Verlag Fuchs Pascal Frey
Sprache und Kommunikation Deutsch am Gymnasium 1
Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis 1. Sprache 1.1 Linguistik – Das Wesen der Sprache – Erscheinungsformen von Sprache – Standardsprache und Varietäten – Kleine Geschichte der deutschen Sprache – Der alemannische Sprachraum – Phonetik – Aussprache – Betonung der deutschen Wörter 1.2 Sprachbetrachtungen – Rätsel Sprache – Spracherwerb – Wortschatz – Lehn- und Fremdwörter – Redewendungen – Sprachwandel – Sprechakte – Sprache und Denken – Sprache und Macht – Gleichberechtigung in der Sprache – Die Rechtschreibreform
3. Rhetorik 8 9 10 12 15 16 17 18 19 21 22 24 25 26 27 28 29 30 32
3.1 Redetheorie – Rede, Referat, Präsentation – Die Redesituation – Der Standardaufbau ohne Fisimatenten – Kleiner Exkurs zur Zuhörerpsychologie – Die Anfänge – Du-Orientierung – Die Körpersprache – Der Zielsatz – Die Grundfehler – Ein (nicht ganz ernst gemeinter) Ratgeber 3.2 Vor und während der Präsentation – Die Vorbereitung (Inventio) – Die Gliederung (Dispositio) – Die Sprache (Elocutio) – Das Einüben (Memoria) – Das freie Sprechen (Actio, Pronuntiatio) – Die Visualisierung – Einsatz von Medien – Checkliste Rhetorik
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4. Argumentieren 2. Kommunikation 2.1 Kommunikationstheorie – Was ist Kommunikation? – Das Kooperationsprinzip – Kommunikation ist Handeln – Man kann nicht nicht kommunizieren – Beziehungs- und Inhaltsaspekt – Die vier Seiten einer Botschaft – Kommunikation ist digital und analog – Symmetrie und Komplementarität – Das Organonmodell – Das Nachrichtenmodell – Die kommunikative Basis – Die Funktionen der Kommunikation – Checkliste Kommunikation 2.2 Kommunikationsfähigkeit – Kommunikationsfähigkeit – Kommunikation und Selbstwertgefühl – Gesprächsblocker – Checkliste: Vorbereitung auf ein Gespräch 2.3 Diskutieren – Die Diskussion – Diskussionsformen – Jugend debattiert (mit freundlicher Genehmigung der Stiftung Dialog) – Leitfaden Diskutieren
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4.1 Argumentieren – Das Argument – Gültigkeit von Argumenten – Typen von Argumenten – Scheinautorität und Fehlschluss – Scheinargument – Deduktion und Induktion – Allgemeine Aussagen 4.2 Überzeugen – Überzeugen – Manipulieren – Verhalten in Gesprächen – Konflikte lösen – Aufeinander zugehen – Die VIR-Strategie 4.3 Erörtern – Erörtern – Sammlung von Gedanken und Stoffen – Gliedern einer Erörterung – Formen der Erörterung
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Inhaltsverzeichnis
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5. Lesen 5.1 Sachtexte erschliessen – Sachtexte – Lesetechniken – Die SQ3R-Methode – Markieren – Notizen – Visualisieren 5.2 Medientexte erschliessen – Das Medium ist die Botschaft – Informationsquellen – Darstellungselemente des Zeitungsartikels – Die Zeitungsressorts – Journalistische Regeln – Boulevardjournalismus
7. Anhang 108 109 110 112 113 115 116 117 118 120 121 122
6. Schreiben 6.1 Der Schreibprozess – Schreiben – Schreibkommunikation – Textmerkmale – Stil – Schreiben als Prozess – 1. Problemorientierung – 2. Planungsfähigkeit – 3. Textwissen – 4. Formulieren – 5. Überarbeiten 6.2 Verständlich schreiben – Die 5 Gebote – Merkmale der Verständlichkeit
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7.1 Die Maturarbeit – Arbeitsschritte 144 – Arbeitsplan 145 – Themengewinnung 146 – Literatursuche und Verarbeitung 147 – Konzeption 148 – Zitate und Fussnoten 149 – Literaturverzeichnis / Quellenverzeichnis 151 7.2 Layout – Schrift und Satz 152 – Gestalten mit Text 154 – Gliederung 156 – Die grafische Darstellung 157 7.3 Checklisten – Analyse von Sachtexten 159 – Erarbeitung längerer Sachtexte 160 – Thesenbildung 161 – Gestaltendes Sprechen 162 – Rückmeldung 164 – Komma 165 7.4 Rhetorische Figuren – Klang- und Inhaltsfiguren 166 – Wortfiguren 167 – Satzfiguren 168 – Wirkung rhetorischer Figuren 169 Bibliografie 170 Glossar 171
Sachregister
Übersicht Das Lehrwerk «Deutsch am Gymnasium» besteht aus vier Teilen. – « Sprache und Kommunikation» Deutsch am Gymnasium 1 – «Einfach schreiben» Deutsch am Gymnasium 2 – «Literatur» Deutsch am Gymnasium 3 (erscheint im Frühjahr 2010) – «Wege zur Literatur» Deutsch am Gymnasium 4 (erscheint im Frühjahr 2010)
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1. Sprache
1.1 Linguistik
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Das Wesen der Sprache Sprache ist ein System von Symbolen (Laute und Zeichen / Buchstaben), mit denen Bedeutungen erzeugt werden. Sie ist ein Mittel zum Ausdruck und Austausch von Informationen (Erkenntnisse, Vorstellungen) zwischen Menschen sowie zur Fixierung und Tradierung von Erfahrung und Wissen.
Sprache als Zeichensystem Sprache verwendet Zeichen. Ein Zeichen besteht aus einer Vorstellung (das Gemeinte, Dinge, die man ausdrücken will) und aus einem Lautbild (einem Wort). Das Gemeinte und die Bezeichnung dafür seien wie die zwei Seiten eines Blattes Papier, bemerkte der Schweizer Linguist Ferdinand de Saussure (1857–1913). Ein Zeichen hat also zwei Ebenen, esVorstellung kann durch folgende Figur dargestellt werden. Lautbild Vorstellung Vorstellung
Lautbild
Lautbild
Arbitrarität und Konvention Die beiden Seiten des Zeichens – Vorstellung und Lautbild, Inhalt und Ausdruck, Gemeintes und Gesagtes – sind eng miteinander verbunden. Einer Vorstellung – in der Linguistik spricht man von Begriff – ordnen wir ein Wort zu. Welches Wort wir der Vorstellung zuordnen, ist auf der Ebene des individuellen Sprechers nicht zufällig, sondern durch Übereinkunft (Konvention) in der Sprachgemeinschaft gegeben. Einen Baum nennen wir B–A–U–M, und nicht etwa H–A–U–S.
arbor arbor
Die Abbildung zeigt indes schon, dass andere Sprachen der Vorstellung Baum ein arbor anderes Lautbild zuweisen. Welches Lautbild welcher Vorstellung zugewiesen wird, ist beliebig, die Linguistik nennt das «arbiträr». Die Zuordnung ist deswegen arbiträr, weil das Lautbild ein Symbol ist für die Vorstellung, nicht die Vorstellung selber.
Vorstellung – Symbol – Wirklichkeit Das Verhältnis zwischen der Vorstellung, dem Symbol und der Wirklichkeit kann man in einem Dreieck darstellen. Vorstellung /Gedanke
Vorstellung /Gedanke Codierung
Codierung
Symbol/Lautbild Codierung
Symbol/Lautbild
Wahrnehmung
Vorstellung /Gedanke Zeichenbeziehung
Zeichenbeziehung
Wahrnehmung
Wirklichkeit /Bezeichnetes Wahrnehmung
Wirklichkeit /Bezeichnetes
Mehr Informationen und ausführlichere Modelle zum Verhältnis von Wirklichkeit, Vorstellung und Symbol finden Sie im Kapitel Kommunikation.
Symbol/Lautbild
Zeichenbeziehung
Wirklichkeit /Bezeichnetes
1.1 Linguistik
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Erscheinungsformen von Sprache Jede Sprache neigt dazu, Dialekte (räumliche Unterscheidungen) und Soziolekte (gesellschaftliche Unterscheidungen) zu bilden. Prinzipiell müssen wir auch unterscheiden zwischen der mündlichen Form einer Sprache und ihrer schriftlichen Form. Jede Einzelsprache ist heterogen: das heisst, es gibt verschiedene Ausformungen der Sprache.
Die deutsche Sprache – die deutschen Sprachen Deutsch, vor allem das gesprochene Deutsch, ist so wenig wie jede andere Sprache homogen. Es gliedert sich in viele Varietäten.
Deutsch
Dialekt
Herkömmliche lokale Sprachform des familiären Rahmens und des privaten Gesprächs.
Standardsprache
Umgangssprache
Diejenige Ausspracheform des Deutschen, die auf artikulatorische Deutlichkeit und überregionale Verständlichkeit abzielt.
Sprachform des überregionalen und öffentlichen Gesprächs.
Die Sprachbeherrschung des einzelnen Sprachteilnehmers.
Sie ist von den Zentren beeinflusst und wird auch an Radiosendern gesprochen.
Sie ermöglicht es ihm, Sprache zu verstehen und zu verwenden. Darunter fallen die einzelne, individuell gefärbte Äusserung sowie das individuelle sprachliche Verhalten.
In der Schweiz, aber auch in Österreich und manchen Teilen Deutschlands ist meistens der lokale Dialekt die Umgangssprache.
Das Sprachverhalten (Performanz) ist eingebettet ins Sprachwissen (Kompetenz). Kompetenz bezeichnet dabei das theoretische Wissen, Performanz die tatsächliche Anwendung im persönlichen Sprachverhalten.
Sie ist die im öffentlichen Rahmen verwendete Sprachform. Standardsprache spricht man in der Schule, im Beruf, in der Kirche, an öffentlichen Anlässen, mit Fremdsprachigen.
Die oft verwendeten Begriffe wie «Hochsprache», «Hochdeutsch» oder «Schriftsprache» sind synonym, aber irreführend.
Idiolekt
1.1 Linguistik
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Standardsprache und Varietäten Die Sprache gliedert sich nicht nur in regionale Varietäten. Auch innerhalb eines Dialektareals sprechen nicht alle Menschen die gleiche Ausprägung der Sprache, sondern eine Ausprägung (Varietät), die abhängig ist von Alter, sozialer Herkunft, Beruf, Gruppe, Familie usw.
Soziolekte Der britische Soziolinguist Basil Bernstein (1924 – 2000) stellte fest, dass die Angehörigen unterschiedlicher Schichten derselben Sprachgemeinschaft sich auf Grund ihres unterschiedlichen Sprachgebrauchs, ihres Wahrnehmungsvermögens und ihres Denkens unterscheiden. Das Sprachverhalten der Oberschicht hat besser ausgebildete kognitive Fähigkeiten zur Folge, man nennt es «elaboriert». Das wiederum bedeutet, dass die Sprache, die der Einzelne spricht respektive zu sprechen im Stande ist, über seinen gesellschaftlichen Status entscheidet. Der ausgebildete Sprecher verfügt also über bessere berufliche, soziale und wirtschaftliche Chancen als der Sprecher, der über ein eingeschränktes – restringiertes – Sprachvermögen verfügt. Bernstein nannte dies die «Defizithypothese». Der amerikanische Linguist William Labov (geb. 1927) stellte der Defizithypothese seine sogenannte Differenzhypothese gegenüber. Sie besagt, dass das restringierte Sprachvermögen ebenso viel ausdrücken kann wie das elaborierte, nur mit anderen Mitteln. Elaboriertes Sprachvermögen
Restringiertes Sprachvermögen
längere Sätze
kürzere Sätze
komplexer Satzbau (Hypotaxen)
einfacher Satzbau (Parataxen)
vollständige Sätze
unvollständige Sätze
differenzierte Wortwahl
kleiner Wortschatz
strukturierende Markierungen, z.B. «daraufhin meinte ich»
weniger strukturierende Markierungen
explizit (ausdrücklich)
implizit (mitgemeint)
geplant
redundant (verdoppelnd), repetitiv (wiederholend)
kaum Füllwörter
viele Füllwörter
grammatisch richtig
ungrammatisch
Fahrerflucht (elaboriert) Ein Auto hat am Samstagmittag ein Velo zu Fall gebracht. Der Fahrer bog rechts ab und streifte dabei den Fahrradfahrer. Doch er hat sich nicht etwa um das Opfer gekümmert, sondern suchte das Weite. Beide waren kurz vor drei Uhr vom Kunstmuseum in Richtung Dufourstrasse unterwegs, wie die Polizei mitteilte. Als der Fahrzeuglenker nach rechts ins Brunngässlein abbiegen wollte, touchierte er mit seinem Wagen ein Fahrrad, das – vom Autofahrer offenbar unbemerkt – aufgeholt hatte. Der Velofahrer stürzte und erlitt Verletzungen. Der fehlbare Autolenker fuhr jedoch davon, ohne sich um den Verunfallten zu kümmern.
Angefahren und liegen gelassen (restringiert) Samstagmittag. Ein Auto fällt brutal einen Velofahrer! Und der Fahrer hat sich nicht um das Opfer gekümmert – er ist sofort abgehauen! Auto und Velo waren kurz vor drei vom Kunstmuseum her in der Dufourstrasse. Das hat die Polizei gesagt. Der Autofahrer will nach rechts ins Brunngässlein abbiegen und streift ein Velo. Der Velofahrer stürzt und ist verletzt. Jedoch der Autofahrer fuhr davon und hat sich nicht darum gekümmert.
1.1 Linguistik
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Fachsprachen Fach- oder Expertensprachen haben in der Regel mit bestimmten Berufen zu tun. Sie sickern allerdings in gewissen Fällen in die Standardsprache ein – wie z.B. Teile der Computerfachsprache oder der Wirtschaftssprache. Der fachsprachige Wortschatz ist manchmal sehr umfangreich und übersteigt insgesamt den Wortschatz für den täglichen Gebrauch um ein Mehrfaches. Kennzeichnend für Fachsprachen ist ihre überregionale Verbreitung. Sie gelten als besonders exakt. Ein Beispiel: Die Seemannssprache – eine Auswahl aus Tausenden von Seemannswörtern:
abbrassen
Die Rahen werden derart gedreht, dass sie etwas mehr in die Querschiffrichtung zu liegen kommen.
abtakeln
Entfernung von Masten, Segel, stehendem und laufendem Gut, siehe Takelage eines Segelschiffs.
Backbord
(Abk.: Bb) linke Seite des Schiffes (in Fahrtrichtung blickend); in Hafeneinfahrten und Fahrrinnen die linke Seite von See aus.
Rah
(auch Raa oder Rahe) Bestandteil der Takelage eines Segelschiffs.
Bubikragen
weiss abgesetzter Farbgang über dem schwarzen Rumpf; soll besondere Schnelligkeit und Eleganz demonstrieren.
Soziolekt (Jargon) Soziolekt heisst die Sprachverwendung innerhalb einer bestimmten Gruppe. Auffällig sind unübliche Bezeichnungen wie «blechen» für «bezahlen» oder «Kies» für «Geld». Soziolekte zeichnen sich durch eine emotional geprägte und eine bildliche Ausdrucksweise aus. Für Sprecher, die einen bestimmten Jargon nicht beherrschen, wirkt dieser wie eine Geheimsprache. Berühmtestes Beispiel ist das Jiddisch, die Sprache der deutschen Juden, die im Hochmittelalter entstanden ist. Mittlerweile sind viele jiddische Wörter in die Umgangssprache eingeflossen: «malochen» (für «hart arbeiten»), «Moos» (für «Geld»), «meschugge» (für «verrückt»).
Jugendsprache Jugendsprache ist eigentlich ein Jargon. Sie ändert ihre Erscheinungsform nach kurzer Zeit und veraltet schnell. Was heute «cool» und «in» ist, kann in wenigen Monaten bereits «abgehalftert» und peinlich wirken. Das Hauptmerkmal der Jugendsprache ist ihr eigener Wortschatz, der begrenzt ist, dafür umso häufiger verwendet wird und zum Ziel hat, sich von der Standardsprache respektive der Umgangssprache abzuheben. Beliebt sind Superlative wie «mega», anstössige Ausdrücke wie «geil», Füllwörter wie «irgendwie», Abkürzungen wie «Alk» und Anglizismen wie «chillen». Jugendliche verwenden tendenziell viele englische Ausdrücke; dabei durchlaufen die Wörter mitunter eine beachtliche Veränderung. Aus dem Englischen to disrespect beispielsweise machten Hip-Hop-Musiker to diss im Sinne von «beschimpfen». Deutschsprachige Jugendliche wiederum entwickelten daraus «dissen» im Sinne von «ausgrenzen». Auch die Grammatik wird verändert. Jugendliche lassen gerne Wörter aus: «Kommst? – Auf jeden!» Auffallend ist die Steigerung von Wörtern mit un-, was die herkömmliche Grammatik verbietet: «am uncoolsten».
1.1 Linguistik
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Kleine Geschichte der deutschen Sprache Jede Sprache verändert sich im Laufe der Zeit. Die deutsche Sprache gehört zu den indoeuropäischen Sprachen und entwickelte sich als eigenständige Sprache ab dem 6. Jahrhundert. Indoeuropäisch, früher auch Indogermanisch genannt, ist die Bezeichnung für eine Reihe verwandter Sprachen, zu der die meisten europäischen, aber auch asiatische Sprachen gehören. Die Bezeichnung stammt vom deutschen Sprachforscher Franz Bopp (1791–1867). Bopps Untersuchungen ergaben eine auffällige Ähnlichkeit der altindischen Sprache, des Sanskrits, mit den europäischen. Eine stark vereinfachte Darstellung gibt einen Überblick:
indoeuropäisch italisch Latein: mater, duo, suinus, est Französisch: mère, deux, est Italienisch: madre, duo, è
germanisch
indo-iranisch
Deutsch: Mutter, zwei, Schwein, ist Englisch: mother, two, swine, is Schwedisch: moder, två, svin Isländisch: móðir, tveir, svín
Altindisch: matár, dva(u), asti
baltisch-slawisch Litauisch: mótyna, du Tschechisch: matka, dva
griechisch Griechisch: meter, dýo, hýinos, esti
Erste (germanische) Lautverschiebung Für die Entwicklung des Germanischen aus dem Verband der indoeuropäischen Sprachfamilie heraus war die erste Lautverschiebung verantwortlich. Sie setzte im 1. Jahrtausend v. Chr. ein und endete nicht später als 300 v. Chr. Als Erster dargestellt hat sie der deutsche Germanist Jacob Grimm (1785 –1863). Die Lautverschiebung betrifft zur Hauptsache die Verschlusslaute. So wurden aus dem stimmlosen p, t und k bzw. aus ihren behauchten Varianten ph, th und kh oft Reibelaute (f, ch, engl. th). lateinisch: pater
deutsch: Vater englisch: father schwedisch: fader
griechisch: treis, lateinisch: tres
englisch: three
lateinisch: canis, centum
deutsch: Hund, hundert
Aus den stimmhaften Verschlusslauten b, d und g wurden, von Ausnahmen abgesehen, die stimmlosen Verschlusslaute p, t und k: lateinisch: labium
deutsch: Lippe schwedisch: läpp
lateinisch: duo, dezem
englisch: two, ten schwedisch: två
lateinisch: genu
deutsch: Knie schwedisch: knä
1.1 Linguistik
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Die deutsche Lautverschiebung (zweite Lautverschiebung) Ab dem 6. Jahrhundert begann man, manche Konsonanten anders auszusprechen. Aus dem germanischen «thaúrp» wurde «dorf», aus «fadar» «fater» oder aus «stoppon» «stopfen». Mit dem Abschluss der zweiten Lautverschiebung im 8. Jahrhundert beginnt die Geschichte der deutschen Sprache. Die niederdeutschen Dialekte haben diese Lautverschiebung nicht vollzogen. Altniederdeutsch
Althochdeutsch
plegan, appul tiochan, settian opan sokian
pflegan, apful ziohan, setzan offan suohhen (suchen)
Geografische Unterteilung Man unterteilt die deutsche Sprache nach geografischer Lage. Niederdeutsch spricht man in Norddeutschland auf dem flachen Land wenige Höhenmeter über Meer. Oberdeutsch spricht man in Süddeutschland und der Schweiz. Die mittel- und oberdeutschen Dialekte bezeichnet man als Hochdeutsch (in Abgrenzung zu Niederdeutsch).
Hamburg
(alt-) niederdeutsch (= altsächsisch) ab 8. Jh.
Berlin
mitteldeutsch
Osten ab 1100
Köln
Westen ab 8 Jh.
Prag
Hoc hdeu t sch oberdeutsch ab 8. Jh. München Wien Basel
2. Kommunikation
2.1 Kommunikationstheorie
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Was ist Kommunikation? Im Alltag verstehen wir unter Kommunikation so viel wie Gespräch oder Mitteilung oder vielleicht auch Austausch. Das entspricht in etwa der Etymologie: Kommunikation ist abgeleitet vom lateinischen «communicare», das so viel wie «gemeinsam machen» bedeutet. Die Kommunikationswissenschaft ist relativ neu. Sie entstand erst im Laufe des 20. Jahrhunderts, systematisch betrieben wird sie seit etwa einem halben Jahrhundert. Schaut man genauer hin, wird schnell klar, dass «Kommunikation» nicht mit «Gespräch» gleichzusetzen ist.
Lewis Carroll, Alice im Wunderland. 7. Kapitel, «Eine verrückte Teegesellschaft»
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Vor dem Hause stand ein Baum und darunter ein Tisch, an dem der Märzhase mit dem Hutmacher Tee trank. Eine schlafend zwischen ihnen liegende Haselmaus benutzten sie als Ellenbogenstütze, während sie sich über ihren Kopf hinweg unterhielten. «Reichlich unbequem für die Hasel maus!», sagte sich Alice. «Aber sie schläft ja, deshalb wird es ihr wohl nichts ausmachen.» Der Tisch war lang und voll von Gedecken, trotzdem hockten die drei enggedrängt an einer Ecke. «Kein Platz mehr!», riefen sie Alice entgegen. «Gar nicht wahr, hier ist noch reichlich Platz!», erwiderte Alice entrüstet und setzte sich am anderen Tischende in einen hohen Lehnstuhl. «Nimm dir etwas Wein!», sagte der Märzhase einladend. Alice spähte über den Tisch, konnte aber nur Tee entdecken. «Ich sehe keinen Wein!», sagte sie. «Ist auch keiner da!», ant wortete der Märzhase. «Dann ist es unhöflich von dir, mir welchen anzubieten!», versetzte Alice ärgerlich. «Es ist auch unhöflich von dir, dich uneingeladen an unseren Tisch zu set zen», sagte der Märzhase. «Ich wußte nicht, daß es euer Tisch ist», rechtfertigte sich Alice. «Er ist für viel mehr Leute gedeckt.»«Du müßtest dir mal die Haare schneiden lassen», sagte der Hutmacher, der Alice bisher nur neugierig angestarrt hatte. «Laß die taktlosen Bemerkungen!», wies
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Alice ihn zurecht. «Das tut man nicht.» Der Hutmacher riß verblüfft die Augen auf, sagte aber nur: «Warum gleicht ein Rabe einem Schreibpult?» Na, jetzt wirds lustig! dachte Alice. Die raten Rätsel, und das macht Spaß. «Ich glaub, das krieg ich raus», sagte sie. «Willst du damit sagen, daß du eine Antwort darauf finden kannst?», fragte der Märzhase. «Genau!», ant wortete Alice. «Dann solltest du sagen, was du meinst», bemerkte der Märzhase. «Natürlich», antwortete Alice hastig. «Wenigstens..., wenigstens mein ich, was ich sage. Das ist dasselbe, weißt du. «Das ist durchaus nicht dasselbe», widersprach der Hutmacher. «Du könntest dann ebensogut sagen: Ich sehe, was ich esse! sei dasselbe wie: ich esse, was ich sehe.» «Du könntest schließlich ebenso gut sagen: Mir ge fällt, was ich kriege! sei dasselbe wie: Ich kriege, was mir gefällt!», fuhr der Märzhase fort. «Du könntest ebenso gut sagen: Ich atme, wenn ich schlafe! sei dasselbe wie: Ich schlafe, wenn ich atme!», ergänzte die Haselmaus, die offenbar im Schlaf reden konnte. «Und mit dir ist es auch dasselbe!», schloß der Hut macher. Damit brach die Unterhaltung ab, während sich Alice vergeblich über Raben und Schreibpulte den Kopf zer brach. Schließlich zog der Hutmacher eine Uhr aus der Tasche, betrachtete sie besorgt, schüttelte sie und hielt sie
2.1 Kommunikationstheorie
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sich ans Ohr. «Welches Datum haben wir eigentlich heute», fragte er Alice. «Den vierten», antwortete Alice nach kurzer Überlegung. «Dann geht sie zwei Tage nach», stellte der Hutma cher seufzend fest […] Alice guckte ihm neugierig über die Schulter. «Was für eine putzige Uhr! Die zeigt ja die Tage an und nicht die Stunden!» «Warum sollte sie auch!», brummte der Hutmacher. «Zeigt deine Uhr etwa
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die Jahre an?» «Natürlich nicht», ant wortete Alice lebhaft, «denn es bleibt so lange Zeit immer ein und dasselbe Jahr.» «Das verhält sich mit meiner Uhr ganz genauso», sagte der Hutmacher. Alice starrte ihn verblüfft an. Sie begriff den Sinn seiner Worte nicht, obgleich sie vernünftig klangen. «Ich versteh dich nicht!», gestand sie so höflich, wie sie konnte.
Gespräch und Kommunikation Alice und die Teegesellschaft unterhalten sich. Sie sprechen miteinander, oder besser gesagt: Sie sprechen zueinander. Kann man hier von Kommunikation sprechen? Wohl nicht.
Verstösse gegen die Kommunikation Das Gespräch zwischen Alice, dem Hutmacher und den anderen verstösst an vielen Stellen gegen die Konversationsregeln: 1. « Kein Platz mehr», riefen sie Alice entgegen, obwohl der Tisch für viele Leute gedeckt war. Die Teeleute sagen etwas, was nicht wahr ist. (Z. 14 f.) 2. «Nimm dir etwas Wein», fordern sie Alice auf, obwohl kein Wein da ist. Sie sagen etwas, was nicht wahr ist. (Z. 20) 3. Der Hutmacher sagt aus heiterem Himmel: «Du müsstest dir mal die Haare schneiden lassen.» Er wechselt unangekündigt das Thema. (Z. 34 f.) 4. Das Rätsel: «Warum gleicht ein Rabe einem Schreibpult?» lässt sich nicht lösen. Es enthält zu wenig Information. (Z. 41 f.) 5. Das folgende Wortgefecht, das einsetzt mit «Dann solltest du sagen, was du meinst», spielt damit, dass Wörter auch eine übertragene Bedeutung haben können. Die drei Teeleute nehmen die Wörter allerdings wortwörtlich. (Z. 50 – 64) 6. Auch die Aussage «Und mit dir ist es auch dasselbe!» lässt sich nicht verstehen, weil sie zu wenig Informationen enthält. (Z. 69 f.) Das logische Fazit ist dann auch, dass Alice eingestehen muss: «Ich verstehe nicht.» Für die Kommunikation gelten folgende Bedingungen: 1. K ommunikation ist der Prozess der Übermittlung eines Inhaltes. Es braucht mindestens zwei Teilnehmer. Selbstgespräche sind keine Kommunikation. 2. Ziel der Kommunikation ist Verständigung. 3. Kommunikation ist der Vorgang, wie Verständigung zu Stande kommt.
2.1 Kommunikationstheorie
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Das Kooperationsprinzip Das Kooperationsprinzip Verhalte dich so, dass dich dein Kommunikationspartner verstehen kann! Der englische Philosoph Herbert Paul Grice (1913 –1988) hat die Bedeutung des Sprechers besonders hervorgehoben. Es ist vom Sprecher abhängig, ob der Zuhörer verstehen kann, was der Sprecher sagt. Der Zuhörer kann nämlich nicht wissen, was der Sprecher sagen wollte. Deshalb sollte sich der Sprecher kooperativ verhalten. Grice nannte dies das Kooperationsprinzip. Grice untersuchte, was eine Äusserung kooperativ macht. Es handelt sich um 4 Regeln (sogenannte Konversationsmaximen). Genau diese Regeln sind es auch, gegen die der Märzhase, der Hutmacher und die Haselmaus im Gespräch mit Alice verstossen. Maxime der Quantität
Sag (mindestens!) so viel wie nötig, damit der andere dich verstehen kann.
Maxime der Qualität
Sag nichts, was du nicht meinst, oder dann sag, wie du das Gesagte meinst. Sag nichts, was falsch ist oder wovon du meinst, dass es falsch ist, oder dann sage, dass es falsch ist.
Maxime der Relation
Sag nur Dinge, die zum Thema gehören; wechsle nicht unangekündigt das Thema.
Maxime der Modalität
Sei klar und deutlich; vermeide Unordnung, vermeide Mehrdeutigkeit; gebrauche die Wörter nur in der Bedeutung, die sie gewöhnlich haben.
Also: Vermeide Missverständnisse! Denn: Kommunikation ist partnerorientiert.
Der Grundsatz der Kommunikation
«
Wie sage ich das, was ich sagen will, so, dass der andere es so versteht, wie ich es meine? Kommunikation hat zum Zweck, dass der oder die Kommunikationspartner verstehen können, was der Sprecher sagt. Deshalb ist es die Aufgabe des Sprechers, für Verständigung zu sorgen. Der Sprecher hat dafür zu sorgen, dass seine Zuhörer ihn verstehen können. Kommunikation ist streng genommen also nichts, was «einfach passiert». Geplapper oder Small Talk sind keine partnerorientierte Kommunikation. Partnerorientierte Kommunikation findet erst dann statt, wenn der Sprecher seine Äusserung geplant, zielgerichtet und absichtlich «konstruiert». Kommunikation ist also ein bewusstes «Handeln».
2.1 Kommunikationstheorie
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Kommunikation ist Handeln Partnerorientierte Kommunikation entsteht dann, wenn die Sprecherin bzw. der Sprecher überlegt, was sie bzw. er wem unter welchen Umständen mit welchen Medien übermitteln will und wie sie bzw. er alle möglichen Störungen im Voraus ausschliessen kann. – Kommunikation ist intendiert (beabsichtigt) und partnerorientiert. – Kommunikation wird konstruiert, d.h. von der Sprecherin bzw. dem Sprecher gemacht. – Kommunikation geschieht nicht «einfach so». – Mit seiner Äusserung steuert der Sender, wie der Empfänger die Äusserung verstehen soll.
Die 5 Axiome der menschlichen Kommunikation Der österreichisch-amerikanische Psychologe Paul Watzlawick (1921–2007), einer der Vorreiter der konstruktivistischen Kommunikationswissenschaft, untersuchte in seiner grundlegenden Studie über die «Menschliche Kommunikation» 1967 die Bedingungen gelingender Kommunikation. Dabei stellte er fünf Axiome (Grundsätze, grundlegende Bedingungen) der menschlichen Kommunikation auf. 1. Man kann nicht nicht kommunizieren. 2. Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. 3. Kommunikation ist geprägt von der Interpretation durch die Teilnehmer. 4. Kommunikation hat eine digitale und eine analoge Seite. 5. Kommunikation ist entweder symmetrisch oder komplementär. Die folgenden 5 Abschnitte gehen jeweils auf eines dieser Axiome Watzlawicks ein und variieren entsprechend den Grundsatz der Kommunikation.
Kommunikation
mündlich
schriftlich
medial
– Gespräch – Unterricht – Rede – usw.
– Brief/Mail – Gebrauchsanweisung – Literatur – usw.
– TV – Radio – Zeitung – usw.
– Inhalt und Beziehung gleichwertig – digital und analog gleichwertig – symmetrisch oder komplementär
– Inhalt überwiegt – nur digital – komplementär
– Inhalt überwiegt – vorwiegend digital – komplementär
Kommunikation ist geprägt von der Interpretation durch die Teilnehmer
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Man kann nicht nicht kommunizieren 1. Axiom Alles Verhalten ist Kommunikation. Ein Empfänger interpretiert jede Äusserung als vom Sender konstruierte, beabsichtigte, relevante Äusserung. Und zwar auch jene, die der Sender gar nicht so gemeint hat. Dem Empfänger bleibt auch gar nichts anderes übrig, da er nicht in der Lage ist zu unterscheiden, welche Signale vom Sender absichtlich, welche unabsichtlich gesendet wurden. Beispiel Grüsst mich ein Bekannter nicht, kann ich nicht abschliessend entscheiden, ob er sauer auf mich oder nur vorübergehend in Gedanken versunken ist.
Schwierigkeiten Neben der verbalen Kommunikation (Sprache) gibt es non-verbale Äusserungen: Mimik, Gestik, Haltung, An- oder Abwesenheit, Pünktlichkeit usw. Sogar Schweigen ist als Kommunikation interpretierbar (das weiss jeder, der schon vergeblich auf einen Anruf gewartet hat). Bereits die Wahl des Mediums ist Kommunikation: Wer einen Liebesbrief auf Papier eines normalen Schulblocks per B-Post erhält, wird sich seine Sache denken. Deswegen hat Paul Watzlawick auch das Axiom: «Man kann nicht nicht kommunizieren» aufgestellt. Alle mehr oder weniger unabsichtlichen Äusserungen werden vom Empfänger als absichtliche Kommunikation verstanden. Der Empfänger kann nicht unterscheiden, welche Signale intendiert sind und welche nicht, weil er nicht die Gedanken des Senders lesen kann. Es ist unvermeidlich, dass auch unabsichtliches Verhalten als Zeichen genommen und interpretiert wird. Auch unabsichtliche Äusserungen werden interpretiert, und zwar meistens genauso wie beabsichtigte. Deshalb gilt: Vermeide nichtintendierte (unbeabsichtigte) Kommunikation. Denn: Der Sender einer unbeabsichtigten Kommunikation kann nicht steuern, wie der Empfänger sie versteht.
Der Grundsatz der Kommunikation
«
Wie sage ich das, was ich sagen will, so, dass der andere es so versteht, wie ich es meine?
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Beziehungs- und Inhaltsaspekt 2. Axiom Das zweite Axiom – jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt – macht auf einen psychologisch wichtigen Umstand der Kommunikation aufmerksam. Mittels Sprache stellen Menschen untereinander Beziehungen her, sie signalisieren ihre Sympathie, machen Machtverhältnisse klar, begrüssen und verabschieden sich usw. Jede kommunikative Äusserung ist durchmischt von Beziehungsund Inhaltsaspekten. In der gesprochenen Sprache überwiegt der Beziehungs-, in der geschriebenen der Inhaltsaspekt.
Inhalt
Beziehung
– Information – Mitteilung – Sachgehalt, usw.
– Begrüssungsformeln – Zwischenmenschliche Nachfragen («Wie geht’s?») – Small Talk («Schönes Wetter, nicht wahr.»), usw.
Viele Alltagsäusserungen haben die Funktion, Nähe herzustellen: «Guten Tag, wie geht’s?», «Heute ist das Wetter mal wieder schlimm draussen» usw. Das sind nicht einfach Floskeln, sondern sie erfüllen eine wichtige Funktion im menschlichen Zusammenleben. Man nennt das die «phatische Funktion» der Sprache. Sie ist ein Merkmal der gesprochenen Sprache. Die geschriebene Sprache verwendet sie in der Regel nicht. Tante: Na, Thomas, erzählst du mir so lange etwas? Thomas: Was soll ich denn erzählen? Tante: Aber Spatz, es gibt doch immer etwas zu erzählen. Was macht denn die Schule? Thomas: Ooooch, die ist blöd! Tante: Na, das ist aber gar nicht schön. Erinnerst du dich, wie du eingeschult wurdest? Mama erzählte, wie viel Freude du dabei hattest. Thomas: Das war auch eine ganz andre Schule! Tante: Na, das wird schon werden ... manchmal muss jeder halt die Zähne zusammenbeissen. Es kann ja auch nicht immer alles wie im Himmel sein. Sag mal, wann habe ich dich eigentlich zum letzten Mal gesehen? Thomas: Weiss ich nicht mehr. Tante: War das nicht an deinem 10. Geburtstag? Thomas: Vielleicht. Tante: Ach, ich bin ja auch nicht böse. In deinem kleinen Leben passiert ja auch so viel, wie sollst du da noch wissen, was alles im letzten Jahr passiert ist. Thomas: Mmmmhh!
Thomas spricht mit seiner Tante, weil er der Mutter einen Gefallen tun will, weil die Tante eine Verwandte ist, weil sie zu Besuch ist, vielleicht aus anderen Gründen, aber jedenfalls nicht, weil er mit ihr sprechen will. Thomas spricht also, obwohl er nichts zu sagen hat und auch gar nichts sagen will. Und das trifft eigentlich auch auf seine Tante zu.
3. Rhetorik
3.1 Redetheorie
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Rede, Referat, Präsentation Der Begriff Rhetorik stammt aus der Antike und bezeichnet die Wissenschaft der wirkungsvollen Gestaltung öffentlichen Redens. Darunter fällt auch die Kunst der Überredung und der Beeinflussung.
Rede oder Referat Einer spricht, viele hören zu. Das ist der Grundsatz, der durchaus variiert werden kann. Eine Gruppe präsentiert. Oder nur wenige hören zu. Man trägt vor mit Einsatz von Medien, dann spricht man von Präsentation, oder ohne Medien, das nennt man Rede oder Referat. Die hier beschriebene Kommunikationssituation ist komplementär: der Redefluss geht in eine Richtung – von der Rednerin zu den Zuhörerinnen. ➔Z u den komplementären und symmetrischen Kommunikationssituationen finden Sie mehr Informationen im Kapitel Kommunikation, auf S. 45.
Reden vor Publikum – ein Graus
Das muss nicht sein! Rhetorik ist lernbar. Lernen Sie, Ihr Publikum zu verführen.
3.1 Redetheorie
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Die Redesituation Die drei Beteiligten einer Rede In einer Redesituation gibt es drei Beteiligte, zwischen denen Verhältnisse entstehen. Der Redner versteht sein Thema – oder eben nicht; die Zuhörerinnen vertrauen der Rednerin – oder eben nicht. Sie interessieren sich für ihr Thema – oder eben nicht. In allen Fällen ist es Sache des Redners, dafür zu sorgen, dass die Rede erfolgreich ist, d.h. dass die Zuhörer aufmerksam sind, sich für das Gesagte interessieren und verstehen, was der Redner sagt. Rednerin
Sachwissen
Thema
Glaubwürdigkeit
Interesse
Zuhörerinnen
Themenorientierung Welche Informationen brauche ich? Welche Medien habe ich? Am besten mache ich ein Powerpoint oder viele Folien. Rednerorientierung Was kann ich gegen das Lampenfieber tun? Was mache ich mit meinen Händen? Am besten lerne ich es auswendig, dann vergesse ich sicher nichts. Zuhörerorientierung Was von dem, was ich zu sagen habe, interessiert meine Zuhörer? Welchen Wortschatz verstehen sie? Am besten, ich formuliere aus der Situation heraus.
Zuhörerorientierung Die erfolgreiche Rede ist zuhörerorientiert, oder wie die Gesprächspsychologie sagt: sie ist du-orientiert. Das heisst, der Redner denkt von der Disposition seiner Rede bis zum Vortrag vor dem Publikum konsequent vom Anspruch des Publikums aus. Dessen Hauptansprüche kennt jeder, der schon einmal in der Zuhörerposition war: Die Rede soll klar sein, leicht verständlich und vor allem nicht langweilig. Ratschläge für die gute Rednerin, den guten Redner und alle, die es werden wollen. 1. Denken Sie sich in die Lage des einzelnen Zuhörers hinein. Was weiss er schon, was findet er am Thema spannend, lustig, interessant? 2. Überlegen Sie, was für Wörter der durchschnittliche Zuhörer kennt. Verwenden Sie einen vielfältigen, aber nicht abgehobenen Wortschatz. 3. Formulieren Sie frei und sprechen Sie langsam. Auswendig vorgetragene oder abgelesene Texte wirken langweilig und sind oft unverständlich, weil sie meistens zu schnell vorgetragen werden.
3.1 Redetheorie
66
Der Standardaufbau ohne Fisimatenten Aller guten Dinge sind drei. Jeder längere Redebeitrag hat drei Teile: eine Einleitung, einen Hauptteil mit einzelnen Aspekten (A), einen Schluss. Die Einleitung vermittelt das Thema und die Position der Rednerin, der Hauptteil begründet, führt aus, illustriert, erklärt usw., der Schluss fasst zusammen und endet im Zielsatz mit der Hauptbotschaft in prägnanter Formulierung.
Die Bauteile einer Rede
A1
A2
A3
Anmerkung Jeder Teil braucht einen Mini-Einstieg und einen Mini-Schluss, und sei es nur, dass Sie sagen: «Das war der 1. Punkt. Ich komme zu meinem 2. Punkt.»
10% Sag, was du gesagt hast
75% Sag es
15% Sag, was du zu sagen hast
Schluss
Einleitung
Hauptteil
Kleiner Elefantenkorso Wenn wir mehrere Aspekte für die Rede aufbereiten, dann unterscheiden sie sich vielleicht in ihrer Länge, ihrer Gewichtung, ihrer Aktualität oder auch in ihrer Originalität. In jedem Fall muss man entscheiden, welche Reihenfolge die sinnvollste ist.
1.
e A1
2.
e A1
3.
e A1
e
e A2
A2
e A2
e A3
e
e A3
A3
Der Elefantenkorso zeigt augenscheinlich, dass Variante 1 den Eindruck hinterlässt, dem Redner sei nach einem zwar guten Start nichts Rechtes mehr eingefallen. Auch die goldene Mitte (Variante 2) mildert diesen Eindruck kaum. Erst Aufbau 3 vermittelt den Eindruck einer permanenten Steigerung.
3.1 Redetheorie
67
Kleiner Exkurs zur Zuhörerpsychologie Das jeweils zuletzt Gehörte bleibt besser haften als das früher Gesagte. Es wurde noch nicht durch Neues überlagert. Der Redner sollte sich das zunutze machen und die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Ende hin zu einem Höhepunkt treiben, auf dem er mit einem prägnanten letzten Satz, dem Zielsatz, die Hauptaussage seiner Rede respektive seinen Appell formuliert.
Die Aufmerksamkeit des Publikums grosse Aufmerksamkeit Zielsatz Überleitung
A1
A2
A3
Zeit
E
Hauptteil
S
Die Aufmerksamkeit seitens der Zuhörerinnen und Zuhörer ist niemals gleich bleibend hoch. Sie sinkt nach einem Anfangshoch schnell ab auf eine Art «Stand-byModus». Die Rednerin muss den Zuhörern also aus diesem Zustand helfen. Die Kurve zeigt einen Idealverlauf der Zuhöreraufmerksamkeit, der sich nicht automatisch einstellt. Die Aufmerksamkeitskurve ist bedingt durch: 1. die Anordnung der Aspekte (A1 bis Ax) 2. die Herstellung einer aufmerksamen Atmosphäre vor Beginn der Rede 3. die Erwartungshaltung des Publikums 4. das Vorhandensein von Überleitungen zwischen den Teilen 5. die Publikumsführung 1. D ie Anordnung der Argumente entscheidet über den allgemeinen Eindruck, den man von der Rede erhält. Steigerungen im Laufe der Rede wirken anregend. 2. W er spricht, bevor Ruhe eingekehrt ist, kann es auch sein lassen. Die Herstellung von Ruhe ist verantwortlich dafür, dass die Aufmerksamkeit zu Beginn hoch ist. 3. D ie Erwartung seitens des Publikums am Anfang ist in aller Regel hoch; es ist gespannt auf das Thema, das Temperament des Redners, die Erklärung des Sachverhaltes usw. Diesen Anfangsbonus gilt es sorgsam zu verwalten. Dennoch: Nach dem Beginn sinkt die Aufmerksamkeit, auch wenn man noch so souverän auftritt. 4. E ine gute Strukturierung der Teile hilft dem Publikum, die Aufmerksamkeit zu dosieren. Jede strukturierende Bemerkung – «und ich komme zum nächsten Fall»; «schliesslich»; «daraus folgt also» – trägt dazu bei, den Zuhörer aus dem vorübergehenden «Stand-by-Modus» zu wecken. 5. G ute Publikumsführung ist das A und O einer guten Rede. Wichtig ist, auf das Publikum einzugehen, und zwar nicht mit Fragen («Wer hat etwas nicht verstanden?»), sondern mit Denkanregungen, Wiederholungen und Alltagsnähe.
4. Argumentieren
4.1 Argumentieren
88
Das Argument Ein Argument begründet oder widerlegt eine Aussage. Eine zusammenhängende Darlegung von Argumenten nennt man Argumentation. Werden verschiedene Argumente zu einem Sachverhalt zusammengetragen und geprüft, spricht man von Erörterung.
Begründung Diese vier jungen Leute erklären, welche Berufswahl sie getroffen haben. Jede und jeder von ihnen «begründet» die eigene Wahl. Aber auf sehr unterschiedliche Weise.
Stephanie: «Ich verreise so schnell wie möglich nach Spa nien, denn dort habe ich die besten Voraussetzun gen, meinen Traumjob zu lernen: Dolmetscherin.»
Matthias: «Ich mache das KV, denn was soll man schon an deres machen?»
Alexandra: «Ich gehe an die Kan tonsschule. Dann kann ich nachher Zahnärztin werden.»
Stefan: «Ich beginne keine Mit telschule, denn ich will Geld verdienen, damit ich mir ein Rennrad kaufen kann.»
Wirklich überzeugend ist nur Stefans Argument: Er erklärt seine Entscheidung und erläutert sie mit einem Beispiel – ein gutes Argument. Dabei ist es unerheblich, ob man seine Wahl gutheisst. Alexandras Argument fehlt die eigentliche Begründung. Stephanie begründet zwar gut und gibt auch ein Beispiel; allerdings ist ihr Argument wenig stichhaltig, es trifft nur für sie selbst zu. Matthias’ Argument ist völlig haltlos, da er weder begründet noch ein Beispiel gibt.
Das Argument Ein Argument besteht aus mindestens drei Teilen. These (Behauptung, Meinung)
Begründung
Beispiel
Die Senkung der Löhne drosselt den Konsum.
Denn wenn die Arbeitnehmer einkommen sinken, sinkt auch der Konsum. Wenn der Konsum sinkt, sinkt die Produktion.
Wer weniger verdient, kann weniger ausgeben. Seit ich nur noch 12 Franken statt 15 die Stunde bekomme, kaufe ich weniger.
Merke: A = TBB
4.1 Argumentieren
89
Gültigkeit von Argumenten Jedes Argument besteht aus den drei Teilen These, Begründung, Beispiel. Manchmal genügt ein Begründungssatz nicht, manchmal benötigt man mehr als einen. In diesem Fall wird das zweite B (das Beispiel-B) um eine Position nach hinten verschoben.
Der Argumentationstempel
Begründung
Begründung
Begründung
These
A = TBBBBB
Beispiel
A
=
Argument
T
B
These Behauptung Ansicht Meinung
Begründung (obliga torisch)
B
B
B
– Beispiel – weitere Begründung – Beleg – Beweis
– weitere Begründung – weiteres Beispiel – weiterer Beleg
usw.
Es ist auch häufig der Fall, dass statt des Beispiels ein Beleg oder ein Beweis herangezogen wird.
Tatsachenaussage – Behauptung – Urteil Zu unterscheiden ist zwischen objektiv gültigen Tatsachen und subjektiven Ansichten und Urteilen. Tatsachenaussage
objektiv gültig
In Diskotheken ist es laut.
Behauptung
subjektive Meinung
In Diskotheken werden nur Stummelsätze gesprochen.
Urteil
subjektives Urteil
Der Disco-Slang der Jugendlichen ist schrecklich.
Scheinbare Tatsachenaussage Vorsicht: Viele Argumente gaukeln Tatsachenaussagen vor, ohne es zu sein. Richtige Tatsachenaussage
objektiv gültig
In Diskotheken ist es laut, weil Musik gespielt wird.
Falsche Tatsachenaussage
subjektive Meinung
In Diskotheken ist es laut, deshalb wird nur wenig gesprochen.
4.1 Argumentieren
90
Typen von Argumenten Argumente können starke oder schwache Wirkung ausüben. Ihre Wirkung ist abhängig von ihrem Geltungsanspruch, d.h. davon, wie leicht ihre Begründung nachvollziehbar und einsichtig ist.
Einsichtige Argumente Faktenargument
Die These wird mit einer unstrittigen, verifizierbaren Tatsache gestützt. Diese Art von Argument ist leicht nachvollziehbar. Handelt es sich beim Faktum jedoch um einen Einzelfall, ist dieses Argument nicht sehr beweiskräftig.
Beispiel: «Die Schweiz ist ein Binnenland. Ihre natürlichen Handelspartner sind die Nachbarländer.»
Normatives Argument
Die These wird mit allgemeinen, weithin akzeptierten Wertmassstäben (Normen) verknüpft. Man nennt es auch «moralisches» Argument. Je unbestrittener die Norm ist, desto einsichtiger ist es.
Beispiel: «Der wichtigste Rohstoff der Schweiz ist die Bildung. Jeder in die Bildung investierte Franken ist gut angelegtes Geld.»
Analogie
Eine These wird dadurch ab gesichert, dass der Autor ein Beispiel aus einem anderen Lebensbereich heranzieht, das den dargestellten Sachverhalt allgemeinverständlich illustriert.
Beispiel: «Aus der besten Fussballmannschaft wird nichts, wenn die Spieler nur an ihrem persönlichen Gewinn interessiert sind. Das gilt ebenso für das Symphonie orchester, ...»
Indirektes Argument
Ein Umkehrschluss untermauert die eigene These mit der Falsifizierung des Gegenteils (indirekter Beweis).
Beispiel: «Die Gegner der Rechtschreibreform behaupten, dass die Schüler mit den neuen Regeln mehr Fehler machen würden. Es zeigt sich jedoch, dass die Fehlerquote seit der Einführung gesunken ist.»
Argumente aus der antiken Rhetorik Die antike Rhetorik unterscheidet Argumente auch nach der Art, wie sie das Publikum ansprechen. Argumentum ad baculum
Argumentum ad misericordiam
Argumentum ad populum
Argumentum ad antiquitatem
Die Begründung stützt sich auf Befürchtungen der Adressaten.
Die Begründung zielt auf das Mitleid der Adressaten ab.
Die Begründung bedient die Gefühle der Volksmenge.
Begründung durch Verweis auf das Herkommen.
Sie werden alles, was Sie einst mühsam erlernt haben, wieder umlernen müssen, falls die neue Rechtschreibung eingeführt wird.
Denken Sie an all die kleinen ABC-Schützen, die dem Wirrwarr der alten Rechtschreibung unschuldig ausgesetzt sind.
Warum sollen wir ändern, was sich bewährt hat. Wer weiss denn schon, ob etwas taugt, was die hohen Professoren ausgetüftelt haben.
Wäre die alte Recht schreibung wirklich schlecht, hätte sie wohl kaum fast ein ganzes Jahrhundert gehalten.
4.1 Argumentieren
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Scheinautorität und Fehlschluss Scheinautorität Manche Menschen neigen dazu, ihre Ansicht mit dem Verweis auf angeblich allgemeingültige Umstände oder Autoritäten zu unterstreichen. Das ist sinnlos und unnötig, wie das folgende Beispiel zeigt. T
B
Wer in der Badewanne sitzt, darf den Haarföhn nicht benutzen.
Falls der Föhn ins Was ser fällt, löst er einen tödlichen Stromschlag aus.
B Das haben viele Wissen schaftler bewiesen.
Der Verweis auf fiktive Wissenschaftler – hier sogar unüberprüfbar – ist unnötig. Das Argument wird dadurch nicht «wahrer». Denn entweder stimmt die Begründung – oder eben nicht. Auch im letzteren Fall würde sie durch den Verweis auf Scheinautoritäten nicht überzeugender. Das zeigt das folgende Beispiel. T
B
Winterreifen sind unnötig.
Allwetterreifen sind mindestens ebenso gut und kosten viel weniger.
B Das sagt mein kleiner Bruder.
Entlarven Sie Scheinautoritäten: Jeder Verweis auf jemanden oder etwas, was im Moment nicht überprüfbar ist, ist als Begründung, Beleg oder Beispiel ungeeignet. Darunter fallen Verweise auf TV und Radio («Das habe ich kürzlich im Fernsehen gesehen»), auf Wissenschaften («Das haben medizinische Untersuchungen gezeigt») oder den «gesunden Menschenverstand» («Das sieht doch jeder ein»).
Fehlschlüsse Als Fehlschluss oder Trugschluss bezeichnet man einen Schluss, bei dem die abgeleitete Aussage nicht aus den angeführten Gründen oder aus nur angenommenen Voraussetzungen folgt. Dies bedeutet nicht sofort, dass die abgeleitete Aussage auch falsch ist: Ein Fehlschluss gibt keinerlei Aufschluss über den tatsächlichen Wahrheitsgehalt der abgeleiteten Aussage. Fehlschlüsse kommen häufig zu Stande, indem man unterschiedliche Angaben miteinander vergleicht. Tatsache 1
Die organisierte Kriminalität in der Schweiz nimmt zu.
Bericht von Prof. Dr. G. Heine, Universität Bern, Co-Direktor des Instituts für Strafrecht und Kriminologie, erschienen in Gropp / Sinn (Hrsg.), Organisierte Kriminalität und kriminelle Organisationen, Giessen 2007.
Tatsache 2
Die Einwanderung aus Deutschland in die Schweiz nimmt rapide zu.
2006 sind rund 25 000 Deutsche in die Schweiz eingewandert. Mittlerweile leben Ende 2008 über 220 000 deutsche Staatsbürger in der Schweiz.
Fehlschluss
Die Deutschen brin gen die organisierte Kriminalität in die Schweiz.
Problem: Zwei miteinander unverbundene Sachverhalte werden aufeinander bezogen.
5. Lesen
5.1 Sachtexte erschliessen
108
Sachtexte erschliessen Lesen heisst konstruieren Luat eienr Stduie der Cambrdige Unievrstiät speilt es kenie Rlloe in welcehr Reiehnfogle die Buhcstbaen in eniem Wrot vorkmomen, die eingzie whctige Sahce ist, dsas der ertse und der lettze Buhcstbaen stmimt. Der Rset knan in eienm völilegen Duchrienanedr sein und knan trtozedm prboelmols gelseen wreden. Das ist, weil das menchsilche Ague nicht jeedn Buhcstbaen liset. Ertsuanlcih, nihct?
Mit solchen Leseexperimenten hat der britische Linguist Graham Rawlinson 1976 nachgewiesen, dass man Texte auch versteht, wenn die Buchstaben vertauscht sind. Der Versuch zeigt, wie sehr unser Leseverständnis von unserem Vorwissen geprägt ist, und belegt damit: Lesen heisst konstruieren. Anders gesagt: Je mehr Vorwissen wir aktivieren können, desto schneller und leichter verstehen wir Texte.
Überblick: Lesen im Lehrwerk «Deutsch am Gymnasium» Sachtexte
Literatur
–– Fachliteratur –– Zeitungsartikel –– usw.
–– Dramen –– Lyrik –– usw.
Deutsch am Gymnasium 1 «Sprache und Kommunikation»
Deutsch am Gymnasium 3 «Literatur»
Sachtexte Mit dem Begriff Sachtext (auch Gebrauchstext, pragmatischer oder funktionaler Text genannt) wird jeder Text bezeichnet, dessen Absicht es ist, Fakten darzustellen und über Dinge zu informieren. Während Ihres Studiums an der Mittelschule und an der Hochschule begegnet Ihnen ganz unterschiedliche Fachliteratur: –– Lehrmittel wie das hier vorliegende. –– Wissenschaftliche Literatur, z.B. ein Artikel in einer wissenschaftlichen Zeitschrift. –– Populärwissenschaftliche Artikel in Wissenschaftsmagazinen wie «Geo» oder «P.M.». –– Sachbücher machen Fachwissen einem Laienpublikum anschaulich. –– Monografien. Als Monografie bezeichnet man eine vollständige Abhandlung eines einzelnen Gegenstandes. Im Gegensatz zum Lehrmittel, das einen Einstieg in den Sachverhalt bietet, vertiefen ihn Monografien. –– Lexika: Ein Lexikon, das einen Überblick gibt über alle Wissensgegenstände, bezeichnet man als Enzyklopädie. Daneben gibt es Lexika, die sich auf bestimmte Gegenstände konzentrieren (z.B. «Was lesen? Ein Lexikon zur deutschen Literatur»). –– Handbücher: Ein Handbuch ist eine geordnete Zusammenstellung der Gegenstände eines bestimmten Wissensgebietes. Die folgenden Seiten helfen Ihnen, Fachliteratur möglichst effektiv zu erarbeiten.
5.1 Sachtexte erschliessen
109
Lesetechniken Lesetechniken
SQ3R
Markieren
Notizen Exzerpte Abstracts
Visualisieren
Lesetechnik: Erste Tipps –– Je grösser Ihr Vorwissen ist, desto leichter verstehen Sie den Text. –– Je umfangreicher Ihr Wortschatz ist, desto leichter fällt es Ihnen, einen Text zu lesen – und umso schneller können Sie ihn verstehen. –– Randbemerkungen helfen Ihnen, konzentriert zu lesen und den Überblick zu behalten. –– Verlieren Sie keine Zeit mit Kommentaren, begnügen Sie sich mit wenigen Zeichen: ? (Unklarheiten), ! (wichtige Stelle), – (bin nicht dieser Meinung), + (das finde ich auch) usw. Jedes Zeichen ist möglich: Seien Sie allerdings konsequent, wenn das ? einmal «Frage an den Text», ein andermal «unklare Textstelle», ein drittes Mal «da muss ich noch mal nachlesen» bedeutet, produzieren Sie eine Konfusion, die Ihr Leseverständnis mehr behindert als fördert. –– Markieren Sie wichtige Textstellen (siehe unten S. 112). –– Legen Sie eigene Notizen an (siehe unten S. 113 f.).
Konzentration und Lesetempo Konzentration und Lesetempo können durch Kniffe und Übung verbessert werden. 1. Ziele setzen Nehmen Sie sich eine bestimmte Textmenge in einer bestimmten Zeit vor. 200 Wörter pro Minute oder 20 Seiten pro Stunde sind kein ehrgeiziges Ziel, anders sieht es aus bei 300 Wörtern oder 30 Seiten im selben Zeitraum. Richten Sie sich so ein, dass Sie in dieser Zeit nicht gestört werden. Gönnen Sie sich eine Belohnung oder Pause, falls Sie die Lesemenge in der vorgesehenen Zeit bewältigt haben. 2. Nicht zurückblicken Nehmen Sie sich vor, die Abschnitte nur einmal zu lesen. Lesen Sie von Anfang an «richtig», d.h. aufmerksam. 3. Ganze Zeilen ins Auge fassen Folgen Sie mit den Augen nicht den einzelnen Wörtern. Fokussieren Sie die Mitte der Zeile und nehmen die ganze Zeile auf einmal auf. Fokussieren Sie bei langen Zeilen höchstens ein zweites Mal. 4. Diagonal lesen (querlesen) Manchmal reicht es, sich einen groben Überblick zu verschaffen. Ein Verfahren dazu ist das «diagonale» Lesen. Lesen Sie nur die Hauptwörter: Substantive und Verben – denken Sie sich den Rest dazu. Steigern Sie mit der Zeit das Tempo.
Die Augen Schnelleres Lesen ist für die Augen nicht schädlich. Es hilft aber der Konzentration, die Augen mit einer kleinen Augengymnastik zu erfrischen: 1. zehnmal blinzeln, 2. Lider gut zudrücken und so weit wie möglich öffnen (mindestens dreimal), 3. Augen rollen und 4. Augenbrauen heben. Wichtig: genügend, aber kein grelles oder flackerndes Licht. Augenabstand zum Text ±30cm. Sitzen Sie entspannt und ohne gekrümmten Rücken. Trinken Sie genug, aber essen Sie während des Lesens nicht.
5.1 Sachtexte erschliessen
110
Lesetechniken SQ3R Die SQ3R-Methode
Lesetechniken
SQ3R
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Notizen Exzerpte Abstracts
Notizen Exzerpte Abstracts
Markieren
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Visualisieren
Informationen sicher erarbeiten Die SQ3R-Methode (auch Fünf-Schritt-Methode) bezeichnet eine 1946 von Francis Pleasant Robinson entwickelte Lesemethode. Sie eignet sich besonders für das Erarbeiten umfangreicher Fachtexte.
Read
Read Questions
Recite
SQ3R Questions Survey
Recite
SQ3R
Review
1. Survey – Überblick verschaffen
Survey
Verschaffen Sie sich als Erstes einen Überblick über den Text: das InhaltsverzeicheviewRegister oder nis, Klappentexte, das Impressum, Überschriften, StrukturRsowie Glossar bereiten Sie auf den Inhalt vor. Dieser Schritt dient dazu, Ihr Vorwissen und Ihre bisher gemachten Erfahrungen zu aktivieren. Die Vernetzung des neuen Wissens ist damit vorbereitet.
2. Questions – Fragen an den Text stellen Im zweiten Schritt sollten Sie sich überlegen, was Sie von dem zu lesenden Text wissen wollen. Filtern Sie die Schwerpunkte heraus. Nicht immer muss man alles lesen, damit man die Fragen beantworten kann. Ausserdem: Wer vor der Lektüre Fragen stellt, wird den Text mit mehr Interesse lesen. Eine Auswahl möglicher Fragen an einen Text: –– Wovon ist die Rede? Was erfahre ich Neues? –– Welche Fakten sind für meine Fragestellung wichtig? –– Welche Absicht verfolgt der Autor? –– Welche Meinung habe ich zu der Position des Autors? –– Welches Vorwissen muss ich mir erworben haben?
5.1 Sachtexte erschliessen
Lesetechniken
SQ3R
111
Markieren
Notizen Exzerpte Abstracts
Visualisieren
3. Read – Lesen Der Hauptschritt befasst sich nun mit dem Text. Lesen Sie den Text abschnittsweise. Vollziehen Sie die wichtigen Informationen nach. Bearbeiten Sie den Text mit Randbemerkungen oder Ähnlichem. Schlagen Sie in Enzyklopädien nach, wenn Ihnen Informationen fehlen. Lesen Sie methodisch. Markieren Sie und legen Sie Notizen an. Mehr dazu auf den folgenden Seiten.
4. Recite – Wiederholen
Read
«Aus den Augen, aus dem Sinn.» Wenn Sie nach diesem Motto lesen, können Sie es bleiben lassen. Nach jedem Sinnabschnitt sollten Sie diesen rekapitulieren. Überlegen Sie sich, ob Sie die Antworten auf Ihre Fragen auch gefunden haben. Zur Stützung des Gedächtnisses empfiehlt es sich, Notizen, Exzerpte, ein Mindmap, ein Cluster oder eine Visualisierung anzulegen. Je kreativer Sie dabei vorgehen, desto mehr bleibt hängen. Mehr dazu auf S. 115.
Questions
Recite
5. Review – In Erinnerung rufen
SQ3R
Der kürzeste Schritt ist die Repetition. Rufen Sie sich anhand Ihrer Notizen oder Ihrer Visualisierung den Inhalt in Erinnerung. Falls Sie Lücken feststellen, sollten Sie zurück zu Schritt 3.
Survey
Vor- und Nachteile der SQ3R-Methode
Review
Das mit der SQ3R-Methode erfasste Wissen ist wesentlich besser im Gedächtnis gespeichert, da die Schritte viel Eigeninitiative erfordern. So ist die Wahrscheinlichkeit der korrekten Wissensablage höher als beim «normalen» Lesen. Diese Methode ist anfangs aufwändig und zeitintensiv. Mit etwas Übung lässt sich diese Methode effektiv anwenden.
6. Schreiben
6.1 Der Schreibprozess
126
Schreiben Neben dem Sprechen und der Körpersprache ist das Schreiben eines der Hauptmedien menschlicher Kommunikation.
Schreiben im Lehrwerk «Deutsch am Gymnasium» Schreibend schreiben lernen
Schreibend Literatur verstehen
–– Schreiben im Alltag –– Schreiben im Beruf –– Schreiben im Studium –– usw.
–– Kreatives Schreiben –– Erzählungen –– Gedichte –– usw.
Deutsch am Gymnasium 2 «Einfach schreiben»
Deutsch am Gymnasium 4 «Wege zur Literatur»
Schreiben ist schwer Wieso ist das Schreiben so schwer? Alle, die schon einmal für ein Publikum geschrieben haben, wissen, dass Schreiben nicht nur bedeutet, etwas auf ein Blatt Papier zu bringen. Schreiben ist so schwer, weil man gleichzeitig viele Dinge berücksichtigen muss. In diesem Kapitel geht es darum, zu zeigen, welche Dinge – Textmerkmale – das sind. Kein Mensch kann an alles gleichzeitig denken. Deshalb zeigt dieses Kapitel auch, wie man den Schreibprozess in Etappen einteilt.
Mündliche und schriftliche Kommunikation Der Verfasser eines Textes muss eine Reihe von Dingen planen, die ein Sprecher im Dialog schnell und nach Bedarf anpassen kann.
Mündlichkeit (Oralität)
Schriftlichkeit (Literalität)
Anwesenheit beider Kommunikationspartner
situationsentbunden (nur hypothetische Interaktion von Autorin und Leser)
Produktion und Rezeption simultan, wechselseitiges Reagieren
Produktion und Rezeption nicht simultan. Reaktion allenfalls zeitlich versetzt möglich.
Nonverbale Kontaktsignale (Mimik, Gestik, Stimmdynamik, Betonung usw.)
Kontaktsignale fehlen, allenfalls unzulänglich durch Interpunktion ersetzt.
–– Wiederholungen –– spontan, assoziativ –– emotional
–– Vermeidung von Redundanz –– ausführlich –– stärker distanziert
Einfacherer Wortschatz
Grössere Wortschatzvarianz
Offene, dialogische Struktur
Strukturierung durch Kohärenz und Kohäsionsmittel
(nach M. Fix, Texte schreiben. Paderborn, 2. Auflage, 2008. S. 65 f.)
6.1 Der Schreibprozess
127
Schreibkommunikation Abgesehen von wenigen Ausnahmen – etwa Tagebüchern – verfolgt das Schreiben eine kommunikative Absicht. Wir wollen jemandem etwas mitteilen oder überliefern, wir erzählen jemandem etwas, wir erklären oder beschreiben für jemanden. Für das Schreiben gelten also dieselben Grundsätze wie für die mündliche Kommunikation (vgl. S. 38 f.). Vermeide Missverständnisse! Denn: Kommunikation ist partnerorientiert. Die Schreibkommunikation hat zum Zweck, dass die Leser verstehen können, was der Autor sagt. Deshalb ist es die Aufgabe des Autors, für Verständigung zu sorgen. Der Autor hat dafür zu sorgen, dass seine Leser ihn verstehen können.
Texte sind Medien Die Schrift ist ein gebräuchlicher «Code» für den Kommunikationsprozess. Für die Schrift kommen verschiedene Medien in Frage: a) Papier: Buch, Aufsatzheft, Zeitung usw. b) die elektronische Übermittlung: Mail, SMS, Internetseiten usw.
Codierung
Produzent
Decodierung
Text
Rezipient
gemeinsamer Zeichenvorrat
Grundsatz der Schreibkommunikation Der Grundsatz der Schreibkommunikation lautet:
«
Wie schreibe ich das, was ich schreiben will, so, dass andere mein Anliegen verstehen? Anmerkung Selbst wenn literarische Texte ebenfalls eine Kommunikationsabsicht verfolgen, wirken sie auf anderen Wegen als informative, darstellende, argumentative, beschreibende, erklärende oder appellierende Texte. ➔ Mehr zu literarischen Texten im Band Deutsch am Gymnasium 3: «Literatur».
6.1 Der Schreibprozess
128
Textmerkmale Die Eigenschaft des «Text-Seins» bezeichnet man als Textualität, die sprachwissenschaftliche Untersuchung von Texten ist die Textlinguistik. Die Textlinguistik untersucht die Kriterien, die ein Text aufweisen muss, damit er seine Aufgabe in der Schreibkommunikation erfüllen kann. Diese Kriterien beziehen sich einerseits auf die Merkmale des Textes selbst (Kohäsion und Kohärenz), andererseits auf die Merkmale einer Kommunikationssituation, aus der der betreffende Text entsteht bzw. in der er eingesetzt wird (Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität).
A. Textimmanente Textualität 1. Kohärenz (Ausführlichkeit) Mit Kohärenz wird der inhaltliche logische Aufbau innerhalb des Textes bezeichnet. Kohärent ist ein Text, der genügend Informationen mitteilt, die es erlauben, den Gedankengang des Autors zu verfolgen. «Für mich ist klar, dass das tägliche Durchschnittsgedudel an unseren Radios nicht den Musikredaktoren zuzuschreiben ist. Denn: Der Wurm muss dem Fisch schmecken.»
Eine Redensart («Der Wurm muss dem Fisch schmecken») wird hier nur halb wiedergegeben; es fehlt: «und nicht dem Angler». Was die Redensart belegen soll, wofür sie Beispiel sein soll, steht hier nicht. Dies ist ein Beispiel für fehlende Kohärenz. Die normale Reaktion des Autors dieser Zeile wäre: «Ja, aber das ist doch völlig klar!» Das stimmt vielleicht für den Autor, aber nicht für den Leser. Es ist die Aufgabe des Autors, so zu schreiben, dass der Leser den Text verstehen kann. 2. Kohäsion (Zusammenhalt) Kohäsion bezieht sich auf den Zusammenhalt des Textes. Gemeint sind die formalen Mittel, welche Beziehungen zwischen den Sätzen signalisieren. Es handelt sich dabei sowohl um grammatische Elemente wie Kongruenz (Übereinstimmung in Person, Numerus und Tempus) als auch um Wortwiederholungen, Umschreibungen oder Querverweise. «Die Schönheiten einer Pflicht sind manchmal schwierig zu finden. Eine Pflicht suchen wir uns nicht selber aus, sondern sie wird uns übertragen, von der Natur, unseren Mitmenschen oder der Verantwortung, die wir übernommen haben. Dies will aber nicht heissen, dass Pflichten immer nur eine Belastung sind. Für mich haben Pflichten auch eine schöne Seite, nämlich das Gute, das aus der Pflicht hervorgeht. Das Gute ist von der Ästhetik und von der Ethik geprägt. Ästhetik ...»
Die kursiven Wörter nehmen jeweils eine Aussage des Vorsatzes wieder auf und führen so den Gedanken folgerichtig und klar verständlich fort. So ist es richtig, so muss es sein. Während ein einzelner Satz dadurch gekennzeichnet ist, dass er eine unabhängige sprachliche Form darstellt – in sich abgeschlossen in Grammatik, Sinn und Aussage – , bestehen Texte aus Sätzen, die in ihrer grammatischen Kon struktion in den Zusammenhang eingebettet sein müssen. Die Verweisstruktur ergibt ein Beziehungsgeflecht. Je enger das Geflecht ist, desto genauer ist der Text.
6.1 Der Schreibprozess
129
B. Situationsbezogene Textualität Zusätzlich zu den texteigenen Kriterien kommen die situationsbezogenen Kriterien ins Spiel: Texte sind auch dadurch bestimmt, dass ein Sender sie mit einer bestimmten Absicht (Intention) produziert und ein Empfänger sie als solche akzeptiert. Ein Empfänger «akzeptiert» einen Text, den er in seine Vorstellungswelt «einbauen» kann (der also erwartete und bekannte Elemente enthält) und der für ihn informativ ist (der also unerwartete und neue Elemente enthält). 3. Intentionalität Unter Intentionalität versteht man die Absicht des Produzenten. Erst wenn der Autor bekannt gibt, was er mitzuteilen gedachte, kann ich ermessen, ob ich verstanden habe. 4. Akzeptabilität Betrifft die Intentionalität den Textproduzenten, so meint die Akzeptabilität die Einstellung des Rezipienten. Akzeptabilität ist sowohl die Bereitschaft des Autors, den Text so zu gestalten, dass der Leser ihn verstehen kann, als auch die Bereitschaft des Lesers, den Text im Sinne des Produzenten zu lesen. 5. Informativität Informativität ist der Grad der Neuheit der dargebotenen Information. Er pendelt immer zwischen Altem (Bekanntem) und Neuem (Unbekanntem) und ist unter anderem abhängig vom Vorwissen des Lesers.
Textmerkmale im Kommunikationsmodell Intentionalität und Akzeptabilität nehmen im Kommunikationsmodell den Platz der Situationsdeutung ein. Die Informativität bezieht sich auf das Medium.
Weltwissen
Sprachwissen
Schreiber
(Produzent)
Text
Leser
Informativität
Motivation
(Rezipient) Motivation
Intentionalität
Akzeptabilität
Diese Darstellung zeigt, welche Dimensionen im Vorgang des Schreibens zusammenspielen. Das Modell selbst wird im Kapitel Kommunikation auf S. 48 erklärt.
7. Anhang
7.1 Die Maturarbeit
144
Arbeitsschritte Eine Facharbeit ist eine schriftliche Abhandlung eines Themas. In der Regel bestimmt die Schülerin oder der Schüler das Thema mit oder sogar selbst. Häufige Formen in der Schweiz sind Diplomarbeit, Maturarbeit oder Vertiefungsarbeit. Vor allem die Maturarbeit ist den Anforderungen des Universitätsstudiums ähnlich und soll einen Einblick ins wissenschaftliche Arbeiten ermöglichen.
Anforderungen 1. Selbstständige Erarbeitung eines gegebenen oder selbst gesetzten Themas. 2. Voraussetzung für die Facharbeit ist eine systematische fachliche Informationsbasis, die vor allem auf der Erschliessung der zum Thema vorliegenden Fachliteratur beruht. 3. An jeder Stelle muss deutlich werden, was übernommen wurde und was eigene Erkenntnisse sind. 4. Dem Leser muss die Möglichkeit gegeben werden, die Ausführungen nachzuvollziehen und zu überprüfen (dazu dienen Zitate, Belege, Fussnoten, Literatur- resp. Quellenverzeichnis). 5. In der Regel wird eine Reflexion über den Arbeitsprozess und die Ergebnisse der Arbeit verlangt. 6. Häufig ist die Facharbeit interdisziplinär oder multidisziplinär angelegt. Sie ist also nicht an die Grenzen eines Schulfaches gebunden, sondern kann verschiedene Methoden oder Fragestellungen miteinander verbinden.
Facharbeit Folgende Arbeitsschritte führen zur Facharbeit: 1. Themengewinnung 2. Literatursuche und Literaturverarbeitung 3. Erstellen einer Gliederung / Konzeption 4. Formulierung einer Rohfassung Pause – Abstand zur eigenen Arbeit gewinnen 5. Überarbeitung der Rohfassung (inhaltlich, strukturell, sprachlich) 6. F ertigstellung der Endfassung (Layout, Gestaltung, Grafiken, Korrekturlesen, Inhalts- und Literaturverzeichnis)
Tipp: Je genauer Sie wissen, worauf Sie hinauswollen, desto leichter fällt Ihnen die Arbeit.
7.1 Die Maturarbeit
145
Arbeitsplan Erstellen Sie so früh wie möglich einen Arbeits- resp. Zeitplan.
Beispiel für einen Arbeitsplan Arbeitsschritte
Woche Aufwand
Vorgehen
benötigt
Bemerkungen
1. Themen gewinnung
1 Woche bis spätestens 5.6.
Absprache mit Lehrer / Clustern
Termin abmachen
2. Literatursuche und Verarbeitung
2 Wochen bis 19.6.
Bibliotheken Internet
Benutzerausweis Kantonsbibliothek
Exzerpieren
3. Gliederung, Konzeption
maximal 1 Woche spätestens 25.6.
Mind-Map / Standardaufbau
Karteikarten besorgen
Donnerstag
4. Rohfassung
3 Wochen fertig 12.7.
PC
Pause
mindestens 1 Woche
5. Überarbeitung
2 Wochen
inhaltlich, strukturell, sprachlich
kapitelweise je 2 Stunden
6. Endfassung
2 Wochen Abgabe 20.9.
Layout Abbildungen
Illustrationen
Reserve
mindestens 1 Woche
in den Ferien Sommerferien 3 Durchgänge
Arbeitsjournal anlegen Legen Sie gleich zu Beginn ein Arbeitstagebuch an. Darin notieren Sie jedes Mal, wann und wie lange Sie an Ihrer Facharbeit gearbeitet haben, was Sie gemacht, mit wem Sie gesprochen, welche Bücher Sie ausgeliehen resp. bearbeitet haben usw. Das Arbeitsjournal dient Ihnen dazu, den Überblick zu behalten. Es sollte: –– übersichtlich sein (tagebuchartig: Datum, Vorgehen, Ziele u. dgl.); –– Auskunft geben über geleistete Arbeit; –– den Arbeitsprozess für Aussenstehende nachvollziehbar werden lassen.
Portfolio anlegen Als Portfolio bezeichnet man eine Sammlung von Objekten zu einem bestimmten Thema. Es ist ein hilfreiches Verfahren zur Erarbeitung und Vertiefung eines Themas. Mögliche Inhalte des Portfolios: –– Notizen, Skizzen, Ideen; –– Exzerpte (siehe S. 114) und Zitate (siehe S. 149 f.); –– Kopien und Ausdrucke; –– Bilder und Fotos. Vorteile des Portfolios: –– Es ermöglicht, systematisch vorzugehen. Wenn ausreichend Material zusammengetragen worden ist, lassen sich gezielt und schnell die Inhalte und Ziele der Facharbeit evaluieren. –– Es dokumentiert anschaulich den Arbeitsprozess. –– Es hilft, Ziele zu klären und Kriterien zu formulieren. –– Es fördert die Fähigkeiten zur Reflexion und Bewertung. Das Portfolio ist die Basis einer vertiefenden Analyse eines Themas. Dort legen Sie das gesammelte Material ab, auf dessen Basis Ihre Facharbeit zügig und zielgerichtet entstehen kann.
7.1 Die Maturarbeit
146
Themengewinnung Strategien zur Aktivierung des Vorwissens Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, das Vorwissen zu aktivieren. Bewährt haben sich insbesondere die zwei beschriebenen Möglichkeiten. 1. «Clustern» Das Cluster-Verfahren [engl. cluster = Büschel; Menge] ist eine Methode, die die Assoziationen zu einem Ausgangswort räumlich darstellt.
Comics Zukunft
Bücher andere Welten
usw.
Science Fiction
Technik
Utopien
Künstliche Intelligenz
usw.
usw.
Filme Special Effects
2. Fragen formulieren und beantworten –– Was weiss ich bereits zum Thema? –– Was interessiert mich? Was ist für mich das spannende Element? Wieso interessiert mich das? Ist es überhaupt lohnenswert (neu, vertiefungswürdig, erkenntnisfördernd usw.)? –– Welche möglichen Erkenntnisse könnten auch für andere interessant sein? –– Wer kennt sich mit diesem Thema aus? Wen kann ich fragen? –– Welche Methoden kann ich anwenden (Literaturrecherche, Feldstudie, Befragung, Reportage usw.)? –– Wie viel Zeit habe ich zur Verfügung? Ausführliche Informationen zu weiteren Strategien zur Aktivierung von Vorwissen finden Sie im Band Deutsch am Gymnasium 2: «Einfach schreiben». Tipp: Wählen Sie ein Thema, das Ihnen nicht zu nahe geht, das nicht zu persönlich ist. Es ist schwer, sich sachlich mit einem Thema auseinanderzusetzen, das einem am Herzen liegt.
Anregungen für Facharbeiten im Fach Deutsch Themen im Fach Deutsch können sehr verschiedenen Bereichen entnommen werden. Im Mittelpunkt können z.B. stehen: Literaturgeschichte, Poetik (Gattungen, Erzähltechnik), Verarbeitung geschichtlicher Erkenntnisse, literarische Figuren, ihre Handlungsweisen, Motive, Kinder- und Jugendliteratur, Literatur von / über Frauen, Rezeption von Literatur, literarisches Leben in einer gewissen Zeit (z.B. Wien um die Jahrhundertwende), Theater, Literatur und Film, Literatur und Musik, Literatur und bildende Kunst, Kommunikations- und Sprachbetrachtungen, Sprachgebrauch, Auseinandersetzung mit Medien. Und schliesslich können auch kreative Texte (Kinderbuch, Erzählung, Comic, Filmdrehbuch, Drama usw.) im Zentrum einer Facharbeit stehen.
7.1 Die Maturarbeit
147
Literatursuche und Verarbeitung Literatur suchen Broschüren Online-Datenbanken Suchmaschinen
Internet
Befragung / Experimente
Statistiken Ansprechpersonen
Behörden / Organisationen
Materialsuche
Archive Stadtarchiv Kantonsarchiv Bundesarchiv
Bibliotheken Mediothek Kantonsbibliothek Universitätsbibliothek
Schlagwortregister Bibliografien Literaturverzeichnisse in Fachbüchern
Literatur auswählen und gewichten Im Allgemeinen gibt es zu jedem Thema eher zu viel als zu wenig Fachliteratur. Sie müssen also aus der Fülle auswählen. 1. Orientierendes Lesen Manchmal genügt ein Blick auf den Klappentext, das Vorwort, das Inhaltsverzeichnis, die Zusammenfassung, das Erscheinungsjahr, um zu entscheiden, ob die Veröffentlichung für Sie in Frage kommt. 2. Gezieltes Lesen Manchmal reicht es aus, nicht das gesamte Buch / den gesamten Artikel zu lesen, sondern nur das zu überfliegen, was mit dem eigenen Thema zusammenhängt. Auch hier lässt sich anschliessend entscheiden, ob eine vertiefende Textarbeit sinnvoll ist. 3. Systematisches Lesen Markieren, Notizen anlegen, exzerpieren, zitieren, ein Abstract schreiben, eine Visualisierung zeichnen. Dazu mehr auf den Seiten 109 –115.
Sachtexte analysieren Lesen Sie intelligent – glauben Sie nicht alles ungeprüft. Eine Checkliste zur Analyse von Sachtexten (Quellenanalyse) finden Sie auf S. 159.
Fachliteratur erarbeiten Eine Anleitung zur nachhaltigen Erarbeitung von Fachliteratur finden Sie im Kapitel «Lesen» auf den Seiten 108 –111. Berücksichtigen Sie auch die Checkliste «Erarbeitung längerer Sachtexte» im Anhang auf S. 160.