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Verlag Fuchs Deutsch am Gymnasium 3
– Interpretieren – Literaturbetrieb – Checklisten – Literarische Figuren
ISBN 978-3-280-04101-7
9 783280 041017 04101-7_U_DaG3_Literatur.indd 193
Pascal Frey
Literatur Deutsch am Gymnasium 3
Verlag Fuchs
Literatur
– Grundlagen – Erzählende Prosa – Dramatik – Lyrik
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Verlag Fuchs Pascal Frey
Literatur Deutsch am Gymnasium 3
Orell Füssli Verlag Lernmedien Dietzingerstrasse 3 CH-8036 Zürich Telefon +41 (0)44 466 72 91 Fax +41 (0)44 466 72 96 E-Mail: lernmedien@ofv.ch www.ofv.ch/fuchs Verlag Fuchs ist ein Imprint der Orell Füssli Verlag AG. Abdruck und Vervielfältigung sowie Erstellen von Kopien irgendwelcher Art zu irgendwelchen Zwecken ist – auch nur auszugsweise – nur mit Bewilligung des Verlages gestattet.
ISBN: 978-3-03743-850-3 «Sprache und Kommunikation» Deutsch am Gymnasium 1 1. Auflage 2009 ISBN: 978-3-03743-860-2 «Einfach schreiben» Deutsch am Gymnasium 2 1. Auflage 2009 ISBN: 978-3-280-04101-7 «Literatur» Deutsch am Gymnasium 3 3. Auflage 2014 ISBN: 978-3-03743-880-0 «Wege zur Literatur» Deutsch am Gymnasium 4 1. Auflage 2012
Konzept und Gestaltung: springrolls AG, Luzern Bildnachweis: Renato Regli: Umschlag, Kapiteltitel und alle Aufnahmen ausser: – Ingo Wöhn: S. 104 – O scar Pastior: S. 170 (Literaturveranstaltungen) Illustrationen: Aleris Graf Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier
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Inhaltsverzeichnis 2
Inhaltsverzeichnis 3. Dramatik
1. Grundlagen –– Der Begriff «Literatur» –– Literatur, Poesie und Poetik –– Inhalt und Form –– Wirklichkeit und Fiktion –– Themen und Motive in der Literatur –– Ordnungen der Literatur
8 10 11 12 14 15
2. Erzählende Prosa 2. Erzählende Prosa: Übersicht 18 2.1. Das Erzählen –– Alltägliches und literarisches Erzählen 20 –– Merkmale des literarischen Erzählens 21 2.2. Der Erzähler –– Die Erzählebenen –– Die Erzählsituation –– Die Erzählerrede –– Die Erzählperspektive ––A . Neutraler Erzähler –– B. Personaler Erzähler –– C . Auktorialer Erzähler 2.3. Die Handlung –– Die Elemente der Handlung –– Die Zeit –– Der Ort (Beschreibung) –– Die Figuren (Charakterisierung) –– Die Figurenrede –– Das Ereignis –– Die Folge
22 24 25 26 27 28 29 30
32 33 36 38 40 41 42
2.4. Erzählerische Verfahren –– Spannung 43 –– Ironie 44 –– Schlüsselstellen 46 2.5. Die Sprache –– Das Wort –– Der Satz –– Der Stil
48 49 50
2.6. Formen erzählender Prosa –– Epos / Erzählung / Kurzgeschichte –– Novelle / Roman –– Volksmärchen / Kunstmärchen / Sage –– Fabel / Parabel (Gleichnis) –– Anekdote / Aphorismus
51 52 53 54 55
3. Dramatik: Übersicht 64 3.1. Darstellung auf der Bühne –– Drama – Stück – Aufführung 66 –– Figur 67 –– Charakterisierung von Figuren 69 –– Reden auf der Bühne 70 –– Handlung 72 –– Komposition der Handlung (Dramaturgie) 73 –– Zeit und Raum 74 –– Inszenierung 75 3.2. Das klassische Drama –– Die Anfänge des Dramas 78 –– Die aristotelische Poetik 79 –– Der Aufbau der Tragödie 80 –– Der tragische Konflikt 81 –– Katharsis 82 –– Die drei Einheiten und der Vers 83 –– Die Komödie 84 –– Komik 85 –– Die Oper 86 3.3. Moderne Dramenformen –– Geschlossenes und offenes Drama –– Bürgerliches Trauerspiel –– Das naturalistische Drama –– Das epische Theater –– Dokumentarisches Theater –– Groteske und absurdes Theater –– Das Hörspiel –– Der Spielfilm –– Filmisches Wahrnehmen 3.4. Dramen analysieren –– Dramentheorie: Übersicht –– Dramenanalyse: Checkliste –– Dialoganalyse: Checkliste –– Fragen zum Drama
87 88 90 91 93 94 96 97 98
101 102 104 106
2.7. Prosa analysieren –– Erzählmittelkatalog 56 –– Moderne Prosa: Checkliste 58 –– Analyse erzählender Prosa: Checkliste 60 –– Fragen zur erzählenden Prosa 62
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Inhaltsverzeichnis 3
4. Lyrik 4. Lyrik: Übersicht 108 4.1. Besonderheiten der Lyrik –– Lyrik: Gedichte 110 –– Die Sprache der Lyrik 111 –– Die Subjektivität der Lyrik 112 4.2. Bausteine der Lyrik –– Das Gedicht als Kunstwerk –– Der Vers –– Der Versfuss –– Das Versmass (Metrum) –– Akzentuierende Verse –– Der Reim –– Der Klang
113 114 116 117 120 121 124
4.3. Lyrische Bilder –– Die Assoziation 127 –– Die Umschreibung 128 –– Vergleich und Metapher 129 –– Oxymoron und Synästhesie 130 –– Symbol und Allegorie 131 4.4. Formen der Lyrik –– Moderne Lyrik 132 –– Strophenformen 133 –– Gedichtformen 136 4.5. Lyrik analysieren –– Analyse eines Gedichts 140 –– Die Struktur des Beispielgedichts 141 –– Das Metrum im Beispielgedicht 142 –– Der Klang im Beispielgedicht 144 –– Sprachliche Bilder im Beispielgedicht 145 –– Lyrikanalyse: Checkliste 146 –– Fragen zur Lyrik 148 5. Interpretieren 5.1. Bewusst interpretieren –– Der Grundgedanke des Interpretierens 150 –– Die richtigen Fragen 151 –– Literarische Kommunikation 152 5.2. Autor –– Produktionsästhetik 154 –– Intertextualität 155 5.3. Leser –– Rezeptionsästhetik 156 5.4. Text –– Hermeneutik 157
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5.5. Interpretationsverfahren –– Interpretationsverfahren: Übersicht 158 –– Autororientierte Interpretationsverfahren 159 –– Textorientierte Interpretationsverfahren 160 –– Leserorientierte Interpretationsverfahren 161 –– Kontextorientierte Interpretationsverfahren 162 –– Das Werk und sein historischer Hintergrund 163 –– Interpretieren: Checkliste 164 6. Anhang 6.1. Der Literaturbetrieb –– Der Buchmarkt 166 –– Der Verlag 167 –– Das Feuilleton 168 –– Der Buchhandel 169 –– Literaturveranstaltungen 170 6.2. Checklisten –– Das Lesetagebuch 171 –– Zitieren 172 –– Präsentieren literarischer Werke 174 –– Die mündliche Maturprüfung 175 –– Motive 176 6.3. Literarische Figuren –– Wortfiguren 179 –– Satzfiguren 180 –– Klangfiguren 181 –– Literarische Figuren an Beispielen 182 Glossar 184 Literaturverzeichnis 187 Die wichtigsten Begriffe nach Gattungen 188 Sachregister 189
Übersicht Das Lehrwerk «Deutsch am Gymnasium» besteht aus vier Teilen. –– « Sprache und Kommunikation» Deutsch am Gymnasium 1 –– « Einfach schreiben» Deutsch am Gymnasium 2 –– « Literatur» Deutsch am Gymnasium 3 –– « Wege zur Literatur» Deutsch am Gymnasium 4
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Inhaltsverzeichnis 4
Vorbemerkungen Inhalt Deutsch gehört an Schweizer Mittelschulen zu den Grundlagenfächern. Das Fach Deutsch bildet eine Grundlage für andere Fächer und damit für den Schulerfolg. Dieses Lehrbuch vermittelt den Stoff der Literaturbetrachtung im Fach Deutsch an Gymnasien. Band 1 vermittelt die Bereiche Sprache und Kommunikation. Das vierbändige Lehrwerk «Deutsch am Gymnasium» umfasst auch zwei prozessorientierte Einführungen in das Schreiben von Sachtexten bzw. in das Schreiben von literarischen Texten.
Lehrmittel «Deutsch am Gymnasium» ist ein Lehrmittel für das Fach Deutsch an Gymnasien. Es ist bestimmt für die Hand der Schülerinnen und Schüler. Es versammelt alle für das Fach Deutsch relevanten Inhalte. Das Lehrmittel kann auch in den Lehrgängen der Berufsmaturität und Fachmittelschule eingesetzt werden.
Aufbau –– Kapitel 1 vermittelt die Grundlagen im Umgang mit Literatur. Vorzugsweise wird es zuerst erarbeitet. –– Die Kapitel 2 bis 4 können in beliebiger Reihenfolge erarbeitet werden. –– Kapitel 5 befasst sich mit dem Interpretieren. Vor seiner Erarbeitung sollte mindestens eines der Kapitel 2 bis 4 behandelt sein. –– Sind Sachverhalte oder Begriffe vorausgesetzt, werden sie mittels Querverweis erschlossen.
Glossar Das Glossar erklärt grundlegende Begriffe der Literatur, die in den Kapiteln vorausgesetzt werden. Wenn Sie nicht weiterwissen, schauen Sie zuerst im Glossar nach. Begriffe, die in den Kapiteln definiert werden, erscheinen nicht im Glossar. Sie können über das Sachregister gefunden werden.
Sachregister Das Sachregister verzeichnet sämtliche Begriffe, die eingeführt werden.
Praxisnähe Sämtliche Seiten, alle Anleitungen, Checklisten und Beispiele dieses Lehrmittels wurden in der Praxis des gymnasialen Deutschunterrichts erprobt. Das trifft insbesondere auf die Formulierungen zu. Ich danke an dieser Stelle all jenen, die dazu beigetragen haben, die Sprache einfach und verständlich zu machen.
Geschlechterneutrale Formulierung Der Autor dieses Bandes ist sich der Problematik der ausschliesslichen Verwendung männlicher Formen für geschlechtergemischte Gruppen bewusst. Aus Gründen der leichten Lesbarkeit wurde auf Doppelformen nach dem Muster «Autorinnen und Autoren» verzichtet. Dagegen erscheint in den Darstellungen eine Autorin bzw. eine Leserin. Mehr Informationen zum Thema geschlechterneutrale Formulierung finden sich im Band «Sprache und Kommunikation». Deutsch am Gymnasium 1, S. 30 f.
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Inhaltsverzeichnis 5
Vorwort Der vorliegende Band «Literatur» des Lehrwerks «Deutsch am Gymnasium» ist eine Einführung in die Kunstfertigkeit literarischer Werke. Wenn Sie den Inhalt eines Romans oder eines Gedichts kennen lernen wollen, brauchen Sie dieses Lehrbuch nicht. Wenn Sie aber verstehen wollen, was ein literarisches Werk zu einem Kunstwerk macht, wenn Sie begreifen wollen, was literarisches Schreiben auszeichnet, dann dient Ihnen dieses Buch. Der vorliegende Band führt über die Analyse in das Verständnis der Literatur ein. Eine Einführung in die Strukturen und Formen literarischen Schreibens, die über die eigene Schreiberfahrung führt, finden Sie in Deutsch am Gymnasium 4: «Wege zur Literatur». Literarische Werke übertragen nicht einfach einen Inhalt. Denn es ist ihre besondere Art und Weise, eine Geschichte zu erzählen oder einen Umstand zu schildern, die Literatur zu Literatur macht. Inhalt und Form gehören zusammen, und wenn sich die beiden überhaupt trennen lassen, dann ist es fast immer die Form, die den Inhalt bestimmt, nicht umgekehrt. Der Band eignet sich gleichermassen als Selbstlernbuch wie als Begleitbuch zum Unterricht. Seine Darstellungsweise und das Register machen ihn zu einem praktischen Nachschlagewerk. Ich empfehle, das Kapitel 1 «Grundlagen» als Erstes zu lesen. Die Kapitel 2 bis 4 können in beliebiger Reihenfolge erarbeitet werden. Kapitel 5 baut darauf auf. Darum sollten Sie sich zuerst mit mindestens einem der Kapitel 2 bis 4 vertraut gemacht haben, bevor Sie sich an das Kapitel 5 machen. Der Anhang ist der Serviceteil von «Literatur». Er ergänzt den Anhang von «Sprache und Kommunikation». Deutsch am Gymnasium 1. Dort finden Sie Hinweise und Anleitungen zur Maturarbeit, zu Layout und Textgestaltung und zu einer Vielzahl von rhetorischen Figuren. Hier finden Sie Informationen zur Präsentation literarischer Werke, zur mündlichen Maturprüfung und eine Vielzahl von literarischen Figuren.
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Solothurn, Januar 2014, Pascal Frey
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Inhaltsverzeichnis 6
Dank Dank Mein Dank gebührt allen Schülerinnen und Schülern, Kolleginnen und Kollegen, die mich tatkräftig unterstützt haben, und meiner Familie für das grosse Verständnis, das sie mir entgegengebracht hat. Ganz herzlich danke ich: –– Daniela Plüss, Dr. phil., Berufsfachschullehrerin, Dozentin PHZH/Sekundarstufe 2/ Lehrbeauftragte UNI/ETH Zürich –– Claudio Caduff, Dr. phil., Dozent PH Zürich/Sekundarstufe 2 und PH Luzern/ Zentrum Geschichtsdidaktik und Erinnerungskultur –– Sandra Neuber-Koch für viele Ideen und Anregungen –– der Klasse 2008C der Neuen Kantonsschule Aarau für die Praxiserprobung –– Sylvia von Piechowski für das Korrektorat –– Simon Meienberg für den Satz –– Armin Meienberg für die grafische Gestaltung –– Aleris Graf für die Illustrationen –– Renato Regli für den Umschlag und die Kapitelfotos –– Rico Engesser für die freundliche Überlassung des Fotos von Oscar Pastior –– und schliesslich dem Verleger, Jakob Fuchs, für tausend Kleinigkeiten und mehr, die die Herstellung eines Buches zu einer grossartigen Sache machen
Der Autor Pascal Frey (geboren 1967), Dr. phil., Deutschlehrer an der Neuen Kantonsschule Aarau, wohnhaft in Solothurn, ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Solothurn, Januar 2014, Pascal Frey
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1. Grundlagen
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1. Grundlagen
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Der Begriff «Literatur» Der Begriff «Literatur» stammt vom lateinischen Wort «littera» ab (Buchstabe). Literatur ist streng genommen also alles, was geschrieben steht. Im Laufe der abend ländischen Kulturgeschichte hat sich allerdings ein Gebrauch des Begriffs durch gesetzt, der Literatur von solchen Texten abgrenzt, die der Sachinformation allein dienen.
Literatur bedeutet für mich:
Noemi
Luca
Mirjam
Sabrina
Die Veranschaulichung der menschlichen Seele.
Aufgeschriebene Lebens geschichten.
Eine in Worte gefasste Welt mit ihren wunder vollen Gedanken und teilweise absurden Geschichten.
Eine niemals vollständige und deshalb immer anregende Auseinander setzung mit allem.
Literatur lese ich:
Bettina
Oliver
Daniela
Marco
Sie ist eine schöne Möglichkeit, sich mit der Sicht anderer Leute zu befassen.
Ich kann vom Alltag ab schalten und mich in eine andere Welt versetzen.
Abenteuer und andere Menschen interessieren mich.
Sie handelt vom Leben und sie gehört zum Leben.
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1. Grundlagen
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Sachtext – Literatur Literatur unterscheidet sich von Sachtexten: Sachtexte (Gebrauchstexte)
Literatur
Sachtexte sind Texte, die über einen Inhalt informieren
Literarische Werke wollen in erster Linie erzählen und darstellen
–– Wissenschaftliche Bücher (sogenannte «Fachliteratur») –– Lehrmittel –– Fachbücher –– Anleitungen (Kochbücher) –– Reiseführer –– usw.
–– Gedichte –– Romane –– Erzählungen –– Theaterstücke –– Hörspiele –– Film-Drehbücher –– usw.
➔ I nformationen zum Umgang mit Sachtexten finden sich in «Sprache und Kom munikation». Deutsch am Gymnasium 1. ➔ Informationen zu allen Sachtextsorten finden sich in «Einfach schreiben». Deutsch am Gymnasium 2. ➔ Informationen zu literarischen Texten finden sich im vorliegenden Lehrbuch. ➔ Anleitungen zu eigenen literarischen Schreibversuchen finden Sie in «Wege zur Literatur», Deutsch am Gymnasium 4.
Gemeinsamkeiten literarischer Texte Alle literarischen Texte teilen folgende Gemeinsamkeiten: – Literarische Texte sind geschrieben. Sie bestehen aus abgeschlossenen, zusam menhängenden schriftlichen Äusserungen. – Literarische Texte sind künstlerisch gestaltet. Ihr Charakter besteht aus der be wussten Formung der Sprache. – Literarische Texte sind fiktional. Sie bilden nicht die reale Welt ab, sondern spie len in einer vom Autor gebildeten Welt. Während es in Sachtexten unerlässlich ist, dass das Beschriebene wahr ist, d. h. mit der Wirklichkeit übereinstimmt, geht man bei literarischen Texten zumeist davon aus, dass die dargestellten Figuren, Situationen und Geschehnisse erfunden sind. Dies schliesst allerdings nicht aus, dass fiktionale Texte auch Wirklichkeitsaussagen enthalten (siehe S. 12 f.). – Literarische Texte sind polyvalent (vieldeutig). Vieldeutigkeit ist in Sachtexten ein Mangel. Für literarische Texte gilt indessen, dass sie immer wieder neu ver standen werden können. Aus Theodor Fontanes Roman «Effi Briest» zum Beispiel kann man etwas über die Verheiratungsbräuche, Essgewohnheiten, Verwaltungsangelegenheiten usw. im späten 19. Jahrhundert erfahren und erhält einen Einblick in den Umgang mit Ehre und Duellen damals. Der Roman macht aber auch auf die Schwächen der Figuren aufmerksam. Ausserdem lässt er die Leser mitfühlen mit dem Geschick von Effi und dem Hadern ihres Ehemannes. Nicht jeder Leser achtet auf jedes Detail gleich, jeder zieht aus demselben Roman etwas anderes. Literarische Werke sind bewusst und künstlerisch gestaltet. Dadurch unterscheiden sie sich von Sachtexten.
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1. Grundlagen
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Literatur, Poesie und Poetik In der Alltagssprache werden Begriffe «Literatur», «Buch», «Text» und «Poesie» oft gleichbedeutend gebraucht. Sie bezeichnen aber unterschiedliche Sachverhalte.
Dichtung / Literatur / Poesie / Poetik «Dichtung» ist der deutsche Begriff für den griechischen Ausdruck «Poesie». Die beiden Wörter sind Synonyme. Beide sind Oberbegriffe für die gesamte Literatur. Dementspre chend ist «Dichter» der deutsche und «Poet» der griechische Ausdruck für jemanden, der literarische Werke verfasst. Die Theorie der Literatur bezeichnet man als «Poetik». Poetik ist die Anleitung zum Schreiben, Poesie das Resultat des Schreibens.
Poesie (Deutsch: Dichtung)
Epik
Dramatik
Lyrik
(Erzählende Prosa)
(Theaterstücke)
(Gedichte)
Poetik (Theorie der Dichtung)
Buch – Text – Werk –– «Buch» bezeichnet das gedruckte Produkt, die Ware, also das, was den Text bzw. das Werk enthält. –– Die Texte in der Literatur bezeichnet man in der Regel als «Werke». Unter einem Text versteht man eine zusammenhängende schriftliche Äusserung (siehe in «Sprache und Kommunikation». Deutsch am Gymnasium 1, S. 128 f.). –– Der Begriff «Werk» betont im Gegensatz zu «Text» den Charakter des bewussten und ästhetisch geschaffenen Kunstwerks. Buch
Text
Werk
Das auf Papier gedruckte Werk
Zusammenhängende Sätze
Bewusst gestaltetes Kunstwerk
Deswegen vermeidet man zu sagen: «Im Buch ‹Der goldene Topf› erzählt E. T. A. Hoffmann den Werdegang eines Dichters.» Literarische Texte nennt man allgemein «Werk» oder – noch besser – bei ihrer Gattung (z. B. Roman, Komödie, Ode). Falsch Im Buch «Der goldene Topf» erzählt der Autor Hoffmann vom ... Richtig Im Werk «Der goldene Topf» erzählt ... Noch besser: Im Märchen «Der goldene Topf» erzählt ...
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1. Grundlagen
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Inhalt und Form Ob ein Text zur Literatur gehört oder nicht, lässt sich nicht so einfach entscheiden. Ein Blick auf den Inhalt allein reicht nicht aus. Sachbücher zum Thema «Liebe» gehören nicht zur Literatur. Anderseits würde niemand bestreiten, dass die Liebe eines der Hauptthemen der Weltliteratur ist, zum Beispiel in Shakespeares Tragödie «Romeo und Julia» oder in den Gedichten Goethes.
Unterschied: Inhalt – Form Man kann nicht aufgrund des Inhalts entscheiden, ob es sich bei einem Buch um ein Sachbuch oder um ein literarisches Werk handelt. Das lässt sich einzig und allein aufgrund der Form entscheiden. Inhalt
Form
Ein Junge sieht auf der Wiese eine schöne Rose, die er pflückt, obwohl sie es nicht will.
Sah ein Knab’ ein Röslein steh’n, Röslein auf der Heiden, War so jung und war so schön, Lief er schnell es nah zu seh’n, Sah’s mit vielen Freuden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden. Knabe sprach: «Ich breche dich, Röslein auf der Heiden.» Röslein sprach: «Ich steche dich, Dass du ewig denkst an mich, Und ich will’s nicht leiden.» Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden. (Johann Wolfgang Goethe, Heideröslein)
Literarisches Verstehen Die Inhaltsangabe ist genauer und kürzer als das Gedicht. Daraus könnte man ablei ten, dass es sich nicht lohnt, das Gedicht zu lesen. Mit der Inhaltsangabe kennt man zwar den Inhalt, hat allerdings das literarische Werk trotzdem nicht verstanden. Ein literarisches Werk wie das Gedicht Goethes lässt sich gar nicht rein inhaltlich verstehen und der Inhalt nicht losgelöst von der Bauweise des Gedichtes. Literarisches Verstehen bezieht sich immer zuerst auf die Form. Es ist viel ergiebiger zu erfahren, warum die literarische Sprache manchmal verfrem det und schwer zugänglich ist, als festzustellen, das «Buch sei schwer verständlich». Man darf nämlich davon ausgehen, dass der Autor die Komplizierung der Form nicht um ihrer selbst willen betreibt. Er will die oft flüchtige und oberflächliche Wahrneh mung der Leser unterlaufen, um den Lesevorgang bewusster zu machen. – Ein literarisches Werk kann nicht wie ein Sachtext verstanden werden. – Ob ein Text Literatur ist, hängt in erster Linie von formalen und nur in sehr beschränktem Masse von inhaltlichen Aspekten ab. – Literatur hat nicht bloss einen Gehalt, sondern sie erzeugt diesen Gehalt durch die Konstruktion.
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1. Grundlagen
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Wirklichkeit und Fiktion Literatur unterscheidet sich von nichtliterarischen Texten durch die Form, aber auch durch ihre Fiktionalität.
Fiktion Der Begriff «Fiktion» leitet sich ab vom lateinischen Wort «fingere» und bedeutet erdichten, vortäuschen, bilden. Bereits die Antike hat unterschieden zwischen: Fakt
Fiktion
Der Wissenschaftler beschreibt, was passiert ist.
Der Poet erzählt davon, was passieren kann.
Ein Historiker stellt einen Zusammen hang zwischen seinem Text und einer historischen Realität her.
Die Handlungsweise der Figuren in einem literarischen Text ergibt sich nur aus dem Textinnern, d. h. aus dem Handlungsgang, der Figuren konstellation und dem Figuren charakter. Literarische Werke nehmen also keinen direkten Bezug auf Elemente, die ausserhalb des Textes liegen.
Die Grenze zwischen Wissenschaft und Literatur ist nicht die zwischen «wahr» und «erfunden». Der Unterschied liegt zwischen direktem Bezug zur Wirklichkeit und der Erzeugung einer Wirklichkeit. Obwohl Literatur immer eine Wirklichkeit dar stellt, d. h. von Personen, Handlungen, Ereignissen, historischen Zeiten und realen Orten erzählt, stehen dahinter nicht reale Begebenheiten. Die literarische Wirklich keit existiert also nur innerhalb des literarischen Werkes. Wissenschaft bezieht sich auf die Wirklichkeit. Literatur erschafft eine eigene Wirklichkeit, die Fiktion.
Dichtung und Wahrheit: Mimesis Wie alle Künste nimmt auch die Literatur Bezug auf die reale Lebenswelt. Die Literatur bildet sie ab, reflektiert sie, verändert sie. Dieses Phänomen bezeichnet man mit dem griechischen Begriff «Mimesis», Nachahmung. Jedes literarische Werk beruht auf Elementen der realen Lebenswelt seines Autors und vermischt sie mit fiktiven Elementen. Es entsteht ein Verhältnis von Dichtung und Wahrheit. Der Begriff «Mimesis» bezeichnet dieses Verhältnis. Will man den Grad der Mimesis bestimmen, muss man fragen: «Wie wird die Wirklichkeit in der Literatur abgebildet?»
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1. Grundlagen
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Realismus in der Literatur Mimesis ist die Frage: Wie genau, d. h. wie «realistisch», soll das Werk die Wirklich keit abbilden? Der Schriftsteller Theodor Fontane (1819 –1898) beschreibt dies so: «Das Leben ist doch immer nur der Marmorsteinbruch, der den Stoff zu unend lichen Bildwerken in sich trägt. [...] Der Block an sich, nur herausgerissen aus einem grössern Ganzen, ist noch kein Kunstwerk.» (Theodor Fontane, Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848, 1853)
Die Wirklichkeit – das menschliche Leben – für sich ist noch kein Kunstwerk. Erst durch das Einwirken des Künstlers wird sie zu einem Kunstwerk. Der Schriftsteller ist also wie der Bildhauer, der die vorhandene Wirklichkeit zu einem Kunstwerk formt. Aus dem rohen Marmorblock wird eine Tischplatte oder eine Skulptur. Sie bleibt jedoch Marmor – und damit Realität. Je näher der Künstler an der Wirklich keit bleibt, desto grösser ist der Realismus in der Literatur. Der Autor nimmt die Wirklichkeit wahr. In seinem Werk stellt er sie dar. Die Dar stellung im Werk ähnelt der Wirklichkeit, weist also Mimesis auf.
Autorin nimmt wahr
Wirklichkeit
stellt dar
Mimesis (Nachahmung)
Werk
Der Fiktionalitätsvertrag Darf man erwarten, dass eine literarische Geschichte immer restlos und vollständig mit der realen Welt übereinstimmt? Das wäre langweilig. Es würde eine Menge spannender Geschichten verunmöglichen, man denke z. B. an «Pippi Langstrumpf». Sobald man ein literarisches Werk zu lesen beginnt, geht man einen «Fiktionalitäts vertrag» ein. Er bindet den Autor und den Leser. Man geht ihn automatisch und ungefragt ein. Beide tun so, als entspräche die fiktionale Geschichte der Wahrheit. Der Fiktionalitätsvertrag besteht aus gegenseitigem stillschweigendem Versprechen:
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Der Leser verspricht,
die vom Autor entworfene fiktionale Welt wie eine reale Welt zu akzeptieren.
Der Autor verspricht,
im Rahmen der von ihm entworfenen fiktionalen Welt wahrscheinlich und glaubwürdig zu bleiben. Wo die fiktionale Welt von der uns bekannten Wirklichkeit abweicht, macht er plausibel, warum.
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1. Grundlagen
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Themen und Motive in der Literatur Jedes literarische Werk hat eine Verbindung zur Wirklichkeit (Realität). Es befasst sich auf irgendeine Art mit einem Sachverhalt, mit Personen, Problemen und Fragen der Wirklichkeit. Jedes Werk hat ein «Thema». Thema meint die Hauptaussage des Werkes. Innerhalb verschiedener literarischer Werke können gewisse Elemente eine besonde re Rolle spielen oder mehrfach vorkommen. Solche Elemente nennt man «Motive».
Thema – Motiv Thema «Thema» meint das grosse Ganze des literarischen Werkes. Nach dem Thema kann man fragen: «Worum geht es?», «Was ist die Aussage?». Thema meint die Hauptsache, den Hauptgedanken eines literarischen Werks. Themen verweisen auf die Wirklichkeit. Motiv In der Literatur versteht man unter «Motiv» ein thematisches Element, das inner halb eines Werkes wiederholt wird oder das in verschiedenen Werken in je unter schiedlicher Verwendung vorkommt. Nach dem Motiv kann man fragen: «Welche Elemente der Handlung sind wesentlich oder wiederkehrend?» Motive sind inhaltliche Elemente, die in verschiedenen literarischen Werken immer wieder vorkommen. Motive sind Teil der Fiktion. Am Beispiel von Schillers Tragödie «Die Räuber» sieht das so aus: –– Thema ist die Frage: Wie weit darf man die individuelle Freiheit ausleben? –– Ein tragendes Motiv ist der Bruderzwist, also das Motiv der verfeindeten Brüder, das aus der Bibel (Kain und Abel) bekannt ist.
Inhaltliche und symbolische Motive Man unterscheidet zwischen inhaltlichen und symbolischen Motiven. Inhaltliche Motive Sie sind Personen oder Gegenstände, die in unterschiedlichen Werken wieder kehren, wie die verfeindeten Brüder oder ein Dreiecksverhältnis, wie der Liebes trank oder ein Ort. Oft sind Motive benannt nach dem ersten oder wichtigsten Werk, in dem das Motiv vorgekommen ist. Man spricht z. B. nicht vom Motiv der liebenden Kinder verfeindeter Familien, sondern vom Romeo-und-Julia-Motiv. Symbolische Motive Sie erhalten ihre Bedeutung aus der Stimmung, die sie ausdrücken. Der Wald kann Motiv sein mit einer symbolischen Bedeutung als Rückzugsort. Die Gross stadt ist in vielen Werken ein Motiv mit der symbolischen Bedeutung «Anony mität» oder «pulsierendes Leben». ➔M ehr Informationen zur ästhetischen Bedeutung der Motive für die Analyse lite rarischer Werke finden sich im Anhang, siehe S. 176 ff.
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1. Grundlagen
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Ordnungen der Literatur Literatur lässt sich nach unterschiedlichen Aspekten ordnen. Alle Ordnungssysteme haben eine lange Tradition. Sie schliessen einander nicht aus.
Zeitliche Ordnung: Epochen Die Einteilung in Epochen ist ein grundlegendes Gliederungsprinzip der Literatur geschichte. «Epoche» meint nicht in erster Linie die Zeiteinheit, sondern ein un verwechselbares Profil, das sich aus der bevorzugten Themenwahl und dem vor herrschenden Schreibstil einer Zeit zusammensetzt. Die Abbildung zeigt eine verbreitete Einteilung der deutschen Literaturgeschichte.
Naturalismus
Klassik Sturm und Drang Aufklärung
Neue Sachlichkeit Expressionismus /Dadaismus
Romantik
1600
1650
Exilliteratur
Biedermeier
Humanismus/ Renaissance
1550
Realismus Vormärz
Barock
1500
1700
1725
1750
Nachkriegsliteratur
1775
1800
1825
Moderne
1850
1875
1900
1925
1950
1975
Einen Überblick über die einzelnen Epochen der deutschen Literatur finden Sie in «Wege zur Literatur», Deutsch am Gymnasium Bd. 4, S. 110 –122.
Inhaltliche Ordnung: Genres Der Begriff «Literarisches Genre» bestimmt Literatur inhaltlich. Genrebezeichnun gen wie Kriminalroman oder Fantasy signalisieren dem Publikum, auf welche the matische Ausrichtung es sich einzustellen hat. Genres lassen sich selten exakt ab grenzen, denn Werke innerhalb eines Genres können auch Merkmale anderer Genres aufweisen: Ein Kriminalroman in einer Science-Fiction-Welt ist durchaus denkbar. Nur wenige Genrebezeichnungen sind allgemein gebräuchlich. Beispiele dafür sind: Abenteuerroman, Bildungsroman, Fantasy, Heimatroman, Horror- oder Schauerroman, Krimi, Science-Fiction.
Auswahl aus der Vielzahl: Kanon Als Kanon bezeichnet man eine Zusammenstellung von Werken der Literatur, die als lesenswert und bedeutsam erachtet werden. Interessant ist der Kanon, weil er sich im Laufe der Zeit wandelt. Gehören Gedich te von Goethe seit ihrer Entstehung zum Kanon, hat man Werke anderer Autoren heute weitgehend vergessen, d. h. sie tauchen nicht mehr im Buchhandel oder in Schulbüchern auf und sind höchstens Literaturwissenschaftlern bekannt. Nicht immer ist deutlich, ob ein jeweiliger Kanon häufig gelesene Werke einer Zeit auflistet (empirischer Kanon) oder ob er eine Liste von Werken vorschreiben will (normativer Kanon). Deshalb sind Kanons immer sehr umstritten.
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1. Grundlagen
16
Geografische Ordnung Man unterscheidet Literatur auch nach Sprachräumen. Die französische Literatur ist demnach die Literatur, die auf Französisch geschrieben wird. Die deutschspra chige Literatur der Schweiz gehört also ebenso zur deutschen Literatur wie die Literatur aus Österreich.
Formale Ordnung: Gattungen Literatur tritt in drei möglichen Gattungen in Erscheinung. Die Gattungen unter scheiden sich formal – in der Art ihrer Sprachverwendung – und in ihrer Kommuni kationsweise untereinander.
Dichtung / Poesie
Epik
Lyrik
Prosa
Prosa oder Vers
Gebundene Sprache
erzählend
darstellend
schildernd
– Roman – Erzählung – usw.
– Tragödie – Komödie – usw.
– Sonett – Ballade – usw.
–– Wie beginnt der Erzähler? Was er zählt er? Was lässt er weg? –– Welche Entwicklun gen durchlaufen die Figuren? –– Wie geht der Erzäh ler mit der Zeit um? Springt die Hand lung? Wird chronologisch erzählt? –– Wie baut der Autor Spannung auf? usw.
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Dramatik
–– Wie verteilt der Autor die Hand lungsschritte auf die Szenen? Was zeigt er? Was nicht? Wie hoch ist das Handlungstempo? –– Handeln Charaktere oder Typen? –– In welcher Stilhöhe lässt der Autor die Figuren sprechen? –– Welche Funktionen nehmen Dialog und Monolog ein? usw.
–– Welche Bauelemen te (Strophe, Vers mass, Reim usw.) setzt der Autor ein? –– Welche sprachli chen Bilder, Motive und Klangelemente zeichnen das Ge dicht aus? –– Wo steht das lyrische Ich? Wie schildert es seine Gedanken, Stimmungen, Erin nerungen? Zu wem spricht es? –– Wie entsteht der Klang des Gedichts? usw.
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2. Erz채hlende Prosa
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2. Erzählende Prosa: Übersicht
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Übersicht Das Erzählen Alltägliches Erzählen
Literarisches Erzählen
Position
Aussensicht
Innensicht
Der Erzähler Die Erzählebenen
Autor
Erzähler
Die Erzählsituation –– Autor –– Leser –– Werk
Die Erzählerrede –– Bericht –– Beschreibung –– Charakterisierung –– Kommentar
Die Erzählerperspektiven
Neutraler Erzähler
Handlung
Personaler Auktorialer Erzähler Erzähler
Die Handlung Zeit –– Tempus –– Erzählebenen –– Zeitverhältnisse –– Abfolge
Ort –– Handlungsraum –– Symbolraum –– Kontrastraum –– Stimmungsraum –– Lebensraum
Figuren
Charakterisierung –– äussere und innere –– direkte und indirekte
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Ereignis –– Haupt- und Nebenhandlung –– Kontrasthandlung –– Rahmen- und Binnenhandlung
Komposition der Handlung –– Schlüsselstellen –– Spannung –– Ironie
Figurenrede –– Direkte Rede –– Indirekte Rede –– Erlebte Rede –– Innerer Monolog –– Bewusstseinstrom
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2. Erzählende Prosa: Übersicht
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Die Sprache Das Wort
Der Satz
Literarische Figuren
Grossformen erzählender Prosa Epos
Erzählung
Märchen
Novelle
Roman
Sage
Parabel
Gleichnis
Kleinformen erzählender Prosa Fabel
Anekdote
Aphorismus
Kurzgeschichte
Prosa analysieren Erzählmittelkatalog (Die Möglichkeiten des Erzählens)
Moderne Prosa Checklisten
Analyse erzählender Prosa Checklisten
Fragen zu erzählender Prosa
Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für das Verfassen eigener erzählender Texte findet sich in Deutsch am Gymnasium 4: «Wege zur Literatur», S. 10 –28.
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2.1. Das Erzählen
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Alltägliches und literarisches Erzählen Die Epik ist die Gattung, die Geschichten erzählt. Heute werden Geschichten fast ausschliesslich in Prosa, also in fortlaufendem Text erzählt. Deswegen nennt man diese Gattung meistens «erzählende Prosa». Man erzählt oft – von früher, von Erlebnissen oder Erfahrungen. Erzählen wendet sich immer an ein Publikum und erzählt von etwas, das bereits vergangen ist. Alltägliches Erzählen erfolgt meist mündlich, literarisches Erzählen schriftlich.
Erzählen als Erinnern Am Anfang des Erzählens, des mündlichen wie des schriftlichen, steht das Erinnern. «Was ich zu berichten beabsichtige, ist mir vor reichlich einem halben Jahrhundert [...] kund geworden.» So lautet der erste Satz von Theodor Storms Novelle «Der Schimmelreiter». Märchen beginnen oft mit «Es war einmal ...». Die Erzählung schaut also auf ein Geschehen zurück, das vergangen ist – sie ist «Geschichte».
Die Geschichte (Frage nach dem Was) Hauptmerkmal einer Geschichte ist ein Ereignis, das sich zu erzählen lohnt, das in Erinnerung blieb oder bleiben soll. Eine «unerhörte Begebenheit» nannte das Johann Wolfgang Goethe. Dabei ist es nicht relevant, ob der Erzähler die Begebenheit selber erlebt oder ob er nur von ihr erfahren hat. Eine Geschichte handelt an einem Ort, zu einer gewissen Zeit, hat handelnde Personen und ein Ereignis.
Die Erzählung (Frage nach dem Wie) Begebenheiten, die man sich erzählt und weitererzählt, werden durch die Art und Weise des Erzählens, das Wie, zu einer Erzählung. Eine Erzählung besteht nicht nur aus einer Ereignisfolge, sondern auch aus ihrer Darstellung. In der Literatur macht das Wie, nämlich der Einsatz erzählerischer Mittel, den eigentlichen Reiz der Erzählung aus. Alltägliches und literarisches Erzählen Alltägliches Erzählen
Literarisches Erzählen
Gemeinsamkeiten
–– Nennenswerte Begebenheit –– Rückblickend –– Für ein Publikum
–– Nennenswerte Begebenheit –– Rückblickend –– Für ein Publikum
Unterschiede
–– Mündlich (selten schriftlich) –– Persönliches Erlebnis oder Geschehen vom Hörensagen –– 1. Person (Ich-Form) –– Zeitform: normalerweise Perfekt –– Alltagssprachlich, ungeformt
–– Nur schriftlich –– Fiktives Geschehen (nicht zwingend selber erlebt) –– 1. Person / 3. Person –– Zeitform: Präteritum –– Formenvielfalt
Fokus auf das Was
Fokus auf das Wie
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