Steuer Update 2021
Inhalt
I Einleitung
1
II Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
2 2
A
Umsetzungsfragen zur STAF
1
Berücksichtigung der STAF-Förderinstrumente bei der Ermittlung des steuerbaren Gewinns
2
2
Dokumentationspflichten für Patentbox und F&E Abzug
5
B
Betriebsstättenrisiko wegen Homeoffice?
6
1 Betriebsstättenbegriff
6
2
6
Ausgestaltung der Homeoffice-Tätigkeit
3 Fazit
7
C
Neuerungen und Aktualitäten im Bereich der Verrechnungssteuer
8
1
Erweiterte internationale Transponierung
8
2
Zwei aktuelle Gerichtsentscheide zur Altreservenpraxis
9
D Entscheide
11
1
Betriebserfordernis für steuerneutrale Umstrukturierung
11
2
Abschreibungen auf Liegenschaften
12
3
Geschäftsmässige Begründetheit von Spesen
13
III Natürliche Personen
15
A
Neuerungen in der Gesetzgebung und in der Verwaltungspraxis
15
1
Steuerschulden aufgrund amtlicher Einschätzungen
15
2
Abzug von Berufskosten während der Corona-Pandemie
15
3
Revision der Quellensteuer
16
B Entscheide
16
1 Nachsteuerverfahren
16
2
Veranlagungsverfügung per E-Rechnung
17
3
Veräusserung von Geschäftsvermögen
18
4
Vermietung einer Liegenschaft zu einem Vorzugszins
18
Steuer Update 2021 Inhalt
IV Grundsteuern – Entscheide A
Wichtiges in Kürze: Änderung der Ersatzbeschaffungspraxis im
Kanton Basel-Landschaft
20
20
B Entscheide
20
1
Besonderes Zusammenspiel der Gewinn- mit der Grundstückgewinnsteuer im Kanton
20
Basel-Landschaft und ein Wort zu Eigenleistungen
2
Steueraufschub bei Überkreuzersatzbeschaffung
21
3
Wirtschaftlicher Neubau und lohnt es sich, die Mitwirkung zu verweigern
21
4
Eigenmietwertbesteuerung bei geerbten Liegenschaften
22
V Mehrwertsteuer
23
A
Praxisänderungen und –präzisierungen
23
1
Entwurf Praxisanpassungen: Massnahmen aufgrund Covid-19
23
2
Änderungen der MWST-Infos
24
3
MWST-Branchen-Info 13: Telekommunikation und elektronische Dienstleistungen
24
B Entscheide
25
1 Partielle mehrwertsteuerliche Steuernachfolge bei Übertragung eines Teilvermögens
25
2 Gruppenbesteuerung
26
3 Abspaltung
26
4
27
Leistungen an eng verbundene Personen
C Ausblick
28
1
28
Besteuerung von Internet-Versandhandelsplattformen
2 Bezugsteuerpflicht
29
3 Subventionen
29
Steuer Update 2021 Inhalt
VI Internationale Steuern
30
A
Internationale Abkommen
30
1
Covid-19: Auswirkungen auf die Sozialversicherungen und Besteuerung von Grenzgängern
30
2
Änderungen Doppelbesteuerungsabkommen: Anpassungen an BEPS Mindeststandards
31
3
Änderungen Doppelbesteuerungsabkommen: Verständigungsvereinbarungen über
33
das Schiedsverfahren mit den USA, Australien und Österreich
4
Neues Grenzgängerabkommen mit Italien unterzeichnet
33
B
Wesentliche neue Gesetze und Verordnungen
33
1
Verordnung über die Anrechnung ausländischer Quellensteuern
33
2
Neue Kreisschreiben Nr. 49 und Nr. 50
35
3
Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung von Bussen
35
C
Wesentliche neue Entwicklungen in der OECD/EU
36
1
Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten – Entwürfe zur Regelung veröffentlicht
36
2
Veröffentlichung der finalen Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen
38
3
Neue Entwicklungen in Deutschland
42
4
Beschränkte Steuerpflicht durch Registrierung von Rechten in Deutschland bleibt vorerst bestehen 43
D Brexit
44
E Entscheide
45
1
45
Entscheide zur Gewinnsteuer juristischer Personen
2
Entscheide zu Steuerbemessung natürliche Person
46
3
Entscheide Verfahren
48
4
Steuerentscheid 12/2020
49
Kontaktpersonen 52
Weitere Informationen
Steuer Update 2021 Inhalt
53
I Einleitung
Die Kanzlei VISCHER verfügt über ein kompetentes Steuerteam mit zwölf Mitgliedern. Die Steuerexperten 1, Wirtschaftsprüfer, Anwälte und Treuhänder beraten nationale sowie internationale Unternehmen und Unternehmer in allen Bereichen des Steuerrechts, sei es bei Ansiedlungen, Umstrukturierungen, Finanzierungen, Übernahmen oder bei der Gestaltung von Nachfolgeregelungen. Auch die Unterstützung von vermögenden Privatpersonen ist Teil der täglichen Aufgaben. Nebst den typischen Steuerberatungsdienstleistungen, nimmt das Steuerteam auch ComplianceAufgaben, wie Steuerrückstellungsberechnungen oder in komplexeren Fällen das Erstellen von Steuererklärungen, wahr. Schliesslich führen die Teammitglieder auch Steuerprozesse, sofern im Vorfeld keine angemessene Lösung mit den Behörden gefunden werden kann. Dies ist vermehrt im Bereich der internationalen Amts- und Rechtshilfe der Fall. Mit dem zehnten Steuer Update nutzt das Steuerteam von VISCHER wiederum die Gelegenheit, einem steuerlich interessierten Publikum die Neuerungen in den wesentlichen Bereichen des Steuerrechts vorzustellen, welche sich im vergangenen Jahr ergeben haben und / oder im Jahr 2021 von Bedeutung sein werden.
1 In dieser Broschüre wird der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.
Steuer Update 2021 Einleitung
1
II Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben Christoph Niederer, Rechtsanwalt und dipl. Steuerexperte Patrik Fisch, M.A. HSG in Law et M.A. HSG in Accounting and Finance Aljoscha Moser, MLaw, Volontär
A
Reihenfolge die funktionsbezogenen Ermässigungen
Umsetzungsfragen zur STAF
und die zeitliche Verlustverrechnung berücksichtigt
1
a)
Berücksichtigung der STAF-Förder-
werden sollen. Diese Frage ist nach dem für viele Unternehmen schwierigen Jahr 2020 wohl aktueller denn je.
Verhältnis zwischen funktions-
instrumente bei der Ermittlung des
bezogenen Ermässigungen und
steuerbaren Gewinns
Verlustverrechnung
Mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die
Bei den Vorschriften zur Ermittlung des steuerbaren
Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) per
Gewinns eines Unternehmens lässt sich grob gesagt
1. Januar 2020 wurden neue steuerliche Förderungs-
zwischen allgemeinen und besonderen steuerrecht-
instrumente für spezifische Geschäftsfunktionen
lichen Gewinnermittlungs- und Korrekturvorschriften
zur Ermässigung der Steuerbelastung im Rahmen
unterscheiden. Die allgemeinen steuerrechtlichen
der ordentlichen Besteuerung eingeführt, da die
Gewinnermittlungsvorschriften geben vor, wie der
gesonderte, tiefere Besteuerung von ausländischen
Reingewinn eines Unternehmens zu ermitteln ist. Die
Gewinnen international nicht mehr akzeptiert wurde.
besonderen steuerrechtlichen Gewinnermittlungs-
Die steuerliche Förderung geschieht mittels funk-
und Korrekturvorschriften dienen dazu, ausseror-
tionsbezogener Ermässigungen, deren Inanspruch-
dentlichen Umständen während der Lebensdauer
nahme die notwendige Substanz und die tatsächli-
eines Unternehmens Rechnung zu tragen. Die mit
che Ausübung der fraglichen Funktionen in der
der STAF eingeführten funktionsbezogenen Ermäs-
Schweiz voraussetzt. Damit soll verhindert werden,
sigungen (Patentbox, Forschungs- und Entwicklungs-
dass Steuerermässigungen auf im Ausland getätig-
abzug [F&E] sowie Eigenfinanzierungsabzug) haben
te Aufwendungen bzw. erarbeitete Gewinne gewährt
zum Ziel, bestimmte Geschäftsfunktionen steuerlich
werden. Aus steuerplanerischer Sicht ist es daher
zu fördern. Sie sind folglich der Kategorie der beson-
generell gesprochen zu empfehlen, dass Funktionen
deren steuerrechtlichen Gewinnermittlungs- und
und Abteilungen zusammengelegt werden, damit
Korrekturvorschriften zuzuordnen. Dabei erfolgt die
Aufwand und Gewinn beim gleichen Steuersubjekt
Steuerermässigung bei der Patentbox über die steuer
anfallen und ein Unternehmen von den STAF-Ermäs-
rechtliche Reduktion des handelsrechtlich verbuchten
sigungen auch bestmöglich profitieren kann. Um
Patentbox-Ertrags, während beim F&E-Abzug und
sicherzustellen, dass trotz der neu eingeführten,
beim Eigenfinanzierungsabzug die Steuerermässigung
funktionsbezogenen Ermässigungen ein minimaler
über die Anerkennung von fiktiven Aufwendungen
steuerbarer Gewinn verbleibt und auch keine Ver-
erfolgt.
lustvorträge generiert werden, sieht das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steu-
Da die gesamte steuerliche Ermässigung gemäss
ern der Kantone und Gemeinden vom 14. Dezember
Art. 25b Abs. 1 StHG nicht höher sein darf als 70 %
1990 (StHG) in Art. 25b eine für die Kantone zwin-
des für die Berechnung der Entlastungsbegrenzung
gende Entlastungsbegrenzung vor. Bei der Gewin-
massgeblichen steuerlichen Gewinns, darf die Sum-
nermittlung stellt sich hinsichtlich der Wirkung der
me der funktionalen Ermässigungen diese Schwelle
funktionsbezogenen Ermässigungen und der Ent-
nicht überschreiten und muss gegebenenfalls ent-
lastungsbegrenzung mithin die Frage, in welcher
sprechend gekürzt werden. Für den Fall eines Verlusts
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
2
in der entsprechenden Steuerperiode sieht Art. 25b
rungen als auch doppelte Nichtbesteuerungen
Abs. 3 StHG vor, dass aus den Einzelermässigungen
verhindern. Gemäss dem von der SSK vorgeschla-
kein Verlustvortrag resultieren darf. Somit wird si-
genen Verfahren wird zuerst eine Ausscheidung vor
chergestellt, dass nur Verlustvorträge, die tatsäch-
Anwendung der STAF-Ermässigungen vorgenommen;
lich aufgrund der betrieblichen Tätigkeit des Unter-
dabei werden auch die Verlustvorträge verrechnet.
nehmens entstanden sind, im Rahmen der Verlust-
In einem zweiten Schritt werden die STAF-Ermäs-
verrechnung berücksichtigt werden.
sigungen festgelegt und aufgeteilt. Als letztes wird die Entlastungsbegrenzung angewendet. Es ist
Gestützt auf Art. 25 Abs. 2 StHG dürfen vom Rein-
davon auszugehen, dass in erster Linie aus Prakti-
gewinn der aktuellen Steuerperiode die Verluste aus
kabilitätsgründen die Verlustvorträge vor der Be-
den sieben vorangegangenen Geschäftsjahren ab-
rechnung der funktionalen Ermässigungen verrech-
gezogen werden. Da sowohl Geschäftsverluste aus
net werden sollen, denn aufgrund der unterschied-
der laufenden Steuerperiode als auch Verlustvorträ-
lich hohen funktionalen Ermässigungen und Entlas-
ge nur anerkannt werden, wenn sie aufgrund der
tungsbegrenzungen in den Kantonen müsste bei
Geschäftstätigkeit auch tatsächlich entstanden sind,
interkantonalen Unternehmen andernfalls künftig
sollten sie im Rahmen der steuerrechtlichen Gewinn-
jeder Kanton seine eigene Verlustverrechnung füh-
ermittlung auch gleich behandelt werden. Damit stellt
ren. Auch könnte ein solches Vorgehen die Rechts-
sich die Frage, in welcher Abfolge die mit der STAF
unsicherheit erhöhen, weil etwa bei interkantonalen
eingeführten funktionalen Ermässigungen und die
Funktionsverlagerungen oder Sitzverlegungen unklar
zeitliche Verlustverrechnung zur Anwendung gebracht
wäre, welche Verluste bereits verrechnet wurden.
werden sollen. Zum einen lässt sich argumentieren,
Zudem müsste die Einzelermässigung für jede Steu-
dass von der Gleichbehandlung von Geschäftsver-
erperiode neu berechnet werden, was für einen
lusten der aktuellen Steuerperiode und Verlustvor-
erhöhten Verwaltungsaufwand sorgen würde. Der
trägen nicht abgewichen werden darf. Dies würde
Vorrang der zeitlichen Verlustverrechnung ergebe
bedeuten, dass die zeitliche Verlustverrechnung erst
sich auch, so die SSK, aus der Systematik des Ge-
vorgenommen wird, nachdem allfällige Einzelermäs-
setzes, da die Verlustverrechnung vor der Einzeler-
sigungen berücksichtigt wurden. Dieser Meinung
mässigung und der Entlastungsbegrenzung abge-
kann entgegnet werden, dass die mit der STAF ein-
handelt wird. Auch könne man sich auf den Gesetzes
geführten Ermässigungen, weil sie sich lediglich
wortlaut stützen, da in Art. 25 Abs. 2 StHG vom
gewinnsteuerlich auswirken und im Falle des Zusatz-
Reingewinn (und nicht vom steuerbaren Gewinn)
abzugs für F&E und des Eigenfinanzierungsabzugs
die Rede ist, während in Art. 25b Abs. 1 StHG vom
sogar fingierten Aufwand darstellen, erst nach einer
steuerbaren Gewinn gesprochen wird. Die Kantone
allfälligen Verrechnung mit den Verlustvorträgen
scheinen wohl gestützt auf die Argumente der Prak-
berücksichtigt werden dürfen. Somit würden die
tikabilität, Verhältnismässigkeit, Ver waltungs-
Geschäftsverluste der aktuellen Steuerperiode und
ökonomie und Rechtssicherheit zu einem Vorrang
die Verlustvorträge nicht mehr gleich behandelt, weil
der zeitlichen Verlustverrechnung zu tendieren. So
die Verlustvorträge dann nicht mehr direkt vom
halten etwa die Kantone Zürich, Schwyz, St. Gallen
Reingewinn der Steuerperiode, sondern vom Gewinn
oder Aargau fest, dass die STAF-Ermässigungen
nach Berücksichtigung der STAF-Ermässigungen
erst nach einer allfälligen Verlustverrechnung geltend
abgezogen werden. Im Folgenden zeigen wir die
gemacht werden können. Der Kanton Aargau hat
Vor- und Nachteile der beiden Vorgehensweisen
dies beispielsweise bereit s ent sprechend in
unter Bezugnahme auf das Kreisschreiben Nr. 34
§ 69b Abs. 1 des Steuergesetzes (StG/AG) kodifiziert
der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) vom
und führt dazu im Merkblatt zur Anwendung der
15. Januar 2020 auf.
Entlastungsbegrenzung aus, dass, wenn der Verlustvortrag aus vergangenen Steuerperioden das aktuelle Geschäftsergebnis konsumiert, die STAF-
b)
Vorrang der zeitlichen
Ermässigungen ungenutzt verfallen.
Verlustverrechnung Die SSK schlägt ein neues, dreistufiges interkantonal einheitliches Verfahren zur interkantonalen Gewinnausscheidung vor, da sich die Grundsätze zur Ermittlung des steuerbaren Reingewinns aufgrund der unterschiedlichen Umsetzung der STAF-Ermässigung in den Kantonen sonst wohl erheblich unterscheiden würden. Die vorgeschlagene Vorgehensweise soll sowohl interkantonale Doppelbesteue-
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
3
Ermittlung des steuerbaren Reingewinns nach Vorschlag
der SSK vertreten wird. Die allgemeinen und be-
der SSK:
sonderen steuerrechtlichen Gewinnermittlungs- und Korrekturvorschriften beruhen auf einem einheitli-
1.
ewinnausscheidung vor Anwendung der G STAF-Ermässigungen: a. b. c.
2.
Gewinnbestimmung nach handelsrechtlichen Abschlüssen Allfällige steuerliche Korrekturen Verrechnung der Verlustvorträge
Bestimmung der STAF-Ermässigungen: a. Abzug für Patente und vergleichbare Rechte b. Zusätzlicher Abzug für Forschung und Entwicklung c. Abzug für Eigenfinanzierung
chen und in sich geschlossenen Begriffsverständnis. Es finden sich in den Materialien keine Anhaltspunkte,wonach das Verhältnis der zeitlichen Verlustverrechnung zur periodischen Gewinnermittlung in Bezug auf die STAF-Ermässigungen hätte abgeändert werden sollen. Auch aus der Gesetzessystematik oder dem Sinn und Zweck der Normen lässt sich nicht ableiten, dass sich die Grundsätze der steuer rechtlichen Gewinnermittlung aufgrund der STAF geändert hätten. Die funktionalen Ermässigungen ergeben sich aus Art. 24b, Art. 25a und Art. 25abis StHG, die Entlastungsbegrenzung in Art. 25b StHG schränkt die Abzugsfähigkeit unter Umständen lediglich wieder ein, kann aber nicht für die Beantwortung der Frage des Vorrangs der zeitlichen
3.
Festlegung der Entlastungsbegrenzung
Verlustverrechnung herangezogen werden. Demzufolge ist festzustellen, dass die in Art. 24b StHG verankerte Patentboxermässigung zwingend vom in der aktuellen Steuerperiode erzielten Reingewinn
Zudem muss vor der Berechnung der Entlastungs-
in Abzug gebracht werden können muss, da sie eine
begrenzung der altrechtliche Step-up beachtet
direkte Ertragsreduktion darstellt und kein Ausle-
werden. Der neurechtliche Step-up fällt nicht unter
gungsspielraum für eine andere Lösung besteht.
die Entlastungsbegrenzung und ist daher noch nicht miteinzubeziehen. Ein allfälliger Beteiligungsabzug
Dasselbe müsste auch für die in Art. 25a und Art. 25abis StHG statuierten Ermässigungen gelten, da
ist ebenfalls nach der Berechnung der STAF-Ermäs-
auch diese nach dem Willen des Gesetzgebers ge-
sigungen vorzunehmen. Dies wirkt sich zu Gunsten
schäftsmässig begründeten Aufwand darstellen,
des Steuerpflichtigen aus, da sich dadurch der
auch wenn es sich dabei um fiktive Werte handelt.
Anteil des Nettobeteiligungsertrags am steuerbaren
Andernfalls resultiert, dass die STAF-Ermässigungen,
Gewinn erhöht.
auf die ein Anspruch besteht, sofern die dafür nötigen Voraussetzungen erfüllt sind, mittels einer vorrangigen zeitlichen Verlustverrechnung durch
c)
Vorrang der periodischen Ermässigung
die Hintertür wieder entzogen werden. Ein einfaches Beispiel zeigt die Problematik auf:
Es spricht jedoch einiges gegen die von der SSK vorgeschlagene und, soweit ersichtlich, von den
Ausgangslage: Ein Unternehmen mit einem Gewinn
meisten Kantonen übernommene Praxis des zeitli-
von 1000 hat einen steuerlichen Verlustvortrag von
chen Vorrangs der Verlustverrechnung und für den
600, kantonale Entlastungsbegrenzung bei 70 %,
Vorrang der funktionalen Ermässigungen, wie er im Fachschrifttum 2 als Gegenposition zum Vorschlag
keine Betriebsstätten oder Grundstücke im Ausland
Zeitliche Verlustverrechnung vor STAF-Ermässigung
Zeitliche Verlustverrechnung nach STAF-Ermässigung
Steuerrechtlicher Gewinn: 1000
Steuerrechtlicher Gewinn: 1000
Zeitliche Verlustverrechnung: – 600
STAF-Ermässigung 70 %: – 700
STAF-Ermässigung 70 %: – 400
Zeitliche Verlustverrechnung: – 300
Steuerbarer Reingewinn: 0
Steuerbarer Reingewinn: 0
Verlustvortrag: 0
Verlustvortrag: 300
sowie keine qualifizierenden Beteiligungserträge:
2 Peter Brülisauer, IFF Forum für Steuerrecht, 04/2020, S. 306-346.
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
4
Das Beispiel verdeutlicht, dass die Ermässigung mit
Hinsichtlich der Voraussetzungen für den Nachweis
Hinweis auf Art. 25b Abs. 3 StHG eingeschränkt
des zusätzlichen Abzugs für Forschungs- und Ent-
wird, wenn die Ermässigung grösser ist, als der nach
wicklungsaufwand führt der Kanton Zürich aus, dass
der Verlustverrechnung verbleibende Restgewinn.
dieser nach den allgemeinen Grundsätzen zur Be-
Es resultiert somit ein Verlustvortrag von 0, weil
weislastverteilung der steuerpflichtigen Person
aufgrund der Inanspruchnahme der funktionalen
obliegt. Damit die Abzugsfähigkeit geprüft werden
Ermässigungen keine Verlustvorträge resultieren
kann, müssen folgende Unterlagen eingereicht
dürfen. Findet die zeitliche Verlustverrechnung erst
werden: – F orschungs- oder Projektbeschrieb, inklusive
nach der Anwendung der STAF-Ermässigungen statt,
Zeitrahmen und Budget;
verbleibt ein Verlustvortrag von 300. Damit kann sich der Effekt ergeben, dass einem Unternehmen
–
Auflistung der im Bereich der Forschung und
durch die vorgezogene zeitliche Verlustverrechnung
Entwicklung tätigen Arbeitnehmer (Name, Per-
die tatsächliche Inanspruchnahme der STAF-Ermäs-
sonal- und Sozialversicherungsaufwand sowie
sigung teilweise oder vollumfänglich vorenthalten wird, obwohl die funktionalen Voraussetzungen
–
Funktion und Arbeitspensum); Bei Auftragsforschung eine Kopie des Forschungs-
sowie die geschäftsmässige Begründetheit erfüllt
vertrags und eine Auflistung über die gesamthaft
sind. Der Vorrang der zeitlichen Verlustverrechnung
bezahlten Forschungs- und Entwicklungsauf-
hat somit zur Folge, dass die Verlustvorträge die STAF-Ermässigungen schmälern.
–
wendungen; Aussagen dazu, welcher Erkenntnisgewinn mit den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten bezweckt wird;
Es ist fraglich, ob sich die von der SSK vorgeschlagene Praxis mit dem Legalitätsprinzip vereinbaren
–
Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten beruhen;
ob das StHG einen derartigen Auslegungsspielraum zulässt.
Aussagen dazu, auf welchen originären, nicht
offensichtlichen Konzepten und Hypothesen die
lässt. Letztlich werden wohl Gerichte klären müssen, –
Aussagen dazu, inwiefern die Erkenntnisse oder
Ergebnisse der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten reproduzierbar oder verwertbar sind; 2
Dokumentationspflichten für Patentbox und F&E Abzug
–
Aussagen dazu, inwiefern die Ergebnisse unge-
wiss sind.
Die Patentbox und der Zusatzabzug für F&E sind die
Es kann davon ausgegangen werden, dass die von
wichtigsten mit der STAF eingeführten funktionalen
den Kantonen gestellten Anforderungen an die
Ermässigungen. Wie viele Unternehmen aber tat-
D okumentation erheblich variieren werden. Wie
sächlich von diesen beiden Ermässigungen werden
detailliert diese doch zahlreichen Dokumentationen
profitieren können, wird massgeblich davon abhän-
und Belege im Einzelfall sein müssen, wird sich im
gen, welche Anforderungen die Kantone an die
Laufe der Zeit ebenfalls noch weisen. Die Kantone
Dokumentation der entsprechenden Funktionen
können die Häufigkeit der Inanspruchnahme mittels
stellen. Gerade bei kleinen und mittelgrossen Un-
der Ausgestaltung der Anforderungen an die Doku-
ternehmen wird die Inanspruchnahme dieser Ent-
mentationspflichten relativ leicht beeinflussen. Es
lastungsmassnahmen erheblich durch den Doku-
wäre wünschenswert, dass – gerade bei Unterneh-
mentationsaufwand determiniert werden.
men mit überschaubaren Aufwendungen für F & E – pragmatische Lösungen gefunden werden. Die an
Bis jetzt haben erst die Kantone Aargau und Zürich
die Dokumentation gestellten Anforderungen sollten
Merkblätter und Formulare aufgeschaltet, welche
nicht dazu führen, dass die Inanspruchnahme der
die Anforderungen an die einzureichenden Doku-
vorgesehenen Instrumente zur Förderung der Unter
mentationen und Belege näher ausführen. Der
nehmenstätigkeit im Bereich der Forschung und
Kanton Zürich zum Beispiel führt bezüglich einer
Entwicklung erschwert oder gar verhindert wird.
Inanspruchnahme der Patentbox etwa aus, dass die
Gleichzeitig ist den Kantonen aber auch zuzugeste-
Ermittlung der für die Anwendung der Patentbox
hen, dass der Zusatzabzug für F & E an ein gewisses
qualifizierenden Gewinne mittels geeigneter Unter-
Mass an Forschungstätigkeit geknüpft ist, ansons-
lagen nachzuweisen ist. Weiter ist anzugeben,
ten hätte auch gleich ein allgemeiner Zusatzabzug
welche qualifizierenden Patente in einem Produkt
für im Inland generierten Personalaufwand ins
enthalten sind. Veränderungen in der Zusammen-
Gesetz aufgenommen werden können. Selbstredend
setzung der in einem Produkt enthaltenen qualifi-
wären die sich dadurch ergebenden Steuerausfälle
zierenden Patente müssen ebenfalls festgehalten
nicht verkraftbar. Betroffenen Unternehmen mit
und dokumentiert werden.
Forschungs- und Entwicklungstätigkeit im Inland wird geraten, sich rechtzeitig mit den Dokumenta-
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
5
tionsanforderungen im Sitzkanton ver traut zu
ansässigen Unternehmens Verträge abzuschliessen.
machen, damit die erforderlichen Daten rechtzeitig
Hinsichtlich des Begriffs der Tätigkeit in einer festen
erhoben und in der vorgeschriebenen Form festge-
Geschäftseinrichtung ist von einer weiten Auslegung
halten werden können.
auszugehen, wodurch auch die Wohnung eines Arbeitnehmers oder einzelne Räume davon als feste Einrichtung gelten können. Eine gelegentliche Nut-
B
zung von solchen Räumlichkeiten führt allerdings
Betriebsstättenrisiko wegen Homeoffice?
noch nicht zur Annahme einer festen Geschäftseinrichtung. Werden die privaten Räume regelmässig und fortgesetzt für Unternehmenszwecke genutzt und ist aus den Umständen zu schliessen, dass der Arbeitnehmer zur geschäftlichen Nutzung der Privat räume angehalten wurde, kann gegebenenfalls eine
Die Digitalisierung macht es möglich, dass nicht
feste Geschäftseinrichtung angenommen werden.
mehr nur im Büro, sondern auch von zu Hause aus
Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn
gearbeitet werden kann. Gerade in Zeiten der Pan-
einem Arbeitnehmer keine geschäftlichen Räum-
demie arbeiten Arbeitnehmende vermehrt im Home-
lichkeiten zur Verfügung gestellt werden, sondern
office, sei es auf Anordnung des Arbeitgebers oder
dieser vom Arbeitgeber vielmehr dazu verpflichtet
auf eigenen Wunsch. Es ist anzunehmen bzw. anhand
wird, von zu Hause aus zu arbeiten. Bei interkan-
verschiedener uns bekannter Fälle absehbar, dass
tonalen Verhältnissen ist auf die Rechtsprechung
etliche Arbeitnehmende auch nach der Pandemie
des Bundesgerichts zum Verbot der interkantonalen
teilweise oder gar ausschliesslich im Homeoffice
Doppelbesteuerung abzustellen. Danach setzt eine
arbeiten werden. Dies etwa auf Wunsch des Arbeit-
Betriebsstätte eine ständige körperliche Anlage oder
nehmers, weil er die flexiblere Arbeitsform schätzen
Einrichtung voraus, in der ein quantitativ und qua-
gelernt hat und keine wertvolle Zeit mehr mit Pendeln verlieren will oder etwa auch auf Anordnung
litativ wesentlicher Teil der Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird. 3 Die qualitative Erheblichkeit verlangt,
des Arbeitgebers, weil dieser auf teure Büroräum-
dass die in der Betriebsstätte ausgeübte Tätigkeit
lichkeiten zukünftig verzichten will. Dies wirft die
zum eigentlichen Geschäftsbetrieb gehört. Somit
Frage auf, ob damit das Risiko besteht, dass ein
sollen bloss untergeordnete und nebensächliche
Unternehmen aufgrund von Mitarbeitenden im
Tätigkeiten ausgeklammert und damit die Aufspal-
Homeoffice in einem anderen Kanton oder gar im
tung der Steuerhoheit auf verschiedene Gemeinwe-
Ausland eine Betriebsstätte begründet.
sen vermieden werden.
1 Betriebsstättenbegriff
2
Ausgestaltung der HomeofficeTätigkeit
Eine Betriebsstätte kann bestehen, wenn eine feste Geschäftseinrichtung vorliegt, in welcher die Ge-
Die Ausgestaltung des Homeoffice ist in der Praxis
schäftstätigkeit eines Unternehmens zumindest
sehr unterschiedlich. Als erstes ist zu betrachten,
teilweise ausgeübt wird. Der Betriebsstättenbegriff
in welchem Rahmen der Arbeitgeber dem Arbeit-
des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer
nehmer Homeoffice zugesteht bzw. ihn dazu ver-
vom 14. Dezember 1990 (DBG) lehnt sich an den
pflichtet. Je nachdem, wie der Arbeitgeber die
Betriebsstättenbegriff von Art. 5 des OECD-Muster
Vorteile (beispielsweise Kostenreduktion, höhere
abkommens (OECD-MA) zur Vermeidung von Dop-
Produktivität dank motivierterer und flexiblerer
pelbesteuerung an. Das OECD-MA dient jeweils als
Arbeitnehmer) und Nachteile (beispielsweise zu-
Vorlage für die von der Schweiz mit anderen Staa-
sätzlicher Aufwand für Führung und Kontrolle der
ten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen.
Arbeitnehmer) von Homeoffice für sein Unternehmen
Art. 5 OECD-MA enthält sowohl einen Positiv- als
einschätzt, wird er die Möglichkeit zum Homeoffice
auch einen Negativkatalog mit Konstellationen, die
als «Benefit» für die Arbeitnehmer oder eben gar
eine Betriebsstätte zu begründen bzw. nicht zu
als Vorteil für sich selber betrachten. In zeitlicher
begründen vermögen. So begründet etwa ein Ver-
Hinsicht kann die Arbeit entweder regelmässig oder
treter nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA eine sog. Ver-
unregelmässig ausserhalb der Räumlichkeiten des
treterbetriebsstätte, wenn dieser über eine Ab-
Arbeitgebers stattfinden (von gelegentlich ein paar
schlussvollmacht verfügt und diese regelmässig
Stunden, über einen halben oder ganzen Tag in der
benutzt, um im Namen eines in einem anderen Staat
Woche bis zu ausschliesslich). Daneben ist ebenfalls
3 BGE 110 Ia 190 E. 3 m.w.H.
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
6
festzuhalten, inwiefern dem Arbeitnehmer in den
mer oder Alleinaktionär einer Gesellschaft sich
Räumlichkeiten des Unternehmens noch ein eigener
selber ins Homeoffice verlegt und fortan den über-
Arbeitsplatz zur Verfügung steht (auch hier ist von
wiegenden Teil der geschäftlichen Tätigkeiten von
eigenem Büro, über Desk-Sharing bis hin zu keinem
seinem Wohnort aus führt, wird der Wohnort zum
Anspruch auf einen Arbeitsplatz in den Räumlich-
steuerrechtlichen Sitz des Unternehmens.
keiten des Unternehmens vieles möglich). Von diesen Faktoren wird vielfach auch abhängen, ob
Auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist
und in welchem Rahmen sich der Arbeitgeber an
nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu
den Kosten für das Homeoffice beteiligt.
beurteilen, ob das Risiko besteht, dass die Steuerbehörde die Tätigkeit eines Arbeitsnehmers im
Die vielfältigen Arten von Homeoffice-Tätigkeit füh-
Homeoffice als Betriebsstätte erachtet. Dies könn-
ren dazu, dass nicht pauschal beantwortet werden
te etwa der Fall sein, wenn eine direkte Dienstleis-
kann, ob und wann am Tätigkeitsort des Arbeitneh-
tungserbringung aus dem Homeoffice an den Kunden
mers eine Betriebsstätte begründet wird. Es gilt die
vorliegt oder wenn ein Arbeitnehmer berechtigt ist,
jeweiligen Umstände entsprechend zu würdigen.
aus dem Homeoffice Verträge mit Kunden abzu-
Damit man im interkantonalen Verhältnis von einer
schliessen. Auch wenn sich der Arbeitgeber derart
Betriebsstätte am Wohnort des Arbeitnehmers
grosszügig an den Kosten für das Homeoffice be-
ausgehen kann, muss die dort ausgeübte Tätigkeit
teiligt, dass der Arbeitnehmer geneigt ist, aus-
qualitativ und quantitativ wesentlich sein. Zudem
schliesslich von zu Hause aus zu arbeiten und ihm
muss eine ständige Einrichtung vorliegen. Eine
ein Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten des Arbeit-
solche ist bei überwiegender oder gar ausschliess-
gebers nicht mehr zur Verfügung steht, kann dies
licher Arbeit aus dem Homeoffice zweifellos gegeben.
ein Risiko für die Begründung einer Betriebsstätte
Bei der Beurteilung soll der qualitativen und quan-
darstellen. Darüber hinaus ist es ratsam, bei grenz-
titativen Wesentlichkeit besonderes Augenmerk
überschreitenden Sachverhalten die Rechtsprechung
geschenkt werden. Ziel muss sein, dass eine unnö-
der jeweiligen Staaten in Bezug auf die Begründung
tige Aufspaltung der Steuersouveränität verhindert
einer Betriebsstätte zu konsultieren. Insbesondere
werden kann und nur demjenigen Gemeinwesen ein
bei der Frage hinsichtlich der Verfügungsmacht des
Besteuerungsrecht zukommt, in welchem ein we-
Arbeitgebers über die Räumlichkeiten des Arbeit-
sentlicher Teil des technischen oder kommerziellen
nehmers ist die Rechtsprechung international nicht
Betriebs eines Unternehmens vollzogen wird. An-
einheitlich.
dernfalls würden sowohl die Unternehmen als auch die Steuerbehörden mit einem unverhältnismässigen administrativen Mehraufwand belastet. Es stellt sich
3 Fazit
demnach die Frage, welche Tätigkeiten als qualitativ und quantitativ wesentlich einzustufen sind. Vorweg
Obwohl keine generelle Aussage getroffen werden
kann gesagt werden, dass es bei Arbeitnehmenden,
kann, lässt sich feststellen, dass das Risiko der
die keinen Umsatz generieren und auch nicht mit
Begründung einer Betriebsstätte aufgrund von
Kunden in direktem Kontakt stehen (beispielsweise
Homeoffice bei den meisten Sachverhaltskonstel-
Mitarbeiter der IT oder der Buchhaltung) nicht da-
lationen wohl eher gering ist. Treten jedoch gewis-
rauf ankommen kann, ob sie ihre Arbeit im Büro des
se Elemente hinzu – wie beispielsweise die aus-
Unternehmens oder von zu Hause aus erledigen.
schliessliche Arbeit aus dem vom Arbeitgeber finan-
Anders kann es hingegen zu werten sein, wenn ein
zierten Homeoffice und Kontakt zu den Kunden – ist
Arbeitnehmer nach aussen auftritt oder gar Kunden
eine nähere Prüfung notwendig. Es empfiehlt sich
bei sich im Homeoffice empfängt. Eine qualitative
in diesen Fällen, die Gegebenheiten frühzeitig mit
und quantitative Erheblichkeit könnte etwa bei Ar-
den zuständigen Steuerbehörden abzustimmen, um
beitnehmers des oberen Kaders oder Personen mit
die Ausgestaltung der Gewährung von Homeoffice
wichtigen Verkaufs- oder Unternehmensleitungs-
anzupassen, bevor unbeabsichtigt eine Betriebs-
aufgaben gegeben sein. Gerade bei diesen Funk-
stätte begründet wird.
tionen ist aber zu erwarten, dass deren Tätigkeit auch zukünftig nicht ausschliesslich oder überwiegend aus dem Homeoffice erledigt werden wird. Aus unserer Sicht besteht im interkantonalen Verhältnis –ausser bei gewissen exponierten Funktionen – kaum eine Gefahr der Begründung einer Betriebsstätte am Wohnort des Arbeitnehmers. Bei personenbezogenen Unternehmen ist hingegen, wie bereits heute, Vorsicht geboten. Wenn ein Einzelunterneh-
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
7
Risikofaktoren, bei deren Vorliegen sich eine nähere
bis zum Betrag, um welchen der Kauf- oder Einbrin-
Betrachtung empfiehlt:
gungspreis die Summe aus Aktienkapital und Kapital
– Ausschliessliches Arbeiten aus dem Homeoffice;
einlagereserven übersteigt, auch wenn die im
F inanzielle Abgeltung der aufgrund der Home-
Übertragungszeitpunkt bestehenden Altreserven
office-Tätigkeit entstandenen Kosten oder gar
tiefer sind. Die internationale Transponierung lässt
finanzielle Anreize zum Arbeiten im Homeoffice;
sich in solchen Konstellationen nur vermeiden, wenn
Kein Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten des
die Beteiligung bei der übernehmenden Gesellschaft
Arbeitgebers;
nach der sogenannten Agio-Lösung verbucht wird,
Umsatzgenerierende Funktion (z.B. Relationship
womit die Gewinnreserven der residualen Verrech-
Manager einer Bank);
nungssteuerbelastung verhaftet bleiben.
–
– – –
–
Kundenkontakt sowie Vertragsverhandlungen
und Vertragsabschlüsse vom Homeoffice aus
Die ESTV hat diese schon seit Langem bestehende
oder gar Empfang von Kunden im Homeoffice;
Praxis vor kurzem auf weitere Fallkonstellationen
E xponierte Stellung im Unternehmen (z.B. Ma-
ausgeweitet, die im Fachschrifttum als erweiterte
nagement).
internationale Transponierung bezeichnet werden. 4 Wie der Name schon sagt, geht es bei der erweiterten internationalen Transponierung um eine
C
Ausdehnung des Anwendungsbereichs der interna-
Neuerungen und Aktualitäten im Bereich der Verrechnungssteuer
tionalen Transponierung und zwar auch auf Fälle, bei denen ein Aktionär ohne residuale Verrechnungssteuerbelastung eine Schweizer Gesellschaft an einen nicht voll rückerstattungsberechtigten Dritten veräussert, wobei dieser die Gesellschaft über eine Schweizer Akquisitionsgesellschaft erwirbt. Ebenfalls als erweiterte internationale Transponierung beurteilt wird der Fall, in dem der Verkäufer die Zielge-
1
Erweiterte internationale
sellschaft zunächst gegen AK/KER in eine Schweizer
Transponierung
Gesellschaft einbringt und dann diese dem ausländischen Käufer veräussert. In beiden Fällen fehlt es
Die Transponierung ist vor allem aus dem Einkom-
bei der erweiterten internationalen Transponierung
menssteuerrecht bekannt, wo sie als Übertragung
am begriffswesentlichen «Transponieren», verstan-
einer im Privatvermögen einer natürlichen Person
den als das Übertragen einer Beteiligung vom Privat -
gehaltenen Beteiligung auf eine selbstbeherrschte
ins Geschäftsvermögen einer selbstbeherrschten
Gesellschaft verstanden wird. Bei der Transponierung
Gesellschaft, womit sich die Frage stellt, worin bei
unterliegt der Veräusserungserlös in der Differenz
solchen Transaktionen die für die Annahme einer
zwischen Kaufpreis und Summe aus Aktienkapital
Steuerumgehung vorausgesetzte «absonderliche
und Kapitaleinlagen als Ertrag aus beweglichem
Rechtsgestaltung» zu sehen ist. Da es bei grenz-
Vermögen der Einkommenssteuer. Eine «klassische»
überschreitenden Unternehmenskäufen – besonders,
Transponierung hat aber keine Verrechnungssteu-
wenn es sich beim Käufer um einen Private Equity
erfolgen. Mit Verrechnungssteuerfolgen verbunden
Fonds handelt – ausserdem üblich ist, dass der
sind hingegen die von der Verwaltungspraxis als
Unternehmenskauf über eine Akquisitionsgesellschaft
internationale Transponierung bezeichneten Fälle,
abgewickelt wird, und zwar keineswegs nur aus
in denen ein nicht vollumfänglich rückerstattungs-
Steuergründen, sondern insbesondere auch wegen
berechtigter Ausländer eine Schweizer Gesellschaft
der Haftungsbegrenzung, Rückbeteiligungen der
auf eine selbstbeherrschte inländische Gesellschaft
Verkäufer, Finanzierungen Dritter etc., hat die er-
überträgt, wodurch in Zukunft im Umfang des Kauf-
weiterte internationale Transponierung in Fachkrei-
bzw. Einbringungspreises Reserven ohne residuale
sen für Irritationen gesorgt. Das hat die ESTV jedoch
Verrechnungssteuerbelastung repatriiert werden
bisher nicht davon abgehalten, an dieser fragwür-
können. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV)
digen Praxis festzuhalten. Sie will diese aber, wie
sieht darin eine Steuerumgehung im Sinne von Art.
sie inzwischen verlauten liess, mit Augenmass an-
21 Abs. 2 des Verrechnungssteuergesetzes (VStG)
wenden. So soll eine erweiterte internationale
und verweigert auf zukünftigen Ausschüttungen die
Transponierung immer dann nicht vorliegen, wenn
Rückerstattung der Verrechnungssteuer im Umfang,
die Schweizer Akquisitionsgesellschaft noch weite-
in dem durch die Umstrukturierung verrechnungs-
re wesentliche Funktionen hat, wie zum Beispiel die
steuerbelastete Reserven untergehen, das heisst
Aufnahme einer Bankfinanzierung. Allerdings muss
4 Stefan Oesterhelt, IFF Forum für Steuerrecht, 01/2020, S. 40-50.
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
8
die Bankfinanzierung mindestens 50 % des Kauf-
ven die Rückerstattung nur im Umfang der durch
preises der Schweizer Zielgesellschaft ausmachen.
die Umstrukturierung oder den Drittverkauf erlang-
Beträgt die Bankfinanzierung weniger als 50 %, so
ten Verbesserung der Rückerstattungsposition.
prüft die ESTV, ob sich im Rahmen der Transaktion noch weitere Personen an der Akquisitionsgesellschaft beteiligen.
a)
BGer 2C_354/2018 vom 20. April 2020
Falls dem so ist, sieht die ESTV ebenfalls von der
Bei Anwendungsfällen der Altreservenpraxis hat es
Anwendung der erweiterten internationalen Trans-
bisher grundsätzlich keine Rolle gespielt, ob die
ponierung ab.
Rückerstattung der Verrechnungssteuer gestützt auf das anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen
Somit ist festzuhalten, dass der Kauf einer Schweizer
oder gestützt auf Art. 9 des AIA-Abkommens mit
Gesellschaft durch einen Ausländer über eine Schwei-
der EU (AIA) (vormals Art. 15 des Zinsbesteuerungs-
zer Akquisitions- oder Zwischengesellschaft einen
abkommens [ZBstA]) beantragt wird. Nun zeichnet
möglichen Anwendungsfall der erweiterten interna-
sich aufgrund des Entscheids des BGer 2C_354/2018
tionalen Transponierung darstellen kann. In diesem
vom 20. April 2020 eine Praxisänderung ab. Dem
Fall sind, wenn möglich. die erwähnten Safe-Haven-
Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde: die
Kriterien einzuhalten. Wir erachten es aber als
Schweizer Gruppengesellschaft ( F. AG) des weltweit
unumgänglich, dass in solchen Fällen ein verbind-
grössten Herstellers von Kaffeemaschinen mit Sitz
liches Steuerruling eingeholt wird.
der Obergesellschaft in Italien hat in den Jahren von 1999 bis 2003 mehrere Dividenden an ihre damalige in den Niederlanden ansässige Mutterge-
2
Zwei aktuelle Gerichtsentscheide zur
sellschaft ausgeschüttet, wobei jeweils gestützt auf
Altreservenpraxis
das anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Niederlande Antrag auf vollständige Rück-
Unter der Altreservenpraxis verweigert die ESTV
erstattung der Schweizerischen Verrechnungssteu-
ganz oder teilweise die Rückerstattung der Verrech-
er gestellt wurde. Die ESTV gewährte jedoch gestützt
nungssteuer auf den Altreserven, wenn der neue
auf die Missbrauchsbestimmung im Doppelbesteue-
Aktionär nach einer konzerninternen Umstrukturie-
rungsabkommen Schweiz-Niederlande jeweils
rung oder einem Drittverkauf in einer besseren
lediglich eine Rückerstattung von 20 %, sodass eine
Rückerstattungsposition ist als der bisherige Aktio-
Sockelbelastung von 15 % verblieb, mit der Begrün-
när. Die Anwendung der Altreservenpraxis setzt
dung, dass die damalige niederländische Mutter
mithin voraus, dass die Zielgesellschaft über nicht
gesellschaft die schweizerische Beteiligung ohne
betriebsnotwendige, ausschüttungsfähige Reserven
wirtschaftliches Motiv von einer Gesellschaft in den
verfügt und dass durch einen Drittverkauf oder eine
niederländischen Antillen erworben hatte. In den
Umstrukturierung die Verrechnungssteuer-Rücker-
Jahren 2004 bis 2007 schüttete die F. AG keine
stattungsposition verbessert wird. Das Bundesgericht
weiteren Dividenden aus. Anfang 2006 veräusserte
(BGer) hat bereits in früheren Urteilen die Verwei-
die bisherige Muttergesellschaft die F. AG an eine
gerung des Rückerstattungsanspruchs auf den
Gruppengesellschaft mit Sitz in Irland. In der Folge
Altreserven im Umfang der durch die Umstruktu-
beschloss die F. AG am 25. Juni 2007 eine Dividende
rierung oder den Drittverkauf erlangten Verbesse-
in Höhe von CHF 14 Mio. mit Fälligkeit per 25. Sep-
rung der Rückerstattungsposition gestützt auf das
tember 2007. Das anschliessend beantragte Melde-
ungeschriebene Missbrauchsverbot oder Art. 21
verfahren wurde von der ESTV abgelehnt, sodass
Abs. 2 VStG, wenn der Antragsteller Inländer ist, als rechtmässig erkannt, 5 wobei die absonderliche
die F. AG am 7. März 2011 die auf der streitbetrof-
Rechtsgestaltung von der ESTV regelmässig darin
von CHF 4,9 Mio. zzgl. Verzugszinsen an die ESTV
gesehen wird, dass die ausschüttungsfähige, nicht
entrichtete. Die irische Dividendenempfängerin
betriebsnotwendige Substanz nicht vor dem Betei-
hatte am 24. Dezember 2010 vorsorglich Antrag auf
ligungsverkauf ausgeschüttet wird, sondern mit der
Rückerstattung der Verrechnungssteuer gestützt
Gesellschaft veräussert wird. Unter der Altreserven
auf Art. 15 Abs. 1 des ZBstA (neu: Art. 9 AIA) und
praxis verweigert die ESTV auf Ausschüttungen
gestützt auf das Doppelbesteuerungsabkommen
solange die volle Rückerstattung nach Massgabe
Schweiz-Irland gestellt. Mit Entscheid vom 26. Au-
des First-in-first-out-Prinzips, bis die Altreserven
gust 2014 verweigerte die ESTV die Rückerstattung
vollständig ausgeschüttet sind. Mithin verweigert
der Verrechnungssteuer, wogegen die Antragstel-
sie gemäss der bisherigen Praxis auf den Altreser-
lerin den Rechtsweg beschritt und zuletzt Beschwer-
fenen Dividende geschuldete Verrechnungssteuer
5 Vgl. z. B. BGer vom 16. August 1996 (ASA 66, S. 406).
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
9
de beim BGer erhob, wobei nur noch die Rücker-
ständig versagt und nicht etwa bloss teilweise ge-
stattung gestützt auf Art. 15 Abs. 1 ZBstA Streit-
währt werden, verweigerte auch das Bundesgericht
gegenstand war.
die Rückerstattung der Verrechnungssteuer vollumfänglich.
Die Vorinstanz verweigerte den Rückerstattungsanspruch mit der Begründung, dass die Nutzungs-
Es bleibt zu hoffen, dass bei Altreservenfällen, bei
berechtigung der irischen Dividendenempfängerin
denen die Rückerstattung unter einem Doppelbe-
vorliegend nicht gegeben sei. Diese Frage könne,
steuerungsabkommen beantragt wird, weiterhin nur
so das BGer, offengelassen werden, falls die ge-
im Umfang der Verbesserung der Rückerstattungs-
wählte Gestaltung unter einen Missbrauchsvorbehalt
position die Abkommensvorteile versagt werden.
gemäss Art. 15 Abs. 1 ZBstA (neu: Art. 9 Abs. 1
Gegebenenfalls drängt es sich bei potentiellen
AIA) falle. Das interne Recht der Schweiz kenne mit
Altreservenfällen in Zukunft auf, die Rückerstattung
dem Vorbehalt der Steuerumgehung eine allgemei-
unter dem Doppelbesteuerungsabkommen zu be-
ne Anti-Missbrauchsregelung im Sinne von Art. 15
antragen, da diesfalls «nur» eine teilweise Verwei-
Abs. 1 ZBstA, dieses dürfe zwar einem Steuerpflich-
gerung der Abkommensvorteile auf den Altreserven
tigen, der sich auf einen völkerrechtlichen Vertrag
droht, und nicht eine vollständige, wie unter dem
berufen könne, der ihn von Steuerf olgen des inter-
ZBstA bzw. AIA.
nen Recht entlastet, üblicherweise nicht entgegengehalten werden (Art. 27 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge), ausser die Berufung
b)
BVGer A-1795/2017 vom 1. Dezember 2020
auf den völkerrechtlichen Vertrag stelle einen Rechtsmissbrauch (sog. Abkommensmissbrauch)
Dem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts
dar. Ein Missbrauch liege laut OECD vor, wenn das
(BVGer) vom 1. Dezember 2020 lag der Fall zugrun-
Erlangen einer steuergünstigeren Position einer der
de, dass ein im Ausland ansässiger Verkäufer, eine
Hauptzwecke der betroffenen Transaktion oder
natürliche Person, im Jahr 2005 eine im Treuhand-
Gestaltung war und die Gewährung des Abkom-
wesen tätige Schweizer Gesellschaft (Zielgesell-
mensvorteils Ziel und Zweck der einschlägigen
schaft) an eine schweizerische Käufergesellschaft,
Bestimmungen zuwiderlaufen würde. Vorliegend
eine unabhängige Dritte, für einen Kaufpreis von
habe erst die Übertragung der Beteiligung an der
CHF 1 100 000 veräussert hatte.
schweizerischen F. AG auf die in Irland ansässige Beschwerdeführerin die Beteiligung dem Anwen-
Die schweizerische Zielgesellschaft verfügte im
dungsbereich des Missbrauchsvorbehalts im Dop-
Zeitpunkt des Beteiligungsverkaufs über etwa
pelbesteuerungsabkommen Schweiz-Niederlande
CHF 760 000 flüssige Mittel, die mindestens im Um-
entzogen. Die Übertragung habe mithin potenziell
fang von CHF 636 174,43 handelsrechtlich ausschüt-
eine Vermeidung der Sockelsteuerbelastung von
tungsfähig waren. Im Jahr 2011, also mehr als fünf
15 % ermöglicht, weshalb die gewählte Rechts-
Jahre nach dem Beteiligungsverkauf, nahm die
gestaltung eine erhebliche Steuerersparnis zur
schweizerische Zielgesellschaft eine Substanzaus-
Folge gehabt hätte, zumal die schweizerische F. AG
schüttung im Umfang von CHF 820 300 vor. Die ESTV
im Zeitpunkt der Beteiligungsübertragung über
verweigerte in der Folge die vollständige Rücker-
erhebliche liquide, eindeutig nicht betriebsnotwen-
stattung der Verrechnungssteuer unter Berufung
dige Mittel und ausschüttungsfähige Reserven
auf eine Steuerumgehung im Sinne von Art. 21 Abs.
verfügt hat (sog. Altreserven). Soweit ist der Ent-
2 des Verrechnungssteuergesetzes (VStG). Im Ein-
scheid des BGer bloss eine Bestätigung der altbe-
spracheverfahren reduzierte die ESTV den Betrag
kannten Altreservenpraxis. Eine Praxisänderung
der nicht rückforderbaren Verrechnungssteuer auf
stellt hingegen die Rechtsfolge dar, welche der
CHF 222 661,05 (35 % von CHF 636 174,43). Die
Missbrauch nach Auffassung des BGer nach sich
Beschwerdeführerin erhob gegen den Entscheid
zieht. Anders als in den bisher beurteilten Altreser-
Beschwerde ans BVGer.
venfällen, bei denen sich die Antragsteller jeweils auf ein Doppelbesteuerungsabkommen gestützt
Das BVGer nimmt in seiner Entscheidbegründung
haben, sieht sich das Bundesgericht vorliegend, wo
eine detaillierte Prüfung vor, ob die drei Vorausset-
der Rückerstattungsanspruch gestützt auf Art. 15
zungen für eine Steuerumgehung erfüllt sind. Dabei
ZBstA zu beurteilen ist, veranlasst, sich im Inter-
kommt es zum Schluss, dass es vorliegend nicht
esse der Entscheidungsharmonie an die Rechtspre-
absonderlich war, dass die Zielgesellschaft mit er-
chung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) an-
heblichen ausschüttbaren Mitteln veräussert wurde,
zulehnen. Weil in der EU der Rechtsmissbrauch
unter anderem, da beabsichtigt war, dass die Ziel-
einheitlich zur Folge hat, dass dem Steuerpflichtigen
gesellschaft mit diesen Mitteln Akquisitionen tätigt,
die Vorteile aus der Mutter-Tochter-Richtlinie voll-
was im Gesamtkontext sehr plausibel erscheint.
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
10
Dies gelte auch, wenn diese Absicht schliesslich
D
nicht umgesetzt wurde. Auch dass die Zielgesell-
Entscheide
schaft ihren Betrieb noch mindestens drei Jahre fortgeführt hat, bestärkt das Gericht in dieser Auffassung. Vor allem aber die Tatsache, dass seit dem Beteiligungsverkauf mehr als fünf Jahre verstrichen waren, bis eine Substanzausschüttung vorgenommen
1
Betriebserfordernis für steuerneutrale Umstrukturierung
wurde, wertet das Gericht als starkes Indiz, dass nicht von Anfang an geplant war, der Zielgesellschaft
Dem Urteil des BGer vom 4. März 2020 6 liegt fol-
die nicht betriebsnotwendigen Mittel zu entziehen,
gender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer
was ebenfalls gegen ein absonderliches Vorgehen
und sein Sohn haben sämtliche Aktiven und Passi-
spricht. Die Käufergesellschaft verfügte im Zeitpunkt
ven ihrer jeweiligen, im Handelsregister des Kantons
des Beteiligungskaufs zwar über geringe Eigenmit-
Wallis eingetragenen Einzelunternehmen mittels
tel und musste den Kaufpreis zu einem wesentlichen
Vermögensübertragung nach Fusionsgesetz (FusG)
Teil über ein Darlehen ihrer Muttergesellschaft fi-
zu Buchwerten auf eine im Jahr 2012 gegründete
nanzieren. Die Zielgesellschaft und der Verkäufer
Aktiengesellschaft mit Sitz in Zug übertragen. Der
haben der Käufergesellschaft aber keine Darlehen
Beschwerdeführer stellte einen Rulingantrag, wonach
gewährt. Ausserdem wurde der Zielgesellschaft
die Übertragung, die auch drei noch nicht verkauf-
während mehr als fünf Jahren keine Substanz ent-
te Stockwerkeigentumsanteile einer im Wallis er-
zogen. Das BVGer kommt schliesslich zum Schluss,
stellten Überbauung umfasste, als steuerneutrale
dass vorliegend ungenügend nachgewiesen wurde,
Umstrukturierung zu qualifizieren sei. Obwohl das
dass das gewählte Vorgehen absonderlich ist. Auch
Ruling nicht gewährt wurde, setzten sie die Um-
erwog das Gericht, habe es vorliegend nicht nur
strukturierung wie geplant um. Im Veranlagungs-
steuerliche Gründe für das gewählte Vorgehen ge-
verfahren kam die kantonale Steuerverwaltung
geben.
Wallis zum Schluss, dass die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Umstrukturierung nicht erfüllt
Wenngleich die konkrete Entscheidbegründung nicht
waren. Gleichzeitig qualifizierte sie die beiden (Va-
so recht zu überzeugen vermag, ist es dennoch
ter und Sohn) als gewerbsmässige Liegenschafts-
erfreulich, wenn vorliegend das BVGer bei einem
händler, wodurch die Übertragung der Stockwerk-
potentiellen Altreservenfall die drei Voraussetzungen
eigentumseinheiten der Einkommenssteuer unterlag.
einer Steuerumgehung im Detail prüft und, insbe-
Gegen diese Veranlagung beschritten sie den
sondere, weil es das subjektive Tatbestandselement
Rechtsweg bis vor BGer.
und die Absonderlichkeit des gewählten Vorgehens nicht oder ungenügend erstellt sieht, die Anwendung
Das BGer erwog in seinem Urteil, dass als Betrieb
der Altreservenpraxis verneint. Das heisst mit an-
im Sinne des steuerlichen Umstrukturierungsrechts
deren Worten, dass es bei potentiellen Altreserven-
jeder organisatorisch-technische Komplex von Ver-
fällen möglich ist, die Anwendung dieser Praxis zu
mögenswerten gilt, der im Hinblick auf die unter-
verhindern, wenn sich nachweisen lässt, dass es
nehmerische Leistungserbringung eine relativ un-
andere Motive für die Transaktion gab, als die Er-
abhängige und organische Einheit bildet. Ein Betrieb
zielung einer Steuerersparnis durch Verbesserung
besteht nur dann, wenn ein hoher Grad an Unab-
der Rückerstattungsposition.
hängigkeit und Organisation vorliegt, sodass er selbständig fortbestehen kann. 7 In einem Betrieb sollen Kapital und Arbeitskraft zum Zweck der Gewinnerzielung eingesetzt werden, die Verwaltung des eigenen Vermögens stellt hingegen keine Betriebstätigkeit dar. Auch ist der Betriebsbegriff nach Ansicht des BGer enger ausgestaltet als jener der selbständigen Erwerbstätigkeit. Somit liegt nicht bei jeder Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit auch ein Betrieb vor. 8 Nur weil der Beschwerdeführer als selbständig erwerbstätiger Liegenschaftshändler qualifiziert wurde, darf daraus laut BGer nicht der Schluss gezogen werden, dass auch
6 BGer 2C_1/2020 vom 4. März 2020. 7 BGE 142 II 283 E. 3.2. 8 BGE 142 II 283 E. 3.3.1.
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
11
ein Betrieb vorliegt. Damit das gewerbsmässige
Das BGer hielt in seinem Urteil 9 zunächst fest, dass
Verwalten eigener Immobilien als Betrieb qualifiziert
geschäftsmässig begründete Abschreibungen auf
wird, muss eine professionelle Immobilienbewirt-
Geschäftsvermögen zulässig seien, soweit sie buch-
schaftung vorliegen (grosse Zahl von Liegenschaft-
mässig ausgewiesen sind. Als Geschäftsvermögen
en durch eigene Dienstleistungen betreuen oder mit
gelten nach der sog. Präponderanzmethode alle
ihnen Handel treiben).
Vermögenswerte, die ganz oder vorwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit dienen. Für die Be-
Das BGer führte sodann aus, dass hinsichtlich der
urteilung ist auf die technisch-wirtschaftliche Funk-
drei Stockwerkeigentumsanteile kein Betrieb oder
tion eines Gegenstands abzustellen. Es wird zwischen
Teilbetrieb vorlag, weil es sich weder um eine hohe
ordentlichen (für Güter, die infolge Gebrauch laufend
Anzahl an Liegenschaften handelte, noch eine über
an Wert verlieren) und ausserordentlichen Abschrei-
die blosse Verwaltung des eigenen Vermögens hin-
bungen (wenn der Wertverzehr ein einmaliges Er-
ausgehende Liegenschaftsbetreuung erfolgte. Be-
eignis darstellt) unters chieden.
züglich der Planung und Erstellung der Liegenschaften lag ebenfalls kein Betrieb vor, da sie im Zeitpunkt
Das BGer hielt weiter fest, dass der Beschwerde-
der geplanten Übertragung bereits zum wesentlichen
führer als selbständig erwerbstätiger Liegenschaf-
Teil fertiggestellt waren. Auch mit Blick auf den
tenhändler grundsätzlich zur Vornahme buchmässig
Handel mit den Stockwerkeigentumsanteilen lag
ausgewiesener Abschreibungen berechtigt sei, auch
kein Betrieb vor, da keine unabhängige, organische
für seine allfälligen zum Geschäftsvermögen zäh-
Einheit gegeben war.
lenden Kapitalanlageliegenschaften. In der bisherigen Rechtsprechung war mitunter festgeahlten
Gestützt auf die Erwägungen des BGer bleibt fest-
worden, bei einem Liegenschaftenhändler seien
zuhalten, dass aus der Qualifikation einer selbständigen Erwerbstätigkeit im steuerlichen Sinne kei-
ordentliche Abschreibungen auf Kapitalanlageliegenschaften undenkbar. 10 Diese Ansicht stützt
nesfalls geschlossen werden darf, dass zwingend
sich auf ein Urteil des BGer, in welchem erwogen
auch ein Betrieb vorliegt. Da die meisten steuer-
worden war, dass hinsichtlich einer Kapitalanlage-
neutralen Umstrukturierungstatbestände einen Betrieb voraussetzen, so auch die im konkreten Fall
liegenschaft im Privatvermögen des Steuerpflichtigen keine Abschreibungen möglich seien. 11 Daraus
vollzogene Umwandlung zweier Einzelunternehmen
darf, wie vom BGer nun klargestellt, nicht geschlos-
in eine Aktiengesellschaft, empfiehlt sich im Zwei-
sen werden, dass dies auch für Kapitalanlageliegen-
felsfall, die Steuerbehörden vorweg um eine ver-
schaften gelten soll, die sich im Geschäftsvermögen
bindliche Auskunft zu ersuchen (Ruling).
eines Liegenschaftenhändlers befinden. Ausgeschlossen sind nach der Rechtsprechung jedoch Abschreibungen auf Immobilien des Umlaufvermö-
2
Abschreibungen auf Liegenschaften
gens. 12
Die Steuerverwaltung liess bei der Veranlagung
Vorliegend hatte die Vorinstanz nicht abgeklärt, ob
eines selbständig erwerbstätigen Immobilienunter-
es sich bei den entsprechenden Liegenschaften um
nehmers eine Abschreibung auf den Liegenschaften
Privat- oder Geschäftsvermögen handelte. Falls die-
des Geschäftsvermögens über CHF 137 000 nicht
se als Geschäftsvermögen eingestuft worden wären,
zum Abzug zu. Die daraufhin erhobene Einsprache
hätte weiter geprüft werden müssen, ob sie dem
wurde abgewiesen. Die danach urteilende Steuer-
Umlauf- oder Anlagevermögen zuzuordnen sind.
rekurskommission hob den Einspracheentscheid auf und anerkannte die Abschreibung als geschäftsmässig
Das BGer wies die Angelegenheit daher an die Vor-
begründet. Das Appellationsgericht des Kantons
instanz zurück, damit diese die ergänzenden Sach-
Basel-Stadt hob hingegen den Entscheid der Steu-
verhaltsfeststellungen vornehmen und in der Sache
errekurskommission auf und verweigerte die Ab-
neu entscheiden kann. Dabei fügte das BGer an,
schreibung. Der Beschwerdeführer verlangte vor
dass Liegenschaften, die zum Geschäftsvermögen
BGer, dass das Urteil des Appellationsgerichts auf-
eines Liegenschaftenhändlers gehören, normaler-
zuheben und die Abschreibung anzuerkennen sei.
weise Umlaufvermögen bilden. Es sei aber durchaus auch möglich, dass Liegenschaften Anlagevermögen darstellen. Bei der Qualifikation komme es nicht auf
9 10 11 12
BGer 2C_1001/2018 vom 30. Januar 2020. Etwa BGer 2C_744/2018 vom 5. August 2019 E. 2.2. BGer 2A.667/2006 vom 16. Februar 2007 E. 3.2. So etwa in BGer 2C_744/2018 vom 5. August E. 2.2.
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
12
die Haltedauer, sondern auf den Verwendungszweck
Arbeitgebers vorerst selbst aufkommen, ehe sie die
an.
Kosten vom Arbeitgeber zurückerstattet erhalten.
13
Die Vergütung dieser Kosten bleibt auf Ebene des Abschliessend kann somit festgehalten werden, dass
Arbeitnehmende steuerfrei. Werden ausserregle-
auch ein Liegenschaftenhändler – sofern eine Lie-
mentarische Gesamtpauschalen ausgerichtet, sind
genschaft Anlagevermögen und nicht Umlaufvermö-
diese – soweit sie die effektiv angefallenen Kosten
gen darstellt – regelmässige Abschreibungen steuer-
übersteigen – als steuerbare Nebenleistung an die
wirksam geltend machen darf. Der guten Ordnung
Arbeitnehmende nach Art. 17 Abs. 1 DBG zu be-
halber sei daran erinnert, dass die Abschreibungen
trachten. Diese Lohnnebenleistung zählt nach
lediglich auf dem Gebäude, nicht aber auf dem Land
Art. 5 Abs. 2 Bundesgesetz über die Alters- und
vorgenommen werden können.
Hinterlassenenversicherung zum massgebenden Lohn.
3
Geschäftsmässige Begründetheit
Auf Ebene des Arbeitgebers stellt sich vorliegend
von Spesen
die Frage, ob die ausbezahlten Pauschalspesen geschäf tsmässig begründeten Auf wand i.S.v.
Eine im Bereich der Versicherungsvermittlung tätige
Art. 58 Abs. 1 lit. b DBG darstellen. Die geschäfts
Gesellschaft richtete ihren Aussendienstmitarbei-
mässige Begründetheit ist zu vermuten, wenn die
tenden, darunter dem Alleingesellschafter und dessen Sohn, Pauschalspesen in Höhe von 20 % des
Aufwandposition in unmittelbarem Zusammenhang mit der betrieblichen Leistungserstellung steht 15.
erwirtschafteten Umsatzes aus. Die Steuerverwal-
Gehen die ausgerichteten Pauschalspesen über den
tung des Kantons Zug erachtete lediglich die Hälfte
eigentlichen Spesenanfall hinaus, handelt es sich in
als geschäftsmässig begründet und rechnete die
diesem Umfang um eine freiwillige Leistung – ver-
andere Hälfte entsprechend auf. Nachdem weder
gleichbar mit einer Gratifikation oder einem Bonus
die Einsprache noch der Rekurs ans Verwaltungs-
– des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer. Handels-
gericht erfolgreich waren, gelangte die Beschwer-
rechtlich fallen diese Vergütungen unter den Per-
deführerin ans BGer und beantragte, von der Auf-
sonalaufwand (Art. 959b Abs. 2 Ziff. 4 OR). Zudem
rechnung der Pauschalspesen von insgesamt
sind entsprechend Sozialversicherungsbeiträge zu
CHF 234 000 abzusehen. Die Beschwerdeführerin
entrichten. Auf der Ebene der Arbeitnehmenden
führte aus, dass die Mitarbeitenden – bis auf den
liegt steuerbares Einkommen aus unselbständiger
Geschäftsführer und dessen Sohn – als der Steu-
Erwerbstätigkeit vor.
erpflichtigen fernstehende Personen zu betrachten seien und es sich – sollten die Spesenzahlungen
Daraus folgt, dass die an die der Gesellschaft fern-
tatsächlich überhöht gewesen sein – daher um
stehenden Arbeitnehmenden ausgerichteten Pau-
Personalaufwand handeln würde. Das BGer hielt hierzu fest, 14 dass die Steuerpflichtige über kein
schalspesen geschäftsmässig begründeten Aufwand
von der Veranlagungsbehörde genehmigtes Spe-
genommene Aufrechnung somit unbegründet war.
senreglement verfügte, weshalb sie die geschäfts-
Bei den der Gesellschaft nahestehenden Mitarbei-
mässige Begründetheit detailliert aufzuzeigen habe.
tenden hingegen ist eine Abgrenzung zwischen durch
Spesen werden grundsätzlich effektiv nach Spesen-
konkrete Spesenereignisse gerechtfertigten und
ereignis und gegen Vorlage des Originalbelegs ab-
beteiligungsrechtlich motivierten Leistungen vor-
gerechnet, nur bei ausgewählten Konstellationen
zunehmen. Nur erstere stellen geschäftsmässig
lässt die Praxis Pauschalen zu. Das Kreisschreiben
begründeten Aufwand dar, letztere müssen von
Nr. 25 der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK)
Gesetzes wegen aufgerechnet werden (Art. 58 Abs.1
betreffend Muster-Spesenreglemente für Unterneh-
lit. b, fünftes Lemma DBG). Diese Abgrenzung ist
men sieht für im Aussendienst tätige Personen jedoch
anhand der konkreten Spesenereignisse vorzuneh-
keinen solchen Ausnahmefall vor. Gesamtpauscha-
men; die Spesenentschädigung an einen naheste-
len, wie sie hier ausgerichtet wurden, sieht das
henden Mitarbeitenden darf somit nicht höher
Muster-Spesenreglement l ediglich für leitendes
ausfallen, als die tatsächlich von ihm getragenen
Personal vor.
Kosten. Vorliegend hat die Beschwerdeführerin
darstellen und die von der Steuerverwaltung vor-
Bestand und Höhe der angeblichen SpesenereignisSpesenvergütungen dienen als Ersatz jener Kosten,
se nicht nachgewiesen. Daher darf davon ausge-
für die Arbeitnehmende namens und im Auftrag des
gangen werden, dass den an die nahestehenden
13 So etwa in BGer 2C_107/2011 vom 2. April 2012 E. 3.2. 14 BGer 2C_316/2020 vom 20. Oktober 2020. 15 BGE 143 II 8 E. 3.
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
13
Mitarbeitenden ausgerichteten Spesenpauschalen keine Spesenereignisse gegenüberstehen. Somit stellen diese Zahlungen geldwerte Leistungen an den Alleingesellschafter und dessen Sohn dar, die Aufrechnung – vorliegend hat die Steuerverwaltung lediglich 50 Prozent aufgerechnet – ist diesbezüglich somit begründet. Es kann festgehalten werden, dass der Ersatz von Spesen grundsätzlich nur gegen den entsprechenden Beleg erfolgt, es sei denn, es liege ein genehmigtes Spesenreglement vor. Darüberhinausgehende Spesenvergütungen müssen vom Arbeitnehmenden als Einkommen versteuert werden. Überhöhte Spesenzahlungen an Nahestehende stellen eine verdeckte Gewinnausschüttung dar, entsprechend werden diese Beträge bei der Gesellschaft aufgerechnet und der Gesellschafter wird behandelt, als hätte er eine Dividende bezogen. Somit hat die Gesellschaft zudem die Verrechnungssteuer von 35 % zu entrichten; das Meldeverfahren wird in solchen Konstellationen in der Regel nicht gewährt und der Anteilsinhaber wird auf den Weg des Rückerstattungsverfahrens verwiesen. Ob ihm die Rückerstattung gewährt wird, ist im Einzelfall zu entscheiden.
Steuer Update 2021 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben
14
III Natürliche Personen Nora Heuberger, Advokatin Beatrice Leistner, Rechtsanwältin und dipl. Steuerexpertin Philipp Flückiger, Treuhänder mit eidg. Fachausweis Flurin Bleisch, MLaw, Volontär
A
hin (z. B. Quarantäne), auf Anordnung des Arbeit-
Neuerungen in der Gesetzgebung und in der Verwaltungspraxis
gebers, mit Blick auf die gesundheitliche Situation des Arbeitnehmers oder auch auf freiwilliger Basis. Ebenfalls arbeiteten mehr Personen im Kurzarbeitsverhältnis. Dadurch sanken gewisse Auslagen des Arbeitnehmers (z. B. für den Fahrtweg sowie für die auswärtige Verpflegung). Dagegen entstanden teils zusätzliche Kosten für die Arbeit im Homeoffice, welche nicht unbedingt vom Arbeitgeber vergütet
1
Steuerschulden aufgrund amtlicher
werden.
Einschätzungen Um der ausserordentlichen Situation Rechnung zu Seit dem 1. Januar 2021 besteht mit § 201 Abs. 4
tragen und dennoch den administrativen Aufwand
Steuergesetz BS eine gesetzliche Grundlage dafür,
in Grenzen zu halten, haben die kantonalen Steuer
dass bei amtlichen Einschätzungen (so genannten
behörden ihre Praxis mit Blick auf den Abzug von
Ermessensveranlagungen) ein Steuererlass – auch
Berufskosten für das Jahr 2020 angepasst. Grund-
ohne Vorliegen einer Notlage – als einmalige Aus-
sätzlich können dabei die Fahrt- und Verpflegungs-
nahme möglich sein soll, sofern die ermessenswei-
kosten weiterhin als Berufskosten in Abzug gebracht
se erhobene Steuer nachweislich zu hoch einge-
werden, wie wenn sie ohne Massnahmen zur Be-
schätzt worden ist. Die Steuerverwaltung pflegte
kämpfung von Covid-19 angefallen wären. Insbe-
bereits in langjähriger Praxis die Möglichkeit eines
sondere werden die Berufskosten nicht um die
Steuererlasses – im Sinne eines einmaligen Entge-
Covid-19 bedingten Homeoffice-Tage gekürzt.
genkommens – wegen zu hoch eingeschätzter Steuern. Bei dieser praktizierten Erlassmöglichkeit
In den meisten Kantonen gilt die Praxis, dass Per-
wurde anhand der nachträglich eingereichten Steu-
sonen, die während einer gewissen Zeit aufgrund
ererklärung das tatsächliche Einkommen und Ver-
der behördlichen Empfehlungen mit dem Auto anstatt
mögen bestimmt und der zu hoch eingeschätzte
dem öffentlichen Verkehr an den Arbeitsplatz ge-
Steuerbetrag erlassen. Mit dem neuen Absatz 4 zum
fahren sind, die Kosten für das Auto zum Abzug
§ 201 StG BS wurde diese Praxis nun ins Gesetz
bringen können, weil aufgrund der behördlichen
überführt.
Massnahmen eine Nutzung des öffentlichen Verkehrs als nicht zumutbar erachtet wurde. Für diese Zeit entfällt im Gegenzug ein Abzug für den öffentlichen
2
Abzug von Berufskosten während der
Verkehr. Während welchem Zeitraum der Abzug der
Corona-Pandemie
Autokosten möglich ist, wird in den Kantonen unterschiedlich gehandhabt. Während gewisse Kanto-
Die Abzugsfähigkeit von Fahrt- und Verpflegungs-
ne diesen Zeitraum auf Mitte März bis Mitte Juni
kosten bleibt grundsätzlich auch während eines
beschränken (z. B. SO, SZ), lassen andere diese
Covid-19 bedingten Homeoffice bestehen. Dagegen
Regel bis Ende 2020 gelten (z. B. BL) oder lassen
können keine zusätzlichen Kosten für Homeoffice in
den Zeitraum offen (z. B. ZG). Für besonders ge-
Abzug gebracht werden.
fährdete Personen wird der Zeitraum teils ausgeweitet (z. B. SO). Die betragsmässigen Begrenzun-
Während der Corona-Pandemie wurde vermehrt im
gen des Fahrtkostenabzugs (FABI-Begrenzung)
Homeoffice gearbeitet – auf behördliche Anordnung
bleiben aber bestehen.
Steuer Update 2021 Natürliche Personen
15
Im Gegenzug zur liberalen Gewährung von Fahrt-
entscheiden, ob sie die NOV beantragen
kosten fällt der Abzug für Homeoffice-Kosten grund-
wollen.
sätzlich weg. Diese gelten als im Pauschalabzug für Berufskosten enthalten. Auch hier sehen einzelne Kantone Ausnahmen für bestimmte Personengrup-
c)
Diverse Neuerungen:
pen vor (z. B. SO). – Der Nebenerwerbstarif «D» wurde abgeschafft. Die liberale Handhabung der Berufskosten während
– Der Arbeitgeber ermittelt den korrekten Tarif
der Covid-19 Pandemie ist zu begrüssen. Da die
in Anbetracht der persönlichen Verhältnisse
Ausgestaltung der Einzelheiten kantonal unterschied-
des Arbeitnehmers. Dies bedingt eine genau-
lich ausfällt, empfiehlt sich eine vorgängige Abklärung.
ere Befragung der Arbeitnehmer wie auch eine periodische Überprüfung deren Verhältnisse. Sind die persönlichen Verhältnisse des
3
Revision der Quellensteuer
Arbeitnehmers nicht bekannt oder nicht zuverlässig verfügbar, ist vom Arbeitgeber
Die neuen Bestimmungen zur Quellenbesteuerung
automatisch einer der folgenden Tarife anzu-
sind am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Sie be-
wenden;
zwecken den Abbau von Ungleichbehandlungen
zwischen quellenbesteuerten und ordentlich besteu-
Kirchensteuer) für Ledige oder Personen
erten Personen. Über die Änderungen haben wir im Steuer Update 2020 ausführlich berichtet. Im Fol-
– Tarif A0Y (Alleinstehend, ohne Kinder, mit mit unbestimmtem Zivilstand
genden konzentrieren wir uns deshalb auf die wich-
– Tarif C0Y (Verheiratet, ohne Kinder, mit Kirchensteuer) für verheiratete Personen
tigsten Punkte der Revision im Überblick: Da dies jeweils die höchste Tarifeinstufung ist, wird sichergestellt, dass der Quellensteuerabzug nicht a)
Zwingende Abrechnung mit dem anspruchs-
zu gering ausfällt. Im Sinne des Arbeitnehmers
berechtigten Kanton:
sollte sich der Arbeitgeber allerdings um Erhalt der tatsächlichen Informationen bemühen.
– Der Arbeitgeber muss die geschuldeten Quellensteuern neu direkt mit dem Wohn- oder
b)
–
–
–
Wochenaufenthaltskanton des quellensteu-
B
erpflichtigen Arbeitnehmers abrechnen.
Entscheide
Nachträgliche ordentliche Veranlagung (NOV) –
Wegfall Tarifkorrektur:
1 Nachsteuerverfahren
Verfügen in der Schweiz ansässige Quellen-
Hälftige Aufteilung zwischen vereinfachtem und
steuerpflichtige über Einkünfte oder Vermögen,
ordentlichem Nachsteuerverfahren bei Miteigen-
die nicht der Quellensteuer unterliegen, wird
tum von Ehegatten
neu eine obligatorische NOV durchgeführt. In der Schweiz ansässige Quellensteuerpflich-
Das Bundesgericht (BGer) hat mit Urteil vom 17. März
tige können bis 31. März des Folgejahres
2020 16 entschieden, dass, wenn sich nicht hinrei-
(Verwirkungsfrist) einen Antrag auf NOV
chend belegen lässt, ob unversteuerte Vermögens-
stellen, falls keine obligatorische NOV erfolgt.
werte dem Erblasser oder dem überlebenden Ehe-
Die einmal gewählte Methode (NOV oder nur
gatten zuzurechnen sind, Miteigentum beider an-
Quellenbesteuerung) gilt zwingend bis zum
zunehmen ist. Dies hat eine hälftige Aufteilung
Ende der Quellensteuerpflicht. Im Ausland ansässige Quellensteuerpflichtige
zwischen vereinfachtem (dreijährigem) und ordent-
können für jede Steuerperiode bis spätestens
Folge.
lichem (zehnjährigem) Nachsteuerverfahren zur
am 31. März des Folgejahres (Verwirkungsfrist) einen Antrag auf NOV stellen, wenn der über-
Der Entscheid basierte auf folgendem Sachverhalt:
wiegende Teil ihrer weltweiten Einkünfte (90 %)
Das kantonale Steueramt Zürich rechnete unver-
in der Schweiz steuerbar ist (sog. Quasi-An
steuerte Vermögenswerte, die mit Einreichung des
sässigkeit). Quasi-Ansässige können jährlich
Inventarfragebogens offengelegt wurden, vollum-
16 BGer 2C_826/2019 vom 17. März 2020.
Steuer Update 2021 Natürliche Personen
16
fänglich der überlebenden Ehefrau des Erblassers
geschränkt würde, da in einer Ehe das Alleineigen-
zu, weswegen die Nachsteuer zehn und nicht nur
tum eines Ehegatten sich oft nur ungenügend
drei Jahre umfasste. Das kantonale Verwaltungs-
nachweisen lasse. Eine quotenmässig hälftige Auf-
gericht hob den Einspracheentscheid auf, da nicht
teilung zwischen vereinfachtem und ordentlichem
mit der erforderlichen Bestimmtheit nachgewiesen
Nachsteuerverfahren erscheint dem BGer entspre-
werden konnte, dass die unversteuert gebliebenen
chend als angemessene Korrekturmöglichkeit.
Vermögenswerte der überlebenden Ehefrau zugerechnet werden können. Dagegen erhob das Steuer amt Beschwerde beim BGer.
2
Veranlagungsverfügung per E-Rechnung
Das BGer hält in seinen Erwägungen fest, dass der überlebende Ehegatte auf die vom Erblasser hin-
Ruft eine Person ihr E-Postfach während den Ferien
terzogenen Bestandteile von Vermögen und Ein-
bewusst nicht ab und verpasst deshalb eine Ein-
kommen nicht vollständig die vereinfachte Nach-
sprachefrist, so kann sie sich nicht darauf berufen,
besteuerung verlangen kann, wenn sich der über-
dass sie diese Form der Zustellung gar nicht gewollt
lebende Ehegatte in eigener Person der vollende-
habe, wenn sie diese während Jahren akzeptiert hat.
ten Steuerhinterziehung schuldig gemacht habe. Beging der überlebende Ehegatte ebenfalls eine
Das Steuergericht des Kantons Basel-Landschaft
Steuerhinterziehung, so kann er für die von ihm hinterzogenen Faktoren eine straflose Selbstan-
hatte in seinem Entscheid vom 21. Februar 2020 17 zu beurteilen, ob die Zustellung der Veranlagungs-
zeige stellen, muss aber danach im ordentlichen
verfügung per E-Rechnung ordnungsgemäss sei und
Verfahren für zehn Jahre Nachsteuern bezahlen.
der Zustellung fristauslösende Wirkung zukomme.
Um zu verhindern, dass der überlebende Ehegatte von einer vereinfachten Nachbesteuerung profitie-
Die Steuerpflichtigen erklärten im Rekurs, dass
ren könne, müsse die Steuerbehörde – als steuer-
ihnen nicht bewusst gewesen sei, dass mit der Zu-
begründende Tatsache – nachweisen, dass die
stimmung zum E-Rechnungssystem auch die Steuer
Vermögenswerte ihm gehörten oder zumindest,
bescheide mittels E-Rechnung eröffnet werden
dass er mit Absicht an der Steuerhinterziehung des
würden. Solche Dokumente seien per Post zuzustel-
Erblassers bewusst mitgewirkt hat. Dazu genüge
len. Zudem sei die Eröffnung der Veranlagung direkt
nicht, dass die Vermögenswerte sich auf einem
vor den Sommerferien ungünstig, da sie die meiste
Bankkonto befanden, das im Namen beider Ehe-
Zeit der Sommerferien im Ausland – mit bedingtem
leute eröffnet worden war.
Zugang zum Internet – verbracht hätten.
Des Weiteren kommt bei der Zuweisung der Vermö-
Das Steuergericht hält einleitend fest, dass die
genswerte an den Erblasser oder an den überleben-
Eröffnung einer Veranlagungsverfügung schriftlich
den Ehegatten die Vermutung von Art. 200 Zivilge-
zu erfolgen habe. Schriftlichkeit bedeute, dass die
setzbuch (ZGB) zum Tragen, gemäss welcher Mitei-
Veranlagung nicht mündlich, sondern mittels Schrift-
gentum angenommen werde, wenn sich das Eigentum
zeichen zu eröffnen sei, womit auch eine elektro-
nicht zuweisen lässt. In Übereinstimmung mit dieser
nische Zustellung grundsätzlich zulässig sei. Die
Vermutung weist das BGer im Ergebnis die Hälfte
Verfügung oder der Entscheid gilt dabei als ord-
der Vermögenswerte dem Erblasser zu, auf welche
nungsgemäss zugestellt, wenn der Steuerpflichtige
das auf drei Jahre beschränkte, vereinfachte Nach-
davon Kenntnis nehmen kann, d.h. wenn die Verfü-
steuerverfahren zur Anwendung kommen soll.
gung in dessen Machtbereich gelangt. Indem sich Steuerpflichtige in ihr E-Banking-Portal einloggen
Gemäss BGer mag die Ausführung der Vorinstanz
und die zugesendete Veranlagung öffnen, haben sie
zwar zutreffend sein, dass es ungefähr gleich wahr-
die Möglichkeit, von der Veranlagung Kenntnis zu
scheinlich sei, dass die Vermögenswerte gesamthaft
nehmen. Im Übrigen habe diese Zustellmethode den
dem Erblasser oder aber dem überlebenden Ehe-
Vorteil, das E-Postfach ungeachtet des jeweiligen
gatten zuzurechnen seien. Wenn unter solchen
Aufenthaltsorts jederzeit abrufen zu können, also
Umständen die Vermutung von Art. 200 ZGB jedoch
auch bei Ferien- oder Auslandsabwesenheiten. Ent-
dazu führen sollte, dass die vereinfachte Nachbe-
sprechend kommt das Steuergericht zum Schluss,
steuerung für die Gesamtheit der hinterzogenen
dass die Veranlagung ordnungsgemäss zugestellt
Werte ausgeschlossen wäre, so könnte damit die
worden sei.
Gefahr verbunden sein, dass der Anwendungsbereich des vereinfachten Nachsteuerverfahrens stark ein17 BLStPra 3/2020 Seiten 27-31.
Steuer Update 2021 Natürliche Personen
17
Gemäss dem Steuergericht haben sich die Rekur-
ständigen Erwerbstätigkeit überwögen. Entscheidend
renten explizit für diese Zustellmethode angemeldet
sei dabei insbesondere, dass A gegenüber den
und über mehrere Jahre Veranlagungsverfügungen
Steuer- und Sozialversicherungsbehörden über ein
in elektronsicher Form empfangen. Des Weiteren
Jahrzehnt lang als selbständig Erwerbender aufge-
wurden sie bei der Anmeldung zur E-Rechnung von
treten sei. Wenn er sich nun darauf berufe, für
der Steuerverwaltung per Einschreiben darüber
seine Gesellschaft unselbständig erwerbstätig ge-
informiert, dass sie inskünftig derartige Dokumente
wesen zu sein, verhalte er sich widersprüchlich und
nicht mehr auf dem Postweg erhalten werden. Die
rechtsmissbräuchlich.
Rekurrenten haben die Veranlagungsverfügungen über mehrere Jahre – ohne Beanstandung – auf
Zur Frage, ob die Beteiligung dem Privat- oder Ge-
elektronischem Weg empfangen. Erst, als sie mit
schäftsvermögen zuzuordnen sei, hält das BGer
der strittigen Veranlagung nicht einverstanden wa-
fest, dass Beteiligungen dann als Geschäftsvermö-
ren und für diese die Einsprachefrist verpasst haben,
gen zu qualifizieren seien, wenn sie in enger Bezie-
haben sie sich gegen die Zustellung von Verfügun-
hung zur beruflichen Tätigkeit stehen. Eine solche
gen via E-Rechnung ausgesprochen. Das Steuerge-
enge Beziehung ist namentlich dann anzunehmen,
richt kommt zum Schluss, dass das Verhalten der
wenn die Beteiligung dem Inhaber einen massgeb-
Steuerpflichtigen widersprüchlich und nicht schüt-
lichen oder sogar beherrschenden Einfluss auf eine
zenswert sei, weshalb es den Rekurs abwies.
Gesellschaft verschaffe, deren geschäftliche Tätigkeit seiner eigenen entspricht oder diese sinnvoll ergänzt, was ihm erlaube, seine ursprüngliche Ge-
3
Veräusserung von Geschäftsvermögen
schäftstätigkeit auszudehnen. Die von der Rechtsprechung geforderte enge Beziehung kann aber
Das BGer hat sich im Urteil vom 25. November 2019 18 mit der selbständigen Erwerbstätigkeit so-
gegebenenfalls auch ohne einen massgeblichen
wie der Qualifikation einer veräusserten Beteili-
tatsächlichen Verhältnissen zum Ausdruck gebrach-
gung als Geschäftsvermögen beschäftigt.
te und verwirklichte – Wille, die Beteiligungsrechte
Einfluss bestehen. Entscheidend ist der – in den
konkret dafür zu nutzen, die Gewinnchancen des Der Entscheid basiert auf folgendem Sachverhalt:
eigenen Unternehmens zu verbessern. Im vorlie-
1999 erwarb der als selbständiger Tennislehrer
genden Fall war A nach dem Erwerb der Beteiligung
tätige A 50 % der C AG, über welche er in der Folge
nur noch für die C AG tätig, weshalb davon auszu-
die Tennislehrertätigkeit ausübte. Seine Investition
gehen sei, dass er die Beteiligung konkret dafür
finanzierte er zu 50,4 % fremd. Das Einkommen aus
nutzte, das Geschäftsergebnis des eigenen Unter-
dieser Tätigkeit als Tennislehrer deklarierte A als
nehmens zu verbessern. Durch den Beteiligungser-
selbständiges Erwerbseinkommen. A rechnete mo-
werb stellte er seine Tennislehrertätigkeit auf eine
natlich für seine Unterrichtsstunden einen fixen
neue wirtschaftliche Grundlage, da er sie nicht mehr
Betrag gegenüber der C AG ab, die seine einzige
auf verschiedenen Plätzen ausüben musste. Im
Kundin war. 2014 veräusserte A seine Beteiligung
Ergebnis geht das BGer von einer selbständigen
an der C AG. Die Steuerbehörde erfasste den Ge-
Erwerbstätigkeit und von Geschäftsvermögen aus,
winn aus der Veräusserung der Beteiligungen als
weshalb der Gewinn aus der Veräusserung der Be-
steuerbaren Veräusserungsgewinn auf einer Betei-
teiligungen als Veräusserungsgewinn auf einer
ligung im Geschäftsvermögen. Nach erfolglosem
Beteiligung im Geschäftsvermögen zu versteuern
kantonalen Verfahren erhob A Beschwerde beim
ist und das BGer die Beschwerde abwies.
BGer und führte aus, dass er einen steuerfreien privaten Kapitalgewinn erzielt habe, da er nur formell, nicht aber materiell, selbständig gewesen sei. Gemäss BGer weise die erhebliche und mehrheitlich
4
Vermietung einer Liegenschaft zu einem Vorzugszins
fremdfinanzierte Investition beim Beteiligungserwerb auf eine selbständige Erwerbstätigkeit hin. Des Weiteren stand die Investition in starkem Zusam-
Das BGer hat sich im Urteil vom 19. Februar 2020 19 mit der Vermietung einer Liegenschaft zu einem
menhang mit seiner bisherigen selbständigen Tä-
Vorzugszins an die AG des Ehemannes beschäftigt.
tigkeit als Tennislehrer, die gesamthaft selbst nach
Grundsätzlich können im Sinne einer «Ist-Besteue-
dem Beteiligungskauf und dem Regimewechsel
rung» nur jene Einkünfte besteuert werden, die
weiterhin als solche zu qualifizieren sei, weshalb –
sich bei freier Gestaltung der Verhältnisse tatsäch-
gemäss BGer – insgesamt die Elemente einer selb-
lich ergeben. Vorbehalten bleibt die Steuerumge-
18 BGer 2C_102/2019 vom 25. November 2019. 19 BGer 2C_187/2017 vom 19. Februar 2020.
Steuer Update 2021 Natürliche Personen
18
hung, die bei einem Vorzugsmietzins an Verwandte
Da es im Steuerrecht von Bund, Kantonen und Ge-
zu vermuten ist, wenn der Mietzins weniger als die
meinden keine formell-gesetzliche Grundlage gebe,
Hälfte des Mietwerts beträgt und dem Vermieter
die den Vorzugsmietzins unter Verwandten (Ver-
ein gewisser Zugriff auf das Mietobjekt erhalten
wandtenmietzins) oder zwischen natürlichen und
bleibt. An dieser Zugriffsmöglichkeit fehlte es vor-
nahestehenden juristischen Personen regle, müsse
liegend. Dagegen begründete die Umwandlung
es im Steuerrecht unbeachtet bleiben, ob eine Ver-
steuerbarer Mietzinse in steuerfreie Amortisatio-
mieterin bei «betriebswirtschaftlich richtigem»
nen eine Steuerumgehung.
Verhalten möglicherweise auch höhere Einkünfte hätte erzielen können. Vorbehalten bleibe die Steu-
Der Entscheid basiert auf folgendem Sachverhalt:
erumgehung. Eine solche wird bei Vorzugsmietzin-
Die Ehefrau ist Eigentümerin von Stockwerkeigen-
sen an Verwandte vermutet, wenn der Mietzins
tum bestehend aus Büroräumlichkeiten, welches sie
weniger als die Hälfte des Mietwerts beträgt, weil
im Privatvermögen hält und zum Preis von rund
diesfalls eine dem Eigengebrauch nahekommende
CHF 50 000 pro Jahr an die dem Ehemann gehören-
Lage anzunehmen sei. Auch in einem derartigen Fall
de X AG vermietet. Diese erzielt ihrerseits wieder-
bleibt der Nachweis möglich, dass keine Steuer
um einen Erlös aus Untervermietung mit Dritten in
umgehung vorliegt. Die Eigentümerin hat im kon-
der Höhe von rund CHF 155 000 pro Jahr. Die Steu-
kreten Fall Vorzugskonditionen zur Anwendung
erbehörde des Kantons Zürich monierte, dass die
gebracht. Dies alleine vermag eine Aufrechnung
Ehefrau als Vermieterin Drit tkonditionen von
aber nicht zu rechtfertigen, denn hierzu wäre gemäss
CHF 155 000 hätte fakturieren müssen und rech-
BGer kumulativ erforderlich, dass ihr das Objekt
neten ihr die Differenz von CHF 105 000 auf. Aufgrund
«für den Eigengebrauch zur Verfügung steht». Vor-
der mehrheitlich unentgeltlichen Überlassung liege
liegend steht die unbefristete Vermietung an die X
eine dem Eigengebrauch nahekommende Situation
AG, die ihrerseits unbefristete Untermietverträge
vor. Zudem erweise sich die konkrete Rechtsgestal-
eingegangen ist, dem «Eigengebrauch» von vorn-
tung als Steuerumgehung. Des Weiteren habe der
herein entgegen. Wäre es bei der blossen unter-
Vorzugsmietzins auf Ebene der Gesellschaft (X AG)
preisigen Vermietung an die Gesellschaft geblieben,
zu einer Thesaurierung von CHF 82 000 geführt.
hätte gemäss BGer für eine Aufrechnung auf Ebene
Gemäss dem handelsrechtlichen Abschluss wäre auf
der Ehegattin kein Raum bestanden.
Ebene der X AG ein Gesamtverlust eingetreten, wenn der von der Steuerverwaltung geforderte Mietzins verlangt worden wäre.
Für das BGer war jedoch ein anderes Element ausschlaggebend: Die vorteilhaften Vertragskonditionen
Das BGer führt im Rahmen seiner Erwägungen aus,
ermöglichten der X AG einen Mittelzufluss von
dass es sich bei den Einkünften gemäss Art. 16 Abs. 1
CHF 105 000. Diesen konnte sie verwenden, um
Bundesgesetz über die direkte Steuer (DBG) um
einen Teil des ansonsten in hohem Masse gefähr-
einen unbestimmten Rechtsbegriff handle, welcher
dete Aktionärsdarlehens von CHF 1 200 000 zurück-
auf einem betriebswirtschaftlichen Konzept beruhe.
zuführen. Mit Hilfe dieser Struktur gelang es den
Ausgangspunkt bilde dabei die Gestaltungsfreiheit
Eheleuten, steuerbare Mietzinse in eine steuerfreie
der steuerpflichtigen Person. Wie jemand seine fi-
Amortisation umzuwandeln. Die im vorliegenden
nanziellen Verhältnisse ordne, sei grundsätzlich
Fall gewählte Rechtsgestaltung erfülle somit den
seiner Privatautonomie überlassen. Vorbehalten
Tatbestand der Steuerumgehung, weshalb das BGer
bleiben dabei die Tatbestände der Simulation und
die Beschwerde im Ergebnis – wenn auch mit einer
der Steuerumgehung. Gemäss bundesgerichtlicher
anderen Begründung als die Vorinstanz – abwies.
Praxis ist die «Ist-Besteuerung» der Einkünfte und nicht die «Soll-Besteuerung» massgeblich. Um im Privatvermögen dennoch eine Aufrechnung vorzunehmen, setze dies voraus, dass die im Abgaberecht geltenden erhöhten Anforderungen an das Legalitätsprinzip vorliegen (Art. 127 Abs. 1 Bundesverfassung (BV)). Dem Aspekt der Vorhersehbarkeit komme naheliegenderweise dann besondere hohe Bedeutung zu, wenn Einkünfte besteuert werden sollen, die tatsächlich nicht geflossen sind.
Steuer Update 2021 Natürliche Personen
19
IV Grundsteuern Eric Flückiger, MBA, Advokat Flurin Bleisch, MLaw, Volontär
A
B
Wichtiges in Kürze: Änderung der Ersatz beschaffungspraxis im Kanton Basel-Landschaft
Entscheide 1
Besonderes Zusammenspiel der Gewinn- mit der Grundstückgewinnsteuer im Kanton Basel-Landschaft und ein Wort zu Eigenleistungen
Ein Verlust im Rahmen der direkten Steuern wird nachträglich bei der Grundstückgewinnsteuer be-
Neu muss die Handänderungs- und Grundstückge-
rücksichtigt. Bei Eigenleistungen muss abgewogen
winnsteuer beim Verkauf von selbstgenutztem
werden, ob diese mit einem steuerlichen Vorteil
Wohneigentum im Kanton Basel-Landschaft ent-
geltend gemacht werden können.
richtet werden. Ab dem 1. Januar 2021 wird im Kanton Basel-
Mit Urteil vom 11. März 2019 20 hatte das Bundesgericht (BGer) das Zusammenspiel zwischen der
Landschaft die Praxis zur Ersatzbeschaffung von
Grundstückgewinnsteuer und den direkten Steuern
selbstgenutztem Wohneigentum angepasst.
bei Unternehmen im monistischen Kanton BaselLandschaft zu beurteilen.
Neu muss bei einer Veräusserung einer dauernd und ausschliesslich selbstgenutzten Wohnliegen-
Das BGer bestätigt, dass der Kanton Basel-Landschaft
schaft die Handänderungs- sowie die Grundstück-
zulässigerweise die Grundstückgewinnsteuerveran-
gewinnsteuer auf jeden Fall entrichtet werden. Wird
lagung, welche einen Gewinn ausweist, nachträglich
innerhalb einer Frist von zwei Jahren eine Ersatz-
zugunsten des Steuerpflichtigen korrigieren darf,
beschaffung effektiv getätigt, so kann der Antrag
wenn in der Folge in der Veranlagung der direkten
auf Steueraufschub auch im Anschluss daran gestellt
Steuern ein Verlust ausgewiesen wird. Es handelt
werden. Dabei verlangt die Steuerverwaltung, dass
sich hierbei um eine Koordinationsnorm, welche
die Steuern nach Möglichkeit auch innerhalb der
innerhalb des zulässigen Gestaltungsspielraums der
Zweijahresfrist zurückgefordert oder nachgewiese-
Kantone liegt.
nermassen Umbauarbeiten vorgenommen werden, die einen Einzug innerhalb dieser Frist verunmög-
Das Thema Eigenleistungen wird im Urteil nur ge-
lichen.
streift, ist jedoch immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Bei Eigenleistungen im Privat- wie im
Der Grund der Praxisänderung liegt gemäss Steu-
Geschäftsbereich ist zu beachten, dass diese den
erverwaltung Basel-Landschaft im grossen admi-
Grundstückgewinn lediglich mindern, wenn die Kos-
nistrativen Aufwand bei der Überprüfung, ob Er-
ten wie von einem externen Handwerker in Rechnung
satzbeschaffungen erfolgten und wenn ja, in welchem
gestellt worden wären, die Wertvermehrung nach-
Umfang die Reinvestition getätigt wurde.
gewiesen werden kann und dieses Einkommen aus Eigenleistung in der Steuererklärung deklariert
20 BGer 2C_30/2019 vom 11. März 2019.
Steuer Update 2021 Grundsteuern – Entscheide
20
worden ist. Dies wird von den Steuerbehörden in
Bei der Veräusserung von dauernd und selbstbe-
der Regel überprüft. Ist eines dieser Kriterien nicht
wohnten Liegenschaften ist in vielen Kantonen
erfüllt, werden Eigenleistungen nicht als Anlage-
darauf zu achten, dass im Rahmen von Ersatzbe-
kosten in der Grundstückgewinnsteuererklärung
schaffungen Subjektidentität verlangt wird. Mit ein
akzeptiert.
wenig Planung im Vorfeld kann diese ohne weiteres erreicht und damit ein Steueraufschub geltend gemacht werden, sofern auch die weiteren kantonalen
2
Steueraufschub bei Überkreuzersatz-
Voraussetzungen erfüllt sind.
beschaffung Im Kanton Zürich wird ein Steueraufschub der Grundstückgewinnsteuer nur gewährt, wenn die
3
Wirtschaftlicher Neubau und lohnt es sich, die Mitwirkung zu verweigern?
Subjektidentität der verkaufenden und reinvestierenden Person gewahrt wird.
Ein wirtschaftlicher Neubau wird nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen angenommen. In der
Mit Urteil vom 11. Februar 2020 21 hat das BGer einen Sachverhalt im Bereich des Steueraufschubs
Regel wirkt sich die Mitwirkung im Veranlagungsverfahren positiv auf die Steuerlast aus.
der Grundstückgewinnsteuer beurteilt. Ein Ehepaar Ehemann mit seinen Mitteln vor einigen Jahren
Mit Urteil vom 13. Juli 2020 22 hat das BGer seine Praxis im Zusammenhang mit dem «wirtschaftlichen
erworben hatte. Aus beruflichen Gründen musste
Neubau» bestätigt und unter anderem festgehalten,
der Ehemann ins Ausland, seine Frau wollte in der
dass das rechtliche Gehör des Steuerpflichtigen
Schweiz verbleiben jedoch nicht in dieser Wohnung.
nicht verletzt wird, wenn die Steuerbehörde 44
Aus diesem Grund veräusserte der Ehemann seine
Bundesordner Unterlagen des Steuerpflichtigen nicht
Wohnung gewinnbringend für etwas weniger als
sichtet und die steuermindernden Tatsachen somit
CHF 1 Mio. Die Ehefrau hat wenige Monate später
nicht selber heraussucht.
bewohnte eine Wohnung im Kanton Zürich, die der
aus ihrem Vermögen eine neue Wohnung für etwas mehr als CHF 1 Mio. erworben. Der Ehemann zog
Konkret hatte ein Steuerpflichtiger ein Mehrfamilien-
zwei Monate nach Erwerb der Wohnung wieder zu-
und Geschäftshaus erworben und seinem Geschäfts-
rück in die Schweiz zu seiner Ehefrau in die gemein-
vermögen zugewiesen. Dies lässt die Vermutung
same Wohnung. Die Kommission für Grundsteuern
zu, dass der Steuerpflichtige einen gewissen Grad
erhob vom Ehemann die Grundstückgewinnsteuer
an Professionalität mit der Verwaltung von Immo-
für die von ihm veräusserte Wohnung. Die Ehegat-
bilien aufweist. Nach Umbau-, Ausbau- und Sanie-
ten machten mit dem Argument der Ersatzbeschaf-
rungsarbeiten hat er Stockwerkeigentum begründet
fung einer dauernd selbstbewohnten Liegenschaft
und anschliessend fünfzehn Einheiten verkauft. Die
einen Steueraufschub geltend und wehrten sich bis
Verkäufe meldete er mittels einer einzigen Grund-
vor BGer erfolglos gegen die Erhebung der Grund-
stückgewinnsteuererklärung, in welcher er einen
stückgewinnsteuer.
Wertzuwachsgewinn von rund CHF 800 000 ausgewiesen hat. Das Steueramt verlangte separate Er-
Das BGer hat an seiner bisherigen Praxis festgehal-
klärungen für jeden Käufer und die entsprechende
ten und ausgeführt, dass die Kantone im Bereich
Dokumentation. Hierauf hat der Steuerpflichtige
der Grundstückgewinnsteuer – als Spezialeinkom-
nicht reagiert. Im Anschluss hat das Steueramt
menssteuer – über Autonomie verfügten, in welche
einen rund zehnmal höheren Wertzuwachsgewinn
das BGer nicht eingreifen könne. Es ist demnach
veranlagt. Der Steuerpflichtige erhob Einsprache,
zulässig, dass der Kanton Zürich für die Ersatzbe-
reichte ohne konkrete Hinweise 44 Bundesordner
schaffung und den damit verbundenen Steuer
ein und stellte sich auf den Standpunkt, dass es
aufschub (nach Art. 12 Abs. 3 lit. e Bundesgesetz
sich um einen wirtschaftlichen Neubau handle,
über die Harmonisierung der direkten Steuern der
weshalb der weitaus grösste Teil der Aufwendungen
Kantone und Gemeinden) die sogenannte Subjekt-
als Anlagekosten zu qualifizieren sei und demnach
identität verlangt, d.h. diejenige Person, die die
der Wertzuwachsgewinn auf die von ihm geltend
Ersatzbeschaffung geltend macht, muss veräussern
gemachten rund CHF 800 000 zu reduzieren sei.
und reinvestieren. Somit ist das Ehepaar unterlegen und der Ehemann musste die Grundstückgewinnsteuer entrichten. 21 BGer 2C_704/2019 vom 11. Februar 2020. 22 BGer 2C_425/2020 vom 13. Juli 2020 E. 3.4.3.
Steuer Update 2021 Grundsteuern – Entscheide
21
Durch sämtliche Instanzen kam der Steuerpflichti-
sich der Eigentümer die Liegenschaft zum jederzei-
ge den Aufforderungen der Gerichte nicht nach, die
tigen Eigengebrauch zur Verfügung, nutzt sie kon-
Anlagekosten zu spezifizieren und separate Steuer
kret aber nur selten oder gar nicht, wird dies der
erklärungen einzureichen. Die letzte kantonale
vollumfänglichen Eigennutzung gleichgestellt.
Instanz hat dann gestützt auf unvollständige Bauabrechnungen weitere wertvermehrende Investi-
Mit dem Erwerb einer Liegenschaft infolge eines
tionen «gefunden». Letztendlich war der ursprüng-
Erbgangs befinden sich die Erben zwar in rechtlicher,
liche Erwerbspreis des Grundstücks immer noch
nicht aber in tatsächlicher Hinsicht in der gleichen
deutlich höher als die «gefundenen» Investitionen.
Situation wie die Erblasser. Entsprechend muss in
Deshalb wurde die Qualifikation als wirtschaftlicher
der Regel über die zukünftige Nutzung neu entschie-
Neubau verneint. Ein solcher liegt gemäss Recht-
den werden. Hierzu wird den Erben eine Reflexions-
sprechung nur vor, wenn das Investitionsvolumen
und anschliessende Umsetzungsperiode zugestan-
den Erwerbspreis übersteigt, die Gebäudehülle
den, während der eine tatsächliche Nutzung der
ersetzt wird, eine Aushöhlung des Gebäudes oder
Liegenschaft erfahrungsgemäss nicht möglich ist.
von Gebäudeteilen mit gleichzeitiger Neugestaltung
Für den Fall eines unterbliebenen Nachweises der
der Innenraumeinteilung vorgenommen wird, die
fehlenden Eigennutzung ist im Interesse der Gleich-
Neugestaltung mit einer Nutzungsänderung einher-
behandlung der Steuerpflichtigen von einer festen
geht oder wenn eine Totalsanierung vorgenommen
Frist auszugehen.
wird. Im Endeffekt konnte lediglich ein Bruchteil an wertvermehrenden Investitionen mit den Unterlagen
Die Frist beginnt mit dem Todeszeitpunkt des Erb-
belegt werden und es resultierte ein Wertzuwachs-
lassers zu laufen und beträgt gemäss Verwaltungs-
gewinn für sämtliche veräusserte Einheiten von rund
gericht ein Jahr. Während dieser First kann ohne
CHF 7,5 Mio., was fast zehnmal mehr ist, als der
Beleg konkreter Verkaufsbemühungen oder anderen,
Steuerpflichtige ohne Beweise beantragt hatte.
auf eine Veräusserung zielenden Bemühungen, nicht darauf geschlossen werden, dass sich die Mitglieder
Abschliessend sei festgehalten, dass die notorische
der Erbengemeinschaft die Nutzung vorbehalten
Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Behör-
wollen. Steht eine Liegenschaft länger leer, so sind
den selten zu einem für den Steuerpflichtigen po-
von den Erben konkrete Umstände nachzuweisen,
sitiven Ergebnis führt.
die der Annahme einer Eigennutzung entgegenstehen. Der Vorbehalt der Eigennutzung wird nicht schon umgestossen, wenn die Erben darlegen, dass
4
Eigenmietwertbesteuerung bei
sie allesamt eigene Liegenschaften besitzen und
geerbten Liegenschaften
dass Basel-Stadt sich nicht als Feriendestination eignet. Vorliegend war ausschlaggebend, dass die
Steuerpflichtige, die eine Liegenschaft durch Erb-
Erben keine Verkaufsbemühungen nachweisen
schaft erworben haben, müssen sich diese im Ein-
konnten.
kommen insbesondere dann nicht als Eigennutzung zurechnen lassen, wenn sie eine leerstehende Liegenschaft nicht nutzen und zu verkaufen beabsichtigen. Gemäss Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 7. November 2019 23 ist die Frist auf ein Jahr festzusetzen – während der auch ohne Beleg von konkreten Verkaufsbemühungen oder anderen, auf eine Veräusserung zielenden Bemühungen, nicht darauf geschlossen werden kann, dass sich die Mitglieder der Erbengemeinschaft die Nutzung vorbehalten wollen. Ein Eigenmietwert fällt grundsätzlich an, wenn sich der Eigentümer die Liegenschaft kraft seines Willens zur Benutzung zur Verfügung hält. Die Selbstnutzung ist dabei grundsätzlich nicht abhängig von der tatsächlichen zeitlichen Nutzung eines Gebäudes. Hält 23 Urteil des Verwaltungsgerichts Basel-Stadt vom 7. November 2019, in: BSTP 2020 Nr. 3.
Steuer Update 2021 Grundsteuern – Entscheide
22
V Mehrwertsteuer Veysel Oruclar, Rechtsanwalt Beatrice Leistner, Rechtsanwältin und dipl. Steuerexpertin
A
nehmenden Unternehmen zu Vorsteuerabzugs
Praxisänderungen und –präzisierungen
kürzungen, da der Bund nicht am Kreditverhältnis zwischen den Banken und Unternehmen beteiligt ist und folglich kein Subventionsverhältnis besteht. Zudem soll auch der Erhalt von Kurzarbeits- und Erwerbsausfallentschädigungen bei den betroffenen Unternehmen nicht zu Vorsteuerabzugskürzungen
1
Entwurf Praxisanpassungen:
führen.
Massnahmen aufgrund Covid-19 Am 23. Oktober 2020 sowie am 2. Februar 2021 hat
Bei den gemäss der Covid-19-Härtefallverordnung vom 25. November 2020 28 getroffenen Härtefall-
die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) die
massnahmen in Form von nicht rückzahlbaren
Entwürfe Praxisanpassungen betreffend das Bun-
Beiträgen (sog. A-fonds-perdu-Beiträgen) und Vor-
desgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTG), 24 Massnahmen aufgrund Covid-19 25, 26, im Konsulta-
zugsbedingungen von Darlehen der Kantone (z.B.
tivgremium publiziert. Nachfolgend werden einige
nen i.S.v. Art. 18 Abs. 2 lit. a MWSTG, wobei bei der
der von der ESTV beschlossenen Praxisanpassungen
Darlehensgewährung nicht die ganze rückzahlbare
erläutert:
Darlehenssumme, sondern lediglich der fehlende
zinsloses Darlehen) handelt es sich um Subventio-
Zins als Subvention qualifiziert. Entsprechend soll Aufgrund der Covid-19-Solidar-
der Erhalt solcher Subventionen bei steuerpflichti-
bürgschaftsverordnung vom 25. März 2020 (nach-
gen Personen, die nach effektiver Methode abrech-
folgend: Bürgschafts-VO) können die schweizerischen
nen, eine verhältnismässige Vorsteuerkürzung nach
Bürgschaftsorganisationen für Bankkredite von bis
sich ziehen. 29
MWST-Info 05:
27
zu CHF 500 000 zu 100 % und für jene Kredite bis zu CHF 20 Mio. im Umfang von 85 % bürgen. In
MWST-Info 07: 30 Kurzarbeits- und Erwerbsausfall-
diesem Zusammenhang hat sich der Bund verpflich-
entschädigungen sollen als Nicht-Entgelte gelten.
tet, die Bürgschaftsverluste der Bürgschaftsorga-
Diese sind in der Mehrwertsteuerabrechnung nicht
nisationen aufgrund der Bürgschafts-VO gewährten
unter der Ziffer 200, sondern unter der Ziffer 910
Solidarbürgschaften im Umfang von 100 % zu decken,
aufzuführen.
wobei die Bürgschaftsorganisationen als Subventionsempfänger gelten sollen. Obwohl die Kredite nicht marktüblich verzinst werden, führt dies weder bei den kreditgebenden Banken, noch bei den kredit
24 25 26 27 28 29 30
Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer vom 12. Juni 2009 (SR 641.20; Mehrwertsteuergesetz, MWSTG). Vgl. dazu den Entwurf der ESTV zum Thema: Massnahmen aufgrund Covid-19 vom 23. Oktober 2020. Vgl. dazu den Entwurf der ESTV zum Thema: Massnahmen aufgrund Covid-19 vom 2. Februar 2021. MWST-Info 05 Subventionen und Spenden, webbasierte Publikation, abrufbar unter https://www.gate.estv.admin.ch/mwst-webpubli- kationen/public/pages/taxInfos/tableOfContent.xhtml?publicationId=1000283 (zuletzt besucht am 27. Januar 2021). Verordnung über Härtefallmassnahmen für Unternehmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie vom 25. November 2020 (SR 951.262; Covid-19-Härtefallverordnung). Vgl. dazu den Entwurf der ESTV zum Thema: Massnahmen aufgrund Covid-19 vom 2. Februar 2021, wo auch die mehrwertsteuerli- che Behandlung von Unterstützungen für Klubs des professionellen und semiprofessionellen Mannschaftssports thematisiert wird. MWST-Info 07 Steuerbemessung und Steuersätze, webbasierte Publikation, abrufbar unter https://www.gate.estv.admin.ch/mwst- webpublikationen/public/pages/taxInfos/tableOfContent.xhtml?publicationId=1007607 (zuletzt besucht am 27. Januar 2021).
Steuer Update 2021 Mehrwertsteuer
23
2
Änderungen der MWST-Infos
b)
Steuerbemessung und Steuersätze
–
Es wird präzisiert, dass die Bemessungsgrund-
a) Steuerobjekt
lage der Steuer das tatsächlich empfangene Entgelt, d. h. der tatsächliche Vermögenszu-
–
–
B ei Tauschverhältnissen als auch bei Leistun-
gang beim Leistungserbringer, ist. Verpa-
gen an Zahlungs statt (Eintauschgeschäfte)
ckungskosten und öffentlich-rechtliche Ge-
liegen zwei separate Leistungsverhältnisse
bühren und Abgaben, zu deren Entrichtung
vor. Entsprechend erbringen beide beteiligten
der Leistungserbringer verpflichtet ist, werden
Parteien somit je eine eigene Leistung und
ausserdem in der Liste der Entgelte neu aus-
müssen diese versteuern, sofern die Voraus-
drücklich erwähnt. Demgegenüber sollen
setzungen für die objektive und subjektive
öffentlich-rechtliche Abgaben und Gebühren,
Steuerpflicht gegeben sind. Mit der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen
die der Leistungserbringer nicht selber schul-
Teilrevision des MWSTG wurden in Art. 21
fremde Rechnung vereinnahmt, nicht in die
Abs. 2 Ziff. 18 lit. c MWSTG die Begriffe «Leis-
Bemessungsgrundlage einbezogen werden.
tungen im Bereich der Sozialversicherungen»
Zudem wird definiert, dass kein Eintausch
sowie «Einrichtungen der Sozialversicherun-
vorliegt, wenn der Kunde (Leistungsempfän-
gen» eingeführt. Da diese Begriffe weder im
ger) dem Leistungserbringer beim Kauf eines
MWSTG noch in der Mehrwertsteuerverordnung (MWSTV) 31 definiert wurden, ist eine
neuen Gegenstands einen gebrauchten Ge-
Praxispräzisierung erforderlich. Der Begriff
und dem Kunden kein Wer t (auch nicht
«Einrichtungen der Sozialversicherungen»
Schrottwert) angerechnet wird. B ei ausländischen Währungen gemäss Art.
umfasst Einrichtungen des privaten oder
det, sondern in fremdem Namen und für
genstand lediglich zur Entsorgung übergibt
–
öffentlichen Rechts, die – unabhängig von
45 Abs. 3bis MWSTV, für welche die ESTV
ihrer Rechtsform – nach kantonalem oder
keinen Kurs veröffentlicht, gilt neu der pub-
Bundesrecht vor den wirtschaftlichen Folgen
lizierte Tageskurs für den Verkauf von Devi-
des Eintritts eines sozialen Risikos schützen.
sen einer inländischen Bank. Beim Konzern-
«Die Leistungen im Bereich der Sozialversi-
umrechnungskurs wird spezifizier t, dass
cherungen» umfassen sämtliche Leistungen
dieser von allen Gesellschaften des Konzerns
von Einrichtungen der Sozialversicherungen
angewendet werden muss.
untereinander, unabhängig davon, ob diese öffentlich-rechtlich vorgesehen sind oder der Erbringung von öffentlich-rechtlichen Leis–
3
MWST-Branchen-Info 13: Telekommunikation und elektronische
tungen dienen. N eu soll der Verkauf von Emissionsrechten,
Dienstleistungen
Zertifikaten und Bescheinigungen für Emissionsverminderungen, Herkunftsnachweisen
Der Begriff «anderes elektronisches Netz» schliesst
für Elektrizität und ähnlichen Rechten, Be-
jede Art von analogem oder digitalem, mobilem oder
scheinigungen und Zertifikaten infolge eines Bundesgerichtsurteils 32 nicht mehr als von
nicht mobilem Netz ein. Mit welcher Technik Daten
der Steuer ausgenommene Leistungen im
Beispiele sind das Internet, andere Weitverkehrs-
Geld- und Kapitalverkehr gelten, sondern als
netze (WAN), kabelgebundene oder drahtlose loka-
steuerbare Dienstleistungen i.S.v. Art. 3 lit.
le Netzwerke (LAN oder WLAN), kabelgebundene
e MWSTG, deren Leistungsort sich nach Art.
oder drahtlose persönliche Netzwerke sowie virtu-
8 Abs. 1 MWSTG bestimmen sollte.
elle private Netzwerke (VPN). Im Allgemeinen bewirkt
oder Signale übermittelt werden, spielt keine Rolle.
die blosse Nutzung des Internets oder eines anderen elektronischen Netzes zum Zweck der Übermittlung von Informationen oder Ergebnissen im Zusammenhang mit einer Leistung nicht, dass diese Leistung als elektronische Dienstleistung gilt. Beispielsweise führt der Online-Kauf von Schuhen nicht dazu, dass mehrwertsteuerlich eine elektronische Dienstleistung vorliegt. Der Kauf qualifiziert weiter31 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (SR 641.201; MWSTV). 32 BGer 2C_488/2017 vom 9. April 2019.
Steuer Update 2021 Mehrwertsteuer
24
hin als Lieferung. Was als elektronische Dienstleis-
GmbH ihren Taxibetrieb inkl. Taxibetriebsbewilligung
tungen qualifiziert und was nicht, wird in Art. 10
auf die A. GmbH in Gründung. Ab diesem Datum
MWSTV nicht abschliessend definiert.
betrieb die B. GmbH nur noch einen Limousinenservice. Im Jahr 2016 verlegte die Gesellschaft
Die Begriffe Automatisierung und menschliche Be-
ihren Sitz nach V./AG und firmierte in D. GmbH um.
teiligung spielen eine wichtige Rolle bei der Frage,
Im Mai 2017 erfolgte die Konkurseröffnung über die
ob eine elektronische Dienstleistung vorliegt oder
B. bzw. D. GmbH, wobei das Konkursverfahren im
nicht, da der Leistungsort je nach Qualifikation
Juni 2017 mangels Aktiven eingestellt wurde.
entsprechend unterschiedlich ausfällt und folglich zu unterschiedlicher mehrwertsteuerlicher Behand-
Vom 1. April 2007 bis zum 31. Dezember 2016 war
lung führt. Vorbereitungs-, Entwicklungs-, Unter-
die B. GmbH im Register der mehrwertsteuerpflich-
halts- oder Weiterentwicklungsarbeiten sowie
tigen Personen bei der ESTV eingetragen. Für den
Arbeiten im Zusammenhang mit der Fehlerbehebung
Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember
an einem System, einer Website, einem Portal,
2012 erfolgte im Juli 2012 und März 2014 eine
einer Software, einer Datenbank und dergleichen,
MWST-Kontrolle. Nach Abschluss der Kontrolle er-
mit denen eine (elektronische) Dienstleistung er-
gaben sich Steuerkorrekturen zugunsten der ESTV
bracht wird, werden für die Frage der menschlichen
von CHF 43 139 bzw. CHF 16 642 für die Steuerpe-
Beteiligung nicht berücksichtigt bzw. gelten als
rioden 2007–2009 bzw. 2010–2012. Diese Nachbe-
minimale menschliche Beteiligung. Für die Frage,
lastungen stellte die ESTV der A. GmbH in Rechnung
ob bei einer Dienstleistung die menschliche Betei-
und bestätigte diese mit Verfügungen vom 5. April
ligung noch minimal ist oder ob sie darüber hinaus-
2016. Die dagegen erhobenen Einsprachen wies die
geht, spielen die beiden Hauptkriterien des Vorhan-
ESTV ab und stellte fest, dass die A. GmbH als
denseins einer menschlichen und persönlichen
Steuernachfolgerin in die Rechte und Pflichten der
Interaktion zwischen dem Leistungserbringer (oder
B. bzw. D. GmbH eingetreten sei. A. GmbH wurde
eines von ihm beauftragten Dritten) und dem Leis-
folglich zur Zahlung der Steuernachforderungen
tungsempfänger sowie der Grad der Individualisie-
nebst Verzugszins verpflichtet. Das Bundesverwal-
rung eine wichtige Rolle. Zum Beispiel liegt eine von
tungsgericht (BVGer) hiess die Beschwerde der A.
der Steuer ausgenommene Bildungsleistung und
GmbH gut. Dagegen gelangte die ESTV an das
nicht eine elektronische Dienstleistung vor, wenn
Bundesgericht (BGer).
der Teilnehmer live Zugriff auf ein Kursvideo hat und zudem die Möglichkeit besteht, während und
Das BGer musste im vorliegenden Fall die Tatbe-
nach der Ausstrahlung des Videos mit dem Kurslei-
standselemente der mehrwertsteuerlichen Steuer-
ter in Kontakt zu treten.
nachfolge prüfen. Vor Inkrafttreten des geltenden Rechts ging die bundesgerichtliche Praxis dahin, dass sämtliche Aktiven und Verbindlichkeiten über-
B
tragen werden müssten, damit eine Steuernachfolge ausgelöst werden kann, denn im aMWSTG 34 war
Entscheide
von der Übernahme einer Unternehmung «mit Aktiven und Passiven» die Rede. Folglich verneinte das BGer das Vorliegen einer mehrwertsteuerlichen
1
Partielle mehrwertsteuerliche
Steuernachfolge, wenn sich die Übertragung auf
Steuernachfolge bei Übertragung
einzelne Aktiven bzw. einzelne Aktiven und Verbind-
eines Teilvermögens
lichkeiten beschränkte.
Art. 16 Abs. 2 MWSTG knüpft an das Fusionsrecht
Art. 16 Abs. 2 MWSTG enthält die Wendung «Aktiven
an, weshalb die Steuersukzession auch bei der
und Passiven» nicht mehr und bestimmt, dass der-
Übertragung eines Teilvermögens eintreten kann.
jenige, der ein Unternehmen übernimmt, in die
Allerdings ist die partielle Steuernachfolge auf die
steuerlichen Rechte und Pflichten des Rechtsvor-
mit dem Teilvermögen zusammenhängenden Mehr-
gängers eintritt. Somit lehnt sich die mehrwertsteu-
wertsteuern beschränkt.
erliche Steuernachfolge nun mehr an das Fusions-
33
gesetz an, was dazu führt, dass eine UnternehmensDer statutarische Zweck der B. GmbH bestand im
übernahme auch dann vorliegen kann, wenn nicht
gewerblichen Transport von Gütern und Personen.
sämtliche Aktiven und Passiven oder wesentliche
Im Dezember 2015 bzw. März 2016 übertrug die B.
Bestandteile davon übernommen werden. Zusam-
33 BGE 146 II 73. 34 Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer vom 2. September 1999; revidiert per 1. Januar 2010.
Steuer Update 2021 Mehrwertsteuer
25
menfassend kommt das BGer folglich zum Schluss,
den kann. Das BVGer war der Ansicht, dass Art. 13
dass neurechtlich eine partielle Steuernachfolge
Abs. 2 MWSTG den Steuerpflichtigen ein Gestal-
möglich und auf die mit dem Teilvermögen zusam-
tungsrecht einräume, welches nach allgemeiner
menhängenden Mehrwertsteuern beschränkt ist.
Regel nur für die Gegenwart oder Zukunft wirken kann. Eine Wirkung für die Vergangenheit kann nur
Infolge dieses Bundesgerichtsurteils hat die ESTV
dann angenommen werden, wenn sich dafür im
den Entwurf Praxisanpassungen zum Thema Steuer
Gesetz selbst eine Grundlage finde, was aber im
nachfolge und Haftung im Konsultativgremium veröffentlicht. 35 Darin schlägt die ESTV vor, dass
konkreten Fall vom BVGer verneint wurde. Von der
bei der Übernahme eines Gesamtvermögens nach
mit Blick auf den Normzweck nicht überzeugt. Mit
Art. 16 Abs. 2 MWSTG eine Steuernachfolge vorlie-
dem Institut der Mehrwertsteuergruppe wird einer-
gen soll. Weiter wird erläutert, dass bei der Über-
seits die Vermeidung einer «taxe occulte» im grup-
nahme eines Teilvermögens nur dann eine Steuer-
peninternen Verhältnis und andererseits die Ver-
nachfolge eintreten soll, wenn es sich bei den be-
einfachung der administrativen Abläufe bezweckt.
teiligten Unternehmen um eng verbundene Personen
Für die Rückwirkung des Gesuchs um Gruppenbe-
i.S.v. Art. 3 lit. h MWSTG handelt. Entsprechend
steuerung spricht der erste Zweck und für die Ab-
sollte die Übernahme eines Teilvermögens unter
lehnung eher der zweite. Praxisgemäss lässt die
unabhängigen Dritten keine Steuernachfolge bewir-
ESTV eine rückwirkende Eintragung einer MWST-
ken.
Gruppe zu, wenn noch keines der in der MWST-
Auslegung des BVGer war das BGer allerdings insb.
Gruppe zusammenzufassenden Steuersubjekte die MWST-Abrechnung eingereicht hat und zudem die 2 Gruppenbesteuerung
Frist zur Einreichung der Abrechnung noch nicht verstrichen ist.
Der Zusammenschluss zu einer MWST-Gruppe erfolgt grundsätzlich auf den Beginn der dem Antrag nach-
Im Zeitpunkt des Gesuchs hatte keine der Zweig-
folgenden Steuerperiode. Eine rückwirkende Eintra-
niederlassungen die MWST-Abrechnung eingereicht.
gung einer MWST-Gruppe auf den Beginn der lau-
Allerdings war nicht klar, ob die Frist für die Einrei-
fenden Steuerperiode ist ausnahmsweise nur dann
chung der Abrechnungen bereits abgelaufen war
möglich, wenn noch kein Gruppenmitglied die MWST-
oder nicht. Daher wurde die Beschwerde gutgeheis-
Abrechnung eingereicht hat und die Frist zur Einrei-
sen und an das BVGer zwecks weiterer Sachver-
chung der Abrechnung noch nicht verstrichen ist. 36
haltsabklärungen zurückgewiesen.
Über ihre Niederlassungen auf den Bermudas, in den USA, in Europa und in Kanada ist die C. Ltd. weltweit
3 Abspaltung
als Erst- und Rückversicherer tätig und hält zudem über die D. Ltd. mit Sitz in Irland verschiedene Toch-
Für den Beginn der mehrwertsteuerlichen Leis-
tergesellschaften, darunter die ebenfalls in Irland
tungszuordnung ist in erster Linie auf das Datum
ansässigen E. Ltd. und F. Ltd. Sowohl die E. Ltd. als
der Eintragung der Abspaltung im Handelsregister
auch die F. Ltd. begründeten im Jahr 2009 bzw. 2014
abzustellen. 37
je eine Zweigniederlassung in der Schweiz. Die beiden Zweigniederlassungen stellten am 9. Dezember
Die A. AG war im Register der Mehrwertsteuerpflich-
2014 ein Gesuch um Gruppenbesteuerung per
tigen eingetragen. Am 26. Juni 2012 beschloss die
6. August 2014, welches allerdings von der ESTV
Generalversammlung der A. AG die Abspaltung des
abgelehnt wurde. Die ESTV stimmte jedoch einer
Unternehmensteils «Engineering» in die neu zu
Gruppenbesteuerung ab 1. Januar 2015 zu.
gründende B. AG rückwirkend per 1. Januar 2012. Am 5. Juli 2012 wurde die B. AG ins Handelsregister
Vor dem BGer war unbestritten, dass die beiden
eingetragen. Die Abspaltung wurde am 10. Juli 2012
Zweigniederlassungen die materiellen Vorausset-
im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) pub-
zungen für eine Gruppenbesteuerung erfüllen. Jedoch
liziert. Die ESTV trug die B. AG per 1. Juli 2012
waren die Verfahrensparteien sich darüber nicht
ins Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen
einig, ob die Gruppenbesteuerung angesichts des
ein. Nachdem die ESTV bei der A. AG eine Kontrolle
Gesuchszeitpunkts «rückwirkend» ab dem 6. August
betreffend die Steuerperioden 2011 bis 2014 durch-
2014 oder erst ab 1. Januar 2015 beansprucht wer-
geführt hatte, erliess sie am 17. Mai 2017 eine
35 Entwurf Praxisanpassungen der ESTV zum Thema Steuernachfolge / Haftung vom 2. Februar 2021. 36 BGer 2C_962/2018 vom 29. Januar 2020. 37 BGer 2C_255/2020 vom 18. August 2020.
Steuer Update 2021 Mehrwertsteuer
26
Einschätzungsmitteilung. Für die genannten Steu-
BGer nicht mehr, dass sämtliche vorliegend rele-
erperioden forder te die EST V von der A. AG
vanten Leistungen von der A. AG erbracht und die
CHF 111 353 an Mehrwertsteuern nach.
in diesem Zusammenhang massgebenden Rechnungen im April, Mai und Juni 2012 im Namen der A.
Die A. AG verlangte eine anfechtbare Verfügung und
AG ausgestellt worden sind. Umstritten war indes,
machte im Wesentlichen geltend, die Umsätze des
ob die rückwirkend auf den 1. Januar 2012 vorge-
zweiten Quartals 2012, welche der B. AG zuzurech-
nommene Abspaltung in rechtlicher Hinsicht einen
nen seien, dürften nicht der A. AG nachbelastet
Einfluss auf die mehrwertsteuerliche Zuordnung der
werden. Diese Umsätze seien in den Büchern der
Leistungen im zweiten Quartal des Jahres 2012
B. AG verbucht. Gegenstand der zu beurteilenden
zeitigt. Da nach den Ausführungen des BGer auf-
Angelegenheit war die Frage, welcher Gesellschaft –
grund des Aussenauftritts bestimmt wird, welche
der A. AG oder der B. AG – die im zweiten Quartal
Person als mehrwertsteuerliche Leistungserbringe-
des Jahres 2012 erbrachten Leistungen zuzurechnen
rin gilt, ist für den Beginn der mehrwertsteuerlichen
sind und welche der beiden deshalb auf den in den
Leistungszuordnung in erster Linie auf das Datum
Monaten April, Mai und Juni 2012 fakturierten Um-
der Eintragung der Abspaltung im Handelsregister
sätzen die Mehrwertsteuer zu entrichten hat.
abzustellen. Im Lichte der unbestritten gebliebenen Tatsache, dass die A. AG im zweiten Quartal des
Zunächst stellte das BGer fest, dass dem in Art. 20
Jahres 2012 sämtliche Rechnungen in ihrem Namen
Abs. 1 MWSTG verankerten Grundsatz, wonach der
ausgestellt sowie die damit zusammenhängenden
Person die Leistung zugerechnet wird, die gegenüber
Leistungen erbracht hat und infolge des Umstands,
der leistungsempfangenden Person als Leistungs-
dass die neu gegründete B. AG erst mit dem Han-
erbringerin auftritt, bei der Zuordnung von Leistun-
delsregistereintrag anfangs Juli 2012 nach aussen
gen im Allgemeinen sowie im Bereich der mehr-
rechtswirksam hat in Erscheinung treten können,
wer tsteuerlichen Stellver tretung grundlegende
bestand kein Zweifel, dass bloss die A. AG während
Bedeutung zukomme. Weiter führte das BGer aus,
des zweiten Quartals 2012 nach aussen aufgetreten
dass eine Vertretung im mehrwertsteuerlichen Sinn
ist. Die A. AG galt demnach als Leistungserbringerin,
ausschliesslich dann vorliege, wenn nicht die ver-
die im Sinne von Art. 20 Abs. 1 MWSTG die relevan-
tretende Person (Stellvertreterin) nach aussen als
ten Leistungen erbracht hat. Sie hatte als Steuer-
Leistungserbringerin auftrete. Schliesslich stellte
subjekt der Mehrwertsteuer auf den Umsätzender
das Höchstgericht klar, dass die mehrwertsteuerli-
in den Monaten April, Mai und Juni 2012 ausgestell-
che Stellvertretung ein Zuordnungskonzept sei, das
ten Rechnungen die Mehrwertsteuer zu entrichten.
sich an die zivilrechtliche Stellvertretung nach Art. 32 ff. OR anlehne, von dieser aber zu unterscheiden
Bei Umstrukturierungen muss somit beachtet wer-
ist. Gemäss Art. 20 Abs. 3 MWSTG liegt eine indi-
den, dass es im MWST-Recht keine Rückwirkung
rekte Stellvertretung vor, wenn die stellvertretende
bezüglich der Leistungszuordnung gibt. Vielmehr
Person in eigenem Namen, aber auf Rechnung der
ist der Aussenauftritt massgebend, der sich gestützt
vertretenen Person tätig wird. In diesem Fall wird
auf das Datum der Eintragung der Umstrukturierung
in Anwendung des Grundsatzes von Art. 20 Abs. 1
im Handelsregister bestimmt.
MWSTG die mehrwertsteuerliche Leistung der Stellvertreterin als nach aussen auftretende Person zugerechnet. Nach dem gesetzgeberischen Willen liegt im Fall der indirekten Stellvertretung demzu-
4
Leistungen an eng verbundene Personen
folge keine «Vertretung im mehrwertsteuerlichen Sinn» vor. Das Stellvertretungsverhältnis wird im
Bei Leistungen zwischen eng verbundenen Unter-
Rahmen der indirekten Stellvertretung mehrwert-
nehmen ist aus MWST-Sicht Vorsicht geboten. 38
steuerlich gleich behandelt wie das Aussenverhältnis zwischen der (indirekten) Stellvertreterin und
Die A. GmbH bezweckte unter anderem den Betrieb
der leistungsempfangenden Drittperson. Demzufol-
eines Architekturbüros. Sie war im Register der
ge wird das Stellvertretungsverhältnis durch das
Mehrwertsteuerpflichtigen bei der ESTV eingetragen
mehrwertsteuerliche Leistungsverhältnis ersetzt.
und verwendete die Saldosteuersatzmethode. Die A. GmbH handelte durch ihre beiden im Handelsre-
In tatsächlicher Hinsicht war unbestritten, dass die
gister eingetragenen einzelzeichnungsberechtigten
B. AG am 5. Juli 2012 ins Handelsregister eingetra-
Gesellschafter B. und C. Die D. GmbH bezweckte
gen und die Abspaltung am 10. Juli 2012 im SHAB
die Erbringung von Dienstleistungen im Immobili-
publiziert worden ist. Sodann bestritt die A. AG vor
enbereich. Sie war ebenfalls im Register der Mehr-
38 BGer 2C_443/2020 vom 8. Oktober 2020.
Steuer Update 2021 Mehrwertsteuer
27
wertsteuerpflichtigen eingetragen und verwendete
ren beanstandete die A. GmbH eine falsche Ausle-
auch die Saldosteuersatzmethode. Sie wurde von
gung und Anwendung von Art. 24 Abs. 2 MWSTG.
B. als einzigem Gesellschafter und Geschäftsführer
Sie machte geltend, die Vorinstanz verwende für
geführt. Die E. GmbH bezweckte ebenso die Erbrin-
die Bestimmung des Drittpreises die Wiederver-
gung von Dienstleistungen im Immobilienbereich.
kaufsmethode, was aber vorliegend keinen Sinn
Sie war auch im Register der Mehrwertsteuerpflich-
mache und auch nicht den Richtlinien der Organi-
tigen bei der ESTV eingetragen und verwendete die
sation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Saldosteuersatzmethode. Sie hatte C. als einzigen
Entwicklung (OECD) entspreche. Demgegenüber
Gesellschafter und Geschäftsführer.
hielt das BGer fest, dass bei fehlenden detaillierten Unterlagen die Wiederverkaufsmethode oftmals die
Mit Einschätzungsmitteilung machte die ESTV ge-
einzige praktikable Methode zur Bestimmung des
genüber der A. GmbH die Differenz zur deklarierten
Werts einer Leistung unter eng verbundenen Per-
Steuer in der Höhe von CHF 34 645 zuzüglich Ver-
sonen sei.
zugszins geltend (Steuerperioden 2012 bis 2015). Die ESTV begründete ihre Nachforderung mit nicht
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass aus MWST-
verbuchten und nicht versteuerten Leistungen der
Sicht bei Leistungen zwischen eng verbundenen
A. GmbH an die zwei eng verbundenen D. GmbH
Unternehmen Vorsicht geboten ist und sofern mehr-
und E. GmbH. Sie führte insbesondere aus, dass die
wertsteuerlich ein Leistungsverhältnis bejaht werden
D. GmbH und die E. GmbH ohne Personal und Mo-
kann, die Wiederverkaufsmethode als sachgerecht
bilien ihre Geschäftstätigkeiten nicht erbringen
erscheint.
könnten. Die A. GmbH beantragte, dass die Nachforderung gemäss Einschätzungsmitteilung in Höhe von CHF 34 645 auf CHF 12 20,60 zu reduzieren sei.
C
Sie brachte im Wesentlichen vor, sie habe weder
Ausblick
der D. GmbH noch der E. GmbH Leistungen erbracht. Gegenstand des vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahrens war die Frage, ob von der A. GmbH zu-
An seiner Sitzung vom 19. Juni 2020 hat der Bun-
gunsten der D. GmbH und der E. GmbH Leistungen
desrat die Teilrevision des MWSTG und der MWSTV
im mehrwertsteuerlichen Sinne erbracht worden
eröffnet. Vorgeschlagen wird unter anderem die um-
sind, für die ein unabhängiger Dritter ein Entgelt
fassende Besteuerung von Versandhandelsplattfor-
geleistet hätte. Es war unbestritten, dass es sich
men und die Vereinfachung der Mehrwertsteuerab-
aus Sicht der A. GmbH bei der D. GmbH und der E.
rechnungen für KMU. Die Vernehmlassungsfrist dau-
GmbH aufgrund der Stellung ihrer Gesellschafter
erte bis zum 12. Oktober 2020. Nachfolgend werden
und Geschäftsführer um eng verbundene (juristische)
einige der vorgeschlagenen Änderungen im Detail
Personen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 MWSTG in
vorgestellt. 39
Verbindung mit Art. 3 lit. h MWSTG handelt. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist von einer Entgeltlichkeit und von einem mehrwertsteuerlichen Leistungsaustauschverhältnis selbst dann auszuge-
1
Besteuerung von InternetVersandhandelsplattformen
hen, wenn zwar überhaupt kein Entgelt bezeichnet und bezahlt wird, jedoch die Leistung, die der na-
Elektronische Plattformen wie Internet-Marktplätze
hestehenden Drittperson erbracht wird, üblicher-
sollen im Bereich des Versandhandels selbst als
weise nur gegen Entgelt erhältlich ist. In diesem
Leistungserbringerinnen gelten und nicht mehr die
Zusammenhang bestimmt Art. 24 Abs. 2 MWSTG,
Unternehmen, die ihre Produkte über diese Platt-
dass bei Leistungen an eng verbundene Personen
formen vertreiben. Folge davon ist, dass sie die
als Entgelt der Wert gilt, der unter unabhängigen
Mehrwertsteuer entrichten müssen. Sollten diese
Dritten vereinbart würde.
ihren Deklarations- und Zahlungspflichten nicht ordnungsgemäss nachkommen, so kann die ESTV
Die A. GmbH beanstandete zunächst eine willkürli-
administrative Massnahmen verfügen. Zu diesen
che Beweiswürdigung, wobei es ihr nicht gelang
Massnahmen gehören Einfuhrverbote für Lieferun-
aufzuzeigen, dass die Vorinstanz eine unhaltbare
gen des betreffenden Unternehmens und als här-
Beweiswürdigung vorgenommen hatte. Des Weite-
testes und letztes Mittel die Vernichtung der Ge-
39 Vgl. Erläuternder Bericht der ESTV zur Vernehmlassung zur Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes und zur Teilrevision der Mehr - wertsteuerverordnung vom 19. Juni 2020 sowie Vorentwurf des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer und der Mehrwert steuerverordnung.
Steuer Update 2021 Mehrwertsteuer
28
genstände. Auch können die Namen der fehlbaren Unternehmen zum Schutz der Kunden veröffentlicht werden. Um ihren Deklarations- und Zahlungspflichten nachkommen zu können, erhalten Online-Plattformen Auskunftsrechte gegenüber Unternehmen, die Lieferungen und Dienstleistungen auf der Plattform anbieten wollen.
2
Bezugsteuerpflicht
Gegenwärtig kommt die Bezugsteuer bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen nur dann zur Anwendung, wenn die Dienstleistungen nach Art. 8 Abs.1 MWSTG am inländischen Empfängerort steuerbar sind. Neu soll für grenzüberschreitende Leistungen an Steuerpflichtige grundsätzlich die Bezugsteuer angewendet werden, wenn der Leistungsort im Inland liegt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine ausländische Unternehmung, die in der Schweiz nicht im Mehrwertsteuerregister eingetragen ist, eine Reparaturleistung im Inland für eine mehrwertsteuerpflichtige Unternehmung erbringt. Dadurch entfällt in zahlreichen Fällen die Mehrwertsteuerpflicht des ausländischen Unternehmens in der Schweiz bzw. die Ablieferung der MWST wird auf den Schweizer Empfänger überwälzt, der die Bezugsteuer deklariert und gleich als Vorsteuer wieder in Abzug bringen kann. Zudem soll als Massnahme zur Steuersicherung der Handel mit Emissions- und vergleichbaren Rechten der Bezugsteuer unterstellt werden.
3 Subventionen Neu sollen alle Zahlungen, welche die Kantone und Gemeinden als Subventionen bezeichnen, grundsätzlich auch bei der Mehrwertsteuer als Subventionen qualifizieren. Davon muss aber weiterhin die steuerpflichtige Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen für den eigenen Bedarf des Gemeinwesens abgegrenzt werden.
Steuer Update 2021 Mehrwertsteuer
29
VI Internationale Steuern Nadia Tarolli Schmidt, Advokatin und dipl. Steuerexpertin Adrian Briner, dipl. Wirtschaftsprüfer und dipl. Steuerexperte Flurin Bleisch, MLaw, Volontär
A
der Tätigkeit pocht. In der Folge wäre das Erwerbs-
Internationale Abkommen
einkommen betroffener Grenzgänger in Österreich steuerpflichtig. Ob die Schweiz dieses Einkommen dann von der Besteuerung ausnimmt, ist unklar, dies müsste aber wohl der Fall sein. Der Nachweis des effektiven Arbeitsortes mittels Kalender bleibt für diese Grenzgänger unabdingbar. Die erwähnten
1
Covid-19: Auswirkungen auf die
Regelungen sind je nach Land zeitlich unterschied-
Sozialversicherungen und Besteuerung
lich befristet und es ist daher wichtig, die Laufzeiten
von Grenzgängern
pro Land im Auge zu behalten.
Aufgrund der länderspezifisch erlassenen Gesundheitsvorschriften konnten und können viele Grenz-
b)
Sozialversicherungen: Keine Änderungen
gänger ihren Arbeitsplatz zurzeit nicht physisch aufsuchen. Mit der damit verbundenen Zunahme
In Bezug auf Deutschland, Frankreich, Italien, Ös-
der Arbeit im Homeoffice ergeben sich steuerlich
terreich und Liechtenstein hat die Schweiz eine
und sozialversicherungsrechtlich diverse Unsicher-
flexible Anwendung der Unterstellungsregeln bis
heiten. Dabei ist es wichtig, die beiden Themen zu
zum 30. Juni 2021 vereinbart. Sozialversicherungs-
unterscheiden, da die Regeln nicht zwingend ver-
rechtlich soll sich die Versicherungsunterstellung in
gleichbar ausgestaltet sind.
Bezug auf Personen, die dem Freizügigkeitsabkommen oder dem EFTA-Übereinkommen unterstehen, aufgrund der Covid-19-Einschränkungen nicht ändern.
a)
Steuern: Lockerungen für Grenzgänger
Eine Person wird entsprechend auch dann als in der Schweiz erwerbstätig betrachtet, wenn sie ihre
Die Schweiz hat als Reaktion auf die Covid-19-Pan-
Tätigkeit hier physisch wegen der Covid-19-Pande-
demie mit Deutschland, Frankreich, Italien und
mie nicht ausüben kann. Davon sind insbesondere
Liechtenstein vorläufige Vereinbarungen zur Be-
Grenzgänger im Homeoffice betroffen. Diese flexi-
steuerung von Grenzgängern bei Telearbeit (Home-
ble Auslegung entspricht den EU-Empfehlungen
office) abgeschlossen. Für die Dauer der Covid-
betreffend die Anwendung des europäischen Koor-
19-Pandemie lösen diese Vereinbarungen die Ein-
dinationsrechts. Die flexible Anwendung gilt vor-
kommensteuerprobleme, die bei Homeoffice für
aussichtlich bis zum 30. Juni 2021. Sobald sich die
Grenzgänger ansonsten entstehen würden. Demnach
Gesundheitssituation normalisiert hat, gelten wieder
sollen die bestehenden Steuerabkommen wie bisher
vollumfänglich die üblichen Unterstellungsregeln.
gelten, solange die Covid-19-Ausnahmeregelungen
Aufgrund des Brexits ist zu beachten, dass für
in Kraft sind. Das bedeutet, dass Grenzgänger, die
Grossbritanien die EU-Empfehlungen nicht mehr
von zu Hause aus arbeiten müssen, weiterhin den
anwendbar sind (vgl. zur Situation mit Grossbritan-
selben Steuerregelungen unterliegen, wie wenn sie
nien nachfolgend unter D).
physisch an ihrem bisherigen Arbeitsort tätig wären. Die Covid-19-Situation wird also faktisch ignoriert. Mit Österreich wurde und wird voraussichtlich keine besondere Vereinbarung abgeschlossen, womit die Gefahr besteht, dass Österreich im Fall von Homeoffice auf die Massgeblichkeit des Ausübungsorts
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
30
Steuern: Vorläufige Vereinbarungen zur Grenzgängerbesteuerung
Sozialversicherungen: Flexible Anwendung der Unter stellungsregeln im Sozialversicherungsrecht
Deutschland
Konsultationsvereinbarung: Gültig bis 31. März 2021
Bis zum 30. Juni 2021
Frankreich
Verständigungsvereinbarung: Gültig bis 30. Juni 2021
Bis zum 30. Juni 2021
Italien
Verständigungsvereinbarung: Bis auf Weiteres gültig; Verlängerung jeweils um einen Monat; Behörden müssen sich im Voraus auf einen Beendigungszeitpunkt einigen
Bis zum 30. Juni 2021
Liechtenstein
Verständigungsvereinbarung: Bis auf Weiteres gültig; Verlängerung jeweils um einen Monat; Einseitig bis mind. eine Woche vor Ablauf kündbar
Bis zum 30. Juni 2021
Österreich
Keine
Bis zum 30. Juni 2021
c)
Homeoffice im Ausland birgt für
schafft.» 41 Um das Risiko der Begründung einer
Unternehmen ein Risiko
Betriebsstätte zu reduzieren, empfehlen wir Arbeitgebern mit Grenzgängern im Homeoffice dieses
Die erwähnten Vereinbarungen enthalten keine
Risiko stets im Auge zu behalten – dies umso mehr,
Bestimmungen, welche die Regeln betreffend die
je länger die Situation dauert. Aus Steuersicht – also
Begründung einer Betriebsstätte des Arbeitgebers
mit Blick auf die Vermeidung einer ausländischen
im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers ändern würden.
Betriebsstätte – ist bei internationalen Grenzgängern
Aus Sicht der Schweiz kann ein Arbeitgeber grund-
auf regelmässiges Homeoffice zu verzichten, wenn
sätzlich am Wohnsitz des Arbeitnehmers eine Be-
die Präsenz am Arbeitsplatz grundsätzlich möglich
triebsstätte begründen, wenn die Geschäftstätigkeit
ist. Dies gilt insbesondere für die Zeit nach der
des Unternehmens in einer festen Geschäftseinrichtung ganz oder teilweise ausgeübt wird. 40 In ande-
Covid-19-Pandemie und speziell für Mitarbeiter mit Abschlussvollmachten. 42 Für die Zeit während der
ren Staaten können die Anforderungen an die Be-
Pandemie ist empfehlenswert zu dokumentieren,
gründung einer Betriebsstätte allerdings wesentlich
welche Regeln im Unternehmen betreffend Home-
tiefer sein. In einer Analyse der Organisation für
office gegolten haben.
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu den geltenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) wurde immerhin festgehalten, dass
2
Änderungen Doppelbesteuerungs
es sich bei der Covid-19-Pandemie um höhere Gewalt
abkommen: Anpassungen an BEPS
handelt. Dabei wurde zusammengefasst, «dass die
Mindeststandards
Telearbeit von Einzelpersonen von zu Hause aus (d. h. im Homeoffice) als eine Massnahme des
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vermeiden
öffentlichen Gesundheitswesens, die von mindestens
bekanntlich die Doppelbesteuerung und sind somit
einer der Regierungen der beteiligten Staaten auf-
ein wichtiges Element zur Förderung internationaler
erlegt oder empfohlen wurde, um die Ausbreitung
Wirtschaftsaktivitäten. Als OECD-Mitglied hat sich
des Covid-19-Virus zu verhindern, keine Betriebs-
die Schweiz aktiv am BEPS-Projekt gegen Gewinn-
stätte für das Unternehmen bzw. den Arbeitgeber
verkürzung und -verlagerung (Base Erosion and
40 41 42
Vgl. Art. 52 Abs. 2 DBG. Updated guidance on tax treaties and the impact of the COVID-19 pandemic, OECD, 21. Januar 2021, Ziff. 19. Roland Luchsinger, COVID-19: GRENZGÄNGER – Fragen zu Outbound-Betriebsstätten durch Homeoffice in: ExpertFocus 12/20, S. 971.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
31
Profit Shifting, BEPS) beteiligt. Auch im Jahr 2020
Im Jahr 2020 wurden Änderungsprotokolle mit
hat die Schweiz die Umsetzung der Mindeststandards
Liechtenstein, Malta und Zypern unterzeichnet.
aus dem BEPS-Projekt in Sachen DBA weiter vor-
Zudem traten die Änderungsprotokolle mit Irland,
angetrieben. Die bedeutendste Änderung des neu
Korea, Neuseeland, den Niederlanden, Norwegen,
angepassten DBA ist die Einführung einer Miss-
Schweden und der Ukraine in Kraft. Im Übrigen
brauchsklausel, gemäss welcher Vorteile des DBA
verabschiedete der Bundesrat die Botschaften zum
nicht gewährt werden, wenn das Erlangen dieser
neuen DBA mit Bahrain und zum Änderungsprotokoll
Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke einer
mit Kuwait. Schliesslich hat die Schweiz die nötigen
Gestaltung oder Transaktion war. Wobei aus Sicht
Schritte zur Änderung der DBA mit Luxemburg und
der Schweiz nur dann ein Missbrauch vorliegt, wenn
Litauen durch das BEPS-Übereinkommen unternom-
neben dem Steuervorteil keine anderen betriebs-
men. Nachfolgend findet sich eine Übersicht über
wirtschaftlichen Vorteile geltend gemacht werden
die wesentlichen Inhalte dieser Vereinbarungen.
können.
Aktueller Stand
Vereinbarung
Neuseeland
In Kraft seit 10. Dezember 2020
Irland
In Kraft seit 21. Oktober 2020
Änderungsprotokoll zum DBA: Setzt Mindeststandards in Sachen DBA um. Zudem wurde eine Schiedsklausel aufgenommen.
Schweden
In Kraft seit 06. Dezember 2020
Niederlande
In Kraft seit 30. November 2020
Republik Korea
In Kraft seit 28. Oktober 2020
Norwegen
In Kraft seit 26. Oktober 2020
Ukraine
In Kraft seit 16. Oktober 2020
Luxemburg
In Kraft seit 27. Mai 2020
Litauen
In Kraft seit 16. November 2020
Liechtenstein
BR verabschiedete Botschaft zu den Änderungen des DBA am 11. November 2020
Malta
BR verabschiedete Botschaft zu den Änderungen des DBA am 11. November 2020
Zypern
BR verabschiedete Botschaft zu den Änderungen des DBA am 11. November 2020
Bahrain
BR verabschiedete Botschaft zum neuen DBA am 26. August 2020
Neues DBA: Setzt Mindeststandards gemäss dem BEPS-Projekt um.
Kuwait
BR verabschiedete Botschaft zu den Änderungen des DBA am 26. August 2020
Änderungsprotokoll zum DBA: Setzt wesentliche Teile der Mindeststandards in Sachen DBA um. Zudem wurde eine Schiedsklausel aufgenommen.
Änderungsprotokoll zum DBA: Setzt Mindeststandards in Sachen DBA um.
Mit Verständigungsvereinbarung haben die zuständigen Behörden die Auswirkungen des BEPS-Überein kommens auf das bilaterale DBA f estgehalten.
Änderungsprotokoll zum DBA: Setzt Mindeststandards in Sachen DBA um.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
32
3
Änderungen Doppelbesteuerungs
Wohngemeinde zurückkehren. Im Besonderen sieht
abkommen: Verständigungsvereinba-
eine Bestimmung zudem regelmässige Überprüfungen
rungen über das Schiedsverfahren
und allfällige Anpassungen in Bezug auf Homeoffice
mit den USA, Australien und Österreich
vor.
Gemäss den typischen Wortlauten der DBA regeln die zuständigen Behörden das Schiedsverfahren in
B
Streitfragen zu den DBA im gegenseitigen Einver-
Australien und Österreich vereinbart.
Wesentliche neue Gesetze und Verordnungen
4
1
nehmen. Entsprechende Regeln zur Durchführung von Schiedsverfahren wurden 2020 mit den USA,
Neues Grenzgängerabkommen mit
Verordnung über die Anrechnung ausländischer Quellensteuern
Italien unterzeichnet Die Schweiz und Italien haben am 23. Dezember
Am 1. Januar 2020 wurde die Verordnung über die
2020 ein neues Abkommen über die Besteuerung
pauschale Steueranrechnung (VpStA) in Verordnung
von Grenzgängern sowie ein Änderungsprotokoll
über die Anrechnung ausländischer Quellensteuer
zum DBA CH/I unterzeichnet. Vor seinem Inkraft-
(VStA) umbenannt. Neben der Umbenennung wur-
treten muss das Abkommen von den Parlamenten
den aber auch wesentliche Änderungen an der
beider Länder genehmigt werden.
Verordnung vorgenommen, welche ebenfalls bereits seit dem 1. Januar 2020 in Kraft getreten sind. Diese
Gemäss dem derzeit gültigen Abkommen werden
wurden bislang möglicherweise erst von wenigen
Grenzgänger, die in der Schweiz arbeiten, aus-
Steuerpflichtigen wahrgenommen, können aber
schliesslich in der Schweiz besteuert. Von den
beträchtliche Auswirkungen haben.
Einnahmen aus der Quellensteuer für italienische Grenzgänger leiten die betroffenen Kantone 40 % als finanziellen Ausgleich an die italienischen Wohnsitzgemeinden dieser Grenzgänger weiter.
a)
Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung
Für bestehende Grenzgänger ändert sich an diesem
Die meisten Staaten erheben auf Zahlungen gewis-
Vorgehen gemäss der neuen Vereinbarung bis 2033
ser Erträge an ausländische Empfänger eine Quel-
nichts. Als bestehende Grenzgänger gelten Personen,
lensteuer. Davon betroffene Erträge sind meist
die zwischen dem 31. Dezember 2018 und dem
Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren, aber z. T. auch
Datum des Inkrafttretens des neuen Abkommens
Dienstleistungser träge oder Ruhegehälter. Die
in den Kantonen Graubünden, Tessin oder Wallis
Schweiz beispielsweise erhebt auf Dividenden und
arbeiten oder gearbeitet haben. Ab dem Steuerjahr
gewissen Zinserträgen die Verrechnungssteuer. Die
2034 wird hingegen die Schweiz keine Ausgleichs-
von der Schweiz mit anderen Staaten abgeschlos-
zahlungen mehr an die italienischen Wohngemein-
senen DBA schliessen in gewissen Fällen die Erhe-
den leisten und das gesamte Steueraufkommen
bung von Quellensteuern aus. Oft wird aber nur die
einbehalten.
Höhe der zulässigen Quellensteuern durch das DBA beschränkt und das Recht, Quellensteuern auf be-
Personen, die ab dem Inkrafttreten der Vereinbarung
stimmten Erträgen zu erheben, dem Quellenstaat
zu Grenzgängern werden, gelten als neue Grenz-
(also dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen)
gänger. Für diese Personen, die in der Schweiz ar-
explizit zugesprochen.
beiten, wird die Schweiz 80 % der Quellensteuer erheben. In Italien werden neue Grenzgänger zu-
Um zu verhindern, dass ein Zahlungsempfänger
dem – unter Vermeidung einer Doppelbesteuerung –
doppelt für den gleichen Ertrag besteuert wird,
ordentlich besteuert. Die in der Schweiz bezahlte
enthalten die von der Schweiz abgeschlossenen DBA
Steuer wird dabei an die italienische Steuer ange-
für diese Erträge eine Bestimmung, welche eine
rechnet.
Entlastung der nicht rückforderbaren ausländischen Quellensteuern von den schweizerischen Steuern
Das Abkommen enthält ausserdem eine genaue
vorsieht. Die VStA regelt das dabei in der Schweiz
Definition des Begriffs Grenzgänger. Diese umfasst
anzuwendende Verfahren für die Anrechnung der
Personen, die in einer Gemeinde im Umkreis von
ausländischen Quellensteuer an die Schweizer Steu-
20 km von der Grenze wohnen und täglich in ihre
er – womit die in der Schweiz effektiv zu zahlende
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
33
Steuer reduziert wird. Liegt zwischen der Schweiz
jahr fällig gewordenen Erträgen in Überein-
und dem Quellenstaat kein DBA vor, kann auch
stimmung mit einem DBA erhoben worden
keine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer
sind. Weiterhin wird der Maximalbetrag der
geltend gemacht werden. In diesen Fällen ist es
Anrechnung auf die Summe der auf diese
jedoch zulässig, bei der Steuerdeklaration die be-
Erträge anfallenden schweizerischen Steuer
lasteten Erträge um die ausländische Quellensteu-
begrenzt, um so eine Überanrechnung zu
er zu kürzen (Nettobesteuerung).
vermeiden. Neu werden die Maximalbeträge getrennt nach den folgenden Ertragskategorien ermittelt (Baskets):
b)
Namenswechsel ist Programm
– Dividenden;
– Zinsen;
– Lizenzgebühren, die in eine
– Lizenzgebühren, die nicht in eine
(Bund, Kanton oder Gemeinde) führt nicht mehr zu
– Dienstleistungserträge;
einer pauschalen Herabsetzung der Steueranrechnung. 43 Eine pauschale Reduktion des Maximalbe-
– Renten.
trags der Steueranrechnung um 2/3, wie dies bei-
Die VStA enthält gegenüber der VpStA kaum mehr Pauschalierungen. So ist insbesondere die pauschale Herabsetzung der Steueranrechnung weggefallen.
Patentbox fallen;
Eine teilweise Besteuerung durch eine Steuerhoheit
Patentbox fallen;
D er Maximalbetrag der anrechenbaren Quel-
spielsweise früher bei Holdinggesellschaften der Fall
lensteuer wird also neu gesondert nach Bas-
war, wird nicht mehr vorgenommen. Neu werden
ket und Steuerart (Bund, Kanton und Gemein-
die Maximalbeträge der Steueranrechnung je Steu-
de) ermittelt. Entsteht in einem Basket ein
erhoheit und je Ertragskategorie separat berechnet.
sogenannter Anrechnungsüberhang, über-
Wie der Namenswechsel bereits andeutet, folgt die
steigen also die anrechenbaren ausländischen
Verordnung der Methode der gewöhnlichen Anrech-
Quellensteuern die Erträge im Basket, kann
nung und nicht (mehr) jener der pauschalen Ermäs-
dieser Überhang nicht mit Erträgen aus ande-
sigung.
ren Baskets verrechnet werden. Gegenüber dem bisherigen System der pauschalen Steueranrechnung, welches die Anrechnung über
c)
Wichtigste Änderungen
die gesamten quellensteuerbelasteten Erträge berechnete, kann dies dazu führen, dass der
Neben dem stärkeren Fokus auf die Methode der
Anrechnungsbetrag insgesamt tiefer ausfällt.
gewöhnlichen Anrechnung enthält die VStA insbe-
Immerhin wird keine weitere Unterteilung auf
sondere die folgenden massgeblichen Änderungen:
die Quellenstaaten vorgenommen. Sämtliche
–
Ausdehnung der Anwendbarkeit auf schwei-
Einkünfte einer Ertragskategorie werden dem-
zerische Betriebsstätten ausländischer Un-
selben Basket zugewiesen, unabhängig davon,
ternehmen: Neu können auch schweizerische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen
–
aus welchem Staat sie stammen. –
B erücksichtigung der STAF Massnahmen bei
in gewissen Fällen für Erträge aus einem
der Berechnung des Maximalbetrags: Nur die
Drittstaat, die mit nicht rückforderbaren
quellensteuerbelasteten Nettoeinkünfte wer-
Quellensteuern belastet sind, die Anrechnung
den bei der Berechnung des Maximalbetrags
dieser Steuern beanspruchen.
berücksichtigt, um so eine Überanrechnung
Vergütung in einem Betrag: Die Anrechnung
von ausländischen Quellensteuern zu verhin-
ausländischer Quellensteuern erfolgt für die
dern. Dies ist notwendig, da die Steuern je
von Bund, Kantonen, Gemeinden und Kirch-
Ertragskategorie separat berechnet werden
gemeinden erhobenen Steuern neu gesamt-
und daher nicht auf den tatsächlich angefal-
haft und wird in einem Betrag vergütet.
lenen Gesamtsteueraufwand abgestützt wer-
– Per Basket Limitation, aber keine per Coun-
den kann. Nettoeinkünfte sind die quellen-
try Limitation: Der bei der Anrechnung zu
steuerbelasteten Bruttoeinkünfte reduziert
berücksichtigende Maximalbetrag der aus-
um die mit der Erzielung diese Einkünfte
ländischen Quellensteuern entspricht wie
zusammenhängenden Kosten. Wie bisher sind
bisher der Summe der nicht rückforderbaren
für die Berechnung des Maximalbetrags die
ausländischen Quellensteuern, die in den
Erträge um die Schuldzinsen und andere
Vertragsstaaten auf den in einem Fälligkeits-
Aufwendungen (bisher Unkosten) zu kürzen.
43 Vgl. hierzu und zu folgendem Peter Hongler/Fabienne Limacher: Steueranrechnung in der Schweiz in: IFF Forum für Steuerrecht 2020, S. 222 ff.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
34
Neu sind die Erträge aber auch um die steuer
Die beiden Kreisschreiben traten mit ihrer Publika-
wirksamen Abzüge zu kürzen. Mit den steu-
tion in Kraft und ersetzen die Kreisschreiben Nr. 9
erwirksamen Abzügen sind die folgenden drei
vom 22. Juni 2005 bzw. Nr. 16 vom 13. Juli 2007.
Abzüge gemeint:
– zusätzlicher Abzug für Forschungs- und
Das KS Nr. 49 hält namentlich fest, dass bei Zah-
Entwicklungskosten (F&E-Abzug, Art.
lungen ins Ausland an den Nachweis der geschäfts-
10a und 25a StHG);
mässigen Begründetheit höhere Anforderungen
– der Abzug zur Eigenfinanzierung (Eigenkapitalzinsabzug, Art. 25abis StHG); und
gestellt werden dürfen. Allerdings wird den Entwick-
– die Reduzierung von Erträgen aus Paten-
onsaustausches (AIA) Rechnung getragen, indem
ten und vergleichbaren Rechten nach
Zahlungen an Empfänger mit Domizil in Staaten,
Artikel 8a und 24b StHG (Patentbox).
mit denen die Schweiz den AIA abgeschlossen hat,
lungen im Bereich des internationalen Informati-
entsprechend gewürdigt werden. Obwohl die ESTV bei Auslandgeschäften oft die Möglichkeit hat, In d)
Sinnvolle und notwendige Anpassungen,
formationen auf dem Weg der Amtshilfe zu beschaf-
jedoch mit potenziellen Nachteilen für
fen, ist dies in gewissen Fällen nicht möglich (z.B.
Steuerpflichtige
kein Vertragsstaat, Subsidiaritätsprinzip) oder bleibt das Amtshilfeersuchen ergebnislos. Daher betont
Die Abschaffung der Statusgesellschaften und die
das KS Nr. 49 weiterhin das Bestehen einer erhöh-
Einführung der neuen STAF-Instrumente erforder-
ten Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen bei
te eine Anpassung der VpStA. Die in diesem Sinne
Zahlungen ins Ausland.
in der VStA eingeführten Änderungen – also die Anrechnung in einem Betrag für Bund, Kanton und
Im neuen KS Nr. 50 werden mitunter die gesetzlichen
Gemeinde, allerdings unter separater Berechnung
Grundlagen aus dem Strafrecht sowie diverse Be-
der Maximalbeträge, sowie die Berücksichtigung der
grifflichkeiten, wie beispielsweise der Begriff des
neuen STAF-Instrumente – sind sinnvoll bzw. waren
Amtsträgers, näher ausgeführt. Aus steuerlicher
notwendig. Die neue Per Basket Limitation und die
Sicht wird im Besonderen die Nichtabzugsfähigkeit
Berücksichtigung der STAF-Instrumente bei der
von Bestechungsgeldern hervorgehoben. Abschlies-
Berechnung der Maximalbeträge erhöhen jedoch
send behandelt das Kreisschreiben allfällige Anzei-
die Komplexität der Steueranrechnung nochmals
gepflichten der Steuerbehörden im Zusammenhang
wesentlich. Insbesondere bei den STAF-Abzügen
mit Bestechungs- und Vorteilsgewährungsfällen.
kann eine direkte Zurechnung auf die quellensteu-
Während für das Bundespersonal eine Anzeigepflicht
erbelasteten Erträge nicht immer vorgenommen
besteht, ist für Angestellte der kantonalen Steuer-
werden. Zudem ist dabei immer auch die Entlastungsbegrenzung zu berücksichtigen. 44 Leider ist
verwaltungen die jeweilige kantonale Gesetzgebung
die Per Basket Limitation auch ein Steuernachteil
bleibt in jedem Falle vorbehalten. Die Steuerbehör-
gegenüber den bisher geltenden Regeln, da die
den sind verpflichtet, bei Vorliegen eines Verdachts
Berechnung des Maximalbetrags je Ertragskatego-
auf Steuerbetrug eine solche Anzeige zu erstatten.
massgebend. Eine Anzeige wegen Steuerbetrugs
rie zu nicht verrechenbaren Anrechnungsüberhängen und somit zu einer geringeren Anrechnung ausländischer Quellensteuern führen kann. In der Praxis stellen wir fest, dass die Thematik ohnehin
3
Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung von Bussen
schon schwer verständlich ist. Es ist daher schade, dass nun zusätzliche Komplexitäten eingeführt
National- und Ständerat haben das Bundesgesetz
wurden, anstatt die Regelung zu vereinfachen.
über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen verabschiedet. Neu können Unternehmen ausländische finanzielle Sanktionen mit Strafzweck
2
Neue Kreisschreiben Nr. 49 und Nr. 50
steuerlich in Abzug bringen, wenn sie gegen den schweizerischen Ordre public verstossen oder wenn
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat
das Unternehmen glaubhaft darlegt, alles ihm Zu-
am 13. Juli 2020 die beiden Kreisschreiben «Nach-
mutbare unternommen zu haben, um sich rechts-
weis des geschäftsmässig begründeten Aufwandes
konform zu verhalten. Steuerlich nicht abzugsfähig
bei Ausland-Ausland-Geschäften» (KS 49) und
sind neu generell Bestechungsgelder an Private,
«Unzulässigkeit des steuerlichen Abzugs von Be-
womit eine Harmonisierung zwischen Steuer- und
stechungsgeldern an Amtsträger» (KS 50) publiziert.
Strafrecht erreicht wird. Des Weiteren sind auch
44 Vgl. Peter Hongler/Fabienne Limmacher: Steueranrechnung in der Schweiz in: IFF Forum für Steuerrecht 2020, S. 236 ff.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
35
Aufwendungen, die eine Straftrat ermöglichen oder
mehr soll für gewisse Unternehmen die Steuerpflicht
als Gegenleistung hierfür bezahlt werden, steuerlich
bereits durch Inlandumsätze in Marktstaaten be-
nicht abzugsfähig. Wie bisher steuerlich nicht ab-
gründet werden können. Diesen Marktstaaten wird
zugsfähig sind inländische finanzielle Sanktionen
ein Teil des Residualgewinns des Unternehmens
mit Strafzweck, also Bussen, Geldstrafen und Ver-
zugewiesen (Wert A). Daneben ist vorgesehen, dass
waltungssanktionen mit Strafzweck. Der Bundesrat
der Gewinn für die Ausübung bestimmter Marketing-
hat an seiner Sitzung vom 11. November 2020 das
und Vertriebsfunktionen, welche ein Unternehmen
Bundesgesetz per 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt,
auf einem Markt durch eine physische Präsenz vor
nachdem die Referendumsfrist am 8. Oktober 2020
Ort ausübt, mittels einer fixen Vergütung basierend
ungenutzt verstrichen ist. Mit dieser gesetzlichen
auf drittpreiskonformen Verrechnungspreisansätzen
Regelung ist allerdings nur scheinbar Klarheit ge-
(z.B. in Prozenten vom Umsatz) bestimmt werden
schaffen worden, da die Norm diverse auslegungs-
soll (Wert B). Die bisher in den DBA geltenden Ge-
bedürftige Rechtsbegriffe enthält.
winnzuteilungsvorschriften werden also durch einen formelbasierten Gewinnallokationsmechanismus ergänzt. Schliesslich soll mittels Streitvermeidungs-
C
und Streitbeilegungsmechanismen die Gefahr einer
Wesentliche neue Entwicklungen in der OECD / EU
Doppelbesteuerung von Unternehmen verhindert werden. Es ist vorgesehen, dass nur multinationale Unternehmen mit einem konsolidierten weltweiten jährlichen Umsatz von voraussichtlich mehr als EUR 750 Mio. unter diese neuen Regelungen fallen sollen. Zudem gelten Ausnahmen für Unternehmen gewisser Branchen, z.B. für Unternehmen des Rohstoffund Finanzsektors.
1
Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten – Entwürfe zur Regelung
Vom Anwendungsbereich von Wert A sind sämtliche
veröffentlicht
multinationalen Unternehmen betroffen, welche in der Konsumgüterindustrie tätig sind und verbrau-
Am 12. Oktober 2020 veröffentlichte die OECD neue
cher- und nutzerorentierte Leistungen erbringen
Konsultationsentwürfe über ihren «Zwei-Säulen-
(Consumer-Facing Businesses; CFB). Es trifft also
Ansatz» zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft,
nicht nur Unternehmen, die digitale Dienstleistungen
zu welchen sich interessierte Unternehmensgruppen
erbringen, sondern alle Unternehmen, welche Waren
und –verbände bis am 14. Dezember 2020 äussern konnten. 45 Im Gegensatz zu den per Ende 2019
und Dienstleistungen an Konsumenten verkaufen,
veröffentlichten Konsultationspapieren der OECD
leistungen indirekt über Zwischenhändler sowie via
sind diese neuen Konsultationsdokumente detail-
Franchisenehmer oder Lizenzvereinbarungen an-
lierter und spezifischer. Die OECD erwartet, dass
bieten. Neu sieht das Konsultationspapier vom
bis Mitte 2021 eine globale Einigung über die noch
Oktober vor, dass Unternehmen, welche automati-
offenen Punkte erreicht wird. Danach sollen die
sierte digitale Dienstleistungen anbieten, ebenfalls
beiden Säulen rasch mittels Anpassungen des in-
erfasst werden. Damit fallen namentlich auch online
nerstaatlichen Rechts, sowie geltender DBA und der
Werbeleistungen und Cloudcomputing, die gegenüber
Aushandlung eines multilateralen Übereinkommens
Geschäftskunden erbracht werden, unter die neue Regel. 47 Drittunternehmen ohne vertragliche oder
umgesetzt werden.
einschliesslich solcher, die ihre Waren oder Dienst-
anderweitige Verbindungen zu den Konsumenten gelten jedoch nicht als CFB. a)
Säule 1: Neue Regelung für die inter nationale Besteuerung 46
Die Einführung einer fixen Vergütung (Wert B) für die Ausübung bestimmter Marketing- und Vertriebs-
Die erste Säule (Pillar 1: Unified Approach) sieht
funktionen soll die Anwendung der Verrechnungs-
drei Elemente vor. Neu soll die Steuerpflicht eines
preisvorschriften für die Steuerbehörden und die
Unternehmens nicht mehr ausschliesslich von einer
Unternehmen vereinfachen und die Rechtssicherheit
physischen Präsenz im Inland abhängig sein, viel-
erhöhen. Der Wert B soll die Abgeltung von Routine
45 46 47
Vgl. hierzu und zu folgendem Philip Frey BEPS 2.0 – Die digitale Achterbahnfahrt; Ein Überblick über die bisherigen Anstrengungen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft ASA 89, S. 285 - 313. Vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Report on Pillar One Blueprint, Inclusive Framework on BEPS. Vgl. Henk Fenners/Heinz Baumgartner/Pascal Duss, Gesetzgebungs-Agenda 2020, in: IFF Forum für Steuerrecht, 2020, S. 176.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
36
(baseline) Marketing- und Vertriebsfunktionen si-
Gewinnverschiebung inhärent ist. Die OECD wird
cherstellen.
dazu eine Liste dieser Ertragskategorien ausarbeiten, welche abschliessend sein soll. Als Beispiele für einzelne Ertragskategorien werden Zins- und
b)
Säule 2: Regeln für globale
Lizenzzahlungen sowie Zahlungen, welche eine
Mindestbesteuerung
Kompensation für mobile Faktoren wie Kapital,
Die zweite Säule (Pillar 2) sieht die Festlegung eines
mobile Vermögenswerte oder Risiken darstellen, genannt. 49 Zahlungen, welche auf Basis von Kos-
weltweiten Mindeststeuersatzes sowie Massnahmen
tenaufschlägen ermittelt werden, sogenannte low-
zu dessen Durchsetzung vor (GloBe [Global Anti-
return payments, sollen nicht der Subject to tax
Base Erosion]) und wird für sämtliche multinationalen Unternehmen gelten. 48 Wobei auch hier vor-
rule unterliegen, da hier nur ein geringes Gewinnverschiebungsrisiko bestehe. 50
aussichtlich nur Unternehmen mit einem weltweiten konsolidierten Umsatz von über EUR 750 Mio. unter die Regeln fallen sollen.
c)
Auswirkungen auf die Schweiz
Es wird erwartet, dass der weltweite effektive Min-
Die neuen Gewinnallokationsregeln der Säule 1
deststeuersatz zwischen 10 % und 12 % zu liegen
betreffen nicht nur multinationale Unternehmen,
kommen wird. Zur Durchsetzung dieses Mindest-
welche automatisierte digitalisierte Dienstleistungen
steuersatzes sieht der Blueprint mehrere Massnah-
erbringen, sondern auch sämtliche Unternehmen,
men vor. So ist beispielsweise vorgesehen, dass der
welche Leistungen gegenüber Konsumenten anbie-
Ansässigkeitsstaat der Konzernmuttergesellschaft
ten und einen weltweiten konsolidierten Umsatz von
die Gewinne derjenigen Konzerngesellschaften an-
über EUR 750 Mio. erzielen. Es ist daher damit zu
teilsmässig bis zur Höhe des Mindeststeuersatzes
rechnen, dass diverse multinationale Unternehmen
besteuern darf, deren effektive Besteuerung unter
– beispielsweise Pharmafirmen – mit Sitz in der
einem gewissen Mindeststeuerniveau liegt (Income
Schweiz, welche ihre Waren und Dienstleistungen
Inclusion Rule). Weiter sollen auch zu tief besteu-
an Konsumenten verkaufen oder digitale automati-
erte Gewinne von Betriebsstätten vom Ansässig-
sierte Dienstleistungen erbringen, unter die neuen
keitsstaat der Konzernmuttergesellschaft besteuert
Regeln fallen werden. 51
werden dürfen (Switch-Over Rule). Damit die Mindestbesteuerung schliesslich nicht einfach durch
Bisher wurde der Residualgewinn eines Unterneh-
Sitznahme der Konzernmuttergesellschaft in einem
mens stets dem Sitzstaat zugewiesen. Da neu ein
Tiefsteuerstaat oder in einem Staat, welcher GloBe
Teil dieses Residualgewinnes den Markstaaten zu-
nicht implementiert hat, umgangen werden kann,
gewiesen werden soll, werden Unternehmen mit
ist ausserdem vorgesehen, dass in diesem Fall die
Sitz in der Schweiz zukünftig in der Schweiz einen
übrigen Sitzstaaten von Konzerngesellschaften eine
geringeren Gewinnanteil versteuern. Andererseits
zusätzliche Steuer erheben dürfen (Undertaxed
wird die Schweiz, wenn sie denn ihre innerstaatlichen
Payment Rules), um so die weltweite Mindestbe-
Steuergesetze anpassen wird, zukünftig ebenfalls
steuerung sicherzustellen.
einen Teil des Residualgewinnes von Unternehmen besteuern dürfen, die ihren Sitz nicht in der Schweiz
Neben GloBe sollen die Staaten auch die Möglichkeit
haben. Allerdings wird erwartet, dass die Schweiz
erhalten, eine sogenannte Subject to Tax Rule ein-
zu den Verlierern zählen wird, da aufgrund des
zuführen. Die Prämisse hinter der Subject to Tax
kleinen Heimmarktes die Steuerverluste voraus-
Rule ist einfach: Wenn ein Staat seine Besteue-
sichtlich wesentlich höher ausfallen werden als die
rungsrechte für den Erhalt bestimmter Zahlungen
Steuergewinne. Die Regeln für eine globale Mindest-
nicht in angemessenem Umfang ausübt, hat der
besteuerung der Säule 2 könnten je nach Höhe und
Staat, in welchem die Zahlungen geleistet werden,
Art der Berechnung des effektiven Mindeststeuer-
das Recht, auf diesen Zahlungen eine Quellensteu-
satzes ebenfalls negative Konsequenzen für die
er zu erheben. Die Subject to Tax Rule soll aber nur
Schweiz als Ansässigkeitsstaat für multinationale
auf klar bestimmte, feste Kategorien von Zahlungen
Unternehmen haben. Liegt doch momentan der
angewendet werden, welchen ein hohes Risiko zur
48 49 50 51
Vgl. hierzu und zu folgendem OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Report on Pillar Two Blueprint, Inclusive Framework on BEPS. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Report on Pillar Two Blueprint, Inclusive Framework on BEPS, Ziff. 566. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Report on Pillar Two Blueprint, Inclusive Framework on BEPS, Ziff. 613 ff. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Report on Pillar Two Blueprint, Inclusive Framework on BEPS, Ziff. 57 ff.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
37
effektive Gewinnsteuersatz in gewissen Kantonen
vanten Begleitumstände; dies umfasst eine Unter-
bei 12 % oder sogar leicht darunter.
suchung der Verträge der Finanztransaktion, der
52
ausgeübten Funktionen, der genutzten VermögensWie bereits die konsequente und relativ rasche
werte und übernommenen Risiken, der Merkmale
Umsetzung des BEPS Projekts in der Vergangenheit
der Finanzinstrumente, der wirtschaftlichen Ver-
gezeigt hat, ist davon auszugehen, dass die Umset-
hältnisse der Beteiligten und des betreffenden
zung dieser beiden Säulen in naher Zukunft Tatsache werden wird. Dies vor allem vor dem Hintergrund,
Marktes sowie der Geschäftsstrategien der Beteiligten. 53 Die entscheidende Frage ist jedoch, ob die
dass die Staaten aufgrund der Covid-19-Pandemie
von den Parteien gewählte Finanzierung überhaupt
finanziell geschwächt sind und nach neuen Finan-
wirtschaftlich sinnvoll ist. 54 Dies bedingt neben der
zierungsquellen Ausschau halten. Wir empfehlen
Analyse der Finanztransaktion selbst auch die Ab-
daher betroffenen Unternehmen, sich auf die Um-
wägung realistisch verfügbarer Alternativen der
setzung der beiden Säulen vorzubereiten, eventuell
Vertragsparteien. Dabei sind aus Sicht des Kapital-
Anpassungen an ihrer Struktur bzw. ihrem Ge-
gebers alternative Anlagemöglichkeiten und aus
schäftsmodell vorzunehmen und die notwendigen
Sicht des Kapitalnehmers alternative Finanzierungs-
Dispositionen rechtzeitig zu treffen.
möglichkeiten oder die Notwendigkeit einer zusätzlichen Finanzierung an sich zu prüfen. 55
2
Veröffentlichung der finalen
Die bei einer Finanztransaktion beteiligten Konzern-
Verrechnungspreisrichtlinien zu
gesellschaften müssen gegenüber den Steuerbe-
Finanztransaktionen
hörden somit immer fähig sein, den wirtschaftlichen Sinn der Transaktion, den Fremdvergleich der Ver-
Am 11. Februar 2020 veröffentlichte die OECD die
tragsbedingungen, die Angemessenheit der Kapi-
finale Version der Verrechnungspreisrichtlinien für
talstruktur sowie der angewendeten Verrechnungs-
Finanztransaktionen (FT-Richtlinien). Diese sollen
preise darzulegen. Für häufige Finanztransaktionen
zukünftig als neues Kapitel X den OECD-Verrech-
wie Darlehen, Cash-Pools und Hedging sowie Fi-
nungspreisrichtlinien beigefügt werden und geben
nanzgarantien enthalten die FT-Richtlinien konkre-
Richtlinien zur Festlegung von Verrechnungspreisen
te Empfehlungen.
von konzerninternen Finanzierungstransaktionen vor. Damit stellt zwar die OECD erstmals Richtlinien für Finanztransaktionen auf, allerdings handelt es
b) Darlehen
sich bei den veröffentlichten FT-Richtlinien vor allem um eine Bestätigung der bisher gelebten Praxis.
In einem ersten Schritt ist zu prüfen bzw. darzule-
Neben den allgemeinen Grundsätzen für Verrech-
gen, ob das Darlehen aus wirtschaftlicher Sicht
nungspreise von konzerninternen Finanztransakti-
überhaupt als Fremdkapital qualifiziert. Dabei sind
onen behandeln die FT-Richtlinien insbesondere
wie erwähnt sowohl die Finanztransaktion an sich
auch häufige Finanztransaktionen wie Darlehen,
als auch mögliche Alternativen zu prüfen. Ein Dar-
Cash-Pools und Hedging sowie Finanzgarantien.
lehen kann als simuliert gelten bzw. in Eigenkapital umqualifiziert werden, falls der Darlehensnehmer von Anfang an auf Grundlage der Liquiditätsplanung
a) Grundsätze
nicht in der Lage gewesen ist, das Darlehen in sinnvoller Zeit zurückzuführen und gleichzeitig die
Wie bei allen konzerninternen Transaktionen ist auch
Darlehenszinsen zu bedienen. Es ist daher wichtig,
bei Finanztransaktionen zu prüfen, ob eine Trans-
dass bei konzerninternen Darlehen sorgfältig geprüft
aktion unter diesen Bedingungen auch unter unab-
wird, ob es sich überhaupt um ein Darlehen handelt
hängigen Dritten zu Stande gekommen wäre. Der
und ob der Darlehensnehmer solvent ist.
Fremdvergleich ist dabei wie immer massgebend. Damit ein Fremdvergleich angestellt werden kann,
Qualifiziert das Darlehen als Fremdkapital, ist die
muss zuerst eine Analyse der Finanztransaktion
Kreditwürdigkeit (Bonität) des Darlehensnehmers
erfolgen, also eine Analyse der kaufmännischen und
und darauf basierend der im Fremdvergleich ange-
finanziellen Beziehungen zwischen den Beteiligten
messene Zinssatz zu bestimmen. Dabei kann das
sowie der Bedingungen und der wirtschaftlich rele-
Rating sowohl Top-Down, also von der Gruppenbo-
52 53 54 55
So beträgt zurzeit der effektive Gewinnsteuersatz für Unternehmen im Kanton Zug am Kantonshauptort 11.9 %. Vgl. Ziff 10.17 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD. Vgl. dazu und zu folgendem Nicolas Bonving / Fabian Berr / Marc-Antoine Chevalley: Verrechnungspreise für Finanztransaktionen, in Expert Focus 6-7/2020, S. 384 ff. Vgl. Ziff 10.19 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
38
nität (Gruppenrating), oder Bottom-Up, also vom
nicht auf einem Vergleich tatsächlicher Geschäfts-
Darlehensnehmer selbst (Standalone Rating), be-
vorfälle.
stimmt werden. Es findet keine automatische Anwendung des Gruppenratings auf die Konzernge-
Neben der Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers
sellschaften statt. Passive Gruppenzugehörigkeits-
ist weiter zu prüfen, ob der Darlehensgeber ökono-
vorteile sind bei der Bestimmung der Bonität des
misch gesehen überhaupt in der Lage ist, die mit
Darlehensnehmers zu berücksichtigen. Handelt es
dem Darlehen verbundenen Risiken zu tragen und
sich beim Darlehensnehmer z.B. um eine strategisch
zu kontrollieren. Ist dies nicht der Fall, weil dem
wichtige Gruppengesellschaft oder wäre ein Zah-
Darlehensgeber dazu beispielsweise die finanziellen
lungsausfall des Darlehensnehmers mit einem Re-
Ressourcen fehlen, darf der Darlehensgeber nicht
putationsschaden für die gesamte Gruppe verbunden, weil es unter dem Namen der Gruppe gegen
mehr als eine risikofreie Rendite auf dem gewährten Darlehen erhalten. 57 Der Darlehensnehmer kann
aussen auftritt, ist davon auszugehen, dass der
weiterhin einen Zinsaufwand bis zur fremdüblichen
Darlehensnehmer von einer impliziten Unterstützung
Höhe geltend machen. Die Differenz zwischen dem
der Gruppe profitiert. Diese implizite Garantie erhöht
im Fremdvergleich zu zahlenden Zins und der risi-
die Bonität des Darlehensnehmers. Da es sich jedoch
kofreien Rendite ist dem Unternehmen zuzurechnen,
nicht um eine explizite, spezifische Garantie handelt,
das nach den FT-Richtlinien Kontrolle über das Investitionsrisiko ausübt und trägt. 58 Nur falls der
soll bzw. darf dafür keine Vergütung erfolgen.
56
Darlehensgeber die Kontrolle über die finanziellen Der Zinssatz für das Darlehen hat neben der Kredit
Risiken im Zusammenhang mit der Bereitstellung
würdigkeit des Darlehensnehmers auch die Merk-
der Finanzierungsmittel ausübt und selber trägt,
male des Darlehens, also dessen Laufzeit, Währung,
kann dieser gemäss FT-Richtlinien für seine Finan-
Seniorität, Absicherungen und Garantie zu berück-
zierung eine risikoangepasste Rendite erwarten.
sichtigen. Basierend darauf soll gemäss FT-Richtlinien die Höhe des Zinssatzes dann in erster Linie
Insgesamt sind die zu berücksichtigenden Kriterien
auf Basis der Preisvergleichsmethode und unter
nachvollziehbar.
Berücksichtigung von im Fremdvergleich üblichen Darlehensgebühren (Administrationsgebühren, Provisionen etc.) festgelegt werden. Liegen keine
c) Cash-Pool
vergleichbaren Fremdgeschäftsvorfälle vor, kann der Zinssatz auch aufgrund der Geldbeschaffungs-
Multinationale Unternehmen greifen zur effiziente-
kosten für den Darlehensgeber (Kapitalkostenansatz)
ren Gestaltung ihres Liquiditätsmanagements häu-
oder mittels Anwendung ökonomischer Modelle
fig auf Cash-Pools zurück; dabei werden die Salden
(Modellierungsansatz) ermittelt werden. Beim Mo-
mehrerer Einzelbankkonten entweder physisch oder
dellierungsansatz wird der Zinssatz berechnet, indem
fiktiv bei einer Gesellschaft gebündelt. Mit einem
ein risikofreier Zinssatz mit Aufschlägen für ver-
Cash-Pool können die Unternehmen je nach den
schiedene Darlehensmerkmale – z. B. Ausfallrisiko,
Gegebenheiten des Einzelfalls eine effektivere Li-
Liquiditätsrisiko, Inflationserwartungen oder Lauf-
quiditätssteuerung betreiben und den Bedarf an
zeit – kombiniert wird. Weiter sieht die FT-Richtlinie
externem Fremdkapital verringern oder – bei Liqui-
vor, dass der Spread, also die Risikoprämien, welche ein Dritter auf dem zur Verfügung gestellten Kapi-
ditätsüberschüssen – dank der Bündelung der Guthaben höhere Renditen erzielen. 59 Bevor die inner-
tal fordern würde, unter gewissen Umständen anhand
halb des Cash-Pools verwendeten Zinssätze und die
von Credit Default Swaps von am Markt gehandelten
Vergütung des Cash-Pool führenden Unternehmens
Finanzinstrumenten ermittelt werden kann. Klar ist
bestimmt werden können, ist unter Berücksichtigung
jedoch, dass Auskünfte von Banken (Bankofferten)
der nächstbesten Optionen zu prüfen, ob die Un-
in denen die Banken angeben, zu welchem Zinssatz
ternehmen aus der Teilnahme am Cash-Pool einen
sie dem betreffenden Unternehmen ein vergleich-
Vorteil erzielen. Nur in diesem Fall würden Unter-
bares Darlehen gewähren würden, nicht als Nachweis
nehmen im Fremdvergleich am Cash-Pool teilnehmen.
für einen fremdüblichen Zins anzusehen sind. Die-
Neben dem Vorteil von günstigen Zinsen bestehen
se stellen – gemäss Meinung der OECD – kein wirk-
Vorteile von Cash-Pools zum Beispiel in einer dau-
liches Darlehensangebot dar und beruhen daher
erhaften Finanzierungsquelle oder Zugang zu Liqui-
56 57 58 59
Siehe dazu auch die Ausführungen zu den Finanzgarantien. Die risikofreie Rendite besteht in einem risikolosen Zins zuzüglich Kosten, die dem Darlehensgeber durch die Mittelvergabe entstehen. Der Darlehensnehmer kann dabei – vorbehaltlich der Erfüllung weiterer Bedingungen – einen Betriebsausgabenabzug im Zusammen- hang mit der erhaltenen Finanzierung bis zu fremdüblicher Höhe geltend machen. Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 1.108 ff. der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD. Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 10.109. der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
39
dität, welche andernfalls nicht verfügbar wäre.
d) Hedging
Jedenfalls sollten die Cash-Pool-Teilnehmer im Vergleich zur nächstbesten Handlungsalternative
Beim Hedging werden Risiken innerhalb eines Kon-
mindestens nicht schlechter gestellt werden und in
zerns übertragen. Häufig werden mittels Hedging
jedem Fall in einem angemessenen Umfang an den
Risiken wie Wechselkurs- oder Rohstoffpreisschwan-
Vorteilen des Cash-Pooling partizipieren. Die Vor-
kungen abgesichert. Wird das Hedging innerhalb
teile aus dem Cash-Pool, also vor allem der Zins-
einer Gruppe in einer Treasury-Funktion zentralisiert,
vorteil, dürfen nicht nur dem Cash-Pool-Führer
die die Hedging-Verträge, welche die operativen
zukommen.
Gesellschaften eingehen, jeweils arrangiert, so soll dies gemäss FT-Richtlinien als Dienstleistung, also
Die angemessene Vergütung des Cash-Pool-Führers
auf Basis der Kosten zuzüglich Gewinnzuschlag,
hängt von den ausgeübten Funktionen, genutzten
vergütet werden. Auf eine Entschädigung in Abhän-
Vermögenswerten und übernommenen Risiken ab.
gigkeit zur Höhe der abgesicherten Beträgen ist in
Im Allgemeinen übt ein Cash-Pool-Führer gemäss
diesen Fällen zu verzichten. Gehen die Treasury
FT-Richtlinien lediglich eine Koordinations- oder
Einheit oder andere Gruppengesellschaften jedoch
Vermittlerfunktion aus und trägt kein erhöhtes Ri-
die Absicherungsverträge auf ihren Namen ein, sind
siko. Angesichts dieses begrenzten Funktionsumfangs
sie auf Basis einer Analyse der dabei übernommenen
bleibt die Vergütung des Cash-Pool-Führers als
Funktionen und eingegangenen Risiken zu entschä-
Dienstleister in der Regel auf die Entschädigung der
digen.
Kosten zuzüglich einer Gewinnmarge begrenzt. Dasjenige Unternehmen, welches innerhalb des Konzerns die Kontrolle über die Risiken des Cash-
e) Finanzgarantien
Pools ausübt und trägt, ist dafür zu entschädigen. Nur falls der Cash-Pool-Führer zusätzliche Funk-
Implizite Finanzgarantien, welche sich aus der Grup-
tionen, wie ein vollwertiges Treasury Center oder strategische Funktionen übernimmt bzw. die mit
penzugehörigkeit eines Unternehmens ergeben, sind gemäss der FT-Richtlinien nicht zu vergüten. 60 Nur
dem Cash-Pool zusammenhängenden Risiken, wie
falls ein Gruppenunternehmen eine explizite, rechts-
Kredit- und Liquiditätsrisiko, trägt und die Fähigkeit
verbindliche Garantie gewährt und diese Garantie
zur Kontrolle dieser Risiken hat, ist dies zusätzlich
den garantienehmenden Unternehmen einen wirt-
zu entschädigen. Eine zusätzliche Entschädigung
schaftlichen Nutzen bietet, welcher über eine im-
bedingt, dass der Cash-Pool-Führer über die dazu notwendige personelle und finanzielle Substanz
plizite Gruppengarantie hinausgeht, ist diese zu vergüten. 61 Vorteile einer solchen Garantie können
verfügt.
der Erhalt günstigerer Darlehenszinssätze oder eine höhere zulässige Verschuldung bei einer Bank – also
Falls sich zeigt, dass einzelne Soll- bzw. Haben
letztendlich die Verbesserung der Bonität des Dar-
positionen von Teilnehmern eines Cash-Pools län-
lehensnehmers – sein.
gerfristigen Charakter haben, ist ausserdem zu prüfen, ob diese Positionen statt als kurzfristige
Wird eine explizite Garantie gewährt, ist also zu
Cash-Pool-Salden als etwas anderes, z. B. als länger
bestimmen, was der Vorteil dieser Garantie gegen-
fristige Einlagen oder als Laufzeitkredite zu behan-
über der impliziten Gruppengarantie ist. Nur dieser
deln und auch als solche zu verzinsen sind. Sind
zusätzliche Vorteil ist zu entschädigen. Die Höhe
Schweizer Unternehmen an Cash-Pools beteiligt, ist
der Entschädigung für die Gewährung einer Garan-
zudem immer die Thematik der Einlagerückgewähr
tie kann gemäss FT-Richtlinien mittels verschiede-
im Auge zu halten.
ner Methoden bestimmt werden. Sofern Daten zur Entschädigung von Garantien unter unabhängige
Auch hier können die Mechanismen als sinnvoll
Dritten vorliegen, dürfte wiederum die Preisver-
bezeichnet werden; auch wenn die praktische An-
gleichsmethode zu den verlässlichsten Vergleichs-
wendung sicherlich anspruchsvoll sein wird.
werten führen. Allerdings lassen sich kaum öffentlich zugängliche Informationen über bonitätsverbessernde Garantien unter fremden Dritten finden. Die FT-Richtlinien nennen dabei für Fälle ohne Drittvergleich vor allem den zinsbasierten Ansatz («Yield Approach») zur Berechnung der im Fremdvergleich üblichen Entschädigung. Bei diesem wird
60 Siehe dazu Ausführungen unter Darlehen weiter oben. 61 Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 10.156 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
40
der Nutzen, der dem Garantienehmer durch die
werden. 65 Die Schweiz ist Mitglied der OECD und
Garantie entsteht, anhand der durch sie ermöglich-
die ESTV hat offiziell mitgeteilt, dass die Verrech-
ten Zinsverringerung quantifiziert. 62 In einem ers-
nungspreisgrundsätze der OECD zu berücksichtigen
ten Schritt wird also der Zinssatz bestimmt, den ein Darlehensnehmer aufgrund seiner eigenen Merk-
seien, wenn es um die Bestimmung von fremdvergleichskonformen Preisen geht. 66 Die FT-Richtlinie
male unter Berücksichtigung des Effekts des impli-
ist somit auch aus Sicht der Schweiz in bilateralen
ziten Rückhalts, den er durch seine Gruppenzuge-
Finanztransaktionen anzuwenden. Dabei ist zu be-
hörigkeit hat, zahlen müsste. In einem zweiten
achten, dass die von der ESTV in ihren jährlichen
Schritt wird der Zinssatz bestimmt, der mit der
Rundschreiben veröffentlichten Zinssätze für Vor-
expliziten Garantie zu entrichten ist. Die Differenz
schüsse oder Darlehen an Nahestehende in Schwei-
dieser beiden Zinssätze entspricht dann der Höchst-
zer Franken bzw. in Fremdwährungen, sowie die im
gebühr, die ein unabhängiger Dritter für die Garan-
Kreisschreiben Nr. 6 vom 6. Juni 1997 «Verdecktes
tie zahlen würde. Jedoch hat ein Darlehensnehmer
Eigenkapital» genannten Mindestkapitalisierungs-
nur dann einen Anreiz eine Gebühr für eine Garantie
regeln einzig die Praxis der ESTV und der kantona-
zu zahlen, wenn die Bankzinsen und die Garantie-
len Steuerverwaltungen abbilden und somit nur
gebühr zusammengenommen unter den Zinsen
gegenüber den inländischen Steuerbehörden als
liegen, welche er ohne Garantie an die Bank bezah-
«Safe Haven» gelten. Wobei aber auch gegenüber
len müsste. Der Darlehensnehmer muss also einen
den Schweizer Steuerbehörden die Anwendung
Vorteil aus der Garantie haben. Daher wird in der
anderer Zinssätze bzw. einer anderen Finanzierung
Regel der Vorteil aus der Garantie, falls keine Be-
im Drittvergleich immer möglich ist. Die Anwendung
weise für eine ungleiche Verhandlungsmacht vor-
anderer fremdkonformer Entschädigungen wird nach
liegen, 50:50 zwischen Garantiegeber und Garantienehmer aufgeteilt. 63 Als weitere Möglichkeiten
Veröffentlichung der FT-Richtlinien wohl vermehrt
zur Bestimmung der Höhe der Garantiegebühr
werden in bestimmten Situationen aus Sicht aus-
nennen die FT-Richtlinien kostenbasierte Ansätze
ländischer Steuerverwaltungen nicht angemessen
(«Cost Approach») bzw. verlust- und kapitalbasier-
sein. So berücksichtigen die Rundschreiben zu den
te Ansätze. Bei diesen Methoden wird das zusätz-
anerkannten Zinssätzen weder die Bonität des Dar-
liche vom Garantiegeber getragene Risiko quantifi-
lehensnehmers noch die Laufzeit des Darlehens.
ziert, indem die Höhe des Verlusts geschätzt wird,
Zudem werden die darin publizierten Zinssätze auch
mit dem der Garantiegeber aufgrund der gestellten
nur einmal jährlich angepasst. Es wäre wünschens-
Garantie bei Ausfall des Darlehensnehmers zu rech-
wert, wenn die ESTV bei der Festlegung der «Safe
nen hat («Loss Given Default»). Alternativ dazu
Haven» Regeln die FT-Richtlinien berücksichtigen
könnten die zu erwartenden Kosten unter Bezug-
würde.
notwendig sein. Denn die «Safe Haven» Regeln
nahme auf das Kapital bestimmt werden, das zur Absicherung des vom Garantiegeber eingegangenen Risikos notwendig ist. 64 In der Praxis wird die Be-
Da sich Unternehmen bei internationalen Finanz-
stimmung der Höhe einer adäquaten Entschädigung
erverwaltungen nicht auf die «Safe Haven» Regeln
auch mit diesen Richtlinien schwer umzusetzen sein.
berufen können, wird der Drittvergleich immer
transaktionen gegenüber den ausländischen Steu-
wichtiger werden. Dieser Drittvergleich muss den FT-Richtlinien standhalten. Der Verrechnungspreis f)
Auswirkungen auf Unternehmen mit Sitz in
muss also die Charakteristika der Finanztransak-
der Schweiz
tion, die Eigenschaften der beteiligten Unternehmen sowie die von den Unternehmen übernommenen
Die Ausführungen zu den Verrechnungspreisen bei
Funktionen, kontrollierten Risiken und eingesetzten
Finanztransaktionen sind nicht grundlegend neu,
Vermögenswerten berücksichtigen. Diese Überle-
sie bestätigen die international geltende Praxis. Es
gungen sowie die ökonomischen Gründe hinter der
ist zu erwarten, dass durch die Konkretisierung in
Finanztransaktion sind zu dokumentieren. Nur so
den FT-Richtlinien die Steuerverwaltungen mehr
lässt sich das Risiko einer internationalen Doppel-
Druck auf ihre Anwendung bei Finanztransaktionen
besteuerung reduzieren. Das gilt umso mehr als die
zwischen der Schweiz und dem Ausland ausüben
EU mit der Einführung der Richtlinie zur Bekämpfung
62 Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 10.174 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD. 63 Nicolas Bonving/Fabian Berr/Marc-Antoine Chevalley, Verrechnungspreise für Finanztransaktionen, in Expert Focus 6-7/2020, S. 388. 64 Ziff 10.178 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD. 65 Vgl. Nicola Bonving/Fabian Berr/Marc-Antoine Chevalley, Verrechnungspreise für Finanztransaktionen, in Expert Focus 08/2020, S. 517. 66 Vgl. Kreisschreiben Nr. 4 «Dienstleistungsgesellschaften» vom 19. März 2004 und Kreisschreiben Nr. 49 «Nachweis des geschäfts mässig begründeten Aufwandes bei Ausland-Ausland Geschäften» vom 13. Juli 2020.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
41
von Steuervermeidungspraktiken (Anti-Tax Avoidance
Dritttstaaten nur noch bei rein künstlichen Gestal-
Directive, ATAD) die Abzugsfähigkeit von Zinsen auf
tungen anwendbar, sofern mit dem Drittstaat ein
maximal 30 % des zu versteuernden Ergebnisses
rechtlicher Rahmen für einen gegenseitigen Infor-
vor Zinsaufwand, Steuern und Abschreibungen
mationsaustausch besteht. Das zwischen der Schweiz
(EBITDA) beschränkt und die einzelnen EU-Staaten,
und Deutschland anwendbare DBA enthält per
wie zum Beispiel Deutschland, die Einführung der
1. Januar 2011 eine sogenannte grosse Auskunfts-
ATAD nutzen, um zusätzliche Bedingungen für die
klausel, welche die Voraussetzung eines rechtlichen
Anerkennung von Verrechnungspreisen auf Finanz-
Rahmens für einen gegenseitigen Informationsaus-
transaktionen einzuführen.
tausch erfüllt. Diese Klausel ermöglicht es den deutschen Steuerbehörden, die wirtschaftliche Tätigkeit einer Schweizer Kapitalgesellschaft zu
3
Neue Entwicklungen in Deutschland
prüfen (Motivtest). Somit dürfte die HZB im Verhältnis zur Schweiz ab 2011 nicht mehr anwendbar
Deutschland wendet die Hinzurechnungsbesteuerung
sein. Dem Vernehmen nach will die Finanzverwaltung
(HZB) seit 1972 an, um Steuerumgehungen mittels
die BFH-Rechtsprechung grundsätzlich nun anwen-
Zwischenschaltung ausländischer Kapitalgesellschaf-
den und zeitnah in einem Schreiben des Bundesmi-
ten zu verhindern. Gewinne, welche von in Deutsch-
nisteriums für Finanzen (BMF) die Kriterien für die
land ansässigen Personen erarbeitet werden, sollen
Erfüllung des Substanztests erläutern. Dabei sollen
in gewissen Fällen vollständig der deutschen Be-
absatzorientierte oder beschaffungsorientierte Mo-
steuerung unterliegen, auch wenn diese Gewinne
tive für die Gründung der ausländischen Kapitalge-
in einer ausländischen Kapitalgesellschaft angefal-
sellschaft anerkannt werden. Im Ergebnis soll also
len sind. Die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft
in Form einer einzelfallbezogenen Prüfung vorrangig
wird in diesen Fällen durchbrochen. So besteuerte
die Motivation der Gesellschaftsgründung massgeb-
Deutschland bis anhin die Gewinne einer Kapitalge-
lich sein. Damit wäre der Motivtest für solche CH-
sellschaft mit Sitz in der Schweiz, sofern die folgen-
Kapitalgesellschaften als erfüllt anzusehen, die
den Voraussetzungen kumulativ erfüllt waren:
nachweislich zur Erschliessung oder Sicherung des
Beherrschung der Schweizer Kapitalgesellschaft
CH-Absatzmarkts gegründet wurden, was gerade
durch in Deutschland ansässige Personen, niedrige
in der mittelständischen Praxis sehr häufig der Fall
Ertragssteuerbelastung der Kapitalgesellschaft mit
ist. Die aktuelle HZB wäre damit rückwirkend seit
weniger als 25 % (trifft auf sämtliche Kantone zu)
2011 nicht mehr auf absatzmarktorientierte CH-
sowie Ausübung einer sogenannt passiven Tätigkeit.
Tochtergesellschaf ten deutscher Unternehmen
Dabei umfasst die passive Tätigkeit insbesondere
anwendbar. 68
auch den Handels- und Dienstleistungsbereich sowie die Überlassung von Nutzungsrechten, sofern eine
Allerdings beabsichtigt Deutschland im Rahmen
Mitwirkung von in Deutschland ansässigen Gesell-
einer Reform der HZB das Kriterium der Inländer-
schaftern vorliegt oder umgekehrt Lieferungen oder
beherrschung den Vorgaben der EU-ATAD-Richtlinie
Dienstleistungen an diese erbracht werden.67
anzupassen. Dabei soll eine Abkehr von der «gruppenbezogenen» Inländerbeherrschung hin zu einer
Am 18. Dezember 2019 entschied nun der deutsche
Betrachtung des einzelnen Inländer-Gesellschafters
Bundesfinanzhof (BFH), dass die bisherige Anwen-
unter Einbeziehung nahestehender Personen statt-
dung der HZB im Verhältnis zu Drittstaaten gegen
finden. Nach den Vorgaben der ATAD ist für die
die EU-Kapitalverkehrsfreiheit verstösst, falls für
Anwendung der HZB Voraussetzung, dass die aus-
die Gestaltung wirtschaftliche Gründe vorhanden
ländische Gesellschaft auch tatsächlich von einem
sind (Substanztest) und diese Gründe von den
Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden
deutschen Steuerbehörden überprüft werden kön-
Person beherrscht wird. Ob eine Beherrschung
nen. Die aktuell noch anwendbaren Regelungen zur
vorliegt, soll daher gesellschafterbezogen beurteilt
HZB sind an die (zufällige) Inländerbeherrschung
werden (sogenanntes mehrheitsbezogenes Beherr-
gebunden, ohne zu berücksichtigen, ob die in
schungskonzept). Dabei soll es zukünftig unbeacht-
Deutschland ansässigen Personen überhaupt in der
lich sein, dass nahestehende Personen ggfs. nicht
Lage sind, die Schweizer Kapitalgesellschaft zu
in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind.
beherrschen. Als Folge ist die HZB im Verhältnis zu
67 Vgl. hierzu und zu folgendem Winfried Ruh, Hinzurechnungsbesteuerung: Anwendung im Verhältnis zur Schweiz ab 2011 zweifelhaft, in: EF 6-7/20, 396 ff. 68 Vgl. Winfried Ruh, Reguläre Hinzurechnungsbesteuerung: Anwendung des Motivtests gegenüber Drittstaaten wie der Schweiz sofern die ausländische K apitalgesellschaft über eine ausreichende wirtschaftliche Substanz verfügt, www.https://bwsgk.de/regulaere hinzurechnungbesteuerung-anwendung-des-motivtests-gegenueber-drittstaaten-wie-der-schweiz-sofern-die-auslendische-kapitalge- sellschaft-ueber-eine-ausreichende-wirtschaftliche-substanz-verf/, zuletzt abgerufen am 27.02.2021.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
42
Mit dieser Anpassung des Beherrschungskonzepts
die Lizenzgebühr nicht von einem in Deutschland
würde jedoch die Kapitalverkehrsfreiheit durch die
unbeschränkt Steuerpflichtigen getragen wird. Wird
nicht für Drittstaaten wie die Schweiz anwendbare
ein in einem inländischen Register eingetragenes
EU-Niederlassungsfreiheit verdrängt. Dies hätte
Recht zeitlich befristet überlassen, hat der Schuld-
wiederum die Nichtanwendung des Substanztests
ner der Vergütung, zum Beispiel ein Unternehmen
auf Drittstaaten zur Folge. Aufgrund des geänderten
mit Sitz in der Schweiz, den Steuerabzug (Quellen-
Beherrschungskonzepts wäre die HZB dann selbst
steuer) vorzunehmen, die Steuer abzuführen und
in Substanzfällen, also in Fällen, in denen wirtschaftliche Gründe für die Gestaltung vorliegen, gegenüber
eine Steueranmeldung beim Bundeszentralamt für Steuern einzureichen. 70 Ist das zugrundeliegende
Drittstaaten wie der Schweiz wieder anwendbar.
Recht zeitlich unbefristet überlassen worden und
Dem Vernehmen nach soll die Reform der HZB nun
liegt deshalb eine Rechteveräusserung vor, die nicht
doch nicht mehr vor der Bundestagswahl mit Rück-
dem Steuerabzug an der Quelle unterliegt, hat der
wirkung ab 2021 verabschiedet werden, mit der
Empfänger der Lizenzgebühr bei dem zuständigen
Folge, dass die Reform erst ab 2022 anwendbar
Finanzamt
wäre. Im Ergebnis dürfte die HZB somit für den
Rahmen seiner Steuerveranlagung zu erklären.
den Gewinn aus der Verässerung im
Zeitraum 2011 bis 2021 im Verhältnis zur Schweiz in Substanzfällen nicht mehr anwendbar sein.
Besteht zwischen dem Staat des Empfängers der Lizenzzahlung und Deutschland ein DBA, stehen die Chancen jedoch gut, dass dieses DBA das alleinige
4
Beschränkte Steuerpflicht durch Regis-
Besteuerungsrecht dem Staat des Empfängers der
trierung von Rechten in Deutschland
Lizenzzahlung zuweist. Trifft dies zu, darf Deutsch-
bleibt vorerst bestehen
land nur besteuern, falls der Lizenzempfänger in Deutschland über eine Betriebsstäte verfügt, welcher
Am 20. Januar 2021 hat das Bundeskabinett den
diese Rechte oder Vermögenswerte zuzuordnen
Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung
sind. Ein solcher DBA Schutz besteht auch im Ver-
der Entlastung von Abzugssteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer beschlossen. Ge-
hältnis zwischen der Schweiz und Deutschland abgeschlossenen DBA (DBA CH/DE). 71 Der in der
genüber dem am 20. November 2020 veröffentlich-
Schweiz ansässige Empfänger der Lizenzzahlungen
ten Referentenentwurf des BMF enthält dieser
kann in diesen Fällen einen Antrag auf Freistellung
Entwurf einige Änderungen. Insbesondere wird
oder Erstattung der deutschen Quellensteuer beim
weiterhin an der beschränkten Steuerpflicht aus der
Bundeszentralamt für Steuern einreichen. Das hat
Überlassung oder Veräusserung von Rechten allein
er aber immerhin vorzunehmen.
wegen deren Eintragung in ein inländisches öffentliches Buch oder Register festgehalten.
Die Regel gilt seit dem 1. Januar 2021. Das BMF hat
Dies bedeutet, dass Einnahmen aus der Überlassung
nun am 22. Februar 2021 ein neues BMF-Schreiben herausgegeben. 72 Dieses sorgt für verfahrensrecht-
oder Veräusserung von Rechten (Marken, Patente
liche Erleichterungen und damit zu einer deutlichen
etc.), welche in einem öffentlichen Buch oder Re-
Entschärfung des Problems. Bei einer unzweifelhaf-
gister in Deutschland eingetragen sind, als inländi-
ten DBA-Berechtigung des Lizenzgebers kann für
sche Einkünfte qualifizieren, selbst wenn die Ver-
Vergütungen, die dem Lizenzgeber bereits zugeflos-
wertung nicht über eine Betriebsstätte oder Gesell-
sen sind oder noch bis zum 30. September 2021
schaft in Deutschland erfolgt. 69
zufliessen werden, von dem Steuerabzug und der Steueranmeldung unter Einhaltung von bestimmten
Zu den in einnem inländischen Register eingetra-
Voraussetzungen abgesehen werden. Bei Zufluss
genen Rechten gehören z. B. auch Patente, die
der Lizenzzahlung nach dem 30. September 2021
aufgrund einer Anmeldung beim Europäischen
gelten die allgemeinen Regelungen, das heisst Ein-
Patent- und Markenamt nach dem Europäischen
behalt mit Abführung und Erstattung. Hat man jedoch
Patentübereinkommen in einem deutschen Register
eine Freistellungsbescheinigung mit Wirkung ab
eingetragen werden. Die Überlassung solcher Rech-
spätestens diesem Datum, ist bestenfalls gar kein
te führt auch dann zu inländischen Einkünften, wenn
Steuerabzug vorzunehmen. Die Frist zur Abgabe
69 Vgl. hierzu und nachfolgend Schreiben des BMF vom 6. November 2020 betreffend die «Verpflichtung zur Abgabe von Steueranmel- dungen/ Steuererklärungen zur beschränkten Steuerpflicht bei der Überlassung von in inländischen Registern eingetragenen Rechten». 70 Vgl. hierzu Ruh, Praxishinweise zur Entlastung vom deutschen Quellensteuerabzug bei Dividenden und Lizenzen, CH-D Wirtschaft 2020, S 26. 71 Vgl. Art. 12 Abs. 1 DBA CH/DE. 72 Vgl. hierzu und nachfolgend Christoph Klein/Sven-Erich Bärsch/ Marcus Oliver Mick, Besteuerung von im Inland registriertem IP, https://www.fgs-blog.de/besteuerung-von-im-inland-registriertem-ip/, zuletzt abgerufen am 27. Februar 2021.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
43
eines Freistellungsantrages für diese Altfälle endet
Informationsaustausch über Finanzkonten (Multila-
am 31. Dezember 2021. Wir empfehlen, dass Un-
teral Competent Authority Agreement; MCA A)
ternehmen mit in Deutschland eingetragenen Rech-
weitergeführt.
ten diese Möglichkeit nutzen und ihre Altfälle bereinigen. b) Sozialversicherungen D
Ab dem 1. Januar 2021 sind das Freizügigkeitsab-
Brexit
kommen (FZA) und damit die Verordnungen (EG)
Das Vereinigte Königreich (UK) ist am 31. Januar
im Verhältnis zwischen der Schweiz und UK nicht
2020 aus der EU ausgetreten. Am 31. Dezember ist
mehr anwendbar.
Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009, welche die Unterstellung im Bereich Sozialversicherungen regeln,
auch die zwischen dem UK und der EU vereinbarte Übergangsperiode ausgelaufen, während der die EU
Um die Rechte, die unter dem FZA erworben wurden,
das UK weiterhin wie einen EU-Staat behandelt hat
ab dem 1. Januar 2021 weiterhin zu gewährleisten,
und die zwischen der Schweiz und der EU verein-
hat die Schweiz mit UK das «Abkommen über die
barten bilateralen Verträge auch auf das UK an-
Rechte der Bürgerinnen und Bürger infolge des
wendbar geblieben sind. Ab dem 1. Januar 2021
Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Euro-
gelten die Nachfolgeregelungen, darunter insbeson-
päischen Union und des Wegfalls des Freizügigkeits-
dere mehrere neue schweizerisch-britische Abkom-
abkommens» abgeschlossen. Dieses Abkommen
men, sofern diese bereits fertigverhandelt sind;
sowie der ergänzende Beschluss des gemisch-
andernfalls gelten die Abkommen, die vor der EU
ten Ausschusses EU-Schweiz schützt die bis am
zwischen der Schweiz und UK bestanden haben. In
31. Dezember 2020 unter dem FZA erworbenen
Bezug auf Steuern, Migration und Sozialversiche-
Rechte von Schweizer-, UK- und EU-Staatsangehö-
rungen ist ab dem Jahreswechsel nun insbesondere
rigen. Für diese Personen ändert sich nichts, solan-
Folgendes zu beachten.
ge sie in einer grenzüberschreitenden Situation sind, das heisst, solange aufgrund der Staatsangehörigkeit, der Tätigkeit oder des Wohnsitzes ein Bezug
a) Steuern
zu beiden Staaten besteht.
Das zwischen der Schweiz und dem UK bestehende
Für alle anderen Personengruppen – also solche,
DBA gilt weiterhin. Trotz des Alters dieses DBA ist
die neu in eine internationale Situation mit der
es für Steuerpflichtige grundsätzlich vorteilhaft. Es
Schweiz und UK kommen, gilt ab dem 1. Januar
gewährt unter anderem die verrechnungssteuerfreie
2021 vorübergehend das bilaterale Sozialversiche-
Ausschüttung von Dividenden an eine im UK ansäs-
rungsabkommen von 1968 für eine voraussichtlich
sige Gesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar
kurze Übergangsperiode, bis die zukünftigen Rege-
über mindestens 10 % am Gesellschaftskapital der
lungen in Kraft treten werden. Dieses Abkommen
dividendenzahlenden Gesellschaft hält. Zudem bie-
sieht im Gegensatz zu den unter dem FZA geltenden
tet es bei Doppelbesteuerungskonflikten zwischen
Verordnungen keine Unterstellung unter das Sozi-
der Schweiz und UK Zugang zu einem Verständi-
alversicherungssystem ausschliesslich eines einzi-
gungsverfahren. Können sich die beiden Staaten
gen Staates vor. Grundsätzlich ist nach diesem
nicht einigen, kann ausserdem ein Schiedsverfahren
Abkommen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit
initiiert werden, in welchem sich die Staaten einigen
jeweils in dem Staat zu versichern, in welchem es
müssen. Kommt ein Schiedsverfahren zur Anwen-
erarbeitet wurde (Arbeitsortsprinzip). Es ermöglicht
dung, wird eine Doppelbesteuerung vermieden.
aber trotzdem, dass Arbeitnehmer, welche von Unternehmen in den anderen Staat entsendet wer-
Der automatische Informationsaustausch (AIA)
den, während eines Zeitraums von mindestens 24
sowie der Informationsaustausch auf Ersuchen
Monaten weiterhin dem Sozialversicherungssystem
zwischen dem UK und der Schweiz findet weiterhin
des Entsendestaates unterstellt bleiben und ermög-
statt. Basis des Informationsaustauschs auf Ersu-
licht so insbesondere Entsendungen für Arbeitneh-
chen ist das multilaterale Übereinkommen des
mer, deren Einsatz ab dem 1. Januar 2021 beginnt.
Europarats und der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, welches beide Staaten
Es ist vorgesehen, dass die Beziehungen zwischen
unterschrieben haben. Der AIA wird seit dem 1. Ja-
der Schweiz und UK durch neue Koordinierungsvor-
nuar 2021 gestützt auf die Multilaterale Vereinbarung
schriften raschmöglichst geregelt werden. Diese
der zuständigen Behörden über den automatischen
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
44
neuen Bestimmungen werden derzeit aber noch
12 Monate innerhalb einer Periode von 24 Monaten.
verhandelt.
Der Marktzugang zu UK unter dem SMA beschränkt sich aktuell auf Personen mit Qualifikationen auf universitärem oder gleichwertigem Niveau. UK hat
c) Migration
sich jedoch im Rahmen eines Briefwechsels verpflichtet, die Anerkennung von Schweizer Berufs-
UK-Staatsangehörige können auch mit Blick auf die
bildungsabschlüssen neu zu beurteilen. Mit diesen
Migration nicht mehr von den Sonderregeln des FZA
Bedingungen ermöglicht das SMA Schweizer Unter-
zwischen der Schweiz und der EU – wie zum Beispiel
nehmen auch in Zukunft einen weitgehenden Markt-
dem Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung – profi-
zugang zu UK für vertragsbasierte Dienstleistungs-
tieren. UK-Staatsangehörige, die zum ersten Mal
erbringungen durch natürliche Personen.
eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufnehmen wollen, unterstehen ab dem 1. Januar 2021 – wie alle Bürger aus Ländern, die weder der EU noch der
E
EFTA angehören – dem wesentlich strengeren Bun-
Entscheide
desgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG). Eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz ist dann nur mit einer Bewilligung erlaubt. Der Entscheid über die Bewilligung obliegt
1
Entscheide zur Gewinnsteuer juristischer Personen
den Arbeitsmarktbehörden und Migrationsämtern. Eine Aufnahme der Arbeit vor der Erteilung einer Bewilligung ist (anders als für EU- und EWR-Bürgerinnen und Bürger) verboten. 73
a)
Erhöhte Mitwirkungspflicht beim Nachweis von bezahlten Aufwendungen im
Für UK-Staatsangehörige, die bereits vor dem
internationalen Kontext, BGer vom
1. Januar 2020 über eine gültige Aufenthaltsbewil-
28.04.2020 (2C_775/2019)
ligung in der Schweiz verfügt haben, gibt es keine Änderungen. Sie können entsprechend ihrer beste-
Im Entscheid 2C_775/2019 74 hat das Bundesgericht
henden Bewilligung in der Schweiz bleiben.
(BGer) festgehalten, dass eine steuerpflichtige Gesellschaft eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft,
Die Arbeitsbewilligungen für Arbeitskräfte aus Dritt-
wenn diese Zahlungen zugunsten von ausländischen
staaten (zu denen UK ab dem 1. Januar 2021 gehört)
Vertragspartnern verbucht.
sind kontingentiert. Die Schweiz bestimmt ein gesondertes Kontingent für UK-Staatsangehörige.Für
Die erhöhte Mitwirkungspflicht ergibt sich gemäss
das Jahr 2021 stehen Schweizer Arbeitgebern 3500
BGer daraus, dass die Ermittlungsmöglichkeiten der
Sonderkontingente (2100 Aufenthaltsbewilligung und
Steuerbehörden im internationalen Verhältnis not-
1400 Kurzaufenthaltsb ewilligungen) zur Verfügung,
wendigerweise eingeschränkt sind. Im Rahmen
um britische Fachkräfte zu rekrutieren.
dieser Mitwirkungspflicht hat der Steuerpflichtige nicht nur den Empfänger der Zahlung, sondern auch
Eine Erleichterung besteht jedoch für die Erbringung
alle Umstände anzugeben, die zur betreffenden
grenzüberschreitender Dienstleistungen bis 90 Tage
Zahlung geführt haben. Konkret muss der Steuer-
pro Kalenderjahr. Gestützt auf das befristete Ab-
pflichtige Verträge, Korrespondenz und Details zu
kommen zwischen der Schweiz und UK über die
den Bankbeziehungen offenlegen, die mit der frag-
Mobilität von Dienstleistungserbringern (Services
lichen Zahlung in Zusammenhang stehen.
Mobility Agreement SMA) kommt für Zulassungen von grenzüberschreitenden Dienstleistungserbrin-
Im vorliegenden Fall stimmt das BGer der Vorinstanz
gern (entsandte Arbeitnehmende oder Selbständige)
zu, dass die Zweigniederlassung keine Rechtsper-
aus UK bis 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr (kurz-
sönlichkeit besitzt, sodass die von der beschwer-
fristige Erwerbstätigkeit) in den meisten Fällen das
deführenden schweizerischen Gesellschaft vorge-
Online-Meldeverfahren wie bis anhin zur Anwendung.
brachten Verträge direkt mit einer in den Seychel-
Das Abkommen enthält ausserdem Bestimmungen
len ansässigen Aktiengesellschaft geschlossen
zur gegenseitigen Anerkennung beruflicher Qualifi-
worden sind. In diesem internationalen Umfeld
kationen. Die Dienstleistungserbringer aus der
unterliegt die in der Schweiz steuerpflichtige Ge-
Schweiz wiederum erhalten einen Zugang in UK für
sellschaft der besagten erhöhten Mitwirkungspflicht
73 Vgl. dazu und zu folgendem Urs Haegi: Brexit erschwert UK-Staatsangehörigen Immigration in die Schweiz, auf www.vischer.com. 74 BGer 2C_775/2019 vom 28. April 2020.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
45
beim Nachweis des durch die Steuerverwaltung
mung nur Ruhegehälter betrifft, die infolge einer
korrigierten Aufwands.
privatwirtschaftlichen Beschäftigung ausbezahlt werden. Vorbehalten bleibt gemäss Art. 18 Abs. 2
Der Gesellschaft oblag es insbesondere, nähere
lit. a DBA CH/TH der Fall, dass die Ruhegehälter
Angaben zu den Bankverbindungen oder Buchungen
von einem Gemeinwesen ausgerichtet werden. Die
der geleisteten Zahlungen zu machen, was gemäss
Zuweisung des Besteuerungsrechts ist somit davon
Angaben der Beschwerdeführerin nicht möglich war,
abhängig, ob die Ruhegehälter privatrechtlicher
da die Beträge in bar bezahlt worden seien.
(Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat) oder öffentlich-rechtlicher (Besteuerung durch den Quel-
Da die Ausgaben nicht nachgewiesen werden konn-
lenstaat) Natur sind.
ten, musste nicht geprüft werden, ob diese geschäftsmässig begründet waren. Daraus folgte auch,
Da A im Verlauf seiner beruflichen Laufbahn bei
dass die Vorinstanz mit dem Verzicht, die Mitarbei-
verschiedenen Arbeitgebern angestellt gewesen war
tenden zu vernehmen, nicht willkürlich gehandelt
und sich die ihm ausgerichtete Kapitalleistung des-
und den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht ver-
halb auf verschiedene Tätigkeiten bezieht, stellt sich
letzt hat. Ohnehin hätten die Mitarbeitenden ledig-
die Frage, ob das Besteuerungsrecht des Kassen-
lich den geschäftsmässig begründeten Aufwand
staats / Quellenstaats auch dann besteht, wenn der
aufzeigen, jedoch auf keine Weise die fehlenden
Leistungsempfänger dem betreffenden Gemeinwe-
Beweise für die tatsächlich erfolgten Zahlungen
sen zwar zu einem früheren Zeitpunkt Dienste
ersetzen können. Damit hat die Steuerbehörde
geleistet hatte, unmittelbar vor der Pensionierung
gemäss BGer zu Recht geldwerte Leistungen auf-
aber für einen (anderen) privatrechtlichen Arbeit-
gerechnet und die Beschwerde der steuerpflichtigen
geber tätig war. Da der Kassenstaat Schweiz die
Gesellschaft wurde abgewiesen. 75
betreffende Tätigkeit auf einen Rechtsträger des Privatrechts bzw. auf eine privatrechtliche Aktiengesellschaft übertrug, stand die Tätigkeit des A vor
2
Entscheide betreffend
der Pensionierung im Zusammenhang mit einer
natürliche Personen
gewerblichen Tätigkeit des Quellenstaates. Somit war er vor der Pensionierung nicht für einen Vertragsstaat, eine politische Unterabteilung oder eine
a)
Quellensteuer auf Kapitalleistungen aus
lokale Körperschaft gemäss Art. 18 Abs. 2 lit. A DBA
beruflicher Vorsorge (DBA CH-TH), BGer
CH/TH tätig.
2C_510/2018 vom 6. Februar 2020 Das DBA CH/TH äussert sich nicht eindeutig zum Im Urteil 2C_510/2018 befasste sich das BGer mit
zeitlichen Aspekt. Aufgrund der vergleichsweisen
der Frage, ob sich ein in Thailand ansässiger Emp-
Komplexität einer Aufteilung der Vorsorgeleistung
fänger eines Ruhegehalts – gestützt auf das DBA
zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat und im
Schweiz-Thailand (CH/TH) – zu Recht auf die Ge-
Sinne des Effizienzgebots, ist auf eine Aufteilung zu
währung von Abkommensvorteilen berufen durfte.
verzichten und die Besteuerungshoheit stattdessen
Im vorliegenden Fall war A unmittelbar vor seiner
nach Massgabe der unmittelbar vor der Pensionie-
Pensionierung Angestellter bei einer früheren Toch-
rung ausgeübten Tätigkeit festzulegen.
76
tergesellschaft der Schweizerischen Post. Während seiner Berufslaufbahn war A sowohl im öffentlichen
Da die Stelle von A unmittelbar vor seiner Pensio-
als auch im privatwirtschaftlichen Sektor beschäf-
nierung gemäss BGer privatrechtlicher Natur war,
tigt gewesen. A hatte sich nach seiner Pensionierung
kommt der Schweiz als Quellenstaat kein Besteue-
nach Thailand abgemeldet, wo er seither lebt. Die
rungsrecht an der Kapitalleistung aus Vorsorge zu.
Pensionskasse Post richtete ihm eine Kapitalleistung
Somit steht Thailand als Ansässigkeitsstaat gemäss
aus Vorsorge aus, wovon sie Quellensteuern in Ab-
Art. 17 DBA CH/TH das ausschliessliche Besteue-
zug brachte und einbehielt. In der Folge wies die
rungsrecht zu. Die Beschwerde der Steuerverwaltung
Steuerverwaltung des Kantons Bern ein Gesuch um
Bern wurde entsprechend abgewiesen.
Rückerstattung der Quellensteuern ab. Zusammengefasst befindet das BGer zum zeitlichen Nach Art. 17 DBA CH/TH können Ruhegehälter und
Aspekt von Art. 19 Abs. 2 OECD-MA (entsprechend
ähnliche Vergütungen nur im Ansässigkeitsstaat des
Art. 18 Abs. 2 DBA CH/TH), dass Ruhegehälter im
Empfängers besteuert werden, wobei diese Bestim-
Fall der Zahlung kombinierter Vorsorgeleistungen
75 BGer 2C_775/2019 vom 28. April 2020. 76 BGer 2C_510/2018 vom 6. Februar 2020.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
46
aus privatwirtschaftlicher und staatlicher Quelle
Doppelbesteuerung. Es gilt das Prinzip «keine in-
gemäss der zuletzt ausgeübten Tätigkeit zu beur-
ländische Anrechnung der ausländischen Steuer
teilen sind. Die vom BGer gewählte Lösung ist ein-
ohne inländische Steuer» (sog. «subject to tax»-
fach und schafft Rechtssicherheit.
Klausel). Über das Erfordernis des «subject to tax» hinaus besteht eine Beschränkung in betraglicher
b)
Betriebliche Rente aus den USA
Hinsicht. Gemäss Art. 8 Abs. 2 PStAV gilt ein Maxi-
(DBA CH/USA), StGer BL vom 18. Oktober
malbetrag, welcher der Summe der auf diese Er-
2019
trägnisse entfallenden schweizerischen Steuern entspricht. Zur Berechnung des Maximalbetrags
Mit Urteil vom 18. Oktober 2019 77 hat das Steuer-
nach Art. 9 Abs. 4 PStAV sind nur die Erträge mit-
gericht des Kantons Basel-Landschaft entschieden,
einzubeziehen, auf denen in den Partnerstaaten der
dass betriebliche Renten aus den USA gemäss dem
Schweiz, im Einklang mit den anwendbaren DBA,
DBA mit den USA (DBA CH/USA) vollumfänglich in
Steuern erhoben worden sind.
der Schweiz besteuert werden dürfen, auch wenn es sich bei dem Anstellungsverhältnis um einen
Mithin fliesst die Steuer auf Vorsorgeleistungen nicht
(ehemaligen) öffentlich-rechtlichen (US-)Arbeitgeber
in den Maximalbetrag ein. Dies entspricht auch dem
handelt. Voraussetzungen dafür sind ein Wohnort
Sinn des Maximalbetrags. Dabei geht es um die
in der Schweiz und das schweizerische Bürgerrecht
Begrenzung der pauschalen Steueranrechnung auf
des Rentenempfängers. Deshalb kann auch keine
den Steuerbetrag, der sich ergäbe, wenn es sich
bloss teilweise Besteuerung analog den Social-
beim betreffenden Ertrag um einen Zufluss aus
Security-Renten vorgenommen werden. Die Besteu-
inländischer Quelle handeln würde. Die pauschale
erung der Rente in den USA war im vorliegenden
Steueranrechnung soll nicht dazu führen, dass
Fall allem Anschein nach wegen der noch nicht
schweizerisches Steuersubstrat aus einer in der
mutierten Wohnadresse vorgenommen worden.
Schweiz zugeflossenen Quelle – vorliegend Steuer-
78
substrat von Kapitalleistung aus Vorsorge – vermindert wird. Die Beschwerde des Steuerpflichtigen c)
Pauschale Steueranrechnung
wurde entsprechend abgewiesen. 79
Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die aus ausländischen Quellen stammen, sind in der Schweiz steuerbar. Da diese Einkünfte im Ausland zum Teil zusätzlich einer Quellensteuer unterliegen, droht eine Doppelbesteuerung. Die Doppelbesteuerung kann durch eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer an die schweizerische Steuer vermieden werden. Dabei dient der Maximalbetrag der Verhinderung einer Überanrechnung, falls die Einkünfte in der Schweiz gar nicht oder tief besteuert werden. Das BGer musste im Entscheid 2C_609/2019 die Frage klären, ob zur Ermittlung des Maximalbetrags ausschliesslich die auf die deutschen Dividenden entfallende kantonale Steuer zu berücksichtigen ist oder ob auch die kantonale Steuer auf der vom Steuerpflichtigen bezogenen Leistung aus beruflicher Vorsorge miteinbezogen werden kann. Die pauschale Steueranrechnung kann lediglich für im Ausland residual – unter Berücksichtigung einer allfälligen Rückerstattung – (quellen-)besteuerte Kapitalerträge beansprucht werden, die in der Schweiz den Einkommenssteuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden auch tatsächlich unter liegen. Andernfalls besteht von vornherein keine
77 StGer BL vom 18.10.2019. 78 BL Steuergericht vom 18. Oktober 2019. 79 BGer 2C_609/2019 vom 13. Juli 2020.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
47
3
Entscheide Verfahren
rechnungssteuer hätte stellen müssen, sofern die Voraussetzungen der Fristwiederherstellung gemäss Art. 24 Abs. 1 VwVG erfüllt gewesen wären. Da die
a)
Frist für die Rückerstattung der Verrech-
Gesellschaft auch diese 30-tägige Frist verpasst
nungssteuer gemäss DBA CH/FR, BGer
hat, erübrigte sich eine vertiefte Prüfung dieses
2C_518/2019 vom 16. Januar 2020
Aspekts. Die Beschwerde der Gesellschaft wurde abgewiesen. 80
Das BGer befasste sich im Entscheid 2C_518/2019 mit einer französischen Bank, die eine Zweignie-
Es ist davon auszugehen, dass diese dreijährige
derlassung in Zürich betreibt. Gestützt auf Art. 24
Frist auch auf andere DBA anwendbar ist, soweit im
Abs. 3 VStG beantragte die Zweigniederlassung in
spezifischen DBA oder einer zugehörigen Verstän-
den Jahren 2009 und 2010 die Rückerstattung der
digungsvereinbarung keine abweichende Regelung
Verrechnungssteuer auf Dividendenfälligkeiten der
enthalten ist.
Jahre 2008 und 2009. Die ESTV lehnte die Erstattungsanträge mit der Begründung ab, dass die fraglichen Dividenden nicht dem Betriebsvermögen der
b)
Steueramtshilfeverfahren gegen den
Zweigniederlassung zuzurechnen seien. Das BGer
Fussballer Neymar – Information von Drit-
stützte mit Urteil vom 22. November 2015 den Ent-
ten, die nicht von einem Amtshilfegesuch
scheid der ESTV. In der Folge verlangte die franzö-
erfasst sind, aber in den übermittelten
sische Bank am 29. März 2016, diesmal gestützt auf
Daten erscheinen (DBA CH/ES), BGer
Art. 11 Abs. 1 DBA Schweiz-Frankreich (DBA CH/FR),
2C_376/2019 vom 13. Juli 2020
die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf den 15 %. Wiederum wies die ESTV die Anträge ab,
Im Entscheid 2C_376/2019 81 hatte das BGer zu prüfen, ob die ESTV ein brasilianisches Unternehmen
diesmal mit der Begründung, dass diese zu spät
über die Einleitung eines Amtshilfeverfahrens hät-
eingereicht worden seien.
te informieren müssen, nachdem der Name dieses
Dividenden 2008 und 2009 bis zum Residualsatz von
Unternehmens in den Informationen erschienen war, Das Besteuerungsrecht der Schweiz bei Dividenden
welche der Informationsinhaber an die Steuerver-
an eine in Frankreich ansässige Person ist gemäss
waltung übermittelt hat. Konkret forderte die ESTV
dem DBA CH/FR auf 15 % beschränkt. Der Bundes-
auf Gesuch der spanischen Steuerbehörden Unter-
rat hat in diesem Zusammenhang bisher keine
lagen des Unternehmens Procter & Gamble an, für
Regeln zu den Rückerstattungsmodalitäten der
welches Neymar Werbung gemacht hatte. Die In-
Verrechnungssteuer erlassen. Dies schliesst jedoch
formationen sollten an Spanien weitergeleitet wer-
gemäss BGer weder aus, dass es eine Verwirkungs-
den, wo Steuerbelange Neymars überprüft wurden.
frist gibt, noch, dass die Regel von Art. 32 Abs. 1 VStG analog angewendet werden kann. Die diesbe-
Als «betroffene Personen» gelten Personen, über
zügliche Frist beträgt somit drei Jahre. Im vorlie-
die im Amtshilfeersuchen Informationen verlangt
genden Fall hat die ESTV die Rückerstattungsan-
werden, oder Personen, deren Steuersituation Ge-
träge vom 29. März 2016 erst nach Ablauf der
genstand des spontanen Informationsaustauschs
Dreijahresfrist gemäss Art. 32 Abs. 1 VStG erhalten.
ist. Die brasilianische Gesellschaft gehört vorliegend nicht zu den betroffenen Personen. Somit ist
Somit bleibt die Frage offen, ob die Frist durch die
Art. 14 Abs. 2 Steueramtshilfegesetz (StAhiG) ein-
in den Jahren 2009 und 2010 bereits eingereichten
schlägig, wonach die ESTV andere Personen über
Rückerstattungsanträge, welche sich auf Art. 24
das Amtshilfeverfahren informiert, wenn sie aufgrund
Abs. 3 VStG und somit auf eine andere Rechtsgrund-
des Dossiers davon ausgehen kann, dass diese nach
lage gestützt haben, eingehalten wurde. Im Zeit-
Art. 19 Abs. 2 StAhiG beschwerdeberechtigt sind.
punkt, als die in den Jahren 2009 und 2010 innert
Art. 19 Abs. 2 StAhiG räumt das Beschwerderecht
Frist eingereichten Rückerstattungsanträge durch
der «betroffenen Person» sowie Personen, welche
das Urteil des BGer abgelehnt wurden, war die
die Voraussetzungen von Art. 48 VwVG erfüllen,
Dreijahresfrist bereits abgelaufen. Das BGer befin-
ein. Gemäss letzterer Verweisung steht die Be-
det es als sachgerecht, dass die antragsstellende
schwerde jedem zu, der ein berechtigtes Interesse
Bank innert 30 Tagen nach Urteilsmitteilung des
an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen
BGer erneut einen – diesmal gestützt auf Art. 11
Entscheidung hat. Dritte werden allerdings bereits
DBA CH/FR – Antrag auf Rückerstattung der Ver-
durch das Spezialitätsprinzip geschützt, weshalb
80 BGer 2C_518/2019 vom 16. Januar 2020. 81 BGer 2C_376/2019 vom 13. Juli 2020.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
48
die blosse Tatsache, dass ihre Namen in den zu
nelle Selbstbestimmung überhaupt durchsetzen
übermittelnden Unterlagen erwähnt werden, nicht
können, wenn sie vorgängig von der ESTV nicht
ausreicht, um ein schutzwürdiges Interesse zu be-
informiert werden müssen. Solche Drittpersonen
gründen. Um die Beschwerdelegitimation solcher
werden also nur in Ausnahmefällen – zum Beispiel,
Dritter in entsprechenden Verfahren zu begründen,
wenn sie zufälligerweise vom Verfahren erfahren
müssen vielmehr weitere Umstände vorliegen, wie
– eine Teilnahme am Amtshilfeverfahren gestützt
etwa eine konkrete Gefahr, dass der ersuchende Staat das Spezialitätsprinzip verletzen wird. 82 Im
auf die informationelle Selbstbestimmung beantra-
Übrigen muss die ESTV nur Personen informieren,
somit eine Interessensabwägung zugunsten des in
deren Beschwerdeberechtigung sich in offensicht-
der Steueramtshilfe besonders bedeutsamen Be-
licher Weise aus den Akten ergibt. Die blosse Tat-
schleunigungsgebots gegenüber dem Recht auf
sache, dass der Name der Person in den zu über-
informationelle Selbstbestimmung, welches nur beim
mittelnden Akten erscheint, reicht für sich allein
Vorliegen eines besonders schutzwürdigen Interes-
nicht aus, um eine solche Information zu rechtfer-
ses, insbesondere bei einer drohenden Verletzung
tigen. Es liefe dem in der Steueramtshilfe besonders
des Spezialitätenprinzips, zu einer Beschwerde le-
bedeutsamen Beschleunigungsgebot zuwider, wenn
gitimieren soll.
gen können. Das BGer trifft bezüglich Drittpersonen
die ESTV auch Personen informieren müsste, deren Beschwerdeberechtigung nicht offensichtlich ist. Fehlt es an der offensichtlichen Beschwerdeberech-
4
Steuerentscheid 12/2020
a)
Informationsbeschaffung im Rahmen eines
tigung, kann eine Drittperson noch immer – gestützt auf die informationelle Selbstbestimmung – die Schwärzung ihres Namens beantragen. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass alle diese Personen im
Amtshilfeverfahrens (DBA CH/ES),
AmtshilfeverfahrenParteistellung und Beschwerde-
BGer vom 13.7.2020 (2C_287/2019,
berechtigung erhalten müssen. Es genügt, wenn ihr
2C_288/2019)
informationelles Selbstbestimmungsrecht wirksam durch einen Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel geschützt ist. 83 Personen, die nicht selbst durch
Das BGer hat sich in seinem Urteil vom 13. Juli 2020 85 mit zwei Rechtsfragen beschäftigt, denen
das Steuerverfahren im ersuchenden Staat berührt
die ESTV grundsätzliche Bedeutung zumisst. Erstens
sind, deren Namen aber in den zu übermittelnden
stellt die ESTV die Frage, ob sie sich bei der Be-
Unterlagen figurieren, verfügen gemäss Bundesge-
schaffung von Informationen im Amtshilfeverfahren
richt über datenschutzrechtliche Rechtsmittel und
auf den der ersuchenden Behörde bekannten und
Rechtsbehelfe, welche es ihnen erlauben, die Be-
im Ersuchen namentlich genannten Informations-
achtung ihres informationellen Selbstbestimmungs-
inhaber (vorliegend eine Bank) beschränken muss
rechts überprüfen zu lassen. Solchen Personen im
oder ob sie auch bei anderen Personen Informati-
Rahmen des Amtshilfeverfahrens Rechtsschutz zu
onen beschaffen darf. Zweitens will die ESTV wissen,
gewähren bleibe zwar möglich, sei aber nicht zwin-
ob sie die Fragen der ersuchenden Behörde im
gend. Nur falls solche Personen selbst um Teilnah-
Sinne des Kontexts des Ersuchens interpretieren
me am Verfahren ersuchen, dränge sich auf, diesen
bzw. modifizieren darf.
Rechtsschutz im Rahmen des Amtshilfeverfahrens zu gewähren. Nach ihrer Praxis erkennt dann auch
Konkret reichte die spanische Steuerbehörde bei
die ESTV die Parteistellung solcher Personen. Da
der ESTV ein Amtshilfeersuchen betreffend A ein.
vorliegend keine solche Beschwerde von Drittperso-
In Frage standen die Steuerjahre 2012 und 2013 im
nen vorlag, wurde die Beschwerde der ESTV gutge-
Zusammenhang mit einer Kreditkarte von A, die
heissen und an das Bundesverwaltungsgericht zur
von der schweizerischen Bank C ausgegeben wurde.
Behandlung im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen.84 Die Informationen der Drittpersonen werden
Auf die Aufforderung der ESTV hin, teilte die Bank
somit voraussichtlich ungeschwärzt an den um
Karte sei. Die mit der besagten Karte getätigten
Amtshilfe ersuchenden Staat weitergleitet werden.
Einkäufe seien über ein auf die Gesellschaft B (mit
C mit, dass A Inhaberin einer einzigen VISA Gold
Sitz in Panama) lautendes Konto bei der Bank D Es stellt sich die Frage, wie solche Drittpersonen
bezahlt worden. Nach entsprechender Aufforderung
im Amtshilfeverfahren ihr Recht auf informatio-
teilte die Bank D mit, dass B Inhaber des fraglichen
82 BGer 2C_687/2019 vom 13. Juli 2020 E. 6.1. 83 Ebenda E. 6.2. 84 BGer 2C_376/2019 vom 13. Juli 2020. 85 BGer 2C_376/2019 vom 13. Juli 2020.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
49
Bankkontos sei und keine weiteren Bankverbindun-
das den Anforderungen des DBA Schweiz-Spanien
gen zwischen D und A existierten. Im Anschluss
(DBA CH/ES) genügt.
erliess die ESTV sowohl gegenüber A wie auch B je eine Schlussverfügung, worin sie die Amtshilfeleis-
Die von der ESTV aufgeworfene Rechtsfrage beant-
tung an Spanien vorsieht.
wortet das BGer in seinen weiteren Erwägungen folgendermassen: Liegt der ESTV ein Amtshilfe-
Die Vorinstanz hielt die Schlussverfügungen für
ersuchen vor, welches den völkerrechtlichen Anfor-
nichtig, weil sie ihrer Ansicht nach das Verbot der
derungen gemäss dem DBA CH/ES genügt, ist die Schweiz auch dann zur Amtshilfe verpflichtet, wenn
C
sich die ersuchte Information bei einer anderen Person als dem im Ersuchen genannten Informati-
A
onsinhaber befindet. Weder das DBA CH/ES noch das innerstaatliche Recht beschränken die Unter-
1123 5742 2139 4002
suchungen der ESTV auf den im Ersuchen genannten Informationsinhaber. Erfüllt das Ersuchen die Anforderungen gemäss DBA CH/ES, hat die ESTV D B
die voraussichtlich erheblichen Informationen n ötigenfalls bei anderen Informationsinhabern zu beschaffen, wenn sich diese mit zumutbarem Aufwand identifizieren lassen. Das BGer musste somit noch prüfen, inwieweit die spanische Steuerverwaltung um die Informationen tatsächlich ersucht hat, deren Lieferung die ESTV
spontanen Amtshilfe verletzten. Wenn nämlich die
verfügt hat und ob diese Informationen für den
Schweiz ohne genügendes Ersuchen Informationen
geltend gemachten Steuerzweck voraussichtlich
übermittelt, leistet sie spontane Amtshilfe. Das
erheblich sind.
Amtshilfe-Übereinkommen ist für die Schweiz am 1. Januar 2017 in Kraft getreten. Für Besteuerungs-
Die Vertragsstaaten des DBA CH/ES haben den
zeiträume ab dem 1. Januar 2018 ist die Schweiz
Vertrag nach Treu und Glauben zu erfüllen. Das
gegenüber den anderen Konventionsstaaten – dar-
BGer stellt vorliegend fest, dass das spanische Er-
unter vorliegend Spanien – unter den Vorausset-
suchen wohl auf der irrigen Annahme beruhte, dass
zungen gemäss Art. 7 Abs. 1 des Amtshilfe-Über-
die Kartenausstellerin mit dem Finanzinstitut iden-
einkommens zur Leistung spontaner Amtshilfe
tisch sei, bei welchem das für den Kartengebrauch
verpflichtet. Im Zuge des Beitritts zum Amtshilfe-
belastete Bankkonto unterhalten wird. Nach Treu
Übereinkommen änderte die Schweiz per 1. Januar
und Glauben ist das Ersuchen Spaniens demnach
2017 auch ihr innerstaatliches Recht. Namentlich
so zu verstehen, dass sie Informationen zum Bank-
wurde das Verbot der spontanen Amtshilfe aufge-
konto verlangt, das mit der fraglichen Bankkarte
hoben. Art. 22a Abs. 1 StAhiG sieht nunmehr vor,
verbunden war und deren wirtschaftlich Berechtigte
dass der Bundesrat die Pflichten im Zusammenhang
A war. Entsprechend lehnt das BGer eine zu formal
mit dem spontanen Informationsaustausch im Ein-
geprägte Lesart des Amtshilfeersuchens ab.
zelnen regelt. Der Bundesrat ist diesem Auftrag nachgekommen – auszutauschen sind demnach
Es ist gemäss BGer somit nicht zu beanstanden,
lediglich bestimmte Steuervorbescheide (Art. 9
dass sich die ESTV an die kontoführende Bank D
Steueramtshilfeverordnung (Art. 9 Steueramtshil-
wendete, nachdem sich die im Ersuchen erwähnte
feverordnung (StAhiV)).
Bank als blosse Kartenausstellerin entpuppt hatte. Unverständlich ist gemäss BGer aber, weshalb die
Die Informationen, welche die ESTV vorliegend
ESTV Spanien betreffend B separat Amtshilfe ertei-
übermitteln will, betreffen weder einen Besteue-
len will, da dies eine vom Ersuchen nicht betroffene
rungszeitraum ab dem 1. Januar 2018 noch einen
Drittperson ist. Entsprechend ist die Schlussverfü-
Steuervorbescheid gemäss Art. 9 StAhiV. Mit der
gung betreffend B rechtswidrig. Nicht übermittelt
Vorinstanz konstatiert das BGer, dass die Voraus-
werden dürfen Informationen über nicht betroffene
setzungen für einen spontanen Informationsaus-
Personen, es sei denn, sie wären für die Beurteilung
tausch im konkreten Fall nicht erfüllt sind. Damit
der Steuersituation der betroffenen Person voraus-
die ESTV die fraglichen Informationen übermitteln
sichtlich relevant. Da sich auf dem zu übermitteln-
kann, muss folglich ein Amtshilfeersuchen vorliegen,
den Kontoauszug auch Namen von Drittpersonen finden, zu denen A keine steuerlich relevante Be-
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
50
ziehung hat, müssen diese unerheblichen Informa-
bleiben muss. Schliesslich kann der ersuchte Staat
tionen geschwärzt werden. In casu bestätigte das
nur für die vom Ersuchen betroffenen Personen
BGer die Schlussverfügung betreffend A, ergänzt
prüfen, ob die Informationen für den vorgebrachten
um die Bedingung, diverse Stellen zu schwärzen,
Steuerzweck notwendig bzw. voraussichtlich erheb-
während die Beschwerde der ESTV im Verfahren
lich sind und sich der Eingriff in die Privatsphäre
von B abgewiesen wurde.
rechtfertigt. Demnach kann die Verwendungsbeschränkung ihren Zweck nur erreichen, wenn ihr
Zusammengefasst braucht der mutmassliche inlän-
nicht nur eine sachliche, sondern auch eine persön-
dische Informationsinhaber im ausländischen Ersu-
liche Dimension zuerkannt wird. Somit dürfen vor-
chen um Informationsamtshilfe somit nicht genannt
liegend die USA die übermittelten Informationen
zu werden. Es ist ausreichend, wenn die Schweiz
nicht gegenüber Personen verwenden, die von ihrem
als ersuchter Staat den Informationsinhaber mit
Ersuchen nicht betroffen waren. Wenn die Schweiz
zumutbarem Aufwand identifizieren kann. Die Schweiz
ohne genügendes Ersuchen Informationen übermit-
bleibt auch dann zur Amtshilfe auf Ersuchen ver-
telt, würde sie spontane Amtshilfe leisten, zu der
pflichtet, wenn der im Ersuchen genannte Informa-
sich die Vertragsstaaten nicht verpflichtet haben.
tionsinhaber nicht über die ersuchte Information verfügt, sich die Information aber mit zumutbarem
Weiter drehte sich die Beschwerde um die Frage,
Aufwand bei einer anderen Person beschaffen lässt. Hingegen dürfen keine Informationen zu Drittper-
welche Personen im Zusammenhang mit Übermitt-
sonen übermittelt werden, es sei denn, diese Infor-
Rücksprache mit der US Steuerbehörde (IRS) im
mationen wären für die Beurteilung der Steuersitua-
vorliegenden Fall die Namen von zwei Bankange-
tion der betroffenen Personen voraussichtlich er-
stellten in leitender Stellung aus den zu übermit-
heblich. Zudem ist der spontane Informationsaus-
telnden Unterlagen geschwärzt hatte, liess sie die
tausch auf den Austausch bestimmter Steuervor-
Namen von zwei Sachbearbeiterinnen ungeschwärzt.
bescheide beschränkt, so dass in allen übrigen
Die Ungleichbehandlung von Personen, deren Be-
Fällen ein Amtshilfeersuchen vorliegen muss, welches
schwerdeberechtigung gleichermassen wahrschein-
die Anforderungen des entsprechenden DBA erfüllt.
lich scheint, erfolgte dabei ohne sachlichen Grund.
86
lungen zu schwärzen seien. Während die ESTV nach
Diese Vorgehensweise der ESTV stellt gemäss BGer einen Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot b)
Spezialitätsprinzip und Gleichbehandlungs-
und des Willkürverbots dar. Die Beschwerde der
gebot (DBA CH/US), BGer vom 13.7.2020
ESTV wurde somit abgewiesen. 87
(2C_537/2019) Im Entscheid 2C_537/2019 äussert sich das BGer zum Grundsatz der Spezialität. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine ausländische Steuerbehörde auf Grundlage der erhaltenen Informationen gegen Personen, die nicht direkt von einer Anfrage betroffen sind, vorgehen kann. Dem Spezialitätsprinzip kommt gemäss BGer im Bereich der internationalen Amtshilfe gemäss Art. 26 Abs. 2 DBA CH/US neben der sachlichen auch eine persönliche Dimension zu. Daher darf der ersuchende Staat die übermittelten Informationen nicht gegenüber Personen verwenden, die von seinem Ersuchen nicht betroffen waren. Das BGer weist daraufhin, dass es in seiner Auffassung von jener der OECD abweicht. Gemäss dem Wortlaut von Art. 26 Abs. 1 aDBA CH/ US ist unklar, gegenüber welchen Personen der ersuchende Staat die übermittelten Informationen verwenden darf. Im Rahmen der Auslegung spricht vieles dafür, dass die Verwendung auf die vom Amtshilfeersuchen betroffenen Personen beschränkt 86 BGer 2C_287/2019, 2C_288/2019 vom 13. Juli 2020. 87 BGer 2C_537/2019 vom 13. Juli 2020.
Steuer Update 2021 Internationale Steuern
51
Kontaktpersonen
Nadia Tarolli Schmidt
Aljoscha Moser
Advokatin und dipl. Steuerexpertin
MLaw, Volontär
T 058 211 33 54, ntarolli@vischer.com
T 058 211 36 22, aljoscha.moser@vischer.com
Christoph Niederer
Nina Orth
Rechtsanwalt und dipl. Steuerexperte
Deutsche Steuerberaterin
T 058 211 34 37, cniederer@vischer.com
T 058 211 39 72, north@vischer.com Veysel Oruclar
Weitere Mitglieder des Steuerteams
Rechtsanwalt T 058 211 36 15, voruclar@vischer.com
Erwin R. Griesshammer Rechtsanwalt
Hubert Steffen
T 058 211 34 43, egriesshammer@vischer.com
Treuhänder mit eidg. Fachausweis T 058 211 32 01, hsteffen@vischer.com
Flurin Bleisch MLaw, Volontär T 058 211 39 82, fbleisch@vischer.com Adrian Briner dipl. Wirtschaftsprüfer und dipl. Steuerexperte T 058 211 32 18, abriner@vischer.com Patrik Fisch M.A. HSG in Law et M.A. HSG in Accounting and Finance T 058 211 34 31, pfisch@vischer.com Eric Flückiger Advokat, MBA T 058 211 39 05, eflueckiger@vischer.com Philipp Flückiger Treuhänder mit eidg. Fachausweis T 058 211 39 48, pflueckiger@vischer.com Nora Heuberger Advokatin T 058 211 32 06, nheuberger@vischer.com Beatrice Leistner Rechtsanwältin und dipl. Steuerexpertin T 058 211 36 31, beatrice.leistner@vischer.com
Steuer Update 2021 Kontaktpersonen
52
Weitere Informationen
VISCHER ist ein unabhängiges Schweizer Anwaltsbüro mit rund 100 Anwälten und Steuerexperten. Zu unserer nationalen und internationalen Klientschaft zählen sowohl namhafte Unternehmen wie auch vermögende Privatpersonen. Die angesprochenen Themen sind nur in gedrängter Form dargestellt. Die Lektüre ersetzt eine gründliche Rechtsberatung nicht. Sollten Sie im Einzelfall Beratungs- oder Handlungsbedarf haben, würden wir uns freuen, wenn Sie Ihren vertrauten Anwalt bei VISCHER ansprechen oder sich direkt beim Steuerteam melden.
Steuer Update 2021 Weitere Informationen
53
VISCHER Schützengasse 1 Postfach 8021 Zürich Schweiz T +41 58 211 34 00 Aeschenvorstadt 4 Postfach 4010 Basel Schweiz T +41 58 211 33 00 Rue du Cloître 2 – 4 Case postale 1211 Genève 3 Suisse T +41 58 211 35 00 www.vischer.com