9 minute read

Tattoostudio Ebenholz

CITY Interview mit Eliza Bathory und Jonas aus dem Tattoostudio Ebenholz DAS GLÜCK IST MIT DEN MUTIGEN

Die Tattoonadel hat sich auf der Leipziger Stadtkarte einen neuen Punkt ausgesucht und sticht nun seit dem 8. März in der Kurt-Eisner-Straße 56, unter kreativer Führung von Eliza Bathory, einzigartige Motive. Daneben fungiert Jonas als Shopmanager (oder wie er es gerne nennt: als Gärtner) und regelt alles hinter den Kulissen, damit Eliza als kreative Blume erfolgreich (auf)blühen kann. Wir haben dem Powerduo einen Besuch abgestattet und einiges über die Szene erfahren und auch darüber gesprochen, wie schwer es ist, im kunterbunten Viertel der Südvorstadt, eigene Farbabdrücke zu hinterlassen. von Sina Trautmann

Advertisement

Wie bist du (Eliza) zum Tätowieren und letztlich zur Selbstständigkeit gekommen?

Eliza: Ich habe schon ganz früh angefangen zu zeichnen. In Hamburg haben mich meine Eltern bei dem Hamburger Künstler Peter Paulwitz-Matthai malen lassen – da war ich 12. Man musste da richtig mit Bewerbung und Mappe hin. Das hab ich gemacht und bei ihm habe ich wirklich viel gelernt, deshalb werde ich diese Zeit auch immer im Herzen tragen. In Leipzig bin ich dann zur Schule gegangen und meine Eltern sorgten dafür, dass ich nebenbei an der Abendschule Mappenkurse belegen konnte. Dort sagte mir der Professor aber, dass meine Kunst und mein Stil zu festgefahren sind und ich mich gar nicht bewerben brauche. Diese Aussage hat mich sehr eingeschüchtert und als junges (zum diesem Zeitpunkt 17-jähriges) Mädchen wirklich mitgenommen. Dann war ich erstmal sehr vorsichtig und habe ein Lehramtsstudium angefangen. Währenddessen habe ich Designs für Bands oder fürs Full Force Festival gemalt. Der Wunsch, Tätowiererin zu werden, schlummerte weiterhin in mir, aber ich hab mich nie getraut. Nachdem ich mein Studium erfolgreich beendet hatte, stand die Frage im Raum, ob ich jetzt in den Lehramtsberuf einsteige oder gleich als Tätowiererin mein Glück versuche. Jonas hat mir dann ins Gewissen geredet.

Jonas: Ich bin immer so ein Pusher. Ich habe sie gefragt, was in dem Studium das Schönste war und da hat sie gesagt: ‚Immer wenn ich Zeit zum Malen hatte.‘ Da war die Sache doch klar und es ging auch sofort durch die Decke.

Eliza: Jonas hat mir meine erste Tattoomaschine finanziert, die ich dann brav abgezahlt habe. Anfangs habe ich nebenbei noch gejobbt, bis ich wenig später nur noch tätowiert habe. Das ging dann wirklich innerhalb eines Jahres alles. Ich habe mich sehr gefreut, dass da auch die Resonanz da war. Das lag bestimmt nicht daran, dass ich die geilste „Bitch“ im Game bin und total toll tätowieren konnte, sondern eher daran, dass ich mit meinen Kund:innen eine Vertrauensbasis aufbauen konnte und dass sich jede:r verstanden gefühlt hat.

Jonas: Und dass dich ein Shop gleich genommen hat.

Eliza: Und dass mich Sinnträger sofort genommen hat, war total toll. Sie haben mir von Anfang an die Chance gegeben, nach meinen Vorstellungen zu tätowieren und dafür werde ich immer dankbar sein. Als meine gute Freundin Silvia von Hellcat Tattoo nach Leipzig gezogen ist, habe ich eine Zeit lang bei ihr tätowiert. Unabhängig von den Studios, in denen ich gearbeitet habe, war es immer mein Traum, meinen eigenen Custom Tattooshop mit Jonas zu eröffnen. Und dass das jetzt in kurzer Zeit, in dieser Pandemie-Phase geklappt hat, ist natürlich der Wahnsinn.

Wann habt ihr den Entschluss gefasst, trotz der Pandemie euer eigenes Geschäft aufzubauen?

Eliza: Mein und Jonas‘ Traum war es schon immer. Ich bin sehr vorsichtig und traue mir manchmal Sachen gar nicht so zu, weil ich alles zerdenke. Und dass dieser Shop hier steht, das ist Jonas zu verdanken, weil er nämlich sehr positiv durch die Welt läuft und gesagt hat: ‚Wenn nicht jetzt, wann dann? Wir schaffen das und das Glück ist mit den Mutigen.’

Jonas: Ja, genau. Ich bin Ellis größter Fan und Bewunderer und es war einfach an der Zeit. Wir standen letztes Jahr, vor der Pandemie, an einem Punkt, wo wir gemerkt haben, dass wir jetzt langsam bereit sind, diesen Traum zu verwirklichen. Als dann Corona kam, hat man sich umgeguckt und vergegenwärtigt, wo man eigentlich hin will.

Wann habt ihr richtig angefangen zu planen?

Eliza: Also die erste Lockdown-Phase haben wir für die Planung benutzt. Erst in der Phase, in der wir uns wieder frei bewegen durften, klapperten wir die Shops in Leipzig ab und fanden schließlich einen in der Südvorstadt. Wir haben gemeinsam, Stück für Stück, low budget, das möglich gemacht, was möglich war. Jonas: Da kann man auch gleich sagen, das war in Leipzig nicht so leicht, wie wir dachten. Gerade in der Südvorstadt, im kunterbunten Viertel. Wir haben viele Absagen bekommen. Häufig allein aus dem Grund, dass wir ein Tattoostudio planen. Diese Aussagen haben mich sehr getriggert, denn das ist dieses typische Gentrifizierungsproblem: Alle wollen bei dem:der Künstler:in leben, aber 22 Uhr ist bitte Ruhe. Wir haben insgesamt 15 Sachen richtig angeguckt und bei fünf kam direkt die Absage. Das war nicht schön.

Eliza: Man kann auch nochmal unterstreichen, dass wir nicht unvorbereitet in diese Bewerbung hineingegangen sind. Jonas hat sich wirklich total viel Mühe gemacht, einen Businessplan geschrieben, Kalkulationen erstellt und alles mit Fotomaterial unterlegt. Wir haben auch schon Räume erarbeitet, sodass die Makler:innen sich ein bisschen vorstellen können, wie wir uns den Flair vorstellen.

Jonas: Ein umso größerer Dank geht an unseren Vermieter, der mit offenen Armen an uns herangetreten ist, uns gleich eingeladen hat und der auch an den Tisch kam mit den Worten: ‚Ach Mensch, was machen Sie denn hier, mitten in der Pandemie?‘ Letztendlich haben wir den Laden dann bekommen. Wir sind dann manchmal hergekommen, nur um ein Bild aufzuhängen, das hat Kraft gegeben im Corona-Blues. Jetzt können wir in unserem eigenen Laden sitzen und es funktioniert gerade so. Klar ist alles noch zerbrechlich, aber wir glauben an Ebenholz.

Wie seid ihr auf den Namen gekommen?

Jonas: Während meiner Studi-Zeit gab es ein kleines Klamottenlabel, was ich mit der Künstlerin Kristina Kister betrieben habe – Ebenholz Clothing. Später, durch ihr Studium und meine Ausbildung, legten wir das Projekt auf Eis und Kristina hat die Aufgabe des Creative Directors an Elli übergeben. Das Projekt ist dann ein bisschen zu groß geworden, sodass wir es nebenberuflich nicht so umsetzen konnten, wie wir wollten. Später habe ich Elli nach dem Namen für unseren Shop gefragt und ihre Antwort war Ebenholz. So lebt dieser Name mit uns weiter und ist Teil unserer Geschichte.

Eliza: Der Name hat uns Glück gebracht und er wird uns auch weiterhin tragen.

Ihr sprecht auf der Website darüber, dass ihr hier einen Vibe vermitteln möchtet, was meint ihr damit?

Jonas: Ebenholz ist ein Customshop. Das heißt, du bekommst ein auf dich maßgeschneidertes Tattoo nach Absprache mit den jeweiligen Künstler:innen. Du musst im Vorhinein einen Termin ausmachen, egal ob Absprache- oder Tattootermin. Ausnahmen sind natürlich Walk in Days. Dieses Ladenkonzept ist auch gut mit Corona zu vereinen, weil immer abgeschlossen ist und wir so eine sehr überschaubare Menge an Menschen im Geschäft haben.

Eliza: Nicht jede:r ist mit seinem:ihrem Körper zufrieden oder nicht jede:r bekommt ein Tattoo, was er:sie anderen zeigen möchte. Außerdem finde ich es immer ein bisschen schwierig, sich als Frau oder Mann auszuziehen. Manchmal sitzt du in einer Position, die sehr freizügig ist, weil der:die Tätowierer:in nur so an die gewünschte Körperstelle kommt. Wenn dann immer andere Leute reinkommen, wodurch ein Kommen und Gehen herrscht, finde ich das als Kund:in ein bisschen unbehaglich. Es gibt in Leipzig ganz viele kleine Tattoostudios, die jetzt in Wohnungen gezogen sind. Diese Studios haben einen Atelierstyle. Da kommst du auch nur hinein, wenn du die richtigen Leute kennst. Die Tätowierer:innen wollen den Kund:innen mehr Intimität bieten und das find ich mega wichtig, wodurch wir das hier ebenfalls erschaffen möchten. Hier ist jede:r willkommen, egal ob du eine transgeschlechtliche Person bist, ob du homosexuell bist oder was auch immer deine geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung ist. Ich habe in den letzten Jahren viele Leute aus der LGBTQ+ Szene tätowiert. Und was mich traurig und sehr wütend macht, ist, dass diese Menschen ganz schlechte Erfahrungen in anderen Tattoostudios gemacht haben. Allein schon der Schritt, sich tätowieren zu lassen, war für sie eine sehr große Sache. Diese Personen hatten viel Angst, weil sie nicht wussten, wie reagiert wird.

Jonas: Wir bemühen uns, einen Safe-Space zu schaffen. Es ist selbstverständlich, dass hier kein Faschismus stattfindet und genauso selbstverständlich ist, dass hier alle willkommen sind. Zudem ist der „Vibe“ auch unsere eigene optische Ästhetik, welche wir im Shop verwirklichen. Runtergebrochen vielleicht die Richtung: Anime meets Barock.

Und wie würdest du jetzt deinen Tattoostil beschreiben?

Eliza: Es ist schwierig, meinen Stil zu beschreiben. Du bist nicht nur Blackwork, neotraditionell oder nur Sketchwork. Die Grenzen verschieben sich mittlerweile und genau das finde ich so faszinierend. Ich habe mit Dark Art und Blackwork angefangen, wirklich sehr düstere Motive. Mittlerweile kombiniere ich diese Dark Art mit allen anderen Themen, die sich gewünscht werden und die mich selber interessieren und inspirieren. Gerade präferiere ich den Neo-Japanstil. Ich mag diesen neuen Anime-Manga-Vibe, also würde ich sagen, derzeit ist es eine Mischung aus Manga und Dark Art. Man sollte seinen Stil kontinuierlich ausbauen, denn was nicht wächst, das stirbt.

Jonas: Jemand hat es mal morbide genannt. Also nicht so ultra morbide, aber es hat so einen Touch. Es ist aus verschiedenen Stilen das Beste vereint.

Muss jedes Tattoo deine persönliche Note haben oder stichst du auch rein nach Vorlage?

Eliza: Ich bringe immer meine persönliche Note ein. Oftmals ist es schwierig, wenn man als Kund:in mit einer ganz festen Vorstellung zu Tätowierer:innen kommt und diese durchboxen will. Ich würde bei einer bestimmten Vorstellung immer empfehlen, nach einem:einer Tätowierer:in zu schauen, der:die diese Vorstellung in seiner:ihrer Art-Galerie ein bisschen widerspiegelt. Wenn das nicht der Fall ist, dann lass dich entweder auf dessen:ihren Stil ein oder gehe in ein anderes Studio. Die Tattoos werden dann am besten, wenn der:die Tätowierer:in auch richtig Lust drauf hat. Für mich sind gute Tätowierer:innen auch Künstler:innen, die sich nicht nur in ihrer Freizeit kreativ ausleben können, sondern ihre Liebe zur Kunst bezüglich der Motivwünsche bei ihren Kund:innen einbringen können. Richtig glücklich wirst du als Artist nur dann, wenn du deinen eigenen Stil tätowierst.

Was ist das größte Kompliment für einen Tattoowierer?

Eliza: Wenn jemand sagt: ‚Ich erkenne deine Arbeit wieder.‘

Was herrscht in Leipzig für ein Tattoostil?

Eliza: Du wirst eigentlich jeden Stil in Leipzig finden. Von Realismus bis hin zu diesem richtig krassen Old School oder Blackwork, der sich durch harte Linien und straffe Schattierungen auszeichnet. Ich glaube, der Blackwork-Stil ist in den letzten fünf Jahren etwas trendy geworden. Jonas: Wir haben viele Tattooshops, aber es gibt auch viel Nachfrage und Tattoos werden ja „immer normaler“ in der Gesellschaft. Muttis bis fast schon Omis kommen und lassen sich Tattoos stechen. Es ist einfach ganz, ganz wichtig, dass diese Kunst einfach als das Normalste der Welt angesehen wird. Und Leipzig kann viel und wir hoffen, da einen kleinen Part beitragen zu können.

Eliza: Leipzig ist eine Tattoofamilie und die wächst immer mehr.

Hast du noch etwas auf dem Herzen?

Eliza: Alle Leute da draußen, die von Tätowierer:innen und Künstler:innen Prints für 35 € oder Aufkleber für 5 € gekauft haben, machen wirklich einen Unterschied. Ihr seid eine große Hilfe und das darf man auch nicht runter reden. Ich glaube, bei ganz vielen Kolleg:innen zählte und zählt jeder Cent.

Kurt-Eisner-Straße 56 Öffnungszeiten nach Vereinbarung www.ebenholz.shop Instagram: @ebenholz_tattoo | @eliza_bathory

urbi-Tipp: Schaut im Shop von Ebenholz vorbei und sichert euch eines der begehrten Prints von Eliza Bathory und schmückt damit eure Wände.

This article is from: