Reise
34 ABWESENHEITSNOTIZ
SONNABEND 20. FEBRUAR 2021
Der Iseosee und seine Schätze
Bei einer Tour zur Monte Isola und in die Franciacorta kann man Oliven, Sardinen und Schaumweine verkosten VON MARIE-CHANTAL TAJDEL
Irre Urlaubslücke der Iren
D
ass Impfungen – aber auch Reisen – wieder ein so hohes Gut werden und wir dafür sogar betrügen und lügen, das hätte sich vor dieser Pandemie auch niemand gedacht. Vor einigen Wochen habe ich bereits darüber geschrieben, dass der Londoner Knightsbridge Club Impfreisen für Superreiche anbieten will. Vergangene Woche hat ein Reiseveranstalter außerdem überlegt, Impfreisen nach Serbien ins Programm zu nehmen, und das Land Israel sah sich genötigt, eine Pressemitteilung herauszugeben und ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es für Touristen keine Möglichkeiten gibt, sich in dem Land impfen zu lassen. Denn zuvor gab es diverse Meldungen, dass es möglich sei, sich dort impfen zu lassen, weil Israel so viel Vakzin habe und der nicht wieder außer Landes gebracht werden dürfe. Gar nicht um eine Impfreise, sondern einfach nur um eine Reise geht es unseren Nachbarn auf der anderen Seite des Ärmelkanals. Die Iren habe eine Lücke gefunden, wie sie während des Urlaubsverbots in ihrem Land trotzdem ein paar schöne Tage in der Sonne verbringen können. Sie rufen einfach auf einer der Kanareninseln an und fragen nach einem Arzttermin. Die fleißigen Helferlein notieren den Termin, und für die Iren ist das dann der Startschuss, um zum Urlaub auf die Kanaren aufzubrechen. Denn Reisen sind trotz des Urlaubsverbots in Irland auch dann noch erlaubt, wenn sie medizinisch notwendig sind. Vor allem Pärchen nutzen dieses Schlupfloch, um wohl dem tristen irischen Winter zu entfliehen. Laut dem irischen Sender RTÉ Radio sagte eine Zahnarzthelferin von der Kanareninsel Teneriffa, dass täglich fünf bis sieben Terminanfragen von Iren eingehen. Die kleine Schummelei wäre vielleicht gerade noch erträglich, wenn die Patienten aus Irland ihren Termin auch antreten würden. Das tun sie aber nicht. Sie kommen einfach nicht zum verabredeten Zeitpunkt. Viele Ärzte auf den Kanaren hat das mittlerweile so erbost, dass sie nun nur noch Termine gegen Vorkasse vergeben. Ob das die Iren allerdings abhält, ist nicht bekannt. marie-chantal.tajdel@weser-kurier.de
OBERAMMERGAU
Haare und Bärte wachsen nun für Passionsspiele Oberammergau. Gleich morgens an Aschermittwoch hat der Bürgermeister von Oberammergau, Andreas Rödl, noch seinen Bart gestutzt, doch schon wenige Stunden später war das per Aushang nicht mehr erlaubt: Denn der Haar- und Barterlass verbietet es den Mitspielern der Passionsspiele, ihre Haare und Bärte zu stutzen. Am 14. Mai 2022 ist Premiere der Passionsspiele, die bis zum Oktober aufgeführt werden. Insgesamt spielen etwa 2400 Menschen aus Oberammergau mit, darunter 500 Kinder. In einer Pressekonferenz, die live übertragen wurde, machte der Intendant der Passionsspiele Oberammergau, Christian Stückl, außerdem auf die Jugendtage aufmerksam, um vermehrt junge Menschen ins Publikum zu locken. „Wir haben keine Probleme, junge Menschen auf die Bühne zu bekommen, aber ins Publikum“, sagte der Spielleiter. Die Jugendtage finden eine Woche vor der Premiere statt. Der Eintritt beträgt für sie lediglich acht Euro. Stückl hofft, dass etwa 10.000 Jugendliche kommen werden. Weitere Infos gibt es unter www. jugendtage-passionsspiele.de. MCT
BREMERHAVEN
Kurztörn mit der „Alexander von Humboldt II“ Bremerhaven. Im April, Mai und September legt die Dreimast-Bark „Alexander von Humboldt II“ zu Halbtagestörns von Bremerhaven ab und nimmt Gäste mit an Bord. Die Törns führen raus auf die Wesermündung, und, wenn der Wind gut steht, sogar unter Segeln. Die Gäste fahren entlang riesiger Containerschiffe, die an der Stromkaje liegen. Wer mag, unterstützt die Stammcrew und lässt sich in die traditionelle Seefahrt einweisen. Laut Mitteilung der Touristikgesellschaft kosten die etwa vierstündigen Törns 95 Euro, die siebenstündigen Fahrten 99 Euro. Teilnehmer müssen einen AntigenSchnelltest vorweisen. Buchbar ist der Törn MCT unter www.bremerhaven.de/alex2.
Die Insel Monte Isola im Iseosee: Sie ist die größte Binneninsel Europas, gebildet von dem Gipfel eines 600 Meter hohen Unterwasserbergs.
von Gabriel SchultheiSS
Iseo. Eine knappe Viertelstunde ist das kleine Boot jetzt unterwegs, nachdem es an der Anlegestelle in der kleinen Stadt Iseo abgelegt hat. Da schafft es die Sonne endlich doch über die Spitzen der Alpenausläufer rund um den Sebino, wie der Iseosee von den Einheimischen genannt wird. Zuerst nehmen die grauen Felswände eine zartrosa Farbe an, dann trifft das Licht auf die Häuser und die Kirche über der Ortschaft Menzino auf der Monte Isola, dem Ziel. Dort beginnt der Tag mit einem Einblick in einige der kulinarischen Schätze, die die Region im Norden Italiens zu bieten hat: Oliven, Sardinen und die Weine der Franciacorta. In Carzano im Nordosten der Monte Isola, des etwa 600 Meter hohen Bergs im See, liegt die Ortschaft Carzano, wo das Boot anlegt. Es ist die größte Insel in einem See, die Europa zu bieten hat. Von jetzt an geht es zu Fuß weiter, nur die nicht einmal 1800 Bewoh-
„Wir haben ausgeglichene, mildere Temperaturen als im nahen Brescia.“ Giovanna Archini, Ölmühlenbetreiberin
ner der Insel dürfen dort mit dem Auto unterwegs sein. Schon an dem kleinen Hafen für Sportboote und die Fähre, die alle 20 Minuten von Iseo herüberkommt, prägen die Olivenbäume das Bild. Etwa 15.000 Bäume soll es auf der Insel geben, so weit im Norden wie nirgendwo sonst in Europa. Das liegt an dem ganz besonderen Mikroklima des Sees an den südlichen Ausläufern der Insel. Die Schwestern Monica und Giovanna Archini wissen das zu nutzen. Sie betreiben eine Ölmühle und verarbeiten die Früchte von vielen der etwa 200 Produzenten. Die Wassermassen des Sees sorgen dafür, dass
es im Sommer immer etwas kühler ist als beispielsweise in der nahen Ebene und die Temperaturen im Winter nicht allzu sehr in den Keller gehen. „Wir haben ausgeglichene, mildere Temperaturen als etwa im nahen Brescia“, erläutern die Archinis. Das Öl der Schwestern vom Typ „Extra Vergine“, geschützt durch eine geografische Ursprungsbezeichnung, ist begehrt. Man braucht etwas Glück, um eine Flasche zu bekommen. Zwischen 30 und 50 Euro kostet der Liter, „die Produktion ist oft schon im Voraus ausverkauft“, sagen sie. Von Carzano aus sind die alten Fabriken am Ufer des Festlandes zu erkennen, in denen die Frauen und Mädchen früher die Netze herstellten, während ihre Männer auf dem See fischten. Der wichtigste Fisch ist die Sardine des Sees. Heute ist Fernando Soardi der Einzige, der sie noch nach der traditionellen Methode konserviert. Wie die beiden Schwestern Archini nimmt er Teil an der Initiative „Taste in Brescia“. Die lokalen Erzeuger wollen traditionelle typische Produkte für ihre Besucher erfahrbar machen. Gerne demonstriert Fernando, der schon als kleiner Junge mit seinem Großvater auf dem See zum Fischen unterwegs war, wie die Sardinen ausgenommen und zum Trocknen auf ein Holzgestell in die Sonne gehängt werden. Zum Verzehr bereit sind sie aber erst, wenn sie danach eine Zeit lang in Olivenöl eingelegt wurden. Mit ein wenig Polenta werden die salzigen Filets nebenan im Restaurant, der Locanda al Lago, serviert, das von Fernandos Schwester betrieben wird. Das Mikroklima des Sees begünstigt neben der Olive auch das Wachstum einer weiteren Pflanze, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Es waren die Benediktiner-Mönche aus dem französischen Cluny, die vor beinahe 1000 Jahren die ersten Reben im Süden der Insel pflanzten und Wein herstellten. Die Ausläufer eines eiszeitlichen Gletschers haben im Übergang zur Ebene ein Gelände gebildet, das in seiner Form der Innenfläche einer riesigen Innenhand gleicht. Das demonstriert am Abend Peter Alcorini an
Fernando Soardi ist der einzige Fischer am See, der die Sardine noch nach der traditionellen Methode konserviert.
FOTOS: GABRIEL SCHULTHEISS
San Loreto ist eine der kleinsten Inseln im See und in Privatbesitz der Familie Baretta.
einem Modell im Weingut Bersi Serlini. Der Sommelier des Familienbetriebs deutet von einem Hügel aus in Richtung Alpen mit den Bergen der Adamella-Gruppe, die bis in die Höhe von 3500 Metern reichen. Von dort weht morgens ein Wind herab, der Feuchtigkeit und Kühle bringt und über die Weinberge streicht, erläutert Alcorini. Die Nähe zu den Bergen sorgt dafür, dass auch an heißen Sommertagen die Temperaturen am Abend deutlich zurückgehen. Das Ergebnis sind frische und säurehaltige Trauben mit intensivem Geschmack, die sich bestens für die Herstellung von Sekt nach dem traditionellen Champagner-Verfahren eignen.
Mit wenigen anderen Pionieren habe die Familie Bersi Selini in den 1960er-Jahren mit der Herstellung des „Franciacorta“ begonnen, wie der Wein benannt ist. Heute verlassen jährlich etwa 120.000 Flaschen das Weingut, das auf 15 Hektar vor allem Chardonnay, Pinot Blanc und Pinot Noir angepflanzt hat. Schon im August werden die Trauben geerntet, lange vor der eigentlichen Reife, um die Frische zu bewahren und in die Flasche zu bringen. Bevor er seine Gäste zur Verkostung in den Keller führt, zeigt er ihnen noch einmal die Kuppe der Monte Isola, wo der Ausflug am Morgen begann.
Iseosee Der Iseosee ist zwar kein Geheimtipp mehr für Touristen, aber im Verhältnis zum nahen Gardasee, in dessen Schatten er steht, wird er deutlich weniger besucht. Internationale Bekanntheit erlangte er 2016. Der Künstler Christo verband den Ort Peschiera Maraglio auf der Insel Monte Isola mit dem winzigen Eiland Isola di San Paolo und dem Festland mittels gelb-orangefarbener Laufstege. Hunderttausende Menschen wanderten in jenem Sommer über das Wasser und genossen die Aussicht auf die malerischen Dörfer und die Berge rings um den See. Das Angebot an Hotels und Restaurants ist vielfältig und gut. Infos unter www.visitbrescia.it Franciacorta ist der Name der Landschaft mit ihren Rebhügeln, Weingütern, Klöstern und kleinen Dörfern. Nach ihr ist der champagnerähnliche Wein benannt, der in der Regel von sehr guter Qualität ist. Die Mönche betrieben ihre Klöster steuer- und abgabenfrei, „curta franca“, wie es damals hieß. Aktivitäten: organisierte Touren mit dem Fahrrad, auch mit E-Bikes, führen zu den Se-
henswürdigkeiten, buchbar etwa unter www. iseobike.it. Die ersten Kilometer geht es durch die Torfmoore am Auslauf des Iseosees. Die Seenlandschaft ist entstanden, weil dort in früheren Jahrhunderten der Torf für die Häuser und Fabriken gestochen wurde, in denen Netze für die Fischerei hergestellt wurden. Die Torfmoore sind heute Schutzgebiet und bieten zahlreichen Vogelarten eine Heimat. Für einen Ausflug und zum Einkauf bietet sich das nahe Brescia an. Die Industriestadt bietet einen authentischen Einblick in die Geschichte Oberitaliens, vom einstigen römischen Zentrum, wo sich wichtige Straßen kreuzten, über die Herrschaft der Langobarden und die mittelalterlichen Kirchen bis zur Architektur des Faschismus unter Mussolini. Unbedingt zu empfehlen ist ein Besuch des Museums Santa Giulia, das in ein ehemaliges Kloster aus langobardischer Zeit integriert ist. Ein Teil des Gebäudes ist über den Resten römischer Häuser errichtet, Treppen und Gänge führen hinüber in die mittelalterlichen Klosterräume und eine Kapelle. Infos: www.bresciamusei.com GEM