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Brücke der Landesgartenschau in Balingen

Entwurf und Ausführung Brücke der Landesgartenschau in Balingen

von Frank Miebach

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1 Künftige Querung der Eyach als Visualisierung © Ingenieurbüro Miebach 2 Wegeführung nach Optimierung © Ingenieurbüro Miebach

Im Zuge der Balinger Gartenschau 2023 entsteht derzeit ein neues Brückenbauwerk aus Holz, das gestalterisch mit einer zeitgemäßen neuen Formsprache aufwartet. Durch eine organisch geformte, asymmetrische Struktur erhält der Brückentypus des Trogbauwerks eine eigenständige Präsenz. Der Werkstoff Holz übernimmt allein durch die markant und dominant präsentierte Materialität die Regie. Dabei spielt der konstruktive Holzschutz eine prägende Rolle und die im Holzbau übliche freie Formgebung kommt bewusst zur Geltung.

1 Kontext und Wegeführung

Auf der Grundlage der Planung des Büros Planstatt Senner ist im württembergischen Balingen eine Fuß- und Radwegbrücke über die Eyach vorgesehen. Eine dort bestehende Brücke lässt sich nicht mit der geplanten Umgestaltung der Eyach und der Erweiterung der Aufenthaltsbereiche in den Eyachauen vereinbaren, somit ist ein Neubau erforderlich. Darüber hinaus wird mit der neuen Brücke eine Optimierung der Wegeführung erreicht. Der Fokus liegt hier auf einer nachhaltig-wirtschaftlichen Querungslösung, die sich gestalterisch in die Umgebung einfügt und eine Mischnutzung durch Fußgänger und Radfahrer erlaubt. Bei dem Entwurf einer Trogbrücke in Holzbauweise steht der Aspekt der Wirtschaftlichkeit, kombiniert mit gestalterischen Besonderheiten, im Vordergrund. Die Form der Brücke ist unter Berücksichtigung des 100-jährigen Hochwassers (HQ 100) plus Freibord als gerade Verbindung ohne Zwischenpfeiler gestaltet. Durch eine Anpassung des Verlaufs des Uferweges auf Seite der Bizerba Arena kann das Widerlager außerhalb des HQ 100 in der Verlängerung der Kesselmühlenstraße errichtet werden. Die vorhandenen Wegebeziehungen lassen die Positionierung der Brücke mit einem Querungswinkel von 56 gon ebenso sinnhaft wie dynamisch erscheinen. Aus dieser Positionierung resultiert eine Gesamtlänge des Bauwerks von ca. 40,80 m. Um eine komfortable Anbindung an alle anschließenden Wege speziell für Radfahrer zu gewährleisten, ist eine Aufweitung der Brücke an beiden Seiten von 3 m auf ca. 5 m Breite an den Antritten vorgesehen. Dies begünstigt eine fließende harmonische Verkehrsführung.

3 Lageplan der neuen Brücke © Ingenieurbüro Miebach

4 Geplante Formgebung von Überbau und Verkehrsfläche © Ingenieurbüro Miebach

2 Konstruktion und Materialität

Die geringe Höhe der Brückenantritte über dem Hochwasserquerschnitt macht eine weitestgehend über dem Gehbelag angeordnete Tragkonstruktion sinnvoll. Der vorliegende Entwurf orientiert sich an der sogenannten Trogbauweise. Bei diesem Brückensystem liegen die Hauptträger aus Brettschichtholz in Geländerebene und werden mit U-förmigen Stahlrahmen in einem Abstand von ca. 2,40 m gegen ein Umkippen gesichert, gleichzeitig werden auf den Rahmen Längsträger aus Brettschichtholz angeordnet und auf selbigen wiederum ein wasserundurchlässiger Gehbelag aufgebracht. Die horizontale Aussteifung erfolgt über einen Rundstahlverband zwischen den Rahmen unterhalb des Gehbelags. Trogbrücken sind in Herstellung und Unterhalt sehr wirtschaftlich und bieten beim »Durchschreiten« eine besondere Erlebbarkeit der Konstruktion. Die einfache Gestaltung der Trogstruktur wird im vorliegenden Entwurf durch die Aufweitungen an beiden Brückenenden und durch ein zusätzliches Kippen der beiden seitlichen Brettschichtholzträger um 22,5° nach außen in eine dynamische Formsprache umgewandelt. Das heißt, für die Aufweitungen werden die beiden Brettschichtholzträger gekrümmt und entsprechend ihrer Durchbiegung aus Eigengewicht mit einer Überhöhung hergestellt. Die Trägerhöhe variiert nach statischen Erfordernissen von 1,50 m an den Antritten bis 1,90 m in den Krümmungsbereichen. Die eigenständige Höhenführung des Gehbelags zwischen den Trägern erlaubt hier eine gute Sicht über die Träger hinweg. Durch die nach außen geneigte Trägeranordnung ergibt sich für die Brückennutzer zudem ein sich nach oben öffnender Eindruck. So wird der ansonsten ungünstige »Tunneleffekt« einer Trogbrücke in ein gestalterisch interessantes Merkmal umgeformt. Die Neigung der Hauptträger ermöglicht es des Weiteren, dass ihre Außenseiten unverkleidet und damit sichtbar bleiben können.

5 6 Draufsicht und Ansicht des Bauwerks © Ingenieurbüro Miebach

Eine wetterfeste oberseitige Abdeckung sorgt für einen ausreichenden Überstand nach außen, so dass das Brettschichtholz unter einem Winkel von 30° aus der Vertikalen vor Schlagregen geschützt ist. Zusätzlich wird der Träger nach unten leicht abgetreppt, wodurch die so gebildeten abgesetzten Linien die Fmensprache der Tragstruktur betonen. Dies ist jedoch nicht nur der Gestaltung geschuldet, sondern greift auf einfache Weise den Produktionsprozess eines derartigen blockverklebten Holzträgers auf: Liegend aufeinander gestapelte Holzträger mit zunehmender Breite ermöglichen die Produktion ohne jeglichen Verschnitt. Der Schutz vor Niederschlag führt dazu, dass eine dauerhafte und wartungsarme Bauweise berücksichtigt wird.

Die anthrazitfarbene Trägerabdeckung ist zur Innenseite hin abgewinkelt und wird mit LED-Lichtstreifen bestückt, die den Brückenbelag zur sicheren Nutzung bei Nacht beleuchten. Durch die geschlossene Trogform der Brücke wird eine unbeabsichtigte Lichtbelastung der naturnahen Umgebung auf der Unterseite verhindert, durch die Abkantung des Bleches werden Blendeffekte vermieden. Innenseitig sind die Träger durch eine vertikale Lattenschalung aus Lärchenhölzern geschützt, die mit einer schwarzen Abdichtungsebene hinterlegt wird und zu Wartungszwecken segmentweise aufgeklappt werden kann. Die Verschalung greift die Fassadengestaltung des geplanten nahegelegenen Jugendhauses der Stadt Balingen auf. Die reversible Verkleidung endet 15 cm oberhalb des Belags und wird dort von einer zurückversetzten High Pressure Laminate (HPL)Platte abgelöst. So wird die oberhalb befindliche Lärchenschalung vor Spritzwasser geschützt und kann eine höhere Lebensdauer erzielen. Die HPL-Platten hingegen sind robust und wasserunempfindlich und werden daher im stärker belasteten Bereich angeordnet. Das von der Innenverkleidung ablaufende Niederschlagswasser wird über ein Blech geführt, welches hinter der HPL-Platte befestigt ist und sich unterhalb des Belags zur Rinne ausformt. Der satteldachförmig ausgebildete Belag entwässert ebenfalls in diese Rinne. Ein befahrbares schmales Gitter zwischen Belag und Innenverkleidung verhindert eine grobe Verschmutzung des Abflusses und bietet gleichzeitig eine Wartungsmöglichkeit. Die Entwässerung erfolgt so über die überhöhte Brücke zu den Widerlagern hin, wird aber unmittelbar davor durch Rohrleitungen nach unten geleitet. Dies entlastet die sensiblen Auflagerpunkte. Der Belag der Brücke besteht aus GFKBohlen, also aus glasfaserverstärktem Kunststoff: Der in der Herstellung weniger nachhaltige Werkstoff hat jedoch viele Vorteile, die seine Verwendung rechtfertigen. Er ist zum Beispiel sehr leicht, tragfähig und dauerhaft robust. Zudem bilden die Bohlen einen wasser- und schmutzdichten Belag, der die darunterliegenden Konstruktionsteile vor Bewitterung schützt. Die widerstandsfähige und abriebfeste Harz- und Granulatschicht, welche die rutschhemmende Oberfläche bildet, ist gleichwertig mit der geforderten Oberflächengestaltung beim barrierefreien Bauen mit einer Rutschhemmungsklasse R13. Um die Träger zum gestalterischen Hauptaugenmerk zu machen und die Aussicht von der Brücke auf die Eyach-

7 Bauteilquerschnitte des Überbaus © Ingenieurbüro Miebach

8 Querschnitt in Brückenmitte © Ingenieurbüro Miebach

auen nicht zu beeinträchtigen, ist das Geländer schlicht und transparent gehalten. An den Stielen der Querträgerrahmen sind Fahnenbleche befestigt, an welchen ein Handlauf aus Edelstahl in 90 cm Höhe über dem Belag angebracht wird. Um die Vorgaben für den Radverkehr mit einer Absturzsicherung auf 1,30 m über dem Belag zu gewährleisten, wird zusätzlich ein Rahmen aus Edelstahl-Flachstählen in der Neigung der Träger angeordnet.

3 Nachhaltigkeit

Die Verwendung von Holz ist gegenüber anderen vergleichbar tragfähigen Materialien die nachhaltigere Wahl, da es sich um den einzig nachwachsenden Baustoff mit tragfähigen Eigenschaften handelt.

9 10 Beleuchtungskonzept: Brückenbauwerk bei Nacht und bei Tag © Ingenieurbüro Miebach

Für das Brückenbauwerk werden ca. 90 m³ Holz für Haupt- und Längsträger sowie Verschalung verwendet, wodurch eine CO2-Einlagerung von ca. 84,60 t ermöglicht wird. Dem stehen CO2-Ausstöße durch den Einsatz von ca. 250 t Beton für Widerlager und Flügelwände gegenüber – dies entspricht ca. 27 t CO2 – sowie 34 t Stahl für die Bewehrung und den Baustahl in der Konstruktion, die ca. 25,30 t CO2 erzeugen. Geht man von weiteren negativen Faktoren für den Belag und die Wegeanbindung aus, ergibt sich eine knapp positive bzw. ausgeglichene CO2-Bilanz über die Nutzungsdauer des Bauwerks.

4 Besonderheiten

Bezeichnend für den vorliegenden Entwurf ist die Umsetzung einer gestalterisch anspruchsvollen Brücke mit Hilfe eines einfachen Tragkonzeptes unter Berücksichtigung eines umfangreichen konstruktiven Holzschutzes. Möglich ist dies insbesondere durch die Entwicklung in der Verleimungstechnologie von Holz. So können zweiachsig gekrümmte Träger wirtschaftlich hergestellt werden. Das asymmetrische Erscheinungsbild des Bauwerks ist das Resultat eines Entwicklungsprozesses, bei dem Formensprache und materialgerechte Konstruktionsanforderungen als gleichwertige Kriterien Berücksichtigung fanden. Durch das außenseitige Herauskippen der Hauptträger um 30° aus der Vertikalen kann die freie Holzoberfläche ohne zusätzliche Bekleidung als normativ geschützt eingestuft werden. Das Beleuchtungskonzept sieht eine integrierte Ausleuchtung durch LED-Strahler vor, die im Handlauf unterseitig angeordnet sind. Durch die geschlossene Troggeometrie der Brücke lassen sich Lichtstreuungen in die Umgebung nahezu komplett unterbinden, so dass ökologische Bedenken weitgehend ausgeräumt werden konnten. Die Fertigstellung des neuen Brückenbauwerks erfolgt voraussichtlich im Juni 2022.

5 Juryvotum im Wettbewerb

Mit dem Entwurf konnte sich das Team aus Moxon Architects und Ingenieurbüro Miebach im Wettbewerb durchsetzen. Die Jury kommentierte den Entwurf wie folgt: »Das Ingenieurbüro Miebach hat es geschafft, die notwendigen Elemente einer sinnhaften Konstruktion zum leitenden Gestaltungselement ihres Entwurfs zu machen.« So würden die zugunsten des konstruktiven Holzschutzes verkippten Träger, die aufgrund der Verkehrsbewegungen aufgeweiteten Enden und die dynamisch geschwungene, punktsymmetrische Form in der Gesamtheit zu einer harmonischen und sinnfälligen Gestaltung, die sich gut in den Landschaftsraum einfügte. Zudem sei die Brücke eine wartungsfreundliche Lösung, die auch einen sehr hohen Ausarbeitungsgrad der konstruktiven Details beinhaltet.

11 Parkufersteg über die Eyach als Trogstruktur in Holzbauweise © Ingenieurbüro Miebach

Autor: Dipl.-Ing. (FH) Frank Miebach Ingenieurbüro Miebach, Lohmar Bauherr Stadt Balingen

Bauwerksentwurf Ingenieurbüro Miebach, Lohmar Moxon Architects, London, England

Tragwerksplanung Ingenieurbüro Miebach, Lohmar

Prüfingenieur Dipl.-Ing. Rouven Erhardt, Pforzheim

Bauausführung Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co. KG, Schwäbisch Hall (Überbau) Gottlob Brodbeck GmbH & Co. KG, Metzingen (Fundamente)

Bonn, Bad Godesberg

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Ihr Partner für Gerüstbau und Hebetechnik NL Rheinland│Düsseldorfer Str. 107│41541 Dormagen Email: rheinland@geruestbau.com

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