[R채ume unter Tage]
„Woher rührt die Unheimlichkeit der Stille, des Alleineseins, der Dunkelheit?“ Sigmund Freud aus „Das Unheimliche“
Räume unter Tage sind Höhlen, Felsenkeller, Stollen, Bergwerke, Kanäle, Grotten oder einfache Wohnhauskeller. All diesen Räumen haftet trotz unserer rationalen Wahrnehmung etwas Unergründliches an.
Ohne Sonnenlicht oder Fenster nach draußen, fühlen wir uns schnell eingesperrt und beklemmt. Mit Räumen in der Tiefe assoziieren wir sofort den Geruch von Moder und Fäulnis. Im Dunklen vermuten wir fremde Wesen oder Geistern.
Bei unserer Suche nach Räumen unter der Erde wurden wir speziell auf die Katakomben an der Dieburgerstrasse und den Wasserspeicher unter dem Ausstellungsgebäude der Mathildenhöhe aufmerksam.
Um diesen Kräften zu entfliehen, diesen Vorurteilen zu begegnen, besuchten wir unterirdische Räume um Bild und Tonmaterial zu sammeln.
Zugang zu den Katakomben hat nur eine kleine Anzahl von Leuten. Einige Privathäuser haben Zugänge über die an die Katakomben anschließenden Keller. Eingänge für Führungen gibt es am Dieburger Biergarten und mehreren Stellen der Dieburger Strasse. Über die Entstehung des Brauertunnels wird heute noch gemutmast. Er ist der längste und älteste der Gänge und stellt die einzige Verbindung zwischen den ehemaligen Brauereikellern dar. Die Wände des Brauertunnels tragen Spuren von Grabwerkzeugen. Nur in einigen Kellern sind die für Sprengungen mit Dynamit typischen Löcher vorhanden, deshalb geht man davon aus, dass der Brauertunnel vor der Erfindung des Dynamit um 1750 von Hand gegraben wurde.
Der Adel, so vermutet man, nutzte zur Entstehungszeit im Mittelalter die Tunnel als Fluchtwege.
Der Weg durch die Katakomben ging ursprünglich vom Schloss bis zum Ortsende in Richtung Dieburg. Heute sind große Teile des Systems sind verschüttet und unbegehbar.
Die meisten Keller wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebaut. Die Stellen, an denen sich die Kellerräume am Brauertunnel häuften, dienten zur Lagerung und Gärung des Bieres der dort ansässigen Brauereien. Die konstante niedrige Temperatur eignete sich hervorragend zur Lagerung von Bier zum Gärungszweck. Die Keller sind zum Teil gemauert oder in den Stein gehauen. Die Wurzeln der Bäume kann man an manchen Stellen an der Decke sehen. Im Allgemeinen werden die Gänge und Kellern durch eine hohe Luftfeuchtigkeit bestimmt, weshalb organische Materialien schnell schimmeln.
Über einen technisch anmutenden Vorraum mit vielen Rohren und Ventilen, kommt man auf den Mittelsteg zwischen den beiden Räumen des Wasserspeichers. Diese sind aus Klinker gemauert und stehen direkt auf dem Granitmassiv, in den auch die Katakomben gegraben sind.
Der Wasserspeicher wurde im Jahr 1877 nach den Plänen des Architekten Otto Lueger gebaut. 1901 wurden die Ausstellungsgebäude und der Hochzeitsturm von Josef Maria Olbrich geplant und direkt auf dem Wasserspeicher errichtet. Das Gebäude diente als Zwischenspeicher um die großen Schwankungen im Wasserverbauch auszugleichen. Morgens, wenn der Verbauch in der Stadt am höchsten war, konnte es sonst zu Wassermangel kommen.
Bis zum Jahr 1994 war der Speicher unter dem Museum noch in Betrieb. Obwohl man versuchte neue Nutzungsmöglichkeiten zu finden, wurden die Räume unter Denkmalschutz gestellt und nur zu Besichtigungen geöffnet. Heute steht in den Räumen etwas Wasser damit die Wände nicht austrocknen und ihre Stabilität erhalten bleibt.
Möchte man einen der beiden Räume besichtigen, dann empfiehlt sich dies barfüßig zu tun. Auf dem Boden steht knöcheltiefes klares Wasser.
„Siehe da in meinem Gedächtnis die unzähligen Gefilde, Höhlen und Grotten, übervoll von allerart unzähligen Dingen...“ Aurelius Augustinus aus „Bekenntnisse“ 397-398 n.Chr.
Unheimliche Gefühle ereilen uns immer dann wenn wir mit Unbekannten, Unvor-
Keine Angst im Dunkeln haben wir, wenn wir uns durch Singen und Pfeifen Mut
hersehbarem konfrontiert werden. Können wir die Herkunft unserer Wahrneh-
machen. Solche Bewältigungsstrategien dienen der Selbstberuhigung, denn
mungen nicht einordnen, resultiert ein Gefühl der Orientierungs- und Hilflosigkeit.
wir versuchen uns von der Quelle unserer Angst abzuwenden. Die Angst ist ein
Eine weitere Angst ist wenn man aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrungen
Affekt, das heißt Emotionen und Stimmungen beeinflussen unser Handeln direkt.
eine übersteigerte Vorsicht gegenüber der bestimmten Situationen hat.
Diese Gefühle können umschlagen in Aggressionen, Hysterie, Lähmung und Überspielen der eigentlichen Gefühle durch Humor oder Coolness.
Bei einer Führung mit einer Gruppe gleichaltriger beobachteten wir aufmerksam unsere Mitmenschen. Es war eindeutig zu sehen, dass die Führung durch die engen und schmutzigen Gänge eine Stresssituation darstellte. Bei einigen waren Selbstberuhigungsmaßnahmen zu sehen. Die befragten Personen äußerten sich über ihre individuellen Angstgefühle: ein erdrückendes Gefühl im Bauch, die Befürchtung alleine gelassen zu werden, oder eingeschlossen zu sein.
Woher also rührt die Unheimlichkeit der Stille, des Alleineseins, der Dunkelheit?
Ähnliche Gefühle kamen im Wasserspeicher auf. Zu Beginn überdeckt die Neu-
Durch das Kennenlernen und die Vertrautheit verschwinden diese Gefühle, aber
gier das Aufkommen einer Beklemmung. Nach einigen Aufenthalten in der lin-
dies ist nur eine trügerische Sicherheit, bereits im benachbarten Raum
ken Seite des Gebäudes war eine Vertrautheit bis in die kleinste Ecke zu spüren.
können die Gefühle der Beklemmung und Unheimlichkeit uns wieder heimsuchen.
Beim Betreten des rechten Teiles kamen nach und nach starke beklemmende Gefühle auf, trotz der Ähnlichkeit der Räume. Die Stimmung hier war unheimli-
Faktoren die das Gefühl Unheimlichkeit in uns auslösen sind von Mensch zu
cher, die Schatten wirkten düsterer.
Mensch verschieden. Man kann diese wohl nicht auf Dauer überwinden.
Katakomben unter der Dieburger Strasse
Wasserspeicher unter dem großen Ausstellungsgebäude
Wir danken: Dr. Horst Henschel, Michael Laue, Nikolaus Heiss und Ulli Emig für den Zugang in die Räume unter Tage. Hoffentlich können viele Leute weiterhin diese Räume unter Tage besuchen.
Ausserdem danken wir für zusätzlliche Hilfe und Kritik: André Schubert, Andrea Heger, Christoph Pistner, Dirk Springmann, Francoise Fehr, Heinz-J. Heuser, Jonas Stallmeister, Katharina Manz, Kristin Wicher, Malte Schlorf, Prof.Henner
Vordiplom Fachhochschule Darmstadt Fachbereich Gestaltung von Tanja Heuser
Prefi, Sabine Bosse und Stefanie Gmelin.
und Andreas Seibert im Sommersemester 2005 bei Prof. Henner Prefi