.arbeiter-kind.at ist eine ehrenamtliche Initiative, die Jugendliche unterstützt, die als Erste in ihrer Familie ein Studium absolvieren wollen. Gegründet wurde sie in Deutschland von Katja Urbatsch als eine Art Selbsthilfe­ gruppe. Die Mentorinnen und Mentoren von arbeiter-kind.at gehen in ­Schulen und bieten Infor­mation, Rat und Hilfe, vom Einstieg bis zum Abschluss, von der einfachen Anfrage bis zur längerfristigen Mentoring-Beziehung.


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ben soll, wer muss dann was machen auf Ebene des Einzelnen, der Gesellschaft und der Institutionen? So verstehen seine Schüler und Schülerinnen sicher besser, wie das bei der eigenen Berufswahl ablaufen könnte. Lehrende als Vorbilder

Isabella Luschin

Fotos: Markus Sepperer/ Teach For Austria (S.22), IBM (S.23)

Mag. Isabella Luschin ­studierte Kommunikationsund Theaterwissen­ schaften an der Univer­ sität Wien. Seit 2003 ist sie bei IBM Österreich ver­ antwortlich für Corporate Citizenship & Corporate Affairs. Projekte in den Bereichen Bildung, For­ schung oder Frauenförde­ rung, setzt sie neben ihr Engagement für den ­Aufbau eines heimischen Corporate-Social-Respon­ sibility-, Bildungs- und Forschungs­netzwerks.

Erwin Greiner bekommt von ehemaligen Schülern und Schülerinnen immer noch Feedback: „Viele Pädagogen sind sich gar nicht bewusst, wie genau sie beobachtet werden und wie sehr sie ihre Schüler beeinflussen können.“ Die Zeit der reinen Wissens­ vermittlung ist für ihn vorbei. Heute kommt es darauf an, Kompetenzen zu vermitteln, auf Augenhöhe zu agieren und ein Vorbild zu sein mit Sozialkompetenz und Begeisterung für das Fach. Wie sehr er unter Beobachtung steht, wurde Adib Reyhani auf einer Projektwoche in Kärnten klar. Bei den täglichen Wanderungen tat sich ein Schüler besonders schwer. Also ging Reyhani bergauf mit ihm gemeinsam, nahm ihm den Rucksack ab. Am nächsten Tag übernahm den Job unaufgefordert einer der älteren Schüler, ab dem übernächsten abwechselnd auch die jüngeren. „Wenn ich mit einzelnen Aspekten meiner Persönlichkeit ein Vorbild sein kann, freut mich das“, bleibt er gelassen. Für Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier ist die Zeit der Säulenheiligen vorbei: „Die Vorbilder sind gestürzt, weil alles transparent ist.“ Wenn überhaupt kommen Patchwork-Vorbilder zum Einsatz. Viele vermeintlich Erfolgreiche sind im freien Fall: „Die Grassers und Strassers wurden entlarvt“, scherzt er. Vorbilder wie Mahatma Gandhi seien hingegen nicht mehr nachvollziehbar. „Der setzt sich an ein Spinnrad, statt etwas aus seiner juristischen Ausbildung zu machen. Wer nicht auf seinen persönlichen Vorteil schaut, ist für die jungen Minimax-Menschen ein ­Idiot.“ (Anm.: Minimax – der betriebswirtschaftlichen Maxime minimaler Input bei maximalem Output verpflichtet.) Für Heinzlmaier verkörpert ein Vorbildkult den Geist autoritärer Regime und lenkt nicht zuletzt von eigenen Zielen und dem authentischen Ich ab. Nicht alle ­Jugend­lichen verstünden unter Selbstverwirklichung, in einer Bank zu arbeiten. ­Jeder sollte auf seinem individuellen Weg bestärkt werden: „Den Fehler im System sehe ich darin, Karriere zu idea-

„Dass die Kinder schwieriger werden, wurde schon im alten Rom gesagt. Das nehme ich nicht ernst. Jede Generation ist anders, dem muss die Schule Rechnung tragen, statt zu werten.“ Erwin Greiner

lisieren. Der Sinn des Lebens liegt nicht notwendigerweise im Materiellen.“ An seine Lehrer erinnert sich der Wiener als einfühlsame, kluge Menschen. Wenn aber Lehrende zu Coaches werden, ist das für ihn „das Ende der Schule“. Erfahrene Vorbilder statt Personenkult Das Technologieunternehmen IBM hält sich bereits seit 102 Jahren erfolgreich auf dem Markt, und zwar indem es täglich dazulernt. In der schnelllebigen IT-Branche helfen stabile Unternehmenswerte, die den Rahmen vorgeben und (vor)gelebt werden. IBM definiert sich über Köpfe, betreibt aber keinen Personenkult: „Es gibt eine Firmenkultur der Vorbilder. Wir lernen durch Erfahrenere“, erklärt Isabella Luschin, Verantwortliche für Corporate Social Re­sponsibility (CSR) bei IBM Österreich. Von Berufsanfängern und Auszubildenden wird ein solides Wissensfundament erwartet, das idealerweise Wirtschaft und Technik verbindet, und in dem Dienstleistungsunternehmen wird genau auf soziale Kompetenzen geachtet. „Wir

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Erwin Greiner Mag. Erwin Greiner unterrichtete Englisch und Psychologie und sammelte umfangreiche Erfahrung in Admini­­stra­ tion und Leitung an ­allgemeinbildenden ­höheren Schulen. Greiner ist Mitautor der Studie „Diversität im Wiener ­Bildungswesen“ der A ­ rbeiterkammer Wien und unterstützt diverse ­Initiativen.

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erleben täglich in 170 Ländern, wie wesentlich Bildung für die In­ novationsfähigkeit eines Landes und ein stabiles gesellschaftliches Umfeld ist, in dem alle die gleichen Chancen zu partizipieren haben. Wirtschaft kann nur in so einem Umfeld florieren“, betont Luschin den CSR-Fokus des Unternehmens, der sich auf Bildungsprojekte vom Kindergarten bis zur Universität richtet. ­Dafür stellt IBM Wissen, Tatkraft und Technologie zur Verfügung. Begeisterung als Grundvoraussetzung für einen gelingenden Bildungsweg entsteht, „wenn man selbst etwas ausprobieren und sein Talent ent­ ­ decken kann“. Das Angebot für verschiedene Altersgruppen umfasst Lerncomputer und -programme für Mathematik, Naturwissenschaften und Englisch samt Fortbildung für die Pädagogen. Im Rahmen von „Teach for Austria“ gehen IBM-Lehrlinge auch in Schulen, um ihren Beruf anschaulich zu machen. Die Berufsorientierung möchte IBM noch ausbauen. „‚Peer to peer‘ passiert Ermutigung. Das gilt auch für Vorbilder aus dem gleichen Kulturkreis. Das wurde etwa offenkundig, als unsere Generaldirektorin mit serbokroatischen Wurzeln ein Polytechnikum besuchte“, freut sich Luschin. Mit 30 Prozent Mitarbeiterinnen und einer Frau an der Spitze hat das IT-Unternehmen einen r­elativ hohen Frauenanteil in Österreich. Dem Schwerpunkt Frauenförderung trägt die Österreich-Tochter dennoch mit Technikcamps für Mädchen, dem klassischen Töchtertag und Mentoring an der Universität weiter Rechnung (siehe auch Interview mit ­Doris Czepa, rechte Seite). In Österreich werden Vermögen und Immobilien vererbt, ebenso wie Status, Bildung und Beziehungen. Wer Ungleichheiten im Bildungssystem beseitigen möchte, müsste also woanders ansetzen: „Das kulturelle und soziale Kapital ist ungleich verteilt, weil das ökonomische Kapital ungleich verteilt ist. Menschen haben nicht die gleichen Startbedingungen. Man kann ­diese Unterschiede mehr oder weniger kompensieren, aber nicht ‚wegbilden‘ wie in ‚My Fair Lady‘“, zieht Skeptiker Bernhard Heinzlmaier sein Fazit. Das private Engagement ist im besten Sinne karitativ, wie es wohl schon zu Maria Theresias Zeiten war. Das bedeutet aber keineswegs, dass es nicht notwendig wäre.

„Die Vernetzung im Rahmen von CSRAktivitäten heimischer Unter­nehmen beginnt gerade. Es ist sicher der richtige Weg, weil man in breiten Partner­schaf­ten bei großen Heraus­­ forderungen wie der Jugend­arbeits­losig­keit mehr bewegen kann.“ Isabella Luschin

LITERATURTIPPS Sonja Eismann und Christina Köver, illustriert von Daniela Burger: Glückwunsch, du bist ein Mädchen! Anleitung zum Klarkommen, Beltz & Gelberg, 2013 Bernhard Heinzlmaier und Philipp Ikrath: Generation Ego. Die Werte der Jugend im 21. Jahrhundert, Promedia Verlag, 2013 Beate Großegger, Bernhard Heinzlmaier: Die neuen vorBilder der Jugend. Stil- und Sinnwelten im neuen Jahrtausend, G&G Verlag, 2007 Barbara Herzog-Punzenberger (Hg.): Nationaler Bildungsbericht Österreich 2012, Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens, Band 2: Fokussierte Analysen bildungspolitischer Schwerpunktthemen. Kapitel 5: „Chancengleichheit und garantiertes Bildungsminimum in Österreich“ Download: https://www.bifie.at/system/files/buch/pdf/ NBB2012_Band2_Kapitel05_0.pdf


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Frauenförderung in wissen­schaft­lichen Karrieren Wie lang müssen Frauen an der Uni noch gefördert werden? Doris Czepa: Bis Gleichstellung erreicht ist: halbe-halbe bei Professuren und Führungs­kräften und gleiche Bezahlung. Im aktuellen Tempo wird das noch sehr lange dauern.

Fotos: Walter Wobrazek (S.24), Donau-Universität Krems (S.25)

Welche Rolle spielen Vorbilder in dem Bereich? Czepa: Vorbilder sollte es schon im Kinder­ garten geben. Wir orientieren uns alle an der Umwelt: Mutter und Forscherin sein, Führungskraft oder Professorin und eine hohe Lebensqualität haben. Frauen, die das geschafft haben, entwickeln eine Sogwirkung und geben Zuversicht, es auch selbst schaffen zu können. Wie funktioniert Frauenförderung an der Donau-Universität Krems? Czepa: Meine Kollegin und ich leiten die Stabsstelle für Gleichstellung und Gender Studies zur Koordinierung der Frauen­ förderung und G ­ eschlechterforschung. Seit November 2005 ­erstellen wir Analysen und führen auf­bauend Gleichstellungs­ maßnahmen wie Karriere­coaching, Mentoring und Workshops durch. Wir konzipieren gerade ein Programm für W ­ iedereinsteigerinnen und Trainings zur Bewusstseinsbildung in Berufungs­ kommissionen. Warum ist das wichtig? Czepa: Diskriminierung passiert oft unterschwellig und unbewusst. Es geht um das B ­ ewusstmachen von blinden Flecken bei D ­ iversitätskriterien wie Alter, Religion, Ethnie oder Geschlecht, um gerechte und fundierte Entscheidungen möglich zu machen.

Was funktioniert besonders gut? Czepa: Das 2011 gestartete MentoringIII-­Pro­gramm der Universitäten Linz, Salzburg und Krems ist aus unserer Sicht ein voller Erfolg, vor allem weil es ein fachliches Mentoring umfasst. Die Tandems sind thematisch zusammen­­­ gespannt. So wird die einschlägige Fach­community wirklich für Nachwuchs­ wissenschaftlerinnen geöffnet.

Dr. Doris Czepa studierte Humanbio­logie mit Schwerpunkt Ver­haltensbiologie an der ­Uni­versität Wien und absolvierte einen post­ gradualen Lehrgang für Euro­päische Integration. Sie ist geprüfte und ­diplomierte Trainerin für Erwachsenenbildung sowie ­Mediatorin und systemischer Coach. ­Gemeinsam mit Michaela Gindl leitet sie die Stabsstelle für Gleichstellung und Gender Studies an der Donau-Universität Krems.

www.donau-uni.ac.at/ gender

Woran messen Sie den Erfolg des ­Programms? Czepa: Die geförderten Frauen hatten durch ihre Mentorinnen und Mentoren Möglichkeiten für Vorträge, wissenschaft­ liche Publikationen, R ­ eisen zu Konferenzen und sind durch die ­persönliche Unterstüt­ zung in Doktorat oder H ­ abilitation wesent­ lich weitergekommen. ­Unsere fünf Mentees werden auch nach Ende des Programms weiter betreut. Wir konnten ihre WunschMentorinnen und -Mentoren gewinnen. Zeit ist der ­limitierende Faktor, aber es gab regelmäßige Kontakte und sinnvolle Zielver­ einbarungen auch mit Deutschland. Auch die Mentorinnen und Mentoren ­empfanden die Zusammenarbeit als bereichernd. Welchen Beitrag leistet die Stabsstelle zur Genderforschung? Czepa: Wir beraten Kolleginnen und Kollegen, wie sie Gender als Inhalt in Forschung und Lehre integrieren können, sind als Gender­forscherinnen in ­nationale und internationale Projekte involviert und halten Vorträge und Workshops zu gender­ relevanten Themen. Aktuell ist die Stabsstelle in einem Netzwerk der EU für strukturellen und kulturellen Wandel in der Gleichstellung in W ­ issenschaft und Forschung aktiv.

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26 Interview

Vorbild für selbst­ bestimmtes Lernen Friedrich Faulhammer ist neuer Rektor der Weiterbildungsuniversität in Krems. Mit upgrade spricht er über den Stellenwert der Internationalität, die Bedeutung des lebensbegleitenden Lernens für die Zukunft der Bildung und die Funktion von Vorbildern. upgrade: Sie sind seit 1. August 2013 neuer Rektor der Donau-Universität Krems. Als Sektionschef im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung haben Sie die Entwicklung der Universität für Weiterbildung viele Jahre lang begleitet. Jetzt können Sie als Rektor gemeinsam mit den beiden Vizerektorinnen ihren Weg gestalten. Wo liegen Ihre Prioritäten? Friedrich Faulhammer: In den vergangenen Wochen haben wir uns vordringlich

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mit dem Budget für 2014 befasst, um auf einer gesicherten Grundlage in das neue Jahr zu starten. Ein zweiter Schritt wird sein, dass wir uns sehr intensiv der Ausarbeitung von Curricula für die geplanten PhD-Programme widmen. Die gesetzliche Regelung wird erst folgen, aber wir müssen intern gut vorbereitet sein, damit wir, wenn die gesetzliche Regelung vorhanden ist, sehr schnell in den Akkreditierungsprozess eintreten können.


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„Die Lifelong-LearningStrategie ist eine zentrale Heraus­forderung der Zukunft.“ Friedrich Faulhammer

Foto: Rafaela Pröll

upgrade: Der damalige Wissenschaftsminister Johannes Hahn und Landeshauptmann Erwin Pröll haben bereits vor mehreren Jahren in einem Arbeitspapier die Übereinkunft erzielt, dass die Donau-Universität Krems eine Volluniversität werden soll. Ist dieses Ziel nach wie vor gültig? Faulhammer: An diesem Ziel hat sich nichts geändert. Wir wollen eine Volluniversität für Weiterbildung werden. Ein erster Schritt dazu ist das geplante Promotionsrecht, das uns ermöglicht, in ausgewählten Themenfeldern PhD-Studien durchzuführen. Mittel­ fristig möchten wir dann auch Bachelorstudien anbieten, aber ganz im Sinne der Bologna-Architektur. Das heißt, es geht um einen Weiterbildungs-Bachelor im Kontext des lebensbegleitenden Lernens. Er soll ein Angebot an Menschen sein, die über kein Erststudium verfügen und den Wunsch haben, sich berufsbegleitend zu qualifizieren. upgrade: Die Donau-Universität Krems hat rund 7.000 Studierende aus mehr als 80 Ländern, und auch viele Vortragende kommen aus aller Welt nach Krems. Welche Bedeutung hat Internationalität für Sie? Faulhammer: Internationalität in Forschung und Lehre ist heute, in einer globalisierten Welt und globalen Scientific Community, für jede Universität unverzichtbar. Das gilt auch für die Donau-Universität Krems. Bereits in ihrem Gründungsauftrag wurde festgelegt, dass sie sich zu einem Weiterbildungszentrum mit besonderem Fokus auf Ost- und Zentraleuropa entwickeln soll. Es gibt deshalb eine Vielzahl von Hochschulkooperationen mit Ländern wie Ungarn, Rumänien, Serbien und weiteren Ländern des Donauraums, der für uns von besonderer Bedeutung ist. Wir pflegen aber auch enge Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungspartnern in den baltischen Staaten, Russland und China, um nur einige Beispie-

le zu nennen. Seit kurzem ist die Universität auch neues Mitglied beim ASEAN-European Academic University Network, einem von Österreich aus gegründeten, nunmehr europäischen Universitätsnetzwerk, das sich zur Aufgabe gemacht hat, Forschungskooperationen mit und in Ländern Südostasiens zu initiieren und zu fördern. upgrade: Wo sehen Sie in der Zukunft für den Bildungsbereich die größte Heraus­ forderung? Faulhammer: Es gibt eine Vielzahl von Herausforderungen, aber es ist wohl nachvollziehbar, dass ich mich als Rektor einer Universität für Weiterbildung vor allem mit dem Thema der Weiterbildung, dem lebensbegleitenden Lernen befasse. Die sogenannte Lifelong-Learning-Strategie ist eine zentrale Herausforderung der Zukunft für den Bereich der Bildung. Das hat nicht zuletzt die vor wenigen Wochen veröffentlichte „Pisa-Studie für Erwachsene“ gezeigt, deren Teilergebnisse für Österreich deutlich machen: Es gibt Handlungsbedarf. Wir müssen weitere Anreize für lebenslanges Lernen setzen und breitere Bevölkerungsschichten dabei integrieren. Es geht also darum, Menschen als selbstbestimmte Lernende zu begleiten und Lern- und Arbeitsbedingungen bereitzuhalten, in denen lebensbegleitendes Lernen auch funktioniert. Wir wollen hier durch unsere Weiterbildungsforschung einen substanziellen Beitrag leisten. upgrade: Über viele Generationen hinweg haben sich junge Menschen und Heranwachsende an Vorbildern orientiert. Manchmal war es der Lehrer, die Lehrerin, öfter die Eltern. Kann unsere Gesellschaft auf Vorbilder verzichten? Und wenn nein, warum brauchen wir sie und welche? Faulhammer: Eine Gesellschaft braucht zweifellos Vorbilder, vielleicht aber manchmal nur für eine klare Abgrenzung. Denn jedes Handeln ist stark durch den Kontext bestimmt, weshalb die Erfahrungen und Schlussfolgerungen kaum auf die nächsten Generationen übertragbar sind. Letztlich ist es wichtig, eigene Erfahrungen zu sammeln, mögen sie auch unangenehm sein. Insofern haben auch in meiner beruflichen Karriere Vorbilder eher die Funktion von gedanklichen „Sparringpartnern“.

Rektor Mag. Friedrich Faulhammer studierte Rechtswissenschaften in Wien und wechselte 1990 ins Wissenschaftsmini­s­ terium, wo er zuletzt Generalsekretär war. Faulhammer war wesentlich an der Vorbereitung und Implementierung des Universitätsgesetzes 2002 beteiligt und ist Mitglied verschiedenster inter­ nationaler Fachgremien zu ­Entwicklungen im euro­päischen Hochschulraum und Rechtsangelegenheiten im Hochschulbereich.

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28 Europa – zwei ansichten

Europa: so fern und doch so nah Wie lässt sich das Bild der Europäischen Union verbessern, wie kann die Identifikation der Menschen mit der EU gestärkt werden? upgrade befragte dazu den Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Othmar Karas, und den Schriftsteller Robert Menasse, der mit seinem Essay „Der Europäische Landbote“ zuletzt klar Stellung für ein Überwinden des Nationalstaates bezogen hatte. Von Roman Tronner

upgrade: Es gibt viele Stimmen, die Kultur als ideales Vehikel sehen, Europa eine Seele zu geben. Aber gerade im Kontext kultureller Identitäten gibt es einen vielfältigen und differenzierten Blick auf Europa. Warum ist aus Ihrer Sicht Kultur geeignet oder ungeeignet, die Identifikation der Menschen mit Europa und damit der Europäischen Union zu beflügeln?

Helene R., 19, Schülerin, mit Stefan Zweig, Autor.

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Othmar Karas: Wie Jean Monnet, der legen­ däre Gründungsvater der EU, angeblich ge­ sagt hat: „Wenn ich noch einmal mit dem Einigungsprozess beginnen könnte, würde ich mit der Kultur anfangen, nicht mit Wirt­ schaft.“ Die Bürgerinnen und Bürger in den verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU tei­ len sich ein grundlegendes Bekenntnis zu den europäischen Werten der Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie. Im gleichen Moment leben sie allerdings ihre verschiedenen regionalen und überregiona­ len Traditionen und Kulturen im Alltag. Durch die verschiedenen Sprachen, Traditi­

onen und die vielfältigen Zugänge zu Kunst und Kultur leben die kulturellen Identitäten fort. Kultur ist deshalb ein ideales Binde­ glied, weil wir uns gerade dort auf gemein­ same europäische Grundwerte berufen können, wo ein einzelner Mitgliedsstaat al­ leine nichts ausrichten kann. Ein rein öster­ reichischer Datenschutz kann und wird, schon aufgrund der Struktur des Internets, niemals zu Erfolgen führen. Eine ge­ ­ samt­ europäische Lösung wird jedoch auch in unserer globalisierten Welt gehört und führt dazu, dass unsere kulturelle Vielfalt da­ durch geschützt wird und auch in Zukunft bestehen kann. Robert Menasse: Ich weiß nicht, warum man die Identifikation der Menschen mit Europa beflügeln oder beseelen soll. Ich finde diese immer wieder gestellte Frage, wie eine gemeinsame europäische Identität der Europäer definiert werden und dann, gleichsam als Fördermaßnahme, den Men­ schen auf­gestempelt werden könne, mittler­ weile nervig. Diese Frage ist ein Be­


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Der Weg über die Kultur Europa hui, EU pfui: Auf diese kurze Formel lässt sich die Rolle des Kontinents und seiner Institutionen als Identifikationsobjekte bringen. Auch die deutsche Kulturwissenschaftlerin Gudrun Quenzel von der Universität Bielefeld beobachtet bis heute diese Diskrepanz. In ihrer Dissertation 2005 erhob sie insgesamt elf Konstruktionen von Europa: „Ganz stark benannt ist Europa als Friedensprojekt. Diese Friedensvorstellung ist eine Ideologie, die trägt“, sagt Quenzel. Ein ideales Vehikel zum Transport eines positiven Bildes von Europa und damit der EU sei aber die Kultur, ihr Motor die EU-Kulturpolitik. Denn sie könnte jene Formen schaffen, mit deren Bedeutungsinhalten sich alle Europäer identifizieren könnten. Quenzel führt dabei die Idee der Kulturhauptstädte an. Sie geben Europa für einen bestimmten Zeitraum ein kulturelles Zent-

Illustration: Thomas Kussin, Foto: Zara Pfeifer

rum, das die regionale kulturelle Vielfalt Europas sichtbar machen, aber gleichzeitig das gemeinsame kulturelle Erbe Europas hervorheben könne.

„Nie war Europa stärker, reicher, schöner. (…) Wir jauchzten in Wien, als Blériot den Ärmel­kanal überflog, als wäre er ein Held unserer Heimat; aus Stolz war zum erstenmal ein europäisches Gemeinschafts­gefühl im Werden.“ Stefan Zweig: Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, 1942

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30 Europa – zwei ansichten

­ines politischen Selbstverständnisses der e EU besteht aus den Idealen der Aufklärung und der Anerkennung der Menschenrechte, und dazu kommt der Anspruch, eine neue, eine nachnationale Demokratie zu entwi­ ckeln, die dem nachnationalen Prozess ent­ spricht, der Europa heute definiert, und die politische Partizipationsmöglichkeiten der Menschen ebenso gewährleistet wie die An­ erkennung ihrer politischen Repräsentanz. Und innerhalb dieser Pflöcke ist die kultu­ relle Vielfalt und Diversität einfach ein le­ bendiges Beispiel für den Reichtum dieses Kontinents. upgrade: Warum verbinden viele Menschen positive Bilder mit Europa, wie zum Beispiel die kulturelle Vielfalt oder das Friedensprojekt, mit der EU aber Fremdbestimmung und Bürokratie?

Robert Menasse ist freier Schriftsteller. Er studierte Philosophie, Germanistik und Politikwissenschaft in Wien, Salzburg und ­Messina. 1981 bis 1988 war er Gast­dozent an der Univer­sität São Paulo, ­Brasilien. Auszeichnungen: Doderer-Preis, HölderlinPreis, Fried-Preis, ­Österreichischer Staatspreis, Grimmelshausen-Preis, Nieder­ländischer Buchpreis, ­Ritter des französischen „Ordre des Arts et des Lettres“.

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wusstseinsrelikt des 19. Jahrhunderts, als man durch einfache Identitätszuschreibun­ gen und gleichzeitig Ausgrenzungen kollek­ tive Identitäten herstellte und National­ bewusstsein produzierte, im Wesentlichen über Religion, Sprache und Ethnie. Das his­ torische Ergebnis davon ist bekannt, und das europäische Projekt ist die vernünftige Konsequenz daraus: die bewusste Überwin­ dung dieses Bewusstseins. Einfache kollek­ tive Identitäten funktionieren nicht mehr, heute hat schon jedes Individuum multiple Identitäten, und dazu gehört selbstverständ­ lich auch, Europäer zu sein. Dass es immer wieder Kritik an den europäischen Instituti­ onen gibt, immer breitere Unzufriedenheit mit europapolitischen Entscheidungen, ist dazu kein Widerspruch. Das politische ­System der EU ist voller Widersprüche, es knirscht und kracht. Misstrauen, Distanzie­ rung, Abwendung der Menschen sind da ganz normal. Das ist kein Problem der ­„gemeinsamen europäischen Identität“, son­ dern ein Problem der politischen Eliten Europas. Das politische System und das ­ ­institutionelle Gefüge der EU müssen ver­ nünftig weiterentwickelt werden, dann wird die politische Zustimmung wieder wachsen. Dazu muss man keinen kulturellen Balda­ chin erfinden, zu dem dann alle gleicher­ maßen mit wohligem Wir-Gefühl auf­blicken. Europäische Kultur als kulturelle Basis

Karas: Die Europäerinnen und Europäer nehmen Europa in ihren Gemeinden und Regionen wahr. Vom Stadtkern, der aus Mit­ teln der EU restauriert wurde, über die Aus­ tauschprogramme Erasmus und Leonardo bis hin zur Bankenregulierung CRD IV/ CRR, die Klein- und Mittelbetriebe bei der Kreditvergabe unterstützt und somit direkt die Arbeitsplätze in den Regionen sichert. Das alles ist Europa, das alles ist der Frie­ densnobelpreisträger EU. Zum Glück sind diese Errungenschaften der europäischen Gemeinschaft schon Teil unseres täglichen Denkens und Handelns geworden, sodass eine effekthascherische Berichterstattung oftmals den wahren Blick auf die EU und ihre Institutionen verstellt. Denn die Wahr­ heit ist: Das EU-Parlament ist das transpa­ renteste Parlament der Welt! Ohne Mitent­ scheidung des Parlaments darf es keine europäischen Beschlüsse geben, denn nur durch die Bürgerkammer Europas werden Entscheidungen demokratisch und transpa­ rent getroffen, was bei den Bürgern für ein positives Bild der EU sorgt. Menasse: Erstens sind EU und Friedenspro­ jekt nicht zu trennen. Zweitens fühlen sich Menschen auch ohne EU fremdbestimmt. Fragen Sie einmal vier Fünftel der Welt­ bevölkerung! Die sogenannte „Brüsseler Bürokratie“ ist einfach eine fadenscheinige Leinwand, die nationale Politiker vor ihren


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Wählern aufrollen, damit diese ihren Un­ mut darauf projizieren. „Die in Brüssel“ sind schuld, wenn nationale Politik scheitert. Und da nationale Politik zunehmend zum Scheitern verurteilt ist, werden wir das Pro­ blem so lange haben, solange nur national gewählte Politiker auch die europapoliti­ schen Entscheidungen treffen, dabei aber die Fiktion von „nationalen Interessen“ auf­ rechterhalten und ihre nationalen Wähler mit dieser Fiktion bei Laune halten müssen. Auch hier zeigt sich: Es liegt nicht an der „Brüsseler Bürokratie“, sondern an der Sys­ temlogik, die den nationalen Politikern die Möglichkeit gibt, sie als Sündenböcke zu verraten und zu verkaufen.

Fotos: Jeff Mangione  (S. 30), Suzy Stöckl (S. 31)

upgrade: Welchen Stellenwert hat die Überwindung nationalstaatlichen Denkens für eine stärkere Identifikation der EU-Bürger und -Bürgerinnen mit der Europäischen Union? Und welche Rolle könnte dabei eine auch grenzübergreifende Regionalisierung spielen? Karas: Die Menschen sind in den Mitglieds­ staaten beheimatet und in den Regionen verwurzelt. 37 Prozent der EU-Bürger leben in Grenzregionen, und genau dort findet die gemeinsame Europäische Union statt. Wir sehen heute, dass Grenzen in Europa keine Rolle mehr spielen und dass sie Europäer nicht mehr trennen können. Bei einer Stär­ kung des Miteinanders und des gemeinsa­ men Handelns spielt nicht die Herkunft des Einzelnen eine Rolle, sondern das gemein­ same Ziel, auf das man hinarbeitet. Dieses Zusammenwachsen, um die gemeinsamen Ziele besser umsetzen zu können, unter­ stützt und fördert die EU durch Programme wie die „Europäische Territoriale Zusam­ menarbeit“. Diese Programme haben ge­ zeigt, dass Nachbarn ihre Probleme gemein­ sam lösen können und dass Grenzen in Europa keine Hindernisse mehr sind, son­ dern Chancen für gemeinsames Wachstum und eine europäische Zukunft darstellen. Menasse: „Stellenwert“ ist eine gelinde Un­ tertreibung. Die Überwindung des national­ staatlichen Denkens, überhaupt des Natio­ nalismus und der politischen Organisation in Nationalstaaten, hat nicht bloß einen mehr oder weniger großen Stellenwert, son­

Mag. Othmar Karas M.B.L.-HSG ist Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Leiter der ÖVPAbgeordneten dort. Er ist Mitglied in den Ausschüssen für Wirtschaft und Währung sowie für Binnenmarkt und Ver­braucherschutz. Seit Juni 2013 ist er Ehrenprofessor der Donau-Universität Krems, wissenschaftlicher Beirat und Vortragender am ­Zentrum für Europa und Globalisierung.

dern ist der grundsätzliche Anspruch und das Ziel des europäischen Einigungsprozes­ ses. Dass diese Idee, eine Konsequenz der Erfahrungen mit dem Nationalismus, heute weitgehend vergessen ist, ist ein Problem, ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie der historische Vernunftgrund des euro­ päischen Prozesses ist. Zugleich ist sie die einzige vernünftige Antwort auf die globale Entwicklung: Der Nationalstaat hat sich nicht nur historisch als aggressiv und mör­ derisch erwiesen, es ist mittlerweile auch in sogenannten Friedenszeiten klar geworden, dass kein Nationalstaat, nicht einmal die militärisch höchst aufgerüsteten, mehr ir­ ­ gendein Problem von Bedeutung alleine ­lösen kann, ja nicht einmal durch bilaterale Verträge – die ja sofort gebrochen werden, wenn ein Nationalstaat in eine Klemme ge­ rät. Europa wird gelingen, wenn der Natio­ nalstaat untergeht. Regionen, regionale Par­ lamente werden an Bedeutung gewinnen, frei vernetzt in einem System gemeinsamer politischer Rahmenbedingungen. Der Le­ bens- und Arbeitsort des Menschen wird seine politischen Partizipationsmöglichkei­ ten und Lebenschancen definieren und nicht sein nationaler Pass. Andernfalls werden wir wieder vor rauchenden Trümmern ste­ hen, vor denen wir betroffen raunen wer­ den, dass dies „nie wieder“ geschehen dürfe. Und dann wird alles von vorn beginnen.

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WettbewerbsPhilosophie 33

Werte bestimmen die Richtung Unternehmen, die ihre Philosophie glaubwürdig nach außen und innen kommunizieren, haben einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. Denn transparent gelebte Werte schaffen nachhaltige Erfolgsmöglichkeiten. Von Christina Badelt

Foto: Zara Pfeifer

Kevin K., 21, Tischler, mit Steve Jobs, Unter­nehmens­ gründer.

K

eine leeren Versprechen, klare Stru­k­turen, vielfältige Entfaltungs­ möglichkeiten für die Mitarbeiter, authentische Führungskräfte und transparente Kommunikation – wer diese Rahmenbedingungen verlässlich einhält, hat gute Chancen, mit seiner Unterneh­ menskultur zu punkten. Und zwar sowohl intern als auch nach außen. Gute Führungs­ kräfte wissen außerdem: Wer hervorragende Mitarbeiter haben und halten will, muss ­ihnen attraktive Arbeitsbedingungen bieten. Und diese auch umsetzen. In jüngsten Er­ hebungen zu dem Thema, unter anderem im Zuge der Studie „Beste Arbeitgeber“ des Personalberaters Aon Hewitt, werden dafür insbesondere folgende Kriterien genannt: Führungsstil und Kommunikation: Gute Arbeitgeber zeichnen sich durch die Art aus, in der Führungskräfte regelmäßig über Strategien, Visionen und Zielsetzungen des Unter­ nehmens kommunizieren und jedem Mit­arbeiter vermitteln, welche Rolle er dabei spielt. Werte und Betriebsklima: Laufende Maß­ nahmen zur Motivation der Mitarbeiter, ein Arbeitsumfeld, in dem man sich wohlfühlt, Rücksichtnahme auf persönliche Bedürf­

nisse, Einbindung von Feedback und Vor­ schlägen der Arbeitnehmer in Entschei­ dungsprozesse, aber auch genügend Raum und Zeit, um Erfolge gebührend zu feiern – all das sichert und stärkt die Unterneh­ menskultur. Und fördert den Teamgeist. Entwicklungspotenzial: In erfolgreichen Unternehmen gibt es für jeden Mitarbeiter eine Möglichkeit zu „wachsen“, beruflich wie persönlich. Vertrauen und Verantwortung: Last, but not least wissen begehrte Arbeitgeber, wie sie ihre Mitarbeiter richtig „befähigen“. Also sie mit all dem Know-how ausstatten, das diese brauchen, um ihre Aufgaben eigen­ verantwortlich erledigen zu können. Das erfordert beidseitiges Vertrauen und manch­ mal auch Mut. Arbeitgebermarke muss erlebbar sein Vertrauen und Wertschätzung seien auch wichtige Schlüsselbegriffe zur Identifika­ tion der „Marke“ des Unternehmens und von dessen Wirkung, erklärt Karin Krobath von Identitäter, Österreichs erster Agentur für Internal & Employer Branding: „Eine Marke ist dann gut, wenn sie im Kopf der Menschen eine Kategorie bildet. Dazu

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Marke heiSSt Position beziehen Die meisten Arbeitgeber versprechen das, was alle anderen auch versprechen, und differenzieren sich nicht. Identitäter, die Agentur für Internal & Employer Branding, hat daher alle Karrieresites der Top-500-­ Arbeitgeber in Österreich auf Markenwerte und Arbeitgeberpo­sitionierung auf B ­ asis der „Career’s Best Recruiters 2013“ untersucht. Das erstaunliche ­Ergebnis: 31 Prozent der 500 Arbeitgeber weisen keine Markenwerte aus. Von den verbleibenden 345 Firmen veröffent­lichen 60 ein Arbeitgebermotto, das oft auch die Headline der Karriere darstellt. In den nachfolgenden Absätzen wird auf Arbeitgeberangebote wie Weiter­ bildung oder Karrierechancen verwiesen – ein durchformuliertes Arbeit­ geber­versprechen im Sinne einer „Employer Value Proposition“ existiert nur ganz selten. Generell fällt auf, dass die verwendete Werte- und Wortewelt wenig Anspruch auf Alleinstellung aufweist. „Verantwortung“, „Qualität“, „Kundenorientierung“ und „Innovation“ führen die Hitliste an.

„Eine konsequente Strategie bringt konsequente Erfolge.“

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Michael Brandtner Markenstratege Michael Brandtner ist der Spezialist für strategische Markenpositionierung im deutschen Sprachraum und Associate von Ries & Ries. Zu seinen Klienten zählen nationale und internationale Unternehmen aus über 50 Branchen. Im Jahr 2006 erschien sein Buch „Brandtner on Branding“. 2013 verfasste er als Mitautor von Laura Ries das E-Book „Visueller Hammer“.

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muss sie strategisch sinnvoll und sprachlich präzise definiert sein. Eine Dimension der Unternehmensmarke ist dann die Arbeitge­ bermarke. Hier wird, ausgehend von den Markenwerten, ein Versprechen formuliert, auf das sich bestehende und künftige Mitar­ beiter verlassen können.“ Authentizität ent­ steht jedoch erst dann, wenn Marke, Kultur und Führungsverhalten der Manager zu­ sammenpassen und sich gegenseitig ver­ stärken. „Konkret bedeutet das, man steht zu seinen Werten und justiert nur in der jeweiligen Situation nach. Die Erfolgsformel dabei: Markenarbeit ist Führungsarbeit ist Beziehungsarbeit“, bringt es Krobath auf den Punkt. Und es reiche nicht, einmal eine Marke zu kreieren. „Sie muss für Mitarbei­ tende wie Kunden erlebbar sein – etwa durch Produkte, Arbeitsprozesse und Inter­ aktion.“ Tradition als Fundament einer Marke Als Marken- und Kommunikationsexperte sieht Michael Brandtner auch Traditionen und damit gelebte Gemeinsamkeiten als wichtige Drehscheibe für eine gute Unter­ nehmenskultur, fügt jedoch hinzu: „Man sollte als Unternehmen auch immer ent­ scheiden, was zu einer Marke passt und

Barbara Brenner, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung der Donau-Universität Krems, über den ökonomischen und menschlichen Wert einer nach­­haltigen Unternehmensmarke.

was nicht. Die Tradition ist quasi das Fun­ dament einer Marke.“ So seien es oft auch Schlüsselereignisse in der Vergangenheit, die aus einem Unternehmen erst wirklich eine starke Marke machten. In vielen Fällen seien das entweder Innovationen oder oft auch Bedrohungen, die man dann erfolg­ reich gemeistert habe, so Brandtner. „Das Fundament von Nivea etwa war die erste Creme auf Öl-Wasser-Basis. BMW wiederum fand seine Idee ‚Fahrfreude‘, als die eigene Existenz bedroht war.“


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Gibt es nachweislich einen Zusammenhang zwischen gelebten Werten und dem Erfolg eines Unternehmens? Barbara Brenner: Ja. Je konsequenter die Werte, also die Strategie eines Unternehmens nach innen und außen umgesetzt werden, desto wahrscheinlicher ist der langfristige Erfolg. So stellte sich zum Beispiel bei Unternehmen, die sich einer konsequenten Differenzierungsstrategie mit ent­sprechen­den BrandingAktivitäten v­ erschrieben hatten, eine auffällig rasche Erholung nach der Finanzkrise ein.

der Corporate Social Responsibility schafft eine Firma ihre größtmögliche Transparenz, sowohl nach innen zu den Mitarbeitern als auch nach außen zu den Kunden, Auftraggebern und der breiten Öffentlichkeit. Wenn dies nicht passiert, kommt häufig Skepsis auf, die langfristig auch wirtschaftliche Konsequenzen haben kann. Dasselbe gilt für die Kommuni­ kation: Wenn ein Unternehmen diese nicht aktiv betreibt, kann es keinen Einfluss darauf nehmen, was über das Unternehmen kommuniziert wird. Barbara Brenner

Brenner: Die Schlüsselbegriffe sind K ­ onsistenz, Kontinuität und Kommunikation. Konkret bedeutet das, dass aufge­baute Wahrnehmung und Wirklichkeit des Unternehmens weitgehend übereinstimmen müssen. Es ist auch bewiesen, dass es für ein Unternehmen ohne konsequenten Ausbau des Images in einer Krise schneller bergab gehen kann. Kontinuität bedeutet, sich an die eigene Marken- und Kommunikationslinie zu halten. Ein Unternehmen, das sich immer wieder anders positioniert, ist unglaubwürdig, auch bei den Mitarbeitern. Durch Strategien

Brenner: Gar nicht. Unternehmenswachstum ist zunehmend nur durch I­nnovation möglich, von der Produkt- zur Prozessinnovation über den Zeitablauf. Die Anpassung an ein sich wandelndes wirtschaftliches Umfeld ist wichtig, kann aber vielfältige Formen annehmen. Ein Beispiel wäre etwa ein Traditionsunter­ nehmen, das neue Distributionskanäle übers Internet erschließt. Gleichzeitig können sich Traditions­unternehmen etwa bei der Eroberung neuer Märkte mit ­speziell angepassten Produkten auch neu erfinden. Bei der (Marken-) Kommunikation ist jedoch auf Kontinuität zu achten.

Univ.-Prof. Dr. Barbara Brenner ist seit Jänner 2013 Professorin für Allgemeine Betriebs­wirt­ schafts­lehre unter besonderer Berücksichtigung der globalen Unter­neh­ mens­­entwicklung an der Donau-Universität Krems. Studiert hat die Expertin in Österreich an der Wirtschaftsuniversität Wien, wo sie auch promovierte, zudem in Sydney, Australien, und in den USA. Ihre Forschungs- und Lehrtätigkeit umfasst Strategisches Management, ­Innovation und Wissens­ management in multinationalen Unter­nehmungen.

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Fotos: Privat (Brandtner), Donau-Universität Krems (Brenner)

Wie wirkt sich gelebte Authentizität auf die Marke eines Unternehmens aus? Und was sind Erfolgsfaktoren, um diese langfristig zu orten und ­damit ökonomische Ziele effizienter umzusetzen?

Inwieweit heben sich Innovation und Tradition im Wirtschaftsleben auf?


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Position beziehen

Monika Kanatschnig MMag. Dr. Monika Kanatschnig ist Autorin, Wirtschaftspsychologin, klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Sozialpädagogin. Sie ist Partnerin von Hill International und Geschäftsführerin von Hill Management Kärnten und Steiermark sowie Managementberaterin und begleitet als Coach für Führungskräfte Menschen in allen Fragen des beruflichen und persönlichen Lebens.

Wolfgang S., 38, Sozialarbeiter, mit Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama.

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Branding, Authentizität und gelebte Werte haben heute im Wirtschaftsleben eine so große Bedeutung wie nie zuvor. Zentral sei es jedoch, diese Vorbildfunktion auch wirklich im Alltag zu leben, so Brandtner: „Kommunikation allein ist da zu wenig. Vorsichtig muss man auch sein, wenn die Markenwerte zu unspezifisch sind. So sind etwa Begriffe wie Innovation, Tradition, Kundenorientierung oder Qualität als zent­ rale Markenwerte komplett ungeeignet, weil diese viel zu diffus sind.“ Starke Mar­ kenwerte geben eine Richtung vor und müssen daher auch als Entscheidungsricht­ schnur funktionieren. „Viele Unternehmen begehen hier den Fehler, dass sie eben zu unspezifische Markenwerte wählen, weil sie sich davon nicht einengen lassen wol­ len. Nur, das funktioniert nicht. Marke be­ deutet immer, Position zu beziehen. Alles für alle ist die Antithese zum Marken- und Markterfolg“, so Brandtner. Strategischer Kompass Um im globalen Wettbewerb erfolgreich und nachhaltig mithalten zu können, hat sich Branding als der soziale Kitt und stra­ tegische Kompass herauskristallisiert. Ka­ rin Krobath: „Fakt ist, die alten Identitäts­ grenzen lösen sich auf. Unternehmen verlieren ihre scharfe Außengrenze. Frü­ her waren die Dinge klar geregelt. Man hatte einen Dienstvertrag, das Unterneh­ men einen Eigentümer, Hierarchie und Entscheidungsstruktur waren allgemein bekannt. Jedem war klar, wofür bezie­ hungsweise für wen er arbeitet. Heute kennen wir diese klare Grenze der Zuge­ hörigkeit oft nicht. Vieles ist Sowohl-­alsauch geworden – ausge­ gliederte Mitar­ beiter, Leihpersonal, Matrix­ organisation, Profit-Center-Strukturen, a­nonyme Share­ holder im Hintergrund.“ Unternehmen sind oft Teil von großen Konzernen und die Verflechtungen für den Einzelnen nicht zu überblicken. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, müsse man „kernpräg­ nant“ sein. „Die Marke tritt sozusagen an die Stelle von formaler Zugehörigkeit und bietet Kristallisationskerne für Identifikati­ on von Menschen“, erklärt Krobath.

Vorbild Führungskraft Sie sind die Haupttragenden, wenn es dar­ um geht, eine Richtung vorzugeben und auch vorzuleben: Führungskräfte sind Vor­ bilder und Zugpferde einer Unternehmens­ philosophie und -marke. „Das Management sollte eine klare Idee davon haben, wo das Unternehmen, die Marke in Zukunft stehen soll, aber gleichzeitig immer im Sinne der Marke handeln. In der Praxis aber passiert es häufig, dass Führungskräfte die Marke ausnutzen, um damit kurzfristige Wachs­ tumsziele zu erreichen“, erklärt Brandtner. Die Folgen sind langfristig gesehen oft negativ: „In vielen Fällen werden Marken ­ überdehnt, deprofiliert und nachhaltig ge­ schwächt.“ Führungskräfte sollten daher auch unbedingt nein sagen können, um kurzfristigen Versuchungen zu widerste­ hen. Wichtig sei es, so Brandtner, den stra­ tegischen Weitblick im Sinne der Marke be­ ziehungsweise des Unternehmens zu haben – und dafür muss die Richtung konsequent vorgegeben und kommuniziert werden. Dass ein von der gesamten Belegschaft getragenes Unternehmensleitbild wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg beiträgt, weiß auch die Wirtschaftspsychologin Monika Kanatschnig aus ihrer täglichen Arbeitspra­ xis: „Management ist ein schwieriges Ge­ schäft, und es wird in Zeiten der Verände­ rung nicht leichter. Gerade dann sieht man, dass Unternehmen mit klarer Wertorientie­ rung resilienter, also belastbarer, robuster


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Foto: Helge Bauer (Kanatschnig), Zara Pfeifer (S. 36), Identitäter, Husar (S. 37)

sind und besser überleben.“ Eine gelebte Wertorientierung verlange zunächst jedoch eine gewisse Grundhaltung von Offenheit und Entgrenzung der Organisation. „Räum­ lich, sachlich, personell und zeitlich müs­ sen die Weichen auf Integration gestellt werden, wenn es zum Beispiel darum geht, Mitarbeiter und Kunden zu integrieren.“ Klar sei es viel leichter, so Kanatschnig, eine geschlossene Organisation mit hierar­ chischen Mustern zu führen. Dies entspre­ che allerdings weder dem Zeitgeist noch den Bedürfnissen von Kunden und Mitar­ beitern. „Gelebte Werte in einer Organisati­ on sehe ich dann gegeben, wenn das Management in einem Win-win-Bestreben ­ ausgerichtet ist. Der Nutzen fließt nicht allein in das Unternehmen, sondern glei­ ­ chermaßen in die Menschen und die Ge­ sellschaft.“ Innovation als Teil lebendiger Tradition Ein Unternehmen braucht, genauso wie die Menschen selbst, klare Strukturen und Handlungsrahmen, Prinzipien und Rituale. Innovation sollte dabei Teil der Tradition sein. Kanatschnig: „Es gibt kein Entwederoder, sondern ein Sowohl-als-auch. Eine ge­ lebte Tradition ist durchaus sinnvoll und eng mit Werten verbunden. Sie sollte aller­ dings lebendig sein, um auf Veränderungen reagieren zu können und um aktiv und zu­ kunftsweisend zu bleiben. Offenheit und Entgrenzung sind hier der Schlüssel für den Erfolg.“ So sind Innovationen und eine ­ konstante Kommunikation der Unterneh­ ­ mensmarke auch dann möglich, wenn Ver­

änderungen eine Firma begleiten, egal ob wirtschaftlich oder strukturell. Wesentlich ist laut Kanatschnig dabei nur, den Kern der Botschaft nicht aus den Augen zu verlieren: „Ein Unternehmen kann sich dabei etwa auf ausgewählte Produkte oder Dienstleistun­ gen fokussieren. Lieber weniges ganz als vieles mittelmäßig. Das spart sämtliche Res­ sourcen wie Zeit, Geld und Energie.“ Und, so die Wirtschaftspsychologin: „Auch wenn es nach einer einfachen Formel klingt, sie ist eine der wesentlichsten: Die Investition in die Menschen, in ihre Aus- und Fortbil­ dung wird immer wichtiger. Nicht nur fach­ spezifisch, sondern vor allem in mensch­ liche Kompetenzen.“

links www.interbrand.com www.eurobrand.cc www.identitaeter.at www.greatplacetowork.at www.kanatschnig-coaching.at

Karin Krobath Dr. Karin Krobath hat langjährige Erfahrung im Kommunikationsbereich der Finanzbranche und kennt das Spannungsfeld, in dem Führungskräfte und Unternehmen stehen. Seit zehn Jahren kombiniert sie Marke und Organisationsentwicklung für große Namen und kleine Flaggschiffe und publiziert laufend. 2004 war sie Gründungspartnerin von Identitäter und Partnerin von „wortwelt“, 2010 entwickelte Krobath die heute patentierten „Employer Branding Cards“.

www.brandtneronbranding.com

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Mitgefühl als Haltung Große Vorbilder prägen den Lebensweg von Tineke Osterloh. Mit upgrade spricht die Meditationslehrerin und Beraterin über Glaubwürdigkeit, spirituelle Suche und inneres Wachstum. Von Ingrid Ladner

Tineke Osterloh Tineke Osterloh ist ausgebildete Juristin. Sie arbeitet als Beraterin und Coach in Hamburg. In den 90er Jahren wurde sie von Christopher Titmuss als Meditations- und Dharmalehrerin ausgebildet und hat vier Jahre in Meditationszentren in England und Südafrika verbracht. Osterloh trägt an der Donau-Universität Krems vor. Im September 2013 ist ihr Buch „Dharma Coaching – Klarheit und Gelassenheit finden“ erschienen.

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upgrade: Vorbilder wirken durch Glaubwürdigkeit. Wo gibt es diese heute noch? Tineke Osterloh: Es gibt viele Menschen, die für andere glaubwürdige Vorbilder sind. Die meisten von ihnen sind allerdings nicht berühmt wie Albert Schweitzer oder Nelson Mandela. Sie wirken eher in ihrem unmittelbaren Umfeld. Doch als Vorbilder erfüllen sie eine sehr wichtige Funktion: Sie ermutigen durch ihr kluges und mitfühlendes Verhalten andere Menschen in bestimmten Lebensphasen dazu, an sich zu glauben und ihr eigenes positives Potenzial zu entfalten. Vorbilder brauchen nicht perfekt zu sein. Natürlich machen auch Menschen Fehler, die anderen als Vorbilder dienen. Das ist normal. Entscheidend ist, wie sie damit umgehen. Sind sie kurz- bis mittelfristig bereit, sich damit auseinanderzusetzen? Sind sie bereit, daraus zu lernen? Erst das macht sie glaubwürdig.

upgrade: Woran orientieren sich Jugendliche, wenn traditionelle Rollenbilder fehlen? Osterloh: Die alten Rollenbilder waren doch häufig auch recht begrenzt und stereotyp. Zum Glück ist hier inzwischen viel in Be­ wegung. Doch egal, ob Jugendliche in tra­ditionellen Familien leben oder in Patchworkfamilien oder mit nur einem Elternteil, wesentlich ist, dass wir uns als Erwachsene auf drei grundlegende Bereiche konzentrieren: Das ist erstens die Sicherheit. Menschen brauchen ein Gefühl von Sicherheit, um in Ruhe aufzuwachsen und zu leben. Zweitens Leistung – wir wollen etwas gestalten und in die Welt bringen und damit auch Erfolg haben. Drittens brauchen wir Herzenswärme, Fürsorge und Zugehörigkeit. Wenn wir als Erwachsene, die mit Jugendlichen leben oder arbeiten, jede dieser drei Kräfte bewusst in uns selbst verkörpern, dann gibt das jungen Menschen eine grundlegende Orientierung. So können sie selber in Verantwortung hineinwachsen. upgrade: Sind uns die religiösen Vorbilder abhandengekommen? Osterloh: Mich interessieren vor allem spirituelle Vorbilder. Geburt und Tod sind existenzielle Erfahrungen, die jeder Mensch macht und die uns tief berühren. Schon Kinder beschäftigt die Frage, woher sie kommen und warum wir sterben und was dabei passiert. Wir sind als Menschen eben nicht nur „Kunden“ oder „User“, sondern auch spirituelle Wesen. Spirituelle Vorbilder finde ich am ehesten in Menschen, deren Universum nicht mehr hauptsächlich um sie selbst kreist. Dieses Denkmuster scheinen sie weitgehend überwunden zu haben. Sie fühlen sich tief verbunden mit der Welt, der sie dienen.


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upgrade: Welche Funktionen können spirituelle Vorbilder haben? Osterloh: Wir suchen nach spirituellen Vorbildern, um unsere eigene spirituelle Suche zu ermutigen. Es gibt Menschen, die durch persönliche existenzielle Erfahrungen über sich hinausgewachsen sind. Das waren vielleicht Krankheiten, Verluste oder einfach spontane, tiefe Einsichten, die ihre Sicht auf die Dinge nachhaltig verändert haben. Es gibt kein Zurück in den Zustand davor. Sie sind auf Wanderschaft und gehen bisher unbekannte, oft unkonventionelle Wege. ­ Diese Menschen sind sich des vielfachen Leidens in der Welt sehr bewusst. Doch anstatt Leid zu verdrängen oder selbstmit­leidig zu werden, haben sie einen Weg gefunden, ihr Herz zu öffnen, Kraft zu schöpfen und zu helfen.

Foto: Irene Wiesinger

upgrade: Sie sind Buddhistin. Was zeichnet den buddhistischen Lebensweg aus? Osterloh: Die buddhistische Psychologie und Weisheitslehre, der Dharma, lädt uns in besonderer Weise ein, das Bewusstsein zu schärfen, zu reflektieren und sich zu erforschen. Die Meditationspraxis gehört unbedingt dazu, weil Herz und Geist dadurch sehr fein geschult werden. Mitgefühl als Haltung hinter dem Handeln und Kommunizieren ist auf dem buddhistischen Weg eine sinnstiftende Praxis, die ständig geübt wird. upgrade: Wie setzen Sie die Lehren des Bud­dhis­mus in Ihrem Beruf als Coach ein? Osterloh: Ich bin ausgebildet als systemischer Coach und habe mich jahrelang mit der prozessorientierten Psychologie nach Arnold Mindell beschäftigt. Dies ist die

Grundlage meiner Beratungsarbeit mit Klienten. Als Meditations- und Dharmalehrerin bin ich natürlich auch von fast 25 Jahren buddhistischer Praxis geprägt. Viele Klienten kommen gerade deswegen. Sie möchten für sich herausfinden, wie sie mit einem beruflichen Problem oder mit einer Zeit der Veränderung und des Loslassens und Neubeginns so umgehen können, dass sie daran innerlich wachsen. upgrade: Sie arbeiten an einem Forschungsprojekt des Max-Planck-Instituts mit. Worum geht es bei dem Projekt? Osterloh: Das „ReSource“-Projekt, initiiert von Hirnforscherin Tania Singer, ist eine weltweit einzigartige Studie, die die Wirkung eines regelmäßigen mentalen Trainings zur Entwicklung von Mitgefühl untersucht. Ein großes Team aus erfahrenen Me­ di­ ta­ tions­ lehrern, Therapeuten und Forschern be­glei­ tet 200 Probanden über elf Monate durch das intensive Training. Die Wissenschaftler untersuchen dabei Fragen der Ge­ hirn­ ver­ änderung ebenso wie das Stressempfinden, die Widerstandsfähigkeit, das emotionale Er­ leben und Sozialverhalten der Testpersonen. upgrade: Wer sind Ihre persönlichen Vorbilder? Osterloh: Der bekannte buddhistische Lehrer Christopher Titmuss und die amerikanische Zen-Meisterin Joan Halifax sind für mich wichtige Vorbilder. Ihre Arbeit inspiriert mich. Menschen wie sie zeigen uns, dass große spirituelle Tiefe weltliches Engagement nicht ausschließt, sondern vielmehr Voraussetzung ist, um die Welt intelligent und mitfühlend zu gestalten.

Lehrgang Mit „Spirituelle Begleitung in der globalisierten Gesellschaft“ hat die DonauUniversität Krems 2013 ein Pilotprojekt gestartet. Menschen in betreuenden Berufen – von der Pflege über Sozialarbeit bis zur Seelsorge – bekommen in dem Masterprogramm Wissen für den Umgang mit Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und kultureller Herkunft an die Hand. Vermittelt werden Kompetenzen und Methoden in der spirituellen Begleitung, Grund­ wissen über religiöse und spirituelle Traditionen, Prinzipien und Praxis des Umgangs mit Krankheit, Leid oder Tod und die Förderung spiritueller Wachstumsprozesse.

www.donau-uni. ac.at/religion/ spirituelle-begleitung

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Rosige Zeiten Das Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien der DonauUniversität Krems leistet einen wichtigen Beitrag, Mädchen für technische Berufe zu begeistern. Wie zum Beispiel im italienischen Vicenza. Von Ingrid Ladner

W Gemeinsam mit ihren Partnern, hier bei einem Treffen in Krems, weckt die Donau-Universität Krems die Begeisterung junger Mädchen für technische Berufe im Rahmen des EU-Projekts WITE.

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er sich heute für eine Laufbahn im Technologiesektor entscheidet, hat große Chancen. Der Technikfortschritt hat in den vergan­ genen Jahren für kräftiges Wachstum am ­ Arbeitsmarkt gesorgt, mit dem eher ungewohnten Ergebnis, dass das Angebot die Nachfrage übersteigt. Fachkräfte werden von den Unternehmen händeringend gesucht. Ein Grund für den Mangel an ausgebildeten Technikern ist bekanntermaßen in der Schieflage des Geschlechterverhältnisses zu finden. Nur einer von zehn Programmie­ rern ist weiblich. Gleichzeitig haben die Frauen bei den Studierenden mit mehr als 50 Prozent inzwischen die Nase vorn. Und dennoch sind davon weniger als 15 Prozent im technischen Bereich inskribiert. Die Frage stellt sich also: Was läuft schief, und wie können Frauen für die technischen und naturwissenschaftlichen Berufsfelder begeistert

werden? Zahlreiche Initiativen sind vor diesem Hintergrund ins Leben gerufen worden, und die Begleit­ forschung zeigt eines deutlich: Je früher bei Mädchen das Interesse für Technik geweckt werden kann, umso besser. Vernetzen und beraten Hier hat auch das soeben abgeschlossene zweijährige EU-Projekt WITE (Women in Technical Education) unter Mitwirkung der Donau-Universität Krems angesetzt. Um Mädchen zwischen 12 und 16 Jahren für technische Berufe zu begeistern, sollte die schulische Berufsorientierung verbessert werden. Das Ziel wurde durch den Wissensaustausch und Transfer von Best Practices zwischen den neun Projektpartnern verfolgt. Daraus hervorgegangen ist unter anderem ein eigenes Themenmagazin, das Rollenbilder und Jobprofile in technischen Berufen zeigt. Weiters wurde das an der Donau-Uni-


INTERNATIONALE KOOPERATIONEN 41

versität Krems entwickelte und bereits im Einsatz befindliche Spiel SITCOM (Simulating IT-Careers for women) für Italien adaptiert – da sich WITE auf Innovationen in der Region Veneto konzentrierte. Ebenfalls im Projekt produzierte Videos mit Interviews und Rollenbildern von Frauen in technischen Berufen ergänzen künftig die Berufsorientierung für Mädchen in der Region. „Gleichzeitig wurden enge Kooperationen mit der Wirtschaft und neue Netzwerke innerhalb der Schulen etabliert, um Mädchen für die Möglichkeiten einer technischen Ausbildung zu sensibilisieren und ihre eigenen Interessen und Kompetenzen zu reflektieren“, erklärt Projektverantwortlicher Erich Herber vom Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien an der Donau-Universität Krems.

Fotos: Donau-Universität Krems (S. 40), Wite (S. 41)

Rollenbilder und Simulationen Am Department widmet man sich dem Thema Frauen und Technik bereits seit einigen Jahren. Das interaktive Spiel SITCOM wurde 2006 in Krems als Karrieresimulationsspiel entwickelt, bei dem junge Frauen verschiedene Berufsrollen übernehmen und einen Eindruck von Tätigkeiten im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich gewinnen können. Denn Untersuchungen zeigten, dass auf Basis von Simulationen realitäts­ getreue und motivierende Lernerfahrungen möglich sind. Zudem setzte das Projekt auf einen ­ weiteren entscheidenden Erfolgs­ faktor: Die Zielgruppe wirkte an Konzept, Design und Programmierung mit. „Lernende sollten Lerninhalte verstärkt selbst de­finie­ ren und gestalten dürfen. Den spiel­basierten Lernszenarien sowie dem be­nutzer­ge­nerier­ ten Inhalt kommt eine wachsende Rolle im Unterricht zu“, erklärt Herber. SITCOM läuft inzwischen erfolgreich in mehreren euro­ päischen Ländern. Austausch und Transfer Was kann aus den laufenden Projekten gelernt werden? Um Antworten zu finden, werden in Krems aktuell Projekte wie SITCOM und WITE im Rahmen von ICT-Go-Girls! evaluiert. Dieses Lifelong-Learning-Projekt der EU untersucht richtungsweisende Modelle und überträgt die erfolgreichsten auf euro­ päische Länder wie etwa Spanien, Slowenien und auch Österreich. „SITCOM kommt inzwi-

schen in vielen Sprachen in Europa zum Einsatz, dadurch konnte sich eine internationale Gemeinschaft von an Technik interessierten Mädchen bilden“, berichtet Andrea Ghoneim von der Donau-Universität Krems. Ghoneim und Herber präsentierten ihre Ergebnisse bei der Abschlusskonferenz in ­ Vicenza, an der rund 200 Mädchen aus Schulen der Region teilnahmen. Neben der Vernetzung von Mädchen, die sich für Technik interessieren, vornehmlich durch das Social Web, haben die Kremser Wissenschaftler Faktoren festgemacht, die wesentlich für den Erfolg von Projekten wie WITE sind: Reflexive Koedukation, das heißt Mädchen und Buben gemeinsam nach ihren ­jeweiligen Fähigkeiten zu unterrichten und so Geschlechter­stereotypen entgegenzuwirken, sowie eine ­differenzierte und authentische Auseinandersetzung mit Rollenbildern in technischen Berufen sind entscheidend für einen gender­sensitiven Unterricht. Greifbar und real Kurzinterviews, ­ Videos oder Storytelling helfen dabei, Rollenbilder realitätsnah zu demonstrieren und zu reflektieren. So zeigte sich, dass gendersensible Didaktik wichtig ist, wenn es darum geht, Mädchen für Technik zu begeistern und d ­ eren soziales Umfeld auf entsprechende Schulwahl und Berufswünsche von Mädchen vorzubereiten. Teil dieses didaktischen Ansatzes – der für den Unterricht von Mädchen und Buben gleichermaßen geeignet ist – ist die Arbeit mit Vorbildfiguren. Dabei ist es für die Mädchen nicht nur wichtig, welche Ausbildung Frauen gemacht haben, die im technischen Bereich erfolgreich sind, sie wollen auch erfahren, wie der Alltag dieser Frauen aussieht. Auch hier liefert die Plattform ­SITCOM einschlägige Informationen. Dem interessierten Nachwuchs steht neben dem Spiel eine Datenbank mit Biografien zur Ver­­ fügung. Dort sind Profile von Frauen versammelt, die unter anderem im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien tätig sind. Wie zum Beispiel IT-­ Spezialistin Magdalena, die nach ihrem ­ersten Kind ihre Karriere in einem Telekommunikationsunternehmen gestartet und ganz nebenbei ein Haus gebaut hat.

Das Projekt in Kürze

• T itel: WITE – Women in Technical Education

• P rojekttyp: LeonardoTOI-Projekt

• F ördergeber: EU • P rojektkoordination: Fondazione CUOA

• P rojektzeitraum: Oktober 2011 bis September 2013

•W ebsite: www.wite.it • P rojektpartner aus Italien, Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Polen und Ungarn

• P rojektteam am Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien: Christian Fertl, Andrea Ghoneim, Erich Herber, Lil Reif, Gerhild Schabasser ICT-Go-Girls! http://ictgogirls.eu

www.donau-uni.ac.at/imb

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42 Was Forschen Sie?

Im Team zum Erfolg Wenn Biologie auf Medizin und Biochemie auf Elektronik trifft, sind für Jens Hartmann die besten Voraussetzungen für ein gelungenes Forschungsvorhaben geschaffen. An der Donau-Universität Krems arbeitet der Biologe gerade an einem umfassenden interdisziplinären Konzept zur Therapie der Sepsis. Von Alexandra Simon

F

Dr. Jens Hartmann hat Biologie mit Schwerpunkt Ökologie an der Universität Wien studiert und dort auch promoviert. Seit 1999 ist er an der DonauUniversität Krems in den Fachbereichen Biochemie und Verfahrenstechnik tätig, seit 2001 leitet er den Fachbereich Ver­fahrens­ technik. Hartmann ist außerdem Qualitäts­be­ auftragter des Zentrums für Biomedizinische Technologie.

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rühgeborene, die weniger wiegen als eine Milchpackung und dennoch überleben, transplantierte Arme oder die Wiederherstellung der Seh­ kraft durch Chiptechnologien. Bei allem, was die moderne Medizin zu leisten imstande ist, gibt es dennoch viele Erkrankungen, die sich nach wie vor nicht ausreichend behandeln lassen. So etwa die Sepsis. An der gemeinhin als Blutvergiftung bekannten Erkrankung sterben jährlich weltweit mehr Menschen als an Brust- und Darmkrebs zusammengenommen. Grund dafür ist der komplexe Krankheitsverlauf: Körpereigene Botenstoffe, welche die Erkrankung zum einen Zeitpunkt eindämmen, werden mitunter bereits wenige Stunden später selbst zur Gefahr. Sie können eine überschießende Entzündungsreaktion auslösen, die den gesamten Körper betrifft und letztlich zum Versagen lebenswichtiger Organe führt. Spannende Schnittstelle Dass es gegen eine Erkrankung mit einem so vielschichtigen Verlauf nicht das eine Mittel geben kann, liegt nahe. An der DonauUniversität Krems entwickelt ein Forschungs­ team daher gleich ein ganzes Maßnahmenpaket zur Therapie der Sepsis. Drehscheibe für dieses Vorhaben ist die medizinische ­Verfahrenstechnik, ein Fachbereich, den Jens Hartmann am Zentrum für Biomedizinische

Technologie leitet. Die Forschungsgruppe um den 44-Jährigen ist der beste Beweis dafür, dass ein Gebiet, dessen Name so sperrig klingt, nicht uninteressant sein muss: „Die medizinische Verfahrenstechnik ist ein wichtiger Schnittpunkt für viele andere Bereiche. Zum Beispiel liefern wir den Input für den Bereich Elektronik und Messtechnik, wo die Mitarbeiter auf Grundlage der von uns erfassten Parameter Geräte entwickeln“, erklärt Hartmann, der Problemstellungen am liebsten in einem interdisziplinären Team löst. „Ohne Interdisziplinarität geht es meiner Ansicht nach in der Forschung nicht“, sagt der Biologe. „Ein Biochemiker denkt ganz anders als ein Techniker, aber erst wenn man die unterschiedlichen Zugänge unter einen Hut bringen kann, erhält man ein funktionierendes Ergebnis. Das ist das Spannende!“, gerät Hartmann ins Schwärmen. Das 3-Säulen-Konzept … So werden auch die umfassenden Forschungsarbeiten zur Sepsis-Therapie interdisziplinär und in enger Zusammenarbeit mit einem Firmenpartner angegangen. Die Basis bildet ein Verfahren zur Blutreinigung außerhalb des Körpers. Dabei wollen die Wissenschaftler mithilfe von Adsorbern jene Botenstoffe aus dem Blut der Patienten entfernen, die bei Sepsis für die starke Entzündungsreaktion verantwortlich sind.


Foto: Donau-Universit채t Krems/Reischer

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44 Was Forschen Sie?

„Ohne Interdisziplinarität geht es meiner Ansicht nach in der Forschung nicht.“ Jens Hartmann

Prüfen und Entwickeln Der Fachbereich medizinische Verfahrenstechnik am Zentrum für Biomedizinische Technologie des ­Departments für Gesundheitswissenschaften und Biomedizin beschäftigt sich mit der Entwicklung und Prüfung von Membran- und Adsorptionstechniken zur Blutreinigung außerhalb des Körpers. Extrakorporale Blutreinigungssysteme werden in Zusammenarbeit mit Industriepartnern hinsichtlich ihrer Effektivität charakterisiert und optimiert. Die Gerinnungshemmung mit Zitrat, die bei den am Zentrum entwickelten Blutreinigungssystemen zum Einsatz kommt, und ihr Monitoring sind weitere Schwerpunkte. www.donau-uni. ac.at/biomed

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­ ewährt hat sich eine an der Donau-UniverB sität Krems entwickelte Technik zur extrakorporalen Blutreinigung bereits bei Patienten mit Leberversagen, nun wird ein neues Material speziell für den Einsatz bei Sepsis entwickelt. „Wir arbeiten hier mit Adsorbermaterialien, deren Oberfläche weit größer ist als die eines Fußballfeldes“, berichtet Hartmann. Kaum vorstellbar, wenn man ­bedenkt, dass sich die Adsorbermaterialien in zylinderförmigen Kartuschen von nur 15 Zentimeter Länge und sechs Zentimeter Breite befinden. Die große Oberfläche der Materialien, im eigentlichen Sinn sind es Kunststoffe, wird durch ein Netz aus Poren im Nanometerbereich erreicht. „Adsorption funktioniert über physikalisch-chemische Wechselwirkungen. Damit können wir zwar nicht gezielt nur eine einzelne Substanz aus dem Blut der Patienten entfernen, aber wir haben die Möglichkeit, die Materialien auf eine bestimmte Substanzgruppe hin zu optimieren“, sagt Hartmann. … auf dem Weg in die Klinik Neben der Elimination der körpereigenen Botenstoffe, der Zytokine, wollen die Forscher noch eine zweite für den Krankheitsverlauf entscheidende Substanz aus dem Blut entfernen beziehungsweise auch mit bestimmten Medikamenten unschädlich machen: Endotoxine. Sie sind Bestandteile der Zellmembran von gramnegativen Bakterien, die im Blutkreislauf vieler Sepsis-Patienten vorhanden sind. „Endotoxine nehmen bei gramnegativer Sepsis eine Schlüsselrolle ein, weil sie zu einer massiven Ausschüttung von Zytokinen führen können, die wiederum die Entzündungsreaktion in Gang halten“, er-

läutert Hartmann. Was auch nicht fehlen darf, wenn Blut, wie bei der extrakorporalen Blutreinigung, mit körperfremdem Material in Kontakt kommt, ist eine effiziente Gerinnungshemmung mit Zitrat – neben der Entfernung von Zytokinen und der Inaktivierung von Endotoxinen gleichsam die dritte der Säulen, auf denen das Gesamtkonzept der Kremser Gruppe aufbaut. „Durch dieses Zusammenspiel beabsichtigen wir, ein erfolgreiches Verfahren zu entwickeln, mit dem man erstmals wirklich gegen Sepsis vorgehen kann“, sagt Hartmann und hofft darauf, dass das Therapiekonzept in absehbarer Zeit den Weg in die Klinik schafft. Die Anwendung im Blick Dabei zu sein, wenn die Ergebnisse der eigenen Forschungsarbeiten erstmals am ­ Patienten eingesetzt werden, das sind für ­ Wissenschaftler ganz besondere und häufig auch sehr lehrreiche Momente: „Oft geht es bei der Entscheidung für ein Medizinprodukt gar nicht darum, ob es besser ist als die Technik eines anderen Herstellers. Für die Anwender im Krankenhaus zählt die Handhabbarkeit, so wie wenn wir uns für ein ­bestimmtes Haushaltsgerät entscheiden. Das verlieren Forscher allzu häufig aus den Augen“, sagt Hartmann, der es nie bereut ­ hat, nach seinem Studium der Biologie mit Schwerpunkt Ökologie in ein medizinisches Forschungsgebiet eingestiegen zu sein. Zu seinen Wurzeln kehrt der dreifache Familien­ vater privat zurück, als Gerätetaucher und Tauchlehrer, der sich auch der Unterwasserfotografie verschrieben hat. Sein erstes Buch zur Ökologie der Unterwasserwelt soll schon bald erscheinen.


expertenmeinungen 45

Peter Krisper

„Das Zentrum für Biomedizinische Technologie an der DonauUniversität Krems hat sich in den vergangenen 15 Jahren als wichtige, international renommierte Forschungsinstitution im Bereich der extrakorporalen Blutreinigungsverfahren positioniert. Wichtige Impulse zur Entwicklung neuer Verfahren im Bereich der Leberersatz- und Sepsis-Therapie sind von Krems ausgegangen. Unsere Aufgabe als frühe Anwender dieser ­Medizinprodukte am meist schwerkranken Menschen ist es, gewünschte, aber auch unerwünschte Effekte dieser Therapien wissenschaftlich zu dokumentieren und, wenn möglich, einen Beitrag zur Optimierung dieser Systeme zu liefern. Die enge Kooperation zwischen Klinik und Entwicklern erlebe ich als für ­beide Seiten fruchtbringend und bereichernd.“

Priv.-Doz. Dr. med. Peter Krisper ist Oberarzt an der Abteilung für Nephrologie der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz. Sein klinischer Schwerpunkt umfasst sämtliche extrakorporalen Blutreinigungsverfahren, seine wissenschaftliche Tätigkeit liegt vor allem im Bereich der Leberersatztherapie.

www.meduni-graz.at

Fotos: Wilke, Medizinische Universität Graz

Wolfram Strobl

„Extrakorporale Blutreinigung in Form der lebenserhaltenden Dialyse (Blutwäsche) für Patienten mit Nierenversagen ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil der modernen Gesundheitsversorgung. Die Blutreinigung bei anderen ­ ­Krankheitsbildern braucht jedoch oft neue Ansätze, wie den der Adsorption von schädlichen Stoffen aus dem Blut. Mit solchen neuen Verfahren können beispielsweise heute schon Patienten mit schweren Stoffwechselerkrankungen behandelt werden. Die Arbeiten in Kooperation mit der ­ ­Donau-Universität Krems l­eisten einen äußerst wert­vollen Beitrag zur Weiterentwicklung neuartiger Blutreinigungstechnologien.“

Dr. Wolfram Strobl ist Geschäftsführer der Fresenius Medical Care Adsorber Tec GmbH in Krems, Österreich. Strobl war wissenschaftlicher Mitarbeiter und Fach­ bereichsleiter „Verfahrens­ technik“ am Zentrum für Biomedizinische Techno­ logie der Donau-Universität Krems, bevor er zu Fresenius Medical Care wechselte.

www.fmc-ag.de

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Roland Napetschnig Roland Napetschnig, MSc, geboren 1976, wuchs in Klagenfurt mit drei Geschwistern auf. Nach Ausbildungen zum Maschinenschlosser sowie Bürokaufmann arbeitete er als IT-Manager und ‑Berater. Im Jahr 2008 stieg er bei der OMV im Bereich „Exploration & Production“ als Knowledge Management Expert ein. Von 2010 bis 2012 absolvierte Napetschnig das berufsbegleitende Masterstudium „Wissensmanagement“ an der Donau-Universität Krems.

Wissensreisender Die wertvollste Ressource eines Unternehmens, das Wissen der Mitarbeiter, soll gesammelt und dann geteilt werden. Wissensmanager Roland Napetschnig ist Experte für diese Prozesse. Durch sein Studium an der Donau-Universität Krems konnte er sein Methodenrepertoire deutlich erweitern. Von Julia Harlfinger

A

ls Roland Napetschnig, frischgebackener Absolvent des Masterlehrgangs „Wissensmanagement“, Ende 2012 im Audimax der DonauUniversität Krems die Abschlussansprache für seinen Jahrgang hielt, staunten Kommilitonen und Lehrgangsleitung nicht schlecht. Selten hatten sie den heute 37-Jährigen vor Rührung derartig ernst und in sich gekehrt erlebt. Während des berufsbegleitenden Studiums hingegen war Napetschnig nie um einen ­lockeren Spruch verlegen gewesen; er hatte sich stets unerschrocken auf Neues ein­gelassen, frei von der Leber weg geredet – eher ein Improvisationstalent als ein Freund der Routine. Eine gewisse Vorliebe für Neuanfänge zeigt sich im Lebenslauf von Roland Na-

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petschnig schon recht früh: Im Alter von 15 entschied er sich gegen den weiteren Schulbesuch und ging bei einem Maschinenschlosser in die Lehre. „Ich wollte Geld ­verdienen, eigenständig sein“, erinnert sich der gebürtige Kärntner. Zum Beispiel, um „immer die neuesten Klamotten kaufen zu ­können“. Dass seine Entscheidung vielleicht etwas unbedacht war, schwante ihm bald. Die Ausbildung schloss er – da blieb seine Mutter unnachgiebig – jedoch 1995 ab. Bald darauf begann er seine zweite Lehre, diesmal zum Bürokaufmann. Die Arbeit in der Buchhaltung von pro mente, einem österreichweit tätigen Verein für psychische und soziale Gesundheit, sagte Napetschnig wesentlich mehr zu. Doch nach fünf Jahren war ihm der Kreislauf aus Abrechnungen,


Alumni-porträt 47

Bilanzen und Verwaltungstätigkeiten allzu vertraut. Wie gut, dass sein Arbeitgeber ihm eine neue Chance bot, die der fischereibegeisterte Klagenfurter beherzt ergriff. Nachdem er sich am Wifi zum Systembetreuer hatte schulen lassen, war er bei pro mente für die komplette EDV zuständig. In dieser Zeit wurde er auch zum ersten Mal Vater. Offene Horizonte Es dauerte nicht lange, bis andere Unternehmen auf den IT-Spezialisten aufmerksam wurden. Roland Napetschnig wechselte 2005 zu HAPPYnet, 2007 zur MID Holding. Damit war auch eine Übersiedlung nach Wien verknüpft. Seine neue Heimat konnte Napetschnig in der ersten Zeit jedoch gar nicht richtig kennenlernen, denn der Job brachte viele Dienstreisen mit sich, etwa nach Zagreb oder Budapest. „Ich spulte 75.000 Kilometer pro Jahr herunter“, erinnert sich Napetschnig. Anstrengend, aber lohnend. „Man kann seinen geografischen, kulturellen und thematischen Horizont gar nicht genug erweitern“, ist er überzeugt. Noch weiter hinaus in die Welt, etwa nach Norwegen, Kasachstan, Tunesien und in den Jemen, kam Napetschnig ab 2008. Sein neuer Arbeitgeber, die OMV (Geschäftsbereich „Exploration & Production“), schickte ihn als globalen Koordinator für das Dokumentenverwaltungssystem regelmäßig auf die Reise. Mit dieser Aufgabe war auch der Einstieg ins Wissensmanagement verbunden. Napetschnig musste sich Strategien überlegen, um das in seinem Unternehmen vorhandene Wissen sicht- und greifbarer zu machen – beispielsweise mit Tools aus dem IT-Bereich (Enterprise 2.0). „Schließlich kostet es Zeit und Geld, wenn derselbe Versuch an zwei verschiedenen Stellen unternommen wird, nur weil die beiden nichts vonein­ander wissen“, erläutert er.

Foto: Lukas Dostal

Auf Treppen und Spiralen Doch der Knowledge-Manager wollte nicht „nur“ digitale Werkzeuge nutzen, sondern unter anderem mehr über soziale, psychologische und kulturelle Aspekte seines Aufgabengebiets erfahren. Auf eigene Faust erkundete er die Bildungslandschaft und wurde an der Donau-Universität Krems fündig. Mit seinem Dienstgeber konnte er für die Zeit rund um die berufsbegleitende Aus-

bildung zu einer fairen Einigung kommen. Enorme Unterstützung erfuhr Napetschnig während des Studiums durch seine Familie, insbesondere seine Frau, die 2010 und 2012 die beiden gemeinsamen Söhne zur Welt brachte. „Ihr gebührt enormer Dank, ohne sie hätte ich es nicht geschafft.“ „Eigentlich bin ich ein Praktiker“, erzählt der Wissensmanager. Dennoch eignete er sich in Krems nicht nur ein deutlich größeres Methodenrepertoire für den beruflichen Alltag an. Auch das tiefe Eintauchen in die Theorien des Wissensmanagements, in denen es etwa um „Wissenstreppen“ und „Wissensspiralen“ geht, machte ihm großen Spaß. Bei seiner Abschlussarbeit, die übrigens mit dem Zitat „Wir ertrinken in Informa­ tionen, aber uns dürstet nach Wissen“ des Zukunftsforschers John Naisbitt beginnt, untersuchte er sogenannte „Communities of Practice“ (CoP). Ihn interessierte, wie diese Wissensgemeinschaften in einem Unternehmen am besten geführt werden. Was motiviert eine CoP, was macht sie inaktiv? Neben Fachliteratur nahm Napetschnig auch eine Fallstudie aus dem eigenen Konzern unter die Lupe und führte Online-Interviews bei mehreren Unternehmen wie Telekom und Microsoft durch. Persönliche Kontakte Nicht finanzielle Anreize, so die Conclusio, sondern Vertrauen, persönlicher Kontakt und Anerkennung bewegen Mitarbeiter dazu, sich einander zu offenbaren. Sie brauchen Wertschätzung, um die wertvollste Ressource eines Unternehmens – Wissen in all seinen Formen – zu teilen. Es menschelt also zutiefst bei der Generierung, Speicherung und Vermehrung von Wissen. Aus diesem Grund ist Roland Napetschnig so viel wie möglich persönlich in verschiedenen Bereichen der OMV unterwegs. Dabei kommt er mit „dem Lehrling in der Raffinerie über die Teilnehmer des HighPotentials-Programms bis hin zum Topmanager im Head Office“ in Kontakt. Bei seinen Reisen durchs Unternehmen ortet er entweder selbst Veränderungsbedarf, oder wird direkt angesprochen. „Ich b ­ leibe immer am Ball“, sagt der Absolvent der Donau-Universität Krems, und dafür, so schmunzelt er, hätte er sich zumindest schon die goldene Wandernadel verdient.

Wissen managen Das Zentrum für Kognition, Information und Management der Donau-Universität Krems stellt sich den Herausforderungen der Wissensgesellschaft. In den berufsbegleitenden Universitätslehrgängen werden wissenschaftliche Methoden und Konzepte mit den Anforderungen aus dem Management zu spezifischen Kompetenzprofilen verknüpft. Dies betrifft die Professionalisierung von Tätigkeiten mit bereits klaren Jobprofilen, zum Beispiel im Projektmanagement und Qualitätsmanagement, aber auch Querschnittsdisziplinen wie Wissens- oder Change Management. Studierende profitieren von flexiblen Studienmodulen, dem Lernen in Kleingruppen, anerkannten Vortragenden, Netzwerken und der hohen beruflichen Verwertbarkeit des Gelernten. www.donau-uni. ac.at/kim

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48 Universitätsleben

Campus Krems Anpacken

Feierliche Inauguration

Netzwerken

Neues Mitglied bei ASEA UNINET Die Donau-Universität Krems ist neues

Prominente Gäste bei der Antrittsfeier in Krems: EU-Kommissar Johannes Hahn, Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, Vizerektorinnen Viktoria Weber und Monika Kil, Rektor Friedrich Faulhammer und Landeshauptmann Erwin Pröll (von links).

Im Beisein von 400 hochrangigen Gästen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik wurden die Mitglieder des neuen Rektorats der Donau-Univer­ sität Krems, Rektor Friedrich Faulhammer und die Vizerektorinnen Monika Kil (Lehre/Wissenschaftliche Weiterbildung) und Viktoria Weber (Forschung), Ende Oktober 2013 ins Amt eingeführt. Wissenschafts­ minister Karlheinz Töchterle, Landeshauptmann Erwin Pröll und Festredner EU-Kommissar Johannes Hahn betonten in dem feierlichen Rahmen den wachsenden Stellenwert von Weiterbildung und die bedeutende internationale Rolle der einzigen öffentlichen Weiter­ bildungsuniversität Europas.

Mitglied beim ASEAN-European Academic University Network. Dem Antrag auf Mitgliedschaft wurde bei der Tagung der nationalen Ko­ordinatoren im September 2013 in ­Ioannina (Griechenland) stattge­ geben, nachdem Rektor Friedrich Faulhammer die Donau-Universität Krems und ihre Schwerpunkte in ­Lehre, Forschung und internationalen Beziehungen präsentiert hatte. Das ASEA UNINET ist ein von Österreich aus gegründetes, nunmehr europäisches Universitätsnetzwerk, das sich zur Aufgabe gemacht hat, Forschungskooperationen mit und in Ländern Südostasiens zu initiieren und zu fördern. www.donau-uni.ac.at/aktuell

www.donau-uni.ac.at/aktuell

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Aufsteigen

Kremser Karrierewege Gleich drei Wissenschaftler der

Donau-Universität Krems dürfen sich über neue Funktionen und damit große Auszeichnungen ihrer Tätigkeiten freuen. Architekt und ETH-Absolvent Christian Hanus wurde als Universitätsprofessor für Bauen und Umwelt und zum Dekan der Fakultät für Bildung, Kunst und Architektur berufen. Ökonom und Volkswirtschaftler Gottfried Haber wird künftig als Vizepräsident des Fiskalrates, des ehemaligen Staatsschuldenausschusses der Republik Österreich, über den Geldhaushalt der Österreicher wachen. Last, but certainly not least: Mediziner Stefan Nehrer ist nun korrespondierendes Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Ortho­pädie und Orthopädische Chirurgie. Wir gratulieren!

Diskutieren

Der Donauraum Vertreter der Länder des Donauraums haben 2013 fortgesetzt, was ein Jahr

zuvor erfolgreich an der Donau-Universität Krems hatte gestartet werden können: die gemeinsame Auseinandersetzung mit Fragen zu den Potenzialen dieses vielfältigen Lebens-, Kultur- und Wirtschaftsraums. Im Mittelpunkt der vom Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) und von der Donau-Universität Krems mit Unterstützung des Landes Niederösterreich organisierten Tagung stand die Frage, wie sich die Länder in den Bereichen Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft annähern können. Dazu brauche es ein politisches Umdenken und gemeinsame Bestrebungen zum Vorteil aller Beteiligten, forderte Eröffnungsrednerin Barbara Schwarz, Landesrätin für Soziales, Bildung und Familie in Niederösterreich. www.donau-uni.ac.at/aktuell

Fotos: Donau-Universität Krems / Reischer

www.donau-uni.ac.at/aktuell

Interessiertes Publikum bei der zweiten Donauraum-Konferenz in Krems.

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50 B Karrierenetzwerk Meinung

Alumni-Club Putten, chippen, abschlagen

Alumni-Challenge Golfen Zur alljährlichen Sport-Challenge lud der Alumni-Club bei wunderbarem Herbstwetter auf den Golfplatz Lengenfeld in Niederösterreich. 26 Absolventinnen und Absolventen widmeten sich unter fachkundiger Anleitung der beiden Profis Petr Michalek und Daniel Schütz mit viel Spaß und Ehrgeiz dem Putten, Chippen und Abschlagen. Golfen hat Tradition und entwickelte sich über die Jahrhunderte vom exklusiven Gentleman’s Game zum beliebten Freizeitvergnügen für viele. Einen kleinen weißen Ball mit einem Schläger in ein kleines Loch zu bringen, braucht Nerven, Konzentration, aber auch die Liebe zur Natur. Die Club-Mitglieder haben bei der Golf-Challenge den Reiz des Spiels erfahren und lernten zudem alles Wissenswerte über Schlägerarten, Spielformen, Fachbegriffe und Regeln des Sports. Zum Abschluss des Tages stand ein Turnier auf dem Programm der Sport-Challenge, bei dem es zu einem Stechen kam. Der glückliche Sieger darf sich über eine Gratis-Stunde für zwei Personen bei Golflehrer Daniel Schütz freuen. Über ihre neu gewonnenen Erfahrungen und Ambitionen in Sachen Golf tauschten sich die „GolfSchnupperer“ anschließend mit den Profis beim gemütlichen Beisammensein aus.

Spaß, Ehrgeiz und Präzision zeigten die Absolventinnen und Absolventen der Donau-Universität Krems bei der Golf-Challenge des Alumni-Clubs.

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Aufwärmtraining als Auftakt.

Der Gewinner des Turniers.

Alumni-Club-Termine 23. 1. 5. 2. 5. 2. 11. 2. 14. 2. 19. 2. 20. 2. 28. 2. 5. 3. 6. 3. 13. 3. 13. 3. 31. 3.

Stammtisch Graz Stammtisch Berlin (D) Stammtisch Frankfurt (D) Stammtisch Salzburg Stammtisch Dresden (D) Blue Hour Wien Stammtisch Stuttgart (D) Stammtisch München (D) Stammtisch Wien Stammtisch Krems Stammtisch Eisenstadt Stammtisch Köln (D) Stammtisch Zürich (CH)

www.donau-uni.ac.at/ alumni/veranstaltungen


Kongresse und Veranstaltungen 51

Termine Marketing & Innovation Forum

Ideen bekommen Das „Marketing und Innovation Forum Europe“ bringt einmal jährlich internationale Keynote-Redner mit der mitteleuropäischen Management-Community zusammen und bietet eine Menge an Inspiration in Marketing, Sales und Innovation. Das Programm listet das „Who’s who“ der weltweiten Berater und MarketingStrategen, unter ihnen sind Professor Nirmalya Kumar von Tata Sons Ltd., der Musiker und Vordenker Alexander Bard aus Schweden oder der Berater und Erfinder des Markenwertmodells David A. Aaker. 11. bis 12. Februar 2014, Frankfurt a. Main www.mifeurope.com

Weitere Termine

Kooperation „Der pädagogische Salon – Leben jenseits der Konsumgesellschaft“ sucht nach alternativen Lebensan­­sätzen mit dem Ziel, eine Gesellschaft der Vielfalt zu ent­ wickeln, in der Menschen nicht konkurrieren, sondern zusammenhelfen. Untersuchungen und Erfahrungen werden diskutiert. 29. Jänner 2014, Albert Schweitzer Haus, Wien www.albert-schweitzer-haus.at

Transparenz 2

nd

European Headquarters Congress

Bande knüpfen Der Kongress „Value Networks“ sucht einen ­lösungsorientierten Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Dabei werden Fragen erörtert, die für Headquarters multinationaler Unternehmen in Zeiten der „Network Economy“ immer wichtiger werden: interne Organisation, Wertschöpfung, Mitarbeiterführung oder Wissens­ management. Nachhaltige Netzwerke sind das Erfolgsrezept.

Fotos: Donau-Universität Krems (S. 50), Christian Husar (S. 51)

20. bis 21. März 2014, Wien www.headquarters-congress.com

Internationales Fundraising-Treffen

Neue Wege gehen Der Deutsche Fundraising-Kongress ist das größte Branchentreffen im deutsch­ sprachigen Raum. In zahlreichen Workshops werden 2014 unter dem Motto „Neue Wege – neue Mittel!“ Themen aus den unterschiedlichsten Bereichen des Fundraisings von Online bis Soft Skills diskutiert. Dabei werden der Blick auf inter­nationale Trends und die Einbeziehung von Fachleuten insbesondere aus den USA und Großbritannien immer wichtiger. 2014 findet der Kongress zum 21. Mal statt. Erwartet werden mehr als 800 Teilnehmer. 2. bis 4. April 2014, Berlin www.fundraising-kongress.de

Die Donau-Universität Krems ist Initiator des Corporate Transparency Day. Dabei werden offene Fragen zu den Themen Compliance und Transparenz sowie de­ren Umsetzung in der Praxis diskutiert. 2014 steht „Korruptionsprävention durch Compliance“ auf dem Programm. 26. Februar 2014, Donau-Universität Krems www.donau-uni.ac.at

Bindung Wie funktioniert Employer Branding? Wie wende ich es zielgruppenspezifisch an? Der Workshop mit den Employer Branding Cards der „Identitäter“ vermittelt wertvolle Anleitungen, Tipps und Möglichkeiten, um Mitarbeiter zu binden und zu Botschaftern des Unternehmens zu machen. 27. Februar 2014, Identitäter Wien http://www.identitaeter.at

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52 B Upgrade-Tipps Meinung

Kunst & Kultur Weitere Termine

Landestheater

Weh dem, der lügt!

Jahreswechsel

25. Jänner 2014, Premiere www.landestheater.net

Comic in Krems

Nicolas-Mahler-Personale Mit Nicolas Mahler präsentiert das Karikaturmuseum Krems einen österreichischen Comic-Künstler und Cartoonisten mit internationaler Bekanntheit. „Wer alles liest, hat nichts begriffen“ gibt den Rahmen der bisher größten Nicolas-Mahler-Personale mit über 225 Originalen vor. Mit kongenialen zeichnerischen Umsetzungen von litera­rischen Werken wie „Der Mann ohne Eigenschaften“ nach Robert Musil, „Alice in Sussex“, frei nach Lewis Carroll und H. C. Artmann, sowie „Alte Meister“ nach Thomas Bernhard hat Mahler neue poetische Literaturstücke geschaffen und dem Comic zu wachsendem Interesse und Ansehen verholfen. 29. November bis 23. März 2014 www.karikaturmuseum.at Nicolas Mahler, 2010/11.

31. Dezember 2013 www.grafenegg.com

Kurzfilm Am kürzesten Tag des Jahres Kurzfilme zu sehen macht Sinn. Das Kino im Kesselhaus schließt sich der weltweiten Aktion mit dem Animationsfilm „Telefonbuchpolka“ von Benjamin Swiczinsky an – eine Hommage an Georg Kreisler. 21. Dezember 2013 www.kinoimkesselhaus.at

Felder Einen Einblick in den künstlerischen Kosmos von Gunter Damisch gibt „Felder, Welten (und noch weiter)“. Die Schau präsentiert malerische, grafische und zeichnerische Arbeiten ab den 1980er Jahren bis zu den neuen Aluminiumgüssen. 23. November bis 23. Februar 2014 www.zeitkunstnoe.at

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Fotos: Yasmina Haddad (aufgenommen im Landesmuseum Niederöstereich), Christoph Fuchs (Karikaturmuseum)

In Grillparzers Luststück, das 1838 in Wien uraufgeführt wurde, geht es nicht nur um die Frage nach Lüge und Wahrheit, sondern auch um das Zusammentreffen zweier völlig unterschiedlicher Kulturen, Tobias Voigt, Pascal Groß, Jan Walter, die sich feindlich gegenüberstehen Swintha Gersthofer, Florentin Groll. und voll von Vorurteilen sind. Der junge Wiener Regisseur Alexander Charim hat gemeinsam mit Ausstatter und Künstler Ivan Bazak den Theaterklassiker neu erarbeitet. Für das Stück kehrt auch Burgschauspieler Florentin Groll als Gast ans Landestheater Niederösterreich zurück.

Das Jahr musikalisch ausklingen zu lassen hat in Österreich Tradition. Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich verwöhnt auch heuer mit einem raffinierten Programm und macht den Jahreswechsel zu einem besonderen Ereignis.


Meinung 53

Bücher

Master-Thesen Alt versus neu

Vorbilder

Nicht von schlechten Eltern

Sieg der Silberrücken

Vorbilder sind stets Zukunftsbilder, das gibt Thomas Macho dem Leser in seiner umfassenden Kulturgeschichte über Helden, Idole, Celebrities, Masken und Modelle mit. Dabei geht es dem vielseitigen Kulturwissenschaftler um den Zusammenhang von Gesicht und Identität. „Wir leben in einer facialen Gesellschaft, die ununterbrochen Gesichter pro­du­ ziert“, so Macho. Von Bil­ dern der Zukunft über nationale Jungfrauen, lebende Modelle und prominente Gesichter bis zum Tod im Bild zeigt er auf, welche historischen Vorbilder die Menschheit begleitet haben, und nimmt eine kritische Analyse der Gegenwart von Vorbildern zwischen Vision und Visage vor.

Wir sind die Summe der Erfahrungen, die wir machen. Für ein Hartz-IV-Kind zählen aber auch die, die es nicht macht: Familien­ urlaub, Klassenausflug, Musikunterricht oder einfach mal ein Eis essen gehen. Undine Zimmers Erfahrungsbericht einer Kindheit am Rande der Gesellschaft zeigt frei von Klischees, was es bedeutet, wenn Vorbilder und Mut­ macher fehlen und stattdessen das Gefühl dominiert, nicht dazuzugehören, und die Furcht, bloßgestellt zu werden, ein ständiger Begleiter ist. „Nicht von schlechten Eltern – Meine Hartz-IV-Familie“ zeigt, wie weit wir von Chancengleichheit und Klassenlosigkeit entfernt sind.

In der Lebensmitte stellt sich oft die Frage: War das alles? Diese Zeit, in der man weder jung noch alt ist, bietet die Chance, noch einmal neue Perspektiven zu entdecken und daraus mit etwas Mut neue Lebens­ entwürfe zu gestalten. Wie es klug angegangen werden kann, zeigen die Autoren Daniels, Engeser und Hollmann, der auch an der Donau-Universität Krems vorträgt, auf Basis aktueller Studien aus Psychologie und Managementforschung. Die wahren Vorbilder aber sind die ergänzenden Por­ träts von zehn Menschen, die einen Richtungswechsel vorgenommen haben. Es will nicht immer alles gelingen und jeder Traum in Erfüllung gehen, doch den Versuch ist es wert.

Thomas Macho Wilhelm Fink, Paderborn 2011 ISBN: 978-3-7705-5030-2 www.fink.de

Undine Zimmer S. Fischer, Frankfurt a. Main 2013 ISBN: 978-3-10-092592-3 www.fischerverlage.de

Daniels, Engeser, Hollmann Linde Verlag, Wien 2013 ISBN: 9783709305201 www.lindeverlag.at

Musiker und Manager Wolfgang Radl hat Prozessveränderungen staatlicher Kunst- und Kulturförderung unter die Lupe genommen und sich die Frage gestellt, wie Re­ward-­based Crowd­ funding und öffentliche ­Förderung zu einer den Künstlern nützenden ­Zusammenarbeit finden können. Reglementierte, verbeamtete Förderung und Schwarmprozesse – kann das gut gehen? Der Autor sieht große Chancen für beide Seiten. Wolfgang Radl: Gremium 2.0, Donau-Universität Krems 2013

Journalismus lehren Wie gut werden Österreichs Nachwuchsjournalisten ausgebildet? In der Untersuchung wurden Praktiker, Wissenschaftler und Absolventen zu Stärken und Schwächen der Ausbildung in Österreich befragt. Medien­ experten berichten über die Erwartungen an angehende Journalisten. Das Ergebnis liefert Vorschläge zu zeitge­mäßen Ausbildungswegen und zur Nutzung von Synergien durch Medien­ häuser, Universitäten und Fachhochschulen. Barbara Silvia Fleck: Jou­r­nalismus-BachelorStudiengänge in Österreich, ­Donau-Universität Krems 2013

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Vorschau

2014

Internationale Beziehungen – The Global Network Society Geografische Grenzen und nationale Barrieren scheinen zu schrumpfen und die Welt wird vermeintlich zu einem globalen Dorf. Dass dieser Eindruck entsteht, daran haben die Massenmedien einen großen, wenn nicht den entscheidenden Anteil. Denn was wir über die Welt wissen, erklärte der Medienphilosoph Niklas Luhmann, wissen wir aus den Medien. Doch von den Attributen einer dörflichen Gemeinschaft, die in der Regel am Gemeinwohl orientiert ist, ist das globale Dorf weit entfernt. In den internationalen Beziehungen zählen vor allem die Gesetze der „Global Network Society“. upgrade 1.14 fragt nach, wie internationale Beziehungen in Politik, Wirtschaft und Kultur funktionieren. upgrade 2.14 – Wie funktioniert Wissenschaft? Forschung kann vieles sein – von kreativ bis streng geheim. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt ihre Wirkung und Mechanismen.

Sicherheit ist ein gutes Gefühl. Wir schützen Menschen und Werte mit innovativen und komfortablen Sicherheitslösungen.

upgrade 3.14 – Das Gedächtnis der Welt Archive, Sammlungen und digitale Netzwerke. Wie bewahren wir unser Wissen und den Erfahrungsschatz auch für künftige Generationen? upgrade 4.14 – Interkultur statt Multikulti? Ist der „Kampf der Kulturen“ Geschichte? Plädoyer für einen veränderten Kulturbegriff und seine Bedeutung für Wirtschaft und Wissenschaft.

Impressum upgrade: Das Magazin für Wissen und Weiterbildung der Donau-Universität Krems (ISSN 1862-4154) Herausgeber: Rektorat der Donau-Universität Krems Medieninhaber: Donau-Universität Krems, Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, A-3500 Krems Chefredakteur: Gerhard Gensch, Donau-Universität Krems, E-Mail: gerhard.gensch@donau-uni.ac.at Verantwortliche Redakteure: Ingrid Ladner, E-Mail: ingrid.ladner@donau-uni.ac.at, Roman Tronner Autorinnen & Autoren dieser Ausgabe: Christina Badelt, Peter Burwik, Robert Czepel, Julia Harlfinger, Astrid Kuffner, Ingrid Ladner, Alexandra Simon, Roman Tronner Layoutkonzept: ki 36, Sabine Krohberger Grafik: buero8, Thomas Kussin Schlusslektorat: Hans Fleißner, Thomas Lederer Leser- und Abonnementservice: Barbara Fidler-Kaider, Telefon: +43 (0) 2732 893-2577 E-Mail: barbara.fidler-kaider@donau-uni.ac.at Herstellung: sandlerprint&more, Johann Sandler GesmbH & Co KG, Marbach Auflage: 20.000 Erscheinungsweise: vierteljährlich, upgrade 1.14 erscheint im März 2014 Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen kann für die Richtigkeit nicht gehaftet werden. Nachdruck und Verwendung, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion.

Kaba GmbH Ulrich-Bremi-Straße 2 A-3130 Herzogenburg Tel. +43 (0)2782 808 0 upgrade 3/2013

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Archiv 55

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ISSN 1862-4154 Preis: € 5,– Ausgabe 4.13

Jens K., 32, Fahrradbote, mit Udo Lindenberg, Musiker

Kultur und Gesellschaft

Vorbilder Kompass fürs Leben Warum wir Vorbilder brauchen Ausbildung Welche Anreize uns helfen

Europa Wie wir den Nationalstaat überwinden

Unternehmen Wie wir Werte glaubwürdig leben

4.13

3.13

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2.13

2.12

1.13

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4.12

4.11

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upgrade 4/2013


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