VISCHER Steuer Update 2021

Page 1

Steuer Update 2021


Inhalt

I Einleitung

1

II Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer  /  Stempelabgaben

2 2

A

Umsetzungsfragen zur STAF

1

Berücksichtigung der STAF-Förderinstrumente bei der Ermittlung des steuerbaren Gewinns

2

2

Dokumentationspflichten für Patentbox und F&E Abzug

5

B

Betriebsstättenrisiko wegen Homeoffice?

6

1 Betriebsstättenbegriff

6

2

6

Ausgestaltung der Homeoffice-Tätigkeit

3 Fazit

7

C

Neuerungen und Aktualitäten im Bereich der Verrechnungssteuer

8

1

Erweiterte internationale Transponierung

8

2

Zwei aktuelle Gerichtsentscheide zur Altreservenpraxis

9

D Entscheide

11

1

Betriebserfordernis für steuerneutrale Umstrukturierung

11

2

Abschreibungen auf Liegenschaften

12

3

Geschäftsmässige Begründetheit von Spesen

13

III Natürliche Personen

15

A

Neuerungen in der Gesetzgebung und in der Verwaltungspraxis

15

1

Steuerschulden aufgrund amtlicher Einschätzungen

15

2

Abzug von Berufskosten während der Corona-Pandemie

15

3

Revision der Quellensteuer

16

B Entscheide

16

1 Nachsteuerverfahren

16

2

Veranlagungsverfügung per E-Rechnung

17

3

Veräusserung von Geschäftsvermögen

18

4

Vermietung einer Liegenschaft zu einem Vorzugszins

18

Steuer Update 2021    Inhalt


IV Grundsteuern – Entscheide A

Wichtiges in Kürze: Änderung der Ersatzbeschaffungspraxis im

Kanton Basel-Landschaft

20

20

B Entscheide

20

1

Besonderes Zusammenspiel der Gewinn- mit der Grundstückgewinnsteuer im Kanton

20

Basel-Landschaft und ein Wort zu Eigenleistungen

2

Steueraufschub bei Überkreuzersatzbeschaffung

21

3

Wirtschaftlicher Neubau und lohnt es sich, die Mitwirkung zu verweigern

21

4

Eigenmietwertbesteuerung bei geerbten Liegenschaften

22

V Mehrwertsteuer

23

A

Praxisänderungen und –präzisierungen

23

1

Entwurf Praxisanpassungen: Massnahmen aufgrund Covid-19

23

2

Änderungen der MWST-Infos

24

3

MWST-Branchen-Info 13: Telekommunikation und elektronische Dienstleistungen

24

B Entscheide

25

1 Partielle mehrwertsteuerliche Steuernachfolge bei Übertragung eines Teilvermögens

25

2 Gruppenbesteuerung

26

3 Abspaltung

26

4

27

Leistungen an eng verbundene Personen

C Ausblick

28

1

28

Besteuerung von Internet-Versandhandelsplattformen

2 Bezugsteuerpflicht

29

3 Subventionen

29

Steuer Update 2021    Inhalt


VI Internationale Steuern

30

A

Internationale Abkommen

30

1

Covid-19: Auswirkungen auf die Sozialversicherungen und Besteuerung von Grenzgängern

30

2

Änderungen Doppelbesteuerungsabkommen: Anpassungen an BEPS Mindeststandards

31

3

Änderungen Doppelbesteuerungsabkommen: Verständigungsvereinbarungen über

33

das Schiedsverfahren mit den USA, Australien und Österreich

4

Neues Grenzgängerabkommen mit Italien unterzeichnet

33

B

Wesentliche neue Gesetze und Verordnungen

33

1

Verordnung über die Anrechnung ausländischer Quellensteuern

33

2

Neue Kreisschreiben Nr. 49 und Nr. 50

35

3

Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung von Bussen

35

C

Wesentliche neue Entwicklungen in der OECD/EU

36

1

Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten – Entwürfe zur Regelung veröffentlicht

36

2

Veröffentlichung der finalen Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen

38

3

Neue Entwicklungen in Deutschland

42

4

Beschränkte Steuerpflicht durch Registrierung von Rechten in Deutschland bleibt vorerst bestehen 43

D Brexit

44

E Entscheide

45

1

45

Entscheide zur Gewinnsteuer juristischer Personen

2

Entscheide zu Steuerbemessung natürliche Person

46

3

Entscheide Verfahren

48

4

Steuerentscheid 12/2020

49

Kontaktpersonen 52

Weitere Informationen

Steuer Update 2021    Inhalt

53


I Einleitung

Die Kanzlei VISCHER verfügt über ein kompetentes Steuerteam mit zwölf Mitgliedern. Die Steuerexperten 1, Wirtschaftsprüfer, Anwälte und Treuhänder beraten nationale sowie internationale Unternehmen und Unternehmer in allen Bereichen des Steuerrechts, sei es bei Ansiedlungen, Umstrukturierungen, Finan­zierungen, Übernahmen oder bei der Gestaltung von Nachfolgeregelungen. Auch die Unterstützung von vermögenden Privatpersonen ist Teil der täglichen Aufgaben. Nebst den typischen Steuerberatungsdienstleistungen, nimmt das Steuerteam auch ComplianceAufgaben, wie Steuerrückstellungsberechnungen oder in komplexeren Fällen das Erstellen von Steuererklärungen, wahr. Schliesslich führen die Teammitglieder auch Steuerprozesse, sofern im Vorfeld keine angemessene Lösung mit den Behörden gefunden werden kann. Dies ist vermehrt im Bereich der internationalen Amts- und Rechtshilfe der Fall. Mit dem zehnten Steuer Update nutzt das Steuerteam von VISCHER wiederum die Gelegenheit, einem steuerlich interessierten Publikum die Neuerungen in den wesentlichen Bereichen des Steuerrechts vorzustellen, welche sich im vergangenen Jahr ergeben haben und / oder im Jahr 2021 von Bedeutung sein werden.

1 In dieser Broschüre wird der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.

Steuer Update 2021    Einleitung

1


II Unternehmenssteuerrecht   /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben  Christoph Niederer, Rechtsanwalt und dipl. Steuerexperte Patrik Fisch, M.A. HSG in Law et M.A. HSG in Accounting and Finance Aljoscha Moser, MLaw, Volontär

A

Reihenfolge die funktionsbezogenen Ermässigungen

Umsetzungsfragen zur STAF

und die zeitliche Verlustverrechnung berücksichtigt

1

a)

Berücksichtigung der STAF-Förder-

werden sollen. Diese Frage ist nach dem für viele Unternehmen schwierigen Jahr 2020 wohl aktueller denn je.

Verhältnis zwischen funktions-

instrumente bei der Ermittlung des

bezogenen Ermässigungen und

steuerbaren Gewinns

Verlustverrechnung

Mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die

Bei den Vorschriften zur Ermittlung des steuerbaren

Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) per

Gewinns eines Unternehmens lässt sich grob gesagt

1. Januar 2020 wurden neue steuerliche Förderungs-

zwischen allgemeinen und besonderen steuerrecht-

instrumente für spezifische Geschäftsfunktionen

lichen Gewinnermittlungs- und Korrekturvorschriften

zur Ermässigung der Steuerbelastung im Rahmen

unterscheiden. Die allgemeinen steuerrechtlichen

der ordentlichen Besteuerung eingeführt, da die

Gewinnermittlungsvorschriften geben vor, wie der

gesonderte, tiefere Besteuerung von ausländischen

Reingewinn eines Unternehmens zu ermitteln ist. Die

Gewinnen international nicht mehr akzeptiert wurde.­

besonderen steuerrechtlichen Gewinnermittlungs-

Die steuerliche Förderung geschieht mittels funk-

und Korrekturvorschriften dienen dazu, ausseror-

tionsbezogener Ermässigungen, deren Inanspruch-

dentlichen Umständen während der Lebensdauer

nahme die notwendige Substanz und die tatsächli-

eines Unternehmens Rechnung zu tragen. Die mit

che Ausübung der fraglichen Funktionen in der

der STAF eingeführten funktionsbezogenen Ermäs-

Schweiz voraussetzt. Damit soll verhindert werden,

sigungen (Patentbox, Forschungs- und Entwicklungs-

dass Steuerermässigungen auf im Ausland getätig-

abzug [F&E] sowie Eigenfinanzierungsabzug) haben

te Aufwendungen bzw. erarbeitete Gewinne gewährt

zum Ziel, bestimmte Geschäftsfunktionen steuerlich

werden. Aus steuerplanerischer Sicht ist es daher

zu fördern. Sie sind folglich der Kategorie der beson-

generell gesprochen zu empfehlen, dass Funktionen

deren steuerrechtlichen Gewinnermittlungs- und

und Abteilungen zusammengelegt werden, damit

Korrekturvorschriften zuzuordnen. Dabei erfolgt die

Aufwand und Gewinn beim gleichen Steuersubjekt

Steuerermässigung bei der Patentbox über die steuer­

anfallen und ein Unter­nehmen von den STAF-Ermäs-

rechtliche Reduktion des handelsrechtlich verbuchten

sigungen auch bestmöglich profitieren kann. Um

Patentbox-Ertrags, während beim F&E-Abzug und

sicherzustellen, dass trotz der neu eingeführten,

beim Eigenfinanzierungsabzug die Steuerermässigung

funktionsbezogenen Ermässigungen ein minimaler

über die Anerkennung von fiktiven Aufwendungen

steuerbarer Gewinn verbleibt und auch keine Ver-

erfolgt.

lustvorträge generiert werden, sieht das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steu-

Da die gesamte steuerliche Ermässigung gemäss

ern der Kantone und Gemeinden vom 14. Dezember

Art. 25b Abs. 1 StHG nicht höher sein darf als 70 %

1990 (StHG) in Art. 25b eine für die Kantone zwin-

des für die Berechnung der Entlastungsbegrenzung

gende Entlastungsbegrenzung vor. Bei der Gewin-

massgeblichen steuerlichen Gewinns, darf die Sum-

nermittlung stellt sich hinsichtlich der Wirkung der

me der funktionalen Ermässigungen diese Schwelle

funktionsbezogenen Ermässigungen und der Ent-

nicht überschreiten und muss gegebenenfalls ent-

lastungsbegrenzung mithin die Frage, in welcher

sprechend gekürzt werden. Für den Fall eines Verlusts

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

2


in der entsprechenden Steuerperiode sieht Art. 25b

rungen als auch doppelte Nichtbesteuerungen

Abs. 3 StHG vor, dass aus den Einzelermässigungen

verhindern. Gemäss dem von der SSK vorgeschla-

kein Verlustvortrag resultieren darf. Somit wird ­si-

genen Verfahren wird zuerst eine Ausscheidung vor

chergestellt, dass nur Verlustvorträge, die tatsäch-

Anwendung der STAF-Ermässigungen vorgenommen;

lich aufgrund der betrieblichen Tätigkeit des Unter-

dabei werden auch die Verlustvorträge verrechnet.

nehmens entstanden sind, im Rahmen der Verlust-

In einem zweiten Schritt werden die STAF-Ermäs-

verrechnung berücksichtigt werden.

sigungen festgelegt und aufgeteilt. Als letztes wird die Entlastungsbegrenzung angewendet. Es ist

Gestützt auf Art. 25 Abs. 2 StHG dürfen vom Rein-

davon auszugehen, dass in erster Linie aus Prakti-

gewinn der aktuellen Steuerperiode die Verluste aus

kabilitätsgründen die Verlustvorträge vor der Be-

den sieben vorangegangenen Geschäftsjahren ab-

rechnung der funktionalen Ermässigungen verrech-

gezogen werden. Da sowohl Geschäftsverluste aus

net werden sollen, denn aufgrund der unterschied-

der laufenden Steuerperiode als auch Verlustvorträ-

lich hohen funktionalen Ermässigungen und Entlas-

ge nur anerkannt werden, wenn sie aufgrund der

tungsbegrenzungen in den Kantonen müsste bei

Geschäftstätigkeit auch tatsächlich entstanden sind,

interkantonalen Unternehmen andernfalls künftig

sollten sie im Rahmen der steuerrechtlichen Gewinn-

jeder Kanton seine eigene Verlustverrechnung füh-

ermittlung auch gleich behandelt werden. Damit stellt

ren. Auch könnte ein solches Vorgehen die Rechts-

sich die Frage, in welcher Abfolge die mit der STAF

unsicherheit erhöhen, weil etwa bei interkantonalen

eingeführten funktionalen Ermässigungen und die

Funktionsverlagerungen oder Sitzverlegungen unklar

zeitliche Verlustverrechnung zur Anwendung gebracht

wäre, welche Verluste bereits verrechnet wurden.

werden sollen. Zum einen lässt sich argumentieren,

Zudem müsste die Einzelermässigung für jede Steu-

dass von der Gleichbehandlung von Geschäftsver-

erperiode neu berechnet werden, was für einen

lusten der aktuellen Steuerperiode und Verlustvor-

erhöhten Verwaltungsaufwand sorgen würde. Der

trägen nicht abgewichen werden darf. Dies würde

Vorrang der zeitlichen Verlustverrechnung ergebe

bedeuten, dass die zeitliche Verlustverrechnung erst

sich auch, so die SSK, aus der Systematik des Ge-

vorgenommen wird, nachdem allfällige Einzelermäs-

setzes, da die Verlustverrechnung vor der Einzeler-

sigungen berücksichtigt wurden. Dieser Meinung

mässigung und der Entlastungsbegrenzung abge-

kann entgegnet werden, dass die mit der STAF ein-

handelt wird. Auch könne man sich auf den Gesetzes­

geführten Ermässigungen, weil sie sich l­ediglich

wortlaut stützen, da in Art. 25 Abs. 2 StHG vom

gewinnsteuerlich auswirken und im Falle des Zusatz-

Reingewinn (und nicht vom steuerbaren Gewinn)

abzugs für F&E und des Eigenfinanzierungsabzugs

die Rede ist, während in Art. 25b Abs. 1 StHG vom

sogar fingierten Aufwand darstellen, erst nach einer

steuerbaren Gewinn gesprochen wird. Die Kantone

allfälligen Verrechnung mit den Verlustvorträgen

scheinen wohl gestützt auf die Argumente der Prak-

berücksichtigt werden dürfen. Somit würden die

tikabilität, Verhältnismässigkeit, Ver waltungs-

Geschäftsverluste der aktuellen Steuerperiode und

ökonomie und Rechtssicherheit zu einem Vorrang

die Verlustvorträge nicht mehr gleich behandelt, weil

der zeitlichen Verlustverrechnung zu tendieren. So

die Verlustvorträge dann nicht mehr direkt vom

halten etwa die Kantone Zürich, Schwyz, St. Gallen

Reingewinn der Steuerperi­ode, sondern vom Gewinn

oder Aargau fest, dass die STAF-Ermässigungen

nach Berücksichtigung der STAF-Ermässigungen

erst nach einer allfälligen Verlustverrechnung geltend

abgezogen werden. Im Folgenden zeigen wir die

gemacht werden können. Der Kanton Aargau hat

Vor- und Nachteile der beiden Vorgehensweisen

dies beispielsweise bereit s ent sprechend in­

unter Bezugnahme auf das Kreisschreiben Nr. 34

§ 69b Abs. 1 des Steuergesetzes (StG/AG) kodifiziert

der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) vom

und führt dazu im Merkblatt zur Anwendung der

15. Januar 2020 auf.

Entlastungsbegrenzung aus, dass, wenn der Verlustvortrag aus vergangenen Steuerperioden das aktuelle Geschäftsergebnis konsumiert, die STAF-

b)

Vorrang der zeitlichen

Ermässigungen ungenutzt verfallen.

Verlustverrechnung Die SSK schlägt ein neues, dreistufiges interkantonal einheitliches Verfahren zur interkantonalen Gewinnausscheidung vor, da sich die Grundsätze zur Ermittlung des steuerbaren Reingewinns aufgrund der unterschiedlichen Umsetzung der STAF-Ermässigung in den Kantonen sonst wohl erheblich unterscheiden würden. Die vorgeschlagene Vorgehensweise soll sowohl interkantonale Doppelbesteue-

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

3


Ermittlung des steuerbaren Reingewinns nach Vorschlag

der SSK vertreten wird. Die allgemeinen und be-

der SSK:

sonderen steuerrechtlichen Gewinnermittlungs- und Korrekturvorschriften beruhen auf einem einheitli-

1.

ewinnausscheidung vor Anwendung der G STAF-Ermässigungen: a. b. c.

2.

Gewinnbestimmung nach handelsrechtlichen Abschlüssen Allfällige steuerliche Korrekturen Verrechnung der Verlustvorträge

Bestimmung der STAF-Ermässigungen: a. Abzug für Patente und vergleichbare Rechte b. Zusätzlicher Abzug für Forschung und Entwicklung c. Abzug für Eigenfinanzierung

chen und in sich geschlossenen Begriffsverständnis. Es finden sich in den Materialien keine Anhaltspunkte,­wonach das Verhältnis der zeitlichen Verlustverrechnung zur periodischen Gewinnermittlung in Bezug auf die STAF-Ermässigungen hätte abgeändert werden sollen. Auch aus der Gesetzessystematik oder dem Sinn und Zweck der Normen lässt sich nicht ableiten, dass sich die Grundsätze der steuer­ rechtlichen Gewinnermittlung aufgrund der STAF geändert hätten. Die funktionalen Ermässigungen ergeben sich aus Art. 24b, Art. 25a und Art. 25abis StHG, die Entlastungsbegrenzung in Art. 25b StHG schränkt die Abzugsfähigkeit unter Umständen ­lediglich wieder ein, kann aber nicht für die Beantwortung der Frage des Vorrangs der zeitlichen

3.

Festlegung der Entlastungsbegrenzung

Verlustverrechnung herangezogen werden. Demzufolge ist festzustellen, dass die in Art. 24b StHG verankerte Patentboxermässigung zwingend vom in der aktuellen Steuerperiode erzielten Reingewinn

Zudem muss vor der Berechnung der Entlastungs-

in Abzug gebracht werden können muss, da sie eine

begrenzung der altrechtliche Step-up beachtet

direkte Ertragsreduktion darstellt und kein Ausle-

werden. Der neurechtliche Step-up fällt nicht unter

gungsspielraum für eine andere Lösung besteht.

die Entlastungsbegrenzung und ist daher noch nicht miteinzubeziehen. Ein allfälliger Beteiligungsabzug

Dasselbe müsste auch für die in Art. 25a und Art. 25abis StHG statuierten Ermässigungen gelten, da

ist ebenfalls nach der Berechnung der STAF-Ermäs-

auch diese nach dem Willen des Gesetzgebers ge-

sigungen vorzunehmen. Dies wirkt sich zu Gunsten

schäftsmässig begründeten Aufwand darstellen,

des Steuerpflichtigen aus, da sich dadurch der

auch wenn es sich dabei um fiktive Werte handelt.

Anteil des Nettobeteiligungsertrags am steuerbaren

Andernfalls resultiert, dass die STAF-Ermässigungen,

Gewinn erhöht.

auf die ein Anspruch besteht, sofern die dafür nötigen Voraussetzungen erfüllt sind, mittels einer vorrangigen zeitlichen Verlustverrechnung durch

c)

Vorrang der periodischen Ermässigung

die Hintertür wieder entzogen werden. Ein einfaches Beispiel zeigt die Problematik auf:

Es spricht jedoch einiges gegen die von der SSK vorgeschlagene und, soweit ersichtlich, von den

Ausgangslage: Ein Unternehmen mit einem Gewinn

meisten Kantonen übernommene Praxis des zeitli-

von 1000 hat einen steuerlichen Verlustvortrag von

chen Vorrangs der Verlustverrechnung und für den

600, kantonale Entlastungsbegrenzung bei 70 %,

Vorrang der funktionalen Ermässigungen, wie er im Fachschrifttum 2 als Gegenposition zum Vorschlag

keine Betriebsstätten oder Grundstücke im Ausland

Zeitliche Verlustverrechnung vor STAF-Ermässigung

Zeitliche Verlustverrechnung nach STAF-Ermässigung

Steuerrechtlicher Gewinn: 1000

Steuerrechtlicher Gewinn: 1000

Zeitliche Verlustverrechnung: – 600

STAF-Ermässigung 70 %: – 700

STAF-Ermässigung 70 %: – 400

Zeitliche Verlustverrechnung: – 300

Steuerbarer Reingewinn: 0

Steuerbarer Reingewinn: 0

Verlustvortrag: 0

Verlustvortrag: 300

sowie keine qualifizierenden Beteiligungserträge:

2 Peter Brülisauer, IFF Forum für Steuerrecht, 04/2020, S. 306-346.

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

4


Das Beispiel verdeutlicht, dass die Ermässigung mit

Hinsichtlich der Voraussetzungen für den Nachweis

Hinweis auf Art. 25b Abs. 3 StHG eingeschränkt

des zusätzlichen Abzugs für Forschungs- und Ent-

wird, wenn die Ermässigung grösser ist, als der nach

wicklungsaufwand führt der Kanton Zürich aus, dass

der Verlustverrechnung verbleibende Restgewinn.

dieser nach den allgemeinen Grundsätzen zur Be-

Es resultiert somit ein Verlustvortrag von 0, weil

weislastverteilung der steuerpflichtigen Person

aufgrund der Inanspruchnahme der funktionalen

obliegt. Damit die Abzugsfähigkeit geprüft werden

Ermässigungen keine Verlustvorträge resultieren

kann, müssen folgende Unterlagen eingereicht

dürfen. Findet die zeitliche Verlustverrechnung erst

werden: – F orschungs- oder Projektbeschrieb, inklusive

nach der Anwendung der STAF-Ermässigungen statt,

Zeitrahmen und Budget;

verbleibt ein Verlustvortrag von 300. Damit kann sich der Effekt ergeben, dass einem Unternehmen

Auflistung der im Bereich der Forschung und

durch die vorgezogene zeitliche Verlustverrechnung

Entwicklung tätigen Arbeitnehmer (Name, Per-

die tatsächliche Inanspruchnahme der STAF-Ermäs-

sonal- und Sozialversicherungsaufwand sowie

sigung teilweise oder vollumfänglich vorenthalten wird, obwohl die funktionalen Voraussetzungen

Funktion und Arbeitspensum); Bei Auftragsforschung eine Kopie des Forschungs-

sowie die geschäftsmässige Begründetheit erfüllt

vertrags und eine Auflistung über die gesamthaft

sind. Der Vorrang der zeitlichen Verlustverrechnung

bezahlten Forschungs- und Entwicklungsauf-

hat somit zur Folge, dass die Verlustvorträge die STAF-Ermässigungen schmälern.

wendungen; Aussagen dazu, welcher Erkenntnisgewinn mit den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten bezweckt wird;

Es ist fraglich, ob sich die von der SSK vorgeschlagene Praxis mit dem Legalitätsprinzip vereinbaren

Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten beruhen;

ob das StHG einen derartigen Auslegungsspielraum zulässt.

Aussagen dazu, auf welchen originären, nicht

offensichtlichen Konzepten und Hypothesen die

lässt. Letztlich werden wohl Gerichte klären müssen, –

Aussagen dazu, inwiefern die Erkenntnisse oder

Ergebnisse der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten reproduzierbar oder verwertbar sind; 2

Dokumentationspflichten für Patentbox und F&E Abzug

Aussagen dazu, inwiefern die Ergebnisse unge-

wiss sind.

Die Patentbox und der Zusatzabzug für F&E sind die

Es kann davon ausgegangen werden, dass die von

wichtigsten mit der STAF eingeführten funktionalen

den Kantonen gestellten Anforderungen an die

Ermässigungen. Wie viele Unternehmen aber tat-

D okumentation erheblich variieren werden. Wie ­

sächlich von diesen beiden Ermässigungen werden

detailliert diese doch zahlreichen Dokumentationen

profitieren können, wird massgeblich davon abhän-

und Belege im Einzelfall sein müssen, wird sich im

gen, welche Anforderungen die Kantone an die

Laufe der Zeit ebenfalls noch weisen. Die Kantone

Dokumentation der entsprechenden Funktionen

können die Häufigkeit der Inanspruchnahme mittels

stellen. Gerade bei kleinen und mittelgrossen Un-

der Ausgestaltung der Anforderungen an die Doku-

ternehmen wird die Inanspruchnahme dieser Ent-

mentationspflichten relativ leicht beeinflussen. Es

lastungsmassnahmen erheblich durch den Doku-

wäre wünschenswert, dass – gerade bei Unterneh-

mentationsaufwand determiniert werden.

men mit überschaubaren Aufwendungen für F & E – pragmatische Lösungen gefunden werden. Die an

Bis jetzt haben erst die Kantone Aargau und Zürich

die Dokumentation gestellten Anforderungen sollten

Merkblätter und Formulare aufgeschaltet, welche

nicht dazu führen, dass die Inanspruchnahme der

die Anforderungen an die einzureichenden Doku-

vorgesehenen Instrumente zur Förderung der Unter­

mentationen und Belege näher ausführen. Der

nehmenstätigkeit im Bereich der Forschung und

Kanton Zürich zum Beispiel führt bezüglich einer

Entwicklung erschwert oder gar verhindert wird.

Inanspruchnahme der Patentbox etwa aus, dass die

Gleichzeitig ist den Kantonen aber auch zuzugeste-

Ermittlung der für die Anwendung der Patentbox

hen, dass der Zusatzabzug für F & E an ein gewisses

qualifizierenden Gewinne mittels geeigneter Unter-

Mass an Forschungstätigkeit geknüpft ist, ansons-

lagen nachzuweisen ist. Weiter ist anzugeben,

ten hätte auch gleich ein allgemeiner Zusatzabzug

welche qualifizierenden Patente in einem Produkt

für im Inland generierten Personalaufwand ins

enthalten sind. Veränderungen in der Zusammen-

Gesetz aufgenommen werden können. Selbstredend

setzung der in einem Produkt enthaltenen qualifi-

wären die sich dadurch ergebenden Steuerausfälle

zierenden Patente müssen ebenfalls festgehalten

nicht verkraftbar. Betroffenen Unternehmen mit

und dokumentiert werden.

Forschungs- und Entwicklungstätigkeit im Inland wird geraten, sich rechtzeitig mit den Dokumenta-

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

5


tionsanforderungen im Sitzkanton ver traut zu

ansässigen Unternehmens Verträge abzuschliessen.

­machen, damit die erforderlichen Daten rechtzeitig

Hinsichtlich des Begriffs der Tätigkeit in einer festen

erhoben und in der vorgeschriebenen Form festge-

Geschäftseinrichtung ist von einer weiten Auslegung

halten werden können.

auszugehen, wodurch auch die Wohnung eines Arbeitnehmers oder einzelne Räume davon als feste Einrichtung gelten können. Eine gelegentliche Nut-

B

zung von solchen Räumlichkeiten führt allerdings

Betriebsstättenrisiko wegen Homeoffice?

noch nicht zur Annahme einer festen Geschäftseinrichtung. Werden die privaten Räume regelmässig und fortgesetzt für Unternehmenszwecke genutzt und ist aus den Umständen zu schliessen, dass der Arbeitnehmer zur geschäftlichen Nutzung der Privat­ räume angehalten wurde, kann gegebenenfalls eine

Die Digitalisierung macht es möglich, dass nicht

feste Geschäftseinrichtung angenommen werden.

mehr nur im Büro, sondern auch von zu Hause aus

Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn

gearbeitet werden kann. Gerade in Zeiten der Pan-

einem Arbeitnehmer keine geschäftlichen Räum-

demie arbeiten Arbeitnehmende vermehrt im Home-

lichkeiten zur Verfügung gestellt werden, sondern

office, sei es auf Anordnung des Arbeitgebers oder

dieser vom Arbeitgeber vielmehr dazu verpflichtet

auf eigenen Wunsch. Es ist anzunehmen bzw. anhand

wird, von zu Hause aus zu arbeiten. Bei interkan-

verschiedener uns bekannter Fälle absehbar, dass

tonalen Verhältnissen ist auf die Rechtsprechung

etliche Arbeitnehmende auch nach der Pandemie

des Bundesgerichts zum Verbot der interkantonalen

teilweise oder gar ausschliesslich im Homeoffice

Doppelbesteuerung abzustellen. Danach setzt eine

arbeiten werden. Dies etwa auf Wunsch des Arbeit-

Betriebsstätte eine ständige körperliche Anlage oder

nehmers, weil er die flexiblere Arbeitsform schätzen

Einrichtung voraus, in der ein quantitativ und qua-

gelernt hat und keine wertvolle Zeit mehr mit Pendeln verlieren will oder etwa auch auf Anordnung

litativ wesentlicher Teil der Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird. 3 Die qualitative Erheblichkeit verlangt,

des Arbeit­gebers, weil dieser auf teure Büroräum-

dass die in der Betriebsstätte ausgeübte Tätigkeit

lichkeiten zukünftig verzichten will. Dies wirft die

zum eigentlichen Geschäftsbetrieb gehört. Somit

Frage auf, ob damit das Risiko besteht, dass ein

sollen bloss untergeordnete und nebensächliche

Unternehmen aufgrund von Mitarbeitenden im

Tätigkeiten ausgeklammert und damit die Aufspal-

Homeoffice in einem anderen Kanton oder gar im

tung der Steuerhoheit auf verschiedene Gemeinwe-

Ausland eine Betriebsstätte begründet.

sen vermieden werden.

1 Betriebsstättenbegriff

2

Ausgestaltung der HomeofficeTätigkeit

Eine Betriebsstätte kann bestehen, wenn eine feste Geschäftseinrichtung vorliegt, in welcher die Ge-

Die Ausgestaltung des Homeoffice ist in der Praxis

schäftstätigkeit eines Unternehmens zumindest

sehr unterschiedlich. Als erstes ist zu betrachten,

teilweise ausgeübt wird. Der Betriebsstättenbegriff

in welchem Rahmen der Arbeitgeber dem Arbeit-

des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer

nehmer Homeoffice zugesteht bzw. ihn dazu ver-

vom 14. Dezember 1990 (DBG) lehnt sich an den

pflichtet. Je nachdem, wie der Arbeitgeber die

Betriebsstättenbegriff von Art. 5 des OECD-Muster­

Vorteile (beispielsweise Kostenreduktion, höhere

abkommens (OECD-MA) zur Vermeidung von Dop-

Produktivität dank motivierterer und flexiblerer

pelbesteuerung an. Das OECD-MA dient jeweils als

Arbeitnehmer) und Nachteile (beispielsweise zu-

Vorlage für die von der Schweiz mit anderen Staa-

sätzlicher Aufwand für Führung und Kontrolle der

ten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen.

Arbeitnehmer) von Homeoffice für sein Unternehmen

Art. 5 OECD-MA enthält sowohl einen Positiv- als

einschätzt, wird er die Möglichkeit zum Homeoffice

auch einen Negativkatalog mit Konstellationen, die

als «Benefit» für die Arbeitnehmer oder eben gar

eine Betriebsstätte zu begründen bzw. nicht zu

als Vorteil für sich selber betrachten. In zeitlicher

begründen vermögen. So begründet etwa ein Ver-

Hinsicht kann die Arbeit entweder regelmässig oder

treter nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA eine sog. Ver-

unregelmässig ausserhalb der Räumlichkeiten des

treterbetriebsstätte, wenn dieser über eine Ab-

Arbeitgebers stattfinden (von gelegentlich ein paar

schlussvollmacht verfügt und diese regelmässig

Stunden, über einen halben oder ganzen Tag in der

benutzt, um im Namen eines in einem anderen Staat

Woche bis zu ausschliesslich). Daneben ist ebenfalls

3 BGE 110 Ia 190 E. 3 m.w.H.

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

6


festzuhalten, inwiefern dem Arbeitnehmer in den

mer oder Alleinaktionär einer Gesellschaft sich

Räumlichkeiten des Unternehmens noch ein eigener

selber ins Homeoffice verlegt und fortan den über-

Arbeitsplatz zur Verfügung steht (auch hier ist von

wiegenden Teil der geschäftlichen Tätigkeiten von

eigenem Büro, über Desk-Sharing bis hin zu keinem

seinem Wohnort aus führt, wird der Wohnort zum

Anspruch auf einen Arbeitsplatz in den Räumlich-

steuerrechtlichen Sitz des Unternehmens.

keiten des Unternehmens vieles möglich). Von diesen Faktoren wird vielfach auch abhängen, ob

Auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist

und in welchem Rahmen sich der Arbeitgeber an

nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu

den Kosten für das Homeoffice beteiligt.

beurteilen, ob das Risiko besteht, dass die Steuerbehörde die Tätigkeit eines Arbeitsnehmers im

Die vielfältigen Arten von Homeoffice-Tätigkeit füh-

Homeoffice als Betriebsstätte erachtet. Dies könn-

ren dazu, dass nicht pauschal beantwortet werden

te etwa der Fall sein, wenn eine direkte Dienstleis-

kann, ob und wann am Tätigkeitsort des Arbeitneh-

tungserbringung aus dem Homeoffice an den Kunden

mers eine Betriebsstätte begründet wird. Es gilt die

vorliegt oder wenn ein Arbeitnehmer berechtigt ist,

jeweiligen Umstände entsprechend zu würdigen.

aus dem Homeoffice Verträge mit Kunden abzu-

Damit man im interkantonalen Verhältnis von einer

schliessen. Auch wenn sich der Arbeitgeber derart

Betriebsstätte am Wohnort des Arbeitnehmers

grosszügig an den Kosten für das Homeoffice be-

ausgehen kann, muss die dort ausgeübte Tätigkeit

teiligt, dass der Arbeitnehmer geneigt ist, aus-

qualitativ und quantitativ wesentlich sein. Zudem

schliesslich von zu Hause aus zu arbeiten und ihm

muss eine ständige Einrichtung vorliegen. Eine

ein Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten des Arbeit-

solche ist bei überwiegender oder gar ausschliess-

gebers nicht mehr zur Verfügung steht, kann dies

licher Arbeit aus dem Homeoffice zweifellos gegeben.

ein Risiko für die Begründung einer Betriebsstätte

Bei der Beurteilung soll der qualitativen und quan-

darstellen. Darüber hinaus ist es ratsam, bei grenz-

titativen Wesentlichkeit besonderes Augenmerk

überschreitenden Sachverhalten die Rechtsprechung

geschenkt werden. Ziel muss sein, dass eine unnö-

der jeweiligen Staaten in Bezug auf die Begründung

tige Aufspaltung der Steuersouveränität verhindert

einer Betriebsstätte zu konsultieren. Insbesondere

werden kann und nur demjenigen Gemeinwesen ein

bei der Frage hinsichtlich der Verfügungsmacht des

Besteuerungsrecht zukommt, in welchem ein we-

Arbeitgebers über die Räumlichkeiten des Arbeit-

sentlicher Teil des technischen oder kommerziellen

nehmers ist die Rechtsprechung international nicht

Betriebs eines Unternehmens vollzogen wird. An-

einheitlich.

dernfalls würden sowohl die Unternehmen als auch die Steuerbehörden mit einem unverhältnismässigen administrativen Mehraufwand belastet. Es stellt sich

3 Fazit

demnach die Frage, welche Tätigkeiten als qualitativ­ und quantitativ wesentlich einzustufen sind. Vorweg

Obwohl keine generelle Aussage getroffen werden

kann gesagt werden, dass es bei Arbeitnehmenden,

kann, lässt sich feststellen, dass das Risiko der

die keinen Umsatz generieren und auch nicht mit

Begründung einer Betriebsstätte aufgrund von

Kunden in direktem Kontakt stehen (beispielsweise

Homeoffice bei den meisten Sachverhaltskonstel-

Mitarbeiter der IT oder der Buchhaltung) nicht da-

lationen wohl eher gering ist. Treten jedoch gewis-

rauf ankommen kann, ob sie ihre Arbeit im Büro des

se Elemente hinzu – wie beispielsweise die aus-

Unternehmens oder von zu Hause aus erledigen.

schliessliche Arbeit aus dem vom Arbeitgeber finan-

Anders kann es hingegen zu werten sein, wenn ein

zierten Homeoffice und Kontakt zu den Kunden – ist

Arbeitnehmer nach aussen auftritt oder gar Kunden

eine nähere Prüfung notwendig. Es empfiehlt sich

bei sich im Homeoffice empfängt. Eine qualitative

in diesen Fällen, die Gegebenheiten frühzeitig mit

und quantitative Erheblichkeit könnte etwa bei Ar-

den zuständigen Steuerbehörden abzustimmen, um

beitnehmers des oberen Kaders oder Personen mit

die Ausgestaltung der Gewährung von Homeoffice

wichtigen Verkaufs- oder Unternehmensleitungs-

anzupassen, bevor unbeabsichtigt eine Betriebs-

aufgaben gegeben sein. Gerade bei diesen Funk-

stätte begründet wird.

tionen ist aber zu erwarten, dass deren Tätigkeit auch zukünftig nicht ausschliesslich oder überwiegend aus dem Homeoffice erledigt werden wird. Aus unserer Sicht besteht im interkantonalen Verhältnis –­­ausser bei gewissen exponierten Funktionen – kaum eine Gefahr der Begründung einer Betriebsstätte am Wohnort des Arbeitnehmers. Bei personenbezogenen Unternehmen ist hingegen, wie bereits heute, Vorsicht geboten. Wenn ein Einzelunterneh-

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

7


Risikofaktoren, bei deren Vorliegen sich eine nähere­

bis zum Betrag, um welchen der Kauf- oder Einbrin-

Betrachtung empfiehlt:

gungspreis die Summe aus Aktienkapital und Kapital­

– Ausschliessliches Arbeiten aus dem Homeoffice;

einlagereserven übersteigt, auch wenn die im

F inanzielle Abgeltung der aufgrund der Home-

Übertragungszeitpunkt bestehenden Altreserven

office-Tätigkeit entstandenen Kosten oder gar

tiefer sind. Die internationale Transponierung lässt

finanzielle Anreize zum Arbeiten im Homeoffice;

sich in solchen Konstellationen nur vermeiden, wenn

Kein Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten des

die Beteiligung bei der übernehmenden Gesellschaft

Arbeitgebers;

nach der sogenannten Agio-Lösung verbucht wird,

Umsatzgenerierende Funktion (z.B. Relationship

womit die Gewinnreserven der residualen Verrech-

Manager einer Bank);

nungssteuerbelastung verhaftet bleiben.

– – –

Kundenkontakt sowie Vertragsverhandlungen

und Vertragsabschlüsse vom Homeoffice aus

Die ESTV hat diese schon seit Langem bestehende

oder gar Empfang von Kunden im Homeoffice;

Praxis vor kurzem auf weitere Fallkonstellationen

E xponierte Stellung im Unternehmen (z.B. Ma-

ausgeweitet, die im Fachschrifttum als erweiterte

nagement).

internationale Transponierung bezeichnet werden. 4 Wie der Name schon sagt, geht es bei der erweiterten internationalen Transponierung um eine

C

Ausdehnung des Anwendungsbereichs der interna-

Neuerungen und ­Aktualitäten im Bereich der Verrechnungssteuer

tionalen Transponierung und zwar auch auf Fälle, bei denen ein Aktionär ohne residuale Verrechnungssteuerbelastung eine Schweizer Gesellschaft an einen nicht voll rückerstattungsberechtigten Dritten veräussert, wobei dieser die Gesellschaft über eine Schweizer ­Akquisitionsgesellschaft erwirbt. Ebenfalls als erweiterte internationale Transponierung beurteilt wird der Fall, in dem der Verkäufer die Zielge-

1

Erweiterte internationale

sellschaft zunächst gegen AK/KER in eine Schweizer

Transponierung

Gesellschaft einbringt und dann diese dem ausländischen Käufer veräussert. In beiden Fällen fehlt es

Die Transponierung ist vor allem aus dem Einkom-

bei der erweiterten internationalen Transponierung

menssteuerrecht bekannt, wo sie als Übertragung

am begriffswesentlichen «Transponieren», verstan-

einer im Privatvermögen einer natürlichen Person

den als das Übertragen einer Beteiligung vom Privat -­

gehaltenen Beteiligung auf eine selbstbeherrschte

ins Geschäftsvermögen einer selbstbeherrschten

Gesellschaft verstanden wird. Bei der Transponierung

Gesellschaft, womit sich die Frage stellt, worin bei

unterliegt der Veräusserungserlös in der Differenz

solchen Transaktionen die für die Annahme einer

zwischen Kaufpreis und Summe aus Aktienkapital

Steuerumgehung vorausgesetzte «absonderliche

und Kapitaleinlagen als Ertrag aus beweglichem

Rechtsgestaltung» zu sehen ist. Da es bei grenz-

Vermögen der Einkommenssteuer. Eine «klassische»

überschreitenden Unternehmenskäufen – besonders,

Transponierung hat aber keine Verrechnungssteu-

wenn es sich beim Käufer um einen Private Equity

erfolgen. Mit Verrechnungssteuerfolgen verbunden

Fonds handelt – ausserdem üblich ist, dass der

sind hingegen die von der Verwaltungspraxis als

Unternehmenskauf über eine Akquisitionsgesellschaft

internationale Transponierung bezeichneten Fälle,

abgewickelt wird, und zwar keineswegs nur aus

in denen ein nicht vollumfänglich rückerstattungs-

Steuergründen, sondern insbesondere auch wegen

berechtigter Ausländer eine Schweizer Gesellschaft

der Haftungsbegrenzung, Rückbeteiligungen der

auf eine selbstbeherrschte inländische Gesellschaft

Verkäufer, Finanzierungen Dritter etc., hat die er-

überträgt, wodurch in Zukunft im Umfang des Kauf-

weiterte internationale Transponierung in Fachkrei-

bzw. Einbringungspreises Reserven ohne residuale

sen für Irritationen gesorgt. Das hat die ESTV jedoch

Verrechnungssteuerbelastung repatriiert werden

bisher nicht davon abgehalten, an dieser fragwür-

können. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV)

digen Praxis festzuhalten. Sie will diese aber, wie

sieht darin eine Steuerumgehung im Sinne von Art.

sie inzwischen verlauten liess, mit Augenmass an-

21 Abs. 2 des Verrechnungssteuergesetzes (VStG)

wenden. So soll eine erweiterte internationale

und verweigert auf zukünftigen Ausschüttungen die

Transponierung immer dann nicht vorliegen, wenn

Rückerstattung der Verrechnungssteuer im Umfang,

die Schweizer Akquisitionsgesellschaft noch weite-

in dem durch die Umstrukturierung verrechnungs-

re wesentliche Funktionen hat, wie zum Beispiel die

steuerbelastete Reserven untergehen, das heisst

Aufnahme einer Bankfinanzierung. Allerdings muss

4 Stefan Oesterhelt, IFF Forum für Steuerrecht, 01/2020, S. 40-50.

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

8


die Bankfinanzierung mindestens 50 % des Kauf-

ven die Rückerstattung nur im Umfang der durch

preises der Schweizer Zielgesellschaft ausmachen.

die Umstrukturierung oder den Drittverkauf erlang-

Beträgt die Bankfinanzierung weniger als 50 %, so

ten Verbesserung der Rückerstattungsposition.

prüft die ESTV, ob sich im Rahmen der Transaktion noch weitere Personen an der Akquisitionsgesellschaft beteiligen.

a)

BGer 2C_354/2018 vom 20. April 2020

Falls dem so ist, sieht die ESTV ebenfalls von der

Bei Anwendungsfällen der Altreservenpraxis hat es

Anwendung der erweiterten internationalen Trans-

bisher grundsätzlich keine Rolle gespielt, ob die

ponierung ab.

Rückerstattung der Verrechnungssteuer gestützt auf das anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen

Somit ist festzuhalten, dass der Kauf einer Schweizer­

oder gestützt auf Art. 9 des AIA-Abkommens mit

Gesellschaft durch einen Ausländer über eine Schwei-

der EU (AIA) (vormals Art. 15 des Zinsbesteuerungs-

zer Akquisitions- oder Zwischengesellschaft einen

abkommens [ZBstA]) beantragt wird. Nun zeichnet

möglichen Anwendungsfall der erweiterten interna-

sich aufgrund des Entscheids des BGer 2C_354/2018

tionalen Transponierung darstellen kann. In diesem

vom 20. April 2020 eine Praxisänderung ab. Dem

Fall sind, wenn möglich. die erwähnten Safe-Haven-

Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde: die

Kriterien einzuhalten. Wir erachten es aber als

Schweizer Gruppengesellschaft (­ F. AG) des weltweit

unumgänglich, dass in solchen Fällen ein verbind-

grössten Herstellers von Kaffeemaschinen mit Sitz

liches Steuerruling eingeholt wird.

der Obergesellschaft in Italien hat in den Jahren von 1999 bis 2003 mehrere Dividenden an ihre damalige in den Niederlanden ansässige Mutterge-

2

Zwei aktuelle Gerichtsentscheide zur

sellschaft ausgeschüttet, wobei jeweils gestützt auf

Altreservenpraxis

das anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Niederlande Antrag auf vollständige Rück-

Unter der Altreservenpraxis verweigert die ESTV

erstattung der Schweizerischen Verrechnungssteu-

ganz oder teilweise die Rückerstattung der Verrech-

er gestellt wurde. Die ESTV gewährte jedoch gestützt

nungssteuer auf den Altreserven, wenn der neue

auf die Missbrauchsbestimmung im Doppelbesteue-

Aktionär nach einer konzerninternen Umstrukturie-

rungsabkommen Schweiz-Niederlande jeweils

rung oder einem Drittverkauf in einer besseren

­lediglich eine Rückerstattung von 20 %, sodass eine

Rückerstattungsposition ist als der bisherige Aktio-

Sockelbelastung von 15 % verblieb, mit der Begrün-

när. Die Anwendung der Altreservenpraxis setzt

dung, dass die damalige niederländische Mutter­

mithin voraus, dass die Zielgesellschaft über nicht

gesellschaft die schweizerische Beteiligung ohne

betriebsnotwendige, ausschüttungsfähige Reserven

wirtschaftliches Motiv von einer Gesellschaft in den

verfügt und dass durch einen Drittverkauf oder eine

niederländischen Antillen erworben hatte. In den

Umstrukturierung die Verrechnungssteuer-Rücker-

Jahren 2004 bis 2007 schüttete die F. AG keine

stattungsposition verbessert wird. Das Bundesgericht

weiteren Dividenden aus. Anfang 2006 veräusserte

(BGer) hat bereits in früheren Urteilen die Verwei-

die bisherige Muttergesellschaft die F. AG an eine

gerung des Rückerstattungsanspruchs auf den

Gruppengesellschaft mit Sitz in Irland. In der Folge

Altreserven im Umfang der durch die Umstruktu-

beschloss die F. AG am 25. Juni 2007 eine Dividende­

rierung oder den Drittverkauf erlangten Verbesse-

in Höhe von CHF 14 Mio. mit Fälligkeit per 25. Sep-

rung der Rückerstattungsposition gestützt auf das

tember 2007. Das anschliessend beantragte Melde-

ungeschriebene Missbrauchsverbot oder Art. 21

verfahren wurde von der ESTV abgelehnt, sodass

Abs. 2 VStG, wenn der Antragsteller Inländer ist, als rechtmässig erkannt, 5 wobei die absonderliche

die F. AG am 7. März 2011 die auf der streitbetrof-

Rechtsgestaltung von der ESTV regelmässig darin

von CHF 4,9  Mio. zzgl. Verzugszinsen an die ESTV

gesehen wird, dass die ausschüttungsfähige, nicht

entrichtete. Die irische Dividendenempfängerin

betriebsnotwendige Substanz nicht vor dem Betei-

hatte am 24. Dezember 2010 vorsorglich Antrag auf

ligungsverkauf ausgeschüttet wird, sondern mit der

Rückerstattung der Verrechnungssteuer gestützt

Gesellschaft veräussert wird. Unter der Altreserven­

auf Art. 15 Abs. 1 des ZBstA (neu: Art. 9 AIA) und

praxis verweigert die ESTV auf Ausschüttungen

gestützt auf das Doppelbesteuerungsabkommen

solange die volle Rückerstattung nach Massgabe

Schweiz-Irland gestellt. Mit Entscheid vom 26. Au-

des First-in-first-out-Prinzips, bis die Altreserven

gust 2014 verweigerte die ESTV die Rückerstattung

vollständig ausgeschüttet sind. Mithin verweigert

der Verrechnungssteuer, wogegen die Antragstel-

sie gemäss der bisherigen Praxis auf den Altreser-

lerin den Rechtsweg beschritt und zuletzt Beschwer-

fenen Dividende geschuldete Verrechnungssteuer

5 Vgl. z. B. BGer vom 16. August 1996 (ASA 66, S. 406).

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

9


de beim BGer erhob, wobei nur noch die Rücker-

ständig versagt und nicht etwa bloss teilweise ge-

stattung gestützt auf Art. 15 Abs. 1 ZBstA Streit-

währt werden, verweigerte auch das Bundesgericht

gegenstand war.

die Rückerstattung der Verrechnungssteuer vollumfänglich.

Die Vorinstanz verweigerte den Rückerstattungsanspruch mit der Begründung, dass die Nutzungs-

Es bleibt zu hoffen, dass bei Altreservenfällen, bei

berechtigung der irischen Dividendenempfängerin

denen die Rückerstattung unter einem Doppelbe-

vorliegend nicht gegeben sei. Diese Frage könne,

steuerungsabkommen beantragt wird, weiterhin nur

so das BGer, offengelassen werden, falls die ge-

im Umfang der Verbesserung der Rückerstattungs-

wählte Gestaltung unter einen Missbrauchsvorbehalt

position die Abkommensvorteile versagt werden.

gemäss Art. 15 Abs. 1 ZBstA (neu: Art. 9 Abs. 1

Gegebenenfalls drängt es sich bei potentiellen

AIA) falle. Das interne Recht der Schweiz kenne mit

Altreservenfällen in Zukunft auf, die Rückerstattung

dem Vorbehalt der Steuerumgehung eine allgemei-

unter dem Doppelbesteuerungsabkommen zu be-

ne Anti-Missbrauchsregelung im Sinne von Art. 15

antragen, da diesfalls «nur» eine teilweise Verwei-

Abs. 1 ZBstA, dieses dürfe zwar einem Steuerpflich-

gerung der Abkommensvorteile auf den Altreserven

tigen, der sich auf einen völkerrechtlichen Vertrag

droht, und nicht eine vollständige, wie unter dem

berufen könne, der ihn von Steuer­f olgen des inter-

ZBstA bzw. AIA.

nen Recht entlastet, üblicherweise nicht entgegengehalten werden (Art. 27 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge), ausser die Berufung

b)

BVGer A-1795/2017 vom 1. Dezember 2020

auf den völkerrechtlichen Vertrag stelle einen Rechtsmissbrauch (sog. Abkommensmissbrauch)

Dem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

dar. Ein Missbrauch liege laut OECD vor, wenn das

(BVGer) vom 1. Dezember 2020 lag der Fall zugrun-

Erlangen einer steuergünstigeren Position einer der

de, dass ein im Ausland ansässiger Verkäufer, eine

Hauptzwecke der betroffenen Transaktion oder

natürliche Person, im Jahr 2005 eine im Treuhand-

Gestaltung war und die Gewährung des Abkom-

wesen tätige Schweizer Gesellschaft (Zielgesell-

mensvorteils Ziel und Zweck der einschlägigen

schaft) an eine schweizerische Käufergesellschaft,

Bestimmungen zuwiderlaufen würde. Vorliegend

eine unabhängige Dritte, für einen Kaufpreis von

habe erst die Übertragung der Beteiligung an der

CHF 1 100 000 veräussert hatte.

schweizerischen F. AG auf die in Irland ansässige Beschwerdeführerin die Beteiligung dem Anwen-

Die schweizerische Zielgesellschaft verfügte im

dungsbereich des Missbrauchsvorbehalts im Dop-

Zeitpunkt des Beteiligungsverkaufs über etwa

pelbesteuerungsabkommen Schweiz-Niederlande

CHF 760 000 flüssige Mittel, die mindestens im Um-

entzogen. Die Übertragung habe mithin potenziell

fang von CHF 636 174,43 handelsrechtlich ausschüt-

eine Vermeidung der Sockelsteuerbelastung von

tungsfähig waren. Im Jahr 2011, also mehr als fünf

15 % ermöglicht, weshalb die gewählte Rechts-

Jahre nach dem Beteiligungsverkauf, nahm die

gestaltung eine erhebliche Steuerersparnis zur

schweizerische Zielgesellschaft eine Substanzaus-

Folge gehabt hätte, zumal die schweizerische F. AG

schüttung im Umfang von CHF 820 300 vor. Die ESTV

im Zeitpunkt der Beteiligungsübertragung über

verweigerte in der Folge die vollständige Rücker-

erhebliche liquide, eindeutig nicht betriebsnotwen-

stattung der Verrechnungssteuer unter Berufung

dige Mittel und ausschüttungsfähige Reserven

auf eine Steuerumgehung im Sinne von Art. 21 Abs.

verfügt hat (sog. Altreserven). Soweit ist der Ent-

2 des Verrechnungssteuergesetzes (VStG). Im Ein-

scheid des BGer bloss eine Bestätigung der altbe-

spracheverfahren reduzierte die ESTV den Betrag

kannten Altreservenpraxis. Eine Praxisänderung

der nicht rückforderbaren Verrechnungssteuer auf

stellt hingegen die Rechtsfolge dar, welche der

CHF 222 661,05 (35 % von CHF 636 174,43). Die

Missbrauch nach Auffassung des BGer nach sich

Beschwerdeführerin erhob gegen den Entscheid

zieht. Anders als in den bisher beurteilten Altreser-

Beschwerde ans BVGer.

venfällen, bei denen sich die Antragsteller jeweils auf ein Doppelbesteuerungsabkommen gestützt

Das BVGer nimmt in seiner Entscheidbegründung

haben, sieht sich das Bundesgericht vorliegend, wo

eine detaillierte Prüfung vor, ob die drei Vorausset-

der Rückerstattungsanspruch gestützt auf Art. 15

zungen für eine Steuerumgehung erfüllt sind. Dabei

ZBstA zu beurteilen ist, veranlasst, sich im Inter-

kommt es zum Schluss, dass es vorliegend nicht

esse der Entscheidungsharmonie an die Rechtspre-

absonderlich war, dass die Zielgesellschaft mit er-

chung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) an-

heblichen ausschüttbaren Mitteln veräussert wurde,

zulehnen. Weil in der EU der Rechtsmissbrauch

unter anderem, da beabsichtigt war, dass die Ziel-

einheitlich zur Folge hat, dass dem Steuerpflichtigen

gesellschaft mit diesen Mitteln Akquisitionen tätigt,

die Vorteile aus der Mutter-Tochter-Richtlinie voll-

was im Gesamtkontext sehr plausibel erscheint.

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

10


Dies gelte auch, wenn diese Absicht schliesslich

D

nicht umgesetzt wurde. Auch dass die Zielgesell-

Entscheide

schaft ihren Betrieb noch mindestens drei Jahre fortgeführt hat, bestärkt das Gericht in dieser Auffassung. Vor allem aber die Tatsache, dass seit dem Beteiligungsverkauf mehr als fünf Jahre verstrichen waren, bis eine Substanzausschüttung vorgenommen

1

Betriebserfordernis für steuerneutrale Umstrukturierung

wurde, wertet das Gericht als starkes Indiz, dass nicht von Anfang an geplant war, der Zielgesellschaft

Dem Urteil des BGer vom 4. März 2020 6 liegt fol-

die nicht betriebsnotwendigen Mittel zu entziehen,

gender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerde­führer

was ebenfalls gegen ein absonderliches Vorgehen

und sein Sohn haben sämtliche Aktiven und Passi-

spricht. Die Käufergesellschaft verfügte im Zeitpunkt

ven ihrer jeweiligen, im Handelsregister des Kantons

des Beteiligungskaufs zwar über geringe Eigenmit-

Wallis eingetragenen Einzelunternehmen mittels

tel und musste den Kaufpreis zu einem wesentlichen

Vermögensübertragung nach Fusionsgesetz (FusG)

Teil über ein Darlehen ihrer Muttergesellschaft fi-

zu Buchwerten auf eine im Jahr 2012 gegründete

nanzieren. Die Zielgesellschaft und der Verkäufer

Aktiengesellschaft mit Sitz in Zug übertragen. Der

haben der Käufergesellschaft aber keine Darlehen

Beschwerdeführer stellte einen Rulingantrag, wonach

gewährt. Ausserdem wurde der Zielgesellschaft

die Übertragung, die auch drei noch nicht verkauf-

während mehr als fünf Jahren keine Substanz ent-

te Stockwerkeigentumsanteile einer im Wallis er-

zogen. Das BVGer kommt schliesslich zum Schluss,

stellten Überbauung umfasste, als steuerneutrale

dass vorliegend ungenügend nachgewiesen wurde,

Umstrukturierung zu qualifizieren sei. Obwohl das

dass das gewählte Vorgehen absonderlich ist. Auch

Ruling nicht gewährt wurde, setzten sie die Um-

erwog das Gericht, habe es vorliegend nicht nur

strukturierung wie geplant um. Im Veranlagungs-

steuerliche Gründe für das gewählte Vorgehen ge-

verfahren kam die kantonale Steuerverwaltung

geben.

Wallis zum Schluss, dass die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Umstrukturierung nicht erfüllt

Wenngleich die konkrete Entscheidbegründung nicht

waren. Gleichzeitig qualifizierte sie die beiden (Va-

so recht zu überzeugen vermag, ist es dennoch

ter und Sohn) als gewerbsmässige Liegenschafts-

erfreulich, wenn vorliegend das BVGer bei einem

händler, wodurch die Übertragung der Stockwerk-

potentiellen Altreservenfall die drei Voraussetzungen

eigentumseinheiten der Einkommenssteuer unterlag.

einer Steuerumgehung im Detail prüft und, insbe-

Gegen diese Veranlagung beschritten sie den

sondere, weil es das subjektive Tatbestandselement

Rechtsweg bis vor BGer.

und die Absonderlichkeit des gewählten Vorgehens nicht oder ungenügend erstellt sieht, die Anwendung

Das BGer erwog in seinem Urteil, dass als Betrieb

der Altreservenpraxis verneint. Das heisst mit an-

im Sinne des steuerlichen Umstrukturierungsrechts

deren Worten, dass es bei potentiellen Altreserven-

jeder organisatorisch-technische Komplex von Ver-

fällen möglich ist, die Anwendung dieser Praxis zu

mögenswerten gilt, der im Hinblick auf die unter-

verhindern, wenn sich nachweisen lässt, dass es

nehmerische Leistungserbringung eine relativ un-

andere Motive für die Transaktion gab, als die Er-

abhängige und organische Einheit bildet. Ein Betrieb

zielung einer Steuerersparnis durch Verbesserung

besteht nur dann, wenn ein hoher Grad an Unab-

der Rückerstattungsposition.

hängigkeit und Organisation vorliegt, sodass er selbständig fortbestehen kann. 7 In einem Betrieb sollen Kapital und Arbeitskraft zum Zweck der Gewinnerzielung eingesetzt werden, die Verwaltung des eigenen Vermögens stellt hingegen keine Betriebstätigkeit dar. Auch ist der Betriebsbegriff nach Ansicht des BGer enger ausgestaltet als jener der selbständigen Erwerbstätigkeit. Somit liegt nicht bei jeder Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit auch ein Betrieb vor. 8 Nur weil der Beschwerdeführer als selbständig erwerbstätiger Liegenschaftshändler qualifiziert wurde, darf daraus laut BGer nicht der Schluss gezogen werden, dass auch

6 BGer 2C_1/2020 vom 4. März 2020. 7 BGE 142 II 283 E. 3.2. 8 BGE 142 II 283 E. 3.3.1.

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

11


ein Betrieb vorliegt. Damit das gewerbsmässige

Das BGer hielt in seinem Urteil 9 zunächst fest, dass

Verwalten eigener Immobilien als Betrieb qualifiziert

geschäftsmässig begründete Abschreibungen auf

wird, muss eine professionelle Immobilienbewirt-

Geschäftsvermögen zulässig seien, soweit sie buch-

schaftung vorliegen (grosse Zahl von Liegenschaft-

mässig ausgewiesen sind. Als Geschäftsvermögen

en durch eigene Dienstleistungen betreuen oder mit

gelten nach der sog. Präponderanzmethode alle

ihnen Handel treiben).

Vermögenswerte, die ganz oder vorwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit dienen. Für die Be-

Das BGer führte sodann aus, dass hinsichtlich der

urteilung ist auf die technisch-wirtschaftliche Funk-

drei Stockwerkeigentumsanteile kein Betrieb oder

tion eines Gegenstands abzustellen. Es wird zwischen

Teilbetrieb vorlag, weil es sich weder um eine hohe

ordentlichen (für Güter, die infolge Gebrauch laufend

Anzahl an Liegenschaften handelte, noch eine über

an Wert verlieren) und ausserordentlichen Abschrei-

die blosse Verwaltung des eigenen Vermögens hin-

bungen (wenn der Wertverzehr ein einmaliges Er-

ausgehende Liegenschaftsbetreuung erfolgte. Be-

eignis darstellt) unter­s chieden.

züglich der Planung und Erstellung der Liegenschaften lag ebenfalls kein Betrieb vor, da sie im Zeitpunkt

Das BGer hielt weiter fest, dass der Beschwerde-

der geplanten Übertragung bereits zum wesentlichen

führer als selbständig erwerbstätiger Liegenschaf-

Teil fertiggestellt waren. Auch mit Blick auf den

tenhändler grundsätzlich zur Vornahme buchmässig

Handel mit den Stockwerkeigentumsanteilen lag

ausgewiesener Abschreibungen berechtigt sei, auch

kein Betrieb vor, da keine unabhängige, organische

für seine allfälligen zum Geschäftsvermögen zäh-

Einheit gegeben war.

lenden Kapitalanlageliegenschaften. In der bisherigen Rechtsprechung war mitunter festgeahlten

Gestützt auf die Erwägungen des BGer bleibt fest-

worden, bei einem Liegenschaftenhändler seien

zuhalten, dass aus der Qualifikation einer selbständigen Erwerbstätigkeit im steuerlichen Sinne kei-

ordentliche Abschreibungen auf Kapitalanlageliegenschaften undenkbar. 10 Diese Ansicht stützt

nesfalls geschlossen werden darf, dass zwingend

sich auf ein Urteil des BGer, in welchem erwogen

auch ein Betrieb vorliegt. Da die meisten steuer-

worden war, dass hinsichtlich einer Kapitalanlage-

neutralen Umstrukturierungstatbestände einen Betrieb voraussetzen, so auch die im konkreten Fall

liegenschaft im Privatvermögen des Steuerpflichtigen keine Abschreibungen möglich seien. 11 Daraus

vollzogene Umwandlung zweier Einzelunternehmen

darf, wie vom BGer nun klargestellt, nicht geschlos-

in eine Aktiengesellschaft, empfiehlt sich im Zwei-

sen werden, dass dies auch für Kapitalanlageliegen-

felsfall, die Steuerbehörden vorweg um eine ver-

schaften gelten soll, die sich im Geschäftsvermögen

bindliche Auskunft zu ersuchen (Ruling).

eines Liegenschaftenhändlers befinden. Ausgeschlossen sind nach der Rechtsprechung jedoch Abschreibungen auf Immobilien des Umlaufvermö-

2

Abschreibungen auf Liegenschaften

gens. 12

Die Steuerverwaltung liess bei der Veranlagung

Vorliegend hatte die Vorinstanz nicht abgeklärt, ob

eines selbständig erwerbstätigen Immobilienunter-

es sich bei den entsprechenden Liegenschaften um

nehmers eine Abschreibung auf den Liegenschaften

Privat- oder Geschäftsvermögen handelte. Falls die-

des Geschäftsvermögens über CHF 137 000 nicht

se als Geschäftsvermögen eingestuft worden wären,

zum Abzug zu. Die daraufhin erhobene Einsprache

hätte weiter geprüft werden müssen, ob sie dem

wurde abgewiesen. Die danach urteilende Steuer-

Umlauf- oder Anlagevermögen zuzuordnen sind.

rekurskommission hob den Einspracheentscheid auf und anerkannte die Abschreibung als geschäfts­mässig

Das BGer wies die Angelegenheit daher an die Vor-

begründet. Das Appellationsgericht des Kantons

instanz zurück, damit diese die ergänzenden Sach-

Basel-Stadt hob hingegen den Entscheid der Steu-

verhaltsfeststellungen vornehmen und in der Sache

errekurskommission auf und verweigerte die Ab-

neu entscheiden kann. Dabei fügte das BGer an,

schreibung. Der Beschwerdeführer verlangte vor

dass Liegenschaften, die zum Geschäftsvermögen

BGer, dass das Urteil des Appellationsgerichts auf-

eines Liegenschaftenhändlers gehören, normaler-

zuheben und die Abschreibung anzuerkennen sei.

weise Umlaufvermögen bilden. Es sei aber durchaus auch möglich, dass Liegenschaften Anlagevermögen darstellen. Bei der Qualifikation komme es nicht auf

9 10 11 12

BGer 2C_1001/2018 vom 30. Januar 2020. Etwa BGer 2C_744/2018 vom 5. August 2019 E. 2.2. BGer 2A.667/2006 vom 16. Februar 2007 E. 3.2. So etwa in BGer 2C_744/2018 vom 5. August E. 2.2.

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

12


die Haltedauer, sondern auf den Verwendungszweck

Arbeitgebers vorerst selbst aufkommen, ehe sie die

an.

Kosten vom Arbeitgeber zurückerstattet erhalten.

13

Die Vergütung dieser Kosten bleibt auf Ebene des Abschliessend kann somit festgehalten werden, dass

Arbeitnehmende steuerfrei. Werden ausserregle-

auch ein Liegenschaftenhändler – sofern eine Lie-

mentarische Gesamtpauschalen ausgerichtet, sind

genschaft Anlagevermögen und nicht Umlaufvermö-

diese – soweit sie die effektiv angefallenen Kosten

gen darstellt – regelmässige Abschreibungen steuer-

übersteigen – als steuerbare Nebenleistung an die

wirksam geltend machen darf. Der guten Ordnung

Arbeitnehmende nach Art. 17 Abs. 1 DBG zu be-

halber sei daran erinnert, dass die Abschreibungen

trachten. Diese Lohnnebenleistung zählt nach

lediglich auf dem Gebäude, nicht aber auf dem Land

Art. 5 Abs. 2 Bundesgesetz über die Alters- und

vorgenommen werden können.

Hinterlassenenversicherung zum massgebenden Lohn.

3

Geschäftsmässige Begründetheit

Auf Ebene des Arbeitgebers stellt sich vorliegend

von Spesen

die Frage, ob die ausbezahlten Pauschalspesen geschäf tsmässig begründeten Auf wand i.S.v.

Eine im Bereich der Versicherungsvermittlung tätige­

Art. 58 Abs. 1 lit. b DBG darstellen. Die geschäfts­

Gesellschaft richtete ihren Aussendienstmitarbei-

mässige Begründetheit ist zu vermuten, wenn die

tenden, darunter dem Alleingesellschafter und dessen Sohn, Pauschalspesen in Höhe von 20 % des

Aufwandposition in unmittelbarem Zusammenhang mit der betrieblichen Leistungserstellung steht 15.

erwirtschafteten Umsatzes aus. Die Steuerverwal-

Gehen die ausgerichteten Pauschalspesen über den

tung des Kantons Zug erachtete lediglich die Hälfte

eigentlichen Spesenanfall hinaus, handelt es sich in

als geschäftsmässig begründet und rechnete die

diesem Umfang um eine freiwillige Leistung – ver-

andere Hälfte entsprechend auf. Nachdem weder

gleichbar mit einer Gratifikation oder einem Bonus

die Einsprache noch der Rekurs ans Verwaltungs-

– des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer. Handels-

gericht erfolgreich waren, gelangte die Beschwer-

rechtlich fallen diese Vergütungen unter den Per-

deführerin ans BGer und beantragte, von der Auf-

sonalaufwand (Art. 959b Abs. 2 Ziff. 4 OR). Zudem

rechnung der Pauschalspesen von insgesamt

sind entsprechend Sozialversicherungsbeiträge zu

CHF 234 000 abzusehen. Die Beschwerdeführerin

entrichten. Auf der Ebene der Arbeitnehmenden

führte aus, dass die Mitarbeitenden – bis auf den

liegt steuerbares Einkommen aus unselbständiger

Geschäftsführer und dessen Sohn – als der Steu-

Erwerbstätigkeit vor.

erpflichtigen fernstehende Personen zu betrachten seien und es sich – sollten die Spesenzahlungen

Daraus folgt, dass die an die der Gesellschaft fern-

tatsächlich überhöht gewesen sein – daher um

stehenden Arbeitnehmenden ausgerichteten Pau-

Personalaufwand handeln würde. Das BGer hielt hierzu fest, 14 dass die Steuerpflichtige über kein

schalspesen geschäftsmässig begründeten Aufwand

von der Veranlagungsbehörde genehmigtes Spe-

genommene Aufrechnung somit unbegründet war.

senreglement verfügte, weshalb sie die geschäfts-

Bei den der Gesellschaft nahestehenden Mitarbei-

mässige Begründetheit detailliert aufzuzeigen habe.

tenden hingegen ist eine Abgrenzung zwischen durch

Spesen werden grundsätzlich effektiv nach Spesen-

konkrete Spesenereignisse gerechtfertigten und

ereignis und gegen Vorlage des Originalbelegs ab-

beteiligungsrechtlich motivierten Leistungen vor-

gerechnet, nur bei ausgewählten Konstellationen

zunehmen. Nur erstere stellen geschäftsmässig

lässt die Praxis Pauschalen zu. Das Kreisschreiben

begründeten Aufwand dar, letztere müssen von

Nr. 25 der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK)

Gesetzes wegen aufgerechnet werden (Art. 58 Abs.1

betreffend Muster-Spesenreglemente für Unterneh-

lit. b, fünftes Lemma DBG). Diese Abgrenzung ist

men sieht für im Aussendienst tätige Personen jedoch

anhand der konkreten Spesenereignisse vorzuneh-

keinen solchen Ausnahmefall vor. Gesamtpauscha-

men; die Spesenentschädigung an einen naheste-

len, wie sie hier ausgerichtet wurden, sieht das

henden Mitarbeitenden darf somit nicht höher

Muster-Spesenreglement ­ l ediglich für leitendes

ausfallen, als die tatsächlich von ihm getragenen

Personal vor.

Kosten. Vorliegend hat die Beschwerdeführerin

darstellen und die von der Steuerverwaltung vor-

Bestand und Höhe der angeblichen SpesenereignisSpesenvergütungen dienen als Ersatz jener Kosten,

se nicht nachgewiesen. Daher darf davon ausge-

für die Arbeitnehmende namens und im Auftrag des

gangen werden, dass den an die nahestehenden

13 So etwa in BGer 2C_107/2011 vom 2. April 2012 E. 3.2. 14 BGer 2C_316/2020 vom 20. Oktober 2020. 15 BGE 143 II 8 E. 3.

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

13


Mitarbeitenden ausgerichteten Spesenpauschalen keine Spesenereignisse gegenüberstehen. Somit stellen diese Zahlungen geldwerte Leistungen an den Alleingesellschafter und dessen Sohn dar, die Aufrechnung – vorliegend hat die Steuerverwaltung lediglich 50 Prozent aufgerechnet – ist diesbezüglich somit begründet. Es kann festgehalten werden, dass der Ersatz von Spesen grundsätzlich nur gegen den entsprechenden Beleg erfolgt, es sei denn, es liege ein genehmigtes Spesenreglement vor. Darüberhinausgehende Spesenvergütungen müssen vom Arbeitnehmenden als Einkommen versteuert werden. Überhöhte Spesenzahlungen an Nahestehende stellen eine verdeckte Gewinnausschüttung dar, entsprechend werden diese Beträge bei der Gesellschaft aufgerechnet und der Gesellschafter wird behandelt, als hätte er eine Dividende bezogen. Somit hat die Gesellschaft zudem die Verrechnungssteuer von 35 % zu entrichten; das Meldeverfahren wird in solchen Konstellationen in der Regel nicht gewährt und der Anteilsinhaber wird auf den Weg des Rückerstattungsverfahrens verwiesen. Ob ihm die Rückerstattung gewährt wird, ist im Einzelfall zu entscheiden.

Steuer Update 2021     Unternehmenssteuerrecht  /  Verrechnungssteuer / Stempelabgaben

14


III Natürliche Personen Nora Heuberger, Advokatin Beatrice Leistner, Rechtsanwältin und dipl. Steuerexpertin Philipp Flückiger, Treuhänder mit eidg. Fachausweis Flurin Bleisch, MLaw, Volontär

A

hin (z. B. Quarantäne), auf Anordnung des Arbeit-

Neuerungen in der Gesetzgebung und in ­der Verwaltungspraxis

gebers, mit Blick auf die gesundheitliche Situation des Arbeitnehmers oder auch auf freiwilliger Basis. Ebenfalls arbeiteten mehr Personen im Kurzarbeitsverhältnis. Dadurch sanken gewisse Auslagen des Arbeitnehmers (z. B. für den Fahrtweg sowie für die auswärtige Verpflegung). Dagegen entstanden teils zusätzliche Kosten für die Arbeit im Homeoffice, welche nicht unbedingt vom Arbeitgeber vergütet

1

Steuerschulden aufgrund amtlicher

werden.

Einschätzungen Um der ausserordentlichen Situation Rechnung zu Seit dem 1. Januar 2021 besteht mit § 201 Abs. 4

tragen und dennoch den administrativen Aufwand

Steuergesetz BS eine gesetzliche Grundlage dafür,

in Grenzen zu halten, haben die kantonalen Steuer­

dass bei amtlichen Einschätzungen (so genannten

behörden ihre Praxis mit Blick auf den Abzug von

Ermessensveranlagungen) ein Steuererlass – auch

Berufskosten für das Jahr 2020 angepasst. Grund-

ohne Vorliegen einer Notlage – als einmalige Aus-

sätzlich können dabei die Fahrt- und Verpflegungs-

nahme möglich sein soll, sofern die ermessenswei-

kosten weiterhin als Berufskosten in Abzug gebracht

se erhobene Steuer nachweislich zu hoch einge-

werden, wie wenn sie ohne Massnahmen zur Be-

schätzt worden ist. Die Steuerverwaltung pflegte

kämpfung von Covid-19 angefallen wären. Insbe-

bereits in langjähriger Praxis die Möglichkeit eines

sondere werden die Berufskosten nicht um die

Steuererlasses – im Sinne eines einmaligen Entge-

Covid-19 bedingten Homeoffice-Tage gekürzt.

genkommens – wegen zu hoch eingeschätzter Steuern. Bei dieser praktizierten Erlassmöglichkeit

In den meisten Kantonen gilt die Praxis, dass Per-

wurde anhand der nachträglich eingereichten Steu-

sonen, die während einer gewissen Zeit aufgrund

ererklärung das tatsächliche Einkommen und Ver-

der behördlichen Empfehlungen mit dem Auto anstatt

mögen bestimmt und der zu hoch eingeschätzte

dem öffentlichen Verkehr an den Arbeitsplatz ge-

Steuerbetrag er­lassen. Mit dem neuen Absatz 4 zum

fahren sind, die Kosten für das Auto zum Abzug

§ 201 StG BS wurde diese Praxis nun ins Gesetz

bringen können, weil aufgrund der behördlichen

überführt.

Massnahmen eine Nutzung des öffentlichen Verkehrs als nicht zumutbar erachtet wurde. Für diese Zeit entfällt im Gegenzug ein Abzug für den öffentlichen

2

Abzug von Berufskosten während der

Verkehr. Während welchem Zeitraum der Abzug der

Corona-Pandemie

Autokosten möglich ist, wird in den Kantonen unterschiedlich gehandhabt. Während gewisse Kanto-

Die Abzugsfähigkeit von Fahrt- und Verpflegungs-

ne diesen Zeitraum auf Mitte März bis Mitte Juni

kosten bleibt grundsätzlich auch während eines

beschränken (z. B. SO, SZ), lassen andere diese

Covid-19 bedingten Homeoffice bestehen. Dagegen

Regel bis Ende 2020 gelten (z. B. BL) oder lassen

können keine zusätzlichen Kosten für Home­office in

den Zeitraum offen (z. B. ZG). Für besonders ge-

Abzug gebracht werden.

fährdete Personen wird der Zeitraum teils ausgeweitet (z. B. SO). Die betragsmässigen Begrenzun-

Während der Corona-Pandemie wurde vermehrt im

gen des Fahrtkostenabzugs (FABI-Begrenzung)

Homeoffice gearbeitet – auf behördliche Anordnung

bleiben aber bestehen.

Steuer Update 2021    Natürliche Personen

15


Im Gegenzug zur liberalen Gewährung von Fahrt-

entscheiden, ob sie die NOV beantragen

kosten fällt der Abzug für Homeoffice-Kosten grund-

wollen.

sätzlich weg. Diese gelten als im Pauschalabzug für Berufskosten enthalten. Auch hier sehen einzelne Kantone Ausnahmen für bestimmte Personengrup-

c)

Diverse Neuerungen:

pen vor (z. B. SO). – Der Nebenerwerbstarif «D» wurde abgeschafft. Die liberale Handhabung der Berufskosten während

– Der Arbeitgeber ermittelt den korrekten Tarif

der Covid-19 Pandemie ist zu begrüssen. Da die

in Anbetracht der persönlichen Verhältnisse

Ausgestaltung der Einzelheiten kantonal unterschied-

des Arbeitnehmers. Dies bedingt eine genau-

lich ausfällt, empfiehlt sich eine vorgängige Abklärung.

ere Befragung der Arbeitnehmer wie auch eine periodische Überprüfung deren Verhältnisse. Sind die persönlichen Verhältnisse des

3

Revision der Quellensteuer

Arbeitnehmers nicht bekannt oder nicht zuverlässig verfügbar, ist vom Arbeitgeber

Die neuen Bestimmungen zur Quellenbesteuerung

automatisch einer der folgenden Tarife anzu-

sind am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Sie be-

wenden;

zwecken den Abbau von Ungleichbehandlungen

zwischen quellenbesteuerten und ordentlich besteu-

Kirchensteuer) für Ledige oder Personen

erten Personen. Über die Änderungen haben wir im Steuer Update 2020 ausführlich berichtet. Im Fol-

– Tarif A0Y (Alleinstehend, ohne Kinder, mit mit unbestimmtem Zivilstand

genden konzentrieren wir uns deshalb auf die wich-

– Tarif C0Y (Verheiratet, ohne Kinder, mit Kirchensteuer) für verheiratete Personen

tigsten Punkte der Revision im Überblick: Da dies jeweils die höchste Tarifeinstufung ist, wird sichergestellt, dass der Quellensteuerabzug nicht a)

Zwingende Abrechnung mit dem anspruchs-

zu gering ausfällt. Im Sinne des Arbeitnehmers

berechtigten Kanton:

sollte sich der Arbeitgeber allerdings um Erhalt der tatsächlichen Informationen bemühen.

– Der Arbeitgeber muss die geschuldeten Quellensteuern neu direkt mit dem Wohn- oder

b)

Wochenaufenthaltskanton des quellensteu-

B

erpflichtigen Arbeitnehmers abrechnen.

Entscheide

Nachträgliche ordentliche Veranlagung (NOV) –

Wegfall Tarifkorrektur:

1 Nachsteuerverfahren

Verfügen in der Schweiz ansässige Quellen-

Hälftige Aufteilung zwischen vereinfachtem und

steuerpflichtige über Einkünfte oder Vermögen,

ordentlichem Nachsteuerverfahren bei Miteigen-

die nicht der Quellensteuer unterliegen, wird

tum von Ehegatten

neu eine obligatorische NOV durchgeführt. In der Schweiz ansässige Quellensteuerpflich-

Das Bundesgericht (BGer) hat mit Urteil vom 17. März

tige können bis 31. März des Folgejahres

2020 16 entschieden, dass, wenn sich nicht hinrei-

(Verwirkungsfrist) einen Antrag auf NOV

chend belegen lässt, ob unversteuerte Vermögens-

stellen, falls keine obligatorische NOV erfolgt.

werte dem Erblasser oder dem überlebenden Ehe-

Die einmal gewählte Methode (NOV oder nur

gatten zuzurechnen sind, Miteigentum beider an-

Quellenbesteuerung) gilt zwingend bis zum

zunehmen ist. Dies hat eine hälftige Aufteilung

Ende der Quellensteuerpflicht. Im Ausland ansässige Quellensteuerpflichtige

zwischen vereinfachtem (dreijährigem) und ordent-

können für jede Steuerperiode bis spätestens

Folge.

lichem (zehnjährigem) Nachsteuerverfahren zur

am 31. März des Folgejahres (Verwirkungsfrist) einen Antrag auf NOV stellen, wenn der über-

Der Entscheid basierte auf folgendem Sachverhalt:

wiegende Teil ihrer weltweiten Einkünfte (90 %)

Das kantonale Steueramt Zürich rechnete unver-

in der Schweiz steuerbar ist (sog. Quasi-An­

steuerte Vermögenswerte, die mit Einreichung des

sässigkeit). Quasi-Ansässige können jährlich

Inventarfragebogens offengelegt wurden, vollum-

16 BGer 2C_826/2019 vom 17. März 2020.

Steuer Update 2021     Natürliche Personen

16


fänglich der überlebenden Ehefrau des Erblassers

geschränkt würde, da in einer Ehe das Alleineigen-

zu, weswegen die Nachsteuer zehn und nicht nur

tum eines Ehegatten sich oft nur ungenügend

drei Jahre umfasste. Das kantonale Verwaltungs-

nachweisen lasse. Eine quotenmässig hälftige Auf-

gericht hob den Einspracheentscheid auf, da nicht

teilung zwischen vereinfachtem und ordentlichem

mit der erforderlichen Bestimmtheit nachgewiesen

Nachsteuerverfahren erscheint dem BGer entspre-

werden konnte, dass die unversteuert gebliebenen

chend als angemessene Korrekturmöglichkeit.

Vermögenswerte der überlebenden Ehefrau zugerechnet werden können. Dagegen erhob das Steuer­ amt Beschwerde beim BGer.

2

Veranlagungsverfügung per E-Rechnung

Das BGer hält in seinen Erwägungen fest, dass der überlebende Ehegatte auf die vom Erblasser hin-

Ruft eine Person ihr E-Postfach während den Ferien

terzogenen Bestandteile von Vermögen und Ein-

bewusst nicht ab und verpasst deshalb eine Ein-

kommen nicht vollständig die vereinfachte Nach-

sprachefrist, so kann sie sich nicht darauf berufen,

besteuerung verlangen kann, wenn sich der über-

dass sie diese Form der Zustellung gar nicht gewollt

lebende Ehegatte in eigener Person der vollende-

habe, wenn sie diese während Jahren akzeptiert hat.

ten Steuerhinterziehung schuldig gemacht habe. Beging der überlebende Ehegatte ebenfalls eine

Das Steuergericht des Kantons Basel-Landschaft

Steuerhinterziehung, so kann er für die von ihm hinterzogenen Faktoren eine straflose Selbstan-

hatte in seinem Entscheid vom 21. Februar 2020 17 zu beurteilen, ob die Zustellung der Veranlagungs-

zeige stellen, muss aber danach im ordentlichen

verfügung per E-Rechnung ordnungsgemäss sei und

Verfahren für zehn Jahre Nachsteuern bezahlen.

der Zustellung fristauslösende Wirkung zukomme.

Um zu verhindern, dass der überlebende Ehegatte von einer vereinfachten Nachbesteuerung profitie-

Die Steuerpflichtigen erklärten im Rekurs, dass

ren könne, müsse die Steuerbehörde – als steuer-

ihnen nicht bewusst gewesen sei, dass mit der Zu-

begründende Tatsache – nachweisen, dass die

stimmung zum E-Rechnungssystem auch die Steuer­

Vermögenswerte ihm gehörten oder zumindest,

bescheide mittels E-Rechnung eröffnet werden

dass er mit Absicht an der Steuerhinterziehung des

würden. Solche Dokumente seien per Post zuzustel-

Erblassers bewusst mitgewirkt hat. Dazu genüge

len. Zudem sei die Eröffnung der Veranlagung direkt

nicht, dass die Vermögenswerte sich auf einem

vor den Sommerferien ungünstig, da sie die meiste

Bankkonto befanden, das im Namen beider Ehe-

Zeit der Sommerferien im Ausland – mit bedingtem

leute eröffnet worden war.

Zugang zum Internet – verbracht hätten.

Des Weiteren kommt bei der Zuweisung der Vermö-

Das Steuergericht hält einleitend fest, dass die

genswerte an den Erblasser oder an den überleben-

Eröffnung einer Veranlagungsverfügung schriftlich

den Ehegatten die Vermutung von Art. 200 Zivilge-

zu erfolgen habe. Schriftlichkeit bedeute, dass die

setzbuch (ZGB) zum Tragen, gemäss welcher Mitei-

Veranlagung nicht mündlich, sondern mittels Schrift-

gentum angenommen werde, wenn sich das Eigentum

zeichen zu eröffnen sei, womit auch eine elektro-

nicht zuweisen lässt. In Übereinstimmung mit dieser

nische Zustellung grundsätzlich zulässig sei. Die

Vermutung weist das BGer im Ergebnis die Hälfte

Verfügung oder der Entscheid gilt dabei als ord-

der Vermögenswerte dem Erblasser zu, auf welche

nungsgemäss zugestellt, wenn der Steuerpflichtige

das auf drei Jahre beschränkte, vereinfachte Nach-

davon Kenntnis nehmen kann, d.h. wenn die Verfü-

steuerverfahren zur Anwendung kommen soll.

gung in dessen Machtbereich gelangt. Indem sich Steuerpflichtige in ihr E-Banking-Portal einloggen

Gemäss BGer mag die Ausführung der Vorinstanz

und die zugesendete Veranlagung öffnen, haben sie

zwar zutreffend sein, dass es ungefähr gleich wahr-

die Möglichkeit, von der Veranlagung Kenntnis zu

scheinlich sei, dass die Vermögenswerte gesamthaft

nehmen. Im Übrigen habe diese Zustellmethode den

dem Erblasser oder aber dem überlebenden Ehe-

Vorteil, das E-Postfach ungeachtet des jeweiligen

gatten zuzurechnen seien. Wenn unter solchen

Aufenthaltsorts jederzeit abrufen zu können, also

Umständen die Vermutung von Art. 200 ZGB jedoch

auch bei Ferien- oder Auslandsabwesenheiten. Ent-

dazu führen sollte, dass die vereinfachte Nachbe-

sprechend kommt das Steuergericht zum Schluss,

steuerung für die Gesamtheit der hinterzogenen

dass die Veranlagung ordnungsgemäss zugestellt

Werte ausgeschlossen wäre, so könnte damit die

worden sei.

Gefahr verbunden sein, dass der Anwendungsbereich des vereinfachten Nachsteuerverfahrens stark ein17 BLStPra 3/2020 Seiten 27-31.

Steuer Update 2021    Natürliche Personen

17


Gemäss dem Steuergericht haben sich die Rekur-

ständigen Erwerbstätigkeit überwögen. Entscheidend

renten explizit für diese Zustellmethode angemeldet

sei dabei insbesondere, dass A gegenüber den

und über mehrere Jahre Veranlagungsverfügungen

Steuer- und Sozialversicherungsbehörden über ein

in elektronsicher Form empfangen. Des Weiteren

Jahrzehnt lang als selbständig Erwerbender aufge-

wurden sie bei der Anmeldung zur E-Rechnung von

treten sei. Wenn er sich nun darauf berufe, für

der Steuerverwaltung per Einschreiben darüber

seine Gesellschaft unselbständig erwerbstätig ge-

informiert, dass sie inskünftig derartige Dokumente­

wesen zu sein, verhalte er sich widersprüchlich und

nicht mehr auf dem Postweg erhalten werden. Die

rechtsmissbräuchlich.

Rekurrenten haben die Veranlagungsverfügungen über mehrere Jahre – ohne Beanstandung – auf

Zur Frage, ob die Beteiligung dem Privat- oder Ge-

elektronischem Weg empfangen. Erst, als sie mit

schäftsvermögen zuzuordnen sei, hält das BGer

der strittigen Veranlagung nicht einverstanden wa-

fest, dass Beteiligungen dann als Geschäftsvermö-

ren und für diese die Einsprachefrist verpasst haben,

gen zu qualifizieren seien, wenn sie in enger Bezie-

haben sie sich gegen die Zustellung von Verfügun-

hung zur beruflichen Tätigkeit stehen. Eine solche

gen via E-Rechnung ausgesprochen. Das Steuerge-

enge Beziehung ist namentlich dann anzunehmen,

richt kommt zum Schluss, dass das Verhalten der

wenn die Beteiligung dem Inhaber einen massgeb-

Steuerpflichtigen widersprüchlich und nicht schüt-

lichen oder sogar beherrschenden Einfluss auf eine

zenswert sei, weshalb es den Rekurs abwies.

Gesellschaft verschaffe, deren geschäftliche Tätigkeit seiner eigenen entspricht oder diese sinnvoll ergänzt, was ihm erlaube, seine ursprüngliche Ge-

3

Veräusserung von Geschäftsvermögen

schäftstätigkeit auszudehnen. Die von der Rechtsprechung geforderte enge Beziehung kann aber

Das BGer hat sich im Urteil vom 25. November 2019 18 mit der selbständigen Erwerbstätigkeit so-

gegebenenfalls auch ohne einen massgeblichen

wie der Qualifikation einer veräusserten Beteili-

tatsächlichen Verhältnissen zum Ausdruck gebrach-

gung als Geschäftsvermögen beschäftigt.

te und verwirklichte – Wille, die Beteiligungsrechte

Einfluss bestehen. Entscheidend ist der – in den

konkret dafür zu nutzen, die Gewinnchancen des Der Entscheid basiert auf folgendem Sachverhalt:

eigenen Unternehmens zu verbessern. Im vorlie-

1999 erwarb der als selbständiger Tennislehrer

genden Fall war A nach dem Erwerb der Beteiligung

tätige A 50 % der C AG, über welche er in der Folge­

nur noch für die C AG tätig, weshalb davon auszu-

die Tennislehrertätigkeit ausübte. Seine Investition

gehen sei, dass er die Beteiligung konkret dafür

finanzierte er zu 50,4 % fremd. Das Einkommen aus

nutzte, das Geschäftsergebnis des eigenen Unter-

dieser Tätigkeit als Tennislehrer deklarierte A als

nehmens zu verbessern. Durch den Beteiligungser-

selbständiges Erwerbseinkommen. A rechnete mo-

werb stellte er seine Tennis­lehrertätigkeit auf eine

natlich für seine Unterrichtsstunden einen fixen

neue wirtschaftliche Grundlage, da er sie nicht mehr

Betrag gegenüber der C AG ab, die seine einzige

auf verschiedenen Plätzen ausüben musste. Im

Kundin war. 2014 veräusserte A seine Beteiligung

Ergebnis geht das BGer von einer selbständigen

an der C AG. Die Steuerbehörde erfasste den Ge-

Erwerbstätigkeit und von Geschäftsvermögen aus,

winn aus der Veräusserung der Beteiligungen als

weshalb der Gewinn aus der Veräusserung der Be-

steuerbaren Veräusserungsgewinn auf einer Betei-

teiligungen als Veräusserungsgewinn auf einer

ligung im Geschäftsvermögen. Nach erfolglosem

Beteiligung im Geschäftsvermögen zu versteuern

kantonalen Verfahren erhob A Beschwerde beim

ist und das BGer die Beschwerde abwies.

BGer und führte aus, dass er einen steuerfreien privaten Kapitalgewinn erzielt habe, da er nur formell, nicht aber materiell, selbständig gewesen sei. Gemäss BGer weise die erhebliche und mehrheitlich

4

Vermietung einer Liegenschaft zu einem Vorzugszins

fremdfinanzierte Investition beim Beteiligungserwerb auf eine selbständige Erwerbstätigkeit hin. Des Weiteren stand die Investition in starkem Zusam-

Das BGer hat sich im Urteil vom 19. Februar 2020 19 mit der Vermietung einer Liegenschaft zu einem

menhang mit seiner bisherigen selbständigen Tä-

Vorzugszins an die AG des Ehemannes beschäftigt.

tigkeit als Tennislehrer, die gesamthaft selbst nach

Grundsätzlich können im Sinne einer «Ist-Besteue-

dem Beteiligungskauf und dem Regimewechsel

rung» nur jene Einkünfte besteuert werden, die

weiterhin als solche zu qualifizieren sei, weshalb –

sich bei freier Gestaltung der Verhältnisse tatsäch-

gemäss BGer – insgesamt die Elemente einer selb-

lich ergeben. Vorbehalten bleibt die Steuerumge-

18 BGer 2C_102/2019 vom 25. November 2019. 19 BGer 2C_187/2017 vom 19. Februar 2020.

Steuer Update 2021    Natürliche Personen

18


hung, die bei einem Vorzugsmietzins an Verwandte

Da es im Steuerrecht von Bund, Kantonen und Ge-

zu vermuten ist, wenn der Mietzins weniger als die

meinden keine formell-gesetzliche Grundlage gebe,

Hälfte des Mietwerts beträgt und dem Vermieter

die den Vorzugsmietzins unter Verwandten (Ver-

ein gewisser Zugriff auf das Mietobjekt erhalten

wandtenmietzins) oder zwischen natürlichen und

bleibt. An dieser Zugriffsmöglichkeit fehlte es vor-

nahestehenden juristischen Personen regle, müsse

liegend. Dagegen begründete die Umwandlung

es im Steuerrecht unbeachtet bleiben, ob eine Ver-

steuerbarer Mietzinse in steuerfreie Amortisatio-

mieterin bei «betriebswirtschaftlich richtigem»

nen eine Steuerumgehung.

Verhalten möglicherweise auch höhere Einkünfte hätte erzielen können. Vorbehalten bleibe die Steu-

Der Entscheid basiert auf folgendem Sachverhalt:

erumgehung. Eine solche wird bei Vorzugsmietzin-

Die Ehefrau ist Eigentümerin von Stockwerkeigen-

sen an Verwandte vermutet, wenn der Mietzins

tum bestehend aus Büroräumlichkeiten, welches sie

weniger als die Hälfte des Mietwerts beträgt, weil

im Privatvermögen hält und zum Preis von rund

diesfalls eine dem Eigengebrauch nahekommende

CHF 50 000 pro Jahr an die dem Ehemann gehören-

Lage anzunehmen sei. Auch in einem derartigen Fall

de X AG vermietet. Diese erzielt ihrerseits wieder-

bleibt der Nachweis möglich, dass keine Steuer­

um einen Erlös aus Untervermietung mit Dritten in

umgehung vorliegt. Die Eigentümerin hat im kon-

der Höhe von rund CHF 155 000 pro Jahr. Die Steu-

kreten Fall Vorzugskonditionen zur Anwendung

erbehörde des Kantons Zürich monierte, dass die

gebracht. Dies alleine vermag eine Aufrechnung

Ehefrau als Vermieterin Drit tkonditionen von

aber nicht zu rechtfertigen, denn hierzu wäre gemäss

CHF 155 000 hätte fakturieren müssen und rech-

BGer kumulativ erforderlich, dass ihr das Objekt

neten ihr die Differenz von CHF 105 000 auf. Aufgrund

«für den Eigengebrauch zur Verfügung steht». Vor-

der mehrheitlich unentgeltlichen Überlassung liege

liegend steht die unbefristete Vermietung an die X

eine dem Eigengebrauch nahekommende Situation

AG, die ihrerseits unbefristete Untermietverträge

vor. Zudem erweise sich die konkrete Rechtsgestal-

eingegangen ist, dem «Eigengebrauch» von vorn-

tung als Steuerumgehung. Des Weiteren habe der

herein entgegen. Wäre es bei der blossen unter-

Vorzugsmietzins auf Ebene der Gesellschaft (X AG)

preisigen Vermietung an die Gesellschaft geblieben,

zu einer Thesaurierung von CHF 82 000 geführt.

hätte gemäss BGer für eine Aufrechnung auf Ebene

Gemäss dem handelsrechtlichen Abschluss wäre auf

der Ehegattin kein Raum bestanden.

Ebene der X AG ein Gesamtverlust eingetreten, wenn der von der Steuerverwaltung geforderte Mietzins verlangt worden wäre.

Für das BGer war jedoch ein anderes Element ausschlaggebend: Die vorteilhaften Vertragskonditionen

Das BGer führt im Rahmen seiner Erwägungen aus,

ermöglichten der X AG einen Mittelzufluss von

dass es sich bei den Einkünften gemäss Art. 16 Abs. 1

CHF 105 000. Diesen konnte sie verwenden, um

Bundesgesetz über die direkte Steuer (DBG) um

einen Teil des ansonsten in hohem Masse gefähr-

einen unbestimmten Rechtsbegriff handle, welcher

dete Aktionärsdarlehens von CHF 1 200 000 zurück-

auf einem betriebswirtschaftlichen Konzept beruhe.

zuführen. Mit Hilfe dieser Struktur gelang es den

Ausgangspunkt bilde dabei die Gestaltungsfreiheit

Eheleuten, steuerbare Mietzinse in eine steuerfreie

der steuerpflichtigen Person. Wie jemand seine fi-

Amortisation umzuwandeln. Die im vorliegenden

nanziellen Verhältnisse ordne, sei grundsätzlich

Fall gewählte Rechtsgestaltung erfülle somit den

seiner Privatautonomie überlassen. Vorbehalten

Tatbestand der Steuerumgehung, weshalb das BGer

bleiben dabei die Tatbestände der Simulation und

die Beschwerde im Ergebnis – wenn auch mit einer

der Steuerumgehung. Gemäss bundesgerichtlicher

anderen Begründung als die Vorinstanz – abwies.

Praxis ist die «Ist-Besteuerung» der Einkünfte und nicht die «Soll-Besteuerung» massgeblich. Um im Privatvermögen dennoch eine Aufrechnung vorzunehmen, setze dies voraus, dass die im Abgaberecht geltenden erhöhten Anforderungen an das Legalitätsprinzip vorliegen (Art. 127 Abs. 1 Bundesverfassung (BV)). Dem Aspekt der Vorhersehbarkeit komme naheliegenderweise dann besondere hohe Bedeutung zu, wenn Einkünfte besteuert werden sollen, die tatsächlich nicht geflossen sind.

Steuer Update 2021    Natürliche Personen

19


IV Grundsteuern  Eric Flückiger, MBA, Advokat Flurin Bleisch, MLaw, Volontär

A

B

Wichtiges in Kürze: Änderung der Ersatz­ beschaffungspraxis im Kanton Basel-Landschaft

Entscheide 1

Besonderes Zusammenspiel der Gewinn- mit der Grundstückgewinnsteuer im Kanton Basel-Landschaft und ein Wort zu Eigenleistungen

Ein Verlust im Rahmen der direkten Steuern wird nachträglich bei der Grundstückgewinnsteuer be-

Neu muss die Handänderungs- und Grundstückge-

rücksichtigt. Bei Eigenleistungen muss abgewogen

winnsteuer beim Verkauf von selbstgenutztem

werden, ob diese mit einem steuerlichen Vorteil

Wohneigentum im Kanton Basel-Landschaft ent-

geltend gemacht werden können.

richtet werden. Ab dem 1. Januar 2021 wird im Kanton Basel-

Mit Urteil vom 11. März 2019 20 hatte das Bundesgericht (BGer) das Zusammenspiel zwischen der

Landschaft die Praxis zur Ersatzbeschaffung von

Grundstückgewinnsteuer und den direkten Steuern

selbstgenutztem Wohneigentum angepasst.

bei Unternehmen im monistischen Kanton BaselLandschaft zu beurteilen.

Neu muss bei einer Veräusserung einer dauernd und ausschliesslich selbstgenutzten Wohnliegen-

Das BGer bestätigt, dass der Kanton Basel-Landschaft

schaft die Handänderungs- sowie die Grundstück-

zulässigerweise die Grundstückgewinnsteuerveran-

gewinnsteuer auf jeden Fall entrichtet werden. Wird

lagung, welche einen Gewinn ausweist, nachträglich

innerhalb einer Frist von zwei Jahren eine Ersatz-

zugunsten des Steuerpflichtigen korrigieren darf,

beschaffung effektiv getätigt, so kann der Antrag

wenn in der Folge in der Veranlagung der ­direkten

auf Steueraufschub auch im Anschluss daran gestellt

Steuern ein Verlust ausgewiesen wird. Es handelt

werden. Dabei verlangt die Steuerverwaltung, dass

sich hierbei um eine Koordinationsnorm, welche

die Steuern nach Möglichkeit auch innerhalb der

innerhalb des zulässigen Gestaltungsspielraums der

Zweijahresfrist zurückgefordert oder nachgewiese-

Kantone liegt.

nermassen Umbauarbeiten vorgenommen werden, die einen Einzug innerhalb dieser Frist verunmög-

Das Thema Eigenleistungen wird im Urteil nur ge-

lichen.

streift, ist jedoch immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Bei Eigenleistungen im Privat- wie im

Der Grund der Praxisänderung liegt gemäss Steu-

Geschäftsbereich ist zu beachten, dass diese den

erverwaltung Basel-Landschaft im grossen admi-

Grundstückgewinn lediglich mindern, wenn die Kos-

nistrativen Aufwand bei der Überprüfung, ob Er-

ten wie von einem externen Handwerker in Rechnung

satzbeschaffungen erfolgten und wenn ja, in welchem

gestellt worden wären, die Wertvermehrung nach-

Umfang die Reinvestition getätigt wurde.

gewiesen werden kann und dieses Einkommen aus Eigenleistung in der Steuererklärung deklariert

20 BGer 2C_30/2019 vom 11. März 2019.

Steuer Update 2021    Grundsteuern  –  Entscheide

20


worden ist. Dies wird von den Steuerbehörden in

Bei der Veräusserung von dauernd und selbstbe-

der Regel überprüft. Ist eines dieser Kriterien nicht

wohnten Liegenschaften ist in vielen Kantonen

erfüllt, werden Eigenleistungen nicht als Anlage-

darauf zu achten, dass im Rahmen von Ersatzbe-

kosten in der Grundstückgewinnsteuererklärung

schaffungen Subjektidentität verlangt wird. Mit ein

akzeptiert.

wenig Planung im Vorfeld kann diese ohne weiteres erreicht und damit ein Steueraufschub geltend gemacht werden, sofern auch die weiteren kantonalen

2

Steueraufschub bei Überkreuzersatz-

Voraussetzungen erfüllt sind.

beschaffung Im Kanton Zürich wird ein Steueraufschub der Grundstückgewinnsteuer nur gewährt, wenn die

3

Wirtschaftlicher Neubau und lohnt es sich, die Mitwirkung zu verweigern?

Subjektidentität der verkaufenden und reinvestierenden Person gewahrt wird.

Ein wirtschaftlicher Neubau wird nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen angenommen. In der

Mit Urteil vom 11. Februar 2020 21 hat das BGer einen Sachverhalt im Bereich des Steueraufschubs

Regel wirkt sich die Mitwirkung im Veranlagungsverfahren positiv auf die Steuerlast aus.

der Grundstückgewinnsteuer beurteilt. Ein Ehepaar Ehemann mit seinen Mitteln vor einigen Jahren

Mit Urteil vom 13. Juli 2020 22 hat das BGer seine Praxis im Zusammenhang mit dem «wirtschaftlichen

erworben hatte. Aus beruflichen Gründen musste

Neubau» bestätigt und unter anderem festgehalten,

der Ehemann ins Ausland, seine Frau wollte in der

dass das rechtliche Gehör des Steuerpflichtigen

Schweiz verbleiben jedoch nicht in dieser Wohnung.

nicht verletzt wird, wenn die Steuerbehörde 44

Aus diesem Grund veräusserte der Ehemann seine

Bundesordner Unterlagen des Steuerpflichtigen nicht

Wohnung gewinnbringend für etwas weniger als

sichtet und die steuermindernden Tatsachen somit

CHF 1 Mio. Die Ehefrau hat wenige Monate später

nicht selber heraussucht.

bewohnte eine Wohnung im Kanton Zürich, die der

aus ihrem Vermögen eine neue Wohnung für etwas mehr als CHF 1 Mio. erworben. Der Ehemann zog

Konkret hatte ein Steuerpflichtiger ein Mehrfamilien-­

zwei Monate nach Erwerb der Wohnung wieder zu-

und Geschäftshaus erworben und seinem Geschäfts-

rück in die Schweiz zu seiner Ehefrau in die gemein-

vermögen zugewiesen. Dies lässt die Vermutung

same Wohnung. Die Kommission für Grundsteuern

zu, dass der Steuerpflichtige einen gewissen Grad

erhob vom Ehemann die Grundstückgewinnsteuer

an Professionalität mit der Verwaltung von Immo-

für die von ihm veräusserte Wohnung. Die Ehegat-

bilien aufweist. Nach Umbau-, Ausbau- und Sanie-

ten machten mit dem Argument der Ersatzbeschaf-

rungsarbeiten hat er Stockwerkeigentum begründet

fung einer dauernd selbstbewohnten Liegenschaft

und anschliessend fünfzehn Einheiten verkauft. Die

einen Steueraufschub geltend und wehrten sich bis

Verkäufe meldete er mittels einer einzigen Grund-

vor BGer erfolglos gegen die Erhebung der Grund-

stückgewinnsteuererklärung, in welcher er einen

stückgewinnsteuer.

Wertzuwachsgewinn von rund CHF 800 000 ausgewiesen hat. Das Steueramt verlangte separate Er-

Das BGer hat an seiner bisherigen Praxis festgehal-

klärungen für jeden Käufer und die entsprechende

ten und ausgeführt, dass die Kantone im Bereich

Dokumentation. Hierauf hat der Steuerpflichtige

der Grundstückgewinnsteuer – als Spezialeinkom-

nicht reagiert. Im Anschluss hat das Steueramt

menssteuer – über Autonomie verfügten, in welche

einen rund zehnmal höheren Wertzuwachsgewinn

das BGer nicht eingreifen könne. Es ist demnach

veranlagt. Der Steuerpflichtige erhob Einsprache,

zulässig, dass der Kanton Zürich für die Ersatzbe-

reichte ohne konkrete Hinweise 44 Bundesordner

schaffung und den damit verbundenen Steuer­

ein und stellte sich auf den Standpunkt, dass es

aufschub (nach Art. 12 Abs. 3 lit. e Bundesgesetz

sich um einen wirtschaftlichen Neubau handle,

über die Harmonisierung der direkten Steuern der

weshalb der weitaus grösste Teil der Aufwendungen

Kantone und Gemeinden) die sogenannte Subjekt-

als Anlagekosten zu qualifizieren sei und demnach

identität verlangt, d.h. diejenige Person, die die

der Wertzuwachsgewinn auf die von ihm geltend

Ersatzbeschaffung geltend macht, muss veräussern

gemachten rund CHF 800 000 zu reduzieren sei.

und reinvestieren. Somit ist das Ehepaar unterlegen und der Ehemann musste die Grundstückgewinnsteuer entrichten. 21 BGer 2C_704/2019 vom 11. Februar 2020. 22 BGer 2C_425/2020 vom 13. Juli 2020 E. 3.4.3.

Steuer Update 2021    Grundsteuern  –  Entscheide

21


Durch sämtliche Instanzen kam der Steuerpflichti-

sich der Eigentümer die Liegenschaft zum jederzei-

ge den Aufforderungen der Gerichte nicht nach, die

tigen Eigengebrauch zur Verfügung, nutzt sie kon-

Anlagekosten zu spezifizieren und separate Steuer­

kret aber nur selten oder gar nicht, wird dies der

erklärungen einzureichen. Die letzte kantonale

vollumfänglichen Eigennutzung gleichgestellt.

Instanz hat dann gestützt auf unvollständige Bauabrechnungen weitere wertvermehrende Investi-

Mit dem Erwerb einer Liegenschaft infolge eines

tionen «gefunden». Letztendlich war der ursprüng-

Erbgangs befinden sich die Erben zwar in rechtlicher,

liche Erwerbspreis des Grundstücks immer noch

nicht aber in tatsächlicher Hinsicht in der gleichen

deutlich höher als die «gefundenen» Investitionen.

Situation wie die Erblasser. Entsprechend muss in

Deshalb wurde die Qualifikation als wirtschaftlicher

der Regel über die zukünftige Nutzung neu entschie-

Neubau verneint. Ein solcher liegt gemäss Recht-

den werden. Hierzu wird den Erben eine Reflexions-

sprechung nur vor, wenn das Investitionsvolumen

und anschliessende Umsetzungsperiode zugestan-

den Erwerbspreis übersteigt, die Gebäudehülle

den, während der eine tatsächliche Nutzung der

ersetzt wird, eine Aushöhlung des Gebäudes oder

Liegenschaft erfahrungsgemäss nicht möglich ist.

von Gebäudeteilen mit gleichzeitiger Neugestaltung

Für den Fall eines unterbliebenen Nachweises der

der Innenraumeinteilung vorgenommen wird, die

fehlenden Eigennutzung ist im Interesse der Gleich-

Neugestaltung mit einer Nutzungsänderung einher-

behandlung der Steuerpflichtigen von einer festen

geht oder wenn eine Totalsanierung vorgenommen

Frist auszugehen.

wird. Im Endeffekt konnte lediglich ein Bruchteil an wertvermehrenden Investitionen mit den Unterlagen

Die Frist beginnt mit dem Todeszeitpunkt des Erb-

belegt werden und es resultierte ein Wertzuwachs-

lassers zu laufen und beträgt gemäss Verwaltungs-

gewinn für sämtliche veräusserte Einheiten von rund

gericht ein Jahr. Während dieser First kann ohne

CHF 7,5 Mio., was fast zehnmal mehr ist, als der

Beleg konkreter Verkaufsbemühungen oder anderen,

Steuerpflichtige ohne Beweise beantragt hatte.

auf eine Veräusserung zielenden Bemühungen, nicht darauf geschlossen werden, dass sich die Mitglieder

Abschliessend sei festgehalten, dass die notorische

der Erbengemeinschaft die Nutzung vorbehalten

Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Behör-

wollen. Steht eine Liegenschaft länger leer, so sind

den selten zu einem für den Steuerpflichtigen po-

von den Erben konkrete Umstände nachzuweisen,

sitiven Ergebnis führt.

die der Annahme einer Eigennutzung entgegenstehen. Der Vorbehalt der Eigennutzung wird nicht schon umgestossen, wenn die Erben darlegen, dass

4

Eigenmietwertbesteuerung bei

sie allesamt eigene Liegenschaften besitzen und

geerbten Liegenschaften

dass Basel-Stadt sich nicht als Feriendestination eignet. Vorliegend war ausschlaggebend, dass die

Steuerpflichtige, die eine Liegenschaft durch Erb-

Erben keine Verkaufsbemühungen nachweisen

schaft erworben haben, müssen sich diese im Ein-

konnten.

kommen insbesondere dann nicht als Eigennutzung zurechnen lassen, wenn sie eine leerstehende Liegenschaft nicht nutzen und zu verkaufen beabsichtigen. Gemäss Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 7. November 2019 23 ist die Frist auf ein Jahr festzusetzen – während der auch ohne Beleg von konkreten Verkaufsbemühungen oder anderen, auf eine Veräusserung zielenden Bemühungen, nicht darauf geschlossen werden kann, dass sich die Mitglieder der Erbengemeinschaft die Nutzung vorbehalten wollen. Ein Eigenmietwert fällt grundsätzlich an, wenn sich der Eigentümer die Liegenschaft kraft seines Willens zur Benutzung zur Verfügung hält. Die Selbstnutzung ist dabei grundsätzlich nicht abhängig von der tatsächlichen zeitlichen Nutzung eines Gebäudes. Hält 23 Urteil des Verwaltungsgerichts Basel-Stadt vom 7. November 2019, in: BSTP 2020 Nr. 3.

Steuer Update 2021    Grundsteuern  –  Entscheide

22


V Mehrwertsteuer Veysel Oruclar, Rechtsanwalt Beatrice Leistner, Rechtsanwältin und dipl. Steuerexpertin

A

nehmenden Unternehmen zu Vorsteuerabzugs­

Praxisänderungen und –präzisierungen

kürzungen, da der Bund nicht am Kreditverhältnis zwischen den Banken und Unternehmen beteiligt ist und folglich kein Subventionsverhältnis besteht. Zudem soll auch der Erhalt von Kurzarbeits- und Erwerbsausfallentschädigungen bei den betroffenen Unternehmen nicht zu Vorsteuerabzugskürzungen

1

Entwurf Praxisanpassungen:

führen.

Massnahmen aufgrund Covid-19 Am 23. Oktober 2020 sowie am 2. Februar 2021 hat

Bei den gemäss der Covid-19-Härtefallverordnung vom 25. November 2020 28 getroffenen Härtefall-

die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) die

massnahmen in Form von nicht rückzahlbaren

Entwürfe Praxisanpassungen betreffend das Bun-

Beiträgen (sog. A-fonds-perdu-Beiträgen) und Vor-

desgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTG), 24 Massnahmen aufgrund Covid-19 25, 26, im Konsulta-

zugsbedingungen von Darlehen der Kantone (z.B.

tivgremium publiziert. Nachfolgend werden einige

nen i.S.v. Art. 18 Abs. 2 lit. a MWSTG, wobei bei der

der von der ESTV beschlossenen Praxisanpassungen

Darlehensgewährung nicht die ganze rückzahlbare

erläutert:

Darlehenssumme, sondern lediglich der fehlende

zinsloses Darlehen) handelt es sich um Subventio-

Zins als Subvention qualifiziert. Entsprechend soll Aufgrund der Covid-19-Solidar-

der Erhalt solcher Subventionen bei steuerpflichti-

bürgschaftsverordnung vom 25. März 2020 (nach-

gen Personen, die nach effektiver Methode abrech-

folgend: Bürgschafts-VO) können die schweizerischen

nen, eine verhältnismässige Vorsteuerkürzung nach

Bürgschaftsorganisationen für Bankkredite von bis

sich ziehen. 29

MWST-Info 05:

27

zu CHF 500 000 zu 100 % und für jene Kredite bis zu CHF 20 Mio. im Umfang von 85 % bürgen. In

MWST-Info 07: 30 Kurzarbeits- und Erwerbsausfall-

diesem Zusammenhang hat sich der Bund verpflich-

entschädigungen sollen als Nicht-Entgelte gelten.

tet, die Bürgschaftsverluste der Bürgschaftsorga-

Diese sind in der Mehrwertsteuerabrechnung nicht

nisationen aufgrund der Bürgschafts-VO gewährten

unter der Ziffer 200, sondern unter der Ziffer 910

Solidarbürgschaften im Umfang von 100 % zu decken,

aufzuführen.

wobei die Bürgschaftsorganisationen als Subventionsempfänger gelten sollen. Obwohl die Kredite nicht marktüblich verzinst werden, führt dies weder bei den kreditgebenden Banken, noch bei den kredit­

24 25 26 27 28 29 30

Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer vom 12. Juni 2009 (SR 641.20; Mehrwertsteuergesetz, MWSTG). Vgl. dazu den Entwurf der ESTV zum Thema: Massnahmen aufgrund Covid-19 vom 23. Oktober 2020. Vgl. dazu den Entwurf der ESTV zum Thema: Massnahmen aufgrund Covid-19 vom 2. Februar 2021. MWST-Info 05 Subventionen und Spenden, webbasierte Publikation, abrufbar unter https://www.gate.estv.admin.ch/mwst-webpubli- kationen/public/pages/taxInfos/tableOfContent.xhtml?publicationId=1000283 (zuletzt besucht am 27. Januar 2021). Verordnung über Härtefallmassnahmen für Unternehmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie vom 25. November 2020 (SR 951.262; Covid-19-Härtefallverordnung). Vgl. dazu den Entwurf der ESTV zum Thema: Massnahmen aufgrund Covid-19 vom 2. Februar 2021, wo auch die mehrwertsteuerli- che Behandlung von Unterstützungen für Klubs des professionellen und semiprofessionellen Mannschaftssports thematisiert wird. MWST-Info 07 Steuerbemessung und Steuersätze, webbasierte Publikation, abrufbar unter https://www.gate.estv.admin.ch/mwst- webpublikationen/public/pages/taxInfos/tableOfContent.xhtml?publicationId=1007607 (zuletzt besucht am 27. Januar 2021).

Steuer Update 2021    Mehrwertsteuer

23


2

Änderungen der MWST-Infos

b)

Steuerbemessung und Steuersätze

Es wird präzisiert, dass die Bemessungsgrund-

a) Steuerobjekt

lage der Steuer das tatsächlich empfangene Entgelt, d. h. der tatsächliche Vermögenszu-

B ei Tauschverhältnissen als auch bei Leistun-

gang beim Leistungserbringer, ist. Verpa-

gen an Zahlungs statt (Eintauschgeschäfte)

ckungskosten und öffentlich-rechtliche Ge-

liegen zwei separate Leistungsverhältnisse

bühren und Abgaben, zu deren Entrichtung

vor. Entsprechend erbringen beide beteiligten

der Leistungserbringer verpflichtet ist, werden

Parteien somit je eine eigene Leistung und

ausserdem in der Liste der Entgelte neu aus-

müssen diese versteuern, sofern die Voraus-

drücklich erwähnt. Demgegenüber sollen

setzungen für die objektive und subjektive

öffentlich-rechtliche Abgaben und Gebühren,

Steuerpflicht gegeben sind. Mit der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen

die der Leistungserbringer nicht selber schul-

Teilrevision des MWSTG wurden in Art. 21

fremde Rechnung vereinnahmt, nicht in die

Abs. 2 Ziff. 18 lit. c MWSTG die Begriffe «Leis-

Bemessungsgrundlage einbezogen werden.

tungen im Bereich der Sozialversicherungen»

Zudem wird definiert, dass kein Eintausch

sowie «Einrichtungen der Sozialversicherun-

vorliegt, wenn der Kunde (Leistungsempfän-

gen» eingeführt. Da diese Begriffe weder im

ger) dem Leistungserbringer beim Kauf eines

MWSTG noch in der Mehrwertsteuerverordnung (MWSTV) 31 definiert wurden, ist eine

neuen Gegenstands einen gebrauchten Ge-

Praxispräzisierung erforderlich. Der Begriff

und dem Kunden kein Wer t (auch nicht

«Einrichtungen der Sozialversicherungen»

Schrottwert) angerechnet wird. B ei ausländischen Währungen gemäss Art.

umfasst Einrichtungen des privaten oder

det, sondern in fremdem Namen und für

genstand lediglich zur Entsorgung übergibt

öffentlichen Rechts, die – unabhängig von

45 Abs. 3bis MWSTV, für welche die ESTV

ihrer Rechtsform – nach kantonalem oder

keinen Kurs veröffentlicht, gilt neu der pub-

Bundesrecht vor den wirtschaftlichen Folgen

lizierte Tageskurs für den Verkauf von Devi-

des Eintritts eines sozialen Risikos schützen.

sen einer inländischen Bank. Beim Konzern-

«Die Leistungen im Bereich der Sozialversi-

umrechnungskurs wird spezifizier t, dass

cherungen» umfassen sämtliche Leistungen

dieser von allen Gesellschaften des Konzerns

von Einrichtungen der Sozialversicherungen

angewendet werden muss.

untereinander, unabhängig davon, ob diese öffentlich-rechtlich vorgesehen sind oder der Erbringung von öffentlich-rechtlichen Leis–

3

MWST-Branchen-Info 13: Telekommunikation und elektronische

tungen dienen. N eu soll der Verkauf von Emissionsrechten,

Dienstleistungen

Zertifikaten und Bescheinigungen für Emissionsverminderungen, Herkunftsnachweisen

Der Begriff «anderes elektronisches Netz» schliesst

für Elektrizität und ähnlichen Rechten, Be-

jede Art von analogem oder digitalem, mobilem oder

scheinigungen und Zertifikaten infolge eines Bundesgerichtsurteils 32 nicht mehr als von

nicht mobilem Netz ein. Mit welcher Technik Daten

der Steuer ausgenommene Leistungen im

Beispiele sind das Internet, andere Weitverkehrs-

Geld- und Kapitalverkehr gelten, sondern als

netze (WAN), kabelgebundene oder drahtlose loka-

steuerbare Dienstleistungen i.S.v. Art. 3 lit.

le Netzwerke (LAN oder WLAN), kabelgebundene

e MWSTG, deren Leistungsort sich nach Art.

oder drahtlose persönliche Netzwerke sowie virtu-

8 Abs. 1 MWSTG bestimmen sollte.

elle private Netzwerke (VPN). Im Allgemeinen bewirkt

oder Signale übermittelt werden, spielt keine Rolle.

die blosse Nutzung des Internets oder eines anderen elektronischen Netzes zum Zweck der Übermittlung von Informationen oder Ergebnissen im Zusammenhang mit einer Leistung nicht, dass diese Leistung als elektronische Dienstleistung gilt. Beispielsweise führt der Online-Kauf von Schuhen nicht dazu, dass mehrwertsteuerlich eine elektronische Dienstleistung vorliegt. Der Kauf qualifiziert weiter31 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (SR 641.201; MWSTV). 32 BGer 2C_488/2017 vom 9. April 2019.

Steuer Update 2021    Mehrwertsteuer

24


hin als Lieferung. Was als elektronische Dienstleis-

GmbH ihren Taxibetrieb inkl. Taxibetriebsbewilligung

tungen qualifiziert und was nicht, wird in Art. 10

auf die A. GmbH in Gründung. Ab diesem Datum

MWSTV nicht abschliessend definiert.

betrieb die B. GmbH nur noch einen Limousinenservice. Im Jahr 2016 verlegte die Gesellschaft

Die Begriffe Automatisierung und menschliche Be-

ihren Sitz nach V./AG und firmierte in D. GmbH um.

teiligung spielen eine wichtige Rolle bei der Frage,

Im Mai 2017 erfolgte die Konkurseröffnung über die

ob eine elektronische Dienstleistung vorliegt oder

B. bzw. D. GmbH, wobei das Konkursverfahren im

nicht, da der Leistungsort je nach Qualifikation

Juni 2017 mangels Aktiven eingestellt wurde.

entsprechend unterschiedlich ausfällt und folglich zu unterschiedlicher mehrwertsteuerlicher Behand-

Vom 1. April 2007 bis zum 31. Dezember 2016 war

lung führt. Vorbereitungs-, Entwicklungs-, Unter-

die B. GmbH im Register der mehrwertsteuerpflich-

halts- oder Weiterentwicklungsarbeiten sowie

tigen Personen bei der ESTV eingetragen. Für den

­Arbeiten im Zusammenhang mit der Fehlerbehebung

Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember

an einem System, einer Website, einem Portal,

2012 erfolgte im Juli 2012 und März 2014 eine

einer Software, einer Datenbank und dergleichen,

MWST-Kontrolle. Nach Abschluss der Kontrolle er-

mit denen eine (elektronische) Dienstleistung er-

gaben sich Steuerkorrekturen zugunsten der ESTV

bracht wird, werden für die Frage der menschlichen

von CHF 43 139 bzw. CHF 16 642 für die Steuerpe-

Beteiligung nicht berücksichtigt bzw. gelten als

rioden 2007–2009 bzw. 2010–2012. Diese Nachbe-

minimale menschliche Beteiligung. Für die Frage,

lastungen stellte die ESTV der A. GmbH in Rechnung

ob bei einer Dienstleistung die menschliche Betei-

und bestätigte diese mit Verfügungen vom 5. April

ligung noch minimal ist oder ob sie darüber hinaus-

2016. Die dagegen erhobenen Einsprachen wies die

geht, spielen die beiden Hauptkriterien des Vorhan-

ESTV ab und stellte fest, dass die A. GmbH als

denseins einer menschlichen und persönlichen

Steuernachfolgerin in die Rechte und Pflichten der

Inter­aktion zwischen dem Leistungserbringer (oder

B. bzw. D. GmbH eingetreten sei. A. GmbH wurde

eines von ihm beauftragten Dritten) und dem Leis-

folglich zur Zahlung der Steuernachforderungen

tungsempfänger sowie der Grad der Individualisie-

nebst Verzugszins verpflichtet. Das Bundesverwal-

rung eine wichtige Rolle. Zum Beispiel liegt eine von

tungsgericht (BVGer) hiess die Beschwerde der A.

der Steuer ausgenommene Bildungsleistung und

GmbH gut. Dagegen gelangte die ESTV an das

nicht eine elektronische Dienstleistung vor, wenn

Bundesgericht (BGer).

der Teilnehmer live Zugriff auf ein Kursvideo hat und zudem die Möglichkeit besteht, während und

Das BGer musste im vorliegenden Fall die Tatbe-

nach der Ausstrahlung des Videos mit dem Kurslei-

standselemente der mehrwertsteuerlichen Steuer-

ter in Kontakt zu treten.

nachfolge prüfen. Vor Inkrafttreten des geltenden Rechts ging die bundesgerichtliche Praxis dahin, dass sämtliche Aktiven und Verbindlichkeiten über-

B

tragen werden müssten, damit eine Steuernachfolge ausgelöst werden kann, denn im aMWSTG 34 war

Entscheide

von der Übernahme einer Unternehmung «mit Aktiven und Passiven» die Rede. Folglich verneinte das BGer das Vorliegen einer mehrwertsteuerlichen

1

Partielle mehrwertsteuerliche

Steuernachfolge, wenn sich die Übertragung auf

Steuernachfolge bei Übertragung

einzelne Aktiven bzw. einzelne Aktiven und Verbind-

eines Teilvermögens

lichkeiten beschränkte.

Art. 16 Abs. 2 MWSTG knüpft an das Fusionsrecht

Art. 16 Abs. 2 MWSTG enthält die Wendung «Aktiven

an, weshalb die Steuersukzession auch bei der

und Passiven» nicht mehr und bestimmt, dass der-

Übertragung eines Teilvermögens eintreten kann.

jenige, der ein Unternehmen übernimmt, in die

Allerdings ist die partielle Steuernachfolge auf die

steuerlichen Rechte und Pflichten des Rechtsvor-

mit dem Teilvermögen zusammenhängenden Mehr-

gängers eintritt. Somit lehnt sich die mehrwertsteu-

wertsteuern beschränkt.

erliche Steuernachfolge nun mehr an das Fusions-

33

gesetz an, was dazu führt, dass eine UnternehmensDer statutarische Zweck der B. GmbH bestand im

übernahme auch dann vorliegen kann, wenn nicht

gewerblichen Transport von Gütern und Personen.

sämtliche Aktiven und Passiven oder wesentliche

Im Dezember 2015 bzw. März 2016 übertrug die B.

Bestandteile davon übernommen werden. Zusam-

33 BGE 146 II 73. 34 Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer vom 2. September 1999; revidiert per 1. Januar 2010.

Steuer Update 2021    Mehrwertsteuer

25


menfassend kommt das BGer folglich zum Schluss,

den kann. Das BVGer war der Ansicht, dass Art. 13

dass neurechtlich eine partielle Steuernachfolge

Abs. 2 MWSTG den Steuerpflichtigen ein Gestal-

möglich und auf die mit dem Teilvermögen zusam-

tungsrecht einräume, welches nach allgemeiner

menhängenden Mehrwertsteuern beschränkt ist.

Regel nur für die Gegenwart oder Zukunft wirken kann. Eine Wirkung für die Vergangenheit kann nur

Infolge dieses Bundesgerichtsurteils hat die ESTV

dann angenommen werden, wenn sich dafür im

den Entwurf Praxisanpassungen zum Thema Steuer­

Gesetz selbst eine Grundlage finde, was aber im

nachfolge und Haftung im Konsultativgremium veröffentlicht. 35 Darin schlägt die ESTV vor, dass

konkreten Fall vom BVGer verneint wurde. Von der

bei der Übernahme eines Gesamtvermögens nach

mit Blick auf den Normzweck nicht überzeugt. Mit

Art. 16 Abs. 2 MWSTG eine Steuernachfolge vorlie-

dem Institut der Mehrwertsteuergruppe wird einer-

gen soll. Weiter wird erläutert, dass bei der Über-

seits die Vermeidung einer «taxe occulte» im grup-

nahme eines Teilvermögens nur dann eine Steuer-

peninternen Verhältnis und andererseits die Ver-

nachfolge eintreten soll, wenn es sich bei den be-

einfachung der administrativen Abläufe bezweckt.

teiligten Unternehmen um eng verbundene Personen

Für die Rückwirkung des Gesuchs um Gruppenbe-

i.S.v. Art. 3 lit. h MWSTG handelt. Entsprechend

steuerung spricht der erste Zweck und für die Ab-

sollte die Übernahme eines Teilvermögens unter

lehnung eher der zweite. Praxisgemäss lässt die

unabhängigen Dritten keine Steuernachfolge bewir-

ESTV eine rückwirkende Eintragung einer MWST-

ken.

Gruppe zu, wenn noch keines der in der MWST-

Auslegung des BVGer war das BGer allerdings insb.

Gruppe zusammenzufassenden Steuersubjekte die MWST-Abrechnung eingereicht hat und zudem die 2 Gruppenbesteuerung

Frist zur Einreichung der Abrechnung noch nicht verstrichen ist.

Der Zusammenschluss zu einer MWST-Gruppe erfolgt grundsätzlich auf den Beginn der dem Antrag nach-

Im Zeitpunkt des Gesuchs hatte keine der Zweig-

folgenden Steuerperiode. Eine rückwirkende Eintra-

niederlassungen die MWST-Abrechnung eingereicht.

gung einer MWST-Gruppe auf den Beginn der lau-

Allerdings war nicht klar, ob die Frist für die Einrei-

fenden Steuerperiode ist ausnahmsweise nur dann

chung der Abrechnungen bereits abgelaufen war

möglich, wenn noch kein Gruppenmitglied die MWST-

oder nicht. Daher wurde die Beschwerde gutgeheis-

Abrechnung eingereicht hat und die Frist zur Einrei-

sen und an das BVGer zwecks weiterer Sachver-

chung der Abrechnung noch nicht verstrichen ist. 36

haltsabklärungen zurückgewiesen.

Über ihre Niederlassungen auf den Bermudas, in den USA, in Europa und in Kanada ist die C. Ltd. weltweit

3 Abspaltung

als Erst- und Rückversicherer tätig und hält zudem über die D. Ltd. mit Sitz in Irland verschiedene Toch-

Für den Beginn der mehrwertsteuerlichen Leis-

tergesellschaften, darunter die ebenfalls in Irland

tungszuordnung ist in erster Linie auf das Datum

ansässigen E. Ltd. und F. Ltd. Sowohl die E. Ltd. als

der Eintragung der Abspaltung im Handelsregister

auch die F. Ltd. begründeten im Jahr 2009 bzw. 2014

abzustellen. 37

je eine Zweigniederlassung in der Schweiz. Die beiden Zweigniederlassungen stellten am 9. Dezember

Die A. AG war im Register der Mehrwertsteuerpflich-

2014 ein Gesuch um Gruppenbesteuerung per

tigen eingetragen. Am 26. Juni 2012 beschloss die

6. August 2014, welches allerdings von der ESTV

Generalversammlung der A. AG die Abspaltung des

abgelehnt wurde. Die ESTV stimmte jedoch einer

Unternehmensteils «Engineering» in die neu zu

Gruppenbesteuerung ab 1. Januar 2015 zu.

gründende B. AG rückwirkend per 1. Januar 2012. Am 5. Juli 2012 wurde die B. AG ins Handelsregister

Vor dem BGer war unbestritten, dass die beiden

eingetragen. Die Abspaltung wurde am 10. Juli 2012

Zweigniederlassungen die materiellen Vorausset-

im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) pub-

zungen für eine Gruppenbesteuerung erfüllen. Jedoch

liziert. Die ESTV trug die B. AG per 1. Juli 2012

waren die Verfahrensparteien sich darüber nicht

ins Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen

einig, ob die Gruppenbesteuerung angesichts des

ein. Nachdem die ESTV bei der A. AG eine Kontrolle­

Gesuchszeitpunkts «rückwirkend» ab dem 6. August

betreffend die Steuerperioden 2011 bis 2014 durch-

2014 oder erst ab 1. Januar 2015 beansprucht wer-

geführt hatte, erliess sie am 17. Mai 2017 eine

35 Entwurf Praxisanpassungen der ESTV zum Thema Steuernachfolge / Haftung vom 2. Februar 2021. 36 BGer 2C_962/2018 vom 29. Januar 2020. 37 BGer 2C_255/2020 vom 18. August 2020.

Steuer Update 2021    Mehrwertsteuer

26


Einschätzungsmitteilung. Für die genannten Steu-

BGer nicht mehr, dass sämtliche vorliegend rele-

erperioden forder te die EST V von der A. AG

vanten Leistungen von der A. AG erbracht und die

CHF 111 353 an Mehrwertsteuern nach.

in diesem Zusammenhang massgebenden Rechnungen im April, Mai und Juni 2012 im Namen der A.

Die A. AG verlangte eine anfechtbare Verfügung und

AG ausgestellt worden sind. Umstritten war indes,

machte im Wesentlichen geltend, die Umsätze des

ob die rückwirkend auf den 1. Januar 2012 vorge-

zweiten Quartals 2012, welche der B. AG zuzurech-

nommene Abspaltung in rechtlicher Hinsicht einen

nen seien, dürften nicht der A. AG nachbelastet

Einfluss auf die mehrwertsteuerliche Zuordnung der

werden. Diese Umsätze seien in den Büchern der

Leistungen im zweiten Quartal des Jahres 2012

B. AG verbucht. Gegenstand der zu beurteilenden

zeitigt. Da nach den Ausführungen des BGer auf-

Angelegenheit war die Frage, welcher Gesellschaft –

grund des Aussenauftritts bestimmt wird, welche

der A. AG oder der B. AG – die im zweiten Quartal

Person als mehrwertsteuerliche Leistungserbringe-

des Jahres 2012 erbrachten Leistungen zuzurechnen

rin gilt, ist für den Beginn der mehrwertsteuerlichen

sind und welche der beiden deshalb auf den in den

Leistungszuordnung in erster Linie auf das Datum

Monaten April, Mai und Juni 2012 fakturierten Um-

der Eintragung der Abspaltung im Handelsregister

sätzen die Mehrwertsteuer zu entrichten hat.

abzustellen. Im Lichte der unbestritten gebliebenen Tatsache, dass die A. AG im zweiten Quartal des

Zunächst stellte das BGer fest, dass dem in Art. 20

Jahres 2012 sämtliche Rechnungen in ihrem Namen

Abs. 1 MWSTG verankerten Grundsatz, wonach der

ausgestellt sowie die damit zusammenhängenden

Person die Leistung zugerechnet wird, die gegenüber

Leistungen erbracht hat und infolge des Umstands,

der leistungsempfangenden Person als Leistungs-

dass die neu gegründete B. AG erst mit dem Han-

erbringerin auftritt, bei der Zuordnung von Leistun-

delsregistereintrag anfangs Juli 2012 nach aussen

gen im Allgemeinen sowie im Bereich der mehr-

rechtswirksam hat in Erscheinung treten können,

wer tsteuerlichen Stellver tretung grundlegende

bestand kein Zweifel, dass bloss die A. AG während

Bedeutung zukomme. Weiter führte das BGer aus,

des zweiten Quartals 2012 nach aussen aufgetreten

dass eine Vertretung im mehrwertsteuerlichen Sinn

ist. Die A. AG galt demnach als Leistungserbringerin,

ausschliesslich dann vorliege, wenn nicht die ver-

die im Sinne von Art. 20 Abs. 1 MWSTG die relevan-

tretende Person (Stellvertreterin) nach aussen als

ten Leistungen erbracht hat. Sie hatte als Steuer-

Leistungserbringerin auftrete. Schliesslich stellte

subjekt der Mehrwertsteuer auf den Umsätzen­der

das Höchstgericht klar, dass die mehrwertsteuerli-

in den Monaten April, Mai und Juni 2012 ausgestell-

che Stellvertretung ein Zuordnungskonzept sei, das

ten Rechnungen die Mehrwertsteuer zu entrichten.

sich an die zivilrechtliche Stellvertretung nach Art. 32 ff. OR anlehne, von dieser aber zu unterscheiden

Bei Umstrukturierungen muss somit beachtet wer-

ist. Gemäss Art. 20 Abs. 3 MWSTG liegt eine indi-

den, dass es im MWST-Recht keine Rückwirkung

rekte Stellvertretung vor, wenn die stellvertretende

bezüglich der Leistungszuordnung gibt. Vielmehr

Person in eigenem Namen, aber auf Rechnung der

ist der Aussenauftritt massgebend, der sich gestützt

vertretenen Person tätig wird. In diesem Fall wird

auf das Datum der Eintragung der Umstrukturierung

in Anwendung des Grundsatzes von Art. 20 Abs. 1

im Handelsregister bestimmt.

MWSTG die mehrwertsteuerliche Leistung der Stellvertreterin als nach aussen auftretende Person zugerechnet. Nach dem gesetzgeberischen Willen liegt im Fall der indirekten Stellvertretung demzu-

4

Leistungen an eng verbundene Personen

folge keine «Vertretung im mehrwertsteuerlichen Sinn» vor. Das Stellvertretungsverhältnis wird im

Bei Leistungen zwischen eng verbundenen Unter-

Rahmen der indirekten Stellvertretung mehrwert-

nehmen ist aus MWST-Sicht Vorsicht geboten. 38

steuerlich gleich behandelt wie das Aussenverhältnis zwischen der (indirekten) Stellvertreterin und

Die A. GmbH bezweckte unter anderem den Betrieb

der leistungsempfangenden Drittperson. Demzufol-

eines Architekturbüros. Sie war im Register der

ge wird das Stellvertretungsverhältnis durch das

Mehrwertsteuerpflichtigen bei der ESTV eingetragen

mehrwertsteuerliche Leistungsverhältnis ersetzt.

und verwendete die Saldosteuersatzmethode. Die A. GmbH handelte durch ihre beiden im Handelsre-

In tatsächlicher Hinsicht war unbestritten, dass die

gister eingetragenen einzelzeichnungsberechtigten

B. AG am 5. Juli 2012 ins Handelsregister eingetra-

Gesellschafter B. und C. Die D. GmbH bezweckte

gen und die Abspaltung am 10. Juli 2012 im SHAB

die Erbringung von Dienstleistungen im Immobili-

publiziert worden ist. Sodann bestritt die A. AG vor

enbereich. Sie war ebenfalls im Register der Mehr-

38 BGer 2C_443/2020 vom 8. Oktober 2020.

Steuer Update 2021    Mehrwertsteuer

27


wertsteuerpflichtigen eingetragen und verwendete

ren beanstandete die A. GmbH eine falsche Ausle-

auch die Saldosteuersatzmethode. Sie wurde von

gung und Anwendung von Art. 24 Abs. 2 MWSTG.

B. als einzigem Gesellschafter und Geschäftsführer

Sie machte geltend, die Vorinstanz verwende für

geführt. Die E. GmbH bezweckte ebenso die Erbrin-

die Bestimmung des Drittpreises die Wiederver-

gung von Dienstleistungen im Immobilienbereich.

kaufsmethode, was aber vorliegend keinen Sinn

Sie war auch im Register der Mehrwertsteuerpflich-

mache und auch nicht den Richtlinien der Organi-

tigen bei der ESTV eingetragen und verwendete die

sation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und

Saldosteuersatzmethode. Sie hatte C. als einzigen

Entwicklung (OECD) entspreche. Demgegenüber

Gesellschafter und Geschäftsführer.

hielt das BGer fest, dass bei fehlenden detaillierten Unterlagen die Wiederverkaufsmethode oftmals die

Mit Einschätzungsmitteilung machte die ESTV ge-

einzige praktikable Methode zur Bestimmung des

genüber der A. GmbH die Differenz zur deklarierten

Werts einer Leistung unter eng verbundenen Per-

Steuer in der Höhe von CHF 34 645 zuzüglich Ver-

sonen sei.

zugszins geltend (Steuerperioden 2012 bis 2015). Die ESTV begründete ihre Nachforderung mit nicht

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass aus MWST-

verbuchten und nicht versteuerten Leistungen der

Sicht bei Leistungen zwischen eng verbundenen

A. GmbH an die zwei eng verbundenen D. GmbH

Unternehmen Vorsicht geboten ist und sofern mehr-

und E. GmbH. Sie führte insbesondere aus, dass die

wertsteuerlich ein Leistungsverhältnis bejaht werden

D. GmbH und die E. GmbH ohne Personal und Mo-

kann, die Wiederverkaufsmethode als sachgerecht

bilien ihre Geschäftstätigkeiten nicht erbringen

erscheint.

könnten. Die A. GmbH beantragte, dass die Nachforderung gemäss Einschätzungsmitteilung in Höhe von CHF 34 645 auf CHF 12 20,60 zu reduzieren sei.

C

Sie brachte im Wesentlichen vor, sie habe weder

Ausblick

der D. GmbH noch der E. GmbH Leistungen erbracht. Gegenstand des vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahrens war die Frage, ob von der A. GmbH zu-

An seiner Sitzung vom 19. Juni 2020 hat der Bun-

gunsten der D. GmbH und der E. GmbH Leistungen

desrat die Teilrevision des MWSTG und der MWSTV

im mehrwertsteuerlichen Sinne erbracht worden

eröffnet. Vorgeschlagen wird unter anderem die um-

sind, für die ein unabhängiger Dritter ein Entgelt

fassende Besteuerung von Versandhandelsplattfor-

geleistet hätte. Es war unbestritten, dass es sich

men und die Vereinfachung der Mehrwertsteuerab-

aus Sicht der A. GmbH bei der D. GmbH und der E.

rechnungen für KMU. Die Vernehmlassungsfrist dau-

GmbH aufgrund der Stellung ihrer Gesellschafter

erte bis zum 12. Oktober 2020. Nachfolgend werden

und Geschäftsführer um eng verbundene (juristische)

einige der vorgeschlagenen Änderungen im Detail

Personen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 MWSTG in

vorgestellt. 39

Verbindung mit Art. 3 lit. h MWSTG handelt. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist von einer Entgeltlichkeit und von einem mehrwertsteuerlichen Leistungsaustauschverhältnis selbst dann auszuge-

1

Besteuerung von InternetVersandhandelsplattformen

hen, wenn zwar überhaupt kein Entgelt bezeichnet und bezahlt wird, jedoch die Leistung, die der na-

Elektronische Plattformen wie Internet-Marktplätze

hestehenden Drittperson erbracht wird, üblicher-

sollen im Bereich des Versandhandels selbst als

weise nur gegen Entgelt erhältlich ist. In diesem

Leistungserbringerinnen gelten und nicht mehr die

Zusammenhang bestimmt Art. 24 Abs. 2 MWSTG,

Unternehmen, die ihre Produkte über diese Platt-

dass bei Leistungen an eng verbundene Personen

formen vertreiben. Folge davon ist, dass sie die

als Entgelt der Wert gilt, der unter unabhängigen

Mehrwertsteuer entrichten müssen. Sollten diese

Dritten vereinbart würde.

ihren Deklarations- und Zahlungspflichten nicht ordnungsgemäss nachkommen, so kann die ESTV

Die A. GmbH beanstandete zunächst eine willkürli-

administrative Massnahmen verfügen. Zu diesen

che Beweiswürdigung, wobei es ihr nicht gelang

Massnahmen gehören Einfuhrverbote für Lieferun-

aufzuzeigen, dass die Vorinstanz eine unhaltbare

gen des betreffenden Unternehmens und als här-

Beweiswürdigung vorgenommen hatte. Des Weite-

testes und letztes Mittel die Vernichtung der Ge-

39 Vgl. Erläuternder Bericht der ESTV zur Vernehmlassung zur Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes und zur Teilrevision der Mehr - wertsteuerverordnung vom 19. Juni 2020 sowie Vorentwurf des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer und der Mehrwert steuerverordnung.

Steuer Update 2021    Mehrwertsteuer

28


genstände. Auch können die Namen der fehlbaren Unternehmen zum Schutz der Kunden veröffentlicht werden. Um ihren Deklarations- und Zahlungspflichten nachkommen zu können, erhalten Online-Plattformen Auskunftsrechte gegenüber Unternehmen, die Lieferungen und Dienstleistungen auf der Plattform anbieten wollen.

2

Bezugsteuerpflicht

Gegenwärtig kommt die Bezugsteuer bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen nur dann zur Anwendung, wenn die Dienstleistungen nach Art. 8 Abs.1 MWSTG am inländischen Empfängerort steuerbar sind. Neu soll für grenzüberschreitende Leistungen an Steuerpflichtige grundsätzlich die Bezugsteuer angewendet werden, wenn der Leistungsort im Inland liegt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine ausländische Unternehmung, die in der Schweiz nicht im Mehrwertsteuerregister eingetragen ist, eine Reparaturleistung im Inland für eine mehrwertsteuerpflichtige Unternehmung erbringt. Dadurch entfällt in zahlreichen Fällen die Mehrwertsteuerpflicht des ausländischen Unternehmens in der Schweiz bzw. die Ablieferung der MWST wird auf den Schweizer Empfänger überwälzt, der die Bezugsteuer deklariert und gleich als Vorsteuer wieder in Abzug bringen kann. Zudem soll als Massnahme zur Steuersicherung der Handel mit Emissions- und vergleichbaren Rechten der Bezugsteuer unterstellt werden.

3 Subventionen Neu sollen alle Zahlungen, welche die Kantone und Gemeinden als Subventionen bezeichnen, grundsätzlich auch bei der Mehrwertsteuer als Subventionen qualifizieren. Davon muss aber weiterhin die steuerpflichtige Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen für den eigenen Bedarf des Gemeinwesens abgegrenzt werden.

Steuer Update 2021    Mehrwertsteuer

29


VI Internationale Steuern Nadia Tarolli Schmidt, Advokatin und dipl. Steuerexpertin Adrian Briner, dipl. Wirtschaftsprüfer und dipl. Steuerexperte Flurin Bleisch, MLaw, Volontär

A

der Tätigkeit pocht. In der Folge wäre das Erwerbs-

Internationale Abkommen

einkommen betroffener Grenzgänger in Österreich steuerpflichtig. Ob die Schweiz dieses Einkommen dann von der Besteuerung ausnimmt, ist unklar, dies müsste aber wohl der Fall sein. Der Nachweis des effektiven Arbeitsortes mittels Kalender bleibt für diese Grenzgänger unabdingbar. Die erwähnten

1

Covid-19: Auswirkungen auf die

Regelungen sind je nach Land zeitlich unterschied-

Sozialversicherungen und Besteuerung

lich befristet und es ist daher wichtig, die Laufzeiten

von Grenzgängern

pro Land im Auge zu behalten.

Aufgrund der länderspezifisch erlassenen Gesundheitsvorschriften konnten und können viele Grenz-

b)

Sozialversicherungen: Keine Änderungen

gänger ihren Arbeitsplatz zurzeit nicht physisch aufsuchen. Mit der damit verbundenen Zunahme

In Bezug auf Deutschland, Frankreich, Italien, Ös-

der Arbeit im Homeoffice ergeben sich steuerlich

terreich und Liechtenstein hat die Schweiz eine

und sozialversicherungsrechtlich diverse Unsicher-

flexible Anwendung der Unterstellungsregeln bis

heiten. Dabei ist es wichtig, die beiden Themen zu

zum 30. Juni 2021 vereinbart. Sozialversicherungs-

unterscheiden, da die Regeln nicht zwingend ver-

rechtlich soll sich die Versicherungsunterstellung in

gleichbar ausgestaltet sind.

Bezug auf Personen, die dem Freizügigkeitsabkommen oder dem EFTA-Übereinkommen unterstehen, aufgrund der Covid-19-Einschränkungen nicht ändern.

a)

Steuern: Lockerungen für Grenzgänger

Eine Person wird entsprechend auch dann als in der Schweiz erwerbstätig betrachtet, wenn sie ihre

Die Schweiz hat als Reaktion auf die Covid-19-Pan-

Tätigkeit hier physisch wegen der Covid-19-Pande-

demie mit Deutschland, Frankreich, Italien und

mie nicht ausüben kann. Davon sind insbesondere

Liechtenstein vorläufige Vereinbarungen zur Be-

Grenzgänger im Homeoffice betroffen. Diese flexi-

steuerung von Grenzgängern bei Telearbeit (Home-

ble Auslegung entspricht den EU-Empfehlungen

office) abgeschlossen. Für die Dauer der Covid-

betreffend die Anwendung des europäischen Koor-

19-Pandemie lösen diese Vereinbarungen die Ein-

dinationsrechts. Die flexible Anwendung gilt vor-

kommensteuerprobleme, die bei Homeoffice für

aussichtlich bis zum 30. Juni 2021. Sobald sich die

Grenzgänger ansonsten entstehen würden. Demnach

Gesundheitssituation normalisiert hat, gelten wieder

sollen die bestehenden Steuerabkommen wie bisher

vollumfänglich die üblichen Unterstellungsregeln.

gelten, solange die Covid-19-Ausnahmeregelungen

Aufgrund des Brexits ist zu beachten, dass für

in Kraft sind. Das bedeutet, dass Grenzgänger, die

Grossbritanien die EU-Empfehlungen nicht mehr

von zu Hause aus arbeiten müssen, weiterhin den

anwendbar sind (vgl. zur Situation mit Grossbritan-

selben Steuerregelungen unterliegen, wie wenn sie

nien nachfolgend unter D).

physisch an ihrem bisherigen Arbeitsort tätig wären. Die Covid-19-Situation wird also faktisch ignoriert. Mit Österreich wurde und wird voraussichtlich keine besondere Vereinbarung abgeschlossen, womit die Gefahr besteht, dass Österreich im Fall von Homeoffice auf die Massgeblichkeit des Ausübungsorts

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

30


Steuern: Vorläufige Vereinbarungen zur Grenzgängerbesteuerung

Sozialversicherungen: Flexible Anwendung der Unter­ stellungsregeln im Sozialversicherungsrecht

Deutschland

Konsultationsvereinbarung: Gültig bis 31. März 2021

Bis zum 30. Juni 2021

Frankreich

Verständigungsvereinbarung: Gültig bis 30. Juni 2021

Bis zum 30. Juni 2021

Italien

Verständigungsvereinbarung: Bis auf Weiteres gültig; Verlängerung jeweils um einen Monat; Behörden müssen sich im Voraus auf einen Beendigungszeitpunkt einigen

Bis zum 30. Juni 2021

Liechtenstein

Verständigungsvereinbarung: Bis auf Weiteres gültig; Verlängerung jeweils um einen Monat; Einseitig bis mind. eine Woche vor Ablauf kündbar

Bis zum 30. Juni 2021

Österreich

Keine

Bis zum 30. Juni 2021

c)

Homeoffice im Ausland birgt für

schafft.» 41 Um das Risiko der Begründung einer

Unternehmen ein Risiko

Betriebsstätte zu reduzieren, empfehlen wir Arbeitgebern mit Grenzgängern im Homeoffice dieses

Die erwähnten Vereinbarungen enthalten keine

Risiko stets im Auge zu behalten – dies umso mehr,

Bestimmungen, welche die Regeln betreffend die

je länger die Situation dauert. Aus Steuersicht – also

Begründung einer Betriebsstätte des Arbeitgebers

mit Blick auf die Vermeidung einer ausländischen

im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers ändern würden.

Betriebsstätte – ist bei internationalen Grenzgängern

Aus Sicht der Schweiz kann ein Arbeitgeber grund-

auf regelmässiges Homeoffice zu verzichten, wenn

sätzlich am Wohnsitz des Arbeitnehmers eine Be-

die Präsenz am Arbeitsplatz grundsätzlich möglich

triebsstätte begründen, wenn die Geschäftstätigkeit

ist. Dies gilt insbesondere für die Zeit nach der

des Unternehmens in einer festen Geschäftseinrichtung ganz oder teilweise ausgeübt wird. 40 In ande-

Covid-19-Pandemie und speziell für Mitarbeiter mit Abschlussvollmachten. 42 Für die Zeit während der

ren Staaten können die Anforderungen an die Be-

Pandemie ist empfehlenswert zu dokumentieren,

gründung einer Betriebsstätte allerdings wesentlich

welche Regeln im Unternehmen betreffend Home-

tiefer sein. In einer Analyse der Organisation für

office gegolten haben.

wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu den geltenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) wurde immerhin festgehalten, dass

2

Änderungen Doppelbesteuerungs­

es sich bei der Covid-19-Pandemie um höhere Gewalt

abkommen: Anpassungen an BEPS

handelt. Dabei wurde zusammengefasst, «dass die

Mindeststandards

Telearbeit von Einzelpersonen von zu Hause aus­ (d. h. im Homeoffice) als eine Massnahme des

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vermeiden

­öffentlichen Gesundheitswesens, die von mindestens

bekanntlich die Doppelbesteuerung und sind somit

einer der Regierungen der beteiligten Staaten auf-

ein wichtiges Element zur Förderung internationaler

erlegt oder empfohlen wurde, um die Ausbreitung

Wirtschaftsaktivitäten. Als OECD-Mitglied hat sich

des Covid-19-Virus zu verhindern, keine Betriebs-

die Schweiz aktiv am BEPS-Projekt gegen Gewinn-

stätte für das Unternehmen bzw. den Arbeitgeber

verkürzung und -verlagerung (Base Erosion and

40 41 42

Vgl. Art. 52 Abs. 2 DBG. Updated guidance on tax treaties and the impact of the COVID-19 pandemic, OECD, 21. Januar 2021, Ziff. 19. Roland Luchsinger, COVID-19: GRENZGÄNGER – Fragen zu Outbound-Betriebsstätten durch Homeoffice in: ExpertFocus 12/20, S. 971.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

31


Profit Shifting, BEPS) beteiligt. Auch im Jahr 2020

Im Jahr 2020 wurden Änderungsprotokolle mit

hat die Schweiz die Umsetzung der Mindeststandards

Liechtenstein, Malta und Zypern unterzeichnet.

aus dem BEPS-Projekt in Sachen DBA weiter vor-

Zudem traten die Änderungsprotokolle mit Irland,

angetrieben. Die bedeutendste Änderung des neu

Korea, Neuseeland, den Niederlanden, Norwegen,

angepassten DBA ist die Einführung einer Miss-

Schweden und der Ukraine in Kraft. Im Übrigen

brauchsklausel, gemäss welcher Vorteile des DBA

verabschiedete der Bundesrat die Botschaften zum

nicht gewährt werden, wenn das Erlangen dieser

neuen DBA mit Bahrain und zum Änderungsprotokoll

Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke einer

mit Kuwait. Schliesslich hat die Schweiz die nötigen

Gestaltung oder Transaktion war. Wobei aus Sicht

Schritte zur Änderung der DBA mit Luxemburg und

der Schweiz nur dann ein Missbrauch vorliegt, wenn

Litauen durch das BEPS-Übereinkommen unternom-

neben dem Steuervorteil keine anderen betriebs-

men. Nachfolgend findet sich eine Übersicht über

wirtschaftlichen Vorteile geltend gemacht werden

die wesentlichen Inhalte dieser Vereinbarungen.

können.

Aktueller Stand

Vereinbarung

Neuseeland

In Kraft seit 10. Dezember 2020

Irland

In Kraft seit 21. Oktober 2020

Änderungsprotokoll zum DBA: Setzt Mindeststandards in Sachen DBA um. Zudem wurde eine Schiedsklausel aufgenommen.

Schweden

In Kraft seit 06. Dezember 2020

Niederlande

In Kraft seit 30. November 2020

Republik Korea

In Kraft seit 28. Oktober 2020

Norwegen

In Kraft seit 26. Oktober 2020

Ukraine

In Kraft seit 16. Oktober 2020

Luxemburg

In Kraft seit 27. Mai 2020

Litauen

In Kraft seit 16. November 2020

Liechtenstein

BR verabschiedete Botschaft zu den Änderungen des DBA am 11. November 2020

Malta

BR verabschiedete Botschaft zu den Änderungen des DBA am 11. November 2020

Zypern

BR verabschiedete Botschaft zu den Änderungen des DBA am 11. November 2020

Bahrain

BR verabschiedete Botschaft zum neuen DBA am 26. August 2020

Neues DBA: Setzt Mindeststandards gemäss dem BEPS-Projekt um.

Kuwait

BR verabschiedete Botschaft zu den Änderungen des DBA am 26. August 2020

Änderungsprotokoll zum DBA: Setzt wesentliche Teile der Mindeststandards in Sachen DBA um. Zudem wurde eine Schiedsklausel aufgenommen.

Änderungsprotokoll zum DBA: Setzt Mindeststandards in Sachen DBA um.

Mit Verständigungsvereinbarung haben die zuständigen Behörden die Auswirkungen des BEPS-Überein­ kommens auf das bilaterale DBA ­f estgehalten.

Änderungsprotokoll zum DBA: Setzt Mindeststandards in Sachen DBA um.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

32


3

Änderungen Doppelbesteuerungs­

Wohngemeinde zurückkehren. Im Besonderen sieht

abkommen: Verständigungsvereinba-

eine Bestimmung zudem regelmässige Überprüfungen

rungen über das Schiedsverfahren

und allfällige Anpassungen in Bezug auf Homeoffice

mit den USA, Australien und Österreich

vor.

Gemäss den typischen Wortlauten der DBA regeln die zuständigen Behörden das Schiedsverfahren in

B

Streitfragen zu den DBA im gegenseitigen Einver-

Australien und Österreich vereinbart.

Wesentliche neue Gesetze und Verordnungen

4

1

nehmen. Entsprechende Regeln zur Durchführung von Schiedsverfahren wurden 2020 mit den USA,

Neues Grenzgängerabkommen mit

Verordnung über die Anrechnung ausländischer Quellensteuern

Italien unterzeichnet Die Schweiz und Italien haben am 23. Dezember

Am 1. Januar 2020 wurde die Verordnung über die

2020 ein neues Abkommen über die Besteuerung

pauschale Steueranrechnung (VpStA) in Verordnung

von Grenzgängern sowie ein Änderungsprotokoll

über die Anrechnung ausländischer Quellensteuer

zum DBA CH/I unterzeichnet. Vor seinem Inkraft-

(VStA) umbenannt. Neben der Umbenennung wur-

treten muss das Abkommen von den Parlamenten

den aber auch wesentliche Änderungen an der

beider Länder genehmigt werden.

Verordnung vorgenommen, welche ebenfalls bereits seit dem 1. Januar 2020 in Kraft getreten sind. Diese­

Gemäss dem derzeit gültigen Abkommen werden

wurden bislang möglicherweise erst von wenigen

Grenzgänger, die in der Schweiz arbeiten, aus-

Steuerpflichtigen wahrgenommen, können aber

schliesslich in der Schweiz besteuert. Von den

beträchtliche Auswirkungen haben.

Einnahmen aus der Quellensteuer für italienische Grenzgänger leiten die betroffenen Kantone 40 % als finanziellen Ausgleich an die italienischen Wohnsitzgemeinden dieser Grenzgänger weiter.

a)

Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung

Für bestehende Grenzgänger ändert sich an diesem

Die meisten Staaten erheben auf Zahlungen gewis-

Vorgehen gemäss der neuen Vereinbarung bis 2033

ser Erträge an ausländische Empfänger eine Quel-

nichts. Als bestehende Grenzgänger gelten Personen,

lensteuer. Davon betroffene Erträge sind meist

die zwischen dem 31. Dezember 2018 und dem

Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren, aber z. T. auch

Datum des Inkrafttretens des neuen Abkommens

Dienstleistungser träge oder Ruhegehälter. Die

in den Kantonen Graubünden, Tessin oder Wallis

Schweiz beispielsweise erhebt auf Dividenden und

arbeiten oder gearbeitet haben. Ab dem Steuerjahr

gewissen Zinserträgen die Verrechnungssteuer. Die

2034 wird hingegen die Schweiz keine Ausgleichs-

von der Schweiz mit anderen Staaten abgeschlos-

zahlungen mehr an die italienischen Wohngemein-

senen DBA schliessen in gewissen Fällen die Erhe-

den leisten und das gesamte Steueraufkommen

bung von Quellensteuern aus. Oft wird aber nur die

einbehalten.

Höhe der zulässigen Quellensteuern durch das DBA beschränkt und das Recht, Quellensteuern auf be-

Personen, die ab dem Inkrafttreten der Vereinbarung

stimmten Erträgen zu erheben, dem Quellenstaat

zu Grenzgängern werden, gelten als neue Grenz-

(also dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen)

gänger. Für diese Personen, die in der Schweiz ar-

explizit zugesprochen.

beiten, wird die Schweiz 80 % der Quellensteuer erheben. In Italien werden neue Grenzgänger zu-

Um zu verhindern, dass ein Zahlungsempfänger

dem  – unter Vermeidung einer Doppelbesteuerung –

doppelt für den gleichen Ertrag besteuert wird,

ordentlich besteuert. Die in der Schweiz bezahlte

enthalten die von der Schweiz abgeschlossenen DBA

Steuer wird dabei an die italienische Steuer ange-

für diese Erträge eine Bestimmung, welche eine

rechnet.

Entlastung der nicht rückforderbaren ausländischen Quellensteuern von den schweizerischen Steuern

Das Abkommen enthält ausserdem eine genaue

vorsieht. Die VStA regelt das dabei in der Schweiz

Definition des Begriffs Grenzgänger. Diese umfasst

anzuwendende Verfahren für die Anrechnung der

Personen, die in einer Gemeinde im Umkreis von

ausländischen Quellensteuer an die Schweizer Steu-

20 km von der Grenze wohnen und täglich in ihre

er – womit die in der Schweiz effektiv zu zahlende

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

33


Steuer reduziert wird. Liegt zwischen der Schweiz

jahr fällig gewordenen Erträgen in Überein-

und dem Quellenstaat kein DBA vor, kann auch

stimmung mit einem DBA erhoben worden

keine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer

sind. Weiterhin wird der Maximalbetrag der

geltend gemacht werden. In diesen Fällen ist es

Anrechnung auf die Summe der auf diese

jedoch zulässig, bei der Steuerdeklaration die be-

Erträge anfallenden schweizerischen Steuer

lasteten Erträge um die ausländische Quellensteu-

begrenzt, um so eine Überanrechnung zu

er zu kürzen (Nettobesteuerung).

vermeiden. Neu werden die Maximalbeträge getrennt nach den folgenden Ertragskategorien ermittelt (Baskets):

b)

Namenswechsel ist Programm

– Dividenden;

– Zinsen;

– Lizenzgebühren, die in eine

– Lizenzgebühren, die nicht in eine

(Bund, Kanton oder Gemeinde) führt nicht mehr zu

– Dienstleistungserträge;

einer pauschalen Herabsetzung der Steueranrechnung. 43 Eine pauschale Reduktion des Maximalbe-

– Renten.

trags der Steueranrechnung um 2/3, wie dies bei-

Die VStA enthält gegenüber der VpStA kaum mehr Pauschalierungen. So ist insbesondere die pauschale­ Herabsetzung der Steueranrechnung weggefallen.

Patentbox fallen;

Eine teilweise Besteuerung durch eine Steuerhoheit

Patentbox fallen;

D er Maximalbetrag der anrechenbaren Quel-

spielsweise früher bei Holdinggesellschaften der Fall

lensteuer wird also neu gesondert nach Bas-

war, wird nicht mehr vorgenommen. Neu werden

ket und Steuerart (Bund, Kanton und Gemein-

die Maximalbeträge der Steueranrechnung je Steu-

de) ermittelt. Entsteht in einem Basket ein

erhoheit und je Ertragskategorie separat berechnet.

sogenannter Anrechnungsüberhang, über-

Wie der Namenswechsel bereits andeutet, folgt die

steigen also die anrechenbaren ausländischen

Verordnung der Methode der gewöhnlichen Anrech-

Quellensteuern die Erträge im Basket, kann

nung und nicht (mehr) jener der pauschalen Ermäs-

dieser Überhang nicht mit Erträgen aus ande-

sigung.

ren Baskets verrechnet werden. Gegenüber dem bisherigen System der pauschalen Steueranrechnung, welches die Anrechnung über

c)

Wichtigste Änderungen

die gesamten quellensteuerbelasteten Erträge berechnete, kann dies dazu führen, dass der

Neben dem stärkeren Fokus auf die Methode der

Anrechnungsbetrag insgesamt tiefer ausfällt.

gewöhnlichen Anrechnung enthält die VStA insbe-

Immerhin wird keine weitere Unterteilung auf

sondere die folgenden massgeblichen Änderungen:

die Quellenstaaten vorgenommen. Sämtliche

Ausdehnung der Anwendbarkeit auf schwei-

Einkünfte einer Ertragskategorie werden dem-

zerische Betriebsstätten ausländischer Un-

selben Basket zugewiesen, unabhängig davon,

ternehmen: Neu können auch schweizerische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen

aus welchem Staat sie stammen. –

B erücksichtigung der STAF Massnahmen bei

in gewissen Fällen für Erträge aus einem

der Berechnung des Maximalbetrags: Nur die

Drittstaat, die mit nicht rückforderbaren

quellensteuerbelasteten Nettoeinkünfte wer-

Quellensteuern belastet sind, die Anrechnung

den bei der Berechnung des Maximalbetrags

dieser Steuern beanspruchen.

berücksichtigt, um so eine Überanrechnung

Vergütung in einem Betrag: Die Anrechnung

von ausländischen Quellensteuern zu verhin-

ausländischer Quellensteuern erfolgt für die

dern. Dies ist notwendig, da die Steuern je

von Bund, Kantonen, Gemeinden und Kirch-

Ertragskategorie separat berechnet werden

gemeinden erhobenen Steuern neu gesamt-

und daher nicht auf den tatsächlich angefal-

haft und wird in einem Betrag vergütet.

lenen Gesamtsteueraufwand abgestützt wer-

– Per Basket Limitation, aber keine per Coun-

den kann. Nettoeinkünfte sind die quellen-

try Limitation: Der bei der Anrechnung zu

steuerbelasteten Bruttoeinkünfte reduziert

berücksichtigende Maximalbetrag der aus-

um die mit der Erzielung diese Einkünfte

ländischen Quellensteuern entspricht wie

zusammenhängenden Kosten. Wie bisher sind

bisher der Summe der nicht rückforderbaren

für die Berechnung des Maximalbetrags die

ausländischen Quellensteuern, die in den

Erträge um die Schuldzinsen und andere

Vertragsstaaten auf den in einem Fälligkeits-

Aufwendungen (bisher Unkosten) zu kürzen.

43 Vgl. hierzu und zu folgendem Peter Hongler/Fabienne Limacher: Steueranrechnung in der Schweiz in: IFF Forum für Steuerrecht 2020, S. 222 ff.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

34


Neu sind die Erträge aber auch um die steuer­

Die beiden Kreisschreiben traten mit ihrer Publika-

wirksamen Abzüge zu kürzen. Mit den steu-

tion in Kraft und ersetzen die Kreisschreiben Nr. 9

erwirksamen Abzügen sind die folgenden drei

vom 22. Juni 2005 bzw. Nr. 16 vom 13. Juli 2007.

Abzüge gemeint:

– zusätzlicher Abzug für Forschungs- und

Das KS Nr. 49 hält namentlich fest, dass bei Zah-

Entwicklungskosten (F&E-Abzug, Art.

lungen ins Ausland an den Nachweis der geschäfts-

10a und 25a StHG);

mässigen Begründetheit höhere Anforderungen

– der Abzug zur Eigenfinanzierung (Eigenkapitalzinsabzug, Art. 25abis StHG); und

gestellt werden dürfen. Allerdings wird den Entwick-

– die Reduzierung von Erträgen aus Paten-

onsaustausches (AIA) Rechnung getragen, indem

ten und vergleichbaren Rechten nach

Zahlungen an Empfänger mit Domizil in Staaten,

Artikel 8a und 24b StHG (Patentbox).

mit denen die Schweiz den AIA abgeschlossen hat,

lungen im Bereich des internationalen Informati-

entsprechend gewürdigt werden. Obwohl die ESTV bei Auslandgeschäften oft die Möglichkeit hat, In d)

Sinnvolle und notwendige Anpassungen,

formationen auf dem Weg der Amtshilfe zu beschaf-

jedoch mit potenziellen Nachteilen für

fen, ist dies in gewissen Fällen nicht möglich (z.B.

Steuerpflichtige

kein Vertragsstaat, Subsidiaritätsprinzip) oder bleibt das Amtshilfeersuchen ergebnislos. Daher betont

Die Abschaffung der Statusgesellschaften und die

das KS Nr. 49 weiterhin das Bestehen einer erhöh-

Einführung der neuen STAF-Instrumente erforder-

ten Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen bei

te eine Anpassung der VpStA. Die in diesem Sinne

Zahlungen ins Ausland.

in der VStA eingeführten Änderungen – also die Anrechnung in einem Betrag für Bund, Kanton und

Im neuen KS Nr. 50 werden mitunter die gesetzlichen

Gemeinde, allerdings unter separater Berechnung

Grundlagen aus dem Strafrecht sowie diverse Be-

der Maximalbeträge, sowie die Berücksichtigung der

grifflichkeiten, wie beispielsweise der Begriff des

neuen STAF-Instrumente – sind sinnvoll bzw. waren

Amtsträgers, näher ausgeführt. Aus steuerlicher

notwendig. Die neue Per Basket Limitation und die

Sicht wird im Besonderen die Nichtabzugsfähigkeit

Berücksichtigung der STAF-Instrumente bei der

von Bestechungsgeldern hervorgehoben. Abschlies-

Berechnung der Maximalbeträge erhöhen jedoch

send behandelt das Kreisschreiben allfällige Anzei-

die Komplexität der Steueranrechnung nochmals

gepflichten der Steuerbehörden im Zusammenhang

wesentlich. Insbesondere bei den STAF-Abzügen

mit Bestechungs- und Vorteilsgewährungsfällen.

kann eine direkte Zurechnung auf die quellensteu-

Während für das Bundespersonal eine Anzeigepflicht

erbelasteten Erträge nicht immer vorgenommen

besteht, ist für Angestellte der kantonalen Steuer-

werden. Zudem ist dabei immer auch die Entlastungsbegrenzung zu berücksichtigen. 44 Leider ist

verwaltungen die jeweilige kantonale Gesetzgebung

die Per Basket Limitation auch ein Steuernachteil

bleibt in jedem Falle vorbehalten. Die Steuerbehör-

gegenüber den bisher geltenden Regeln, da die

den sind verpflichtet, bei Vorliegen eines Verdachts

Berechnung des Maximalbetrags je Ertragskatego-

auf Steuerbetrug eine solche Anzeige zu erstatten.

massgebend. Eine Anzeige wegen Steuerbetrugs

rie zu nicht verrechenbaren Anrechnungsüberhängen und somit zu einer geringeren Anrechnung ausländischer Quellensteuern führen kann. In der Praxis stellen wir fest, dass die Thematik ohnehin

3

Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung von Bussen

schon schwer verständlich ist. Es ist daher schade, dass nun zusätzliche Komplexitäten eingeführt

National- und Ständerat haben das Bundesgesetz

wurden, anstatt die Regelung zu vereinfachen.

über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen verabschiedet. Neu können Unternehmen ausländische finanzielle Sanktionen mit Strafzweck

2

Neue Kreisschreiben Nr. 49 und Nr. 50

steuerlich in Abzug bringen, wenn sie gegen den schweizerischen Ordre public verstossen oder wenn

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat

das Unternehmen glaubhaft darlegt, alles ihm Zu-

am 13. Juli 2020 die beiden Kreisschreiben «Nach-

mutbare unternommen zu haben, um sich rechts-

weis des geschäftsmässig begründeten Aufwandes

konform zu verhalten. Steuerlich nicht abzugsfähig

bei Ausland-Ausland-Geschäften» (KS 49) und

sind neu generell Bestechungsgelder an Private,

«Unzulässigkeit des steuerlichen Abzugs von Be-

womit eine Harmonisierung zwischen Steuer- und

stechungsgeldern an Amtsträger» (KS 50) publiziert.

Strafrecht erreicht wird. Des Weiteren sind auch

44 Vgl. Peter Hongler/Fabienne Limmacher: Steueranrechnung in der Schweiz in: IFF Forum für Steuerrecht 2020, S. 236 ff.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

35


Aufwendungen, die eine Straftrat ermöglichen oder

mehr soll für gewisse Unternehmen die Steuerpflicht

als Gegenleistung hierfür bezahlt werden, steuerlich

bereits durch Inlandumsätze in Marktstaaten be-

nicht abzugsfähig. Wie bisher steuerlich nicht ab-

gründet werden können. Diesen Marktstaaten wird

zugsfähig sind inländische finanzielle Sanktionen

ein Teil des Residualgewinns des Unternehmens

mit Strafzweck, also Bussen, Geldstrafen und Ver-

zugewiesen (Wert A). Daneben ist vorgesehen, dass

waltungssanktionen mit Strafzweck. Der Bundesrat

der Gewinn für die Ausübung bestimmter Marketing-

hat an seiner Sitzung vom 11. November 2020 das

und Vertriebsfunktionen, welche ein Unternehmen

Bundesgesetz per 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt,

auf einem Markt durch eine physische Präsenz vor

nachdem die Referendumsfrist am 8. Oktober 2020

Ort ausübt, mittels einer fixen Vergütung basierend

ungenutzt verstrichen ist. Mit dieser gesetzlichen

auf drittpreiskonformen Verrechnungspreisansätzen

Regelung ist allerdings nur scheinbar Klarheit ge-

(z.B. in Prozenten vom Umsatz) bestimmt werden

schaffen worden, da die Norm diverse auslegungs-

soll (Wert B). Die bisher in den DBA geltenden Ge-

bedürftige Rechtsbegriffe enthält.

winnzuteilungsvorschriften werden also durch einen formelbasierten Gewinnallokationsmechanismus ergänzt. Schliesslich soll mittels Streitvermeidungs-

C

und Streitbeilegungsmechanismen die Gefahr einer

Wesentliche neue Entwicklungen in der OECD / EU

Doppelbesteuerung von Unternehmen verhindert werden. Es ist vorgesehen, dass nur multinationale Unternehmen mit einem konsolidierten weltweiten jährlichen Umsatz von voraussichtlich mehr als EUR 750 Mio. unter diese neuen Regelungen fallen sollen. Zudem gelten Ausnahmen für Unternehmen gewisser Branchen, z.B. für Unternehmen des Rohstoffund Finanzsektors.

1

Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten – Entwürfe zur Regelung

Vom Anwendungsbereich von Wert A sind sämtliche

veröffentlicht

multinationalen Unternehmen betroffen, welche in der Konsumgüterindustrie tätig sind und verbrau-

Am 12. Oktober 2020 veröffentlichte die OECD neue

cher- und nutzerorentierte Leistungen erbringen

Konsultationsentwürfe über ihren «Zwei-Säulen-

(Consumer-Facing Businesses; CFB). Es trifft also

Ansatz» zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft,

nicht nur Unternehmen, die digitale Dienstleistungen

zu welchen sich interessierte Unternehmensgruppen

erbringen, sondern alle Unternehmen, welche Waren

und –verbände bis am 14. Dezember 2020 äussern konnten. 45 Im Gegensatz zu den per Ende 2019

und Dienstleistungen an Konsumenten verkaufen,

veröffentlichten Konsultationspapieren der OECD

leistungen indirekt über Zwischenhändler sowie via

sind diese neuen Konsultationsdokumente detail-

Franchisenehmer oder Lizenzvereinbarungen an-

lierter und spezifischer. Die OECD erwartet, dass

bieten. Neu sieht das Konsultationspapier vom

bis Mitte 2021 eine globale Einigung über die noch

Oktober vor, dass Unternehmen, welche automati-

offenen Punkte erreicht wird. Danach sollen die

sierte digitale Dienstleistungen anbieten, ebenfalls

beiden Säulen rasch mittels Anpassungen des in-

erfasst werden. Damit fallen namentlich auch online

nerstaatlichen Rechts, sowie geltender DBA und der

Werbeleistungen und Cloudcomputing, die gegenüber

Aushandlung eines multilateralen Übereinkommens

Geschäftskunden erbracht werden, unter die neue Regel. 47 Drittunternehmen ohne vertragliche oder

umgesetzt werden.

einschliesslich solcher, die ihre Waren oder Dienst-

anderweitige Verbindungen zu den Konsumenten gelten jedoch nicht als CFB. a)

Säule 1: Neue Regelung für die inter­ nationale Besteuerung 46

Die Einführung einer fixen Vergütung (Wert B) für die Ausübung bestimmter Marketing- und Vertriebs-

Die erste Säule (Pillar 1: Unified Approach) sieht

funktionen soll die Anwendung der Verrechnungs-

drei Elemente vor. Neu soll die Steuerpflicht eines

preisvorschriften für die Steuerbehörden und die

Unternehmens nicht mehr ausschliesslich von einer

Unternehmen vereinfachen und die Rechtssicherheit

physischen Präsenz im Inland abhängig sein, viel-

erhöhen. Der Wert B soll die Abgeltung von Routine

45 46 47

Vgl. hierzu und zu folgendem Philip Frey BEPS 2.0 – Die digitale Achterbahnfahrt; Ein Überblick über die bisherigen Anstrengungen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft ASA 89, S. 285 - 313. Vgl. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Report on Pillar One Blueprint, Inclusive Framework on BEPS. Vgl. Henk Fenners/Heinz Baumgartner/Pascal Duss, Gesetzgebungs-Agenda 2020, in: IFF Forum für Steuerrecht, 2020, S. 176.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

36


(baseline) Marketing- und Vertriebsfunktionen si-

Gewinnverschiebung inhärent ist. Die OECD wird

cherstellen.

dazu eine Liste dieser Ertragskategorien ausarbeiten, welche abschliessend sein soll. Als Beispiele für einzelne Ertragskategorien werden Zins- und

b)

Säule 2: Regeln für globale

Lizenzzahlungen sowie Zahlungen, welche eine

Mindestbesteuerung

Kompensation für mobile Faktoren wie Kapital,

Die zweite Säule (Pillar 2) sieht die Festlegung eines

mobile Vermögenswerte oder Risiken darstellen, genannt. 49 Zahlungen, welche auf Basis von Kos-

weltweiten Mindeststeuersatzes sowie Massnahmen

tenaufschlägen ermittelt werden, sogenannte low-

zu dessen Durchsetzung vor (GloBe [Global Anti-

return payments, sollen nicht der Subject to tax

Base Erosion]) und wird für sämtliche multinationalen Unternehmen gelten. 48 Wobei auch hier vor-

rule unterliegen, da hier nur ein geringes Gewinnverschiebungsrisiko bestehe. 50

aussichtlich nur Unternehmen mit einem weltweiten konsolidierten Umsatz von über EUR 750 Mio. unter die Regeln fallen sollen.

c)

Auswirkungen auf die Schweiz

Es wird erwartet, dass der weltweite effektive Min-

Die neuen Gewinnallokationsregeln der Säule 1

deststeuersatz zwischen 10 % und 12 % zu liegen

betreffen nicht nur multinationale Unternehmen,

kommen wird. Zur Durchsetzung dieses Mindest-

welche automatisierte digitalisierte Dienstleistungen

steuersatzes sieht der Blueprint mehrere Massnah-

erbringen, sondern auch sämtliche Unternehmen,

men vor. So ist beispielsweise vorgesehen, dass der

welche Leistungen gegenüber Konsumenten anbie-

Ansässigkeitsstaat der Konzernmuttergesellschaft

ten und einen weltweiten konsolidierten Umsatz von

die Gewinne derjenigen Konzerngesellschaften an-

über EUR 750 Mio. erzielen. Es ist daher damit zu

teilsmässig bis zur Höhe des Mindeststeuersatzes

rechnen, dass diverse multinationale Unternehmen

besteuern darf, deren effektive Besteuerung unter

– beispielsweise Pharmafirmen – mit Sitz in der

einem gewissen Mindeststeuerniveau liegt (Income

Schweiz, welche ihre Waren und Dienstleistungen

Inclusion Rule). Weiter sollen auch zu tief besteu-

an Konsumenten verkaufen oder digitale automati-

erte Gewinne von Betriebsstätten vom Ansässig-

sierte Dienstleistungen erbringen, unter die neuen

keitsstaat der Konzernmuttergesellschaft besteuert

Regeln fallen werden. 51

werden dürfen (Switch-Over Rule). Damit die Mindestbesteuerung schliesslich nicht einfach durch

Bisher wurde der Residualgewinn eines Unterneh-

Sitznahme der Konzernmuttergesellschaft in einem

mens stets dem Sitzstaat zugewiesen. Da neu ein

Tiefsteuerstaat oder in einem Staat, welcher GloBe

Teil dieses Residualgewinnes den Markstaaten zu-

nicht implementiert hat, umgangen werden kann,

gewiesen werden soll, werden Unternehmen mit

ist ausserdem vorgesehen, dass in diesem Fall die

Sitz in der Schweiz zukünftig in der Schweiz einen

übrigen Sitzstaaten von Konzerngesellschaften eine

geringeren Gewinnanteil versteuern. Andererseits

zusätzliche Steuer erheben dürfen (Undertaxed

wird die Schweiz, wenn sie denn ihre innerstaatlichen

Payment Rules), um so die weltweite Mindestbe-

Steuergesetze anpassen wird, zukünftig ebenfalls

steuerung sicherzustellen.

einen Teil des Residualgewinnes von Unternehmen besteuern dürfen, die ihren Sitz nicht in der Schweiz

Neben GloBe sollen die Staaten auch die Möglichkeit

haben. Allerdings wird erwartet, dass die Schweiz

erhalten, eine sogenannte Subject to Tax Rule ein-

zu den Verlierern zählen wird, da aufgrund des

zuführen. Die Prämisse hinter der Subject to Tax

kleinen Heimmarktes die Steuerverluste voraus-

Rule ist einfach: Wenn ein Staat seine Besteue-

sichtlich wesentlich höher ausfallen werden als die

rungsrechte für den Erhalt bestimmter Zahlungen

Steuergewinne. Die Regeln für eine globale Mindest-

nicht in angemessenem Umfang ausübt, hat der

besteuerung der Säule 2 könnten je nach Höhe und

Staat, in welchem die Zahlungen geleistet werden,

Art der Berechnung des effektiven Mindeststeuer-

das Recht, auf diesen Zahlungen eine Quellensteu-

satzes ebenfalls negative Konsequenzen für die

er zu erheben. Die Subject to Tax Rule soll aber nur

Schweiz als Ansässigkeitsstaat für multinationale

auf klar bestimmte, feste Kategorien von Zahlungen

Unternehmen haben. Liegt doch momentan der

angewendet werden, welchen ein hohes Risiko zur

48 49 50 51

Vgl. hierzu und zu folgendem OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Report on Pillar Two Blueprint, Inclusive Framework on BEPS. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Report on Pillar Two Blueprint, Inclusive Framework on BEPS, Ziff. 566. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Report on Pillar Two Blueprint, Inclusive Framework on BEPS, Ziff. 613 ff. OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Report on Pillar Two Blueprint, Inclusive Framework on BEPS, Ziff. 57 ff.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

37


effektive Gewinnsteuersatz in gewissen Kantonen

vanten Begleitumstände; dies umfasst eine Unter-

bei 12 % oder sogar leicht darunter.

suchung der Verträge der Finanztransaktion, der

52

ausgeübten Funktionen, der genutzten VermögensWie bereits die konsequente und relativ rasche

werte und übernommenen Risiken, der Merkmale

Umsetzung des BEPS Projekts in der Vergangenheit

der Finanzinstrumente, der wirtschaftlichen Ver-

gezeigt hat, ist davon auszugehen, dass die Umset-

hältnisse der Beteiligten und des betreffenden

zung dieser beiden Säulen in naher Zukunft Tatsache werden wird. Dies vor allem vor dem Hintergrund,

Marktes sowie der Geschäftsstrategien der Beteiligten. 53 Die entscheidende Frage ist jedoch, ob die

dass die Staaten aufgrund der Covid-19-Pandemie

von den Parteien gewählte Finanzierung überhaupt

finanziell geschwächt sind und nach neuen Finan-

wirtschaftlich sinnvoll ist. 54 Dies bedingt neben der

zierungsquellen Ausschau halten. Wir empfehlen

Analyse der Finanztransaktion selbst auch die Ab-

daher betroffenen Unternehmen, sich auf die Um-

wägung realistisch verfügbarer Alternativen der

setzung der beiden Säulen vorzubereiten, eventuell

Vertragsparteien. Dabei sind aus Sicht des Kapital-

Anpassungen an ihrer Struktur bzw. ihrem Ge-

gebers alternative Anlagemöglichkeiten und aus

schäftsmodell vorzunehmen und die notwendigen

Sicht des Kapitalnehmers alternative Finanzierungs-

Dispositionen rechtzeitig zu treffen.

möglichkeiten oder die Notwendigkeit einer zusätzlichen Finanzierung an sich zu prüfen. 55

2

Veröffentlichung der finalen

Die bei einer Finanztransaktion beteiligten Konzern-

Verrechnungspreisrichtlinien zu

gesellschaften müssen gegenüber den Steuerbe-

Finanztransaktionen

hörden somit immer fähig sein, den wirtschaftlichen Sinn der Transaktion, den Fremdvergleich der Ver-

Am 11. Februar 2020 veröffentlichte die OECD die

tragsbedingungen, die Angemessenheit der Kapi-

finale Version der Verrechnungspreisrichtlinien für

talstruktur sowie der angewendeten Verrechnungs-

Finanztransaktionen (FT-Richtlinien). Diese sollen

preise darzulegen. Für häufige Finanztransaktionen

zukünftig als neues Kapitel X den OECD-Verrech-

wie Darlehen, Cash-Pools und Hedging sowie Fi-

nungspreisrichtlinien beigefügt werden und geben

nanzgarantien enthalten die FT-Richtlinien konkre-

Richtlinien zur Festlegung von Verrechnungspreisen

te Empfehlungen.

von konzerninternen Finanzierungstransaktionen vor. Damit stellt zwar die OECD erstmals Richtlinien für Finanztransaktionen auf, allerdings handelt es

b) Darlehen

sich bei den veröffentlichten FT-Richtlinien vor allem um eine Bestätigung der bisher gelebten Praxis.

In einem ersten Schritt ist zu prüfen bzw. darzule-

Neben den allgemeinen Grundsätzen für Verrech-

gen, ob das Darlehen aus wirtschaftlicher Sicht

nungspreise von konzerninternen Finanztransakti-

überhaupt als Fremdkapital qualifiziert. Dabei sind

onen behandeln die FT-Richtlinien insbesondere

wie erwähnt sowohl die Finanztransaktion an sich

auch häufige Finanztransaktionen wie Darlehen,

als auch mögliche Alternativen zu prüfen. Ein Dar-

Cash-Pools und Hedging sowie Finanzgarantien.

lehen kann als simuliert gelten bzw. in Eigenkapital umqualifiziert werden, falls der Darlehensnehmer von Anfang an auf Grundlage der Liquiditätsplanung

a) Grundsätze

nicht in der Lage gewesen ist, das Darlehen in sinnvoller Zeit zurückzuführen und gleichzeitig die

Wie bei allen konzerninternen Transaktionen ist auch

Darlehenszinsen zu bedienen. Es ist daher wichtig,

bei Finanztransaktionen zu prüfen, ob eine Trans-

dass bei konzerninternen Darlehen sorgfältig geprüft

aktion unter diesen Bedingungen auch unter unab-

wird, ob es sich überhaupt um ein Darlehen handelt

hängigen Dritten zu Stande gekommen wäre. Der

und ob der Darlehensnehmer solvent ist.

Fremdvergleich ist dabei wie immer massgebend. Damit ein Fremdvergleich angestellt werden kann,

Qualifiziert das Darlehen als Fremdkapital, ist die

muss zuerst eine Analyse der Finanztransaktion

Kreditwürdigkeit (Bonität) des Darlehensnehmers

erfolgen, also eine Analyse der kaufmännischen und

und darauf basierend der im Fremdvergleich ange-

finanziellen Beziehungen zwischen den Beteiligten

messene Zinssatz zu bestimmen. Dabei kann das

sowie der Bedingungen und der wirtschaftlich rele-

Rating sowohl Top-Down, also von der Gruppenbo-

52 53 54 55

So beträgt zurzeit der effektive Gewinnsteuersatz für Unternehmen im Kanton Zug am Kantonshauptort 11.9 %. Vgl. Ziff 10.17 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD. Vgl. dazu und zu folgendem Nicolas Bonving / Fabian Berr / Marc-Antoine Chevalley: Verrechnungspreise für Finanztransaktionen, in Expert Focus 6-7/2020, S. 384 ff. Vgl. Ziff 10.19 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

38


nität (Gruppenrating), oder Bottom-Up, also vom

nicht auf einem Vergleich tatsächlicher Geschäfts-

Darlehensnehmer selbst (Standalone Rating), be-

vorfälle.

stimmt werden. Es findet keine automatische Anwendung des Gruppenratings auf die Konzernge-

Neben der Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers

sellschaften statt. Passive Gruppenzugehörigkeits-

ist weiter zu prüfen, ob der Darlehensgeber ökono-

vorteile sind bei der Bestimmung der Bonität des

misch gesehen überhaupt in der Lage ist, die mit

Darlehensnehmers zu berücksichtigen. Handelt es

dem Darlehen verbundenen Risiken zu tragen und

sich beim Darlehensnehmer z.B. um eine strategisch

zu kontrollieren. Ist dies nicht der Fall, weil dem

wichtige Gruppengesellschaft oder wäre ein Zah-

Darlehensgeber dazu beispielsweise die finanziellen

lungsausfall des Darlehensnehmers mit einem Re-

Ressourcen fehlen, darf der Darlehensgeber nicht

putationsschaden für die gesamte Gruppe verbunden, weil es unter dem Namen der Gruppe gegen

mehr als eine risikofreie Rendite auf dem gewährten Darlehen erhalten. 57 Der Darlehensnehmer kann

aussen auftritt, ist davon auszugehen, dass der

weiterhin einen Zinsaufwand bis zur fremdüblichen

Darlehensnehmer von einer impliziten Unterstützung

Höhe geltend machen. Die Differenz zwischen dem

der Gruppe profitiert. Diese implizite Garantie erhöht

im Fremdvergleich zu zahlenden Zins und der risi-

die Bonität des Darlehensnehmers. Da es sich jedoch

kofreien Rendite ist dem Unternehmen zuzurechnen,

nicht um eine explizite, spezifische Garantie handelt,

das nach den FT-Richtlinien Kontrolle über das Investitionsrisiko ausübt und trägt. 58 Nur falls der

soll bzw. darf dafür keine Vergütung erfolgen.

56

Darlehensgeber die Kontrolle über die ­finanziellen Der Zinssatz für das Darlehen hat neben der Kredit­

Risiken im Zusammenhang mit der Bereitstellung

würdigkeit des Darlehensnehmers auch die Merk-

der Finanzierungsmittel ausübt und selber trägt,

male des Darlehens, also dessen Laufzeit, Währung,

kann dieser gemäss FT-Richtlinien für seine Finan-

Seniorität, Absicherungen und Garantie zu berück-

zierung eine risikoangepasste Rendite erwarten.

sichtigen. Basierend darauf soll gemäss FT-Richtlinien die Höhe des Zinssatzes dann in erster Linie

Insgesamt sind die zu berücksichtigenden Kriterien

auf Basis der Preisvergleichsmethode und unter

nachvollziehbar.

Berücksichtigung von im Fremdvergleich üblichen Darlehensgebühren (Administrationsgebühren, Provisionen etc.) festgelegt werden. Liegen keine

c) Cash-Pool

vergleichbaren Fremdgeschäftsvorfälle vor, kann der Zinssatz auch aufgrund der Geldbeschaffungs-

Multinationale Unternehmen greifen zur effiziente-

kosten für den Darlehensgeber (Kapitalkostenansatz)

ren Gestaltung ihres Liquiditätsmanagements häu-

oder mittels Anwendung ökonomischer Modelle

fig auf Cash-Pools zurück; dabei werden die Salden

(Modellierungsansatz) ermittelt werden. Beim Mo-

mehrerer Einzelbankkonten entweder physisch oder

dellierungsansatz wird der Zinssatz berechnet, indem

fiktiv bei einer Gesellschaft gebündelt. Mit einem

ein risikofreier Zinssatz mit Aufschlägen für ver-

Cash-Pool können die Unternehmen je nach den

schiedene Darlehensmerkmale – z. B. Ausfallrisiko,

Gegebenheiten des Einzelfalls eine effektivere Li-

Liquiditätsrisiko, Inflationserwartungen oder Lauf-

quiditätssteuerung betreiben und den Bedarf an

zeit – kombiniert wird. Weiter sieht die FT-Richtlinie

externem Fremdkapital verringern oder – bei Liqui-

vor, dass der Spread, also die Risikoprämien, welche ein Dritter auf dem zur Verfügung gestellten Kapi-

ditätsüberschüssen – dank der Bündelung der Guthaben höhere Renditen erzielen. 59 Bevor die inner-

tal fordern würde, unter gewissen Umständen anhand

halb des Cash-Pools verwendeten Zinssätze und die

von Credit Default Swaps von am Markt gehandelten

Vergütung des Cash-Pool führenden Unternehmens

Finanzinstrumenten ermittelt werden kann. Klar ist

bestimmt werden können, ist unter Berücksichtigung

jedoch, dass Auskünfte von Banken (Bankofferten)

der nächstbesten Optionen zu prüfen, ob die Un-

in denen die Banken angeben, zu welchem Zinssatz

ternehmen aus der Teilnahme am Cash-Pool einen

sie dem betreffenden Unternehmen ein vergleich-

Vorteil erzielen. Nur in diesem Fall würden Unter-

bares Darlehen gewähren würden, nicht als Nachweis

nehmen im Fremdvergleich am Cash-Pool teilnehmen.

für einen fremdüblichen Zins anzusehen sind. Die-

Neben dem Vorteil von günstigen Zinsen bestehen

se stellen – gemäss Meinung der OECD – kein wirk-

Vorteile von Cash-Pools zum Beispiel in einer dau-

liches Darlehensangebot dar und beruhen daher

erhaften Finanzierungsquelle oder Zugang zu Liqui-

56 57 58 59

Siehe dazu auch die Ausführungen zu den Finanzgarantien. Die risikofreie Rendite besteht in einem risikolosen Zins zuzüglich Kosten, die dem Darlehensgeber durch die Mittelvergabe entstehen. Der Darlehensnehmer kann dabei – vorbehaltlich der Erfüllung weiterer Bedingungen – einen Betriebsausgabenabzug im Zusammen- hang mit der erhaltenen Finanzierung bis zu fremdüblicher Höhe geltend machen. Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 1.108 ff. der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD. Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 10.109. der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

39


dität, welche andernfalls nicht verfügbar wäre.

d) Hedging

Jedenfalls sollten die Cash-Pool-Teilnehmer im Vergleich zur nächstbesten Handlungsalternative­

Beim Hedging werden Risiken innerhalb eines Kon-

mindestens nicht schlechter gestellt werden und in

zerns übertragen. Häufig werden mittels Hedging

jedem Fall in einem angemessenen Umfang an den

Risiken wie Wechselkurs- oder Rohstoffpreisschwan-

Vorteilen des Cash-Pooling partizipieren. Die Vor-

kungen abgesichert. Wird das Hedging innerhalb

teile aus dem Cash-Pool, also vor allem der Zins-

einer Gruppe in einer Treasury-Funktion zentralisiert,

vorteil, dürfen nicht nur dem Cash-Pool-Führer

die die Hedging-Verträge, welche die operativen

zukommen.

Gesellschaften eingehen, jeweils arrangiert, so soll dies gemäss FT-Richtlinien als Dienstleistung, also

Die angemessene Vergütung des Cash-Pool-Führers

auf Basis der Kosten zuzüglich Gewinnzuschlag,

hängt von den ausgeübten Funktionen, genutzten

vergütet werden. Auf eine Entschädigung in Abhän-

Vermögenswerten und übernommenen Risiken ab.

gigkeit zur Höhe der abgesicherten Beträgen ist in

Im Allgemeinen übt ein Cash-Pool-Führer gemäss

diesen Fällen zu verzichten. Gehen die Treasury

FT-Richtlinien lediglich eine Koordinations- oder

Einheit oder andere Gruppengesellschaften jedoch

Vermittlerfunktion aus und trägt kein erhöhtes Ri-

die Absicherungsverträge auf ihren Namen ein, sind

siko. Angesichts dieses begrenzten Funktionsumfangs

sie auf Basis einer Analyse der dabei übernommenen

bleibt die Vergütung des Cash-Pool-Führers als

Funktionen und eingegangenen Risiken zu entschä-

Dienstleister in der Regel auf die Entschädigung der

digen.

Kosten zuzüglich einer Gewinnmarge begrenzt. Dasjenige Unternehmen, welches innerhalb des Konzerns die Kontrolle über die Risiken des Cash-

e) Finanzgarantien

Pools ausübt und trägt, ist dafür zu entschädigen. Nur falls der Cash-Pool-Führer zusätzliche Funk-

Implizite Finanzgarantien, welche sich aus der Grup-

tionen, wie ein vollwertiges Treasury Center oder strategische Funktionen übernimmt bzw. die mit

penzugehörigkeit eines Unternehmens ergeben, sind gemäss der FT-Richtlinien nicht zu vergüten. 60 Nur

dem Cash-Pool zusammenhängenden Risiken, wie

falls ein Gruppenunternehmen eine explizite, rechts-

Kredit- und Liquiditätsrisiko, trägt und die Fähigkeit

verbindliche Garantie gewährt und diese Garantie

zur Kontrolle dieser Risiken hat, ist dies zusätzlich

den garantienehmenden Unternehmen einen wirt-

zu entschädigen. Eine zusätzliche Entschädigung

schaftlichen Nutzen bietet, welcher über eine im-

bedingt, dass der Cash-Pool-Führer über die dazu notwendige personelle und finanzielle Substanz

plizite Gruppengarantie hinausgeht, ist diese zu vergüten. 61 Vorteile einer solchen Garantie können

verfügt.

der Erhalt günstigerer Darlehenszinssätze oder eine höhere zulässige Verschuldung bei einer Bank – also

Falls sich zeigt, dass einzelne Soll- bzw. Haben­

letztendlich die Verbesserung der Bonität des Dar-

positionen von Teilnehmern eines Cash-Pools län-

lehensnehmers – sein.

gerfristigen Charakter haben, ist ausserdem zu prüfen, ob diese Positionen statt als kurzfristige

Wird eine explizite Garantie gewährt, ist also zu

Cash-Pool-Salden als etwas anderes, z. B. als länger­

bestimmen, was der Vorteil dieser Garantie gegen-

fristige Einlagen oder als Laufzeitkredite zu behan-

über der impliziten Gruppengarantie ist. Nur dieser

deln und auch als solche zu verzinsen sind. Sind

zusätzliche Vorteil ist zu entschädigen. Die Höhe

Schweizer Unternehmen an Cash-Pools beteiligt, ist

der Entschädigung für die Gewährung einer Garan-

zudem immer die Thematik der Einlagerückgewähr

tie kann gemäss FT-Richtlinien mittels verschiede-

im Auge zu halten.

ner Methoden bestimmt werden. Sofern Daten zur Entschädigung von Garantien unter unabhängige

Auch hier können die Mechanismen als sinnvoll

Dritten vorliegen, dürfte wiederum die Preisver-

bezeichnet werden; auch wenn die praktische An-

gleichsmethode zu den verlässlichsten Vergleichs-

wendung sicherlich anspruchsvoll sein wird.

werten führen. Allerdings lassen sich kaum öffentlich zugängliche Informationen über bonitätsverbessernde Garantien unter fremden Dritten finden. Die FT-Richtlinien nennen dabei für Fälle ohne Drittvergleich vor allem den zinsbasierten Ansatz («Yield Approach») zur Berechnung der im Fremdvergleich üblichen Entschädigung. Bei diesem wird

60 Siehe dazu Ausführungen unter Darlehen weiter oben. 61 Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 10.156 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

40


der Nutzen, der dem Garantienehmer durch die

werden. 65 Die Schweiz ist Mitglied der OECD und

Garantie entsteht, anhand der durch sie ermöglich-

die ESTV hat offiziell mitgeteilt, dass die Verrech-

ten Zinsverringerung quantifiziert. 62 In einem ers-

nungspreisgrundsätze der OECD zu berücksichtigen

ten Schritt wird also der Zinssatz bestimmt, den ein Darlehensnehmer aufgrund seiner eigenen Merk-

seien, wenn es um die Bestimmung von fremdvergleichskonformen Preisen geht. 66 Die FT-Richtlinie

male unter Berücksichtigung des Effekts des impli-

ist somit auch aus Sicht der Schweiz in bilateralen

ziten Rückhalts, den er durch seine Gruppenzuge-

Finanztransaktionen anzuwenden. Dabei ist zu be-

hörigkeit hat, zahlen müsste. In einem zweiten

achten, dass die von der ESTV in ihren jährlichen

Schritt wird der Zinssatz bestimmt, der mit der

Rundschreiben ver­öffentlichten Zinssätze für Vor-

expliziten Garantie zu entrichten ist. Die Differenz

schüsse oder Darlehen an Nahestehende in Schwei-

dieser beiden Zinssätze entspricht dann der Höchst-

zer Franken bzw. in Fremdwährungen, sowie die im

gebühr, die ein unabhängiger Dritter für die Garan-

Kreisschreiben Nr. 6 vom 6. Juni 1997 «Verdecktes

tie zahlen würde. Jedoch hat ein Darlehensnehmer

Eigenkapital» genannten Mindestkapitalisierungs-

nur dann einen Anreiz eine Gebühr für eine Garantie

regeln einzig die Praxis der ESTV und der kantona-

zu zahlen, wenn die Bankzinsen und die Garantie-

len Steuerverwaltungen abbilden und somit nur

gebühr zusammengenommen unter den Zinsen

gegenüber den inländischen Steuerbehörden als

liegen, welche er ohne Garantie an die Bank bezah-

«Safe Haven» gelten. Wobei aber auch gegenüber

len müsste. Der Darlehensnehmer muss also einen

den Schweizer Steuerbehörden die Anwendung

Vorteil aus der Garantie haben. Daher wird in der

anderer Zinssätze bzw. einer anderen Finanzierung

Regel der Vorteil aus der Garantie, falls keine Be-

im Drittvergleich immer möglich ist. Die Anwendung

weise für eine ungleiche Verhandlungsmacht vor-

anderer fremdkonformer Entschädigungen wird nach

liegen, 50:50 zwischen Garantiegeber und Garantienehmer aufgeteilt. 63 Als weitere Möglichkeiten

Veröffentlichung der FT-Richtlinien wohl vermehrt

zur Bestimmung der Höhe der Garantiegebühr

werden in bestimmten Situationen aus Sicht aus-

nennen die FT-Richtlinien kostenbasierte Ansätze

ländischer Steuerverwaltungen nicht angemessen

(«Cost Approach») bzw. verlust- und kapitalbasier-

sein. So berücksichtigen die Rundschreiben zu den

te Ansätze. Bei diesen Methoden wird das zusätz-

anerkannten Zinssätzen weder die Bonität des Dar-

liche vom Garantiegeber getragene Risiko quantifi-

lehensnehmers noch die Laufzeit des Darlehens.

ziert, indem die Höhe des Verlusts geschätzt wird,

Zudem werden die darin publizierten Zinssätze auch

mit dem der Garantiegeber aufgrund der gestellten

nur einmal jährlich angepasst. Es wäre wünschens-

Garantie bei Ausfall des Darlehensnehmers zu rech-

wert, wenn die ESTV bei der Festlegung der «Safe

nen hat («Loss Given Default»). Alternativ dazu

Haven» Regeln die FT-Richtlinien berücksichtigen

könnten die zu erwartenden Kosten unter Bezug-

würde.

notwendig sein. Denn die «Safe Haven» Regeln

nahme auf das Kapital bestimmt werden, das zur Absicherung des vom Garantiegeber eingegangenen Risikos notwendig ist. 64 In der Praxis wird die Be-

Da sich Unternehmen bei internationalen Finanz-

stimmung der Höhe einer adäquaten Entschädigung

erverwaltungen nicht auf die «Safe Haven» Regeln

auch mit diesen Richtlinien schwer umzusetzen sein.

berufen können, wird der Drittvergleich immer

transaktionen gegenüber den ausländischen Steu-

wichtiger werden. Dieser Drittvergleich muss den FT-Richtlinien standhalten. Der Verrechnungspreis f)

Auswirkungen auf Unternehmen mit Sitz in

muss also die Charakteristika der Finanztransak-

der Schweiz

tion, die Eigenschaften der beteiligten Unternehmen sowie die von den Unternehmen übernommenen

Die Ausführungen zu den Verrechnungspreisen bei

Funktionen, kontrollierten Risiken und eingesetzten

Finanztransaktionen sind nicht grundlegend neu,

Vermögenswerten berücksichtigen. Diese Überle-

sie bestätigen die international geltende Praxis. Es

gungen sowie die ökonomischen Gründe hinter der

ist zu erwarten, dass durch die Konkretisierung in

Finanztransaktion sind zu dokumentieren. Nur so

den FT-Richtlinien die Steuerverwaltungen mehr

lässt sich das Risiko einer internationalen Doppel-

Druck auf ihre Anwendung bei Finanztransaktionen

besteuerung reduzieren. Das gilt umso mehr als die

zwischen der Schweiz und dem Ausland ausüben

EU mit der Einführung der Richtlinie zur Bekämpfung

62 Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 10.174 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD. 63 Nicolas Bonving/Fabian Berr/Marc-Antoine Chevalley, Verrechnungspreise für Finanztransaktionen, in Expert Focus 6-7/2020, S. 388. 64 Ziff 10.178 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD. 65 Vgl. Nicola Bonving/Fabian Berr/Marc-Antoine Chevalley, Verrechnungspreise für Finanztransaktionen, in Expert Focus 08/2020, S. 517. 66 Vgl. Kreisschreiben Nr. 4 «Dienstleistungsgesellschaften» vom 19. März 2004 und Kreisschreiben Nr. 49 «Nachweis des geschäfts mässig begründeten Aufwandes bei Ausland-Ausland Geschäften» vom 13. Juli 2020.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

41


von Steuervermeidungspraktiken (Anti-Tax Avoidance

Dritttstaaten nur noch bei rein künstlichen Gestal-

Directive, ATAD) die Abzugsfähigkeit von Zinsen auf

tungen anwendbar, sofern mit dem Drittstaat ein

maximal 30 % des zu versteuernden Ergebnisses

rechtlicher Rahmen für einen gegenseitigen Infor-

vor Zinsaufwand, Steuern und Abschreibungen

mationsaustausch besteht. Das zwischen der Schweiz

(EBITDA) beschränkt und die einzelnen EU-Staaten,

und Deutschland anwendbare DBA enthält per

wie zum Beispiel Deutschland, die Einführung der

1. Januar 2011 eine sogenannte grosse Auskunfts-

ATAD nutzen, um zusätzliche Bedingungen für die

klausel, welche die Voraussetzung eines rechtlichen

Anerkennung von Verrechnungspreisen auf Finanz-

Rahmens für einen gegenseitigen Informationsaus-

transaktionen einzuführen.

tausch erfüllt. Diese Klausel ermöglicht es den deutschen Steuerbehörden, die wirtschaftliche Tätigkeit einer Schweizer Kapitalgesellschaft zu

3

Neue Entwicklungen in Deutschland

prüfen (Motivtest). Somit dürfte die HZB im Verhältnis zur Schweiz ab 2011 nicht mehr anwendbar

Deutschland wendet die Hinzurechnungsbesteuerung

sein. Dem Vernehmen nach will die Finanzverwaltung

(HZB) seit 1972 an, um Steuerumgehungen mittels

die BFH-Rechtsprechung grundsätzlich nun anwen-

Zwischenschaltung ausländischer Kapitalgesellschaf-

den und zeitnah in einem Schreiben des Bundesmi-

ten zu verhindern. Gewinne, welche von in Deutsch-

nisteriums für Finanzen (BMF) die Kriterien für die

land ansässigen Personen erarbeitet werden, sollen

Erfüllung des Substanztests erläutern. Dabei sollen

in gewissen Fällen vollständig der deutschen Be-

absatzorientierte oder beschaffungsorientierte Mo-

steuerung unterliegen, auch wenn diese Gewinne

tive für die Gründung der ausländischen Kapitalge-

in einer ausländischen Kapitalgesellschaft angefal-

sellschaft anerkannt werden. Im Ergebnis soll also

len sind. Die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft

in Form einer einzelfallbezogenen Prüfung vorrangig

wird in diesen Fällen durchbrochen. So besteuerte

die Motivation der Gesellschaftsgründung massgeb-

Deutschland bis anhin die Gewinne einer Kapitalge-

lich sein. Damit wäre der Motivtest für solche CH-

sellschaft mit Sitz in der Schweiz, sofern die folgen-

Kapitalgesellschaften als erfüllt anzusehen, die

den Voraussetzungen kumulativ erfüllt waren:

nachweislich zur Erschliessung oder Sicherung des

Beherrschung der Schweizer Kapitalgesellschaft

CH-Absatzmarkts gegründet wurden, was gerade

durch in Deutschland ansässige Personen, niedrige

in der mittelständischen Praxis sehr häufig der Fall

Ertragssteuerbelastung der Kapitalgesellschaft mit

ist. Die aktuelle HZB wäre damit rückwirkend seit

weniger als 25 % (trifft auf sämtliche Kantone zu)

2011 nicht mehr auf absatzmarktorientierte CH-

sowie Ausübung einer sogenannt passiven ­Tätigkeit.

Tochtergesellschaf ten deutscher Unternehmen

Dabei umfasst die passive Tätigkeit insbesondere

anwendbar. 68

auch den Handels- und Dienstleistungsbereich sowie die Überlassung von Nutzungsrechten, sofern eine

Allerdings beabsichtigt Deutschland im Rahmen

Mitwirkung von in Deutschland ansässigen Gesell-

einer Reform der HZB das Kriterium der Inländer-

schaftern vorliegt oder umgekehrt Lieferungen oder

beherrschung den Vorgaben der EU-ATAD-Richtlinie

Dienstleistungen an diese erbracht werden.67

anzupassen. Dabei soll eine Abkehr von der «gruppenbezogenen» Inländerbeherrschung hin zu einer

Am 18. Dezember 2019 entschied nun der deutsche

Betrachtung des einzelnen Inländer-Gesellschafters

Bundesfinanzhof (BFH), dass die bisherige Anwen-

unter Einbeziehung nahestehender Personen statt-

dung der HZB im Verhältnis zu Drittstaaten gegen

finden. Nach den Vorgaben der ATAD ist für die

die EU-Kapitalverkehrsfreiheit verstösst, falls für

Anwendung der HZB Voraussetzung, dass die aus-

die Gestaltung wirtschaftliche Gründe vorhanden

ländische Gesellschaft auch tatsächlich von einem

sind (Substanztest) und diese Gründe von den

Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden

deutschen Steuerbehörden überprüft werden kön-

Person beherrscht wird. Ob eine Beherrschung

nen. Die aktuell noch anwendbaren Regelungen zur

vorliegt, soll daher gesellschafterbezogen beurteilt

HZB sind an die (zufällige) Inländerbeherrschung

werden (sogenanntes mehrheitsbezogenes Beherr-

gebunden, ohne zu berücksichtigen, ob die in

schungskonzept). Dabei soll es zukünftig unbeacht-

Deutschland ansässigen Personen überhaupt in der

lich sein, dass nahestehende Personen ggfs. nicht

Lage sind, die Schweizer Kapitalgesellschaft zu

in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind.

beherrschen. Als Folge ist die HZB im Verhältnis zu

67 Vgl. hierzu und zu folgendem Winfried Ruh, Hinzurechnungsbesteuerung: Anwendung im Verhältnis zur Schweiz ab 2011 zweifelhaft, in: EF 6-7/20, 396 ff. 68 Vgl. Winfried Ruh, Reguläre Hinzurechnungsbesteuerung: Anwendung des Motivtests gegenüber Drittstaaten wie der Schweiz sofern die ausländische K apitalgesellschaft über eine ausreichende wirtschaftliche Substanz verfügt, www.https://bwsgk.de/regulaere hinzurechnungbesteuerung-anwendung-des-motivtests-gegenueber-drittstaaten-wie-der-schweiz-sofern-die-auslendische-kapitalge- sellschaft-ueber-eine-ausreichende-wirtschaftliche-substanz-verf/, zuletzt abgerufen am 27.02.2021.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

42


Mit dieser Anpassung des Beherrschungskonzepts

die Lizenzgebühr nicht von einem in Deutschland

würde jedoch die Kapitalverkehrsfreiheit durch die

unbeschränkt Steuerpflichtigen getragen wird. Wird

nicht für Drittstaaten wie die Schweiz anwendbare

ein in einem inländischen Register eingetragenes

EU-Niederlassungsfreiheit verdrängt. Dies hätte

Recht zeitlich befristet überlassen, hat der Schuld-

wiederum die Nichtanwendung des Substanztests

ner der Vergütung, zum Beispiel ein Unternehmen

auf Drittstaaten zur Folge. Aufgrund des geänderten

mit Sitz in der Schweiz, den Steuerabzug (Quellen-

Beherrschungskonzepts wäre die HZB dann selbst

steuer) vorzunehmen, die Steuer abzuführen und

in Substanzfällen, also in Fällen, in denen wirtschaftliche Gründe für die Gestaltung vorliegen, gegenüber

eine Steueranmeldung beim Bundeszentralamt für Steuern einzureichen. 70 Ist das zugrundeliegende

Drittstaaten wie der Schweiz wieder anwendbar.

Recht zeitlich unbefristet überlassen worden und

Dem Vernehmen nach soll die Reform der HZB nun

liegt deshalb eine Rechteveräusserung vor, die nicht

doch nicht mehr vor der Bundestagswahl mit Rück-

dem Steuerabzug an der Quelle unterliegt, hat der

wirkung ab 2021 verabschiedet werden, mit der

Empfänger der Lizenzgebühr bei dem zuständigen

Folge, dass die Reform erst ab 2022 anwendbar

Finanzamt

wäre. Im Ergebnis dürfte die HZB somit für den

Rahmen seiner Steuerveranlagung zu erklären.

den Gewinn aus der Verässerung im

Zeitraum 2011 bis 2021 im Verhältnis zur Schweiz in Substanzfällen nicht mehr anwendbar sein.

Besteht zwischen dem Staat des Empfängers der Lizenzzahlung und Deutschland ein DBA, stehen die Chancen jedoch gut, dass dieses DBA das alleinige

4

Beschränkte Steuerpflicht durch Regis-

Besteuerungsrecht dem Staat des Empfängers der

trierung von Rechten in Deutschland

Lizenzzahlung zuweist. Trifft dies zu, darf Deutsch-

bleibt vorerst bestehen

land nur besteuern, falls der Lizenzempfänger in Deutschland über eine Betriebsstäte verfügt, welcher

Am 20. Januar 2021 hat das Bundeskabinett den

diese Rechte oder Vermögenswerte zuzuordnen

Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung

sind. Ein solcher DBA Schutz besteht auch im Ver-

der Entlastung von Abzugssteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer beschlossen. Ge-

hältnis zwischen der Schweiz und Deutschland abgeschlossenen DBA (DBA CH/DE). 71 Der in der

genüber dem am 20. November 2020 veröffentlich-

Schweiz ansässige Empfänger der Lizenzzahlungen

ten Referentenentwurf des BMF enthält dieser

kann in diesen Fällen einen Antrag auf Freistellung

Entwurf einige Änderungen. Insbesondere wird

oder Erstattung der deutschen Quellensteuer beim

weiterhin an der beschränkten Steuerpflicht aus der

Bundeszentralamt für Steuern einreichen. Das hat

Überlassung oder Veräusserung von Rechten allein

er aber immerhin vorzunehmen.

wegen deren Eintragung in ein inländisches öffentliches Buch oder Register festgehalten.

Die Regel gilt seit dem 1. Januar 2021. Das BMF hat

Dies bedeutet, dass Einnahmen aus der Überlassung

nun am 22. Februar 2021 ein neues BMF-Schreiben herausgegeben. 72 Dieses sorgt für verfahrensrecht-

oder Veräusserung von Rechten (Marken, Patente

liche Erleichterungen und damit zu einer deutlichen

etc.), welche in einem öffentlichen Buch oder Re-

Entschärfung des Problems. Bei einer unzweifelhaf-

gister in Deutschland eingetragen sind, als inländi-

ten DBA-Berechtigung des Lizenzgebers kann für

sche Einkünfte qualifizieren, selbst wenn die Ver-

Vergütungen, die dem Lizenzgeber bereits zugeflos-

wertung nicht über eine Betriebsstätte oder Gesell-

sen sind oder noch bis zum 30. September 2021

schaft in Deutschland erfolgt. 69

zufliessen werden, von dem Steuerabzug und der Steueranmeldung unter Einhaltung von bestimmten

Zu den in einnem inländischen Register eingetra-

Voraussetzungen abgesehen werden. Bei Zufluss

genen Rechten gehören z. B. auch Patente, die

der Lizenzzahlung nach dem 30. September 2021

aufgrund einer Anmeldung beim Europäischen

gelten die allgemeinen Regelungen, das heisst Ein-

Patent- und Markenamt nach dem Europäischen

behalt mit Abführung und Erstattung. Hat man jedoch

Patentübereinkommen in einem deutschen Register

eine Freistellungsbescheinigung mit Wirkung ab

eingetragen werden. Die Überlassung solcher Rech-

spätestens diesem Datum, ist bestenfalls gar kein

te führt auch dann zu inländischen Einkünften, wenn

Steuerabzug vorzunehmen. Die Frist zur Abgabe

69 Vgl. hierzu und nachfolgend Schreiben des BMF vom 6. November 2020 betreffend die «Verpflichtung zur Abgabe von Steueranmel- dungen/ Steuererklärungen zur beschränkten Steuerpflicht bei der Überlassung von in inländischen Registern eingetragenen Rechten». 70 Vgl. hierzu Ruh, Praxishinweise zur Entlastung vom deutschen Quellensteuerabzug bei Dividenden und Lizenzen, CH-D Wirtschaft 2020, S 26. 71 Vgl. Art. 12 Abs. 1 DBA CH/DE. 72 Vgl. hierzu und nachfolgend Christoph Klein/Sven-Erich Bärsch/ Marcus Oliver Mick, Besteuerung von im Inland registriertem IP, https://www.fgs-blog.de/besteuerung-von-im-inland-registriertem-ip/, zuletzt abgerufen am 27. Februar 2021.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

43


eines Freistellungsantrages für diese Altfälle endet

Informationsaustausch über Finanzkonten (Multila-

am 31. Dezember 2021. Wir empfehlen, dass Un-

teral Competent Authority Agreement; MCA A)

ternehmen mit in Deutschland eingetragenen Rech-

weitergeführt.

ten diese Möglichkeit nutzen und ihre Altfälle bereinigen. b) Sozialversicherungen D

Ab dem 1. Januar 2021 sind das Freizügigkeitsab-

Brexit

kommen (FZA) und damit die Verordnungen (EG)

Das Vereinigte Königreich (UK) ist am 31. Januar

im Verhältnis zwischen der Schweiz und UK nicht

2020 aus der EU ausgetreten. Am 31. Dezember ist

mehr anwendbar.

Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009, welche die Unterstellung im Bereich Sozialversicherungen regeln,

auch die zwischen dem UK und der EU vereinbarte Übergangsperiode ausgelaufen, während der die EU

Um die Rechte, die unter dem FZA erworben wurden,

das UK weiterhin wie einen EU-Staat behandelt hat

ab dem 1. Januar 2021 weiterhin zu gewährleisten,

und die zwischen der Schweiz und der EU verein-

hat die Schweiz mit UK das «Abkommen über die

barten bilateralen Verträge auch auf das UK an-

Rechte der Bürgerinnen und Bürger infolge des

wendbar geblieben sind. Ab dem 1. Januar 2021

Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Euro-

gelten die Nachfolgeregelungen, darunter insbeson-

päischen Union und des Wegfalls des Freizügigkeits-

dere mehrere neue schweizerisch-britische Abkom-

abkommens» abgeschlossen. Dieses Abkommen

men, sofern diese bereits fertigverhandelt sind;

sowie der ergänzende Beschluss des gemisch-

andernfalls gelten die Abkommen, die vor der EU

ten Ausschusses EU-Schweiz schützt die bis am

zwischen der Schweiz und UK bestanden haben. In

31. Dezember 2020 unter dem FZA erworbenen

Bezug auf Steuern, Migration und Sozialversiche-

Rechte von Schweizer-, UK- und EU-Staatsangehö-

rungen ist ab dem Jahreswechsel nun insbesondere­

rigen. Für diese Personen ändert sich nichts, solan-

Folgendes zu beachten.

ge sie in einer grenzüberschreitenden Situation sind, das heisst, solange aufgrund der Staatsangehörigkeit, der Tätigkeit oder des Wohnsitzes ein Bezug

a) Steuern

zu beiden Staaten besteht.

Das zwischen der Schweiz und dem UK bestehende

Für alle anderen Personengruppen – also solche,

DBA gilt weiterhin. Trotz des Alters dieses DBA ist

die neu in eine internationale Situation mit der

es für Steuerpflichtige grundsätzlich vorteilhaft. Es

Schweiz und UK kommen, gilt ab dem 1. Januar

gewährt unter anderem die verrechnungssteuerfreie

2021 vorübergehend das bilaterale Sozialversiche-

Ausschüttung von Dividenden an eine im UK ansäs-

rungsabkommen von 1968 für eine voraussichtlich

sige Gesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar

kurze Übergangsperiode, bis die zukünftigen Rege-

über mindestens 10 % am Gesellschafts­kapital der

lungen in Kraft treten werden. Dieses Abkommen

dividendenzahlenden Gesellschaft hält. Zudem bie-

sieht im Gegensatz zu den unter dem FZA geltenden

tet es bei Doppelbesteuerungskonflikten zwischen

Verordnungen keine Unterstellung unter das Sozi-

der Schweiz und UK Zugang zu einem Verständi-

alversicherungssystem ausschliesslich eines einzi-

gungsverfahren. Können sich die beiden Staaten

gen Staates vor. Grundsätzlich ist nach diesem

nicht einigen, kann ausserdem ein Schiedsverfahren

Abkommen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit

initiiert werden, in welchem sich die Staaten einigen

jeweils in dem Staat zu versichern, in welchem es

müssen. Kommt ein Schiedsverfahren zur Anwen-

erarbeitet wurde (Arbeitsortsprinzip). Es ermöglicht

dung, wird eine Doppelbesteuerung vermieden.

aber trotzdem, dass Arbeitnehmer, welche von Unternehmen in den anderen Staat entsendet wer-

Der automatische Informationsaustausch (AIA)

den, während eines Zeitraums von mindestens 24

sowie der Informationsaustausch auf Ersuchen

Monaten weiterhin dem Sozialversicherungssystem

zwischen dem UK und der Schweiz findet weiterhin

des Entsendestaates unterstellt bleiben und ermög-

statt. Basis des Informationsaustauschs auf Ersu-

licht so insbesondere Entsendungen für Arbeitneh-

chen ist das multilaterale Übereinkommen des

mer, deren Einsatz ab dem 1. Januar 2021 beginnt.

Europarats und der OECD über die gegenseitige­ Amtshilfe in Steuersachen, welches beide Staaten

Es ist vorgesehen, dass die Beziehungen zwischen

unterschrieben haben. Der AIA wird seit dem ­1.  Ja-

der Schweiz und UK durch neue Koordinierungsvor-

nuar 2021 gestützt auf die Multilaterale Vereinbarung

schriften raschmöglichst geregelt werden. Diese

der zuständigen Behörden über den automatischen

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

44


neuen Bestimmungen werden derzeit aber noch

12 Monate innerhalb einer Periode von 24 Monaten.

verhandelt.

Der Marktzugang zu UK unter dem SMA beschränkt sich aktuell auf Personen mit Qualifikationen auf universitärem oder gleichwertigem Niveau. UK hat

c) Migration

sich jedoch im Rahmen eines Briefwechsels verpflichtet, die Anerkennung von Schweizer Berufs-

UK-Staatsangehörige können auch mit Blick auf die

bildungsabschlüssen neu zu beurteilen. Mit diesen

Migration nicht mehr von den Sonderregeln des FZA

Bedingungen ermöglicht das SMA Schweizer Unter-

zwischen der Schweiz und der EU – wie zum Beispiel

nehmen auch in Zukunft einen weitgehenden Markt-

dem Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung – profi-

zugang zu UK für vertragsbasierte Dienstleistungs-

tieren. UK-Staatsangehörige, die zum ersten Mal

erbringungen durch natürliche Personen.

eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufnehmen wollen, unterstehen ab dem 1. Januar 2021 – wie alle Bürger aus Ländern, die weder der EU noch der

E

EFTA angehören – dem wesentlich strengeren Bun-

Entscheide

desgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG). Eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz ist dann nur mit einer Bewilligung erlaubt. Der Entscheid über die Bewilligung obliegt

1

Entscheide zur Gewinnsteuer juristischer Personen

den Arbeitsmarktbehörden und Migrationsämtern. Eine Aufnahme der Arbeit vor der Erteilung einer Bewilligung ist (anders als für EU- und EWR-Bürgerinnen und Bürger) verboten. 73

a)

Erhöhte Mitwirkungspflicht beim Nachweis von bezahlten Aufwendungen im

Für UK-Staatsangehörige, die bereits vor dem

internationalen Kontext, BGer vom

1. Januar 2020 über eine gültige Aufenthaltsbewil-

28.04.2020 (2C_775/2019)

ligung in der Schweiz verfügt haben, gibt es keine Änderungen. Sie können entsprechend ihrer beste-

Im Entscheid 2C_775/2019 74 hat das Bundesgericht

henden Bewilligung in der Schweiz bleiben.

(BGer) festgehalten, dass eine steuerpflichtige Gesellschaft eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft,

Die Arbeitsbewilligungen für Arbeitskräfte aus Dritt-

wenn diese Zahlungen zugunsten von ausländischen

staaten (zu denen UK ab dem 1. Januar 2021 gehört)

Vertragspartnern verbucht.

sind kontingentiert. Die Schweiz bestimmt ein gesondertes Kontingent für UK-Staatsangehörige.­Für

Die erhöhte Mitwirkungspflicht ergibt sich gemäss

das Jahr 2021 stehen Schweizer Arbeitgebern 3500

BGer daraus, dass die Ermittlungsmöglichkeiten der

Sonderkontingente (2100 Aufenthaltsbewilligung und

Steuerbehörden im internationalen Verhältnis not-

1400 Kurzaufenthalts­b ewilligungen) zur Verfügung,

wendigerweise eingeschränkt sind. Im Rahmen

um britische Fachkräfte zu rekrutieren.

dieser Mitwirkungspflicht hat der Steuerpflichtige nicht nur den Empfänger der Zahlung, sondern auch

Eine Erleichterung besteht jedoch für die Erbringung

alle Umstände anzugeben, die zur betreffenden

grenzüberschreitender Dienstleistungen bis 90 Tage

Zahlung geführt haben. Konkret muss der Steuer-

pro Kalenderjahr. Gestützt auf das befristete Ab-

pflichtige Verträge, Korrespondenz und Details zu

kommen zwischen der Schweiz und UK über die

den Bankbeziehungen offenlegen, die mit der frag-

Mobilität von Dienstleistungserbringern (Services

lichen Zahlung in Zusammenhang stehen.

Mobility Agreement SMA) kommt für Zulassungen von grenzüberschreitenden Dienstleistungserbrin-

Im vorliegenden Fall stimmt das BGer der Vorinstanz

gern (entsandte Arbeitnehmende oder Selbständige)

zu, dass die Zweigniederlassung keine Rechtsper-

aus UK bis 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr (kurz-

sönlichkeit besitzt, sodass die von der beschwer-

fristige Erwerbstätigkeit) in den meisten Fällen das

deführenden schweizerischen Gesellschaft vorge-

Online-Meldeverfahren wie bis anhin zur Anwendung.

brachten Verträge direkt mit einer in den Seychel-

Das Abkommen enthält ausserdem Bestimmungen

len ansässigen Aktiengesellschaft geschlossen

zur gegenseitigen Anerkennung beruflicher Qualifi-

worden sind. In diesem internationalen Umfeld

kationen. Die Dienstleistungserbringer aus der

unterliegt die in der Schweiz steuerpflichtige Ge-

Schweiz wiederum erhalten einen Zugang in UK für

sellschaft der besagten erhöhten Mitwirkungspflicht

73 Vgl. dazu und zu folgendem Urs Haegi: Brexit erschwert UK-Staatsangehörigen Immigration in die Schweiz, auf www.vischer.com. 74 BGer 2C_775/2019 vom 28. April 2020.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

45


beim Nachweis des durch die Steuerverwaltung

mung nur Ruhegehälter betrifft, die infolge einer

korrigierten Aufwands.

privatwirtschaftlichen Beschäftigung ausbezahlt werden. Vorbehalten bleibt gemäss Art. 18 Abs. 2

Der Gesellschaft oblag es insbesondere, nähere

lit. a DBA CH/TH der Fall, dass die Ruhegehälter

Angaben zu den Bankverbindungen oder Buchungen

von einem Gemeinwesen ausgerichtet werden. Die

der geleisteten Zahlungen zu machen, was gemäss

Zuweisung des Besteuerungsrechts ist somit davon

Angaben der Beschwerdeführerin nicht möglich war,

abhängig, ob die Ruhegehälter privatrechtlicher

da die Beträge in bar bezahlt worden seien.

(Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat) oder öffentlich-rechtlicher (Besteuerung durch den Quel-

Da die Ausgaben nicht nachgewiesen werden konn-

lenstaat) Natur sind.

ten, musste nicht geprüft werden, ob diese geschäftsmässig begründet waren. Daraus folgte auch,

Da A im Verlauf seiner beruflichen Laufbahn bei

dass die Vorinstanz mit dem Verzicht, die Mitarbei-

verschiedenen Arbeitgebern angestellt gewesen war

tenden zu vernehmen, nicht willkürlich gehandelt

und sich die ihm ausgerichtete Kapitalleistung des-

und den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht ver-

halb auf verschiedene Tätigkeiten bezieht, stellt sich

letzt hat. Ohnehin hätten die Mitarbeitenden ledig-

die Frage, ob das Besteuerungsrecht des Kassen-

lich den geschäftsmässig begründeten Aufwand

staats / Quellenstaats auch dann besteht, wenn der

aufzeigen, jedoch auf keine Weise die fehlenden

Leistungsempfänger dem betreffenden Gemeinwe-

Beweise für die tatsächlich erfolgten Zahlungen

sen zwar zu einem früheren Zeitpunkt Dienste

ersetzen können. Damit hat die Steuerbehörde

geleistet hatte, unmittelbar vor der Pensionierung

gemäss BGer zu Recht geldwerte Leistungen auf-

aber für einen (anderen) privatrechtlichen Arbeit-

gerechnet und die Beschwerde der steuerpflichtigen

geber tätig war. Da der Kassenstaat Schweiz die

Gesellschaft wurde abgewiesen. 75

betreffende Tätigkeit auf einen Rechtsträger des Privatrechts bzw. auf eine privatrechtliche Aktiengesellschaft übertrug, stand die Tätigkeit des A vor

2

Entscheide betreffend

der Pensionierung im Zusammenhang mit einer

natürliche Personen

gewerblichen Tätigkeit des Quellenstaates. Somit war er vor der Pensionierung nicht für einen Vertragsstaat, eine politische Unterabteilung oder eine

a)

Quellensteuer auf Kapitalleistungen aus

lokale Körperschaft gemäss Art. 18 Abs. 2 lit. A DBA

beruflicher Vorsorge (DBA CH-TH), BGer

CH/TH tätig.

2C_510/2018 vom 6. Februar 2020 Das DBA CH/TH äussert sich nicht eindeutig zum Im Urteil 2C_510/2018  befasste sich das BGer mit

zeitlichen Aspekt. Aufgrund der vergleichsweisen

der Frage, ob sich ein in Thailand ansässiger Emp-

Komplexität einer Aufteilung der Vorsorgeleistung

fänger eines Ruhegehalts – gestützt auf das DBA

zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat und im

Schweiz-Thailand (CH/TH) – zu Recht auf die Ge-

Sinne des Effizienzgebots, ist auf eine Aufteilung zu

währung von Abkommensvorteilen berufen durfte.

verzichten und die Besteuerungshoheit stattdessen

Im vorliegenden Fall war A unmittelbar vor seiner

nach Massgabe der unmittelbar vor der Pensionie-

Pensionierung Angestellter bei einer früheren Toch-

rung ausgeübten Tätigkeit festzulegen.

76

tergesellschaft der Schweizerischen Post. Während seiner Berufslaufbahn war A sowohl im öffentlichen

Da die Stelle von A unmittelbar vor seiner Pensio-

als auch im privatwirtschaftlichen Sektor beschäf-

nierung gemäss BGer privatrechtlicher Natur war,

tigt gewesen. A hatte sich nach seiner Pensionierung

kommt der Schweiz als Quellenstaat kein Besteue-

nach Thailand abgemeldet, wo er seither lebt. Die

rungsrecht an der Kapitalleistung aus Vorsorge zu.

Pensionskasse Post richtete ihm eine Kapitalleistung

Somit steht Thailand als Ansässigkeitsstaat gemäss

aus Vorsorge aus, wovon sie Quellensteuern in Ab-

Art. 17 DBA CH/TH das ausschliessliche Besteue-

zug brachte und einbehielt. In der Folge wies die

rungsrecht zu. Die Beschwerde der Steuerverwaltung

Steuerverwaltung des Kantons Bern ein Gesuch um

Bern wurde entsprechend abgewiesen.

Rückerstattung der Quellensteuern ab. Zusammengefasst befindet das BGer zum zeitlichen Nach Art. 17 DBA CH/TH können Ruhegehälter und

Aspekt von Art. 19 Abs. 2 OECD-MA (entsprechend

ähnliche Vergütungen nur im Ansässigkeitsstaat des

Art. 18 Abs. 2 DBA CH/TH), dass Ruhegehälter im

Empfängers besteuert werden, wobei diese Bestim-

Fall der Zahlung kombinierter Vorsorgeleistungen

75 BGer 2C_775/2019 vom 28. April 2020. 76 BGer 2C_510/2018 vom 6. Februar 2020.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

46


aus privatwirtschaftlicher und staatlicher Quelle

Doppelbesteuerung. Es gilt das Prinzip «keine in-

gemäss der zuletzt ausgeübten Tätigkeit zu beur-

ländische Anrechnung der ausländischen Steuer

teilen sind. Die vom BGer gewählte Lösung ist ein-

ohne inländische Steuer» (sog. «subject to tax»-

fach und schafft Rechtssicherheit.

Klausel). Über das Erfordernis des «subject to tax» hinaus besteht eine Beschränkung in betraglicher

b)

Betriebliche Rente aus den USA

Hinsicht. Gemäss Art. 8 Abs. 2 PStAV gilt ein Maxi-

(DBA CH/USA), StGer BL vom 18. Oktober

malbetrag, welcher der Summe der auf diese Er-

2019

trägnisse entfallenden schweizerischen Steuern entspricht. Zur Berechnung des Maximalbetrags

Mit Urteil vom 18. Oktober 2019 77 hat das Steuer-

nach Art. 9 Abs. 4 PStAV sind nur die Erträge mit-

gericht des Kantons Basel-Landschaft entschieden,

einzubeziehen, auf denen in den Partnerstaaten der

dass betriebliche Renten aus den USA gemäss dem

Schweiz, im Einklang mit den anwendbaren DBA,

DBA mit den USA (DBA CH/USA) vollumfänglich in

Steuern erhoben worden sind.

der Schweiz besteuert werden dürfen, auch wenn es sich bei dem Anstellungsverhältnis um einen

Mithin fliesst die Steuer auf Vorsorgeleistungen nicht

(ehemaligen) öffentlich-rechtlichen (US-)Arbeitgeber

in den Maximalbetrag ein. Dies entspricht auch dem

handelt. Voraussetzungen dafür sind ein Wohnort

Sinn des Maximalbetrags. Dabei geht es um die

in der Schweiz und das schweizerische Bürgerrecht

Begrenzung der pauschalen Steueranrechnung auf

des Rentenempfängers. Deshalb kann auch keine

den Steuerbetrag, der sich ergäbe, wenn es sich

bloss teilweise Besteuerung analog den Social-

beim betreffenden Ertrag um einen Zufluss aus

Security-Renten vorgenommen werden. Die Besteu-

inländischer Quelle handeln würde. Die pauschale

erung der Rente in den USA war im vorliegenden

Steueranrechnung soll nicht dazu führen, dass

Fall allem Anschein nach wegen der noch nicht

schweizerisches Steuersubstrat aus einer in der

mutierten Wohnadresse vorgenommen worden.

Schweiz zugeflossenen Quelle – vorliegend Steuer-

78

substrat von Kapitalleistung aus Vorsorge – vermindert wird. Die Beschwerde des Steuerpflichtigen c)

Pauschale Steueranrechnung

wurde entsprechend abgewiesen. 79

Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die aus ausländischen Quellen stammen, sind in der Schweiz steuerbar. Da diese Einkünfte im Ausland zum Teil zusätzlich einer Quellensteuer unterliegen, droht eine Doppelbesteuerung. Die Doppelbesteuerung kann durch eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer an die schweizerische Steuer vermieden werden. Dabei dient der Maximalbetrag der Verhinderung einer Überanrechnung, falls die Einkünfte in der Schweiz gar nicht oder tief besteuert werden. Das BGer musste im Entscheid 2C_609/2019 die Frage klären, ob zur Ermittlung des Maximalbetrags ausschliesslich die auf die deutschen Dividenden entfallende kantonale Steuer zu berücksichtigen ist oder ob auch die kantonale Steuer auf der vom Steuerpflichtigen bezogenen Leistung aus beruflicher Vorsorge miteinbezogen werden kann. Die pauschale Steueranrechnung kann lediglich für im Ausland residual – unter Berücksichtigung einer allfälligen Rückerstattung – (quellen-)besteuerte Kapitalerträge beansprucht werden, die in der Schweiz den Einkommenssteuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden auch tatsächlich unter­ liegen. Andernfalls besteht von vornherein keine

77 StGer BL vom 18.10.2019. 78 BL Steuergericht vom 18. Oktober 2019. 79 BGer 2C_609/2019 vom 13. Juli 2020.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

47


3

Entscheide Verfahren

rechnungssteuer hätte stellen müssen, sofern die Voraussetzungen der Fristwiederherstellung gemäss Art. 24 Abs. 1 VwVG erfüllt gewesen wären. Da die

a)

Frist für die Rückerstattung der Verrech-

Gesellschaft auch diese 30-tägige Frist verpasst

nungssteuer gemäss DBA CH/FR, BGer

hat, erübrigte sich eine vertiefte Prüfung dieses

2C_518/2019 vom 16. Januar 2020

Aspekts. Die Beschwerde der Gesellschaft wurde abgewiesen. 80

Das BGer befasste sich im Entscheid 2C_518/2019  mit einer französischen Bank, die eine Zweignie-

Es ist davon auszugehen, dass diese dreijährige

derlassung in Zürich betreibt. Gestützt auf Art. 24

Frist auch auf andere DBA anwendbar ist, soweit im

Abs. 3 VStG beantragte die Zweigniederlassung in

spezifischen DBA oder einer zugehörigen Verstän-

den Jahren 2009 und 2010 die Rückerstattung der

digungsvereinbarung keine abweichende Regelung

Verrechnungssteuer auf Dividendenfälligkeiten der

enthalten ist.

Jahre 2008 und 2009. Die ESTV lehnte die Erstattungsanträge mit der Begründung ab, dass die fraglichen Dividenden nicht dem Betriebsvermögen der

b)

Steueramtshilfeverfahren gegen den

Zweigniederlassung zuzurechnen seien. Das BGer

Fussballer Neymar – Information von Drit-

stützte mit Urteil vom 22. November 2015 den Ent-

ten, die nicht von einem Amtshilfegesuch

scheid der ESTV. In der Folge verlangte die franzö-

erfasst sind, aber in den übermittelten

sische Bank am 29. März 2016, diesmal gestützt auf

Daten erscheinen (DBA CH/ES), BGer

Art. 11 Abs. 1 DBA Schweiz-Frankreich (DBA CH/FR),

2C_376/2019 vom 13. Juli 2020

die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf den 15 %. Wiederum wies die ESTV die Anträge ab,

Im Entscheid 2C_376/2019 81 hatte das BGer zu prüfen, ob die ESTV ein brasilianisches Unternehmen

diesmal mit der Begründung, dass diese zu spät

über die Einleitung eines Amtshilfeverfahrens hät-

eingereicht worden seien.

te informieren müssen, nachdem der Name dieses

Dividenden 2008 und 2009 bis zum Residualsatz von

Unternehmens in den Informationen erschienen war, Das Besteuerungsrecht der Schweiz bei Dividenden

welche der Informationsinhaber an die Steuerver-

an eine in Frankreich ansässige Person ist gemäss

waltung übermittelt hat. Konkret forderte die ESTV

dem DBA CH/FR auf 15 % beschränkt. Der Bundes-

auf Gesuch der spanischen Steuerbehörden Unter-

rat hat in diesem Zusammenhang bisher keine

lagen des Unternehmens Procter & Gamble an, für

Regeln zu den Rückerstattungsmodalitäten der

welches Neymar Werbung gemacht hatte. Die In-

Verrechnungssteuer erlassen. Dies schliesst jedoch

formationen sollten an Spanien weitergeleitet wer-

gemäss BGer weder aus, dass es eine Verwirkungs-

den, wo Steuerbelange Neymars überprüft wurden.

frist gibt, noch, dass die Regel von Art. 32 Abs. 1 VStG analog angewendet werden kann. Die diesbe-

Als «betroffene Personen» gelten Personen, über

zügliche Frist beträgt somit drei Jahre. Im vorlie-

die im Amtshilfeersuchen Informationen verlangt

genden Fall hat die ESTV die Rückerstattungsan-

werden, oder Personen, deren Steuersituation Ge-

träge vom 29. März 2016 erst nach Ablauf der

genstand des spontanen Informationsaustauschs

Dreijahresfrist gemäss Art. 32 Abs. 1 VStG erhalten.

ist. Die brasilianische Gesellschaft gehört vorliegend nicht zu den betroffenen Personen. Somit ist

Somit bleibt die Frage offen, ob die Frist durch die

Art. 14 Abs. 2 Steueramtshilfegesetz (StAhiG) ein-

in den Jahren 2009 und 2010 bereits eingereichten

schlägig, wonach die ESTV andere Personen über

Rückerstattungsanträge, welche sich auf Art. 24

das Amtshilfeverfahren informiert, wenn sie aufgrund

Abs. 3 VStG und somit auf eine andere Rechtsgrund-

des Dossiers davon ausgehen kann, dass diese nach

lage gestützt haben, eingehalten wurde. Im Zeit-

Art. 19 Abs. 2 StAhiG beschwerdeberechtigt sind.

punkt, als die in den Jahren 2009 und 2010 innert

Art. 19 Abs. 2 StAhiG räumt das Beschwerderecht

Frist eingereichten Rückerstattungsanträge durch

der «betroffenen Person» sowie Personen, welche

das Urteil des BGer abgelehnt wurden, war die

die Voraussetzungen von Art. 48 VwVG erfüllen,

Dreijahresfrist bereits abgelaufen. Das BGer befin-

ein. Gemäss letzterer Verweisung steht die Be-

det es als sachgerecht, dass die antragsstellende

schwerde jedem zu, der ein berechtigtes Interesse

Bank innert 30 Tagen nach Urteilsmitteilung des

an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen

BGer erneut einen – diesmal gestützt auf Art. 11

Entscheidung hat. Dritte werden allerdings bereits

DBA CH/FR – Antrag auf Rückerstattung der Ver-

durch das Spezialitätsprinzip geschützt, weshalb

80 BGer 2C_518/2019 vom 16. Januar 2020. 81 BGer 2C_376/2019 vom 13. Juli 2020.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

48


die blosse Tatsache, dass ihre Namen in den zu

nelle Selbstbestimmung überhaupt durchsetzen

übermittelnden Unterlagen erwähnt werden, nicht

können, wenn sie vorgängig von der ESTV nicht

ausreicht, um ein schutzwürdiges Interesse zu be-

informiert werden müssen. Solche Drittpersonen

gründen. Um die Beschwerdelegitimation solcher

werden also nur in Ausnahmefällen – zum Beispiel,

Dritter in entsprechenden Verfahren zu begründen,

wenn sie zufälligerweise vom Verfahren erfahren

müssen vielmehr weitere Umstände vorliegen, wie

– eine Teilnahme am Amtshilfeverfahren gestützt

etwa eine konkrete Gefahr, dass der ersuchende Staat das Spezialitätsprinzip verletzen wird. 82 Im

auf die informationelle Selbstbestimmung beantra-

Übrigen muss die ESTV nur Personen informieren,

somit eine Interessensabwägung zugunsten des in

deren Beschwerdeberechtigung sich in offensicht-

der Steueramtshilfe besonders bedeutsamen Be-

licher Weise aus den Akten ergibt. Die blosse Tat-

schleunigungsgebots gegenüber dem Recht auf

sache, dass der Name der Person in den zu über-

informationelle Selbstbestimmung, welches nur beim

mittelnden Akten erscheint, reicht für sich allein

Vorliegen eines besonders schutzwürdigen Interes-

nicht aus, um eine solche Information zu rechtfer-

ses, insbesondere bei einer drohenden Verletzung

tigen. Es liefe dem in der Steueramtshilfe besonders

des Spezialitätenprinzips, zu einer Beschwerde le-

bedeutsamen Beschleunigungsgebot zuwider, wenn

gitimieren soll.

gen können. Das BGer trifft bezüglich Drittpersonen

die ESTV auch Personen informieren müsste, deren Beschwerdeberechtigung nicht offensichtlich ist. Fehlt es an der offensichtlichen Beschwerdeberech-

4

Steuerentscheid 12/2020

a)

Informationsbeschaffung im Rahmen eines

tigung, kann eine Drittperson noch immer – gestützt auf die informationelle Selbstbestimmung – die Schwärzung ihres Namens beantragen. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass alle diese Personen im

Amtshilfeverfahrens (DBA CH/ES),

Amtshilfeverfahren­Parteistellung und Beschwerde-

BGer vom 13.7.2020 (2C_287/2019,

berechtigung erhalten müssen. Es genügt, wenn ihr

2C_288/2019)

informationelles Selbstbestimmungsrecht wirksam durch einen Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel geschützt ist. 83 Personen, die nicht selbst durch

Das BGer hat sich in seinem Urteil vom 13. Juli 2020 85 mit zwei Rechtsfragen beschäftigt, denen

das Steuerverfahren im ersuchenden Staat berührt

die ESTV grundsätzliche Bedeutung zumisst. Erstens

sind, deren Namen aber in den zu übermittelnden

stellt die ESTV die Frage, ob sie sich bei der Be-

Unterlagen figurieren, verfügen gemäss Bundesge-

schaffung von Informationen im Amtshilfeverfahren

richt über datenschutzrechtliche Rechtsmittel und

auf den der ersuchenden Behörde bekannten und

Rechtsbehelfe, welche es ihnen erlauben, die Be-

im Ersuchen namentlich genannten Informations-

achtung ihres informationellen Selbstbestimmungs-

inhaber (vorliegend eine Bank) beschränken muss

rechts überprüfen zu lassen. Solchen Personen im

oder ob sie auch bei anderen Personen Informati-

Rahmen des Amtshilfeverfahrens Rechtsschutz zu

onen beschaffen darf. Zweitens will die ESTV wissen,

gewähren bleibe zwar möglich, sei aber nicht zwin-

ob sie die Fragen der ersuchenden Behörde im

gend. Nur falls solche Personen selbst um Teilnah-

Sinne des Kontexts des Ersuchens interpretieren

me am Verfahren ersuchen, dränge sich auf, diesen

bzw. modifizieren darf.

Rechtsschutz im Rahmen des Amtshilfeverfahrens zu gewähren. Nach ihrer Praxis erkennt dann auch

Konkret reichte die spanische Steuerbehörde bei

die ESTV die Parteistellung solcher Personen. Da

der ESTV ein Amtshilfeersuchen betreffend A ein.

vorliegend keine solche Beschwerde von Drittperso-

In Frage standen die Steuerjahre 2012 und 2013 im

nen vorlag, wurde die Beschwerde der ESTV gutge-

Zusammenhang mit einer Kreditkarte von A, die

heissen und an das Bundesverwaltungsgericht zur

von der schweizerischen Bank C ausgegeben wurde.

Behandlung im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen.84 Die ­Informationen der Drittpersonen werden

Auf die Aufforderung der ESTV hin, teilte die Bank

somit voraussichtlich ungeschwärzt an den um

Karte sei. Die mit der besagten Karte getätigten

Amtshilfe ersuchenden Staat weitergleitet werden.

Einkäufe seien über ein auf die Gesellschaft B (mit

C mit, dass A Inhaberin einer einzigen VISA Gold

Sitz in Panama) lautendes Konto bei der Bank D Es stellt sich die Frage, wie solche Drittpersonen

bezahlt worden. Nach entsprechender Aufforderung

im Amtshilfeverfahren ihr Recht auf informatio-

teilte die Bank D mit, dass B Inhaber des fraglichen

82 BGer 2C_687/2019 vom 13. Juli 2020 E. 6.1. 83 Ebenda E. 6.2. 84 BGer 2C_376/2019 vom 13. Juli 2020. 85 BGer 2C_376/2019 vom 13. Juli 2020.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

49


Bankkontos sei und keine weiteren Bankverbindun-

das den Anforderungen des DBA Schweiz-Spanien

gen zwischen D und A existierten. Im Anschluss

(DBA CH/ES) genügt.

erliess die ESTV sowohl gegenüber A wie auch B je eine Schlussverfügung, worin sie die Amtshilfeleis-

Die von der ESTV aufgeworfene Rechtsfrage beant-

tung an Spanien vorsieht.

wortet das BGer in seinen weiteren Erwägungen folgendermassen: Liegt der ESTV ein Amtshilfe-

Die Vorinstanz hielt die Schlussverfügungen für

ersuchen vor, welches den völkerrechtlichen Anfor-

nichtig, weil sie ihrer Ansicht nach das Verbot der

derungen gemäss dem DBA CH/ES genügt, ist die Schweiz auch dann zur Amtshilfe verpflichtet, wenn

C

sich die ersuchte Information bei einer anderen Person als dem im Ersuchen genannten Informati-

A

onsinhaber befindet. Weder das DBA CH/ES noch das innerstaatliche Recht beschränken die Unter-

1123 5742 2139 4002

suchungen der ESTV auf den im Ersuchen genannten Informationsinhaber. Erfüllt das Ersuchen die Anforderungen gemäss DBA CH/ES, hat die ESTV D B

die voraussichtlich erheblichen Informationen ­n ötigenfalls bei anderen Informationsinhabern zu beschaffen, wenn sich diese mit zumutbarem Aufwand identifizieren lassen. Das BGer musste somit noch prüfen, inwieweit die spanische Steuerverwaltung um die Informationen tatsächlich ersucht hat, deren Lieferung die ESTV

spontanen Amtshilfe verletzten. Wenn nämlich die

verfügt hat und ob diese Informationen für den

Schweiz ohne genügendes Ersuchen Informationen

geltend gemachten Steuerzweck voraussichtlich

übermittelt, leistet sie spontane Amtshilfe. Das

erheblich sind.

Amtshilfe-Übereinkommen ist für die Schweiz am 1. Januar 2017 in Kraft getreten. Für Besteuerungs-

Die Vertragsstaaten des DBA CH/ES haben den

zeiträume ab dem 1. Januar 2018 ist die Schweiz

Vertrag nach Treu und Glauben zu erfüllen. Das

gegenüber den anderen Konventionsstaaten – dar-

BGer stellt vorliegend fest, dass das spanische Er-

unter vorliegend Spanien – unter den Vorausset-

suchen wohl auf der irrigen Annahme beruhte, dass

zungen gemäss Art. 7 Abs. 1 des Amtshilfe-Über-

die Kartenausstellerin mit dem Finanzinstitut iden-

einkommens zur Leistung spontaner Amtshilfe

tisch sei, bei welchem das für den Kartengebrauch

verpflichtet. Im Zuge des Beitritts zum Amtshilfe-

belastete Bankkonto unterhalten wird. Nach Treu

Übereinkommen änderte die Schweiz per 1. Januar

und Glauben ist das Ersuchen Spaniens demnach

2017 auch ihr innerstaatliches Recht. Namentlich

so zu verstehen, dass sie Informationen zum Bank-

wurde das Verbot der spontanen Amtshilfe aufge-

konto verlangt, das mit der fraglichen Bankkarte

hoben. Art. 22a Abs. 1 StAhiG sieht nunmehr vor,

verbunden war und deren wirtschaftlich Berechtigte­

dass der Bundesrat die Pflichten im Zusammenhang

A war. Entsprechend lehnt das BGer eine zu formal

mit dem spontanen Informationsaustausch im Ein-

geprägte Lesart des Amtshilfeersuchens ab.

zelnen regelt. Der Bundesrat ist diesem Auftrag nachgekommen – auszutauschen sind demnach

Es ist gemäss BGer somit nicht zu beanstanden,

lediglich bestimmte Steuervorbescheide (Art. 9

dass sich die ESTV an die kontoführende Bank D

Steueramtshilfeverordnung (Art. 9 Steueramtshil-

wendete, nachdem sich die im Ersuchen erwähnte

feverordnung (StAhiV)).

Bank als blosse Kartenausstellerin entpuppt hatte. Unverständlich ist gemäss BGer aber, weshalb die

Die Informationen, welche die ESTV vorliegend

ESTV Spanien betreffend B separat Amtshilfe ertei-

übermitteln will, betreffen weder einen Besteue-

len will, da dies eine vom Ersuchen nicht betroffene

rungszeitraum ab dem 1. Januar 2018 noch einen

Drittperson ist. Entsprechend ist die Schlussverfü-

Steuervorbescheid gemäss Art. 9 StAhiV. Mit der

gung betreffend B rechtswidrig. Nicht übermittelt

Vorinstanz konstatiert das BGer, dass die Voraus-

werden dürfen Informationen über nicht betroffene

setzungen für einen spontanen Informationsaus-

Personen, es sei denn, sie wären für die Beurteilung

tausch im konkreten Fall nicht erfüllt sind. Damit

der Steuersituation der betroffenen Person voraus-

die ESTV die fraglichen Informationen übermitteln

sichtlich relevant. Da sich auf dem zu übermitteln-

kann, muss folglich ein Amtshilfeersuchen vorliegen,

den Kontoauszug auch Namen von Drittpersonen finden, zu denen A keine steuerlich relevante Be-

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

50


ziehung hat, müssen diese unerheblichen Informa-

bleiben muss. Schliesslich kann der ersuchte Staat

tionen geschwärzt werden. In casu bestätigte das

nur für die vom Ersuchen betroffenen Personen

BGer die Schlussverfügung betreffend A, ergänzt

prüfen, ob die Informationen für den vorgebrachten

um die Bedingung, diverse Stellen zu schwärzen,

Steuerzweck notwendig bzw. voraussichtlich erheb-

während die Beschwerde der ESTV im Verfahren

lich sind und sich der Eingriff in die Privatsphäre

von B abgewiesen wurde.

rechtfertigt. Demnach kann die Verwendungsbeschränkung ihren Zweck nur erreichen, wenn ihr

Zusammengefasst braucht der mutmassliche inlän-

nicht nur eine sachliche, sondern auch eine persön-

dische Informationsinhaber im ausländischen Ersu-

liche Dimension zuerkannt wird. Somit dürfen vor-

chen um Informationsamtshilfe somit nicht genannt

liegend die USA die übermittelten Informationen

zu werden. Es ist ausreichend, wenn die Schweiz

nicht gegenüber Personen verwenden, die von ihrem

als ersuchter Staat den Informationsinhaber mit

Ersuchen nicht betroffen waren. Wenn die Schweiz

zumutbarem Aufwand identifizieren kann. Die Schweiz

ohne genügendes Ersuchen Informationen übermit-

bleibt auch dann zur Amtshilfe auf Ersuchen ver-

telt, würde sie spontane Amtshilfe leisten, zu der

pflichtet, wenn der im Ersuchen genannte Informa-

sich die Vertragsstaaten nicht verpflichtet haben.

tionsinhaber nicht über die ersuchte Information verfügt, sich die Information aber mit zumutbarem

Weiter drehte sich die Beschwerde um die Frage,

Aufwand bei einer anderen Person beschaffen lässt.  Hingegen dürfen keine Informationen zu Drittper-

welche Personen im Zusammenhang mit Übermitt-

sonen übermittelt werden, es sei denn, diese Infor-

Rücksprache mit der US Steuerbehörde (IRS) im

mationen wären für die Beurteilung der Steuersitua-

vorliegenden Fall die Namen von zwei Bankange-

tion der betroffenen Personen voraussichtlich er-

stellten in leitender Stellung aus den zu übermit-

heblich. Zudem ist der spontane Informationsaus-

telnden Unterlagen geschwärzt hatte, liess sie die

tausch auf den Austausch bestimmter Steuervor-

Namen von zwei Sachbearbeiterinnen ungeschwärzt.

bescheide beschränkt, so dass in allen übrigen

Die Ungleichbehandlung von Personen, deren Be-

Fällen ein Amtshilfeersuchen vorliegen muss, welches

schwerdeberechtigung gleichermassen wahrschein-

die Anforderungen des entsprechenden DBA erfüllt.

lich scheint, erfolgte dabei ohne sachlichen Grund.

86

lungen zu schwärzen seien. Während die ESTV nach

Diese Vorgehensweise der ESTV stellt gemäss BGer einen Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot b)

Spezialitätsprinzip und Gleichbehandlungs-

und des Willkürverbots dar. Die Beschwerde der

gebot (DBA CH/US), BGer vom 13.7.2020

ESTV wurde somit abgewiesen. 87

(2C_537/2019) Im Entscheid 2C_537/2019 äussert sich das BGer zum Grundsatz der Spezialität. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine ausländische Steuerbehörde auf Grundlage der erhaltenen Informationen gegen Personen, die nicht direkt von einer Anfrage betroffen sind, vorgehen kann. Dem Spezialitätsprinzip kommt gemäss BGer im Bereich der internationalen Amtshilfe gemäss Art. 26 Abs. 2 DBA CH/US neben der sachlichen auch eine persönliche Dimension zu. Daher darf der ersuchende Staat die übermittelten Informationen nicht gegenüber Personen verwenden, die von seinem Ersuchen nicht betroffen waren. Das BGer weist daraufhin, dass es in seiner Auffassung von jener der OECD abweicht. Gemäss dem Wortlaut von Art. 26 Abs. 1 aDBA CH/ US ist unklar, gegenüber welchen Personen der ersuchende Staat die übermittelten Informationen verwenden darf. Im Rahmen der Auslegung spricht vieles dafür, dass die Verwendung auf die vom Amtshilfeersuchen betroffenen Personen beschränkt 86 BGer 2C_287/2019, 2C_288/2019 vom 13. Juli 2020. 87 BGer 2C_537/2019 vom 13. Juli 2020.

Steuer Update 2021    Internationale Steuern

51


Kontaktpersonen

Nadia Tarolli Schmidt

Aljoscha Moser

Advokatin und dipl. Steuerexpertin

MLaw, Volontär

T 058 211 33 54, ntarolli@vischer.com

T 058 211 36 22, aljoscha.moser@vischer.com

Christoph Niederer

Nina Orth

Rechtsanwalt und dipl. Steuerexperte

Deutsche Steuerberaterin

T 058 211 34 37, cniederer@vischer.com

T 058 211 39 72, north@vischer.com Veysel Oruclar

Weitere Mitglieder des Steuerteams

Rechtsanwalt T 058 211 36 15, voruclar@vischer.com

Erwin R. Griesshammer Rechtsanwalt

Hubert Steffen

T 058 211 34 43, egriesshammer@vischer.com

Treuhänder mit eidg. Fachausweis T 058 211 32 01, hsteffen@vischer.com

Flurin Bleisch MLaw, Volontär T 058 211 39 82, fbleisch@vischer.com Adrian Briner dipl. Wirtschaftsprüfer und dipl. Steuerexperte T 058 211 32 18, abriner@vischer.com Patrik Fisch M.A. HSG in Law et M.A. HSG in Accounting and Finance T 058 211 34 31, pfisch@vischer.com Eric Flückiger Advokat, MBA T 058 211 39 05, eflueckiger@vischer.com Philipp Flückiger Treuhänder mit eidg. Fachausweis T 058 211 39 48, pflueckiger@vischer.com Nora Heuberger Advokatin T 058 211 32 06, nheuberger@vischer.com Beatrice Leistner Rechtsanwältin und dipl. Steuerexpertin T 058 211 36 31, beatrice.leistner@vischer.com

Steuer Update 2021    Kontaktpersonen

52


Weitere Informationen

VISCHER ist ein unabhängiges Schweizer Anwaltsbüro mit rund 100 Anwälten und Steuerexperten. Zu unserer nationalen und internationalen Klientschaft zählen sowohl namhafte Unternehmen wie auch vermögende Privatpersonen. Die angesprochenen Themen sind nur in gedrängter Form dargestellt. Die Lektüre ersetzt eine gründliche Rechtsberatung nicht. Sollten Sie im Einzelfall Beratungs- oder Handlungsbedarf haben, würden wir uns freuen, wenn Sie Ihren vertrauten Anwalt bei VISCHER ansprechen oder sich direkt beim Steuerteam melden.

Steuer Update 2021    Weitere Informationen

53


VISCHER Schützengasse 1 Postfach 8021 Zürich Schweiz T +41 58 211 34 00 Aeschenvorstadt 4 Postfach 4010 Basel Schweiz T +41 58 211 33 00 Rue du Cloître 2 – 4 Case postale 1211 Genève 3 Suisse T +41 58 211 35 00 www.vischer.com


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.