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Green New Deal für unsere Zukunft Fraktionspräsidentin der Grünen im National- und Ständerat, Mitglied Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen
GREEN NEW DEAL FÜR UNSERE ZUKUNFT
Mit einem Green New Deal die Weichen für die Zukunft stellen Seit dem Start meiner politischen Tätigkeit setze ich mich für den Schutz von Umwelt und Klima ein. Der noch immer anhaltende Verlust der Biodiversität sowie die sich verschärfende Klimakrise bestärken die Dringlichkeit dieser Anliegen. Wollen wir unsere eigenen natürlichen Lebensgrundlagen – sowie diejenigen der zukünftigen Generationen – erhalten, sind rasch weitere Schritte zum Schutz unseres Planeten notwendig. In den vergangenen Monaten haben uns die Klimajugend sowie die Klimawahl aufgezeigt, dass ein Bewusstsein für den notwendigen Wandel vorhanden ist. Die bisherigen Massnahmen reichen jedoch bei Weitem nicht aus. Um die Klimakatastrophe abzuwenden, müssen mittelfristig auch die bereits getätigten Emissionen wieder der Atmosphäre entzogen werden. Die Schweiz muss bis ins Jahr 2050 klimapositiv sein.
Damit dies noch möglich ist, haben ein rascher Ausstieg aus fossilen Brennstoffen sowie eine Senkung des Energiebedarfs höchste Priorität. Viele der dafür notwendigen Instrumente – z. B. der Ausbau der Solarenergie oder von energieeffizienten Gebäudesanierungen – sind bekannt. Darüber hinaus muss ein grüner Investitionsfonds Forschung und Entwicklung technischer Innovationen fördern und deren Anwendung in Wirtschaft und Gesellschaft beschleunigen. Dafür ist nicht nur individuelles und staatliches Handeln notwendig, sondern auch eine grundlegende Transformation unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Mit dem Green New Deal wollen wir jetzt die Weichen für eine nachhaltige, resiliente und im Dienste der Gesellschaft stehende Wirtschaft von morgen stellen.
Die Klimakrise ist bereits heute eine Tatsache. Die steigenden Temperaturen werden dabei nicht nur für die Natur, sondern auch für Menschen, Wirtschaft und die Gesellschaft zu einer immer grösseren Bedrohung. Die Erderwärmung wird wegen steigender Meeresspiegel riesige Küstengebiete unbewohnbar machen, Dürren werden immer mehr Ernten vernichten und die Zahl der Klimaflüchtlinge wird auf bis zu 140 Millionen Menschen ansteigen. Auch in der Schweiz bedroht die Klimakrise die Existenzgrundlage grosser Bevölkerungsteile. Die Schweiz muss zudem sicherstellen, dass auch die globale Wirtschaft auf die Nachhaltigkeit und die Resilienz ausgerichtet wird und Globalisierungsgewinne gerecht verteilt werden. Dafür müssen die Mobilität von Kapital stärker reguliert, der Finanzssektor besser in der Realwirtschaft verankert und Gewinne global tätiger Unternehmen gerechter versteuert werden. Um die Abhängigkeit von fragilen Lieferketten zu durchbrechen, müssen kritische Infrastrukturen und wichtige Wirtschaftsleistungen zudem wieder vermehrt lokal erbracht werden. Investitionen in die Digitalisierung bilden auch hierfür eine Chance.
Mit einem richtigen Green New Deal können wir die Klimawende schaffen und auch einen nachhaltigen Weg aus der Coronakrise einschlagen.
Aline Trede Fraktionspräsidentin der Grünen im National- und Ständerat, Mitglied Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen
VON «CO-VID19» ZU «CO-2»
Eine Pandemie hatte uns im ersten Halbjahr 2020 fest im Griff und sie wird auch die nahe Zukunft prägen. Die Gesundheitskrise ist global und zeigt eindrücklich unsere Abhängigkeit von globalen Produktionsketten, die Zerbrechlichkeit einer auf quantitativen und grenzenlosen Wachstum ausgerichteten Wirtschaft, die Systemimmanenz von bestimmten Berufen, die Bedeutung und Geschlechterverteilung der Care-Arbeit, globale ökonomische Unterschiede und damit die ungleichen Möglichkeiten, mit einer Extremsituation umzugehen.
Was hat die Coronakrise mit der Klimakrise gemeinsam? Beides sind reale und globale Bedrohungen, beide fordern rasches, kluges, gemeinsames Handeln, beide brauchen alle Akteur*innen. Und beide rütteln gehörig an unseren Vorstellungen, Werten, Lebensstilen. Beide laden uns ein, uns über das Wesentliche – das Wesen hinter den Dingen – Gedanken zu machen, und den Gedanken Taten folgen zu lassen.
Der Lockdown zeigte auf, dass es möglich ist, innerhalb kürzester Zeit einen neuen Alltag für die Menschen zu schaffen und dass mit politischem Willen einiges, was als undenkbar galt, Realität werden kann. Aber er zeigte eben auch, dass abrupte Veränderungen ohne Einbezug der Bevölkerung zwar den schlimmsten Schaden abwenden können, aber keine nachhaltig funktionierenden Lösungen darstellen. Nachdem der erste Schock verdaut war, wuchs die Ungeduld. Denn man hat der Menschheit über Wochen genommen, was für den Inbegriff der Freiheit steht: grenzenlose Mobilität, grenzenloser Konsum, grenzenlose Möglichkeiten. Und hierin liegt die grosse Herausforderung in der Bewältigung der Klimakrise und eine naheliegende Parallele zwischen Corona und dem Klima. Es muss uns gelingen, die Bedeutung von Freiheit, ja die Bedeutung der vorherrschenden, positiv konnotierten Begriffe und Werte einer liberalen Gesellschaft, neu zu denken und in der Neuinterpretation für alle positiv zu besetzen. Denn solange Freiheit heisst, zu tun und zu lassen, was einem gefällt – weil man es sich leisten kann – solange taugt Freiheit nicht als Wegweiser in die nachhaltige Zukunft. Gelingt uns aber eine Transformation der hinter den Begriffen liegenden Bedeutung, dann sind wir bereits auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft. Wenn also Freiheit im 21. Jahrhundert schon bald nicht mehr ein Freipass für grenzenlose Verschwendung, sondern beispielsweise ein «Frei-Werden» vom Konsumzwang bedeutet, dann haben wir zu den notwendigen gesellschaftlichen Grundlagen für den Wandel beigetragen.
In den Projekten und Dienstleistungen des Ökozentrums machen wir es uns zur Aufgabe, mit einer Kombination der drei Nachhaltigkeitsstrategien Suffizienz, Effizienz und Konsistenz und mit einer einzigartigen Verbindung von Technik und erlebnisorientierter Bildung zu einer ressourcenneutralen Zukunft beizutragen. Im «Verändern-Müssen» liegt auch ein «Verändern-Können», «Verändern-Dürfen» und «Verändern-Wollen». Packen wir es an, gehen wir mit gutem Beispiel voran!
Linda Jucker Abteilungsleiterin Bildung & Gesellschaft Ökozentrum
KLIMAWANDEL – CHANCE FÜR KULTURWANDEL
Menschen existieren seit rund 2,5 Millionen Jahren. Eine einzige Unterart mit dem Namen Homo sapiens sapiens, ganz weiser Mensch, zu der wir alle heutigen Menschen gehören, hat überlebt.
Als Jäger und Sammler lebte der Mensch als Teil und im Einklang mit der Natur. Mit dem Übergang zum Viehzüchter und Hirten vor ca. 15000 Jahren und vom Nomaden zum sesshaften Ackerbauer vor ca. 10000 Jahren griff er in die Natur ein. Dadurch begann er mit der Emission der Treibhausgase Kohlendioxid (CO 2), Lachgas (N2O) und Methan (CH4) auch das Klima zu beeinflussen. Es war die erste menschliche Revolution, die Agrar-Revolution. Die zweite menschliche Revolution war die industrielle Revolution, welche im 19. Jahrhundert mit dem massiven Verbrauch von Kohle, Erdöl, Erdgas und Torf einsetzte. Diese fossilen Energiequellen, während Jahrtausenden primär aus Lebewesen gebildet, werden heute durch uns als einzige Art von rund 20 Millionen Arten von Lebewesen, speziell seit 1950, in wenigen Jahrzenten ausgebeutet.
Schon lange wurde gewarnt, dass die extreme Emissionszunahme der Treibhausgase einschneidende Folgen für Menschen, Ökosysteme und Nahrungsmittelproduktion haben wird. Die Nationale UNESCO-Kommission und die Schweiz. Naturforschende Gesellschaft z.B. veröffentlichten bereits 1982 eine Broschüre «Wie wir unsere Erde zum Treibhaus machen. Unterwegs zur Klimakatastrophe durch Kohlendioxid». Die Prognose ist Realität geworden. Der Mensch ist die Hauptursache der Klimaänderung, welche im Vergleich zu andern Umweltschäden globale und langfristige Folgen hat, so z.B. Anstieg von Temperatur und Meeresspiegel, Gletscherschwund, Dürre, Wassermangel, Überschwemmungen, Steinschläge, Murgänge, Klimaflüchtlinge.
Noch fehlt in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der solidarisch notwendige Schritt vom Wissen zum Handeln. Es bedurfte des Weckrufs der Schülerin Greta Thunberg und der Klimajugend, die sich Sorgen um ihre Zukunft und unsere Lebensgrundlagen machen. Resignation, aber auch Schlagwörter wie Klimakiller, -katastrophe, -alarm, -sünder sind keine langfristig überzeugende Motoren zum Handeln. Notwendig ist eine dritte menschliche Revolution, eine Kulturrevolution. Der Klimawandel, genauso wie der Coranavirus, bietet eine Chance für einen menschlichen Kulturwandel. Das Wort Kultur leitet sich vom Verb colere ab, was «bebauen, bestellen, pflegen, Sorge tragen» sowie «verehren, wohnen» bedeutet. Der Mensch kann als einzige Lebewesensart Verstand, Herz und Sinne holistisch einsetzen, verantwortungsvoll die anvertrauten Ressourcen nachhaltig nutzen und schützen, pfleglich, achtsam und sorgend mit der Erde als gemeinsame Wohnung umgehen. Wer das Klima schützen will, muss es vor dem Menschen schützen, wer den Menschen schützen will, muss das Klima schützen. Er wählt klimaschutzaktive Politiker/innen, unterstützt Klimaschutzmassnahmen, berücksichtigt klimafreundliche Firmen bei Aufträgen und beim Kauf von Produkten, investiert in gerechte, ökologisch und sozial nachhaltige Anlagen, kauft klimafreundlich produzierte und transportierte Nahrungsmittel und andere Konsumgüter, vermeidet Flug- und Autoverkehr, hohe Heiztemperaturen, Fleischkonsum und das Wegwerfen von Nahrungsmitteln, hinterfragt das Wachstumsdogma.
Klimagerechtes Verhalten wie Masshalten, Genügsamkeit, Respekt und Bescheidenheit bedeutet einen Gewinn an Lebensqualität, Gesundheit, geistiger und physischer Beweglichkeit, Wohlbefinden, Entschleunigung, Musse und Zeit für menschliche Kontakte, Naturund Kulturerlebnisse, gespürtes Erfahren des eigenen Daseins und Soseins. Der Blick eines strahlenden Kindes ist mehr wert als der Blick am Steuer auf eine Blechlawine auf der Autobahn. Das Betrachten einer Ameisenkolonie, das Lauschen eines Vogelkonzerts, das Einatmen frischer Waldluft, das Bestaunen der Farbenpracht einer Naturwiese ist beglückender als bei einer Kreuzfahrt das Aussterben des letzten Eisbären mitzuerleben. Wenig tiefgründig erlebt kann mehr bereichern als viel nur oberflächlich. Erst ein Mensch, der aktiv etwas für den Klimaschutz tut strahlt Hoffnung aus, wer hofft glaubt an eine lebenswerte enkeltaugliche Zukunft, liebt alles Seiende, ja erweist sich seines Namens «weiser Mensch» würdig.