Volkswirtschaft / Staat

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2013/14

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Verlag Fuchs

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Volkswirtschaft/Staat

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Volkswirtschaft Staat Grundwissen


Gebrauchsanweisung 2

Gebrauchsanweisung Grundwissen

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– Das Grundwissen gliedert sich in Kapitel. Jedem Kapitel ist eine eigene Farbe zugeordnet (siehe die Inhaltsverzeichnisse). – Jedes Kapitel umfasst mehrere Unterkapitel, welche klar strukturiert sind: a) Begriffe werden zuerst definiert. b) Dann werden sie erklärt und die Sachverhalte näher beschrieben. c) Wenn Sie diese Seite im Internet eingeben, gelangen Sie auf ein übersichtliches Verzeichnis mit vielen nützlichen Links, die weiter führende Informationen beinhalten.

Sachwortregister Das Sachwortregister erleichtert die Suche nach bestimmten Begriffen und Inhalten. Alle Definitionen sind fett gedruckt, ebenso die Seitenzahlen, auf denen ein Inhalt hauptsächlich behandelt wird.

Einsatzmöglichkeiten Das Buch kann vielfältig eingesetzt werden: a) Im Selbststudium b) Als Nachschlagewerk c) Als Arbeitsbuch und Lehrmittel im Schulunterricht

Hinweis zur Sprache – Das Buch basiert auf der neuen Rechtschreibung (Duden 2006). – Es wurde darauf geachtet, möglichst einfache Formulierungen zu verwenden, damit die Inhalte gut verstanden werden. – Die vielen Beispiele sollen nicht nur den Bezug von der Theorie zur Realität herstellen, sie ermöglichen auch ein leichteres Lernen der theoretischen Inhalte.

Zur Farbführung Zusammenhängende Inhalte wurden aus didaktischen Gründen mit der gleichen Farbe versehen.

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CiviCampus Nachdem die Parlamentsdienste der Bundesversammlung sich an den Inhalten der 1996 vom Verlag Fuchs entwickelten CD-ROM interessiert gezeigt haben, wurden alle wichtigen Theorieteile und die dazugehörenden Fragen auf die Webseite übertragen. Anfangs 2013 erfolgte ein Redesign. Buch und CiviCampus sind aufeinander abgestimmt und ergänzen sich somit ideal. Über www.verlag-fuchs.ch gelangen Sie unter anderem auch zu CiviCampus. Die Zeitschrift «anthrazit» hat CiviCampus als eine der 200 besten Websites des Jahres 2010 ausgezeichnet.


Inhaltsverzeichnis 3

Volkswirtschaft 1. 1 Grundlagen – – – – – – – – – – – – – –

Die Volkswirtschaftslehre 8 Bedürfnisse 10 Güter zur Bedürfnisbefriedigung 12 Das ökonomische Prinzip 13 Der Wirtschaftskreislauf 14 Das Bruttoinlandprodukt 18 – BIP-Produktionsansatz 18 – BIP-Verwendungsansatz 19 – Das Wirtschaftswachstum 21 – Das BIP im Vergleich 22 – Wirtschaftswachstum und Wohlstand 23 Das Volkseinkommen 24 Die 4 Produktionsfaktoren 26 – Der Produktionsfaktor Boden 27 – Der Produktionsfaktor Arbeit 28 – Der Produktionsfaktor Wissen/Kapital 34 Die 3 Wirtschaftssektoren 36 – Strukturwandel 38 Der Markt – Die Preisbildung 40 Wirtschaft und Umwelt 46 – Umweltschutzmassnahmen 50 Wirtschaftswachstum – Zielkonflikte 52 Happy Planet Index 56 Wohlstand – Wohlfahrt 58

1. 2 Wirtschaftsordnungen – – – – –

Wirtschaftsordnungen Zwei Wirtschaftsmodelle – Die beiden Modelle im Vergleich Die soziale Marktwirtschaft – Marktversagen Ziele der staatlichen Wirtschaftspolitik – Magisches Sechseck Der Sozialstaat Schweiz – Die Finanzen der öffentlichen Hand – Die Schuldenbremse – Die Bundesfinanzen – Die Finanzierung der AHV

60 61 62 63 64 66 67 69 70 71 72 74

1. 3 Geld und Konjunktur – – – – – –

Das Geld 76 Der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) 77 Die Börse 80 Die Banken 82 Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken 84 Die Geldpolitik der SNB 85 – Die Umsetzung der Geldpolitik 86 – Die Wirkung der Geldpolitik 87

– – – – – –

Geldwertstörungen Die Inflation – Ursachen der Inflation – Folgen der Inflation Die Deflation – Ursachen der Deflation – Folgen der Deflation Die Stagflation Die Konjunktur – Der Konjunkturzyklus – Konjunkturindikatoren – Die Konjunkturpolitik Drei bedeutende Wirtschaftstheoretiker

88 89 90 92 94 95 96 97 98 99 102 104 106

1. 4 Beziehungen nach aussen – – – – – – – – – – –

Die Globalisierung – Chancen und Gefahren der Globalisierung Die Zahlungsbilanz – Die Ertragsbilanz Währungen (Devisen) Wechselkurs – Auf- und Abwertung einer Währung Die WTO Der IWF Die Weltbank Der EU – Binnenmarkt Die Europäische Währungsunion Der Einfluss des Euro auf die Schweiz Handelsverhältnis Schweiz – EU

108 110 112 113 114 116 117 120 124 127 128 130 132 134

1. 5 Verarbeitung von Informationen

– – – –

Umgang mit Statistiken Die grafische Darstellung Die repräsentative Umfrage Lesen von Texten zur Wirtschaft

136 138 141 142

1. 6 Vernetzungen

– – – –

Vernetztes Denken 144 Vier Schritte zur Erkennung von Problemen 148 Vernetzungsbeispiele 150 Systemisches Denken 154

1. 7 Anhang – Die grössten Wirtschaftsräume der Welt – Wirtschaft und Energie

156 160

Sachwortregister

267


Inhaltsverzeichnis 4

Staat 2.1 Willensbildung – – – – – –

Politik – Drei Dimensionen der Politik Massenmedien – 4. Gewalt im Staat Die öffentliche Meinung Die politischen Parteien – Das Links-Rechts-Schema – Die Parteien im Bundesparlament Verbände Stimmen, Wählen – Verschiedene Arten von «Mehr» – Das Majorzwahlverfahren – Das Proporzwahlverfahren – Möglichkeiten beim Proporz – Gültige Wahl beim Nationalratsproporz – Die Sitzverteilung beim Proporz

2.3 Rechtsetzung 166 167 168 169 170 174 175 176 178 179 180 181 182 183 184

Der Staat / Die 3 Staatsformen Die Bundesverfassung (BV) Die Gewaltenteilung Die Bundesversammlung – Das Zweikammersystem – Die Parteien im Bundesparlament – Wichtige Aufgaben beider Räte – Die parlamentarischen Vorstösse – Fraktionen der Bundesversammlung – Kommissionen – Die Vereinigte Bundesversammlung Der Bundesrat – Kollegialsystem / Departementalprinzip – Die Zuständigkeiten des Bundesrates – Bundespräsidentin / Bundespräsident – Zusammensetzung des Bundesrates Die Bundesverwaltung / Die Bundeskanzlei – Die 7 Departemente des Bundes Die richterliche Behörde – Die Rechtsprechung – Die Gerichtsarten – Die Gerichte des Bundes – Die Gerichte der Kantone – Straffall – Zivilfall – Verwaltungsfall – Der richterliche Instanzenweg Die 26 Kantone Die Gemeinden

– – – –

Rangordnung der Rechtserlasse Entstehung eines Gesetzes Das Referendum Die Initiative

218 219 220 222

2.4 Rechte und Pflichten – Rechte – Einteilung unserer Rechte – Die staatsbürgerlichen Rechte – Die Grundrechte im Einzelnen – Pflichten

226 226 227 230 238

2.5 Regierungsformen – Die Demokratie 240 – Konkordanz- und Konkurrenzdemokratie 241 – Die Diktatur / Die Monarchie 242

2.2 Institutionen – – – – – – – – –

186 188 189 190 191 192 193 194 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 206 207 208 209 210 211 212 216

2.6 Die Schweiz und die Welt – – – – – – – – – –

Neutralität – Die Neutralitätspolitik der Schweiz Die UNO (Vereinte Nationen) Der Europarat Die Europäische Union (EU) – Überblick – Die wichtigsten Institutionen der EU – Die Schweiz und die EU Die OSZE Die NATO Die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Politische Schweizer-Karte Politische Weltkarte Politische Europakarte

Sachwortregister

244 245 246 250 252 253 254 257 258 260 262 263 264 266

267


2 THEMA 5 Dank 5

Dank Dank An dieser Stelle gebührt all meinen Kolleginnen und Kollegen, die mich tatkräftig unterstützt haben, ein herzliches Dankeschön. Ganz herzlich danke ich: den Mitautorinnen – Esther Kessler, PhD, lic. oec. (HSG), Dozentin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) – Christina Mihajlovic-Wachter, dipl. Ing. agr. ETH, dipl. Berufsfachschullehrerin für Allgemeinbildung, dipl. Qualitätsmanagerin HF, selbständige Beratungs­ tätigkeit. den Mitautoren – Claudio Caduff, lic. phil. I, Dozent PHZH /Sekundarstufe 2 und PHZ Luzern – Roman Capaul, Prof. Dr. oec., Titularprofessor an der Universität St. Gallen – Gregor Schläpfer, lic. phil. I, Berufsfachschullehrer – Stefan Wüest, lic. iur., für die Erarbeitung der Texte zu den richterlichen Behörden und zum Strafrecht; – Thomas Zeller, Berufsfachschullehrer für das Korrektorat – Sylvia von Piechowski, lic. phil. I – Romeo Vendrame für die Gestaltung, Fotografien und Illustrationen Armin und Simon Meienberg, Pierina Bucher (Springrolls) für die grafische Gestaltung, Renato Regli für die Fotografien sowie Christof Schürpf für die Illustrationen.

Zürich, März 2013

Jakob Fuchs



1. Volkswirtschaft  2. Staat 1. 1 Grundlagen

7

1.1 Grundlagen


1. 1 Grundlagen

8

Die Volkswirtschaftslehre Volkswirtschaftslehre: Sie untersucht, a) wie ein Volk seine knappen Produktionsmittel (Boden, Arbeit, Kapital) verwendet, um Sachgüter und Dienstleistungen herzustellen und b) wie die hergestellten Sachgüter und Dienstleistungen verteilt werden. Die beiden Hauptbereiche der Wirtschaftswissenschaft sind die Volkswirtschafts­ lehre und die Betriebswirtschaftslehre.

Gegenstand der Volkswirtschaftslehre Die Volkswirtschaftslehre befasst sich mit den gesamtwirtschaftlichen Vorgängen und Zusammenhängen, mit: – Angebot und Nachfrage – Arbeitslosigkeit – Inflation – Konjunkturpolitik – Staatsdefiziten – Umweltverschmutzung – usw.

Aufgaben der Volkswirtschaftslehre Die Volkswirtschaftslehre versucht: 1. die wirtschaftlichen Vorgänge zu beschreiben (z.B. mit der Feststellung: Es gibt Arbeitslosigkeit.); 2. Erklärungsansätze zu finden (Warum gibt es Arbeitslosigkeit?); 3. Prognosen über den zukünftigen Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung auf­ zustellen (Wie wird sich die Arbeitslosigkeit entwickeln?); 4. Möglichkeiten der Beeinflussung der wirtschaftlichen Entwicklung aufzuzeigen (Wie kann man Arbeitslosigkeit bekämpfen?).


1. Volkswirtschaft  2. Staat 1. 1 Grundlagen

9

Mikroökonomie und Makroökonomie Die Teilbereiche der Volkswirtschaftslehre können in Mikroökonomie und Makro­ ökonomie aufgeteilt werden.

Mikroökonomie

Makroökonomie

(mikro = klein)

(makro = gross)

In der Mikroökonomie werden einzelne Elemente der Volks­ wirtschaft betrachtet, z.B. die Preis­ bildung.

In der Makroökonomie wird die Volkswirtschaft als Ganzes betrachtet, z.B. die Inflation, die Zahlungs­bilanz, die Wechselkurse.

Die 10 Teilbereiche der Volkswirtschaftslehre Die Volkswirtschaftslehre kann anhand von zentralen Fragen beschrieben und in 10 Teilbereiche aufgeteilt werden. Die folgenden 4 Teilbereiche zählt man zur Mikroökonomie: 1. Haushaltstheorie Warum werden Sachgüter und Dienstleistungen und in welcher Menge nachgefragt? 2. Unternehmenstheorie Wieso werden Sachgüter und Dienstleistungen angeboten und welche Produktionsverfahren ­werden gewählt? 3. Preistheorie Zu welchen Preisen wird welche Menge auf dem Markt verkauft? 4. Verteilungstheorie Wie werden die produzierten Sach­ güter und Dienstleistungen auf die Anbieter der Produktionsmittel ­(Arbeit, Boden, Kapital) verteilt?

Die nachstehenden 6 Teilbereiche gehören zur Makroökonomie: 5. Geldtheorie Welche Funktionen übernimmt das Geld? 6. Finanztheorie Welchen Einfluss hat die Staatstätig­ keit auf die Volkswirtschaft? 7. Beschäftigungstheorie Welche Faktoren beeinflussen die Beschäftigung bzw. die Arbeitslosig­ keit? 8. Konjunkturtheorie Wodurch werden die gesamtwirt­ schaftlichen Aktivitäten wie z.B. die Produktion der Sachgüter und Dienstleistungen beeinflusst? 9. Wachstumstheorie Warum und unter welchen Bedin­ gungen wächst eine Wirtschaft? 10. Aussenhandelstheorie Warum kommt es zu internationa­ ler Arbeitsteilung (Spezialisierung ­einzelner Länder auf bestimmte Sachgüter und Dienstleistungen) und was sind die Folgen?

Es gibt aber auch Teilbereiche, die mikroökonomische und makroökonomische Aspekte haben (z.B. die Verteilungstheorie oder die Aussenhandelstheorie).


1. 1 Grundlagen

10

Bedürfnisse Bedürfnisse: Verlangen des Menschen, einen Mangel zu beheben. Dem Menschen gelingt es nie, all seine Bedürfnisse zu befriedigen. Wir Menschen sind nicht vollkommen. Fortwährend fehlt uns etwas. Wir haben Hunger, verspüren Durst, wir frieren oder leiden unter Krankheiten, um nur einige wenige Mangelempfindungen zu nennen. Um uns wieder wohlzufühlen, haben wir stets das Bedürfnis, diese Mängel zu beseitigen.

Bedürfnisbefriedigung Bedürfnisbefriedigung: Beseitigung einer Mangelempfindung. Die Möglichkeit der Bedürfnisbefriedigung wird den meisten Menschen nicht ein­ fach so in den Schoss gelegt. Wir müssen arbeiten, d.h. wirtschaftlich tätig werden, um ein Einkommen zu erzielen. Mithilfe des Geldes (Geld ist volkswirtschaftlich gesehen ein Hilfsmittel) sind wir in der Lage, zunächst lebensnotwendige Bedürf­ nisse zu befriedigen, um überhaupt existieren zu können. Bleibt dann noch Geld übrig, können wir wahlweise andere, nicht lebensnotwendige Bedürfnisse decken.

Bedürfnisarten 1. Individualbedürfnisse

Individualbedürfnisse sind Bedürfnisse, die der einzelne Mensch hat. Bei der Be­ friedigung dieser Bedürfnisse entsteht eine Rangfolge:

Grundbedürfnisse

Wahlbedürfnisse

(Existenzbedürfnisse) Die Grundbedürfnisse müssen zuerst befriedigt werden, damit der Mensch leben kann.

Aus einem breiten Angebot befrie­ digt der Mensch wahlweise weitere, nicht lebensnotwendige Bedürfnisse.

Mittel zur Bedürfnisbefriedigung: – Nahrung (Essen und Trinken) – Wohnung – Kleidung – ärztliche Versorgung

Mittel zur Bedürfnisbefriedigung: – Ferien – Auto – Schmuck – Bücher usw.

Der Mensch kann nie all seine Bedürfnisse befriedigen. Er muss eine Auswahl tref­ fen. Diese Auswahl hängt von folgenden Faktoren ab: – Welche Schwerpunkte setzt der Einzelne? – Wie viel Einkommen steht dem Einzelnen zur Verfügung? – Wie sieht die Wirtschafts- und die Versorgungslage seines Landes aus? (Hat er überhaupt die Möglichkeit, sich mit genügend Gütern einzudecken?) n i c e

t o

k n o w

Das Nord-Süd-Gefälle Die wirtschaftliche Entwick­ lung im 20. Jahrhundert ist gekennzeichnet von einem steigenden Wohlstands­ gefälle zwischen dem ent­ wickelten Norden und dem

unterentwickelten Süden (Nord-Süd-Gefälle). Ste­ hen den industrialisierten Ländern des Nordens Güter beinahe im Überfluss zur Verfügung, kämpfen die

bevölkerungsreichen Ent­ wicklungsländer ums nackte Überleben. Es gelingt ihnen kaum, die Existenzbedürfnis­ se zu befriedigen, geschwei­ ge denn, Wahlbedürfnisse

abzudecken. Die Frage für die Zukunft lautet: Gelingt es uns, die Güter besser und gerechter zu verteilen?


1. Volkswirtschaft  2. Staat 1. 1 Grundlagen

2. Kollektiv­bedürfnisse

11

Kollektivbedürfnisse sind Bedürfnisse, welche die Gesellschaft als Ganzes hat. Zwi­ schen den Individual- und den Kollektivbedürfnissen besteht ein Zusammenhang. Im Folgenden werden die beiden Bedürfnisarten einander gegenübergestellt.

Individualbedürfnisse

Kollektivbedürfnisse

Der Einzelne allein entscheidet, welche Bedürfnisse wann und in welcher Reihenfolge er zu befriedi­ gen gedenkt, wobei er zuerst immer die Existenzbedürfnisse abdeckt. Je mehr Einzelpersonen die gleichen Bedürfnisse befriedigen wollen, desto grösser werden die Probleme für die Gesellschaft. Es entstehen Kollektivbedürfnisse.

Durch die Vielzahl von Menschen mit gleichen Bedürfnissen ­entstehen neue Bedürfnisse, welche von der Einzelperson nicht mehr allein be­ friedigt werden können. Wenn die Einkommen steigen, kön­ nen mehr und mehr Individualbe­ dürfnisse befriedigt werden. Als Folge davon nehmen die Kollek­ tivbedürfnisse zu.

Es gibt viele Individualbedürfnisse, die nur durch gesellschaftliche Anstrengungen befriedigt werden können. Beispiel: Das Bedürfnis des Individuums nach Mobilität führt zu Kollektivbedürf­ nissen wie dem Bau von Strassen, von Eisenbahnlinien, von Flughäfen usw. Viele Folgen der Bedürfnisbefriedigung hat die Gesellschaft zu tragen (z.B. Abfall, Umweltbelastung durch Verkehr). Aufgabe der Wirtschaft Es ist Aufgabe der Wirtschaft, eine möglichst grosse Bedürfnisbefriedigung zu er­ möglichen, indem sie Güter bereitstellt.

Bedürfnispyramide nach Maslow Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow ordnet die menschlichen Bedürf­ nisse auf einer fünfstufigen Pyramide: 5

Selbstverwirklichung: Entwicklung der eigenen Persönlichkeit (ist von Person zu Person ganz verschieden)

4

Wertschätzungs- und Anerkennungsbedürfnisse: Stärke, Leistung, Kompetenz, Prestige, Status, Macht, Ruhm usw.

3

Soziale Bedürfnisse: Liebe, Zugehörigkeit zu Gruppen (Familie, Freunde) usw.

2

Sicherheitsbedürfnisse: Schutz, Sicherheit, Ordnung, Stabilität, Freiheit usw.

1

Grundbedürfnisse (physische Bedürfnisse): Essen, Trinken, Schlafen usw.

Grundsätzlich gilt: Erst wenn das untergeordnete Bedürfnis (z.B. das Grundbe­ dürfnis) befriedigt ist, tritt das nächsthöhere Bedürfnis (z.B. das Sicherheitsbe­ dürfnis) auf. Maslow bezeichnet die ersten vier Bedürfnisse als Defizitbedürfnisse. Werden sie nicht befriedigt, so entsteht ein Gefühl des Mangels. Menschen, die nach Befriedigung hoher Bedürfnisse (Wertschätzung und Anerken­ nung sowie Selbstverwirklichung) streben können, sind gesünder, schlafen besser und leben länger.


1. 1 Grundlagen

12

Güter zur Bedürfnisbefriedigung Güter: Sind Mittel, mit denen Bedürfnisse befriedigt werden. Wir unterscheiden zwischen freien Gütern und wirtschaftlichen Gütern.

Freie Güter Freie Güter: Sind Güter, die den Menschen in ausreichender Menge (weltweit gesehen) frei zur Verfügung stehen. Daraus folgt, dass sie unentgeltlich verfügbar sind. Beispiele: Luft, Sonnenlicht, Wind Der Raubbau an der Natur lässt aber z.B. saubere Luft dennoch immer knapper werden.

Wirtschaftliche Güter Wirtschaftliche Güter: Sind Güter, die beschränkt vorhanden sind, das heisst, sie reichen nicht aus, um alle Bedürfnisse zu befriedigen. Weil wirtschaftliche Güter knapp und beschränkt sind, erzielen sie einen Preis. Unterteilung der wirtschaftlichen Güter:

Investitionsgüter

Konsumgüter

(auch Produktions- oder Produktiv­güter genannt) Mithilfe dieser Güter werden weitere Investitionsgüter und Konsumgüter hergestellt. Sie dienen der indirekten Bedürfnis­befriedigung. Beispiele: Baukran, Lastwagen, Maschinen, Taxi

Sie werden gebraucht oder verbraucht und dienen der direkten Bedürfnisbefriedigung.

Sachgüter

Dienstleistungen

Sachgüter sind materielle, d.h. körperliche Gegenstände.

Dienstleistungen sind immaterielle, d.h. nicht ­körperliche Gegenstände. Bei Dienstleistungen finden Herstellung und Verbrauch meistens gleichzeitig statt. Man kann Dienstleistungen nicht auf Vorrat produzieren.

Gebrauchsgüter

Verbrauchsgüter

Bei ihnen ist mehr­ fache Benützung möglich.

Sie können nur einmal verwendet werden. Nach dem Verbrauch exis­tie­ ren sie nicht mehr.

Beispiele: privates Auto, Com­ puter, Möbelstück, Fernseh­apparat, Bücher, Kleider, Ski, Schmuck

Beispiele: Nahrungsmittel, Benzin, Heizöl, elektrischer Strom

Beispiele: Dienste von Ärzten, Beam­ ten, Lehrern, von Banken, Gaststätten, Versicherungen, Reisebüros, von öffentlichen Verkehrsmitteln


1. Volkswirtschaft  2. Staat 1. 1 Grundlagen

13

Das ökonomische Prinzip Ökonomisches Prinzip: Regeln, nach denen sich die privaten Haushalte (Konsumenten) und die Unternehmen (Produzenten) im wirtschaftlichen Geschehen verhalten. Das ökonomische Prinzip setzt sich aus dem Minimum-, dem Maximum- und dem Optimumprinzip zusammen. Wir zeigten, dass einerseits die Mittel zur Bedürfnisbefriedigung beschränkt, an­ derseits die Bedürfnisse des Menschen unbegrenzt sind. Die Knappheit der Mittel verlangt, dass man diese sorgfältig und verantwortungsvoll einsetzt. Man muss sich stets nach dem Nutzen eines Mitteleinsatzes fragen.

Das Minimumprinzip Minimumprinzip: Es wird versucht, die vorhandenen Bedürfnisse mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erreichen (z.B. für ein bestimmtes Sachgut möglichst wenig bezahlen müssen). Beispiele – Jemand (privater Haushalt / Konsument) versucht eine ruhige, helle 4-ZimmerWohnung (gegebenes Bedürfnis) zu einem möglichst tiefen Mietzins (Mittelein­ satz) zu finden. – Die Autohersteller (Unternehmer / Produzenten) wollen den Sicherheitsaspekt (gegebenes Kundenbedürfnis) ihrer Autos verbessern. In jedem Auto sollen Sei­ tenaufprallschutze integriert werden. Dies wollen die Autohersteller mit mög­ lichst wenig Arbeitsstunden (Mitteleinsatz) erreichen.

Das Maximumprinzip Maximumprinzip: Mit den vorhandenen Mitteln wird versucht, möglichst viele Bedürfnisse zu befriedigen (z.B. für eine bestimmte Summe Geld möglichst viel ­er­halten). Beispiele – Jemand (privater Haushalt / Konsument) hat 1500 Franken (gegebene Mittel) für seine Ferien gespart. Er versucht mit seinem Geld sich möglichst viele Ferien­ wünsche (Bedürfnisse) zu erfüllen. – Ein Waschpulverhersteller (Unternehmer / Produzent) hat ein Budget von 2 Mil­ lionen Franken (gegebene Mittel) für sein Forscherteam aufgestellt. Die Forscher haben die Aufgabe, das Waschmittel zu verbessern, vor allem sollen dabei die Umweltfreundlichkeit und das Waschergebnis (Bedürfnisse) verbessert werden.

Das Optimumprinzip Optimumprinzip: Es wird ein möglichst gutes Verhältnis zwischen Mittel­einsatz (Aufwand) und grösstmöglichem Nutzen (Ertrag) angestrebt. Das Optimumprinzip ist eine Kombination aus dem Minimum- und dem Maximumprinzip. Beispiel Ein Musikfan versucht beim Kauf einer Stereoanlage das beste Preis-LeistungsVerhältnis zu erreichen.


1. 1 Grundlagen

14

Der einfache Wirtschaftskreislauf Einfacher Wirtschaftskreislauf: Mithilfe eines Kreislaufs wird vereinfacht dargestellt, wie sich der Tausch von Sachgütern und Dienstleistungen gegen Geld zwischen den Unternehmen (Produzenten) und den privaten Haushalten (Konsumenten) abspielt. Um die Zusammenhänge besser erkennbar zu machen, werden beim einfachen Wirtschaftskreislauf nur zwei Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern betrachtet, die privaten Haushalte (Konsumenten) und die Unternehmen (Produzenten). Sie bil­ den gleichsam zwei grosse «Pumpwerke», die den Güterstrom und den Geldstrom antreiben.

Geldstrom

Zahlung von Grundrenten, Löhnen, Zinsen

Bereitstellen der vier Produktionsfaktoren: Boden, Arbeit, Wissen, Kapital

Unternehmen (Produzenten)

Private Haushalte (Konsumenten) BIP Güterstrom

Herstellung von Sachgütern und Erbringung von Dienstleistungen

Kauf von Sachgütern und Erwerb von Dienstleistungen

Wir alle treiben täglich in unterschiedlichen Rollen in diesen Strömen mit (zum Beispiel als Konsument, als Arbeitnehmerin, als Steuerzahler, als Rentnerin, als Stipendienempfänger).


1. Volkswirtschaft  2. Staat 1. 1 Grundlagen

15

Güterstrom (Gütermenge) Um Sachgüter herstellen und Dienste leisten zu können, braucht es 4 Produk­tions­ faktoren: Boden (siehe S. 27), Arbeit (siehe S. 28), Wissen (= Humankapital, siehe S. 34) und Kapital (= Sachkapital, siehe S. 34). Die privaten Haushalte stellen sie den Unternehmen zur Verfügung. Diese Produktionsfaktoren werden auch «Pro­ duktionsmittel» genannt. Mithilfe der 4 Produktionsfaktoren können die Unternehmen Sachgüter herstellen und Dienstleistungen erbringen, welche sie auf dem Markt anbieten. Man kann den Güterstrom messen, indem man sämtliche Sachgüter und Dienstleis­ tungen zusammenzählt, die in einem Jahr in der Volkswirtschaft produziert worden sind. So erhält man das Bruttoinlandprodukt zum Produktionsansatz (siehe S. 18).

Geldstrom (Geldmenge) Um die von den Unternehmen hergestellten Sachgüter und erbrachten Dienstleis­ tungen zu erwerben, benötigen die privaten Haushalte Geld. Die Unternehmen zahlen den privaten Haushalten für die Arbeit und das Wissen Löhne, für das Ka­ pital Zinsen und für die Benützung des Bodens Grundrenten. (Das Wort «Grund­ rente» ist ein anderes Wort für Bodenzins. Damit keine Verwechslung mit dem Kapitalzins entsteht, wird die Entschädigung für die Benützung des Bodens «Grundrente» genannt.)

Gesetzmässigkeit Eine Volkswirtschaft befindet sich dann im Gleichgewicht, wenn der Geldstrom (die Geldmenge) gleich gross ist wie der Güterstrom (die Gütermenge). Dieses Gleichgewicht wird in der Realität praktisch nie erreicht. Daher entstehen häufig Störungen wie z.B. Inflation, Deflation (siehe S. 89 ff.).

Unternehmen / Produzenten Unternehmen werden auch Produzenten oder Hersteller genannt. Sie stellen für die Volkswirtschaft Sachgüter her oder erbringen Dienstleistungen. Jedes Unternehmen (jeder Produzent) ist gleichzeitig immer auch ein privater Haushalt (ein Konsument). Aber nicht jeder private Haushalt ist auch ein Unter­ nehmen.

Private Haushalte / Konsumenten Die privaten Haushalte werden auch Konsumenten oder Verbraucher genannt. Der Begriff «private Haushalte (Konsumenten)» umfasst alle Wirtschaftssubjekte, die in der Volkswirtschaft Sachgüter und Dienstleistungen nachfragen.

Wirtschaftssubjekte Der Begriff Wirtschaftssubjekte umfasst – alle privaten Personen (die privaten Haushalte), – sämtliche Unternehmen (Produzenten) sowie – die öffentliche Hand (Bund, Kantone, Gemeinden).



1. Volkswirtschaft  2. Staat 1. 2 Wirtschaftsordnungen

59

1. 2 Wirtschaftsordnungen


1. 2 Wirtschaftsordnungen

60

Wirtschaftsordnungen Wirtschaftsordnung: Umfasst die Regeln, nach denen die Wirtschaft in einem Land funktionieren soll. Die Wirtschaftsordnung wird im jeweiligen politischen System festgelegt. Die Volkswirtschaft und die Politik stehen in enger Verbin­ dung zueinander. Die Regeln für die Wirtschaftsordnung eines Staates werden grundsätzlich durch die Politik festgelegt.

Wirtschaftsordnungen in der Theorie Die Theorie unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Wirtschaftsmodellen: – Freie Marktwirtschaft – Zentrale Planwirtschaft Freie Marktwirtschaft Die freie Marktwirtschaft funktioniert ausschliesslich nach dem Prinzip des freien Marktes, wo Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. Es gibt keine staatlichen Eingriffe. Zentrale Planwirtschaft Das wirtschaftliche Geschehen wird durch den Staat allein geregelt. Ihm (der sozi­ alen Gemeinschaft) gehören alle Produktionsfaktoren (Boden, Arbeit, Wissen, Ka­ pital). Es herrscht totale staatliche Lenkung.

Wirtschaftsordnungen in der Realität In den beiden absoluten Modellformen funktioniert keine Volkswirtschaft auf der Erde. Wer in einem Staat über die Staatsgewalt verfügt, bestimmt, ob die Wirt­ schaft eher nach marktwirtschaftlichen oder mehr nach planwirtschaftlichen Grundsätzen funktioniert. In der Demokratie spielen dabei die regierenden Par­ teien die entscheidende Rolle (siehe «Der Staat», Konkordanz- und Konkurrenz­ demokratie). Keine staatlichen Eingriffe Modell Freie Marktwirtschaft

Totale staatliche Lenkung

Freie Marktwirtschaft

Soziale Marktwirtschaft

Zentrale Planwirtschaft

Modell Zentrale Planwirtschaft

Bei der sozialen Marktwirtschaft kommt dem Staat die Aufgabe zu, sozial uner­ wünschte Auswirkungen der freien Marktwirtschaft zu korrigieren. Insbesondere soll er die Rahmenbedingungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb schaffen, die Marktmacht der grossen Unternehmen vermindern sowie die Einkommens- und Ver­ mögensverteilung koordinieren. Die soziale Marktwirtschaft steht der freien Markt­ wirtschaft näher als der zentralen Planwirtschaft. Je nach Nation greift der Staat mehr oder weniger stark ins Marktgeschehen ein (siehe S. 68 f., Marktversagen). Die klassischen westlichen Industrieländer (z.B. USA, Grossbritannien, Deutsch­ land, Frankreich, Italien, die Schweiz usw.) bewegen sich alle zwischen freier Marktwirtschaft und sozialer Marktwirtschaft.


1. Volkswirtschaft  2. Staat 1. 2 Wirtschaftsordnungen

61

Zwei Wirtschaftsmodelle Die freie Marktwirtschaft

Die zentrale Planwirtschaft

Freie Marktwirtschaft: Wirtschaftsordnung, bei der die Produktionsfaktoren (Boden, Arbeit, Wis­ sen und Kapital) in den Händen Privater sind und sich die Preise auf den Märkten aufgrund von Angebot und Nachfrage bilden.

Zentrale Planwirtschaft: Wirtschaftsordnung, bei der ein zentraler Plan die Produktion und die Verteilung der Sachgüter sowie die Bereitstellung von Dienstleis­tungen lenkt, daher auch zentral gelenkte Planwirtschaft genannt.

Im Zentrum der freien Marktwirtschaft steht die Einzelperson, das Individuum. Ziel ist es, die Wün­ sche der Einzelperson optimal zu befriedigen.

Im Zentrum der wirtschaftlichen Tätigkeit steht das Wohl der Gesellschaft, welche den Staat bil­ det. Ziel ist es, dass möglichst alle Menschen die­ ser Gesellschaft gleichwertig sind, dass es keine Klassenunterschiede mehr gibt. Grundsätzlich ge­ hören alle Produktionsmittel dem Kollektiv. Da­ her gibt es kein Privateigentum an Produktions­ mitteln. Diese Ideen basieren auf den Theorien von Karl Marx und Friedrich Engels.

Da die Interessen sehr vielfältig und oft gegensätz­ lich sind, stellen private Haushalte und Unterneh­ men ihre eigenen Wirtschaftspläne auf. Sie treffen sich auf den Märkten, wo der Austausch der Sach­ güter und der Dienstleistungen gegen Geld statt­ findet. Dort wird auch der Preis festgelegt. Der Staat greift nicht in dieses ­Geschehen ein. Er ga­ rantiert lediglich die Freiheitsrechte, da sie die Vo­ raussetzung für das Funktionieren der freien Marktwirtschaft bilden. Einer der bekanntesten und prägendsten Vertreter dieses Gedankenguts war Adam Smith (siehe S. 106).

Das Kernstück der Wirtschaft bilden die Produk­ tions- und die Verteilungspläne, die von den Unter­ nehmen erfüllt werden müssen. Planungsbehörden bestimmen über Art, Grösse, Qualität und Preis der hergestellten Sachgüter. Die Erarbeitung solcher Pläne ist äusserst kompli­ ziert und komplex. Sie können daher nicht jedes Jahr neu erstellt werden und sind auf einen Zeit­ raum von z.B. 5 Jahren ausgerichtet.


1. 2 Wirtschaftsordnungen

62

Die beiden Wirtschaftsmodelle im Vergleich Freie Marktwirtschaft

Zentrale Planwirtschaft

Bedürfnisfrage

Die Bedürfnisse des Einzelnen (des Individuums) stehen im Mit­ telpunkt (siehe S. 10).

Die Bedürfnisse der Gesellschaft als Gemeinschaft (des Kollektivs) ste­ hen im Mittelpunkt (siehe S. 11).

Produktionsmittel (Boden, Arbeit, Wissen und Kapital)

Sie sind in privaten Händen. Man spricht in diesem Fall auch von Kapitalismus.

Sie gehören allen zusammen, der ganzen Gesellschaft (dem Kollek­ tiv). Man spricht in diesem Fall auch von Sozialismus.

Steuerungs­instrument

Eine Vielzahl von Märkten steuert das Verhalten von Unternehmen und privaten Haushalten. Es herrscht ein freier Wettbewerb.

Ein zentral erarbeiteter Plan, in dem für alle wirtschaftlichen Tätig­ keiten Anweisungen gegeben werden, steuert die Wirtschaft. (Was wird wann, wo, wie und zu welchem Preis produziert?)

Preisbildung

Der Preis bildet sich auf dem Markt aufgrund von Angebot und Nach­ frage.

Der Preis wird zentral festgelegt.

Antrieb zu wirtschaftlicher Tätigkeit

Jedermann kann Gewinn erzielen.

Die aufgestellten Pläne müssen erfüllt werden. Dazu wird Zwang ausgeübt.

Eigentum

Jeder Private kann grundsätzlich alles zu Eigentum erwerben.

Grundsätzlich gehört alles dem Kollektiv, der gesamten Gesell­ schaft. Daher gibt es kein Privat­ eigentum.

Aufgaben des Staates

Er muss ausschliesslich die Frei­ heitsrechte garantieren (Wirt­ schaftsfreiheit, Niederlassungsfrei­ heit, freie Wahl von Arbeitsplatz und Beruf, Wettbewerbsfreiheit usw.). Sonst soll er keine weiteren Aufgaben wahrnehmen.

Er entscheidet allein, was, wann, wo, wie und zu welchem Preis produziert wird. Daher kann es wenig Freiheitsrechte geben.

Politisches System

Die freie Marktwirtschaft und somit der Kapitalismus setzen gewisse Freiheitsrechte voraus.

Planwirtschaftliche Ziele können nur mittels autoritärer Herrschaft durchgesetzt werden.


1. Volkswirtschaft  2. Staat 1. 2 Wirtschaftsordnungen

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Die soziale Marktwirtschaft Soziale Marktwirtschaft: In dieser Wirtschaftsordnung werden die Ideen der freien Marktwirtschaft weitgehend übernommen. Zum Schutz der Schwachen (daher «soziale» Marktwirtschaft) spielt der Staat aber eine lenkende Rolle und greift ins Marktgeschehen ein. Die soziale Marktwirtschaft bildet einen «Kompromiss» zwischen freier Marktwirt­ schaft und zentraler Planwirtschaft. Während im System der freien Marktwirtschaft der Staat praktisch keine Rolle zu spielen hat, ist er bei der zentralen Planwirtschaft allgegenwärtig, die dominierende Kraft. Bei der sozialen Marktwirtschaft tritt der Staat hingegen erst dann auf, wenn das Spiel der freien Kräfte zu Fehlentwicklungen führt oder die Schwächeren Nachteile zu erleiden haben. Die konkrete Form der sozialen Marktwirtschaft ist das Resultat der politischen Entscheidung des jeweiligen Landes. In der Demokratie spielen dabei politische Parteien und Verbände eine zentrale Rolle (siehe S. 176 f.). In der Schweiz stützt sich der Staat auf die BV-Artikel 94 ff., welche es ihm erlauben einzugreifen. Beseitigung von Fehlentwicklungen

Würde der Staat nicht eingreifen, würden Fehlentwicklungen entstehen, die den Menschen schaden (Beispiel: Gesetzgebung im Umweltschutz; siehe S. 52 ff.,­ Wir­tschaftswachs­tum – Zielkonflikt, staatliche Massnahmen).

Garantie des freien Wettbewerbs

Der Staat trifft z.B. Massnahmen gegen Missbräuche im Kartellwesen. (Kartelle sind vertragliche Vereinbarungen von Unternehmen, die mittels Absprachen den Markt zu beherrschen versuchen; vornehmlich betrifft dies Preis- oder Gebietsab­ sprachen.) Mit der Wettbewerbskommission (WEKO) und dem Preisüberwacher hat der Bund zwei Institutionen geschaffen, die gegen zu hohe Preise und zu wenig Wettbewerb kämpfen (siehe S. 77).

Förderung einzelner Wirtschaftszweige

Der Staat will einzelne Wirtschaftszweige schützen und fördern (z.B. die Landwirt­ schaft: Um den Bauern ein möglichst faires Einkommen zu garantieren, erfolgen Direktzahlungen, Zahlung von Subventionen usw.).

Erreichen von mehr ­sozialer Gerechtigkeit

Der Staat sorgt für: a) eine gewisse Umverteilung der Einkommen und der Vermögen mittels progres­ siver Besteuerung oder indem er Subventionen zahlt (siehe S. 24 f., Einkom­ mensverteilung); b) eine genügende Einkommenssicherung der Erwerbstätigen beim Erreichen der Pensionierung (AHV), bei Invalidität, bei Arbeitslosigkeit, bei Unfall usw.; c) eine kostenlose Grundschulbildung. Zusätzlich finanziert der Staat höhere Schulen weitgehend mit (siehe S. 73).

Eigen­aktivitäten des Staates im Interesse des Gemeinwohls

Da gewisse Aufgaben vom Einzelnen (Privaten) gar nicht mehr ausgeführt werden können, wird der Staat im Interesse des Gemeinwohls aktiv (Beispiele: Bau von Autobahnen, Bau von Kehrichtverbrennungsanlagen, Bau von Spitälern). Die öf­ fentliche Hand (Bund, Kantone und Gemeinden) ist der grösste Auftraggeber in der Volkswirtschaft.

Bestimmung des wirtschaftlichen Kurses durch Regierung und Parlament

Die Rolle, welche der Staat u.a. im Wirtschaftsgeschehen spielen soll, legt in der Demokratie das Volk fest, wenn es das Parlament und somit die Regierung wählt. Eine sozialdemokratische Regierung wird mehr staatliche Eingriffe tätigen als e­ ine liberale (siehe S. 170 ff., Die Parteien).


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Marktversagen Marktversagen: Liegt immer dann vor, wenn es dem Markt nicht gelingt, eine effiziente Verteilung der Ressourcen zu erreichen. Das heisst, der Marktmecha­ nismus kann unter bestimmten Bedingungen zu unerwünschten Nebeneffekten führen. Marktversagen kann entstehen bei: – öffentlichen Gütern – unvollkommenem Wettbewerb (fehlendem Wettbewerb) – externen Effekten – asymmetrischen (ungleichen) Informationen

Öffentliche Güter Öffentliche Güter: Sind Güter, bei denen einerseits keine Rivalität im Konsum besteht und anderseits niemand vom Konsum ausgeschlossen werden kann. Aus diesen Gründen werden öffentliche Güter bei einem freien Markt gar nicht oder nur unzureichend bereitgestellt. Bei «normalen» Gütern funktioniert der Marktmechanismus folgendermassen: Der Produzent stellt ein Gut her und übergibt es dem Käufer zu einem bestimmten Preis. Wenn der Käufer nicht bereit ist, den Preis zu bezahlen, dann erhält er das Gut auch nicht. Bei normalen Gütern können Personen also vom Konsum ausge­ schlossen werden. Bei öffentlichen Gütern kann niemand vom Konsum ausgeschlossen werden und es besteht auch keine Rivalität im Konsum (d.h. der Konsum einer Person schränkt den Konsum einer anderen Person nicht ein). Da niemand vom Konsum ausge­ schlossen werden kann, besteht keine Zahlungsbereitschaft für öffentliche Güter. Der Staat greift in solchen Fällen ins Marktgeschehen ein und stellt diese Sach­ güter und Dienstleistungen bereit. Beispiele von öffentlichen Gütern: Strassenbeleuchtung, Landesverteidigung, sau­ bere Umwelt.

Unvollkommener (fehlender) Wettbewerb Unvollkommener Wettbewerb (fehlender Wettbewerb): Wenn einzelne Unter­ nehmen den Preis beeinflussen können, fehlt der Wettbewerb. Vollkommener Wettbewerb besteht, wenn eine grosse Anzahl von Unternehmen auf dem Markt ist. Die einzelnen Unternehmen können die Preise nicht beeinflus­ sen. Generell gilt, dass Wettbewerb die Leistungen der Unternehmen im Interesse der Konsumenten erhöht. Fehlender Wettbewerb kann entstehen, wenn sich Unternehmen zusammenschlies­ sen und so den Wettbewerb verhindern oder behindern (z.B. Kartelle bilden, Preis­ absprachen treffen). Um einen möglichst vollkommenen Wettbewerb zu garantieren, betreibt der Staat Wettbewerbspolitik. Er gibt dem Marktsystem einen sicheren rechtlichen Rahmen und kontrolliert Monopole und Kartelle (z.B. durch Preisüberwachung und Wett­ bewerbskommission, siehe S. 77) und erlässt Gesetze gegen den unlauteren Wett­ bewerb.


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Externe Effekte Bei externen Effekten (siehe auch S. 47) kann der Marktmechanismus die optima­ le Verteilung der Ressourcen nicht erreichen. Die wahren Kosten oder der wahre Nutzen werden nicht im Preis widergespiegelt. Der Staat reglementiert mittels Ge­ setzen und Vorschriften die Handhabung der externen Kosten. Die Verursacher werden finanziell belangt (z. B. Schwerverkehrsabgabe, CO2-Abgabe). Gleichzeitig fördert und subventioniert der Staat Güter mit externem Nutzen (z.B. Bildung).

Asymmetrische Information Asymmetrische Information: Nicht alle Marktteilnehmer verfügen über diesel­ ben Informationen. Der Marktmechanismus kann nur spielen, wenn alle Marktteilnehmer über sämtli­ che Informationen (z.B. Produktqualität) verfügen. In der Realität ist es für die Konsumenten oft nicht möglich, eine Marktübersicht zu erlangen (z.B. im Versi­ cherungswesen). Dadurch kann es zu Fehlentscheidungen kommen. Der Staat ga­ rantiert mit Vorschriften einen Minimalstandard von Information. Zum Beispiel verlangt der Staat eine transparente Werbung, erlässt Vorschriften zur Rechnungs­ legung, führt Warentests durch und unterstützt den Konsumentenschutz.

Staatsaufgaben beim Marktversagen Damit in einer Marktwirtschaft die Mängel des Marktes nicht überhandnehmen, greift der Staat ins Marktgeschehen ein. Es gibt dabei keine objektiv richtigen Lö­ sungen. Vielmehr muss die Art und das Ausmass der Eingriffe des Staates in poli­ tischen Entscheidungsprozessen ausgehandelt werden.

Gefahren bei Staatseingriffen Bei den Eingriffen des Staates in den freien Markt sind jedoch folgende Gefahren zu beachten: Übertriebener Aufwand Für die Problemlösung werden zu viele Steuergelder verwendet. Zu grosse Bürokratie Die Einhaltung der Vorschriften muss überwacht werden, was höhere Aufwendun­ gen des Staates bedingt (Geld, Personal usw.). Vernetzte Probleme Auch die Entscheidungsträger im Staat sind nicht allwissend und unfehlbar; staatliche Massnahmen können ungeahnte negative Nebenwirkungen erzeugen (z. B. die Milch­ schwemme ist unter anderem eine Folge der staatlichen Mindestpreisgarantie). Macht und Sonder­interessen Die politischen Entscheidungsträger (Regierungsmitglieder, Parlamentarier usw.) sind oft auch Interessenvertreter und entscheiden nicht unabhängig zum Wohle der Allgemeinheit.


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Ziele der staatlichen Wirtschaftspolitik Eine wichtige Aufgabe der Volkswirtschaftslehre ist es, wirtschaftliche Erkenntnis­ se zu gewinnen und Erklärungen für Gesetzmässigkeiten in der Gesamtwirtschaft zu beschreiben. Daran sollte sich die konkrete Wirtschaftspolitik orientieren. Wirtschaftspolitik: Alle Massnahmen des Staates zur Beeinflussung der Wirtschaft. Beispiel: Wie soll die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpft werden? Liegt die Lö­ sung dieses Problems eher in einer Verkürzung oder in einer Verlängerung der Arbeitszeit? Helfen staatliche Beschäftigungsprogramme? Sind die Löhne in der Schweiz zu hoch? Hat es zu viele ausländische Arbeitskräfte in der Schweiz? Solche Fragen und weitere können nur mit Bezug auf die Theorie der Volkswirt­ schaftslehre beantwortet werden (siehe S. 29 ff., Die Arbeitslosigkeit).

Elemente der Wirtschaftspolitik Ziel jeder Wirtschaftspolitik ist die Maximierung des Gemeinwohls eines Landes. Das Parlament, die Regierung und die Nationalbank legen in der Regel die Wirt­ schaftspolitik fest. Sie gliedert sich in verschiedene Elemente: Strukturpolitik Die Strukturpolitik besteht aus allen staatlichen Massnahmen zur Beeinflussung der regi­ onalen und sektoralen Struktur. – Die regionale Wirtschaftspolitik (regionale Strukturpolitik) hat das Ziel, die Unterschie­ de der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Regionen zu reduzieren, d.h. der Staat betreibt Regionalpolitik zugunsten der Randregionen. – Die sektorale Strukturpolitik beinhaltet alle Massnahmen, die den Strukturwandel be­ einflussen. Oft geht es dabei um den Erhalt bestimmter Wirtschaftszweige, wie z.B. der Landwirtschaft. Zu den strukturpolitischen Massnahmen gehören Subventionen, Steuervergünstigungen, Finanzhilfen für Forschungsvorhaben usw. Ordnungspolitik Die Ordnungspolitik enthält alle Massnahmen, die den rechtlichen Rahmen einer Volkswirt­ schaft gestalten. Teilbereiche der Ordnungspolitik sind z.B. die Wettbewerbspolitik (Rege­ lungen, die den Wettbewerb zwischen den Unternehmen garantieren), die Politik zur Ge­ staltung der Unternehmens- und Eigentumsordnung, die Sozialpolitik (geringere Belastung der sozial Schwachen), der Verbraucherschutz usw. Geldpolitik Als Geldpolitik bezeichnet man alle Massnahmen der Nationalbank (Notenbank). Die Geldpolitik der Nationalbank soll Wirtschaftswachstum ermöglichen, ohne die Preis­ stabilität zu gefährden (siehe S. 85 ff.). Konjunkturpolitik Die Konjunkturpolitik erfasst alle staatlichen Massnahmen zur Steuerung der Konjunktur (siehe S. 104 f.). Umweltpolitik Die Umweltpolitik umfasst alle staatlichen Massnahmen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit des Menschen, der natürlichen Vielfalt und der Erhaltung der Rohstoffe. Die Gesundheit des Menschen wird durch geeignete Massnahmen (z.B. zur Schadstoffvermin­ derung, Lärmverminderung) geschützt. Die Tier- und Pflanzenvielfalt und ihre natürlichen Lebensräume sollen erhalten bleiben. Der Staat trifft auch Massnahmen zum Schutz des Menschen und teurer Sachwerte vor Naturgefahren (z.B. Steinschlag, Hochwasser) und zum Schutz vor technischen Risiken (z.B. Chemieunfälle). Zusätzlich unterstützt er die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen Boden, Wasser, Luft.


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Magisches Sechseck Schon seit langer Zeit versucht die Wirtschaftspolitik mithilfe volkswirtschaftli­ cher Erkenntnisse ihre Ziele zu erreichen. Dabei sind sogenannte Vielecke zur Verdeutlichung der verschiedenen Ziele verwendet worden. Nach der Krise der Dreissigerjahre im letzten Jahrhundert (Deflation, Arbeitslo­ sigkeit) war die Rede vom Dreieck, das aus Vollbeschäftigung, Preisstabilität und dem aussenwirtschaftlichen Gleichgewicht bestand. Im Laufe der Zeit wurde die­ ses Dreieck mit drei weiteren Zielen erweitert. So werden heute die wesentlichen wirtschaftspolitischen Ziele in einem Sechseck dargestellt. Sie stehen zueinander in einer Wechselwirkung. Da es nicht möglich ist, alle Ziele gleichzeitig zu errei­ chen, spricht man von einem magischen Sechseck. Magisches Sechseck: Bezeichnung für die Unmöglichkeit (Magie = Zauberei), alle sechs Ziele gleichzeitig zu erreichen.

Umweltqualität (Ziel: die Umweltbelastung reduzieren, siehe S. 50 f.)

Preisstabilität

Sozialer Ausgleich

(Ziel: die Inflation bekämpfen, siehe S. 89 ff.)

(Ziel: einen sozialen Aus­ gleich zwischen den Bürgern schaffen, z.B. durch die ­Umverteilung der Steuern, siehe S. 24 f.)

Aussenwirtschaftliches Gleichgewicht (Ziel: eine ausgeglichene Ertragsbilanz erreichen, siehe S. 112 f.)

Vollbeschäftigung

Wirtschaftswachstum

(Ziel: die Arbeitslosigkeit bekämpfen, siehe S. 29 ff.)

(Ziel: ein angemessenes Wirtschaftswachstum erreichen, siehe S. 52 ff.)

Es ist durchaus denkbar, dass in Zukunft weitere Ziele an Bedeutung gewinnen werden. So ist bereits heute ein ausgeglichener Staatshaushalt sehr wichtig.

Beziehung zwischen den Zielen Bei der Beeinflussung der sechs Ziele können Zielkonflikte, Zielharmonie oder Zielneutralität entstehen. Zielkonflikt Die Massnahme für ein Ziel steht im Widerspruch mit einem anderen Ziel. Zielharmonie Die Massnahme für ein Ziel begünstigt auch das Erreichen eines anderen Zieles. Zielneutralität Die Massnahme für ein Ziel hat keinen Einfluss auf ein anderes Ziel.


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