«Gesellschaft» für den Detailhandel

Page 1

Gesellschaft/Detailhandel

ISBN: 978-3-03743-561-8

– Familie – Arbeit –Beziehungen zum Ausland – Steuern – Miete – Versicherungen – Selbständige Arbeit

Verlag Fuchs

Grundlagen Kommunikation/Konfliktbewältigung Gesundheit Konsumverhalten Informatik Migration Ethik Der Staat Ökologie

2010/11

– – – – – – – – –

Verlag Fuchs Claudio Caduff Jakob Fuchs (Hrsg.)

«Gesellschaft»

Das Fach für den Detailhandel


Inhaltsverzeichnis

2

Inhaltsverzeichnis 1. Grundlagen 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Richtig lernen Einführung in das Recht – Regeln für die Gesellschaft – Rechtsquellen – Öffentliches und privates Recht – Zwingendes und nicht zwingendes Recht – Rechtsgrundsätze – Lösen von Rechtsfällen Grundlagen zum ZGB – Übersicht – Begriffe zum Personenrecht Grundlagen zum OR – Übersicht – Die Entstehung einer Obligation – Vertrag und Abschluss des Vertrags – Formen der Verträge – Vertragsmängel Der Lehrvertrag

6. Migration 8 9 9 10 11

6.1 6.2 6.3

12 13 14 16 16 17 19 19 20 21 22 23 24

7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6

2. Kommunikation / Konfliktbewältigung 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Grundregeln der Kommunikation Konflikte Konfliktbewältigungsstrategien Kommunikation bei Konflikten Vorgehen bei Konflikten im Lehrbetrieb

30 32 34 36 38

3. Gesundheit 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

Gesundheit Stress Sucht und suchtgeprägte Verhaltensweisen Alkohol Rauchen / Kiffen Ess-Störungen

40 41 42 44 46 48

4. Konsumverhalten 4.1 4.2 4.3 4.4

Die Lohnabrechnung Das Budget Die Verschuldung Tipps zum Umgang mit Geld

50 52 55 56

5. Informatik 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6

Einführung Hardware und Software Datensicherheit Das Internet E-Mail Anwendungen

58 60 61 63 67 69

Begriffe und Übersicht Migration und die Schweiz Freier Personenverkehr

74 76 78

7. Ethik Einführung Freiheit und Gerechtigkeit Ethische Grundprinzipien Angewandte Ethik Die 5 Weltreligionen Evolutionärer Humanismus

80 82 84 86 90 96

8. Der Staat 8.1

Willensbildung 98 – Politik 98 – Drei Dimensionen der Politik 99 – Pluralismus 100 – Massenmedien 101 – Aufgaben der Massenmedien 101 – Die Nachrichtenauswahl 103 – Die politischen Parteien 104 – Wichtige Parteien im Bundesparlament 105 – Die parteipolitische Zusammensetzung im Bundesparlament 108 – Das Links-Rechts-Schema 109 – Verbände 110 – Stimmen, Wählen 112 – Verschiedene Arten von Mehr 113 – Das Majorzwahlverfahren 114 – Das Proporzwahlverfahren 115 – Möglichkeiten beim Proporz 116 – Gültige Wahl beim Nationalratsproporz 117 – Die Zauberformel 118 8.2 Institutionenlehre 119 – Der Staat 119 – Die Staatsformen 120 – Die Bundesverfassung 122 – Die Gewaltenteilung 123 – Die Bundesversammlung 124 – Der Nationalrat und der Ständerat 125 – Wichtige Aufgaben beider Räte 126 – Die Fraktionen der Bundesversammlung 127 – Die Kommissionen 128 – Die Vereinigte Bundesversammlung 129


2 Inhaltsverzeichnis THEMA 3

– Der Bundesrat 130 – Die Zuständigkeiten des Bundesrates 131 – Die Bundespräsidentin /  Der Bundespräsident 132 – Die Bundesverwaltung 133 – Die Bundeskanzlei 343 – Die 7 Departemente des Bundes 135 – Die Rechtsprechung 136 – Die Gerichtsarten 137 – Die Gerichte des Bundes 138 – Der richterliche Instanzenweg 139 – Straffall – Zivilfall – Verwaltungsfall 140 – Die Straftaten und ihre Folgen im Überblick 141 – Die Strafarten im Einzelnen 142 – Das Jugendstrafrecht 143 – Die 26 Kantone 144 – Die kantonalen Parlamente und Regierungen 146 – Die Gemeinden 148 8.3 Rechtsetzung 150 – Die Rangordnung der Rechtserlasse 150 – Die Entstehung eines Gesetzes 151 – Das Referendum 152 – Die Initiative 154 8.4 Rechte und Pflichten 156 – Die Einteilung unserer Rechte 156 – Die politischen Rechte 157 – Die staatsbürgerlichen Rechte 158 – Die Grundrechte im Einzelnen 161 – Pflichten 166 8.5 Die Regierungsformen 167 – Die Demokratie 168 – Die Diktatur 169 – Die Monarchie 170

9. Ökologie 9.1 9.2 9.3

Einführung 172 – Begriffe 172 – Ökologische Aspekte: Probleme / Ursachen 173 – Schadstoffanreicherung 174 – Der globale Kohlenstoffkreislauf 175 Ökobilanz und Abfall 176 – Ressourcenverbrauch und Abfall 177 – Die Abfallstrategie in der Schweiz 178 Energie und Klima 180 – Die Energieträger 180 – Energieverbrauch 182 – Der Treibhauseffekt 184 – Die Erwärmung der Erde 185

3

9.4 9.5

– Der UNO-Klimabericht 2007 – Massnahmen zum Klimaschutz – Strategien einer nachhaltigen Energienutzung Die natürlichen Lebensbedingungen der Menschen – Luft – Die wichtigsten Luftemissionen – Wasser – Boden Biodiversität

186 187 188 189 189 190 192 195 196

10. Familie 10.1 Einführung 198 – Übersicht 198 – Familie / Zusammenleben 199 10.2 Das Konkubinat 200 10.3 Die Ehe 202 10.4 Das Güterrecht 204 – Die Errungenschaftsbeteiligung 205 10.5 Die Scheidung 207 10.6 Das Kindesrecht 208 10.7 Die Adoption 211 10.8 Die Vormundschaft 212 10.9 Die Erbschaft 215 – Das Erbe 215 – Die Erbschaft 216 – Pflichtteile und freie Quote 218 – Verfügungen von Todes wegen 219 10.10 Todesfall – Massnahmen 220 11. Arbeit 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7 11.8

Übersicht 222 Der Einzelarbeitsvertrag (EAV) 223 – Form und Entstehung des EAV 224 – Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers 225 – Rechte und Pflichten des Arbeitgebers 227 – Die Beendigung des Einzelarbeitsvertrags 230 Stellenbewerbung 232 Der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) 234 Der Normalarbeitsvertrag (NAV) 235 Das Arbeitsgesetz (ArG) 236 Die Arbeitslosigkeit 239 – Bekämpfung der Arbeitslosigkeit 242 «Working poor» 244


2 Inhaltsverzeichnis THEMA 4

4

12. Beziehungen zum Ausland

15. Versicherungen

12.1 Die Globalisierung 246 12.2 Europäische Sicherheitsarchitektur: Übersicht 248 12.3 Der Europarat 249 12.4 Die Europäische Union (EU) 252 – Übersicht 253 – Die wichtigsten Institutionen der EU 254 – Die drei Säulen der EU-Politik 256 – Der EU-Binnenmarkt 257 – Die Schweiz und die EU 258 12.5 Die OSZE 259 12.6 Die UNO 260 12.7 Die NATO 262 12.8 Die NGOs 263 12.9 Die WTO 264 12.10 Die Entwicklungszusammenarbeit 266 – Probleme bei der Entwicklungshilfe 267 12.11 Globale Aspekte 269 – Hunger in der Welt 269 – Bevölkerungsentwicklung 270 – Welthandelsströme 271 – Aktuelle Konflikte 272 12.12 Politische Landkarten 274 – Politische Weltkarte 274 – Politische Europakarte 276

15.1 15.2

13. Steuern 13.1 Übersicht 13.2 Steuerbegriffe – Steuerhoheit / Steuerpflicht /  Steuerzwecke – Steuerarten – Die Verrechnungs- und die Mehrwertsteuer 13.3 Steuerbares Einkommen / Steuerbares Vermögen 13.4 Progression 13.5 Steuervergehen 13.6 Rechtsmittel zur Steuerveranlagung

278 279 279 280 281 282 284 285 286

14. Miete 14.1 14.2 14.3

Übersicht Die Gebrauchsüberlassung Die Miete – Vertragsabschluss und Wohnungsübergabe – Pflichten des Vermieters – Pflichten des Mieters – Die Beendigung der Miete 14.4 Der Mieterschutz

288 289 290 291 292 293 295 297

15.3 15.4 15.5 15.6

Einführung 300 – Übersicht 300 – Das Prinzip der Versicherungen 301 – Wichtige Grundbegriffe 302 Personenversicherungen 303 – Die Krankenversicherung 304 – Die Unfallversicherung 308 – Die AHV 310 – Die IV 311 – Die Ergänzungsleistungen 312 – Die EO 313 – Die Arbeitslosenversicherung 314 – Die berufliche Vorsorge /  Pensionskasse 316 – Weitere Sozialversicherungen 317 – Private Vorsorge 318 – Angebote von Lebensversicherungen 319 Das Drei-Säulen-Konzept 320 Sachversicherungen 321 Haftpflichtversicherungen 323 Weiteres zu den Versicherungen 324

16. Selbständige Arbeit (SA) 16.1 Vorgehen bei der «Selbständigen Arbeit» 16.2 Lese- und Verarbeitungshilfen 16.3 Schriftliche Präsentation – Schrift und Satz – Gestalten mit Text 16.4 Checklisten 16.5 Sprach- und Schreibspeicher 16.6 Die repräsentative Umfrage 16.7 Umgang mit Statistiken 16.8 Die grafische Darstellung

326 331 334 334 336 338 340 341 342 344

Sachwortregister

347




1. Grundlagen Thomas Zeller Roman Steiner Jakob Fuchs


1.1 Richtig lernen

8

Richtig lernen Lernumgebung

(Wo lerne ich?)

– ruhiger Ort – gute Beleuchtung – bequemer Stuhl – übersichtliche Ordnung – alles griffbereit

Lernzeiten

(Wann lerne ich?)

– Lernstoff auf mehrere Tage verteilen (kleine, verdaubare Portionen bilden) – Vor dem Nachtessen eher mündlicher Lernstoff – Nach dem Nachtessen eher schriftlicher Lernstoff (ein voller Magen studiert nicht gern) – Neue Inhalte nicht zu später Stunde lernen (Müdigkeit, geringe Konzentration) – Vor dem Schlafengehen: Bereits Gelerntes nochmals kurz und konzentriert anschauen (das Unterbewusstsein verarbeitet das Gelernte während des Schlafens) – Nach dem Aufstehen: Den Lernstoff vom Vorabend nochmals kurz anschauen (sich bewusst werden, was man gelernt hat)

Lernstrategien

(Wie lerne ich?)

– Sich vor dem Beginn des Lernens motivieren: – Ich will etwas wissen. – Ich kann das Gelernte später einmal gebrauchen. – Ich will mit anderen fundiert mitdiskutieren können. – Ich will Gelesenes, Gehörtes oder Gesehenes verstehen können. – Immer daran denken: Wenn ich mit Widerwillen ans Lernen gehe, gebe ich meinem Hirn den Befehl, alle Türen zu schliessen. Danach ist es nicht verwunderlich, wenn das Hirn nichts mehr aufnimmt, auch wenn man 3 Stunden lang «büffelt». – Öfters mündlich Gelerntes repetieren, Repetition am Anfang häufig, dann immer grössere Zeitabstände. – Kurze Zeiten nützen (15 Minuten vor dem Nachtessen können sehr fruchtbar sein) – Zuerst Mündliches lernen (nicht länger als 30 Min., danach Schriftliches erledigen). – Zuerst das lernen, was ich am wenigsten gern tue. – In Büchern wichtige Stellen unterstreichen. – Saubere, übersichtliche (strukturierte) Zusammenfassungen erstellen. – Strukturskizzen erstellen (Mind Map, Netzwerk usw.). – Eventuell mit Karteikarten arbeiten. – Zusammenfassungen, Karteikartentexte, Lernstoff langsam laut vorlesen. – Keine Ablenkung, wenn man lernt (Musik, Fernsehen, Telefon, SMS usw.).


1.2 Einführung in das Recht

9

Regeln für die Gesellschaft Wo Menschen zusammenleben, entsteht eine Gemeinschaft, eine Gesellschaft. Da der einzelne Mensch den Drang verspürt, seine Bedürfnisse, seine Ideen und Überzeugungen durchzusetzen, braucht es in einer Gemeinschaft Regeln, damit dieses Zusammenleben funktioniert und kein Chaos entsteht. Diese Regeln schränken den Einzelnen zwar ein, geben ihm aber auch Sicherheit. Nur dort, wo der Mensch bereit ist, seine Freiheiten und Rechte einzuschränken, sie mit anderen zu teilen, kann jeder in grösstmöglicher Freiheit leben.

Nicht erzwingbare Regeln Es gibt Regeln, die im täglichen Zusammenleben der Menschen entstanden sind. Das sind Sitten / Bräuche und die Moral. Auch wenn die Einhaltung dieser «Verpflichtungen» nicht mit staatlicher Gewalt durchsetzbar ist, kennt die Gesellschaft eine Vielfalt von «Sanktionen», wenn jemand diese Regeln nicht beachtet: Man wird gemieden, aus der Gruppe ausgeschlossen, benachteiligt usw. Sitte / Brauch

Sitte / Brauch: Sitte / Brauch bezeichnet ein zur Gewohnheit (Tradition) gewordenes Verhalten des Menschen. Dieses Verhalten bezieht sich auf die äusseren Umgangsformen in der Gesellschaft. (Die Begriffe Sitte und Brauch werden meist identisch verwendet: «Es ist Sitte / Brauch, dass...», «Andere Länder, andere Sitten / Bräuche») Beispiele: Weihnachtsfest, jährlicher Betriebsausflug, Fasnachtsumzug, «Sechse­ läuten» in Zürich. Eine Sitte wird ohne zu überlegen und zu hinterfragen akzeptiert. Sitten sind unabhängig von Werten (z.B. Gerechtigkeit) und sind von Gesellschaftsgruppe zu Gesellschaftsgruppe verschieden.

Moral

Moral: Bezieht sich auf das Zusammenleben in der Gesellschaft und orientiert sich an Grundwerten wie Gerechtigkeit, Fürsorge und Wahrheit. Beispiele: Man ist gegenüber dem Mitmenschen ehrlich. Man kümmert sich um kranke Familienangehörige. In fast allen Kulturen hat die Moral ihren Ursprung in der Religion und ist von dieser stark beeinflusst. Man spricht auch von Sittlichkeit.

Erzwingbare Regeln Jeder Staat regelt, wie sich die Menschen innerhalb des Staatsgebietes verhalten müssen und welche Regeln Gültigkeit haben. Diese Regeln werden unter dem Begriff «Recht» bzw. «Rechtsordnung» zusammengefasst. Recht

Recht: Sammelbegriff für alle vom Staat erlassenen Regeln (Gesetze) und für anerkannte Regeln (Gewohnheitsrecht, Rechtslehre), die von staatlichen ­Organen (Gerichte) auch durchgesetzt werden. Rechtsordnung: Alle Rechtsregeln, die für ein Volk eines Staates gelten. In einem Rechtsstaat werden diese Regeln von der Gesellschaft selber bestimmt, während in einer Diktatur solche Regeln durch einen einzelnen oder mehrere uneingeschränkte Machthaber festgelegt werden.


1.2 Einführung in das Recht

10

Rechtsquellen Rechtsquellen: Orte, wo man das Recht findet. Es gibt drei Arten von Rechtsquellen: – geschriebenes Recht – Gewohnheitsrecht – Rechtslehre und Rechtsprechung

Geschriebenes Recht Geschriebenes Recht: Alle Rechtsregeln, die von der dafür zuständigen Behörde erlassen worden sind. Diese Regeln liegen schriftlich vor und sind unter anderem in Gesetzbüchern festgehalten. Gesetze werden von einem Parlament erlassen. Verordnungen dagegen sind Sache der Regierung.

Gewohnheitsrecht Gewohnheitsrecht: Ungeschriebene Regeln, die nach langer Zeit der Anwendung zu Recht geworden sind, weil die Gesellschaft sie als Recht anerkannt hat. Ein typisches Beispiel von Gewohnheitsrecht ist die Höhe des Finderlohns. Zwar hält ZGB 7222 fest, dass jemand, der etwas findet, unter Umständen Anspruch auf einen angemessenen Finderlohn hat, wenn die Sache zurückgegeben werden konnte. Wie hoch dieser Lohn angesetzt wird, steht jedoch nirgends. Das Gewohnheitsrecht hat den Finderlohn auf 10% festgelegt. In seltenen Fällen wird auch auf den Ortsgebrauch verwiesen. Ortsgebrauch: Die an einem Ort übliche Handlungsweise. Der Ortsgebrauch kann bei Gerichtsverfahren allenfalls als Entscheidungshilfe dienen. Der Ortsgebrauch wird unter anderem im Mietrecht angewendet (OR 266c).

Rechtslehre und Rechtsprechung Rechtslehre: Die von den Rechtsgelehrten geäusserten Meinungen, die in der rechts­wissenschaftlichen Literatur anerkannt sind. Diese Meinungen helfen den Richtern bei der Urteilsfindung. Rechtsprechung als Präjudiz: Die Urteilsbegründung eines übergeordneten Gerichts (meistens Bundesgericht) ist für ein untergeordnetes Gericht wegweisend, wenn es einen ähnlichen Rechtsfall zu beurteilen hat. Daraus entsteht eine einheitliche Rechtsprechung. Wenn ein oberes Gericht ein wegweisendes Urteil fällt, stützen sich untergeordnete Gerichte in der Folge auf dieses Urteil und übernehmen die Begründung des oberen Gerichts.


1.2 Einführung in das Recht

11

Öffentliches und privates Recht Öffentliches Recht Öffentliches Recht: Regelt die Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat einerseits und den Bürgern anderseits. Grundsatz Beim öffentlichen Recht besteht ein Unterordnungsverhältnis (eine Subordina­ tion), d.h. der Bürger ist dem Staat und seinen Bestimmungen untergeordnet. Der Bürger muss sich an diese Bestimmungen halten, damit das Zusammenleben im Staat funktioniert. Das öffentliche Recht dient dem Schutz und der Wahrnehmung öffentlicher Interessen.

Anwendung Das öffentliche Recht wird in der Regel von Amtes wegen angewendet, d.h. eine Behörde (z.B. die Polizei) oder ein Gericht wird von sich aus tätig (ohne Antrag einer Privatperson.) Beispiele von öffentlichem Recht – Bundesverfassung (BV) – Strafgesetzbuch (StGB) – Strassenverkehrsgesetz (SVG) – Umweltschutzgesetz (USG) – Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (SchKG)

Privates Recht Privates (ziviles) Recht: Regelt die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgern untereinander (privat = zivil).

▲ ▼

Grundsatz Beim privaten Recht besteht eine Beziehung unter Gleichgestellten (eine Koordination). Das private Recht betrifft nur die beteiligten Personen oder Parteien. Bei der Aushandlung des Rechts sind sie frei, gewisse Vorschriften müssen eingehalten werden (siehe «zwingendes Recht»).

Anwendung Nur wenn eine Person oder eine Partei klagt, werden im Rahmen eines Zivilprozesses Abklärungen getroffen. Beispiele von privatem Recht – Zivilgesetzbuch (ZGB) – Obligationenrecht (OR)



2. Kommunikation / Konfliktbewältigung Gregor Schläpfer


2.1 Grundregeln der Kommunikation

30

Grundregeln der Kommunikation Der österreichische Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick hat fünf Grundregeln (Axiome) der Kommunikation definiert. Damit kann man Kommunikationsvorgänge besser verstehen.

1. Man kann nicht nicht kommunizieren Oft denken wir, dass nur mittels Sprache kommuniziert wird. Aber ­Kommunikation besteht nicht nur aus Worten, sondern aus Verhalten aller Art. Und da wir uns immer irgendwie verhalten, kommunizieren wir auch immer auf irgendeine W ­ eise. Beispiel In einem überfüllten Wartesaal starrt ein Mann zu Boden. Sein Verhalten zeigt an, dass er nicht angesprochen werden möchte. Die Leute reagieren darauf, indem sie ihn in Ruhe lassen.

2. Jede Kommunikation hat Inhalts- und Beziehungsaspekte Es gibt keine reine Informationskommunikation. Die Beziehungen spielen immer auch eine Rolle. In der Regel dominiert sogar der Beziehungsaspekt. Dies kann zu Missverständnissen und Unstimmigkeiten führen. Beispiel Ein Mann fragt seine Frau: «Wann können wir losfahren?» Die Frau antwortet ungehalten: «Warum musst du mich immer so zur Eile drängen?» Darauf erwidert der Mann: «Nimm dir Zeit, ich wollte nur wissen, wann du bereit bist.» Während der Mann auf der Inhaltsebene kommuniziert (oder so tut), reagiert seine Frau auf der Beziehungsebene und gibt darum keine Antwort auf die Frage (auf der Inhaltsebene). Wahrscheinlich hat es schon früher Unstimmigkeiten in ähnlichen Situationen gegeben. Mit seiner Antwort versucht der Mann, das Gespräch wieder auf die Inhaltsebene zu bringen.

3. Kommunikation unterliegt der Interpretation der Teilnehmer In einem Kommunikationsablauf ist das Verhalten der Teilnehmer Reaktion auf das Verhalten (die Kommunikation) des anderen und gleichzeitig Reiz / Verstärker für das Verhalten des anderen. Dabei spielt die Interpretation der Kommunikationsteilnehmer eine entscheidende Rolle. Beispiel Ein Mann nörgelt ständig, seine Frau schweigt und zieht sich zurück. Für beide ist des Verhalten des Partners Ursache des eigenen Verhaltens. Der Mann sagt sich: Ich nörgele, weil sie mich meidet. Die Frau sagt sich: Ich meide ihn, weil er nörgelt. Bei solchen Kommunikationsverhältnissen gerät man oft in eine ­Teufelsspirale.


2.1 Grundregeln der Kommunikation

31

4. Kommunikation besteht aus digitalen und analogen Elementen Die digitalen Elemente sind die sprachlich ausgedrückten Informationen. Die analogen Elemente bestehen aus der Gestik, aus der Mimik, aus dem Tonfall usw. und sind eng mit der Beziehungsebene verknüpft. Die analogen Elemente sind viel echter, man kann sich nicht so leicht verstellen. Darum ist es viel einfacher, in einer E-Mail zu lügen, als in einem direkten Gespräch. Beispiel Aus Unachtsamkeit schüttet eine Serviceangestellte einem Gast Wein über die Kleider. Sie entschuldigt sich in aller Form. Der Mann antwortet: «Macht nichts, kann jedem mal passieren.» Dennoch merkt die Frau, dass der Gast verärgert ist und sie als ungeschickt und für den Beruf nicht tauglich ansieht. Die analoge Kommunikation widerspricht in diesem Fall der digitalen und ist stärker.

5. Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär Beruht die Beziehung zwischen Kommunikationspartnern auf Gleichheit, so ist die Kommunikation symmetrisch. Gibt es Unterschiede zwischen ihnen, findet eine komplementäre Kommunikation statt. Hier gibt es in der Regel ganz bestimmte Rollenverteilungen. Beispiel Ein Gespräch zwischen Freunden ist symmetrisch: Mal fragt der eine etwas und der andere antwortet und umgekehrt; der eine erzählt, der andere hört zu, kann aber jederzeit unterbrechen und selber etwas erzählen. Kurz: Es findet ein ungezwungenes Gespräch statt. Ein mündlicher Rapport eines Abteilungsleiters an den Geschäftsleiter ist ein komplementäres Gespräch. Der Abteilungsleiter (Untergebener) antwortet möglichst präzise auf die Fragen des Geschäftsleiters (Vorgesetzter). Die Rollen sind klar verteilt. Der Chef fragt, der Untergebene gibt nur auf diese Fragen Antwort.



3. Gesundheit Max Eder


3.1 Gesundheit

40

Gesundheit Gesundheit: Ist ein Zustand des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlerge­ hens und nicht nur das Fehlen von Krankheiten oder Gebrechen. (Definition nach WHO) In den industrialisierten Ländern sind die meisten Menschen von Geburt an gesund. Daher wissen sie die Gesundheit meist erst dann zu schätzen, wenn sie krank werden. Dann können sie sich ein Leben ohne Gesundheit nicht mehr vorstellen. Nicht umsonst heisst es im Sprichwort «Gesundheit ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Gesundheit». Trotz dieser Erkenntnis wird in unserer Gesellschaft mit der Gesundheit oft nicht gerade vorsichtig umgegangen.

Gesundheit und tägliches Verhalten Gewisse Gesundheits-Faktoren sind gegeben, andere kann man selber beeinflussen. Körperliche Faktoren

Seelisch-soziale Faktoren

Erbliche Voraussetzungen

Der einzige Faktor, der nicht durch das eigene Verhalten beeinflussbar ist, sind die erblichen Voraussetzungen, die ein Menschen von Geburt an mit sich bringt.

Ernährung

Eine ausgewogene, vielseitige Ernährung ist wichtig.

Kleidung

Die von der Mode diktierte Kleidung ist oft zu eng und zu wenig warm, was zu gesundheitlichen Problemen führen kann.

Schlaf, Erholung

Das Schlaf- und Erholungsbedürfnis ist zwar bei jedem Menschen anders. Dennoch muss auf genügend Schlaf und Erholung geachtet werden.

Bewegung, Sport

Viel Bewegung im Alltag fördert die Gesundheit.

Natürliche Umwelt

Gute Luft, sauberes Wasser, Licht und Ruhe stärken das Immunsystem und damit die Gesundheit.

Künstliche Umwelt

Räume ohne Elektrosmog, rauchfreie Lokale (auch private) usw. fördern die Gesundheit des Einzelnen.

Liebe

Geliebt werden und lieben können in Familie und in der Partnerschaft löst Spannungen.

Anerkennung

Bestätigung am Arbeitsplatz und im Kollegenkreis durch Lob und aufbauende Kritik gehören zu einem guten Arbeits­klima, was sich auch auf die Gesundheit auswirkt.

Gruppenzwang

Manches Verhalten in der Gruppe unterliegt einem Zwang. Dieser Druck belastet die persönliche Freiheit und ist ungesund.

Diese Liste ist keineswegs vollständig. Durch ein gezieltes Beachten dieser Faktoren kann die Gesundheit jedoch gefördert werden.

Tipp: Folgende Adressen geben Hinweise für ein gesundes Leben:

www.bag.admin.ch Bundesamt für Gesundheit www.bfu.ch Beratungsstelle für Unfallverhütung www.sprechzimmer.ch Informationen im Pharma- und Healthcare-Bereich


3.2 Stress

41

Stress Stress: Ist grundsätzlich der Antrieb des Menschen zu einer Handlung, um ein Bedürfnis zu befriedigen. Stress wird in Eustress (positiver Stress) und Distress (negativer Stress) aufgeteilt.

Eustress

Distress

Die Anforderung einer Aufgabe wird als Herausforderung, freudige Erregung aufgenommen. Man ist überzeugt, die Situation erfolgreich zu meistern.

Die Anforderung oder Situation wird als zu gross angesehen. Man glaubt, der Belastung nicht gewachsen zu sein. Man fühlt sich hilflos.

Entscheidend ist immer, wie man eine Situation einschätzt. Je mehr Fähigkeiten ein Mensch in Bezug auf die entsprechende Anforderung hat, desto weniger wird er die Situation als «negativ-stressig» empfinden. In der Umgangssprache wird heute «Stress» vorwiegend mit «Distress» gleichgesetzt. Distress wird hervorgerufen durch die Angst, etwas nicht schaffen zu können. Er wird nicht von Ereignissen hervorgerufen, sondern von der Einschätzung der ­Ereignisse durch die Person selbst.

Stressoren Stressoren sind die Faktoren, die Stress (Distress) auslösen. Dazu gehören z.B.: – hohe Erwartungen von aussen – Krankheit – familiäre Probleme – Lampenfieber – eigene hohe Ansprüche – Minderwertigkeitsgefühle – Dauerlärm – Behinderungen (Stau im Verkehr) – Angst – Neid, Missgunst Der Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung ist im Leben wichtig. Wenn das Leben jedoch über weite Strecken aus Anspannung besteht, können daraus unmittelbare oder sogar dauerhafte gesundheitliche Störungen entstehen.

Unmittelbare Stressreaktionen

Dauerhafte Störungen

– – – – – – –

– – – – – – –

Zittern Zähneknirschen erhöhter Puls Schwitzen Gereiztheit Konzentrationsmangel Gefühl der Unfähigkeit

Verspanntheit Leistungsabfall dauerhafte Kopfschmerzen Verdauungsprobleme Schwindel Bluthochdruck Nervenzuckungen

Stressmanagement und Stressbewältigung Wichtig ist vor allem, dass man die Stressoren erkennt, die einen beeinflussen. So kann man ihnen auch besser begegnen, indem man z.B. – positiv denkt, – sich keine zu hohen Ziele setzt, – gewisse Stressquellen ausschaltet (laute Musik, Unordnung), – sich genügend Bewegung verschafft, Tipp: www.feelok.ch Stressprogramm

– – – – –

die eigenen Grenzen akzeptiert, sich gesund ernährt, für genügend Schlaf sorgt, einmal eine Pause macht und grosse Aufgaben in kleine zerlegt.



4. Konsumverhalten Max Eder Beni Schwegler


4.1 Die Lohnabrechnung

50

Die Lohnabrechnung Ende Monat wird den Arbeitnehmern Lohn ausbezahlt (OR Art. 323). Je nach Vertrag erhält man einen Jahreslohn in 12 oder in 13 Teilen oder einen vereinbarten Stundenlohn. Entscheidend ist immer die Jahreslohnsumme.

Lohnabrechnung Mit dem Lohn muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine schriftliche Abrechnung übergeben, die eine Auflistung der Vergütungen und Abzüge (mit Prozentangaben) enthält. Die Lohnabrechnung muss so lange nicht mehr zugestellt werden, wie Lohn und Abzüge unverändert bleiben. Beispiel einer Lohnabrechnung

Technika AG, Feinmechanik, 8337 Beltikon Herr Fritz Dober Elfenaustrasse 27 8274 Erzwil

Pers. Nr.: 5413 AHV-Nr.: 756.9217.0769.85

Lohnabrechnung Juni 2010 Bezeichnung Jahreslohn brutto

Basis

Ansatz

Betrag CHF

Total CHF

79 300.00

AHV-pflichtiger Monatslohn 1/13

6 100.00

Bruttolohn

6 100.00

Abzug AHV/IV/EO

6 100.00

5,05%

308.05

ALV

6 100.00

1,00%

61.00

BVG

4 258.45

7,50%

319.40

NBU

6 100.00

1,30%

79.30

Krankentaggeldversicherung

6 100.00

0,70%

42.70

810.45

Abzüge Nettolohn Kinderzulagen (2 Kinder) Ausbezahlter Lohn

810.45

5 289.55

200.00

400.00

5 689.55

Überweisung an BEZB Bezirksbank AG, Zürich; Kto Nr. 14-7223-8


4.1 Die Lohnabrechnung

51

AHV / IV / EO

(siehe S. 310 ff.)

Diese drei Versicherungen sind für alle Personen, die in der Schweiz wohnen oder erwerbstätig sind, obligatorisch. Die Beitragspflicht beginnt für Erwerbstätige am 1. Januar nach vollendetem 17. Altersjahr. Der jährliche AHV / IV / EO-Mindestbeitrag für Selbständigerwerbende und Nichterwerbstätige beträgt CHF 460.– (damit keine Zahlungslücken entstehen).

ALV

(Arbeitslosenversicherung) (siehe S. 314 f.)

Bis zu einem Jahresverdienst von CHF 126 000.– wird vom Lohn 1% ALV abgezogen.

BVG

(Pensionskasse) (siehe S. 316)

Ab 1. Januar nach vollendetem 24. Altersjahr werden von einem Jahreseinkommen über CHF 20 520.– (Stand 2010) obligatorisch Pensionskassenabzüge getätigt. Die Basis wird wie folgt berechnet: Vom Jahresbruttolohn zieht man den Koordinationsabzug von momentan CHF 23 940.– ab. Den Rest dividiert man durch die Anzahl Monatsauszahlungen. Beispiel: Jahreslohn brutto: CHF 79 300.00 Koordinationsabzug: CHF –23 940.00 Versicherter Jahreslohn: CHF 55 360.00 Basis: CHF 55 360.– : 13 = CHF

4 258.45

Die Abzüge sind je nach Arbeitgeber unterschiedlich hoch.

Berufsunfall-Versicherung

(BU) (siehe S. 308)

Die Prämien der Berufsunfallversicherung für die Arbeitnehmer bezahlt in jedem Fall der Arbeitgeber.

Nichtberufsunfall-Versicherung

(NBU) (siehe S. 308)

Als Nichtberufsunfälle gelten alle Unfälle, die dem Arbeitnehmer während der Freizeit oder während des Urlaubs passieren. Die Abzüge sind je nach Tätigkeit (Branche) unterschiedlich hoch. Die NBU gilt für Anstellungen mit einem wöchentlichen Pensum von mindestens 8 Stunden. Der Arbeitgeber muss für seinen Arbeitnehmer gleichzeitig mit der BU-Prämie auch die Nichtberufsunfallversicherungsprämie einbezahlen. Diesen Betrag darf er dem Arbeitnehmer aber vollumfänglich am Lohn abziehen.

Krankentaggeldversicherung

(KTV) (siehe S. 305)

Diese freiwillige Versicherung garantiert bei Krankheit eine längere Lohnfortzahlung als es das gesetzliche Minimum verlangt.

Kinderzulagen Für Kinder bis zum vollendeten 18. und für Kinder in Ausbildung bis zum vollendeten 25. Lebensjahr werden Zulagen ausgerichtet. (Kinderzulagen: im Minimum CHF 200.–; Ausbildungszulagen: im Minimum CHF 250.–. Die Kantone können aber höhere Zulagen festlegen.)



5. Informatik Franziska N端ssli


5.1 Einführung

58

Einführung Der Begriff «Informatik» ist ein Kunstwort, das sich, je nach Sichtweise, aus den Wörtern Information und Mathematik oder aus Information und Automatik zusammensetzt. Informatik: Ist die maschinelle Verarbeitung und Übermittlung von Informationen. Die Informatik umfasst dabei: –– Aspekte der Wissenschaft, z. B. Erforschung effizienter Übermittlungssysteme –– Aspekte der Technik, z. B. Entwicklung anwenderfreundlicher Programme –– Aspekte der Anwendung, z. B. die konkrete Nutzung von Computern in einem Betrieb Heute werden noch viele andere Wörter verwendet: IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien) oder ICT (Englisch für Information and Communication Technology), IT (Informationstechnologien), EDV (elektronische Datenverarbeitung), DV (Datenverarbeitung), IKA (Information, Kommunikation, Administration) usw. Unter diesen weitläufigen Sammelbegriffen werden Methoden zusammengefasst, die sich mit der Verarbeitung und dem Austausch von Daten mit elektronischen Hilfsmitteln beschäftigen.

Informationsverarbeitung und Informationsübermittlung Die Anwendung der Informatik lässt sich grundsätzlich in zwei Bereiche unterteilen. In der Informatik spricht man dabei von Daten, die verarbeitet und übermittelt bzw. ausgetauscht werden. Die zwei Anwendungsbereiche der Informatik

Datenverarbeitung

Datenaustausch

Verarbeitung von Informationen

Übermittlung von Informationen

Minimalanforderungen: –– elektronisches Medium (z. B. PC) –– Betriebssystem (z. B. für die Datenablage) –– Programm (z. B. Textverarbeitungsprogramm)

Minimalanforderungen: –– mindestens ein Sender und ein Empfänger –– Anschluss von Sender und Empfänger an ein gemeinsames Übermittlungsmedium (z. B. Internet) –– gleiche Sprache von Sender und Empfänger

Gliederung der Kapitel Die folgenden Kapitel erläutern: –– das System der digitalen Datenverarbeitung –– die Mittel zur Datenverarbeitung (Hard- und Software) –– die Sicherheit der Daten –– das Internet als Datenaustauschmedium –– E-Mails als wichtigstes Mittel für den digitalen Datenaustausch –– die wichtigsten praktischen Anwendungen der Datenverarbeitung (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentation)


5.1 Einführung

59

Die digitale Datenverarbeitung Analoge und digitale Informationen Eine Information wird analog genannt, wenn sie unverändert in ihrer natürlichen Erscheinungsform als eigentliches Objekt vorkommt. Wenn eine Person zum Beispiel weint, so ist das Gesicht mit den Tränen usw. als eigentliches Objekt die Information. Digitale Informationen hingegen vermitteln die Aussage über Zeichen, die nicht logisch mit ihr verbunden sind. Die Sprache ist das wichtigste digitale Informations- und Kommunikationsmittel für den Menschen. Wenn wir einer Sache einen Namen geben, so steht dieser Name in einer willkürlich Beziehung zur Sache. Zum Beispiel haben die vier Buchstaben H-U-N-D in dieser Reihenfolge keinen direkten Bezug zu diesem tierischen Lebewesen. Es besteht allerdings eine Art Übereinkommen (eine sogenannte Konven­tion) zwischen den Deutsch sprechenden Menschen, was dieses Wort (Buchstabenkombination) bedeutet. Darum können Menschen fremde Sprachen nicht verstehen, wenn sie die Beziehung zwischen den willkürlichen Zeichen und den entsprechenden Objekten und Sachverhalten nicht verstehen.

Digitalisierung Auch datenverarbeitende Maschinen verstehen nur ihre ganz besondere digitale Zeichensprache. Zu diesem Zweck müssen Informationen umgewandelt werden, das nennt man Digitalisierung oder Codierung Digitalisierung / Codierung: Bezeichnet die Umwandlung von Informationen in eine standardisierte und genormte Form.

Die binäre Datenverarbeitung des Computers Der Computer funktioniert nach dem binären Code, das heisst, er unterscheidet nur zwischen den beiden Werten 0 und 1. Diese werden in Form von Stromstössen (Spannung / keine Spannung) dem Computer eingegeben. Während man auf der Tastatur Tasten betätigt, werden diese Tastenbefehle im PC digitalisiert, also in den oben beschriebenen binären Code übersetzt und mit Hilfe der Grafikkarte an den Bildschirm übermittelt. Das gilt für alle Daten wie auch Bilder und Töne. Bit und Byte Die Verwendung des digitalen Codes, der nur aus zwei Werten (0 oder 1 = ™ oder ˜ = Spannung oder keine Spannung) besteht, hat grosse Vorteile: Damit können alle Daten verarbeitet werden. Einen einzelnen Wert nennt man in der Informatik Bit. Es genügen 8 Bits (eine Reihe von 8 Nullen oder Einsen), um ein Tastatur-Zeichen unverwechselbar darzustellen (8 Bit = 1 Byte = 1 Buchstabe, eine Ziffer oder ein Zeichen). Durch Kombinationen dieser beiden Werte können alle 256 Zeichen auf der Tastatur dargestellt werden. Die folgende Tabelle illustriert das System mit zwei Beispielen: 8 Bit

8 Bit = 1 Byte

Tastaturbefehl

Zeichen

0 00 000

0100 0001

Alt + 065

A

00

0011 1000

Alt + 056

8

000


5.2 Hardware und Software

60

Hardware und Software Bei den Computern unterscheidet man zwischen Hardware und Software.

Hardware Hardware: Sind alle materiellen, berührbaren (physischen) Bestandteile eines Computers. Zur Hardware gehören also Prozessoren, Grafikkarten, Arbeitsspeicher (RAM), Festplatten, Bildschirme, Mäuse usw.

Software Software: Sind die Programme, die in den Computern zur Anwendung kommen. Ein Programm ist nichts anderes als eine Folge von Anweisungen / Vorschriften, auch Handlungsablauf genannt. Für die Verarbeitung von Daten am PC benötigt man verschiedene Programme, die abhängig von ihrem Einsatz oder ihrer Verwendung unterschiedliche, bereits vordefinierte (programmierte) Aufgaben erfüllen oder Funktionen zur Verfügung stellen. Systemprogramme und Anwendungsprogramme Grundsätzlich unterscheidet man zwei Programmgruppen: Systemprogramme und Anwendungsprogramme. Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten Merkmale der beiden Programmtypen:

Systemprogramme

Anwendungsprogramme

Betriebssystem

Applikationen

IBM-kompatible PCs: –– Windows XP, Vista, 7.0, Linux, Mac: –– Mac OS X, Snow Leopard

–– Datenverarbeitung: Word, Excel, PowerPoint, PhotoShop etc. –– Kommunikation: Internet Explorer, Firefox, E-Mail (Outlook)

Das Betriebssystem stellt die Verbindung zwischen den Benutzerinnen und Benutzern sowie der Hard- und der Software her. Für die Arbeit mit ei­nem PC ist die Installation eines Betriebssystems unbedingt notwen­dig, ohne Betriebssysteme läuft nichts. Das Betriebssystem –– führt den Dialog mit den Benutzerinnen und Benutzern –– verwaltet den Speicherplatz –– lädt Programme (die es an der Endung erkennt, z. B. .doc) und beendet sie –– teilt Arbeitsspeicher für laufende Programme zu –– verwaltet die Peripheriegeräte (Drucker, Scanner usw.) –– meldet Fehler (z. B. kein Drucker angeschlossen) usw.

Sie sind die eigentlichen Werkzeuge eines Computeranwenders zur Erfüllung spezieller Aufgaben wie z. B. Schreiben von Texten, Berechnungen, Präsen­ta­ tionen, Zeichnungen, Verwalten von Daten, Führen einer Finanz­buch­haltung, Terminverwaltung usw. Bei den Anwendungsprogrammen unterscheidet man zwischen –– Standard­software (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation usw.) –– Branchensoft­ware (FiBu usw.) –– Individualsoftware (für eine bestimmte Benutzer­gruppe erstellte Programme: CAD, Lagerverwaltung) Für die Arbeit am PC genügen oft wenige Programme, um die häufigsten Arbeiten technisch einfach und korrekt zu erledigen.


5.3 Datensicherheit

61

Datensicherheit Einen wesentlichen Nachteil hat die elektronische Verarbeitung von Daten: Die Daten sind weit unsicherer und anfälliger auf Verlust, unerlaubten Zugriff, mutwillige Veränderungen / Verfälschungen und Diebstahl als Informationen, die z. B. auf Papier vorhanden sind. Um die Vollständigkeit und Integrität (Korrektheit) der Daten jederzeit zu gewährleisten, müssen vorbeugende Massnahmen getroffen werden. Dazu gehören unter andern: –– ein Passwortschutz (Zugriffsberechtigung) –– das sichere Aufbewahren von wichtigen Daten (Feuerschutz, Zugriffsschutz) –– Virenschutz –– Datensicherungsmassnahmen (Backup, Speicherung auf externe Datenträger)

Datensicherung Mit der Datensicherung ist das Anlegen von Sicherungskopien aller wichtigen Datenbestände und die Verwahrung dieser Kopien an einem sicheren Ort gemeint. Zweck der Datensicherung Zweck der Datensicherung ist es, im Fall von Datenverlust oder Datenverfälschung die Daten rasch und zuverlässig rekonstruieren zu können. Eigentlich kommen dafür nur externe Hardware-Komponenten (DVD-RW, Bandsicherung, externe Festplatten) in Frage, da nur diese transportiert und an einem (externen) feuer- und diebstahlsicheren Ort (z. B. in einem Safe) aufbewahrt werden können. Löschen von Daten Beim Löschen einer Datei wird je nach Betriebssystem nur das erste Zeichen im Inhaltsverzeichnis der Festplatte gelöscht (~WRL2115.TMP) und der Platz zum Überschreiben freigegeben. Der eigentliche Inhalt bleibt aber auf der Platte und kann wieder eingelesen werden (Undelete-Programme). Dasselbe gilt für das Verschieben in den Papierkorb. Bevor also ein PC verschenkt wird, sollten alle Daten unwiederbringlich gelöscht werden, sonst sind sie für den neuen Besitzer eine wahre Fundgrube (persönliche Mails, Steuererklärungen usw.).

Virenschutz Computerviren bedrohen alle Computer, die ans Internet angeschlossen sind und mit denen externe Daten gespeichert oder geöffnet werden. Computerviren: Sind Programme, die sich selbständig und unbemerkt vervielfältigen (duplizieren) und anschliessend oder zu einem späteren Zeitpunkt unerwünschte, zumeist zerstörerische Aktionen durchführen. Ein Computervirus lässt sich durchaus mit einem Grippevirus beim Menschen vergleichen: Man steckt sich unbemerkt an, und wenn die Krankheit ausbricht (das Virus wirksam wird), ist es für vorbeugende Massnahmen (Prävention) zu spät. Um den eigenen Computer vor Viren zu schützen, muss man ein Anti-Viren-Programm installieren.



6. Migration Beni Schwegler


6.1 Begriffe und Übersicht

74

Migration Migration: Ist der Überbegriff für freiwillige oder erzwungene Wanderungen von Menschen und Menschengruppen. Menschen, die einzeln oder in Gruppen ihre bisherigen Wohnorte verlassen, um sich an anderen Orten dauerhaft oder zumindest für eine längere Zeit niederzulassen, werden als Migranten bezeichnet. Pendler, Touristen und andere Kurzzeitaufenthalter fallen nicht darunter. Das Verlassen eines Landes bezeichnet man als Emigration, die Einwanderung in ein Land als Immigration. Nach Schätzungen der UNO aus dem Jahr 2005 galten weltweit rund 190 Millionen Menschen als Migranten. Als Flüchtlinge werden Menschen bezeichnet, die ihre Heimat verlassen müssen, weil sie verfolgt werden und so an Leib und Leben gefährdet sind.

Politische Flüchtlinge /Asylanten Flüchtlinge: Sind Menschen, die aus „begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung“ fliehen. (Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951). Diese Menschen könnten nur unter Lebensgefahr in ihr Heimatland zurückkehren. Wer aus einem der obgenannten Gründe flieht, gilt als politischer Flüchtling. Flieht er in ein Land, das die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat (das sind die meisten Staaten der Erde) muss dieser Staat ihm Asyl gewähren. Asyl: Aufenthalt, den ein Staat einem Ausländer gewährt, um ihn dauernd oder vorübergehend vor Verfolgung zu schützen.

Wirtschaftsflüchtlinge Die meisten Migranten verlassen aber aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land, weil sie sich im Zielland bessere Arbeits- und Lebensbedingungen versprechen. Sie gelten nicht als Flüchtlinge. Ihnen muss daher auch kein Asyl gewährt werden. Problematik Für staatliche Behörden ist es oftmals äusserst schwierig abzuklären, ob eine Person aus politischen oder aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen hat. Noch schwieriger wird es, wenn nicht abgeklärt werden kann, woher eine Person gekommen ist. Sie kann dann nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben werden.

Wirtschaftlich erwünschte Migration Es gibt Migranten, die beruflich hoch qualifiziert sind. Diese sind in der Regel in den Aufnahmeländern sehr willkommen. Anderseits gibt es Migranten, die bereit sind, Arbeiten zu verrichten, die von den Einheimischen eher gemieden werden. Auch diese sind im Zielland in der Regel willkommen. In den wirtschaftlichen Boom-Jahren sind fremde Arbeitskräfte jeweils mehr gefragt als in Rezessionsjahren.


6.1 Begriffe und Übersicht

75

RUSSLAND

aus China, Korea und Philippinen Japan

WESTEUROPA

Türkei

NORDAMERIKA

Nordafrika aus Indien

Mexiko

VENEZUELA

Zentralamerika und Karibik Nach Asien (hauptsächlich Japan)

Russischer ferner Osten

Südkorea

Ägypten GOLF STAATEN

JAPAN

China

in die USA

Südostasien

aus Südamerika

Indien Westafrika ELFENBEINKÜSTE UND GHANA

Peru und Kolumbien

Libyen

Zentralasien

Quelle: Atlas der Globalisierung

Die weltweiten Migrationsströme

Sudan Zentral- und Ostafrika

Somalia

Bolivien, Paraguay

in die USA

Chile

AUSTRALIEN UND NEUSEELAND

SÜDAFRIKA ARGENTINIEN

wichtige Herkunftsregionen

hoch qualifizierte Wirtschaftsflüchtlinge

Zielländer, die viele Armutsund Wirtschaftsflüchtlinge aufgenommen haben

gering und unqualifizierte Armutsflüchtlinge nennenswerte interne Wirtschaftsmigration

Die Ursachen von Migration sind vielfältig. Meistens wirken Push- und Pullfaktoren zusammen.

Push-Faktoren Mit Pushfaktoren (Schubfaktoren) werden Bedingungen im Herkunftsland bezeichnet, die von einzelnen Menschen oder von ganzen Gruppen von Menschen als unbefriedigend bis lebensbedrohlich empfunden werden. Ursachen für die Flucht sind: – Armut – Überbevölkerung – bewaffnete Konflikte – Vertreibungen Häufig treten mehrere dieser Ursachen gleichzeitig auf, was den Abwanderungsdruck noch erhöht.

Pull-Faktoren Als Pullfaktoren (Sogfaktoren) bezeichnet man die Bedingungen am Zielort, von denen sich Migranten ein besseres Leben versprechen. Die Wahl der Einwanderungsgebiete wird durch die Sogfaktoren bzw. die Pull-Faktoren bestimmt: – gute Wirtschaftslage, hoher Lebensstandard – Sicherheit – Bildungsmöglichkeiten – günstige Einwanderungsgesetze – Akzeptanz der einheimischen Bevölkerung Mittlerweile blüht ein menschenverachtendes Geschäft mit billigen Arbeitskräften und Prostitution, das von professionellen Vermittlern und sogenannten Schleppern betrieben wird.



7. Ethik Claudio Caduff Thomas von Burg


7.1 Einführung

80

Begriffe Ethik Die Menschen sollen untereinander als Gemeinschaft gut zusammenleben kön­­nen – in der Familie, in der Schule, in verschiedenen Gruppen, am Arbeitsplatz, in einem Dorf, in einer Stadt, in einem Land oder auf der ganzen Welt. Dazu reichen jedoch Gesetze, Verbote und Gebote nicht aus. Es bedarf auch einer guten persönlichen, inneren Einstellung jedes Einzelnen, die das Handeln entsprechend leiten sollte. Ethik: In ihr wird über Grundsätze der Moral, über ihre Begründung (worauf basiert diese?) und über ihre Anwendung nachgedacht. Ethik bezieht sich immer auf Fragen, die alle Menschen betreffen. Es geht also um die Frage, wie wir leben sollen. Konkret: Was darf ich tun? Wie soll ich mich verhalten? usw. Auch wenn die Ethik sich mit menschlichem Handeln beschäftigt, so ist sie keine Handlungstheorie. Es geht ihr vielmehr um solche Handlungen, die als moralisch bezeichnet werden können. In diesem Zusammenhang beschäftigt sie sich mit Begriffen wie Moral, Werte, Freiheit und Gerechtigkeit. Die angewandte Ethik setzt sich ihrerseits mit moralischen Fragen in speziellen Lebensbereichen auseinander (siehe S. 86 f.).

Moral Der Begriff Moral kann sich auf die Gesellschaft oder auf die einzelnen Menschen beziehen. Moral in der Gesellschaft: Sie umfasst alle Werte und Normen, die das zwischenmenschliche Verhalten bestimmen (z.B. dass man grundsätzlich Achtung vor den Mitmenschen hat). Moral für den Einzelnen: Sie bestimmt das persönliche Verhalten aufgrund individueller Werte (z.B. dass ich meine Eltern im Alter pflegen werde). Bei der Moral stehen also Normen und Werte im Zentrum.

Moralische Normen Moralische Normen: Sie sind verbindliche moralische Forderungen, was sein und was gelten soll. Sie legen also fest, wie Werte zu realisieren sind. Beispiel Die modernen Menschenrechte sind allgemeingültige Normen. Ihnen liegt u. a. die Norm «Alle Menschen sind gleich» zugrunde. Nicht zu verwechseln sind die moralischen Normen mit anderen Normen, bei denen es sich um verbindliche Bestimmungen handelt (gesetzliche Normen, Industrienormen usw.).


7.1 Einführung

81

Werte Werte: Sie sind ein Orientierungsmassstab, an dem Menschen ihr Handeln ausrichten. In unterschiedlichen Kulturen gibt es verschiedene Werte mit unterschiedlichen Bedeutungen. Wertepluralismus In früheren Zeiten gaben autoritäre Instanzen wie die Kirche und der Staat den Menschen eine Vielzahl von verbindlichen Werten vor. In den heutigen pluralistischen Gesellschaften der westlichen Welt gelten Werte jedoch zunehmend als etwas Persönliches. Die Menschen entwickeln aus sich heraus ihre eigenen Werte, die vor allem ihren persönlichen Bedürfnissen entsprechen. Darum spricht man heute auch vom Wertepluralismus. Dennoch gibt es bei uns Werte, die allgemein gelten (z.B. Ehrlichkeit, Fürsorge). Bevorzugte Werte junger Berufslernender Eine Untersuchung zu den bevorzugten Werten von jungen Berufslernenden in der Schweiz hat ergeben, dass vier Werte für beinahe alle von grosser Bedeutung sind: – wahre Freundschaft – Fröhlichkeit – Ehrlichkeit – Offenheit Vier weitere Werte sind für viele, wenn auch nicht für alle, bedeutend: Frieden in der Welt, Fürsorge in der Familie, Hilfsbereitschaft, erfüllte Liebe. Folgende Tugenden aus früheren Zeiten sind mittlerweile ohne grosse Bedeutung: Disziplin, Gehorsamkeit, Leistungsbereitschaft und Weisheit.


7.2 Freiheit und Gerechtigkeit

82

Freiheit In der Moral spielt die Freiheit eine grosse Rolle.

Moral und Handlungsfreiheit Moralisches und unmoralisches Handeln ist nur möglich, wenn ein Mensch ein bestimmtes Mass an Freiheit besitzt, d.h. wenn er aus verschiedenen Handlungsmöglichkeiten auswählen kann. Beispiele – Wenn eine gesunde Frau während einer Autofahrt am Steuer einen Hirnschlag erleidet und dabei einen Unfall verursacht, bei dem eine vierköpfige Familie stirbt, dann wird ihr niemand unmoralisches Handeln vorwerfen können. Die Frau hatte weder eine bewusste Entscheidung gefällt noch hatte sie aus einer möglichen Zahl von Handlungsalternativen auswählen können. – Wenn ein verzweifelter Geschäftsmann vor dem Konkurs sich das Leben nimmt, indem er in einen entgegenfahrenden Lastwagen fährt, dann ist dies unmoralisch, weil er damit dem Lastwagenfahrer schwere psychische Schäden verursacht. Der Geschäftsmann hatte sich frei für diese Form des Selbstmordes mit unfreiwilliger Beteiligung anderer Menschen entschieden. Er hätte aber auch andere Formen des Freitodes wählen können.

Negative und positive Freiheit Negative Freiheit: Sie ist der Bereich des Menschen, in dem er unbehindert ist von Eingriffen von aussen und in dem er tun und lassen kann, was er will. Bei der negativen Freiheit spricht man oft auch von der «Freiheit von…» (äusserem Zwang). Liberalismus Verfechter der negativen Freiheit betonen besonders die Rechte des Individuums gegenüber dem Staat. Freiheit bedeutet für sie vor allem Schutz vor Eingriffen des Staates. Auch die Wirtschaftsfreiheit wird vor allem als möglichst geringe Einflussnahme des Staates (z.B. Arbeitsrecht, Steuern) verstanden. Diese Position wird als liberal bezeichnet. Positive Freiheit: Sie ermöglicht dem Menschen die Gestaltung seines Lebens in einer Gemeinschaft. Die positive Freiheit wird häufig als «Freiheit zu…» (einem selbstbestimmten Leben) bezeichnet. Diese beiden Verständnisse von Freiheit spielen in der politischen Diskussion eine bedeutende Rolle. Kommunitarismus Für Anhänger der positiven Freiheit steht das Leben in der Gemeinschaft im Vordergrund. Dieses Leben schränkt zwar das Individuum ein, doch durch ein grosses Mitbestimmungsrecht gewinnt man viel (positive) Freiheit. Hier gilt ein starker, von allen mitgestalteter Staat (der z.B. für die sozial Schwachen sorgt) als ideale Gemeinschaft. Dies ist die kommunitaristische Haltung (d.h. Gemeinsinn und soziale Tugenden stehen im Vordergrund).


7.2 Freiheit und Gerechtigkeit

83

Gerechtigkeit Gerechtigkeit ist ein Begriff, der sich nicht auf das Gesetz beschränkt. Die Gerechtigkeit ist ein zentrales Element der Ethik. Gerechtigkeit: Ist eine Grundhaltung, wonach jemand Richtig und Falsch sorgfältig abwägt und danach handelt. Gerechtigkeit spielt in vielen Bereichen eine wichtige Rolle, unter anderem in der Rechtsprechung, im gesellschaftlichen Leben und im Sport.

Gerechtigkeit in der Rechtsprechung Recht und Gerechtigkeit sind nicht das Gleiche, aber das eine ist ohne das andere nicht denkbar: Solange Gerechtigkeit in Gesetzen nicht festgeschrieben wird, ist sie unverbindlich; und Gesetze, die ungerecht sind, darf es in einem Rechtsstaat nicht geben. Beispiel: Die Bundesverfassung enthält zwar den Begriff Gerechtigkeit nicht. Doch die in Artikel 7 bis 34 garantierten Grundrechte für alle Menschen sind die staatliche Sicherung von Gerechtigkeit. Und nach Artikel 2 setzt sich die Schweiz «für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung» ein.

Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Leben Die soziale Gerechtigkeit wird in verschiedene Bereiche unterteilt: Chancengerechtigkeit

Nach dem Prinzip der Chancengerechtigkeit soll jeder Mensch dieselben Chancen und Möglichkeiten haben, am politischen (z.B. an Wahlen), am wirtschaftlichen (z.B. als Aktionär) und am gesellschaftlichen Leben (z.B. an kulturellen Anlässen) teilzunehmen. Beispiel: Ganz wichtig ist die Chancengerechtigkeit in der Bildung: Es sollten alle Kinder entsprechend ihren Begabungen und Fähigkeiten in der Schule gefördert werden.

Chancengleichheit

Die Chancengleichheit gibt allen Menschen das Recht auf eine gerechte Verteilung von Zugangs- und Lebenschancen (z.B. medizinische Versorgung). Beispiel: Das in den Menschenrechten festgehaltene Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechtes, der Religion oder der Herkunft garantiert die Chancengleichheit.

Verteilgerechtigkeit

Grundsätzlich heisst Verteilgerechtigkeit: Alle erhalten gleich viel. In unserer Gesellschaft besteht diese Gerechtigkeit nicht. Dennoch gibt es im sozialen Ausgleich Elemente der Verteilgerechtigkeit. Beispiel: Über die Steuern nimmt der Staat jenen, die viel verdienen und besitzen, einen Teil davon weg, um es jenen zu geben, die schlechter gestellt sind. Dahinter liegt die Grundidee des Sozialstaates, wonach jedem Menschen zumindest eine existenzsichernde Grundversorgung zusteht (Prinzip der Umverteilung).

Gerechtigkeit im Sport Im Sport wird anstelle des Wortes Gerechtigkeit der englische Begriff «Fairness» verwendet. Er bedeutet, dass man sich im Spiel an die Regeln hält, den Gegner achtet und anständig spielt. Es gibt im Sport auch viele ungeschriebene FairnessRegeln. Beispiel: Im Curling verlangt es die Fairness, dass ein unabsichtlich verschobener eigener Stein vom Feld genommen wird, auch wenn die Gegner und die Schiedsrichter den Verstoss nicht bemerkt haben.



8. Der Staat Claudio Caduff Jakob Fuchs


8.1 Willensbildung

98

Politik Politik: Menschen versuchen das öffentliche Leben (in Gemeinde, Kanton und Bund) nach ihren Vorstellungen und Interessen zu gestalten. Als Teil der «Öffentlichkeit» (zum Beispiel als Arbeitnehmer oder Arbeitneh­merin, als Familienmitglied, als junger Mensch) sollte man Probleme hinterfragen und dann dazu Stellung nehmen, damit auch eigene Interessen verwirklicht werden können.

Durchsetzung von Interessen In der Politik geht es um die Durchsetzung von Interessen. Dies kann erreicht wer­ den durch folgende Mittel/Massnahmen: – Gewalt: Argumente sind nicht gefragt, die Entscheidung wird erzwungen. – Überzeugung: Die besseren Argumente dringen durch und entscheiden. – Kompromiss: Argumente verschiedener Standpunkte führen im Entschei­­dungs­ prozess zu einem Mittelweg, der von beiden Seiten anerkannt wird.

Lösungsfindung In der Demokratie sind Problemlösungen mittels Gewalt nicht zulässig. Entschei­ dungen werden von der Mehrheit aufgrund stichhaltiger Argumente errungen, ­meistens ist die Lösung ein Kompromiss.

Interessengruppen ➔ www.verlag-fuchs.ch/staat

n i c e

t o

Um zu einer Mehrheit zu kommen, schliessen sich Leute mit gleichen oder ähnlichen Erwartungen zusammen. Es entstehen Interessengruppen: Parteien, Ver­bände usw.

k n o w

2009: Politische Ereignisse in der Schweiz und in der Welt 03.01.: Israel marschiert im

20.08.: Bundespräsident Merz

von der «grauen Liste» der OECD

17.11.: Israel provoziert die

Gazastreifen ein.

fliegt nach Libyen, entschuldigt

gestrichen.

Weltöffentlichkeit mit einer

20.01.: In Washington wird

sich für die Verhaftung des

27.09.: Das Schweizer Stimmvolk

weiteren Genehmigung von

Barack Obama als 44. Präsident

ältesten Sohns von Staatspräsi-

stimmt der befristeten Anhebung

Siedlungsbauten im besetzten

der USA vereidigt.

dent Ghadhafi und unterzeichnet

der Mehrwertsteuer zur Sanierung

Westjordanland.

08.02.: Mit rund 60% heisst das

einen Vertrag zur Normalisierung

der IV zu.

18.11.: Die Schweiz übernimmt

Schweizer Stimmvolk die Weiter-

der Beziehungen. Er kehrt aber

27.09.: Bei der Bundestagswahl

für 6 Monate die Präsidentschaft

führung der Personenfreizügig­keit

ohne die beiden Schweizer

in Deutschland erreichen CDU/

des Europarates in Strassburg.

mit der EU und deren Ausdeh-

Geiseln zurück.

CSU und die FDP die Mehrheit

29.11.: Die Schweizer Stimmbe-

nung auf Bulgarien und

16.09.: Der Neuenburger-Stände-

der Sitze. Sie bilden eine neue

rechtigten nehmen mit 57,5% die

Rumänien gut.

rat Didier Burkhalter wird als

Koalitionsregierung.

Anti-Minarett-Initiative an.

27.02.: Präsident Obama gibt den

Nachfolger von Pascal Couchepin

02.10.: Das irische Stimmvolk

01.12.: Der Vertrag von Lissabon

Abzug der amerikanischen

zum Bundesrat gewählt.

nimmt in einer 2. Abstimmung

tritt in den 27-EU-Staaten in Kraft.

Truppen aus dem Irak bis Ende

17.09.: Präsident Obama verzich-

(nach der Ablehnung vom

18.12.: Am Klimagipfel in

August 2010 bekannt.

tet auf das geplante Raketenab-

12.6.2008) den EU-Vertrag von

Kopenhagen einigen sich die

25.05.: Mit einem Atomtest

wehrsystem in Polen und in

Lissabon an.

Teilnehmer auf ein vages Mini-

provoziert Nordkorea die Welt.

Tschechien.

03.11.: Tschechien unterzeichnet

malziel: die Begrenzung der

20.06.: In Teheran kommt es zu

24.09.: Die Schweiz unterzeich-

als letztes EU-Land den Vertrag

Erderwärmung auf 2° Celsius bis

Massenprotesten nach den

net mit Katar das 12. Doppel­

von Lissabon. Somit kann dieser

ins Jahr 2100. Das Dokument ist

offenkundigen Wahlfälschungen

besteuerungsabkommen gemäss

in Kraft gesetzt werden.

weder rechtlich noch politisch

bei den Präsidentenwahlen.

OECD-Standards. Sie wird damit

bindend.


8.1 Willensbildung

99

Drei Dimensionen der Politik Politik kann in drei Dimensionen aufgegliedert werden. Da die deutsche Sprache nur ein Wort für alle drei Dimensionen kennt, sind wir auf die Begriffe aus dem Englischen angewiesen. Wir unterscheiden: Polity, Policy und Politics.

Polity Polity: Sie umfasst die Form des Politischen. Dazu gehören die Verfassung, die Gesetze, die internationalen Abkommen sowie die Institutionen (Parlament, Regierung, Gericht) und weitere Organisationen (Parteien, Verbände usw.). Durch die Polity wird der Handlungsrahmen abgesteckt: Sie bestimmt Inhalt und Verlauf der Politik. Zum politischen Handlungsrahmen gehört auch die politische Kultur. Darunter versteht man die für eine bestimmte Gesellschaft typischen po­ litischen Einstellungen, Orientierungsmuster und Verhaltensweisen (in der Schweiz z.B. die Konkordanzdemokratie).

Policy Policy: Sie ist die inhaltliche Dimension des Politischen. Es geht um die Art und Weise der Aufgabenerfüllung, um die Frage, wie Problemlösungen gefunden werden und wie politische Gestaltung möglich ist. Parteien oder Regierungen formulieren z.B. Politikprogramme. Diese führen über inhaltliche Positionen zu entsprechenden Aktivitäten in den verschiedenen Poli­ tikbereichen (z.B. eine Initiative für die steuerliche Entlastung der Familien).

Politics Politics: Diese Dimension beschreibt den Prozess des Politischen. Hier geht es um die Frage, wer in welcher Weise an den Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt ist und wie solche zustande kommen. Politics gibt Aufschluss darüber, wie eine bestimmte Policy also zustande kommt (z.B. zu den hohen Agrarsubventionen in der Schweiz). Da die Interessen in aller Regel stark auseinandergehen, steht die Austragung von Konflikten im Vordergrund. Politics meint also den Kampf zwischen verschiede­ nen Gruppen und Personen um Macht, Machtanteile und Einflussnahme.

Polity, Policy, Politics im Überblick Begriff

Erscheinungsform

Merkmal

Polity (Form)

– Verfassung – Gesetze – Institutionen

– Organisation – Verfahrensregelungen – Ordnung

Policy (Inhalt)

– Aufgaben und Ziele – politische Programme

– Problemlösung – Aufgabenerfüllung – Wert- und Zielorientierung – inhaltliche Gestaltung

Politics (Prozess)

– Interessen – Konflikte – Kampf

– Macht – Konsens – Durchsetzung


8.1 Willensbildung

100

Pluralismus Pluralismus: Vielfalt, Vielgestaltigkeit. Seit jeher haben wir in der Schweiz eine Vielfalt von geografischen Strukturen, eine Vielfalt von geschichtlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwick­ lungen, eine Vielfalt von politischen und wirtschaftlichen Gruppierungen.

Beispiele für Pluralismus Geografie – Landschaften (10% Jura, 30% Mittelland, 60% Alpen) – Berggebiete, Talgebiete – Städtische Agglomerationen, ländliche Gegenden Geschichte – 26 Kantone – Diverse Konfessionen Gesellschaft – Unterschicht, Mittelschicht, Oberschicht – Schweizerinnen und Schweizer, Ausländerinnen und Ausländer Kultur – Vier Landessprachen mit vielen Dialekten – Brauchtum – Massenmedien (Presse, Radio, Fernsehen) – Vereine und Organisationen Politik – Parteien Wirtschaft – Verbände von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, Mieterinnen und Mietern, Hauseigentümerinnen und Hauseigen­ tümern – Auszubildende, Berufstätige, Rentnerinnen und Rentner

Politischer Pluralismus Politischer Pluralismus: Vielfalt von gleichberechtigten Meinungen und Ideen, die auch frei geäussert werden dürfen (Meinungspluralismus). Freie Wahlen (BV 34, 39, 136) und die Meinungs- und Informationsfreiheit (BV 16, siehe S.163) sowie die Medienfreiheit (BV 17) sind zentrale Bestandteile des politischen Pluralismus. Das demokratische Prinzip verlangt, dass sich die Minderheit der Mehrheit fügt.


8.1 Willensbildung

101

Aufgaben der Massenmedien Massenmedien: Aktuelle und schnelle Informationsträger, die grosse Massen erreichen können, zum Beispiel Presse, Radio, Fernsehen und Multimedia. Für die Demokratie haben die Massenmedien drei Hauptaufgaben: – Information – Mitwirkung an der Meinungsbildung – Kontrolle und Kritik

Information Die Massenmedien sollen möglichst sachlich, umfassend und verständlich infor­ mieren, damit die Konsumenten der Massenmedien das öffentliche Geschehen ver­ folgen können. Dank den Informationen aus den Medien können die Bürgerinnen und Bürger die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge verstehen, ihre eige­ nen Interessenlagen erkennen und über die Absichten und Handlungen aller Perso­ nen, die öffentlich tätig sind (besonders die Politikerinnen und Politiker), unter­ richtet sein. Mit dieser Voraussetzung können die Leute selber am öffentlichen Geschehen teil­ nehmen, sei es als Wählende und Abstimmende, als Mitglieder einer Partei oder als Unterzeichnende von Initiativen, Referenden und Petitionen.

Mitwirkung an der Meinungsbildung Die Demokratie lebt davon, dass Fragen des öffentlichen Interesses in freier und offener Diskussion erörtert werden. Die Massenmedien bieten dabei die öffentli­ che Arena, in der dieser Kampf der Meinungen ausgetragen wird, damit die Bürge­ rinnen und Bürger ihre eigene Meinung bilden können. In unserer modernen, komplexen Gesellschaft gibt es eine Vielzahl von Interessen­ gruppen, die zum Teil in scharfer Konkurrenz zueinander stehen. Auch hier kommt den Medien die Aufgabe zu, diesen Meinungspluralismus angemessen widerzuspie­ geln.

Kontrolle und Kritik In der Demokratie ist die Kontrolle der staatlichen Institutionen in der Verfassung fest verankert. Dennoch reicht diese häufig nicht aus, um Filz oder gar Korrup­tion zu verhindern. Häufig spüren Massenmedien Ungereimtheiten und Missstände in der Politik auf und machen diese publik. Die Kontrollfunktion beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Staat, sondern sie erstreckt sich auf die gesamte Gesellschaft (z.B. auf die Wirtschaft). ➔ www.verlag-fuchs.ch/staat

Neben den oben beschriebenen Funktionen haben die Massenmedien noch weitere Aufgaben (z.B. Unterhaltung und Bildung).


8.1 Willensbildung

102

Die öffentliche Meinung Öffentliche Meinung: Die im Volk vorherrschende Meinung. Beispiel: «Verbotene Sterbehilfe» (14.10.2007) Gemäss einer Repräsentativumfrage (501 Personen) von Isopublic im Auftrag der SonntagsZeitung können sich 53,8% der Befragten vorstellen, die Dienste einer Sterbehilfeorganisation in Anspruch zu nehmen. 34,4% wollen dies nicht und 11,8% hatten keine Meinung. Von allen Befragten sind 62,9% dafür, dass der Freitod in der Wohnung des Sterbewilligen stattfindet. Die vorherrschende Meinung wird durch Informationen aus den Massenmedien gebildet. Behörden, Parteien, Verbände und Privatpersonen versuchen dabei, Ein­ fluss auf die Meinungsbildung zu nehmen.

Die Gefahr der einseitigen Beeinflussung Im Gegensatz zur herkömmlichen Kommunikation (Beispiel: Gespräch zwischen zwei Personen) verläuft der Informationsfluss bei den Massenmedien einseitig:

Der Sender (Interessengruppe, Nachrichtenagentur, Redaktor/Redaktorin) ent­ scheidet, welche Information vermittelt werden soll, und bearbeitet sie nach seiner Vorstellung. Die Empfänger können nicht direkt auf die Information reagieren. Eine direkte Auseinandersetzung mit dem Sender, wie z.B. bei einem Gespräch, ist nicht möglich. Wenn Empfänger mit dem Inhalt einer Sendung nicht zufrieden sind oder ihnen die Art der Darstellung nicht gefällt, können sie höchstens das Fernsehgerät oder den Radioapparat ausschalten oder einen Leserbrief schreiben. Da der Sender die Informationen nach seinem Willen bearbeitet, ist die Gefahr der einseitigen Beeinflussung (Manipulation) der Empfänger gross. Nur wer sich vielsei­ tig informiert, ist der Gefahr einseitiger Beeinflussung weniger stark ausgesetzt.

Die «4. Gewalt» im Staat Die Massenmedien erreichen grosse Teile der Bevölkerung. Daher sind sie ein ernst zu nehmender Machtfaktor. Wirtschaft und Politik nutzen dieses Instrument, um damit das Bewusstsein der Öffentlichkeit möglichst stark zu beeinflussen. Entsprechend der Art, wie Informationen dargestellt und verbreitet werden, wird die öffentliche Meinung beeinflusst (manipuliert). Nebst dem Parlament (1. Ge­ walt), der Regierung (2. Gewalt) und den Gerichten (3. Gewalt) werden die Mas­ senmedien daher häufig auch als 4. Gewalt im Staat bezeichnet.


8.1 Willensbildung

103

Die Nachrichtenauswahl Jeden Tag passieren auf der Welt zahllose mehr oder weniger berichtenswerte Din­ ge. Es ist klar, dass die Zeitungen, die Fernseh- und Radiosender, aber auch das Internet nicht über alle Ereignisse berichten können. Also müssen die Massenme­ dien eine Auswahl treffen. Je nach Medium können die Auswahlkriterien unterschiedlich gewichtet werden. Das Grundprinzip der Auswahl ist jedoch immer die Frage: Was interessiert die Zuschauerin, den Zuhörer, die Leserin? Und von Interesse für diese ist immer das, was sie persönlich betrifft (z.B. Geschichten über Menschen in gleichen Lebens­ situationen). Ein weitverbreitetes Auswahlschema für Massenmedien ist das GUN-Prinzip.

Das GUN-Prinzip der Nachrichtenauswahl GUN-Prinzip: Das Auswahlprinzip für Nachrichten orientiert sich am Gesprächs­ wert (G), am Unterhaltungswert (U) und an der Neuigkeit (N) eines Ereignisses. Gesprächswert Einen hohen Gesprächswert hat ein Ereignis, über das gesprochen, diskutiert wird, über das sich viel Leute ärgern oder freuen, zum Beispiel: – aussergewöhnliche Ereignisse – personenbezogene Nachrichten (vor allem über Prominente) – negative Nachrichten – Ereignisse, die in der Nähe der Medienkonsumenten geschehen sind (z.B. lokale Nachrichten) Unterhaltungswert Ereignisse, die einen engen Zusammenhang mit dem Leben der Leser, Hörer usw. haben, sind besonders interessant. Es werden dabei deren Wünsche und Sehnsüch­ te angesprochen. «Sex and Crime» und die sogenannten Softnews (Nachrichten über Prominente) verkaufen sich besonders gut. Was verblüfft und belustigt, kommt bei den Medienkonsumenten auch gut an. Neuigkeitswert Je unerwarteter ein Ereignis geschieht, umso besser eignet es sich als Nachricht. Hier geht es auch um die Sensationslust der Leute. Sogenannte Sensationsnachrichten sind meistens Small-Talk-Themen. Oft beginnt ein solches Gespräch mit den Worten: «Hast du schon gehört, dass...?»



9. Ă–kologie Christina Mihajlovic-Wachter Claudio Caduff


9.1 Einführung

172

Begriffe Ökologie Ökologie: Sie beschäftigt sich mit den komplexen Wechselbeziehungen der Lebewesen untereinander und zu ihrer unbelebten Umgebung (zu ihrem Lebensraum). Der moderne Mensch verändert die Umwelt in sehr starkem Masse: Bergbau, Landwirtschaft, Industrie, Städtebau usw. und der damit verbundene Verbrauch von Energie und Stoffen (chemische Elemente und Verbindungen) geschehen in grossem Massstab. Damit werden Eigenschaften der Umgebung verändert. Dies hat schwer abschätzbare Folgen für die Pflanzen, für die Tiere und für den Menschen selbst.

Ökosystem Ökosystem: Zeigt die wechselseitigen komplexen Beziehungen zwischen einer bestimmten Lebensgemeinschaft (Biozönose) und deren Lebensraum (Bio­top). Ökosysteme sind keine abgeschlossenen Systeme. So können z. B.die Grenzen zwischen dem Waldökosystem und dem Wiesenökosystem nicht genau festgelegt werden. Der Begriff Ökosystem wird zum einen abstrakt verwendet, man spricht z.B. vom Ökosystem See. Andrerseits spricht man z.B. konkret vom Ökosystem Zugersee. Die Gesamtheit aller Ökosysteme auf der Erde nennt man Öko- oder Bio­sphäre.

Stoffkreislauf Stoffkreislauf: Er bezeichnet einen Kreislauf von chemischen Verbindungen, die über eine Reihe von Prozessen und Formen wieder zu ihren Ursprungsstoffen werden. Es gibt viele verschiedene Stoffkreisläufe in Ökosystemen. Für das Leben wichtig sind der Wasserstoff-, der Sauerstoff-, der Kohlenstoff-, der Stickstoff-, der Schwefel- und der Phosphorkreislauf. In den Kreisläufen der Natur ergänzen sich Prozesse gegenseitig so, dass kein Rest entsteht. Man spricht daher von geschlossenen Kreisläufen. Beispiel: Über den Nährstoffkreislauf gelangen Stoffe von den Produzenten (Pflanzen) zu den Konsumenten (Menschen, Tiere). Von den Konsumenten gelangen sie an die Destruenten (Bakterien, Pilze) und von diesen gehen die Stoffe wieder zu den Produzenten (Pflanzen). Durch menschliche Tätigkeiten werden die Stoffkreisläufe häufig aufgebrochen (siehe dazu den Kohlenstoffkreislauf S. 175).

Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit: Sie umschreibt allgemein den sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen. Abbauen und Nachwachsen der Ressourcen sollten im Gleichgewicht stehen, so dass der Lebensraum seine Funktionen, z.B. Bereitstellung von Nahrung und sauberem Trinkwasser, weiterhin erfüllen kann. Nachhaltige Produktionsmethoden und Lebensweisen basieren auf möglichst geringem Ressourcenverlust.


9.1 Einführung

173

Ökologische Aspekte: Probleme / Ursachen

Die natürlichen Lebensbedingungen des Menschen sind vielfältig beeinträchtigt.

Aspekt

Probleme

Ursachen (nicht vollständig)

Luft

–B ildung von Ozon an wärmeren Tagen in der bodennahen Luftschicht (Atemwegserkrankungen bei Mensch und Tier) – Bildung von Feinstaub (Atemwegsund Krebserkrankungen) – Ozonabbau in der Atmosphäre, verstärkte UV-Strahlung (Hautkrebs)

–V erbrennung von Treibstoffen – Verbrennung von Haushalt- und Industrieabfällen – Herstellungsprozesse (z.B. chemische Industrie, Stahlindustrie)

Boden

–V ersiegelung des Bodens (geringere landwirtschaftliche Erträge) – Erosion (Wegschwemmen des fruchtbaren Bodens) – Belastete Böden – Verdichtete Böden

–V erbauung (Strassen, Gebäude usw.) – Abholzung – Schadstoffe im Boden und Versalzung (durch Austrocknung) – Landwirtschaft mit schweren Maschinen

Wasser

–A bsinken des Grundwasserspiegels (Austrocknung des Bodens) – Versalzung (Unfruchtbarkeit des Bodens) – Zunahme der Wüsten

– übermässiger Wasserverbrauch – Verschmutzung der Wasserreserven

Biodiversität

–V erschwinden von Arten und Lebensräumen – Verringerung der genetischen Vielfalt

– Verbauung des Lebensraums – Erwärmung des Klimas – Übernutzung (z.B. Leerfischen der Ozeane)

Klima

Treibhauseffekt, Klimaerwärmung (mehr Stürme, Überschwemmungen, Abschmelzen des Polareises und der Gletscher usw.)

– Verbrennung fossiler Brennstoffe – Abholzung – Rinderzucht, Reisanbau (Methan­ gase)

Abfall

Störung der natürlichen Stoffkreisläufe durch Abfall, der die natürlichen Ökosysteme überfordert

–K onsum von zu vielen und nicht nachhaltig produzierten Gütern (Energie, Nahrung, Kleidung, Bauten usw.) – Verbrennung von Abfall

Lärm

Lärmbelastung (Schlaf­störungen, Konzentrationsschwächen, verminderte Lernfähigkeit bei Kindern usw.)

–V erkehr (Strassen-, Schienen- und Luftverkehr) – Industrie

Elektrosmog

Elektrostrahlungen (Nervosität, Schlafstörungen, Gliederschmerzen usw.)

– – – – – – –

Hochspannungsleitungen Eisenbahnfahrleitungen elektrische Geräte Mobilfunkantennen Radio- und Fernsehsender Radaranlagen Mikrowellenöfen


2. Ökologie 9.1 Einführung

174

Schadstoffanreicherung (Bioakkumulation) Vom Menschen ins Wasser, in die Luft oder in den Boden eingebrachte Stoffe werden in den Ökosystemen angereichert und können so Pflanzen, Tiere und Mensch schädigen.

Schadstoff («Umweltgift») Schadstoff: Ein Stoff, der aufgrund menschlicher Tätigkeiten in die Umwelt gelangt. Einerseits kann es sich um einen natürlich vorkommenden Stoff handeln, dessen Konzentration aber durch die menschlichen Tätigkeiten verändert wird (Kohlendioxid, Methan, Blei, Cadmium, Quecksilber usw.). Anderseits sind es Stoffe («Chemikalien»), die die Natur nicht kennt (z.B. schwer abbaubare organische Verbindungen und in Zukunft wahrscheinlich auch gewisse Arten von Nanopartikeln). Ein wichtiger Faktor für die Anreicherung von Schadstoffen stellt die sogenannte Halbwertszeit / Abbaurate des Stoffes dar.

Halbwertszeit / Abbaurate: Ist die Zeit, die benötigt wird, bis nur noch die Hälfte des Stoffes vorhanden ist. Dabei kann der Stoff entweder ausgeschieden (wie im menschlichen Körper) oder abgebaut (metabolisiert) werden. Zusätzlich kommt es aber auch auf die Organismen oder das Ökosystem im Einzelnen an, wie stark ein Stoff angereichert wird.

Die Anreicherung von Schadstoffen in der Nahrungskette Wie stark ein Schadstoff angereichert bzw. wie schnell er abgebaut wird, hängt von den verschiedenen Organismen ab. So gibt es Pflanzen, die beispielsweise geradezu darauf spezialisiert sind, Schwermetalle aufzunehmen, ohne dass sie dabei in ihrem Wachstum beeinträchtigt werden. Auch beim Menschen gibt es Unterschiede in der Anreicherung einzelner Stoffe. Dadurch lässt sich auch erklären, weshalb nicht alle Personen dieselbe Anfälligkeit gegenüber Allergien, Neurodermitis usw. haben. Beispiel Man weiss schon seit längerer Zeit, dass die Muttermilch der Inuit-Frauen sehr viel PCB (giftige und krebsauslösende Chlorverbindungen) enthält. Das aus den Industrieregionen in die Arktis verfrachtete PCB wird zuerst vom Plankton aus dem Meerwasser aufgenommen. Fische fressen das Plankton und nehmen den Schadstoff PCB damit auf, und zwar in einer höheren Konzentration als das Plankton. Die verseuchten Fische werden von den Seehunden gefressen, die wiederum von den Inuit gejagt und gegessen werden. Da das Fettgewebe der Seehunde und der Menschen sehr viel PCB aufnehmen kann, ist die Anreicherung am Ende der Nahrungskette (Plankton – Fisch – Seehund – Mensch) sehr viel stärker als am Anfang im Meereswasser und im Plankton.


9.1 Einführung

175

Der globale Kohlenstoffkreislauf (Modell) Das abgebildete Modell des globalen Kohlenstoffkreislaufs zeigt die jährlichen Umsatzraten auf den Kontinenten und in den Ozeanen sowie den Einfluss des Menschen. Atmosphäre: 750 Gt (im Jahr 2000) jährlicher Zuwachs: + 3 Gt

(Angaben in Gigatonnen pro Jahr)

Biologische und chemische Prozesse: 93 Gt

Fotosynthese: 120 Gt

Verbrauch fossiler Brennstoffe: 6 Gt

Atmung: 55 Gt

Produzenten

Konsumenten

Destruenten Zersetzung: ca. 60 Gt

Biologische und chemische Prozesse: 87 Gt

Produzenten

Konsumenten und Entwaldung: 2 bis 4 Gt

Destruenten

Fossile Brennstoffe 5 000 bis 10 000 Gt

Erdreich, Humus, Torf

Ozeane

2300 Gt

38 500 Gt

2 Gt

3 Gt

Kontinente

– Die Pflanzen nehmen aus der Atmosphäre mittels Fotosynthese jährlich etwa 120 Gt Kohlenstoff auf. – Beim umgekehrten Vorgang – der Atmung – wird von den Konsumenten ungefähr 60 Gt in Form von CO2 wieder an die Atmosphäre zurückgegeben. – Bei der Zersetzung abgestorbener Pflanzen- und Tierreste wird ungefähr dieselbe Menge von den Destruenten freigesetzt. Vor allem in Gebieten mit älteren Laubmischwäldern kommt es zu einer Zunahme von Kohlenstoff (ca. 2 Gt pro Jahr).

Ozeane

–A us der Atmosphäre gelangen jährlich ungefähr 93 Gt Kohlenstoff in Form von CO2 in die Ozeane. Ein Teil des CO2 wird wie auf den Kontinenten von den Pflanzen (Algen, Plankton) mittels Fotosynthese aufgenommen. Ein Teil des im Wasser gelösten CO2 wird durch chemische Prozesse in Kalk umgewandelt (Korallenriffe, Muscheln usw.). – Mit der Atmung und durch chemische Prozesse gelangen 87 Gt von den Ozeanen in die Atmosphäre. Ein Teil des Kohlenstoffs verlagert sich in Form von abgestorbenen Lebewesen in die tieferen Meeresschichten (ca. 3 Gt pro Jahr). – In den Ozeanen wird insgesamt Kohlenstoff angereichert. Man schätzt, dass die Ozeane zwischen 1800 und 1995 etwa 120 Gt Kohlenstoff aufgenommen haben, was ungefähr der Hälfte der gesamten CO2-Emissionen aus den fossilen Energieträgern entspricht.

Eingriff des Menschen

–H auptsächlich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe kommt es zu einer Anreicherung der Atmosphäre mit CO2. Dies ist eine der Hauptursachen des Treibhauseffekts. – In den Ozeanen führt die Zunahme des CO2-Gehalts zu einer Absenkung des pHWertes. Das Meer wird saurer! Die Störung des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs gefährdet das ökologische Gleichgewicht des globalen Ökosystems.


9.2 Ökobilanz und Abfall

176

Ökobilanz Ökobilanz Ökobilanz: Sie ist eine Methode zur Abschätzung der Auswirkungen eines Produkts während seiner gesamten Lebensdauer auf die Umwelt. Bei der Ökobilanz werden der Energie- und der Rohstoffverbrauch sowie die Schadstoffemissionen (siehe S. 189 ff.) bei der Herstellung, beim Gebrauch und bei der Entsorgung des Produkts berücksichtigt. Die Erstellung einer detaillierten Ökobilanz ist eine sehr aufwendige Angelegenheit. Deshalb beschränkt man sich oft auf die Ermittlung des Energieverbrauchs für die Herstellung und für die Betriebsphase.

Graue Energie und Energiebilanz Graue Energie: Dies ist die Energiemenge, die für die Herstellung, den Transport und die Lagerung (inkl. aller Vorprodukte) sowie die Entsorgung eines Produkts verbraucht wird. Beispiel Die Graue Energie, die in einem weissen A4-Blatt Kopierpapier steckt, lässt eine 60-Watt-Glühbirne etwa 80 Minuten brennen. Graue Energie ist ein wesentliches Element zur Berechnung der Energie­bilanz. Energiebilanz: Allgemein zeigt sie das Verhältnis zwischen der Energie, die in natürlicher Form vorkommt (z.B. Kohle, Holz, Erdöl) und der Energie, die daraus tatsächlich gewonnen wird (z.B. Heizenergie in einem Haus). Beispiele – Bei Motoren wird von Wirkungsgrad gesprochen. Der Wirkungsgrad ist das Verhältnis zwischen der verbrauchten Energie zum Antreiben des Motors und dessen Leistung. – Bei der Gebäudeheizung kann man verschiedene Energieformen (z.B. Holz, Öl, Gas) miteinander vergleichen. Dabei ist bei der Energiebilanz alles zu berechnen, von der Gewinnung des Rohstoffs über den Transport bis zur Verfügbarkeit des Nutzers.

Öko-Labels (Gütesiegel) Produkte aus Herstellungsprozessen, die die Belastungen für die Umwelt gering halten, können sogenannte Ökolabels erhalten. Beispiel Das Knospe-Label wird für Produkte aus biologischem Anbau vergeben. Damit der Landwirt das Label erhält, muss er zum Beispiel auf den Einsatz von Kunstdünger und Pflanzenschutzmitteln verzichten.

Nahrungsmittel-Label

Büroelektronik, -ökologie

Bau-Label

Strom-Label


9.2 Ökobilanz und Abfall

177

Ressourcenverbrauch und Abfall Die moderne Konsumgesellschaft verbraucht viele Ressourcen (Erdöl, Erze, Holz, Boden, Wasser usw.). Heute werden bereits mehr Ressourcen verbraucht als die Natur im gleichen Zeitraum nachliefern kann. Bei Fortschreiten dieser nicht nachhaltigen Nutzung werden viele Stoffe für die kommenden Generationen immer knapper. Ausserdem entstehen bei der Herstellung und Nutzung von Gütern Stoffe, die sich in der Luft, im Boden und in den Gewässern anreichern und das ökologische Gleichgewicht verschieben. Beispiel: Für die Produktion von Kunststoffen für Essbehälter werden vor allem Erdölderivate verwendet. Bei der Verbrennung entstehen Schadstoffe wie zum Beispiel Kohlendioxid und Dioxine, die sich in der Atmosphäre und im Boden anreichern (siehe S. 175 und 183). Dadurch wird einerseits ein nicht nachwachsender Rohstoff verbraucht (Erdöl), anderseits werden die Lebensgrundlagen gefährdet.

Ökologischer Fussabdruck – Mass für Ressourcenverbrauch Der ökologische Fussabdruck zeigt auf, wie stark der Naturverbrauch zur Bedürfnisbefriedigung der Menschen ist. Dabei wird berechnet, wie viel produktive Fläche der Erde (Ackerland, Weide, Wald, Flüsse usw.) durchschnittlich ein Mensch für seine Nahrung, für die Energie, für das Wohnen und für andere Sachgüter, aber auch zum Abbau seines Abfalls verbraucht. Beispiel: Würden alle Staaten aufgrund des Lebensstils und der eingesetzten Energieträger die Ressourcen so stark beanspruchen wie die Schweiz, benötigte man fast 3 Erdplaneten (3 Fussabdrücke). Mehr als 5 Planeten würde man für die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate brauchen. In Staaten wie Indien und Bangladesh liegt der ökologische Fussabdruck bei rund einem halben Planeten. Weltweit benötigen wir durchschnittlich 1,2 Planeten. Das heisst, dass sich ohne Massnahmen zur Ressourcenschonung die Lebensbedingungen für nachfolgende Generationen weiter verschlechtern, da nicht mehr genügend Ressourcen vorhanden sind.

Die Abfalldaten der Schweiz für das Jahr 2007 Abfalltyp

Gesamtmenge

Jährliche Menge pro Kopf

Entsorgung und Recycling

Bemerkung

Siedlungsabfall (inkl. 50,6 % verwerteter Siedlungsabfall)

5 465 000 t

720 kg

– Verbrennung (~50%) – Deponien (<1%) – Recycling (~50%)

– – – –

Klassische Alltagsabfälle Papier, Glas Elektronikschrott Grünabfälle usw.

Bauabfall (ohne Aushub)

11 900 000 t

1568 kg

– – – –

– – – – –

etonabbruch B Ausbauasphalt Strassenaufbruch brennbare Bau­abfälle Holz, Metalle usw.

Sonderabfall

1 147 000 t

151 kg

–R ecycling (6%) – Chem.-physik. Behandlung (23%) – Verbrennung (38%) – Deponierung (19%) – Export (14%)

– – – – –

F ilterschlämme verunreinigtes Erdreich Schredderabfälle Lösungsmittel usw.

Klärschlamm (Trockengewicht)

210 000 t

28 kg

– Verbrennung (90%) – Landwirtschaft (10%)

Je nach Einzugsgebiet der Kläranlage unterschiedliche Schadstoffbelas­tungen

TOTAL

18 722 000 t

2467 kg

erwertung auf Bau­stellen V Recycling Deponierung Verbrennung

Quelle: BAFU, 2008



10. Familie Otto Hirschi Jakob Fuchs


10.1 Einführung

198

Familie: Übersicht Formen des Zusammenlebens

Konkubinat Konkubinatsvertrag

Ehe Eheschliessung

Wirkungen der Ehe

Güterrecht

Scheidung

Güterstände

Errungenschaftsbeteiligung

Kindesverhältnis Kindeswohl

Rechte des Kindes

Rechte und Pflichten der Eltern

Adoption

Vermögen und Lohn des Kindes

Massnahmen zum Schutz des Kindes

Vormundschaft Gründe für die Bevormundung

Aufgaben des Vormundes

Beistandschaft / Beiratschaft

Erbe Die gesetzlichen Erben

Die Erbschaft

Güterrechtliche Auseinandersetzung und Erbanteile

Pflichtteile und freie Quoten

Verfügung von Todes wegen: – Testament – Erbvertrag


10.1 Einführung

199

Familie / Zusammenleben Funktion der Familie Die Familie hatte früher vor allem eine Schutz- und eine Ordnungsfunktion. Die Familie als soziale Gemeinschaft, in der mehrere Generationen lebten, bot Schutz in wirtschaftlicher Not, bei Krankheit und im Alter. Der Wandel der Gesellschaft hat unter anderem dazu geführt, dass sich die Familie stark verändert hat: Mann und Frau leben oft in unverheiratetem Zustand zusammen. Die Zahl der Ehescheidungen nimmt zu, und das nicht nur bei jungen Leuten. Alleinerziehende Väter und Mütter sind nichts Aussergewöhnliches. Männer führen den Haushalt. Frauen arbeiten für den Unterhalt der Familie. Die Zahl der Alleinstehenden wächst. Unabhängig von staatlichen und privaten Versicherungen, die fast in allen Lebensbereichen für finanzielle Sicherheit sorgen, besteht das Bedürfnis nach Schutz und Geborgenheit in einer Familie jedoch auch heute noch.

Formen des Zusammenlebens Klassische Familie Darunter versteht man ein verheiratetes Paar mit einem oder mehreren gemeinsamen Kindern. Konkubinatsfamilie Die äussere Form ist dieselbe wie bei der klassischen Familie. Die Eltern sind jedoch nicht verheiratet und haben gemeinsame Kinder. Kinderlose Paare Sie sind verheiratet oder leben im Konkubinat. Patchworkfamilie Beide Elternteile haben Kinder aus früheren Beziehungen und zum Teil gemeinsame Kinder. Adoptionsfamilie / Adoptionseltern Ein verheiratetes Paar oder eine unverheiratete Person adoptiert ein Kind. Adop­ tionsfamilien sind vor dem Gesetz der klassischen Familie gleichgestellt. Alleinerziehende Die Mutter oder der Vater sorgt allein für die Kinder. Gleichgeschlechtliche Paare Seit 2007 trat das neue Partnerschaftsgesetz in Kraft. Danach können gleichgeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft im Zivilstandsregister eintragen lassen. Die eingetragene Partnerschaft wird in verschiedener Hinsicht der Ehe angeglichen. So erhalten gleichgeschlechtliche Paare mit der Eintragung das gleiche gesetzliche Erbrecht wie Eheleute. Auch im Bereich der Steuern, der Sozialversicherungen und der beruflichen Vorsorge wird die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgesetzt.

➔ www.verlag-fuchs.ch/recht

Die gemeinsame Adoption bleibt aber eingetragenen Paaren verwehrt. Sie können hingegen in Gemeinschaft mit eigenen Kindern leben oder Kinder aus früheren Beziehungen in ihre Gemeinschaft aufnehmen. Gleichgeschlechtliche Paare sind auch nicht berechtigt, einen gemeinsamen Namen zu führen.


10.2 Das Konkubinat

200

Das Konkubinat Konkubinat: Auf Dauer angelegtes Zusammenleben von zwei Partnern, die nicht miteinander verheiratet sind, auch «Ehe ohne Trauschein» genannt. Das Konkubinat ist oft eine erste Form des Zusammenlebens und eine Testphase für ein dauerhaftes Zusammenleben. Heute leben Menschen aller Altersgruppen mit und ohne Kinder im Konkubinat zusammen. Das Konkubinat ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Fehlt ein Konkubinatsvertrag, greift der Richter bei Streitigkeiten oft auf die Bestimmungen über die einfache Gesellschaft zurück (OR 530 –551).

Der Konkubinatsvertrag Konkubinatsvertrag: Vertrag zwischen zwei Partnern (verschiedenen oder gleichen Geschlechts), der vor allem die finanziellen Verhältnisse während der ­Dauer des Zusammenlebens, die Rechte und die Pflichten der Partner und die Auflösung des Konkubinats regelt. Möglicher Inhalt eines Konkubinatsvertrages   1. Einleitung Hier stehen die Namen und persönlichen Daten der Vertragsparteien.   2. Inventar Dies ist eine Liste über das Eigentum an allen Wertsachen und Gegenständen im Haushalt. Diese Liste muss man bei Neuanschaffungen laufend aktualisieren.   3. Lebensunterhalt Wer bezahlt wie viel an die laufenden Kosten (z.B. Nahrungs­mittel) und die gemeinsamen Versicherungen?   4. Mietverhältnis Wie werden der Mietzins, die Nebenkosten, die Reparaturen usw. aufgeteilt?   5. Arbeit im Haushalt Wer erledigt welche Arbeiten im Haushalt? Wer bezahlt wem und wie viel für die Mehrarbeit im Haushalt?   6. Änderung der Verhältnisse Was gilt, wenn ein Partner z.B. arbeitslos oder krank wird oder eine Weiterbildung machen will?   7. Todesfall Die Partner verpflichten sich, einander im Todesfall zu begünstigen.   8. Auflösung Wie werden das gemeinsame Mobiliar und andere Werte aufgeteilt? Wer bezahlt allfällige gemeinsame Schulden? Kann evtl. eine Entschädigung für speziell geleistete Arbeit verlangt werden?   9. Schlussbestimmungen Wie wird bei Konflikten vorgegangen? Welches ist der Gerichtsstand? Welche Beratungsstellen werden aufgesucht? 10. Ort, Datum Unterschriften

Tipp: Es ist dringend zu empfehlen, einen Konkubinatsvertrag abzuschliessen.


10.2 Das Konkubinat

201

Vorteile und Nachteile des Konkubinats Da die meisten Konkubinatspaare jung, kinderlos und beide Partner erwerbstätig sind, tragen sie auch weniger Verantwortung, und manche Nachteile fallen deshalb nicht so stark ins Gewicht. Vorteile – Die Gründung und die Auflösung sind ohne amtliche Formalitäten möglich. – Das Konkubinat ist eine Probezeit für die Ehe. – Man bezahlt in der Regel etwas weniger Steuern. – Witwen und Witwer behalten grundsätzlich ihre Renten, wenn sie ihren neuen Partner nicht heiraten. – Im Alter erhält man allenfalls mehr AHV-Rente, weil zwei einfache Altersrenten (2 x 100%) höher sind als eine Ehepaar-Altersrente (1 x 150%). – Eine Wohnung für zwei ist billiger als zwei Wohnungen für Alleinstehende. – Der Lebensunterhalt für ein Paar ist billiger als für zwei Einzelpersonen.

Nachteile – Man ist vom Gesetz schlecht geschützt (Vertrag empfehlenswert). – Jeder Partner kann die Verbindung jederzeit auflösen. – Es besteht kein Anspruch auf Renten, wenn ein Partner stirbt. – Der überlebende Partner hat keine gesetzlichen Erb­ ansprüche. – Ärzte informieren in der Regel nur die nächsten Verwandten. – Sofern Kinder vorhanden sind, liegt das elterliche Sorgerecht und damit auch die ganze Verantwortung allein bei der Mutter. Es sei denn, die Vormundschaftsbehörde hat einer gemeinsamen Sorge zugestimmt. – Konkubinatskinder sind gesellschaftlich noch nicht überall ehelichen Kindern gleichgestellt.

Kinder im Konkubinat – Das Kind erhält den Namen und das Bürgerrecht der Mutter (ZGB 271). – Die Mutter allein hat das elterliche Sorgerecht. Die Konkubinatspartner können bei der Vormundschaftsbehörde allerdings die Erteilung eines gemeinsamen Sorgerechts beantragen (ZGB 298a).

Die Kindesanerkennung Erst mit einer Kindesanerkennung vor dem Zivilstandsamt oder durch ein richterliches Urteil wird die Unterhaltspflicht des Vaters und das Erbrecht gegenüber dem Vater für das Kind begründet (ZGB 260). Der Vater muss zur Anerkennung des Kindes persönlich bei einem der folgenden Zivilstandsämter erscheinen: – Zivilstandsamt des Wohnortes oder Heimatortes des Vaters – Zivilstandsamt des Wohnortes oder Heimatortes der Mutter – Zivilstandsamt des Geburtsortes des Kindes ➔ www.verlag-fuchs.ch/recht

Eine Kindesanerkennung kann auch durch letztwillige Verfügung erfolgen (siehe S. 219): Der Vater anerkennt auf diese Weise das Kind erst nach dem Tod. Dadurch wird das Kind zum gesetzlichen Erben.



11. Arbeit Ester Kessler Jakob Fuchs


11.1 Übersicht

222

Arbeitsverträge – Übersicht Der Überblick zeigt knapp das Wichtigste der verschiedenen Arbeitsverträge. Auf den folgenden Seiten werden diese genauer erläutert.

Der Lehrvertrag

Der Einzel­arbeits­vertrag

Der Gesamt­ arbeitsvertrag

Der Normal­ arbeitsvertrag

(EAV) (siehe S. 223 ff.)

(GAV) (siehe S. 234)

(NAV) (siehe S. 235)

Vertragspartner Der Lehrvertrag wird abgeschlossen zwi­ schen einer lernenden Person (und bei deren Unmündigkeit zusätz­ lich dem gesetzlichen Vertreter) und einem Arbeitgeber.

Vertragspartner Der Einzelarbeitsver­ trag wird zwischen einem einzelnen Ar­ beitgeber und einem einzelnen Arbeitneh­ mer abgeschlossen.

Vertragspartner Der Gesamtarbeitsver­ trag wird zwischen einem Arbeitnehmer­ verband (meistens ist dies eine Gewerk­ schaft) und einem einzelnen Arbeitgeber bzw. einem Arbeitge­ berverband abge­ schlossen.

Vertragspartner Beim Normalarbeits­ vertrag handelt es sich um gesetzliche Bestim­ mungen für gewisse Berufsbranchen.

Form Der Lehrvertrag muss schriftlich abgeschlos­ sen werden. Er bedarf zusätzlich der Geneh­ migung durch das kantonale Amt für Berufsbildung.

Form Der Einzelarbeitsver­ trag kann formlos (also mündlich oder still­ schweigend) abgeschlos­sen werden (die Schriftlichkeit emp­ fiehlt sich aber).

Form Der Gesamtarbeitsver­ trag muss schriftlich abgeschlossen werden. Die dem Gesamtar­ beitsvertrag unterstell­ ten Arbeitsverträge sind Einzelarbeitsverträge.

Form Der Gesetzgeber muss beim Erlassen von Normalarbeitsverträ­ gen die vorgeschriebe­ ne Form der Veröf­ fentlichung einhalten.

Zweck Beim Lehrvertrag steht die fachgerechte Ausbildung der ler­ nenden Person im Vordergrund.

Zweck Beim Einzelarbeitsver­ trag steht die Arbeits­ leis­tung des Arbeitneh­ mers im Dienste eines Arbeitgebers im Vor­ dergrund.

Zweck Es geht darum, den Arbeitsfrieden zu erhalten, für Konflikt­ fälle einheitliche Re­ geln aufzustellen und den Arbeitnehmer zu schützen.

Zweck Es geht um das Auf­ stellen einheitlicher Regeln und den Schutz von Arbeitneh­ mern, insbesondere von denjenigen, die nicht unter das Ar­ beitsgesetz fallen.

(siehe S. 26)


11.2 Der Einzelarbeitsvertrag

223

Der Einzelarbeitsvertrag (EAV) Einzelarbeitsvertrag (EAV; OR 319 ff.): Der Arbeitnehmer verpflichtet sich gegen Lohn zur Leistung von Arbeit. Der Einzelarbeitsvertrag kann auf eine festgelegte Dauer oder auf unbegrenzte Zeit abgeschlossen werden.

Regelungen zum EAV Bestimmungen finden sich in vielen Gesetzen und Regelungen. Die aufgeführten Regeln sind nur die wichtigsten. – Obligationenrecht (OR) In OR 319–343 finden sich die wichtigsten privatrechtlichen Bestimmungen zum Einzelarbeitsvertrag. Neben den zwingenden Normen (siehe S. 12), die in OR 361 f. aufgelistet sind, enthält dieser Abschnitt im OR auch dispositive Regelungen (siehe S. 12). Lässt sich unter den besonderen Bestimmungen über den Einzelarbeitsvertrag keine zutreffende Regel finden, bieten oft die Regeln des Allgemeinen Teils des OR eine Antwort. – Arbeitsgesetz (ArG) Das Arbeitsgesetz (siehe S. 236 ff.) enthält vorwiegend öffentlich-rechtliche Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers. Daneben bestehen verschiedene Verordnungen, welche die Regeln des ArG genauer bestimmen. – Gesamtarbeitsverträge (GAV) Für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gelten Gesamtarbeitsverträge (siehe S. 234). Sie werden durch Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ausgehandelt. Die Gesamtarbeitsverträge enthalten Regeln, welche die dispositiven (nicht zwingenden) OR-Normen über den Einzelarbeitsvertrag ersetzen oder daneben Genaueres ausführen. – Normalarbeitsverträge (NAV) Die Normalarbeitsverträge (siehe S. 235) haben den Schutz der Arbeitnehmer zum Zweck und dienen der Rechtsvereinheitlichung. Sie werden durch Behörden erlassen und gelten nur für bestimmte Branchen. Sie enthalten dispositives Recht. – Betriebsreglemente Grössere Betriebe stellen in internen Reglementen häufig gemeinsame Regeln für alle Arbeitnehmer auf. Die einzelnen Arbeitsverträge enthalten nur noch die speziellen Bestimmungen oder Abweichungen vom Betriebsreglement. Die Betriebs­reglemente dürfen nicht gegen zwingendes Recht verstossen. – Sozialversicherungsgesetze Die meisten Gesetze im Bereich der Sozialversicherungen (AHVG, UVG, BVG, AVlG) verpflichten Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu obligatorischen Beiträgen. Daneben werden die Leistungen der Versicherungen festgelegt. Die dazugehörenden Verordnungen enthalten Ausführungsbestimmungen zu den Gesetzen.

➔ www.verlag-fuchs.ch/recht

– Datenschutzgesetz (DSG) Das Datenschutzgesetz will den Missbrauch von Personendaten verhindern. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, die in ihrer beruflichen Tätigkeit Personendaten bearbeiten oder erfahren, müssen die Normen des DSG beachten.


11.2 Der Einzelarbeitsvertrag

224

Form und Entstehung des EAV Form Der Einzelarbeitsvertrag kann ohne besondere Form (also auch mündlich) abgeschlossen werden (OR 320). Für den Abschluss von bestimmten Arten von Einzelarbeitsverträgen gibt es allerdings Formvorschriften (z.B. OR 344a1 für den Lehrvertrag oder OR 347a für den Handelsreisendenvertrag). Arbeitnehmer und Arbeitgeber können auch freiwillig Formvorschriften vorsehen. So gibt es in Einzelarbeitsverträgen oft die Bestimmung, dass Vertragsabänderungen nur in schriftlicher Form gültig sind.

Entstehung Zugunsten des Arbeitnehmers nimmt OR 3202 bereits dann einen Vertragsabschluss an, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Umstände eine Entlöhnung erwarten durfte. Selbst wenn sich der Vertrag im Nachhinein als ungültig herausstellt, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit einen Lohn zahlen (OR 3203). Beispiel: Ein Arbeitgeber stellt einen ausländischen Arbeitnehmer ohne Arbeitsbewilligung an. Im Gegensatz zum Arbeitnehmer ist sich der Arbeitgeber bewusst, dass der Abschluss dieses Einzelarbeitsvertrags eine öffentlich-rechtliche Bewilligung brauchen würde. Obwohl das Arbeitsverhältnis ungültig ist und durch behördlichen Eingriff unterbunden wird, hat der Arbeitnehmer einen Entlöhnungsanspruch für geleistete Arbeit.

Nichtantreten der Stelle

(OR 337d)

Tritt der Arbeitnehmer seine Stelle überhaupt nicht an, begeht er eine Vertragsverletzung. Dadurch entsteht dem Arbeitgeber häufig ein Schaden: Er erleidet einen Verlust, da keine andere Arbeitskraft die Arbeit verrichten kann. Er muss auch Aufwendungen für die Neubesetzung der Stelle in Kauf nehmen. Deshalb sieht OR 337d vor, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen Schadenersatz von einem Viertel des vereinbarten Monatslohns zahlen muss, falls der Arbeitnehmer die Stelle ohne wichtigen Grund nicht antritt.

Probezeit

(OR 335b)

Wird nicht etwas anderes vereinbart, gilt der erste Monat ab Stellenantritt als Probezeit (OR 335b1; zu den Kündigungsfristen während der Probezeit siehe S. 230). Die Dauer der Probezeit kann auf maximal drei Monate festgelegt werden (OR 335b2).

Tipp: Es empfiehlt sich, den Einzelarbeitsvertrag in schriftlicher Form abzufassen. Ein guter schriftlicher Vertrag sorgt für klare Verhältnisse und gegenseitiges Vertrauen. Er hilft, Streitigkeiten zu vermeiden.


11.2 Der Einzelarbeitsvertrag

225

Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers Arbeitsleistung

(OR 321)

Hauptpflicht des Arbeitnehmers ist die Erledigung der ihm zugeteilten Arbeit. Der Arbeitnehmer hat aber nicht alle ihm übertragenen Aufgaben zu akzeptieren: Was klar nicht zu seinem Aufgabenbereich gehört, muss er nicht ausführen. So begeht z.B. der kaufmännische Angestellte keine Vertragsverletzung, wenn er sich weigert, sein eigenes Büro zu streichen. Aber das Aufräumen seines Arbeitsplatzes gehört als Nebenpflicht zu seinem Aufgabenbereich. Persönliche Arbeitspflicht

Die Arbeitsleistung ist durch den Arbeitnehmer selber, also persönlich, zu erbringen. Eine Übertragung an eine andere Person ist nur zulässig, wenn sie vorgesehen ist.

Beschäftigungspflicht

Damit der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringen kann, hat der Arbeitgeber eine Beschäftigungspflicht: Er muss dem Arbeitnehmer im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten auch tatsächlich Arbeit zuteilen.

Sorgfalt bei der Arbeitsleistung Der Arbeitnehmer muss die ihm zugewiesenen Arbeiten so sorgfältig wie möglich erledigen (siehe OR 321a1). Haftung

Arbeitet er unsorgfältig, hat er dem Arbeitgeber den entstandenen Schaden zu ersetzen (OR 321e). Dabei gilt: Jeder wird nach seinen Ellen gemessen. Von einem erfahrenen Arbeitnehmer wird deshalb ein höheres Mass an Sorgfalt erwartet als von einem unerfahrenen. Ist der Arbeitnehmer mit einer Aufgabe überfordert und weiss dies der Arbeitgeber, so hat dieser den Schaden selbst zu verantworten.

Treuepflicht

(OR 321a)

Zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht eine enge Beziehung. Einzelarbeitsverträge sind deshalb stark von gegenseitigem Vertrauen geprägt. Damit Vertrauen möglich ist, legt das Gesetz Schutzpflichten fest. Wichtigstes Beispiel dafür ist aufseiten des Arbeitnehmers die Treuepflicht. Der Arbeitnehmer hat auf die Interessen des Arbeitgebers zu achten. Er darf nicht ohne Grund gegen diese handeln. Verbot der Konkurrenztätigkeit

Die Treuepflicht kann auch einen Einfluss auf die Freizeit haben. So ist es dem Arbeitnehmer untersagt, ohne Erlaubnis des Arbeitgebers einer Nebentätigkeit im gleichen Arbeitsbereich bei einem Konkurrenten nachzugehen (siehe OR 321a3).

Schweigepflicht

Selbst nach Beendigung des Vertrages kann die Treuepflicht Nachwirkungen haben: Geschäftsgeheimnisse, die der Arbeitgeber im Dienst und während seiner Vertragszeit erfahren hat, darf er ohne besondere Umstände weder selber auswerten noch anderen weitergeben (siehe OR 321a4).

Von der Treuepflicht abgeleitete Pflichten

Viele Pflichten des Arbeitgebers sind aus der Treuepflicht abgeleitet, so z.B. die Pflicht, Arbeitsgeräte und Betriebseinrichtung fachgerecht und sorgfältig zu benutzen (OR 321a2), für den Arbeitgeber eingenommene Geldbeträge zu melden und herauszugeben (OR 321b), besondere Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen (OR 321d2), selbst die Pflicht, in einem gewissen Mass Überstunden zu leisten (OR 321c).

➔ www.verlag-fuchs.ch/recht



12. Beziehungen zum Ausland Ester Kessler Claudio Caduff Jakob Fuchs


12.1 Die Globalisierung

246

Die Globalisierung Globalisierung: Ist die zunehmende weltumspannende Verflechtung in Wirt­ schaft, Politik, Kultur, Information und Kommunikation. (globalisieren = auf die ganze Welt ausrichten) Die zunehmende weltweite Verflechtung der Wirtschaft, der Kulturen, der Informationen und der Politik stellt eine bedeutende Entwicklung in der Menschheitsgeschichte dar.

Die Voraussetzungen für die Globalisierung – Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien (Computer, elektronischer Datentransfer wie Internet, E-Mail usw.) – Billigere und schnellere Transportmöglichkeiten (40-Tonnen-Lastwagen, Flugzeuge, immer grössere Schiffe) – Internationale Arbeitsteilung (Länder spezialisieren sich auf Sachgüter und Dienst­leistungen, welche sie im Verhältnis zu anderen Ländern besser herstellen können.)

Die Globalisierung der Wirtschaft Die Volkswirtschaft interessiert sich vor allem für den wirtschaftlichen Bereich. Die Wirtschaft vermag problemlos nationale Grenzen zu überwinden (durch Fusionen, Gründung von Tochtergesellschaften usw.). Und die Wirtschaft ist sehr flexibel. Daher verschmelzen heute die Weltmärkte mehr und mehr. Es findet ein weltweiter Konkurrenzkampf statt. Um auf den Weltmärkten präsent zu sein und bestehen zu können, sehen sich die Unternehmen gezwungen, zu wachsen oder sich mit anderen Unternehmen zusammenzuschliessen. Es gibt schweizerische Unternehmen, die nur noch einen kleinen Teil ihres Umsatzes in der Schweiz erwirtschaften. (Beispiel: Die Zementgruppe Holcim, weltweit grösstes Unternehmen in diesem Markt, erwirtschaftet im Inlandgeschäft nur noch 5%, den Rest in der übrigen Welt.) Finanzmärkte (Kapital)

Die bedeutendste Globalisierung hat auf den Finanzmärkten stattgefunden, weil das Kapital relativ einfach in verschiedene Länder transferiert werden kann. Beispiel: Schweizerische Kapitalanleger können von höheren Zinsen profitieren, indem sie ihr Geld auf ausländischen Kapitalmärkten anlegen. Das Risiko der einzelnen Kapitalanlagen auf den internationalen Kapitalmärkten muss aber abgewogen werden. Problem: Geht es einer Wirtschaft schlechter (z. B. Brasilien, Russland, Japan, USA), reagieren die Kapitalanleger panikartig und sie ziehen ihr Kapital im grossen Stil zurück. Dadurch verschärft sich die wirtschaftliche Krise im entsprechenden Land. Diese Krise kann augenblicklich auf andere nicht so sichere Finanzplätze übergreifen.

Arbeitsmärkte (Arbeit)

Im Gegensatz zu den Finanzmärkten ist der Arbeitsmarkt stärker auf die einzelne Volkswirtschaft begrenzt. Von den Arbeitnehmern wird aber vermehrt Mobilität verlangt, da die Unternehmen weltweit tätig sind. Durch die Globalisierung hat sich die Konkurrenz unter den Arbeitnehmern weltweit verschärft. Für qualifizierte Arbeitskräfte haben sich die Möglichkeiten verbessert, im Ausland zu arbeiten.


12.1 Die Globalisierung

Gütermärkte

247

Die offensichtlichste Art der Globalisierung ist der weltweit schnelle Austausch von Sachgütern und Dienstleistungen. Diese werden häufig nicht mehr in der Schweiz produziert und dann exportiert, sondern im Ausland hergestellt, wo vor allem die Lohnkosten tiefer sind. (Die im Ausland von schweizerischen Unternehmen produzierten Sachgüter und Dienstleistungen übersteigen wertmässig die gesamten Exporte der Schweiz.)

Globalisierung der Politik Im Gegensatz zur Wirtschaft können die Staaten ihre Grenzen nicht verlassen oder sie ausweiten. Damit der Staat seine Aufgaben wie die Bereitstellung eines guten Bildungswesens, das Erbringen von sozialen Leistungen, die Bereitstellung der Infrastruktur usw. erfüllen kann, braucht er Steuereinnahmen. Wenn die Unternehmen aber ins Ausland abwandern oder in Billiglohnländern produzieren, fehlen ihm diese Gelder zusehends. Daher fordert der Staat von den Unternehmen mehr Eigenverantwortung. Die weltweite Verantwortung der Staaten füreinander hat aber zugenommen. Daher bedarf es einer Mitwirkung in internationalen Organisationen. Probleme müssen dort gelöst werden, wo sie entstehen (z. B. Entwicklungszusammenarbeit), bevor sie weltweit zu einem Problem werden (z. B. Flüchtlingsströme).

Die Globalisierung der Kultur Die Globalisierung führt zu einer Vermischung der Kulturen. Die Medien ermöglichen, dass man sich jederzeit über die aktuellen Geschehnisse in der Welt orientieren kann. Durch Reisen und durch den steigenden Ausländeranteil haben sich die kulturellen Einflüsse wesentlich erhöht. Weltweit werden Hollywood-Filme angeschaut, Big Macs gegessen und wird Coca-Cola getrunken. Dies kann einerseits eine Bereicherung sein, anderseits können Ängste entstehen. (Angst vor Verlust der eigenen Identität. Man beobachtet auch wieder vermehrt nationalistische Tendenzen.)

Auswirkungen der Globalisierung – Die Konkurrenz hat sich weltweit (global) verschärft. Immer mehr Unternehmen fusionieren oder gründen Tochtergesellschaften. – Produktionszweige werden an die geeignetsten Standorte ausgelagert (Aspekte sind: Lohnniveau, Rekrutierung geeigneter Arbeitskräfte, politische Stabilität usw.). – Die Arbeitsteilung nimmt weltweit zu. – Der weltweite Austausch von Arbeitskräften wird gefördert. – Die Umweltverschmutzung hat weltweit zugenommen. – Regionale Krisen, wirtschaftliche wie politische, können sehr schnell auf andere Länder übergreifen. Beispiele: Die Immobilienkrise und die Kreditkartenverschuldung in den USA, Flüchtlingsstrom aus der Demokratischen Republik Kongo. – Die neuen Kommunikationsmedien (z. B. E-Mail, Internet) ermöglichen auch den Privatpersonen, Informationen leichter auszutauschen und einen höheren Informationsstand zu erreichen. (Viele Unternehmen informieren ihre Kunden über ihre Geschäftstätigkeiten via Internet.) – Kapital wird täglich im grossen Stil verschoben. – Kulturelle Einflüsse erhöhen sich. – Die Staaten dürfen nicht mehr nur national denken und sich nur auf die Lösung nationaler Probleme beschränken.


12.2 Europäische Sicherheitsarchitektur: Übersicht

248

Europäische Sicherheitsarchitektur: Übersicht Europäische Organisationen

Europäisch-nordamerikanische Organisationen

Welt­­organisation

Der Europarat

Die Europäische Union (EU)

Die Organisation für Sicherheit und Zusammen­ arbeit in Europa (OSZE)

Der Nord­atlantikpakt (NATO)

Die Vereinten Nationen (UNO)

(Umfasst 47 europäische Staaten)

(Umfasst 27 europäische Staaten) Die EU erhebt den An­spruch, mit der ge­planten Aussen- und Sicherheitspolitik (Maastrichter Ver­trag) Mittelpunkt und Motor der europäischen Struktur von morgen zu sein.

(Umfasst die USA, Kanada, 25 europäische Staa­ten sowie die Türkei. Insgesamt sind es 28 Staaten.)

(Umfasst 192 von 193 Staaten der ganzen Welt)

Der Europarat gilt als «Hüter der politischen Kultur Europas». Sein Verdienst ist vor allem die Aushandlung und Kontrolle völkerrechtlicher Normen. Seine Schwäche liegt darin, dass er politische Probleme nicht zu lösen vermag.

(Umfasst alle Staaten Europas, die Türkei sowie Kanada und die USA, insgesamt 56 Staaten. Die OSZE ist die umfassendste Institution der europäischen Sicherheitsarchitektur.)

Die Schweiz ist Mitglied des Europarats.

Indem die EUStaaten in der OSZE gemeinsam vor­gehen, setzen sie einen bedeutenden politischen Schwerpunkt in dieser Organisation.

Dieser Organisation geht es um das frühzeitige Erkennen und Ab­wenden von Konflikten und um das Aufbauen von vertrauensbildenden Mass­ nahmen. Das Erzwingen eines Kampf­ abbruchs mit Waffengewalt ist im Rahmen dieser Organisation nicht vorge­sehen. Die Schweiz ist Mitglied der OSZE.

Dieses militäri­ sche Bündnis versteht sich als Garant für Freiheit und Demokratie.

Die UNO ist «zuständig» für die weltweite Wahrung des Friedens. Die UNO ist heute eher bereit, auch mit militärischen Mitteln den Frieden in der Welt wiederherzustellen. Dazu bedient sie sich der NATO. Mit Frankreich und Gross­ britannien ge­­­hö­ren zwei euro­ päi­sche Staaten zu den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates.

Die Schweiz ist Mitglied der UNO.


12.3 Der Europarat

249

Der Europarat Europarat: 1949 gegründete zwischenstaatliche Organisation (Staatenbund) von inzwischen 47 europäischen Staaten mit Sitz in Strassburg.

Mitglieder Jeder europäische Staat kann Mitglied im Europarat werden, vorausgesetzt, er ­akzeptiert das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und garantiert seinen Bürgerinnen und Bürgern die Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten.

Mitglieder des Europarats sind: 1 Albanien, 2 Andorra, 3 Belgien, 4 Bulgarien, 5 Dänemark, 6 Deutschland, 7 Estland, 8 Finnland, 9 Frankreich, 10 Griechenland, 11 Grossbritan­nien 12 Irland, 13 Island, 14 Italien, 15 Lettland, 16 Liechtenstein, 17 Litauen, 18 Luxemburg, 19 Malta, 20 Mazedonien, 21 Moldawien, 22 Niederlande, 23 Norwegen, 24 Österreich, 25 Polen, 26 Portugal, 27 Rumänien, 28 Russland, 29 San Marino, 30 Schweden, 31 Schweiz, 32 Slowakei, 33 Slowenien, 34 Spanien, 35 Tschechische Republik, 36 Türkei, 37 Ukraine, 38 Ungarn, 39 Zypern, 40 Kroatien, 41 Georgien, 12 42 Armenien, 43 Aserbaidschan, 44 Bosnien-Herzegowina, 45 Serbien, 46 Fürstentum Monaco, 47 Montenegro

28 8 23 15 17

5

48 11

25

22 3

37

6

35

18 9

2 26

Neuer Staat:

7

30

31

16

24 33

29

Beitrittskandidat: 48 Weissrussland

13

46

49

14

47

34

4

20

36

1 10 39

19

www.verlag-fuchs.ch/staat

43 41 42

27

38 40 44 45

49 Kosovo

21

32



13. Steuern Otto Hirschi


13.1 Übersicht

278

Steuern: Übersicht Steuerrecht Steuerhoheit Bund Kantone Gemeinden

Steuerpflicht Natürliche Personen Juristische Personen

Steuerzweck fiskalpolitisch sozialpolitisch wirtschaftspolitisch

Steuerarten Direkte Steuern Einkommenssteuern sowie andere direkte Abgaben

Indirekte Steuern Verbrauchssteuern

26 Kantone

Einkommens- und Vermögenssteuern sowie andere direkte Abgaben

Besitz- und Aufwandsteuern

2 600 Gemeinden

Einkommens- und Vermögenssteuern sowie andere direkte Abgaben

Besitz- und Aufwandsteuern

Bund

Steuerveranlagung Steuerbares Einkommen

Steuerbares Vermögen

Progression

Steuervergehen Steuerhinterziehung

Steuerbetrug

Steueramnestie

Rechtsmittel Einsprache

Rekurs


13.2 Steuerbegriffe

279

Steuerhoheit / Steuerpflicht / Steuerzwecke Steuern: Steuern sind Geldleistungen von natürlichen und juristischen Personen, die von der öffentlichen Hand (Bund, Kantone, Gemeinden) erhoben werden. Steuern dürfen nur auf der Grundlage der Bundesverfassung und der kantonalen Verfassungen sowie auf der Grundlage von Gesetzen erhoben werden.

Steuerhoheit Steuerhoheit: Das Recht, Steuern zu erheben und über den Ertrag zu verfügen. Dieses Recht besitzen der Bund, die Kantone und die Gemeinden. Nebst dem Bund erheben auch die 26 Kantone und die rund 2 600 Gemeinden Steuern. Dies führt zu vielen unterschiedlichen Gesetzgebungen und vor allem zu grossen Unterschieden bei der Steuerbelastung. In fast allen Kantonen haben die anerkannten Religionsgemeinschaften (Landeskirchen) das Recht, Kirchensteuern zu erheben, und zwar nur von jenen Personen, die einer anerkannten Kirche angehören. Als Berechnungsgrundlage für die Kirchensteuer dient die Veranlagung der Kantons- und Gemeindesteuern.

Steuerpflicht – Natürliche Personen, die in der Schweiz ihren Wohnsitz oder ihren Aufenthalt haben, sind unbeschränkt steuerpflichtig. – Die Familie bildet bezüglich Einkommen und Vermögen eine wirtschaftliche Einheit. Somit wird das Einkommen, das die Ehefrau erzielt, zum Einkommen des Ehemannes gerechnet. – Das Einkommen Minderjähriger wird dem Inhaber der elterlichen Sorge zugerechnet. Eine Ausnahme bildet das Erwerbseinkommen, für welches eine ­selb­s­tändige Steuerpflicht besteht. – Juristische Personen, die ihren Sitz oder ihre Betriebsstätte in der Schweiz haben, sind steuerpflichtig.

Steuerzwecke Oft entscheidet das Volk über die Steuersätze und die Verwendung der Steuer­ erträge. Die eingenommenen Steuergelder werden für drei verschiedene Zwecke verwendet: Fiskalpolitischer Zweck Er deckt den Bedarf der Allgemeinheit in den Bereichen Schulen, Verkehr, Umweltschutz, Armee usw. Wirtschaftspolitischer Zweck Er schützt wirtschaftliche Interessen (Subventionen, Direktzahlungen an die Landwirtschaft, Wirtschaftsförderung usw.).

➔ www.verlag-fuchs.ch

Sozialpolitischer Zweck Er erfüllt die sozialen Verfassungsaufträge, z.B. Sozialversicherungen (siehe S. 303 ff.), Spitäler, Verbilligung der Krankenkassenprämien (siehe S. 306 f.).



14. Miete Roman Steiner


14.1 Übersicht

288

Miete: Übersicht Gebrauchsüberlassung

Leihe

(OR 305 ff.)

Miete

(OR 253 ff.)

Pacht

(OR 275 ff.)

Leasing

(KKG)

Gebrauchsleihe

Darlehen

Gebrauch

Gebrauch

Gebrauch

Gebrauch

Gebrauch

unentgeltlich

meistens verzinslich

Mietzins

Nutzung

evtl. Nutzung

Pachtzins

Leasingraten

Wohnungsmiete

Miete Mietobjekte – Konsumgüter – Wohn- und Geschäftsräume

Wohnungsmiete Vertragsabschluss – Form – Auskunft über Vormiete Pflichten des Vermieters – Wohnungsübergabe – Unterhaltspflicht – Mängelrechte Pflichten des Mieters – Mietzins – Nebenkosten – Sorgfaltspflicht und Rücksichtnahme – Meldepflicht – Duldungspflicht

Beendigung der Miete – Form – Kündigungsfristen/ Kündigungstermine – Wohnungsrückgabe

Mieterschutz – Mietzinsanfechtung – Kündigungsschutz (Erstreckung des Mietverhältnisses)


14.2 Die Gebrauchsüberlassung

Die Gebrauchsüberlassung

289

(OR 253 – 318)

Gebrauchsüberlassung: Eine Sache oder ein Recht wird einer Person zur Bewirtschaftung (Nutzung) und/oder zum Gebrauch überlassen, ohne dass ein Eigentumsübergang stattfindet. Die Überlassung kann auf eine festgelegte Dauer oder auf unbestimmte Zeit erfolgen. Arten von Gebrauchsüberlassung Die vier wichtigsten Arten von Gebrauchsüberlassung sind: Leihe (Gebrauchsleihe, Darlehen), Pacht, Miete (siehe S. 290), Leasing.

Die Gebrauchsleihe Gebrauchsleihe (OR 305 ff.): Eine Sache wird unentgeltlich zum Gebrauch überlassen (auch Gebrauchs­leihe genannt). Die überlassene Sache kann beweglich (z.B. Buch, CD, DVD-Gerät) oder unbeweglich (z.B. Wohnung, Geschäftsraum, Parkplatz) sein. Nach dem Gebrauch ist die Sache wieder zurückzugeben (siehe OR 305 ff.) Ist nichts anderes vereinbart, kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückverlangen (OR 310). Unterleihe ist verboten (OR 3062).

Das Darlehen Darlehen (OR 312 ff.): Eine Summe Geld oder eine andere vertretbare Sache (z. B. Wertpapiere) wird dem Borger (meist gegen Zinszahlung) überlassen. Ein Darlehen ist nur dann verzinslich, wenn ein Zins verabredet ist. Im kaufmännischen Verkehr sind auch ohne Verabredung Zinse zu bezahlen (OR 313). Ein Darlehen, für dessen Rückzahlung z.B. weder ein bestimmter Termin noch eine Kündigungsfrist vereinbart wurde, ist innerhalb von sechs Wochen von der ersten Aufforderung an zurück zu bezahlen (OR 318). Zinsvorschriften sind im OR 314 geregelt.

Die Pacht Pacht (OR 275 ff.): Eine Sache oder ein Recht wird gegen Bezahlung des Pachtzinses zum Gebrauch und zur Bewirtschaftung (Nutzung) überlassen. Wie bei der Leihe kann die überlassene Sache beweglich oder unbeweglich sein. Zusätzlich muss sie aber nutzbar sein, d.h. sie muss einen Ertrag abwerfen können. Beispiele: – Bewegliche Sache, die gepachtet werden kann: Milchkuh – Unbewegliche Sache, die gepachtet werden kann: Obstgarten – Recht, das gepachtet werden kann: verzinste Darlehensforderung Die Pacht ist der Miete sehr nahe. Der Hauptunterschied zur Miete besteht darin, dass der Pächter verpflichtet ist, die überlassene Sache so zu nutzen, dass sie ihre natürlichen Erträge auch tatsächlich abwirft, und dass dies auch in Zukunft so bleibt (OR 2831). Beispiel: Die Milchkuh muss so gehalten werden, dass sie wirklich Milch gibt. Die Kuh darf während der Pachtzeit aber nicht ausgebeutet werden: der künftige Milchertrag muss garantiert bleiben.


14.3 Die Miete

290

Die Miete Miete (OR 253 ff.): Eine Sache wird gegen Bezahlung zum Gebrauch überlassen. Die Miete kann auf eine festgelegte Dauer oder unbestimmte Zeit erfolgen.

Mietobjekte Gegenstand der Miete (Mietobjekt) können sein: – bewegliche Sachen (z.B. CD, Buch, Snowboard) – unbewegliche Sachen (z.B. Wohnung, einzelnes Zimmer, Parkplatz, Büroräumlichkeit). Je nach Mietobjekt sieht das Gesetz verschiedene Regelungen vor. Die wichtigsten zwei Objektarten im alltäglichen Leben sind die Miete von Konsumgütern und die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen: – Konsumgüter Unter Konsumgut wird eine bewegliche Sache für den privaten Bedarf verstanden (z.B. Plasma-Bildschirm, Carvingskis). Ist der Vermieter ein gewerbsmässiger Anbieter, kann der Mieter unabhängig von der festgelegten Vertragsdauer mit einer Frist von 30 Tagen auf Ende einer­ 3-monatigen Mietdauer kündigen (OR 266k). – Wohn- und Geschäftsräume Weitaus wichtigstes Mietobjekt ist die Wohnung: In der Schweiz leben zirka 60% der Bevölkerung in einer Mietwohnung. In der Folge wird deshalb unter «Miete» die Wohnungsmiete verstanden. Regeln zur Wohnungsmiete finden sich im OR (253–274g) sowie in der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG). Die grundsätzlichen Pflichten von Mieter und Vermieter gelten allerdings auch für die anderen Mietarten.

Tipp: Das Recht betreffend die Wohnungsmiete ist unübersichtlich und gerade für den

➔ www.verlag-fuchs.ch/recht

Mieter oft schwer verständlich. Scheuen Sie sich deshalb nicht, bei Unklarheiten und Problemen frühzeitig professionelle Hilfe zu beanspruchen. Die in jedem Kanton und z.T. in grösseren Ortschaften speziell für Miete und Pacht vorgesehenen Schlichtungsbehörden sind verpflichtet, Sie ausserhalb eines eigentlichen Streitverfahrens und sogar vor Abschluss eines Mietvertrages zu beraten. Diese Beratungen sind in der Regel kostenlos. Zudem bieten Mieterverbände ihren Mitgliedern oft kostenlose Hilfe an.


14.3 Die Miete

291

Vertragsabschluss und Wohnungsübergabe Der Vertrag über die Wohnungsmiete wird durch die gegenseitig übereinstimmende Willenserklärung der Parteien abgeschlossen, und nicht etwa erst mit der Wohnungsübergabe (Mietantritt).

Form Für den Vertragsabschluss ist keine besondere Formvorschrift zu beachten. Herrscht Wohnungsmangel (normalerweise weniger als 1% Leerbestand in der betroffenen Wohnungskategorie), können die Kantone jedoch für die Mietzinsvereinbarung die Verwendung eines amtlichen Formulars vorschreiben (OR 2702, zurzeit in den Kantonen Freiburg, Genf, Neuenburg, Waadt und Zug). Formularverträge und Hausordnung Die meisten Vermieter verwenden die Formulare des Hauseigentümerverbandes als Vertragsgrundlage. Daneben wird meist eine separate Hausordnung für verbindlich erklärt. (Inhalte: z.B. Ruhezeiten, in denen keine lauten Tätigkeiten ausgeübt werden dürfen; Benutzung der allgemeinen Anlagen wie Waschmaschine usw.)

Auskunft über Vormiete

(OR 256a)

Wurde die Wohnung bereits zuvor vermietet, kann der Mieter Auskunft über die Höhe des vorangegangenen Mietzinses verlangen. Ebenso kann der Mieter verlangen, dass ihm spätestens bei Wohnungsübergabe das Rückgabeprotokoll des Vormieters gezeigt wird.

Kaution

(OR 257e)

Wird eine Geldkaution (Sicherheitsleistung) vom Vermieter verlangt, muss er diese auf einem Sparkonto bei einer Bank hinterlegen. Das Konto hat auf den Namen des Mieters zu lauten. Während der Mietdauer ist die Bank nicht berechtigt, die Sicherheitsleistung ohne Zustimmung durch Mieter und Vermieter herauszugeben (rechtskräftiger Zahlungsbefehl oder Gerichtsurteil ausgenommen). Die Höhe der Sicherheitsleistung ist auf maximal drei Monatzinse beschränkt. Nach Ablauf eines Jahres seit Beendigung des Vertrags kann der Mieter die Sicherheitsleistung herausverlangen, wenn er nachweist, dass gegen ihn vonseiten des Vermieters kein Betreibungs- oder Gerichtsverfahren hängig ist.

Tipp: – Die Formularverträge sind vor der Unterzeichnung genau zu studieren, gerade

➔ www.verlag-fuchs.ch/recht

weil sie viel «Kleingedrucktes» enthalten und nicht zum Durchlesen einladen. – Nehmen Sie zur Wohnungsübernahme von sich aus eine standardisierte Mängelliste mit für den Fall, dass der Vermieter kein Antrittsprotokoll erstellen will. Die Mängellis­te muss unbedingt vom Vermieter unterschrieben werden. Diese Mängelliste kann für Sie wichtig sein beim Auszug. – Ungültige Klauseln in Mietverträgen sind unter anderen: – die Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfristen auf weniger als drei Monate – ein generelles Untermieterverbot – das Verbot von Kleintieren wie Hamster oder Kanarienvögel – Rauchverbot in der Wohnung – generelles Verbot, in der Wohnung zu musizieren – uneingeschränktes Zutrittsrecht des Vermieters ohne Voranmeldung – das Verbot, auf dem Balkon Wäsche aufzuhängen



15. Versicherungen Jakob Fuchs


15.1 Einführung

300

Versicherungen: Übersicht Finanzielle Sicherheit

Solidaritätsprinzip Versicherer (Versicherungsgesellschaft)

Versicherter (Versicherungsnehmer)

Police und Allgemeine Versicherungsbedingungen Prämie

Personenversicherungen

Sachversicherungen

eidgenössisch obligatorisch Sozialversicherungen – Krankenversicherung – Unfallversicherung – Alters- und Hinterlassenen­ versicherung (AHV) – Invalidenversicherung (IV) – Ergänzungsleistungen (EL) – Erwerbsersatzordnung (EO) – Arbeitslosenversicherung (ALV) – Berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; Pensionskasse) – Familienausgleichskasse (FAK) – Militärversicherung (MV)

freiwillig Private Vorsorge: z.B. Verschiedene Arten von Lebensversicherungen

Haftpflichtversicherungen eidgenössisch obligatorisch Haftpflichtversicherung für – Velofahrer – Halter von Motorfahrzeugen – Flugzeuge

kantonal obligatorisch – Hausratversicherung (Mobiliar) – Gebäudeversicherung

kantonal obligatorisch Haftpflichtversicherung für Wasserfahrzeuge

freiwillig – Diebstahl – Glasbruch – Teil- und Vollkasko – Wasserschaden – Hagelschaden – Tiere usw.

freiwillig – Privathaftpflicht – Hauseigentümerhaftpflicht – Betriebshaftpflicht usw.

Drei-Säulen-Konzept

1. Säule: AHV/IV/EL

2. Säule: Pensionskasse

3. Säule: Private Vorsorge


15.1 Einführung

301

Das Prinzip der Versicherungen Versicherung: Schutz gegen wirtschaftliche Risiken und deren finanzielle Folgen. Menschen haben das Bedürfnis, sich gegen die Folgen von finanziellen Risiken aller Art abzusichern. In keinem Land der Erde geben die Einwohner so viel Geld für private Versicherungen aus wie die Schweizer. Pro Einwohner wurden im Jahre 2009 dafür knapp CHF 7 000.– bezahlt, und zwar ohne die Sozialversicherungen (Quelle: Schweizerischer Versicherungsverband).

Solidaritätsprinzip Solidaritätsprinzip: Viele Menschen zahlen regelmässig relativ geringe Versicherungsprämien für all jene Menschen, die teure Leistungen beanspruchen müssen. Bedenkt man, welche finanziellen Mittel aufwendige medizinische Operationen, der Eintritt einer Invalidität oder die Folgen von Arbeitslosigkeit erfordern, so hat ein einzelner Mensch kaum mehr die Möglichkeit, seine Risiken finanziell abzudecken. Aus diesem Grund schliessen sich Menschen, die einem gleichartigen Risiko ausgesetzt sind, zu einer «Gefahrengemeinschaft» zusammen, um einander Schutz zu geben nach dem Prinzip «Einer für alle, alle für einen». Dieses Soli­daritätsprinzip geht vom Gedanken aus «Wer Glück hat und von negativen Er­eignissen verschont bleibt, zahlt für jene, die von negativen Ereignissen betroffen sind».


15.1 Einführung

302

Wichtige Grundbegriffe Versicherer und Versicherter Versicherer: Vertragspartei, die sich dem Versicherungsnehmer gegenüber verpflichtet, im Versicherungsfall Leistungen zu erbringen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Versicherungsgesellschaft. Der Versicherer ist für die Entschädigung nach Eintritt eines Schadenfalls zuständig. Versicherter: Vertragspartner des Versicherers. Er wird auch als Versicherungsnehmer bezeichnet. Der Versicherte erhält beim Abschluss des Vertrages den Versicherungsvertrag in Form einer «Police», die ihn berechtigt, im Schadenfall vom Versicherer Leistungen zu beziehen.

Police Police: Dient als Beweisurkunde für den Abschluss eines Versicherungsvertrages, welche die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien umschreibt. Werden Leistungen fällig, so ist die Police vorzulegen. Im Volksmund wird die Police daher auch als «Versicherungsvertrag» bezeichnet. Darin wird festgehalten, wer Versicherer, wer Versicherungsnehmer, versicherte Person (bzw. versicherte Sache) und wer Begünstigter ist. Das Dokument enthält ebenfalls die versicherte Leistung, deren Fälligkeit sowie die Prämie und deren Fälligkeit. Die Details sind in den «Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)» festgehalten.

Allgemeine Versicherungsbedingungen

(AVB)

Allgemeine Versicherungsbedingungen: Regeln, die für alle Vertragsparteien in gleicher Weise gültig sind. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind ein integrierter Bestandteil des Versicherungsvertrages. Sie unterliegen der Genehmigung durch das Bundesamt für Privatversicherungswesen (BPV). Da die AVB zum Vertragsinhalt gehören, müssen sie zum Zeitpunkt der Antragstellung dem Versicherungsnehmer abgegeben werden.

Prämie Prämie: Preis, den der Versicherte bezahlt, damit der Versicherer im Schadenfall die vereinbarten Leistungen erbringt. ➔ www.verlag-fuchs.ch

Prämien können monatlich, halbjährlich oder jährlich geschuldet sein oder als einmalige Einzahlung getätigt werden.


15.2 Personenversicherungen

303

Personenversicherungen Personenversicherungen: Sammelbegriff für Versicherungen, bei denen eine Person versichert ist – für Heilungskosten (bei Krankheit und bei Unfall), – gegen vorübergehenden oder dauernden Lohnausfall im erwerbsfähigen Alter, – gegen den Erwerbsausfall im Alter und – gegen die finanziellen Folgen beim Tod. Die wichtigsten Personenversicherungen in der Schweiz sind die Sozialversicherungen.

Sozialversicherungen Sozialversicherungen: Vom Bund als obligatorisch erklärte Versicherungen, um gewisse soziale Risiken abzudecken. Mit Ausnahme der Krankenversicherung richtet sich die Höhe der Prämien nach der Höhe des Einkommens der Versicherten. Folgende 10 Versicherungsbereiche zählt man in der Schweiz zu den Sozialversicherungen: – Krankenversicherung (KVG: Krankenversicherungsgesetz) – Unfallversicherung (UVG: Unfallversicherungsgesetz) – Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) – Invalidenversicherung (IV) – Ergänzungsleistungen (EL) – Erwerbsersatzordnung (EO) – Arbeitslosenversicherung (ALV) – Berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; auch Pensionskasse genannt) – Familienausgleichskasse (FAK) – Militärversicherung (MV)


15.2 Personenversicherungen

304

Die Krankenversicherung Krankheit: Beeinträchtigung der körperlichen oder der geistigen Gesundheit, die nicht auf einen Unfall zurückzuführen ist. KVG: Krankenversicherungsgesetz Die Krankheit darf nicht mit dem Unfall verwechselt werden, obwohl beide dieselben Folgen nach sich ziehen können: ärztliche Behandlung oder Spitalaufenthalt. Die Leistungen bei einem Unfall unterscheiden sich wesentlich von jenen bei einer Krankheit. Krankenkasse: Versicherer, die die obligatorische Krankenpflegeversicherung (Grundversicherung) anbieten. Die Krankenkassen müssen vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) anerkannt sein. – Die Krankenkasse gewährt den notwendigen Versicherungsschutz bei Krankheit und bei Mutterschaft (Schwangerschaftskontrolle, Entbindung usw.). – Bei einem Unfall zahlt die Krankenkasse dann, wenn keine Unfallversicherung die Kosten übernimmt. Sie behandelt unfallbedingte Kosten aber wie Krankheitskosten. Wer keine obligatorische Unfallversicherung hat, muss bei der Krankenkasse gegen Unfall versichert sein. Prämien Jede Person bezahlt ihre eigene Prämie, eine sogenannte «Kopfprämie». Die Prämien sind unabhängig vom Einkommen einer Person und variieren von Kasse zu Kasse und von Kanton zu Kanton und sind sogar regional unterschiedlich.

Grundversicherung / Krankenpflegeversicherung Obligatorium Die Grundversicherung ist für alle in der Schweiz wohnhaften Personen obligatorisch und ist somit öffentliches Recht. Diese Versicherung gewährleistet eine qualitativ hochstehende und umfassende Grundversorgung. Sie bietet allen Versicherten dieselben Leistungen. Eltern müssen ihr neugeborenes Kind innerhalb von drei Monaten bei einer Krankenkasse versichern. Freizügigkeit Der Versicherte kann die Krankenkasse frei wählen. Diese muss ihn vorbehaltlos aufnehmen (Freizügigkeit). Leistungen – Behandlungen, die durch einen Arzt sowie durch anerkannte Leistungserbringer (z.B. Physiotherapeuten, Hebammen, Ernährungsberater) vorgenommen werden. – Behandlung und Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung eines Spitals, das auf der Spitalliste des Wohnkantons erwähnt ist. – Kosten für die Medikamente, die in der Arzneimittel- und Spezialitätenliste aufgeführt sind (zurzeit ca. 2 500 Medikamente). – Alternativmedizin in der Grundversicherung: komplementärmedizinische Behandlung (Akupunktur) bei anerkannten Ärzten mit FMH-anerkannter Weiterbildung in der betreffenden komplementärmedizinischen Disziplin. – Kosten verschiedener Massnahmen: Gesundheitsvorsorge (Impfungen, Untersuchungen von Kindern im Vorschulalter, gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen, Untersuche zur Erkennung von Brustkrebs), Transport- und Rettungskosten usw.


15.2 Personenversicherungen

305

Zusatzversicherungen Freiwilligkeit Die Zusatzversicherungen sind freiwillig und unterstehen dem privaten Recht. Die Krankenkassen können jemandem die Aufnahme verweigern oder einer risikobehafteten Person kündigen. Die Prämien richten sich dementsprechend auch nach dem Risiko einer Person (Alter, bestehende Krankheiten usw.). Mit Zusatzversicherungen kann man wahlweise weitere Behandlungsarten (z.B. Naturheilverfahren, Zahnpflege) und / oder einen gewissen Komfort (halbprivate oder private Abteilung im Spital) abdecken. Arten Die bekanntesten Zusatzversicherungen sind: – Spitalzusatzversicherung: halbprivate (2er-Zimmer) oder private Abteilung (1er-Zimmer) und freie Arztwahl. – Spitalzusatz «Allgemeine Abteilung ganze Schweiz» – Zusatzversicherung für Zahnfehlstellungs-Korrekturen bei Kindern – Zusatzversicherungen für Alternativmedizin – Zusatzversicherung für nichtärztliche Psychotherapie – Zusatz für nichtkassenpflichtige Medikamente – Zusätze für Ambulanz- und Rettungstransporte – Zusatzversicherung für Auslandsaufenthalte – Zusatzversicherung für Brillengläser und Kontaktlinsen Krankentaggeld­versicherung Eine wichtige Zusatzversicherung ist die Krankentaggeldversicherung. Sie erbringt Leistungen (Lohnersatz), falls die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers ge­mäss Arbeitsvertrag erlischt. Je länger der Arbeitgeber den Lohn bei überjährigem Arbeitsverhältnis bezahlen muss, desto weiter hinaus kann man die Taggeldversicherung schieben (aufgeschobene Krankentaggeldversicherung), was wiederum die Prämien verbilligt.

Kostenbeteiligung Ein Teil der Behandlungskosten (ambulante und stationäre Behandlung) geht zulasten der Versicherten. Dieser Teil setzt sich zusammen aus der Jahresfranchise und dem Selbstbehalt. Jahresfranchise: Grundbetrag, den eine versicherte Person pro Jahr selber tragen muss. Die Franchise beträgt im Minimum CHF 300.–. (Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre bezahlen keine Franchise.) Selbstbehalt: 10% des Rechnungsbetrages (nach dem Abzug der Jahresfranchise) muss der Versicherte selber zahlen, und dies bis zu einem Maximum von CHF 700.– pro Jahr. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre zahlen maximal CHF 350.–. Bei minimaler Jahresfranchise beträgt die ordentliche Kostenbeteiligung somit maximal CHF 1 000.– pro Jahr für Erwachsene (CHF 300.– Franchise und max. CHF 700.– Selbstbehalt) und CHF 350.– für Kinder und Jugendliche. Dieser Betrag ändert sich bei freiwilliger Erhöhung der Franchise (siehe: Prämien sparen).

➔ www.verlag-fuchs.ch

Aufenthalt im Spital Personen, die nicht mit einem anderen Familienmitglied in einem Haushalt leben, bezahlen zudem CHF 10.– pro Tag bei einem Aufenthalt im Spital.



Daniela Pl체ss Gregor Schl채pfer Claudio Caduff Armin Meienberg

16. Selbst채ndige Arbeit (SA)


16.1 Vorgehen bei der «Selbständigen Arbeit»

326

Vorgehen bei der «Selbständigen Arbeit» (SA) 1. Ein Thema für eine umfangreiche Arbeit finden Was tun, wenn Sie kein Thema finden oder Ihr Thema schon viele Male gewählt worden ist? Offene Antenne – Homepage studieren: www.geo.de, www.arte-tv.com, www.zeit.de Vorteil: Es gibt Material zu einem Thema! – Besuch beim Hausarzt, bei der Zahnärztin: Zeitschriften im Wartezimmer studieren; Titel, Datum notieren, wenn Sie ein Thema finden Vorteil: Sie lassen sich inspirieren, können sich einlesen und haben Gewähr, dass sich schon jemand Gedanken zum Thema gemacht hat. – Sich Fragen stellen: Was ärgert mich? Was freut mich? Was möchte ich gerne wissen? Was ist heute anders als früher? Was würde ich sofort ändern? – Fragen ebnen den Weg zu Themen. – Wenn Sie Ihr Thema suchen, dann ergibt das eine Geschichte, die Ihnen den Weg zum Vorwort weist. Beispiel: «Auf das Thema Haie bin ich gekommen, als ich beim Zahnarzt war und in der Zeitschrift X blätterte…» – So verhindern Sie wenig aussagekräftige Sätze wie: «Ich habe das Thema gewählt, weil es mich schon immer interessiert hat…» Buchhandlungen – Buchtitel studieren, den Angestellten sagen, was einen interessiert, dann zum entsprechenden Regal gehen Vorteil: Sie können sich mit den Fachpersonen unterhalten, diese helfen Ihnen auch weiter. – Wie beurteilen Sie, ob ein Buch für Sie in Frage kommt oder nicht? – Buchdeckel lesen: verstehe ich alles? – Erscheinungsjahr: neu = aktuell – Auflagen: z.B. 2007 (3. Auflage) = grosse Nachfrage, gut verkauft – Glossar hinten = weniger Fremdwörter nachschlagen – Kapitel mit Titeln versehen = Input für das Inhaltsverzeichnis – Zusammenfassungen nach den Kapiteln = kann man zuerst lesen, um sich zu informieren – Anfang, Mitte und Ende lesen = gut verständlich? – Literaturliste am Schluss: weitere Bücher zum Thema, die der Autor oder die Autorin verwendet hat, kann man in der Bibliothek ausleihen. Medien – Radio: Echo der Zeit um 18.00 Uhr hören, Themen notieren – Fernsehen: Programm studieren, Sendungen markieren, die von Interesse sein können. Mitschreiben!


16.1 Vorgehen bei der «Selbständigen Arbeit»

327

2. Thema gefunden, Material zusammenstellen Was tun, wenn Sie das Thema bestimmt haben und Material sammeln wollen? Verschiedene Aspekte – Sie stellen sich zwei bis drei Fragen zum Thema unter verschiedenen Blickwinkeln (Aspekten), die Sie aus dem allgemeinbildenden Unterricht kennen. Aspekte: Ethik, Identität/Sozialisation, Wirtschaft, Ökologie, Politik, Recht, Kultur, Technik und zusätzlich Geschichte, Nachhaltigkeit usw. Beispiel für das Thema Haie Mögliche Fragen zu den Aspekten: – Darf man Haie jagen (Ethik)? – Wie verhalten sich Haie (Identität / Sozialisation)? – Welche Massnahmen treffen Länder, in denen Haie ausgerottet werden (Politik, Recht)? – Welche Fangmethoden kennt man (Technik)? – Welche Auswirkungen haben die Eingriffe in den Lebensraum der Haie (Ökologie)? Vorsortieren – Sie beschriften 2 bis 3 Mäppchen mit den Fragen, die Sie beantworten wollen. – Sie sammeln während einer bestimmten Zeit Artikel (auch aus dem Internet), die Sie in die passenden Mäppchen legen. – Achten Sie darauf, dass Sie Daten, Titel der Artikel notieren. Weiteres Material – Informieren Sie Ihren Bekanntenkreis darüber, dass Sie eine Vertiefungsarbeit schreiben und bitten Sie alle, Ihnen z.B. Zeitungsartikel zuzustellen. Tun Sie das selbst auch in der Klasse für die Kolleginnen und Kollegen. – Lassen Sie sich auf die Mailing-Liste einer Newsletter zu Ihrem Thema setzen. Sie erhalten immer die neusten Informationen. – Surfen im Internet: Notieren Sie zuerst einige Suchwörter und erklären Sie, wie Sie zu einem Ergebnis gekommen sind.

3. Material gesammelt, mit dem Ordnen beginnen Was tun, wenn Ihre Mäppchen gefüllt sind und Sie nicht wissen, wie sie beginnen sollen? Ordnen nach verschiedenen Kriterien – Sortieren Sie in Ihren Mäppchen die gesammelten Artikel: – Welche beantworten die Frage gezielt? – Welche weiten das Problem aus, geben zusätzliche Hinweise, verweisen auf andere Personen, die sich auch dazu äussern? – Zu welchen Artikeln finden Sie zusätzliche Bilder, gibt es Filme? Vorteil: – wenn Sie den Film auf DVD haben, können Sie einen Ausschnitt für die Präsentation verwenden – auf den Film können Sie z. B. verweisen, wenn Sie einen Artikel verarbeiten: «Wie ich auch in der Sendung X vom …. gesehen habe...» – Notieren Sie nun, wie Sie die Fragen beantworten wollen. Beispielfrage: Wie verhalten sich Haie? – Fazit: Sie beantworten die Frage mit dem oben erwähnten Material.


16.1 Vorgehen bei der «Selbständigen Arbeit»

328

4. Material geordnet, mit dem Schreiben beginnen Was tun, wenn Sie das Material geordnet haben und nicht wissen, wie Sie es schriftlich verarbeiten? Inhaltsverzeichnis – Machen Sie ein Inhaltsverzeichnis mit Ihren Mäppchen. – Die Frage in eine Aussage umwandeln: Oberkapitel. Beispiel: Das Verhalten der Haie – Die Inhalte nach Gemeinsamkeiten sortieren: Unterkapitel Beispiel: – Ein Interview und ein Filmausschnitt dokumentieren das Verhalten der Haie aus der Sicht von Forschenden. ➔ Unterkapitel: Die Sicht der Wissenschaft – Die Zeitungsartikel berichten über Angriffe von Haien auf Menschen. ➔ Unterkapitel: Haie greifen Menschen an Verbinden der Kapitel – Die Kapitel sprachlich miteinander verbinden, damit ersichtlich wird, weshalb sie zusammengehören Illustrationen und Begriffserklärungen – Überlegen, zu welchem Unterkapitel man Bilder einfügen kann, die das Geschriebene unterstützen – Darüber nachdenken, ob man Begriffe speziell erklären muss, weil sie schwer verständlich sind Inhaltsverzeichnis – Das steht im Inhaltsverzeichnis: 1. Das Verhalten der Haie 1.1 Die Sicht der Wissenschaft 1.2 Haie greifen Menschen an Leserführung – So führen Sie Leser und Leserinnen durch Ihre Arbeit. Beispiel: Zu 1. (Das Verhalten der Haie) In diesem Kapitel gehe ich speziell auf das Verhalten der Haie ein. Immer wieder liest man, dass Haie intelligente Tiere sind, aber manchmal auch Menschen angreifen. Zu 1.1 In einem Interview mit der Haiforscherin Esther Sibler (Tages-Anzeiger vom 3. Januar 2008, S. 15–18) habe ich gelesen, dass… Sibler erklärt die Voraussetzungen… Erstaunlicherweise haben Reporter im Film (Titel, Datum, Fernsehsender) Ähnliches festgestellt, weil… Zu 1.2 In den Medien (Zeitung, Datum, Seite) liest man aber auch immer wieder, dass Haie Menschen angreifen, wie z.B. in … – So steigen Sie aus den Kapiteln aus: Zusammenfassend kann man also sagen…


16.1 Vorgehen bei der «Selbständigen Arbeit»

329

5. Schreibarbeit beendet, das Schlusswort verfassen Was tun, wenn Sie das Material verarbeitet haben und die Arbeit beenden möchten? Schluss mit Zusammenfassung – Lesen Sie Ihren Text nochmals durch und fassen Sie ihn zusammen. Beispiel: Haie sind für uns Laien also schwer einzuschätzen, denn… – Achten Sie darauf, dass man Ihre drei erarbeiteten Kapitel in der Zusammenfassung findet. – Beenden Sie das Kapitel mit einem Spruch, einem Zitat oder einem persönlichen Kommentar. – Hinweis: falls Sie eine zusätzliche Schlussbetrachtung Kommentar schreiben müssen, dann gehen Sie darauf ein, welche Schwierigkeiten Sie hatten oder wer Sie speziell unterstützt hat (Hilfe: Arbeitsjournal).

6. Arbeitsjournal Was tun, wenn Sie ein Arbeitsjournal verfassen müssen? Strukturiertes Vergehen – Halten Sie sich strikt an ein Raster. – Notieren Sie jede Aktivität, die etwas mit Ihrer VA zu tun hat. – Die Aktivität muss etwas darüber aussagen, was sich an Ihrer Arbeit ändert; Bewegungen dokumentieren Beispiel: – Nicht: 3.1.08: Text im Buch gelesen und zusammengefasst – Besser: (Datum/Zeitaufwand) 3.1.08, 14–17 Uhr, (Aktivität und Strategie) Im Buch «Das Leben der Haie» habe ich die Seiten 11–50 gelesen, am Rand Notizen gemacht und daraus die Zusammenfassung erstellt. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich eigentlich gut vorankomme, da ich die Seiten zuerst überflogen habe. (Nächster Schritt) Nun werde ich zu dieser Zusammenfassung einige Bilder suchen. – Vorteil: das Arbeitsjournal ist eine gute Vorlage für die Schlussbetrachtung, wenn Sie den Prozess und nicht den Inhalt darstellen müssen.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.