Medium gas 03 2013

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03 | 2013

Das Magazin der VNG-Gruppe

mart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepump ybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Smart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärme Gas rennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuel es Kraftwerk Smart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Smart Home Smart Grid Erdga trom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brenn toffzelle Virtuelles Kraftwerk Smart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertge ät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwer mart Home Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas rennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwerk Smart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärm as-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Vir uelles Kraftwerk Smart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwerk Smart Home Smar rid Erdgas Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerä rennstoffzelle Virtuelles Kraftwerk Smart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwert erät Mikro-BHKW Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwerk Smart Hom mart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas rennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwerk Smart Home Smart Grid Erdgas Biometha trom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brenn toffzelle Virtuelles Kraftwerk Smart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertge ät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwer mart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepump ybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwerk Smart Home Smart Grid Erdga trom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brenn toffzelle Virtuelles Kraftwerk Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwer mart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hy rid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwerk Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brenn toffzelle Virtuelles Kraftwerk Smart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertgerä Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwerk as-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Vir uelles Kraftwerk Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwerk Smart Hom mart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW Gas-Wärmepumpe Hybrid-Gas rennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwerk Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzell irtuelles Kraftwerk Smart Home Smart Grid Erdgas Strom Wärme Gas-Brennwertgerät Mikro-BHKW as-Wärmepumpe Hybrid-Gas-Brennwertgerät Brennstoffzelle Virtuelles Kraftwerk

Anatomie der Wärme

Wie wir mit Technologie, Intelligenz und Erdgas die Wärmeversorgung von heute und morgen gestalten. max

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Inhalt

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MARKTBLICK

elektr. Strom

Safety First – VNG-Gruppe macht den Winter sicher | ÖkoEnergie – Die Ostseeküste wird „blau“ | LNG ahoi! | Partner im Norden | Auf dem Weg zum Petroleum-Geologen | Modelloffen­sive geht weiter | Immer mehr Bio im Tank | Gelb ­powert! Im Gespräch mit Biogas-Experte Frank Stumpf

Warmwasser

H Erdgas Gasaufbereiter Brennstoffzelle

Wärmespeicher

Raumheizung

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TITELTHEMA Anatomie eines Hightech-Künstlers

ennstoffzelle Brennstoffzelle

Wie technisch ausgeklügelt die Wärmeversorgung von heute ist und welche Rolle Erdgastechnologien dabei spielen. Mit einem Exkurs zum Callux-Brennstoffzellenprojekt.

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Wissen Marktverständnis statt Bauchgefühl

Schnelligkeit und ein gutes Marktverständnis sind heute Trumpf im Erdgashandel. medium gas erklärt, wie das Geschäft funktioniert und was Kunden vom Geschäft an den Großhandelsmärkten haben.

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PORTRÄT

Power für die Wiege des sächsischen  Automobilbaus Mit der Zwickauer Energieversorgung kommen die Einwohner der ostdeutschen Automobilstadt sicher und zuverlässig durch den Tag.

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Hauptstadtgespräch B rauchen wir ein Leitbild für die Energie-

wende? Dietmar Kokott vom WZGE ist der Meinung, dass der Energiewende ein Leitbild für verantwortliches Handeln sehr gut tun würde.

Impressum medium gas Das Magazin der VNG-Gruppe  |  21. Jahrgang  |  Ausgabe 3  |  Dezember 2013  |  VNG –  Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft  |  Braunstraße 7  |  04347 Leipzig Postfach 24 12 63  |  04332 Leipzig  |  Telefon +49 341 443-0  |  Fax +49 341 443-2770  |  www.vng.de  |  Redaktion Unternehmenskommunikation  |  Verantwortliche Redakteurin Mandy Nickel  |  Telefon +49 341 443-2045  |  mandy.nickel@vng.de  |  Auflage 4.300  |  Gestaltung, Herstellung, Reproduktion Militzer & Kollegen GmbH Druck Werbe- & Sofortdruck GmbH, Leipzig  |  Fotos Audi (S. 8), Udo Baier (S. 4), BAXI INNOTECH (S. 16), Dirk Brzoska (S. 2, S. 4, S. 20, S. 23–27), Thomas Deter (S. 5), Michael Fahrig (S. 29–30), Michael Handelmann (S. 3), Andreas Koslowski (S. 2, S. 21), pro I picture Ralph Köhler (S. 25), Jürgen Wassmuth (S. 31), fotolia: Kaarsten (S. 4), Superhasi (S. 5)

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Liebe Leserinnen und Leser, was hat der Oberschenkel des Kenianischen Marathon-Läufers Wilson Kipsang mit einer Brennstoffzelle gemeinsam? Wie sehr ähneln sich der Energieeinsatz im menschlichen Körper und in einer Heizung? Und wieso brauchen Menschenkörper und Heiztechnik gleichfalls einen gesunden Menschenverstand? Finden Sie es heraus in unserem Themenschwerpunkt zum HightechWärmemarkt! Dort zeigen wir Ihnen mit einem anatomischen Blick, wie clever die Wärmeversorgung von heute funktioniert und was noch alles möglich ist. Kein Zweifel: Erdgastechnologien spielen dabei eine besondere Rolle.

Bernhard Kaltefleiter, Direktor Unternehmenskommunikation

Man sagt ja, dass der Mensch aus seiner Nahrung Energie schöpft. Beim VNG-Trading-Chef Marco Penzhorn kommen noch zwei weitere Komponenten hinzu: Ihn spornen auch seine Kollegen und die täglichen Herausforderungen im Großhandelsgeschäft an. In unserer Rubrik Wissen erklären wir Ihnen, wie unser Tradingfloor funktioniert und was Kunden vom „schnellen“ Handel mit Erdgas haben. Mit Schnelligkeit hatte auch unser Redakteur zu tun als er für das Porträt der Zwickauer Energieversorgung (ZEV) unterwegs war – und zwar in zweierlei Hinsicht. In der sächsischen Autostadt konnte er sich im Horch-Museum, das von der ZEV mit Strom und Wärme versorgt wird, die schnellen Boliden aus früheren Zeiten anschauen. Auf dem Rückweg nach Leipzig hatte er seinen eigenen Boliden zu Höchstleistungen gebracht – und fuhr prompt in eine Radarfalle. Dass Raserei nicht nur den Geldbeutel belastet, sondern auch wenig mit verantwortungsvollem Handeln zu tun hat, hätte Dietmar Kokott unserem Redakteur sicherlich mit auf den Weg gegeben. Im Hauptstadtgespräch spricht der Vorstand des Wittenberg-Zentrum für globale Ethik über Wirtschaftsethik in der Energiebranche und erklärt, welche Vorteile ein Leitbild für das Mammutprojekt Energiewende bringen könnte. Wir haben unser Leitbild indes bereits gefunden – und für uns und unsere Partner sichtbar festgeschrieben. Unser Leitbild zum Nachlesen finden Sie im Internet unter www.vng-gruppe.de/leitbild. Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre. Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

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Marktblick

Safety first – VNG-gruppe macht den Winter sicher

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lirrende Kälte und Schneegestöber – in den vergangenen Tagen hat der Winter in Deutschland Einzug gehalten. Wie lange er bleiben wird, kann heute noch kein Meteorologe voraussagen. Sicher ist nur, dass die Wohnzimmer auch diesmal wieder warm bleiben werden. Grund ist das „Versorgungssicherheitspaket“, das die deutsche Gaswirtschaft „geschnürt“ hat: Erdgas wird aus verschiedenen Bezugsquellen, über zahlreiche Transportwege und von liquiden Großhandelsmärkten bezogen. Hinzu kommen 51 Speicheranlagen allein in Deutschland mit einer Kapazität von rund 23 Milliarden Kubikmetern.

Damit könnten mehr als ein Viertel der jährlich in Deutschland verbrauchten Erdgasmengen eingespeichert werden. Für den Transport und die Verteilung des Erdgases steht in Deutschland zudem eine moderne und hochkomplexe Netzinfrastruktur mit rund 477.000 km Ferngasleitungen und Gasverteilnetzen zur Verfügung. In diesem deutschen „Sicherheitspaket für die Erdgasversorgung“ leistet die VNGGruppe einen entscheidenden Beitrag. Sie ist entlang der Erdgas-Wertschöpfungskette bestens aufgestellt, beschafft einen Großteil der Erdgasmengen über langfristige Lieferverträge mit

Produzenten aus Norwegen, Russland und Deutschland sowie über die liquiden europäischen Großhandelsmärkte. Im Infrastrukturbereich halten der unabhängige Transportnetzbetreiber ONTRAS und der Speicherbetreiber VNG Gasspeicher ihre Netze und Speicher jederzeit in einem sicheren und betriebsbereiten Zustand. Und auch die Investitionen der VNG-Gruppe in die Exploration und Produktion von Erdgas sind ein wichtiger Garant für Versorgungssicherheit, denn damit wird langfristig der Zugriff auf norwegische Erdgasreserven gesichert.

Die Versorgungssicherheit

161 Mrd. kWh

2,6 Mrd. m3

Erdgasleitungen

108 Mrd. kWh

Speicherkapazitäten

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GroSShandel

Erdgasimport

der VNG-Gruppe

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mern zwei weitere „Heizexperten“ ins Boot geholt. Ziel des Pilotprojektes bleibt es weiterhin, die Verbreitung der KWKTechnologie in Mecklenburg-Vorpommern und damit eine nachhaltige Energieversorgung in der Küstenregion zu fördern.

im Hotel verbraucht und erzielt somit die höchste Einsparung an Kosten. Sollte der Strom nicht selbst genutzt werden, wird er ins öffentliche Netz eingespeist und dem Hotel mit 11 Cent/kWh vergütet – ein wichtiges Argument für den wirtschaftlichen Betrieb und eine schnelle Amortisation des kleinen Kraftwerkes.

Mit gutem Beispiel voran: Hotel Strandhafer

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as Hotel Strandhafer liegt in Warnemünde nicht nur an einem der schönsten touristischen Gebiete der Ostseeküste, sondern es versorgt seine Gäste auch zukunftsfähig und kosteneffizient mit Strom und Gas. In dem Gästehaus wurden zwei erdgasbetriebene Mini-BHKW und ein Brennwertkessel der Firma Vaillant installiert. Die BHKW-Anlage im Strandhafer erreicht im Jahr mehr als 6.000 Benutzungsstunden und produziert rund 50.000 kWh Strom. Das entspricht einem Viertel des Gesamtstromverbrauches im Objekt. Der Strom wird zu 100 %

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eit März 2012 läuft an der Ostseeküste das Pilotprojekt ÖkoEnergie mit dem vorrangig Hotel- und Pensionsbesitzer in der Region Mecklenburg-Vorpommern vom Potenzial eines Mini-Blockheizkraftwerkes überzeugt werden sollen. Für die Hotel- und Gastro­nomiebranche lohnt sich die effiziente Technologie besonders, da die Energiekosten, nach den Lohnkosten, die zweithöchste Position bei den Ausgaben in der Gesamtkalkulation einnehmen. Jetzt haben die drei Projektpartner Stadtwerke Rostock AG, Vaillant und VNG nach anderthalb Jahren ein erstes Fazit gezogen. Rund 60 Pensionen, Hotels und Restaurants haben die Beratungsleistungen in Anspruch genommen, in zwölf Häusern wurden bzw. werden gerade neue BHKW installiert. Weil ÖkoEnergie damit auf einem guten Weg ist, haben die drei Partner das Pilotprojekt um zwei Jahre verlängert und sich mit dem Hocheffizienzpumpenhersteller Wilo SE und dem Fachverband Sanitär, Heizung, Klima Mecklenburg-Vorpom-

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LNG ahoi!

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m Schiffsverkehr zeichnet sich nach Angaben der Bundesregierung eine mögliche Umstellung der Kraftstoffba-

ist die Harmonisierung von Sicherheitsstandards und Genehmigungsverfahren.

sis von Schweröl auf Diesel sowie auf verflüssigtes Erdgas (LNG) ab. Das Bundesverkehrsministerium wird deshalb mit allen relevanten Akteuren eine Markteinführungsstrategie für LNG als Alternative zum Schweröl entwickeln. Im Fokus stehen dabei vor allem regionale und grenzüberschreitende Pilotprojekte. Ziel

LNG – die Zukunft der Schifffahrt? Experten erwarten, dass sich LNG zu einem bedeutenden Treibstoff in der Schifffahrt entwickelt. Laut einer Studie der dänischen Seeschifffahrtsbehörde wird allein der maritime Sektor in Nordsee, Ostsee und Ärmelkanal im Jahr 2020 rund vier Millionen Tonnen LNG verbrauchen. 5


Marktblick

Partner im Norden Seit der Unterzeichnung des ersten Erdgasliefervertrags vor 20 Jahren verbindet die VNG-Gruppe und seine norwegischen Partner eine erfolgreiche und vor allem auch facettenreiche Energiepartnerschaft im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich.

E nergetischer Fall der Mauer 1993 schließt die VNG den ersten langfristigen Liefervertrag für norwegisches Erdgas ab. Seit Lieferbeginn hat sie rund 55 Mrd. Kubikmeter norwegisches Erdgas erhalten. Früher wie heute bilden diese langfristigen Lieferverträge mit den norwegischen Partnern die wirtschaftliche Basis unserer Partnerschaft.

E in Norweger in Leipzig Zu Ehren des wohl wichtigsten norwegischen Musikers Edvard Grieg wurde 1998 in Leipzig ein Grieg-Verein gegründet. Seit 2005 gibt es auch eine Gedenk- und Begegnungsstätte, die von der VNG unterstützt wird. In Leipzig hatte Grieg studiert und jahrelang gelebt

S tudenten-„träume“ gehen in Erfüllung Die VNG unterstützt mit ihrer Initiative VNG-Campus ein internationales Forschungsnetzwerk. Mit dabei: Die norwegische Uni NTNU Trondheim, an der sich deutsche, tschechische und polnische Studenten ihren Traum vom Auslandssemester erfüllen können.

I nvestitionen in die Zukunft Seit 2006 investiert die VNG in die Erkundung und Erschließung von Erdgas und Erdölvorkommen auf dem norwegischen Kontinentalschelf. Die VNG Norge ist heute, nur sieben Jahre nach ihrer Gründung, ein verlässlicher und vor allem auch anerkannter E&P-Spezialist in Norwegen.

D as Aus für die „Dunstglocke“ Umweltfreundliches Erdgas – auch aus Norwegen – hat ein neues Versorgungszeitalter in Ostdeutschland eingeleitet. Es hat dabei geholfen aus einst kohleverschmutzten Großstädten attraktive Metropolen zu machen. Auch für das Gelingen der Energiewende ist „sauberes“ norwegisches Erdgas unverzichtbar.

D er „Schrei“ in Rostock Der norwegische Expressionist Edvard Munch verbrachte 1907/08 in einem alten Fischerhaus in Warnemünde eine intensive Schaffensperiode. Heute ist das Haus restauriert und dient als kulturelle Begegnungsstätte für Deutsche und Norweger. Die VNG ist einer der Förderer des Munch-Hauses.

Konsulatsangelegenheiten Im Hause der VNG in Leipzig befindet sich seit 1996 der Sitz des Honorarkonsulats des Königreichs Norwegen. Es ist zuständig für Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der VNG-Vorstandsvorsitzende ist seit 1998 traditionell auch Honorarkonsul.

E s waren einmal ein paar Ski, … … die der Norweger Rolf Wiborg Thune mit nach Oberhof brachte. Es waren die ersten in der thüringischen Stadt und sollten der Anfang einer engen Verbundenheit sein. Die Partnerschaft zwischen Oberhof und Lillehammer besteht seit 1993 und wird von der VNG unterstützt.

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Auf dem Weg zum Petroleum-Geologen VNG-Campus-Initiative vergibt 300. Stipendium seit 1994 | Freiberger Geologiestudent forscht mit VNG-Unterstützung an der technisch-naturwissenschaftlichen Universität Norwegens (NTNU) in Trondheim.

Text Simone Höfer, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

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ndreas Miller, Geowissenschaftler an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg handelt am liebsten nach dem Motto: „Selbst mit Hand anlegen“. An der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens (NTNU) in Trondheim, an der er seit September 2013 ein Auslandssemester absolviert, hat er die Möglichkeit dazu. „Hier gibt es neben den englischsprachigen Vorlesungen sehr viele Übungen, bei denen die Studenten geophysische Daten bearbeiten und auswerten können. Oder sie erheben sie sogar selbst.“ Für seinen Kurs Mineral Exploration Geophysics, auf Deutsch Geophysikalische Methoden im Bergbau, ist er zusammen mit seinen Kommilitonen und einem Magnetometer aufgebrochen, um die Schwankungen des Erdmagnetfeldes des Trondheim Fjords zu messen. Diese Werte können Hinweise auf bisher unentdeckte Erzlagerstätten liefern. Es ist nicht sein erster Auslandsaufenthalt. Schon vor seinem Masterstudium an der TU Freiberg hat Andreas Miller ein Jahr lang an der University of Oklahoma studiert, um sich auf dem Spezialgebiet der Erdöllagerstätten-Technik fortzubilden. Später reiste er für seine Bachelorarbeit 2011 als Werkstudent nach Usbekistan und untersuchte dort im Auftrag des

deutschen Tochterunternehmens des russischen Erdgasrunternehmens Gazprom eine Gaslagerstätte. Kurz vor dem Abschluss seines Masterstudiums krönt er seine Ausbildung mit einem Auslandssemester an der größten technischen Universität Norwegens: „Ich will weiter internationale Erfahrungen sammeln“, sagt Miller, „und Kurse auf dem Gebiet der Erdöl-Geologie absolvieren. Kurse wie zum Beispiel Petroleum-Geologie oder Carbonat-Charakterisierung, die die auf Erze spezialisierte Freiberger Universität nicht anbietet.“ Eine große Hürde waren die hohen Lebenshaltungskosten in Norwegen. Das Auslandsamt der TU Bergakademie Freiberg riet ihm, sich bei der VNG-Stiftung für ein Stipendium zu bewerben. Sein Freiberger Professor konnte ihn aufgrund seiner guten Studienleistungen empfehlen und so wurde Andreas Miller als Stipendiat ausgewählt. Er ist der 300. Stipendiat des Förderprogramms VNGCampus, das VNG schon im Jahr 1994 initiiert hat. Seinem Berufswunsch Petroleum-Geologe ist Andreas Miller mit dem Auslandssemester in Norwegen einen Schritt näher gekommen. Wenn er im kommenden Jahr sein Masterstudium in Freiberg abgeschlossen hat, möchte er bei einem Erdölförderunternehmen im Bereich Exploration und Produktion arbeiten. Dann wird es seine Aufgabe sein, neue Erdölvorkommen zu

suchen und zu beurteilen, ob sich eine Förderung für das Unternehmen lohnt. Sein Beruf wird ihn voraussichtlich weiter um die Welt schicken. Dafür ist er nicht nur fachlich gut gerüstet, auch seine internationalen Kontakte und seine guten Sprachkenntnisse werden ihm weiterhelfen. Mit seinem Berufswunsch geht Andreas Miller zurück zu seinen Wurzeln. Der 28-jährige wurde in der nordwestrussischen Stadt Uchta geboren. Eine mittelgroße Stadt inmitten von Taiga und Tundra, die in den 30er Jahren eigens gegründet wurde, um die reichen Öl- und Gasvorkommen in der Region zu heben. „Mein Vater arbeitete in Uchta als Bohrarbeiter in der Erdölförderung. Das hat mich geprägt“, erzählt Miller.

Info VNG hat die Initiative VNG-Campus im Jahr 1994 ins Leben gerufen. Ziel ist es, jungen Studierenden internationale Erfahrungen zu ermöglichen und den wissenschaftlichen Austausch zwischen den Technischen Hochschulen in Freiberg, Trondheim, Prag und Krakau zu fördern. Neben Auslandspraktika, Auslandssemestern, Sprachkursen und Forschungsprojekten werden über das Förderprogramm auch Gastvorlesungen sowie die Teilnahme junger Wissenschaftler an internationalen Konferenzen finanziert. www.vng-campus.de 7


Marktblick

Modelloffensive geht weiter

Fahrzeugbranche bringt neue Modelle mit größerer Reichweite auf den Markt.

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och vor wenigen Jahren war Bioerdgas im Tank eine Seltenheit. Inzwischen gibt es den grünen Kraftstoff an immer mehr Tankstellen. Laut des Branchenverbands „erdgas mobil“ bieten aktuell 170 der deutschlandweit 920 Erdgastankstellen reines Bioerdgas an. An weiteren 160 Zapfsäulen wird es beigemischt. Erdgas als Kraftstoff hat schon eine sehr gute Umweltbilanz, weil es bis zu 25 Prozent weniger CO2 als Benzin verursacht. Mit reinem Bioerdgas sinkt der CO2-Ausstoß sogar um bis zu 97 Prozent. Im Vergleich zu Diesel entstehen rund 95 Prozent weniger Stickoxide. Feinstaub wird nahezu gar nicht emittiert. Übrigens: Auch die VNG-Erdgastankstellen GmbH bietet an allen Standorten 100 Prozent Bioerdgas als Kraftstoff an. www.erdgastanken.vng.de

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aufleben. Neu hinzukommen im Mittelklassesegment auch der VW Golf und der Seat Leon. Auffällig bei allen Modellen: Die Gesamtreichweiten im kombinierten Erdgas- und Benzinbetrieb sind mittlerweile sehr hoch und liegen teilweise bei über 1.200 Kilometern. Auch wenn das Erdgastankstellennetz in Deutschland mit etwa 920 Tankstellen flächendeckend ausgebaut ist, dürften die hohen Reichweiten der neuen Erdgasfahrzeuge damit für mehr Gelassenheit beim Tanken sorgen.

400 km

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uf der IAA in Frankfurt wurde eines ganz deutlich: Erdgasfahrzeuge sind weiter auf dem Vormarsch. Sichtbares Zeichen sind zum einen die steigenden Zulassungszahlen: Im ersten Halbjahr 2013 wurden 4.250 Fahrzeuge zugelassen und damit 1.350 mehr als im Vorjahreszeitraum. Zum anderen steigt auch die Anzahl der Fahrzeugmodelle. Fiat bietet den Minivan 500 L mit Erdgasantrieb an, Audi hat mit dem A3 sein erstes Erdgasfahrzeug überhaupt an den Start gebracht und auch Mercedes lässt seine E-Klasse mit Erdgasantrieb wieder

größere


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Gelb powert!

Frank Stumpf ist Abteilungsleiter Projektentwicklung & Rohstoffe

Eine gelbe Blume – die „Durchwachsene Silphie“ – könnte die Energiepflanze der Zukunft sein. Sie hat genauso viel Energie wie Mais in sich gespeichert, ist aber wesentlich unkomplizierter in der „Aufzucht und Haltung“. Wir haben bei Frank Stumpf von der Schmack Biogas GmbH nachgefragt, was es mit der Powerpflanze auf sich hat und wie aus ihr Bioerdgas wird.

Woher stammt die Idee, die „Durchwachsene Silphie“ als Energiepflanze zu nutzen? Schon in den 70er Jahren wurde die Durchwachsene Silphie als Alternative in der Rinderfütterung in Feldversuchen getestet. Die Erträge und Nährstoffgehalte der Silphie waren vielversprechend, leider haben die Kühe sie wegen ihrer Behaarung verschmäht. Da jedoch die Mini-Lebewesen im Biogas-Fermenter sehr gut mit diesem Futter zu Recht kommen, wird nun geprüft, ob sich Silphie als Energiepflanze eignet. Was macht die gelbe Powerblume so besonders? Wie der Mais zeichnet sie sich durch eine hohe Biomasse und eine hohe Biogasausbeute aus. Im Vergleich zum einjährigen Mais ist sie in ihrer Pflege aber weitaus unkomplizierter. Besonders an trockene Standorte

kann sie sich gut anpassen, da sie Wasser nicht nur über den Boden, sondern auch über ihre becherförmigen Blätter aufnimmt. Silphie ist eine sogenannte Dauerkultur und kann mindestens zehn Jahre lang regelmäßig geerntet werden. Sie verwertet Dünger sehr effektiv und kommt ab dem zweiten Jahr ganz ohne Pflanzenschutzmittel aus. Zudem blüht Silphie sehr lange und ist damit als Bienenweide geeignet. Auf vielen Ackerflächen mit schlechten Bodenbedingungen muss man einen sehr hohen Aufwand betreiben, um überhaupt etwas zu ernten. Silphie kommt hier besser als andere Nutzpflanzen mit schwierigen Umweltfaktoren zurecht und ist somit eine wertvolle Alternative für den Landwirt. Wenn sie besser als Mais für die Biogasproduktion geeignet ist, warum wird sie dann noch nicht flächendeckend genutzt? Bisher ist der Anbau von Silphie meist auf Versuchsparzellen beschränkt. Langzeiterfahrungen in unseren Klimaregionen gibt es noch nicht. In Europa wird der Mais seit Jahrzehnten auf mehreren Millionen Hektar angebaut. Der Landwirt weiß, wie man Mais sät, pflegt und erntet. Bei Silphie

muss man das alles erst noch erproben. Bisher müssen wir die Jungpflanzen auspflanzen, weil wir noch kein etabliertes Saatverfahren gefunden haben. So wurden zum Beispiel die jungen, in einer Gärtnerei gezogenen Pflanzen im letzten Jahr noch per Gemüsepflanzmaschine mit viel Handarbeit ausgebracht. Wird Erdgas bald gelb? Oder anders: Wie sieht Ihre „Silphie-Prognose“ für die nächsten fünf Jahre aus? Silphie muss sich jetzt in der Landwirtschaft beweisen. Wird sie die hohen Biomasseerträge der Versuchsparzellen auch in der Praxis erreichen? Finden wir ein Verfahren für die Aussaat? Wird mit der Silphie im Biogasfermenter wirklich genauso viel Gas erzeugt wie mit Mais? Wenn wir in den nächsten fünf Jahren darauf zufriedenstellende Antworten finden, dann haben wir gute Ansätze, um das grüne Bioerdgas aus Biomethananlagen noch ein bisschen bunter zu machen. Vor allem aus ökologischen Gesichtspunkten sehen wir die Durchwachsene Silphie als potenzielle Alternative zu den bisher gängigen Energiepflanzen.

Durchwachsene Silphie Name Silphium perfoliatum Familie Korbblütler Herkunft Nordamerika Blütezeit Juli–September Schmack Biogas GmbH Die Schmack Biogas GmbH aus Schwandorf ist einer der führenden deutschen Anbieter von Biogasanlagen. Seit 1995 setzt das Unternehmen den Standard für Biogasanlagen mit hoher Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Weltweit wurden über 300 Anlagen errichtet. Seit Januar 2010 ist Schmack Biogas ein Unternehmen der Viessmann-Gruppe. 9


Titelthema

Mikro-BHKW

Gas-Brennwertger채t

W채rme

Smart Home Gas-W채rmepumpe

Brennstoffzelle Smart Grid Hybrid-Gas-Brennwertger채t

Strom Erdgas min

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Anatomie eines Hightech-Künstlers Wie der menschliche Körper ist auch die Wärmeversorgung heutzutage ein ausgeklügeltes System. Um leistungsfähig zu sein, setzt es Energie möglichst effizient ein. Ein anatomischer Blick zeigt, wie clever die Wärmeversorgung schon heute funktioniert und was noch alles möglich ist. Erdgastechnologien spielen dabei eine besondere Rolle.

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eine Entdeckung war einfach, seine Idee genial. Als der Müllermeister Richard Vetter aus Peine in den 1970er Jahren Wasser beim Verdampfen beobachtete, stellte er fest: Sobald der Dampf kondensiert, wird Wärme frei. Dieses physikalische Gesetz nutzte er für die Konstruktion eines völlig neuen Ofens. Vetter baute ihn so, dass er nicht nur die Hitze verwendet, die beim Verbrennen von Gas und Öl entsteht. Nein, der Ofen verwendete auch die 150 Grad heißen Abgase, die sonst ungenutzt durch den Schornstein gingen. Vetter leitete den Dampf über Wärmetauscher, ließ ihn abkühlen bis er kondensierte und heizte so auch noch Wasser auf. Fünf Millionen Mark investierte er in seine Idee. Als seine Brotfabrik abbrannte, steckte er fast die ganze Versicherungssumme in das Projekt. Der Einsatz zahlte sich aus. Richard Vetter revolutionierte die Heiztechnik und ebnete der Brennwerttherme den Weg. 1982 ging der erste Vetter-Ofen in Serienproduktion. 11


Titelthema

Brennwerttechnik ist die Schlüssel­ technologie im Wärmemarkt.

M üllermeister Richard Vetter: Brennwert statt Brotfabrik Richard Vetter verstarb im Jahr 2000, sein Vermächtnis ist gewaltig. Heute gilt die Brennwerttechnik als eine der effizientesten, umweltschonendsten und zuverlässigsten Heiztechnologien überhaupt. Sie setzt die Energie zu beinahe 100 Prozent um, spart gegenüber Niedertemperaturheizkesseln bis zu 30 Prozent ein und ist nach mehr als zwanzig Jahren auch technisch ausgereift. Heute basiert knapp ein Fünftel aller deutschen Heizungen auf der Brennwerttechnik. Bei den neu angeschafften Heizungen liegt die Brennwerttechnik sogar noch deutlicher vorn. Hier hat sie einen Anteil von 66 Prozent. Als Nummer eins unter den Brennwertheizungen hat sich die Gasbrennwertheizung etabliert. Im vergangenen Jahr sind rund 400.000 neue Geräte in die deutschen Keller eingezogen, das sind fast 60 Prozent aller neuen Wärmeerzeuger. Der Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) sieht die Brennwerttechnik als „Schlüsseltechnologie“ im Wärmemarkt. Weil sie so viel aus dem Brennstoff herausholen, wird sich die Zahl der Brennwertgeräte BDH-Prognosen zufolge bis 2030 auf 10,6 Millionen fast verdreifachen.

Sind die technischen Möglichkeiten damit ausgereizt? Ja und nein. Mehr Wärme lässt sich aus einer Brennwerttherme zwar kaum herausholen. Allerdings lässt sich bei der eingesetzten Energie sparen – mit sogenannten Hybrid-Systemen.

Hybrid-Systeme: Denn auch der Mensch lebt nicht vom Brot allein Schon in der Bibel stand: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Bekommt ein Körper ausschließlich Kohlenhydrate, so ist er nicht ideal ernährt – und weniger leistungsfähig, als er sein könnte. Die Bibel empfiehlt neben dem Brot vor allem auch gesunde geistliche Nahrung. Ob das reicht, ist Glaubenssache. Unumstritten ist hingegen, dass der Körper auch Vitamine, Mineralstoffe, Eiweiße und Fette braucht. Der richtige Mix macht’s. Ähnlich ist es bei Heizungen. So kombinieren etwa Hybrid-Systeme verschiedene Wärmequellen miteinander – in der Regel herkömmliche Brennstoffe und erneuerbare Energien. So speichern sie Wärme auf Vorrat. Die Techniken gibt es bereits in zahlreichen Varianten, wobei sich die Kombination aus Erdgas-Brennwert und Solar als Standard etabliert hat. Dabei erzeugen die Brennwertheizung und die

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Brennwertgeräte nutzen nicht nur die Wärme beim Verbrennen der Energierohstoffe, sondern auch die Kondensationswärme (latente Wärme) der Verbrennungsabgase. Damit setzt die Brennwerttechnik die Energie zu fast 100 Prozent um.

Warmwasser

Die Fakten  ca. 30 Prozent Energieersparnis  ca. 15 Prozent mehr Wirkungsgrad  Breite Modellpalette für alle Anwendungsbereiche  Ausgereifte Technik  Platzsparende Geräte  Kombination mit Erneuerbaren möglich

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Erdgasbrennwertkessel Wärmespeicher

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Raumheizung


medium gas 3 | 2013 Über 1.500 Stunden scheint die Sonne im Jahresdurchschnitt – ideale Voraussetzungen also für die Erdgas-Solar-Heizung. Die Solarkollektoren auf dem Dach und der Erdgas-Brennwertkessel sorgen gemeinsam für die Wärme im Haus. Der Kessel springt erst an, wenn die Sonnenstrahlen nicht mehr ausreichen, um das Wasser zu erwärmen. Die zentrale Einheit im System ist der Wärmespeicher.

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Die Fakten  Solar liefert rund 60 Prozent fürs warme Wasser und rund 20 Prozent für die Heizung  Schrittweiser Ausbau der Hybridheizung möglich  Vielzahl an fertigen Systemlösungen

Warmwasser

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Erdgas

ERDGAS-Solar-system Solarkollektoren die Wärme gemeinsam. Im Sommer liefern die Kollektoren genügend Energie für Heizung und Warmwasser und der Brennwertkessel bleibt aus. Er springt erst an, wenn die Sonnenstrahlen nicht mehr ausreichen. In den letzten Jahren stieg die Zahl von Hybridheizungen in Deutschland stark, vor allem die Zahl solarthermischer Anlagen nahm enorm zu. Mittlerweile sind rund 1,8 Millionen solcher Heizungen auf den Dächern der Republik installiert. Die Gesamtfläche der Kollektoren beträgt 16,5 Mio. m². Zusammen bringen sie eine Wärmeleistung von 11,5 GW – Tendenz steigend. Auch die erdgas- oder strombetriebene Wärmepumpe spielt eine immer wichtigere Rolle. Immerhin zieht sie bis zu 75 Prozent ihrer Energie „kostenlos“ aus dem Erdreich, der Luft oder dem Grundwasser. Die restliche Energie kommt aus der Erdgasleitung oder der Steckdose.

Das Blockheizkraftwerk: Wenn Köpfe rauchen und Hotels heizen Aus seiner Nahrung schöpft der Mensch Energie und setzt sie für verschiedene Zwecke ein. So muss er etwa seine Temperatur konstant halten, die Muskeln bewegen, die Nerven auf Trab halten und das Gehirn versorgen. Auch dort wird verbrannt. Nicht umsonst raucht einem nach angestrengter Denkleistung der Kopf. Ähnlich verhält es sich mit der Heiztechnik. Auch hier ist es möglich, die eingesetzte Energie für verschiedene Zwecke zu

verwenden. Bestes Beispiel sind Blockheizkraftwerke (BHKW). Sie arbeiten ähnlich wie industrielle Großkraftwerke nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Mit dieser Technik holen sie aus dem Brennstoff nicht nur Wärme heraus, sondern produzieren auch Strom. „Damit lassen sich 30 bis 40 Prozent Energie gegenüber der getrennten Strom- und Wärmeerzeugung sparen“, sagt Marek Preißner, VNG-Experte aus dem Bereich Technische Dienstleistungen. Der Betrieb von BHKW ist mit verschiedenen Brennstoffen möglich, unter anderem mit Erdgas, Flüssiggas oder Heizöl. „Betreibt man die Geräte mit umweltfreundlichem Erdgas, reduziert sich auch der Kohlendioxidausstoß um mehr als 30 Prozent“, erklärt Preißner weiter. Die BHKW-Geräte gibt es in vielen Varianten – von so genannten Mini- und Mikro-BHKW bis zu Anlagen, die über ein Nahwärmenetz ganze Stadtteile oder Industriegebiete mit Strom und Wärme versorgen. Gerade im mittleren Leistungsbereich sind sie seit vielen Jahren vor allem im Gewerbe im Einsatz. „Besonders für die Nahwärmeversorgung sind BHKW heute eine echte Alternative, etwa bei der Sanierung von Bestandsgebäuden, im Neubau von Wohnobjekten- und in Gewerbegebieten“, sagt Preißner. Die Möglichkeit, sich mit Strom und Wärme zu versorgen, komme immer besser an. Lohnen würde sich die Technologie vor allem für diejenigen Verbraucher, die konstant viel Warmwasser verbrauchen. Für den Einsatz in Ein- und Zweifamilienhäusern

Erdgasbrennwertkessel Wärmespeicher

Raumheizung

Die Kombination aus Erdgas-Brennwert und Solar hat sich als Standard etabliert.

BHKW holen noch mehr aus dem Brennstoff heraus.

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Titelthema Im BHKW wird Erdgas in einem Motor verbrannt und damit ein Generator angetrieben. Der Generator liefert den Strom, die Verbrennungswärme wird in den Heizkreislauf überführt. KWK-Anlagen können aber nicht nur Wärme erzeugen, sondern auch Kälte. Dabei treibt die Wärme aus der KWK-Anlage während der Sommermonate eine Kältemaschine an. Die kühlt nicht nur die Räume, sondern erhöht auch die Auslastung der KWK-Anlage in Zeiten schwacher Wärmenachfrage.

elektr. Strom

Warmwasser

Erdgas BHKW

Wärmespeicher

Raumheizung

Die Fakten  ca. 90 Prozent Gesamtwirkungsgrad  ca. 30 Prozent Energieersparnis gegenüber der getrennten Erzeugung von Strom und Wärme  Vielzahl an Geräten mit unterschiedlichen Leistungsklassen

BHKW BHKW

seien die Anlagen dagegen heute noch zu preisintensiv, meint Preißner. Jährlich werden derzeit circa 3.000 kleine KWK Anlagen installiert. Steigende Strompreise würden die Geräte aber auch hier über kurz oder lang attraktiv machen. Preißner plädiert dafür, die Anreize für die Markteinführungsphase deutlich zu erhöhen, um die Investitionskosten der Anlagen zu senken. Und auch das „Antragswesen“ müsse weiter vereinfacht werden.

Die Chemie stimmt und die Effizienz erst recht.

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Die Brennstoffzelle: Fit wie Kipsangs Oberschenkel Leistungssportler unterscheiden zwischen zwei Dingen: anaerob und aerob. Damit ein Muskel arbeiten kann, muss aus Glukose Energie gewonnen werden. Und dafür gibt es eben diese zwei Möglichkeiten. Die anaerobe kommt ohne Sauerstoff aus und hat einen Vorteil: Sie geht schnell. Der Haken: Sie ist wenig effizient – also eher etwas für 100-MeterLäufer oder Gewichtheber. Sie brauchen sofort Energie, müssen aber nicht lange durchhalten. Anders ist es bei der aeroben Energiegewinnung, für die Sauerstoff nötig ist. Sie dauert zwar länger, ist aber wesentlich effizienter. Also eher etwas für Marathon-Läufer. Im September stellte der Kenianer Wilson Kipsang in Berlin mit 2:03:23 Stunden einen neuen Weltrekord auf. Wer es so weit bringt, kann ein Lied vom effizienten Umgang mit Energie singen. Bei keiner der Methoden wird etwas verbrannt, beide gehen auf chemische

Reaktionen zurück. In der Heiztechnik lässt sich ebenfalls mit chemischen Reaktionen arbeiten – und die Effizienz ist genau so wie in Kipsangs Oberschenkeln. Denn auch wenn BHKW-Anlagen die derzeit beste Technologie zur flexiblen und klimafreundlichen Strom- und Wärmeerzeugung mit Erdgas sind und einen hohen Wirkungsgrad haben. In Sachen Effizienz ist immer noch Luft nach oben. Möglich machen das Heizungen mit Brennstoffzellen. Mit Gesamtwirkungsgraden von mehr als 95 Prozent gelten sie besonders für Ein- und Zweifamilienhäuser als die Heiztechnik und Energiequelle der Zukunft. In ihnen findet wie im Muskel keine Verbrennung mehr statt, sondern eine elektrochemische Reaktion. Neben ihrer Effizienz haben Brennstoffzellen noch weitere Vorteile. Sie arbeiten völlig ohne Mechanik und ohne Lärm. Hinzu kommt, dass ihre elektrische „Ausbeute“ gegenüber herkömmlichen KWK-Systemen deutlich höher ist. Während KWK-Systeme zwischen 15 und 25 Prozent der im Erdgas enthaltenden Energie in Strom umwandeln, schaffen Brennstoffzellen je nach Typ elektrische Wirkungsgrade von 30 bis 60 Prozent. „Das ist ökonomisch und ökologisch besser, weil Strom im Vergleich zu Wärme aufgrund seiner aufwendigen Erzeugung die wertvollere Energieform ist“, erklärt Dr. Marc-Simon Löffler vom Zentrum für Sonnenenergieund Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg in Stuttgart (ZSW). Seit Jahren testen ausgewählte Gerätehersteller und


medium gas 3 | 2013 In der Brennstoffzelle kommt es zu einer direkten Umwandlung der chemisch gebunden Energie des Brennstoffs in Strom und Wärme. Dabei findet keine Verbrennung mehr statt wie im BHKW. Grundvoraussetzung für die Brennstoffzelle ist Wasserstoff, dar aus wasserstoffreichem Erdgas gewonnen wird. Die Fakten  Elektrische Wirkungsgrade je nach Typ von 30 bis 60 Prozent  K aum Schadstoff- und Geräuschemissionen  Kein mechanischer Verschleiß  ca. 30 Prozent Energieersparnis gegenüber der getrennten Erzeugung von Strom und Wärme  Vorrangiger Einsatz in Ein- und Zweifamilienhäusern und Gebäuden mit niedrigem Wärmebedarf. Es gibt aber auch Brennstoffzellen für das Gewerbe.

elektr. Strom

Warmwasser

Brennstoffzelle Brennstoffzelle H

Erdgas

Gasaufbereiter Brennstoffzelle Wärmespeicher

Energieversorger die Brennstoffzellen für das Eigenheim, beispielsweise im bundesweit größten Praxistest „Callux“. Und auch im Aktionsbündnis Initiative Brennstoffzelle (IBZ) haben sich eine Vielzahl an Unternehmen und Initiativen zusammengeschlossen, um die Brennstoffzellentechnologie voranzubringen. Lange ließ der Erfolg auf sich warten. Doch jetzt hat der erste Hersteller ein serienreifes Geräte auf den Markt ge-

Raumheizung

bracht. Weitere Anbieter werden im Laufe des nächsten Jahres folgen. Bis solche Brennstoffzellen-Erfolge wie in Japan auch in Deutschland Realität werden, wird es aber sicher noch dauern. Im Land der aufgehenden Sonne sind bereits über 20.000 Brennstoffzellen-Heizgeräte in Eigenheimen installiert. Grund dafür ist unter anderem eine staatliche Förderung und eine gemeinschaftliche Vermarktung der unterschiedlichen Geräte.

Brennstoffzellen-Heizung: Fit für die Masse? Brennstoffzellen sind große Hoffnungsträger für eine saubere, dezentrale Energieversorgung. Doch während die Nutzung der Brennstoffzelle im Auto trotz wiederkehrender Ankündigungen der Automobilhersteller bis heute nur in Ansätzen realisiert ist, bewegt sich im Bereich der Brennstoffzellen-Heizgeräte für Eigenheime und Gewerbeeinheiten Einiges. Hersteller erzielen mit Praxistests erstaunliche Fortschritte bei Größe, Gewicht oder Nutzungsgrad. Eine breite Markteinführung in den kommenden Jahren wird zum realistischen Szenario.

Text Martin Jendrischik Fünf Jahre nach dem Start von Callux, dem großen Praxistest „Brennstoffzelle fürs Eigenheim“ sind die Fortschritte in der Effizienz-Technologie, die sowohl Strom wie auch Wärme erzeugt, unverkennbar. „Callux ist ein äußerst wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Serie“, berichtet Jens Wichtermann, Unternehmenssprecher von Vaillant. Der Remscheider Heizungsbauer gehört zu den Herstellern, die mit der Brenn-

stoffzelle den Heizungsmarkt umkrempeln wollen – in den kommenden Jahrzehnten. Im Rahmen vom Callux-Projekt testen fünf Energieversorger, darunter die VNG, bis heute mehr als 360 BrennstoffzellenHeizgeräte von Vaillant, Baxi Innotech und Hexis im Feld. Bis 2016 sollen ca. 200 weitere Anlagen hinzukommen. Ergebnis? „Bis heute wurden Erfahrungen aus mehr als 2,9 Mio. Betriebsstunden gesammelt“, weiß Ute Scholz, Hauptreferentin Technische Dienstleistungen bei der VNG. Sinkende Investitionskosten, höhere Anlagenverfügbarkeit, niedrigerer Wartungsaufwand, weniger Platzbedarf und eine deutliche Verbesserung der Nutzungsgrade wurden beispielsweise realisiert. „Wir erleben derzeit, dass auch die Handwerker sich für die neue Technologien öffnen“, erzählt Scholz von einer weiteren Veränderung am Markt. Doch trotz der positiven Entwicklung, kostet der Übergang vom Feldtest zur breiten Marktreife weiterhin noch Zeit. Mitte 2016 läuft das Callux-Projekt aus. Damit die erheblichen Preisunterschiede zur heute alltäglichen Brennwerttechnik vermindert werden, sind sowohl höhere

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Titelthema

Stückzahlen und Förderprogramme notwendig. Hier haben Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen inzwischen die ersten Schritte gemacht. Läuft die weitere Markteinführung optimal, könnte der Absatz laut Marktstudien auf ca. 70.000 Geräte pro Jahr in 2020 steigen. Für die Energiewende ist die Brennstoffzelle im Keller von besonderer Bedeutung: „Im Callux-Projekt testen wir mit der Callux-Box eine standardisierte Kommunikationsschnittstelle“, erklärt Dr. Marc-Simon Löffler vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg

(ZSW), das Callux wissenschaftlich begleitet. Neben der Erfassung relevanter Gerätedaten sowie der Fernwartung wird hiermit auch erprobt, wie mehrere Geräte zu virtuellen Kraftwerken zusammengeschaltet und je nach Bedarf gesteuert werden können. Ziel von Callux ist es, Heizungen auf Basis von Brennstoffzellen bis 2016 marktfähig zu machen. Der nächste Schritt ist der Aufbau von Lieferketten sowie die Schulung der Marktpartner. Damit aus dem erfolgreichen Feldversuch bald die EffizienzRevolution im Heizungskeller wird.

das Sagen die Experten

zur Brennstoffzelle

Philipp Klose, Geschäftsleitung Technik BAXI INNOTECH

„Brennstoffzellen-Heizgeräte zählen zu den Hocheffizienz-Technologien der Heizungsbranche. Die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme mit Gesamtwirkungsgraden von über 95 % führen zu höchsten Primärenergieeinsparungen.“

Dr. Jens Wichtermann, Unternehmenssprecher Vaillant

„Nahezu alle Hersteller verfolgen eigene Konzepte und Kooperationen mit Stack-Herstellern, um mehrere Brennstoffzellen in Reihe zu schalten. Hier liegen Potenziale für Kostensenkungen.“ Hinweis der Redaktion: Von einem Stack spricht man, wenn mehrere Brennstoffzellen in Reihe zusammengeschaltet werden.

Andreas Ballhausen, Sprecher der Initiative Brennstoffzelle

„Für eine erfolgreiche Markteinführung der namhaften europäischen Heizgerätehersteller ist die Förderung der innovativen Technologie durch entsprechende Marktanreize und Programme eine wichtige Voraussetzung.“

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medium gas 3 | 2013

Die kluge Verteilung: Eine Baderegel der Heiztechnik Kinder lernen schon für das Seepferdchen die wichtigsten Baderegeln. Eine heißt: Nach dem Essen zwei Stunden nicht ins Wasser. Und warum? Weil die Blutbahn des Körpers aus vielen verschiedenen Kreisläufen besteht, die je nach Bedarf zu- und abgeschaltet werden. Wenn der Verdauungsapparat zu tun hat, wird er vorrangig mit Blut versorgt. Andere Organsysteme bekommen dann weniger ab, Hochleistungssport und Badespaß sind also Tabu. Der Körper ist ein Meister darin, dieses System zu steuern und die Versorgung der einzelnen Systeme aufeinander abzustimmen. Auch das lässt sich auf die Heiztechnik übertragen. Denn wie gut die Geräte auch immer sind, ohne eine kluge Wärmeverteilung sind sie wenig wert. „Die Heizkreispumpe bringt die Wärme an ihren Bestimmungsort und ist somit ein wichtiger Teil für die Wirtschaftlichkeit und Effizienz einer Heizungsanlage“, sagt Ute Scholz, die bei VNG für innovative Gasanwendungen zuständig ist. „Ohne die richtige Verteilung der Wärme können auch die modernsten Heizungssysteme ihre Effizienzwerte nicht erreichen.“ Besonders wichtig ist hierbei der so genannte hydraulische Abgleich. Dabei werden die einzelnen Komponenten der Heizanlage exakt aufeinander abgestimmt, so dass die erforderliche Wärme nur dorthin gelangt, wo sie auch benötigt wird. Dazu gehört auch die Installation einer Hocheffizienzpumpe und das Anbringen von voreinstellbaren Ventilen an

den Heizkörpern. „Leider wird der hydraulische Abgleich selten durchgeführt“, sagt Scholz, „womit sich die Effizienz der gesamten Heizungsanlage deutlich reduziert.“

Zeolith: Der Wärmespeicher für kalte Zeiten Auch beim Speichern von Energie geht der Körper klug vor. In „guten Zeiten“ lagert er nicht verbrannte Nahrungsfette als Depotfette ein und wappnet sich so für schlechte Zeiten. Genauso klug wie die Energiespeicher im Körper könnten bald auch Speicher in Heizungsanlagen sein. Insbesondere an Langzeitspeichern wird derzeit intensiv geforscht. Wie die Depots des Körpers speichern sie Wärme, die etwa durch die Solarheizung im Sommer erzeugt wird und geben sie erst im Winter wieder frei. Eine sehr vielversprechende Möglichkeit bietet ein Material namens Zeolith. Es ist ein Silikat, das natürlich vorkommt und auch künstlich hergestellt werden kann. Seine besondere Eigenschaft: Bei Wärmezufuhr kühlt es ab, bei Wasserzufuhr setzt es Wärme frei. Für die Langzeitspeicherung ist das Prinzip ein Segen. Denn im Sommer kann das Material die Wärme der Solaranlage aufnehmen, die nicht gebraucht wird, weil die Heizung nicht läuft. Umgekehrt funktioniert es im Winter. Durch die Zufuhr von Wasser wird die gespeicherte Wärme wieder freigesetzt. Dieser Vorgang lässt sich beliebig oft wiederholen. Bisher können die Forscher viermal so viel Energie speichern wie in

Ohne eine kluge Verteilung sind die besten Heizgeräte ­ wenig wert.

Zeolith ist ein Segen für die Langzeit­ speicherung.

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Titelthema

Innovativer Wärmespeicher und noch mehr

Zeolith Zeolith

Der Begriff Zeolith (griech. „zeo“ ich siede, „lithos“ Stein) wurde vom Schwedischen Mineralogen Freiherr Axel Frederick Cronstedt geprägt. Zeolith gilt nicht nur als Basis für die Wärmespeicher der Zukunft. Weil es Flüssigkeiten und Gas adsorbieren, also in sich binden kann, wird es auch zum Entgiften und zum Schutz vor radioaktiven Strahlen genutzt. So wurden beispielsweise die Menschen in Hiroshima und Nagasaki mit Zeolith gegen die Folgen der radioaktiven Verstrahlung behandelt. Um den Reaktor in Tschernobyl baute man Betonbarrieren mit Zeolith, um die Strahlung abzuschirmen. In der Landwirtschaft und Tierhaltung werden Zeolithe auch als Dünge- und Futtermittel verwendet. Und selbst die Hightech-Industrie hat das Mineral für sich entdeckt. So nutzt die Firma Vaillant Zeolithe für ihre Zeolith-Gaswärmepumpe, Bosch und Siemens entwickeln damit unter anderem einen schnell trocknenden Geschirrspüler.

Pufferspeichern vergleichbarer Größe, theoretisch ist eine bis zu zehnmal so große Speicherfähigkeit möglich.

Schlaue Steuerung bringt mehr Intelligenz in den Wärmemarkt.

Smartes Hochhaus Wie Smart Home heute schon im groSSen Stil funktioniert, zeigt der New York Times Tower in Manhatten. Das Gebäude wird mit einer erdgasbetriebenen KWKAnlage beheizt und über eine intelligente Gebäude­automation gesteuert. So passen sich beispielsweise bewegliche Keramikelemente dem Sonnenlicht an und CO2-Sensoren erkennen, ob sich Personen im Raum befinden. Danach steuern sie Licht und Heizung. So erzielt der Wolkenkratzer bis zu 30 Prozent Energieersparnis gegenüber vergleichbaren Gebäuden. 18

Smarte Steuerung: Der Stoff zum Denken So wie es bei Heizgeräten und Speichermöglichkeiten immer mehr effiziente Lösungen gibt, sind in jüngster Zeit auch Entwicklungen vorangekommen, die mehr Intelligenz in den Wärmemarkt bringen. Diese laufen unter Bezeichnungen wie Smart Home, Smart House oder Smart Living. Das sind Systeme, die das Haus und alle technischen Geräte mit­einander vernetzen und via Smartphone, Tablet oder PC steuerbar machen. Als Vorbild dient das „schlaue“ Stromnetz (Smart Grid), das in den vergangenen Jahren in immer mehr Städten und Regionen entstanden ist und mit dem sich Energieflüsse in Echtzeit kontrollieren und messen lassen. Auch die interne Vernetzung im Haus hilft dabei, das Energiemanagement zu steuern. So können zum Beispiel das Licht im Haus oder die Temperatur in den Räumen geregelt werden. Zukunftsvisionen gehen sogar so weit, dass die Geräte die Verbrauchsgewohnheiten ihrer Nutzer erlernen oder die Heizung oder die Waschmaschine dann anspringen, wenn die Energiepreise niedrig sind oder man mit seiner eigenen KWK-Anlage Strom produziert.

So wirksam wie Steinkohle: Das virtuelle Kraftwerk Während solche umfangreichen Smart Home-Pakete noch Zukunftsmusik sind, sorgt ein anderes cleveres „System“ bereits jetzt für die schlaue Vernetzung von Strom- und Wärmewelt: Das virtuelle Kraftwerk. Es steht für ein simuliertes Zusammenschalten von vielen kleinen, dezentralen BHKW-Anlagen, Speichern und steuerbaren Energieverbrauchern. Die Energie vieler Anlagen wird so geschickt gebündelt, dass sie wie ein großes Kraftwerk agieren und konstant und vorhersehbar Strom produzieren kann. Im Klartext heißt das: Falls Windkraft- und Solaranlagen wetterbedingt ausfallen, werden die im virtuellen Kraftwerk angeschlossenen BHKW zu Stromlieferanten. „Jeder Haushalt mit einem Mikro-BHKW kann Wärme und Strom produzieren und überschüssigen Strom ins Netz einspeisen“, sagt Dr. Joachim Seifert vom Institut für Energietechnik der TU Dresden. „Würden wir zehn Millionen erdgasbetriebene Mikro-BHKW mit einer Leistung von vier kWel verbinden, hätten wir eine Leistung von 40 Gigawatt.“ Das entspräche etwa der Leistung aller deutschen Steinkohlekraftwerke. Seifert forscht an einem der wenigen regionalen virtuellen Kraftwerke, die sich nicht nur auf den Strombereich konzentrieren, sondern auch das Wärmemanagement im Haus intelligent integrieren. Aus technischer Sicht ist die Vernetzung der KWK-Geräte in den heimischen Kellern problemlos machbar, so Seifert. Die entscheidende Frage bestehe


medium gas 3 | 2013

Maschine Mensch Der Mensch als Maschine war der Ansatz für die Gestaltung unseres Covers und des Schwerpunktbeitrags. In unseren Bildern haben wir dafür zwei Stränge angelegt. Die menschliche Intelligenz und die technische Intelligenz. Beides spielt im Wärmemarkt eine zentrale Rolle. Grundlage unseres Covermotives war übrigens eine real existierende Buderus-Brennwerttherme. Stilistisch inspiriert wurden wir von Giuseppe Arcimboldo, Julien Offray de La Mettrie und Fritz Kahn.

Gewinns

Unter allen Lesern verlosen wir drei Exemplare vom Buch „Fritz Kahn – Man Machine / Maschine Mensch“. Das Buch erschien zu Kahns 125. Geburtstag und enthält mehr als 350 eindrucksvolle Illustrationen aus seinen Büchern sowie Texten des Universalgelehrten der Weimarer Republik.

Gewinnspiel jedoch darin, wie sich die Mikro-KWK im Vergleich zur klassischen Heizung unter wirtschaftlichen und funktionalen Kriterien etabliert.

Der menschliche Verstand: Ohne ihn geht gar nichts Auch der gesunde Menschenkörper braucht immer einen Partner: Den gesunden Menschenverstand. Denn was nützen all die anatomischen Raffinessen oder die guten Ideen der Heiztechnik, wenn sie keiner nutzt? Deshalb spielt der Mensch in der nachhaltigen und effizienten Wärmewelt eine mindestens ebenso große Rolle wie Hightech-Geräte oder smarte Verknüpfungen. Immerhin ist es der Mensch, der die Energie nutzt, den Verbrauch steuert und mit seinem Verhalten Energie sparen oder verschwenden kann. Bis zu 30 Prozent an Energie ließe sich im Haushalt einsparen, wenn Menschen ein energiebewussteres Verhalten hätten. Einfache Maßnahmen wie das Abschalten elektrischer Geräte oder das Abschalten der Heizung, wenn man tagsüber nicht zuhause ist, könnten einen unnötig hohen Energieverbrauch verhindern. Der Faktor Mensch ist übrigens auch das entscheidende Kriterium bei den Diskussionen um die Heizungsmodernisierung in Deutschland. Drei Viertel aller Hausbesitzer mit alten, ineffizienten Heizgeräten, wollen derzeit nicht in die Modernisierung ihrer Anlagen investieren – und das, obwohl eine neue Heizung immer sparsamer ist als die alte Heizung. Deshalb, so das

Senden Sie uns einfach eine E-Mail an redaktion@vng.de oder eine Postkarte an VNG – Verbundnetz Gas AG | Braunstraße 7 | 04347 Leipzig | Stichwort Mensch-Maschine. Die Gewinner werden benachrichtigt.

einstimmige Credo von Energieexperten, müssen die Hauseigentümer auch bei der Heizungsmodernisierung von den Vorteilen des Austausches überzeugt werden. „Um ihn dafür zu gewinnen, muss man ihm einen Mehrwert vermitteln und das enorme Einsparpotenzial durch Information und Kommunikation sichtbar machen“, sagt Werner Willmes Vorstand vom Verein Zukunft Erdgas. Ein Ansatz für mehr Sichtbarkeit der Effizienz wird spätestens ab 2015 starten. Dann werden alle Heizgeräte und Warmwasserbereiter mit der Effizienzklasse und einer Farbskala von Grün bis Rot versehen. „Das neue Energielabel wird die Wahl nach der sparsamen Heizung wesentlich erleichtern“, sagt Willmes. Es könne wesentlich dabei helfen, dass Haushalte mehr über die Wirtschaftlichkeit moderner Heiztechniken erfahren. Die bunten Effizienzplakette werde die Wärmewelt zwar nicht in dem Maße energetisch revolutionieren wie es die Hightech-Heizungen geschafft haben. „Aber“, so Willmes, „sie ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.“ Farbplakette hin oder her, eines ist Fakt: Effiziente, klimafreundliche und flexible Erdgastechnologien haben ein ganzes Paket an Leistungen für den Wärmemarkt und machen die Energiewende im energieintensivsten Bereich schon heute zum Alltag. Ihren Einsatz zu verstärken - auch das wäre ein weiterer wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Der Mensch spielt in der nachhaltigen Wärmewelt eine ebenso groSSe Rolle wie HightechGeräte.

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WISSEN

Marktver­ständnis statt Bauchgefühl Hohes Tempo bestimmt den Arbeitsalltag von Händlern, die Erdgas an den Spot- und Terminmärkten kaufen und verkaufen. Aber: Nicht nur Schnelligkeit ist Trumpf, sondern auch ein gutes Marktverständnis und ein gewisses Gespür für den richtigen Kurs. VNG-„Cheftrader“ Marco Penzhorn erklärt, wie sich der Energiehandel bei VNG entwickelt hat und worauf es beim Geschäft an den Großhandelsmärkten ankommt.

Text Claudia Koslowski

R

egelmäßig ist Marco Penzhorn in den europäischen Hauptstädten unterwegs, um sich mit seinen Handelspartnern zu treffen. Für den Leiter des Bereiches Trading bei der VNG sind diese Termine in London, Berlin, Brüssel oder Paris unerlässlich im elektronischen Handelsalltag. „Geschäftsbeziehungen nehmen eine andere Qualität an, wenn man sich von Angesicht zu Angesicht kennen lernt und so auch neue Geschäftsmöglichkeiten ausloten kann“, sagt er. Das erhöhe das Vertrauen, insbesondere wenn man Handelstransaktionen originär nur vor bunt flackernden Bildschirmen oder am Telefon abwickele. Tägliche Zahlenflut Der eigentliche Arbeitsalltag von Energiehändlern wie Marco Penzhorn ist die „virtuell-digitale“ Welt aus elektronischen Broker- und Börsensystemen und klingelnden Telefonen. Im Tradingfloor, einem Großraumbüro, wo er mit seinen Kollegen arbeitet, fließen rund um die Uhr Informationen über Preise, Kurse oder Marktentwicklungen zusammen, die sie sichten, einordnen und bewerten müs20

sen. Sie filtern aus der Flut von Zahlen und Kurven heraus, was relevant ist und was Märkte bewegen wird. „Oft haben unsere Trader einen Broker am Telefon, schließen gleichzeitig per Mausklick einen Deal ab und schauen zusätzlich noch auf aktuelle Marktdaten“, erzählt Penzhorn. Das sei zwar sehr herausfordernd, biete aber auch jeden Tag wieder neue Situationen. Besonders spannend gehe es zwischen zehn und zwölf Uhr zu, wenn die meisten Transaktionen abgeschlossen werden. Optimieren statt Spekulieren Wie aber wissen Gashändler, wann sie kaufen oder verkaufen müssen? Und: Braucht man als Gashändler nicht auch eine gewisse „Zockermentalität“ und ein gutes Bauchgefühl? „Nein“, sagt Marco Penzhorn, „mit Spekulationen und Bauchentscheidungen hat unser Geschäft zumindest bei der VNG nichts zu tun.“ Entscheidend für die Arbeit als Gashändler sei vielmehr, den Markt zu verstehen, seine verschiedenen Einflussfaktoren zu kennen und eine gewisse Handelsmentalität zu haben. Bei den Geschäften des Bereiches Trading ist zudem in aller Regel eine physische Lieferung vorhanden, so dass kein Risiko besteht. „Bei uns heißt

Erdgas zu handeln ganz klar, wirtschaftlich zu optimieren und dabei Gegenwart und Zukunft im Auge zu behalten“, fasst er den Grundsatz im Unternehmen zusammen. Deshalb stehen alle Nachrichten, die Angebot und Nachfrage beeinflussen können, im Fokus. Das können zum Beispiel Daten über die Verfügbarkeit von Transportkapazitäten sein, die Wirtschaftsentwicklung, das Wetter und die politische Lage. Einfach sind die Kauf- und Verkaufsentscheidungen in keinem Fall, schließlich sind die preisbildenden Faktoren am Markt sehr komplex. Marktpreise setzen sich unter anderem aus Speichermöglichkeiten, Strukturierungen, Mengenflexibilitäten, Temperaturen, Ölpreisen oder globalen Entwicklungen beim Wirtschaftswachstum zusammen. Wenn beispielsweise Wartungsarbeiten auf Feldern in Norwegen stattfinden, dadurch die Gasproduktion gedrosselt werden muss und weniger Gas zur Verfügung steht, hat dies eine preissteigernde Komponente. „Um Preisentwicklungen in einem bestimmten Markt zu verstehen, ist es wichtig, die Angebots- und Nachfragesituation zu analysieren, den Fokus globaler zu setzen, ein Stück rauszuzoomen und zumindest


medium gas 3 | 2013

„Mit Spekulatio­ nen und Bauch­ entscheidungen hat unser Geschäft zumindest bei der VNG nichts zu tun.“ die europäische Karte im Blick zu haben“, erläutert Marco Penzhorn. Von Beginn an dabei In den vergangenen zwölf Jahren hat die VNG die Entwicklung des Gashandels in Deutschland und Europa hautnah miterlebt. Das Unternehmen gehörte zu den Händlern der ersten Stunde und auch Marco Penzhorn spürte damals die Aufbruchsstimmung. Deshalb tauschte er seine Arbeit bei einer Bank gegen eine neue Herausforderung bei der VNG ein. Dort legte er auch den Grundstein für erste Handelsaktivitäten. „2002 haben wir erste Transaktionen zumeist im Ausland durchgeführt. Das Gas mussten wir dabei durch bis zu vier Systemen transportieren, bis es dann unseren Kunden zur Verfügung stand“, erzählt er von den Anfängen. Eine große Erleichterung sei 2006 die Einführung des Entry-Exit-Modells auch in Deutschland gewesen, womit sich das Abrechnungssystem für Transportkapazitäten wesentlich vereinfachte. Im Zuge dieser Entwicklung konnte die VNG die ersten Gashändler einstellen und den Trading­floor aufbauen. Heute besteht das Team aus sechs Händlern und vier Mitarbeitern, die sich um die Verhandlungen

von Rahmenverträgen, Börsenzulassungen, den IT-Bereich und Reportingpflichten kümmern. Ein- und Verkauf an VHPs und Hubs Wie und wo können Penzhorn und seine Trading-Kollegen das Erdgas jetzt aber kaufen und verkaufen? „Wir haben verschiedene Möglichkeiten und können beispielsweise an den Spot- und Terminbörsen, wie der EEX oder am OTC-Markt, also direkt mit unseren Handelspartnern handeln. Bei VNG sei der Handel auf jeden Fall stark vom OTC-Geschäft und damit außerbörslich dominiert. Dabei einigen sich Käufer und Verkäufer bilateral auf eine Transaktion. Der Geschäftsabschluss kommt telefonisch oder über Brokerplattformen zustande. Die Handelstransaktionen werden auf Grundlage von Rah-

Glossar Virtueller Handelspunkt: Der VHP ist ein fiktiver Lieferpunkt bzw. Übergabepunkt für Erdgas. Hub: Zentraler Marktplatz für Erdgas, oftmals in der Nähe eines Pipelineknotenpunktes gelegen (z. B. Zeebrügge Hub). Flansch: Physischer Pipelineknotenpunkt bzw. Übergabe- und Messpunkt für Erdgas. Hier werden bzw. wurden auch teilweise Gasmengen gehandelt (flansch-basierter Gashandel). OTC: Over-the-Counter steht für den bilateralen, außerbörslichen nichtstandardisierten Handel. 21


Wissen

„Der Erdgashandel an den OTC-Märkten und Börsen ist menverträgen, meist auf Basis des EFET General Agreement Gas, an physischen Flanschen oder an virtuellen Handelspunkten beziehungsweise Hubs abgewickelt. Typische OTC-Handelsprodukte sind Bandlieferungen mit Lieferzeiträumen von einem Tag („Day Ahead“) bis zu Kalender- oder Gaswirtschaftsjahren. Darüber hinaus werden „Over The Counter“ auch strukturierte Produkte gehandelt. „VNG arbeitet mit einer Vielzahl an europäischen Marktpartnern zusammen und ist an allen virtuellen Handelspunkten und an den bedeutenden physischen Import- und Exportpunkten in Europa als Gashändler aktiv“, erzählt Penzhorn. Zu ersteren zählen unter anderem die deutschen Handelspunkte Gaspool und NCG, der belgische Zeebrugge Hub, der

Gashandel in Europa Erdgas wird in Europa in verschiedenen Marktgebieten gehandelt, jedes ein Zusammenschluss mehrerer Fernleitungsnetzbetreiber und nachgelagerter Netzbetreiber. Die Marktgebiete haben virtuelle Handelspunkte, VHP genannt. Nur wenn eine Vielzahl von Marktteilnehmern wie Produzenten, Händler und Banken entsprechende Mengen im Marktgebiet zur Verfügung stellen, gilt das Marktgebiet als liquide. In Europa ist derzeit der National Balancing Point (NBP) in Großbritannien der liquideste Handelspunkt. Innerhalb Kontinentaleuropas gewinnt der niederländische Handelspunkt TTF weiter an Bedeutung. Der deutsche Handelsmarkt mit den VHP GASPOOL und NCG ist der drittgrößte Handelsmarkt in Europa. 22

eine wichtige Voraussetzung, um den Kunden wettbe­ werbsfähige Produkte und Lösungen anbieten zu können.“ niederländische TTF oder der NBP in Großbritannien. Eine weniger große, aber nicht minder wichtige Ein- und Verkaufsmöglichkeit stellen für Penzhorn und seine Kollegen auch die Energiebörsen dar. Hier können Produkte am Spot- und Terminmarkt gehandelt werden. Käufer und Verkäufer bleiben dabei anonym. „VNG nutzt die Möglichkeiten des Börsenhandels mit Erdgas im Rahmen des täglichen Handelsgeschäftes“, so Penzhorn. Die dominierende Börse für Gashandel in Deutschland sei die EEX (European Energy Exchange) in

Leipzig, mittlerweile plane die VNG aber auch die Registrierung an der Londoner Börse ICE (Intercontinental Exchange). Hier sehe das Unternehmen großes Handelspotenzial, schließlich ist der britische Erdgasmarkt in der Liberalisierung bereits weit fortgeschritten und die Liquidität vergleichsweise hoch. Preissicherung und Marktzugang An den OTC-Märkten und Börsen bewegen Marco Penzhorn und seine Kollegen täglich viele tausend Megawattstunden – und das ganz im Sinne der Kunden des

Die wichtigsten virtuellen Handelspunkte in Europa GTF

DK GB TTF NBP

GPL

NL

ZBT

PL

DE

BE NCG

LU

PEG Nord

CZ

AT

CH

FR

Austrian VTP

HU

SL

PEG Sued

IT

PSV

AT Austrian Virtual Trading Point | BE ZBT (Zeebrugge Hub) | DE GPL (Gaspool), NCG (NetConnect Germany) | DK GTF (Gas Transfer Facility) | FR PEG Nord/PEG Sued (Point d’Echange de Gas) | NL TTF (Title Transfer Facility) | GB NBP (National Balancing Point) | IT PSV (Punto do Scambio Virtuale)


medium gas 3 | 2013

Unternehmens. „Mit dem Geschäft an den Großhandelsmärkten optimieren wir vor allem das VNG-Portfolio aus Einkaufs-, Verkaufs-, Transport- und Speicherverträgen. Das ist wiederum eine wichtige Voraussetzung, um den Kunden wettbewerbsfähige Produkte und Lösungen anbieten zu können“, erklärt Penzhorn. Die Kunden würden sogar zweifach vom VNG-Geschäft an den Großhandelsmärkten profitieren. Erstens durch die Absicherung von Preisschwankungen, die VNG für sie übernimmt. Und zweitens durch den Marktzugang, den die Kunden durch die VNG erhalten. Für den Handel an den OTC-Märkten und Energiebörsen müssen Unternehmen nämlich bestimmte Sicherheit vorweisen, die nicht alle haben. Vor allem kleinere Stadtwerke und mittlere Industriebetriebe brauchen deshalb einen Händler wie die VNG, der ihnen den Marktzugang und Gas zu Marktkonditionen bietet. Von Leipzig aus agieren Für Marco Penzhorn macht die Vielschichtigkeit seiner Arbeit einen besonderen Reiz aus. „Was mich anspornt ist die täglich neue Herausforderung, im europäischen Energiehandelsmarkt als relativ kleiner Händler unter ‚Global Playern‘ erfolgreich mitzuspielen und mit einer kleinen und feinen Mannschaft zu arbeiten. Genauso spannend ist es aber auch, von Leipzig aus international aktiv sein zu können.“ Seine nächste Geschäftsreise nach London ist übrigens schon geplant. Noch vor Weihnachten wird er sich in der britischen Metropole mit einigen Handelspartnern treffen, um neue Geschäftsmöglichkeiten auszuloten. Vertrauen ist gut in der virtuellen Gashandelswelt, persönlicher Kontakt eben noch besser!

Schwankungen ausgleichen für wettbewerbsfähige Angebote Dr. Steffen Rothe, Geschäftsführer der ENERGIEUNION GmbH, über die Vorteile durch den Handel von Erdgas an den Spot- und Terminmärkten.

Welche Chancen haben Stadtwerke und Industrieunternehmen durch den Handel mit Erdgas an den Großhandelsmärkten? In erster Linie können sie ihren Kunden damit wettbewerbsfähige Angebote unterbreiten. Außerdem können sie ihre Beschaffung optimal anpassen, wenn die Preise schwanken, sich ihre Kundenanzahl oder ihre Kundenstruktur verändert. Mit unseren Handelsplattformen bieten wir gerade kleineren Marktteilnehmern auf einfachste Weise die gesamte Produktvielfalt der Großhandelsmärkte an. Gibt es für Ihre Kunden auch Risiken bzw. Probleme im Großhandel? Ja, vor allem die Einschätzung der Marktsituation ist oftmals ein Problem, besonders dann, wenn zu lange mit der Entscheidung gewartet wird. Auch die internen Abstimmungsprozesse zwischen der Einkaufsund Vertriebsabteilung sind manchmal ein Risiko. Kundenangebote spiegeln oft nicht mehr die aktuelle Beschaffungssituation wieder und Einkaufsmengen werden meist zu spät mit den Daten der Kundenwechselprozesse abgeglichen.

Wie finden Stadtwerke die richtige Balance zwischen Chance und Risiko? Hier gibt es natürlich nicht die eine Lösung. Aber die Erfahrung mit unseren Stadtwerkekunden hat in den vergangenen 13 Jahren gezeigt, dass gerade eine Definition der wesentlichen Schnittstellen im Unternehmen für ein hohes Maß an Sicherheit in den täglichen Informationsprozessen sorgt. Gemeinsam haben wir Beschaffungsstrategien entwickelt, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen langfristiger Absicherung und täglicher Optimierung herstellen. Bei standardisierten Prozessen, wie dem Tageshandel, der Nominierung oder der Portfolio- und Risikoüberwachung, können diese Aufgaben auch an Dienstleister vergeben werden. Unsere Kunden sind sehr zufrieden mit dem Service der ENERGIEUNION.

ENERGIEUNION Die ENERGIEUNION ist ein deutschlandweit tätiger Energiehändler für Strom und Erdgas sowie handelsnahe Dienstleistungen. Das Schweriner Unternehmen bietet zudem auch Portfoliomanagement für Gas und Strom sowie über ihr Tochterunternehmen EnergieFinanz GmbH dazugehörige finanzielle Produkte an. Kunden sind Weiterverteiler, Kraftwerksbetreiber und Großabnehmer. Die ENERGIE­ UNION gehört zur Leipziger VNGGruppe. www.energieunion.de 23


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Zwickau atmet überall Historie, sagt der neue Geschäftsführer der Zwickauer Energieversorgung. Und: Die Sächsische Stadt ist ein Automobilmekka mit ganz viel „Power“.

Text Martin Hainbucher

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m Advent ist es im sächsischen Zwickau besonders anheimelnd: Die Altstadt ist festlich geschmückt, in den Einkaufsstraßen und auf dem Markt duftet es nach Schmalzgebäck und Mandeln, unzählige Lichter brennen. Die große Weihnachts­ pyramide mit den Bergmannsfiguren ist hier der Mittelpunkt, den die erzgebirgische Weihnacht so besonders macht. Wenn André Hentschel früh morgens die wenigen Meter von seiner Wohnung zu seinem Büro in einem gründerzeitlichen Geschäftshaus in der Bahnhofstraße zurücklegt, ist die Stadt gerade erst am Erwachen. Noch vor halb acht kommt die Tagespost auf den Tisch, dann ein kurzer Check, was sich an der Energiebörse tut, verbunden mit Entscheidungen über den Zukauf von Gas oder Strom, sofern die Preise günstig sind. Die Zwickauer Energieversorgung GmbH (ZEV) zählt eher zu den mittelgroßen deutschen Stadtwerken. André Hentschel, seit August als Geschäftsführer für Technik und Beschaffung bestellt, handelt daher nicht selbst an der Börse. „Das erledigen unsere Partner über spezielle Handelsplattformen für uns“, erklärt der Manager. Aber die Entscheidung trifft er selbst – immer in Abstimmung mit seinem kaufmännischen Geschäftsführer-Kollegen Volker 24

Schneider. Als Geschäftsführer des Kommunalversorgers muss Hentschel letztlich das Ergebnis verantworten, wenn die Unternehmenszahlen bilanziert werden. Denn für die Holding der Stadt sowie die Stadt Zwickau selbst ist der Überschuss im Millionenbereich aus den Lieferungen von Gas, Strom und Fernwärme ein Finanzierungsbeitrag zum Betrieb der Straßenbahn, der Busse und Bäder. Dazu muss Hentschel in diesem und im kommenden Jahr noch einmal jeweils rund fünf Millionen für Investitionen erwirtschaften, plus Geld für das breit angelegte Sponsoring. Der richtige Einkauf, das hat er schon als Student der Kommunal- und Energiewirtschaft in Zittau eingeimpft bekommen, entscheidet ganz wesentlich über den Erfolg eines Unternehmens. Doch wie man damit umgeht, dass sich der deutsche Energiemarkt so rasch verändert und viele Lehrsätze von gestern heute schon wieder falsch sein können, das konnte und musste er erst später im Alltag erlernen, als er seine Karriere in den städtischen Versorgern von Görlitz und Weißwasser begann. Acht Uhr beginnt täglich die Besprechung mit den Abteilungsleitern. Sie berichten, wie es auf den Baustellen vorangeht, was benötigt wird, wie die Anlagen laufen und welche Probleme absehbar sind. „Das geht an vielen Tagen recht zügig, weil ich kein


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Freund von langen Reden und auch nicht von einem Übermaß an Papier bin“, sagt André Hentschel. Aber das, was die Ingenieure und Techniker berichten ist für ihn zugleich ein wichtiger Erfahrungsschatz: „Ich lese natürlich so oft wie möglich die Fachzeitungen, bin mit den Verbänden im Dialog oder auch auf Tagungen, wo man sich mit Experten und Kollegen austauschen kann. Aber viel erfahre ich eben auch durch die Gespräche mit meinen Mitarbeitern, in deren kompetente Meinungen ich größtes Vertrauen habe“, erzählt er. Noch am Vormittag geht es nach draußen. Zunächst steht eine Besprechung mit Lutz Loos auf dem Programm, Bereichsingenieur für Fernwärme und Gas. Unter dessen fachlicher Aufsicht ist das derzeitige technische Glanzstück der ZEV Ende vergangenen Jahres ans Netz gegangen. Ein Biomassekraftwerk, das sowohl Fernwärme für die Stadt liefert als auch Strom erzeugt. Die weitgehend automatisierte Anlage verbrennt Holzhackschnitzel und Grünschnitt. Die Investition zahlt sich bereits für die Kunden aus. Vor einem Jahr konnten die Fernwärmepreise in Zwickau gesenkt werden. Loos spricht nur kurz mit seinem Chef, weist auf ein paar fällige Überprüfungen hin, ansonsten läuft alles rund. „Wenn ein neuer Chef kommt, sind natürlich im Vorfeld

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Die ZEV wurde 1991 gegründet und hatte sich anfangs nur auf die Fernwärmelieferung beschränkt. 1995 ist sie in die Stromversorgung eingestiegen, drei Jahre später auch in die Gasversorgung. Heute hat die ZEV im Stromsektor rund 57.700 Kunden. Im Gasbereich sind es 12.554 Abnahmestellen. 2012 wurden 403 GWh Strom, 899 GWh Erdgas und 204 GWh Fernwärme im Netzgebiet transportiert. Das Jahresergebnis 2012 lag bei 5,3 Mio. Euro (2011: 6,5 Mio.). Die ZEV beschäftigt 175 Mitarbeiter.

www.zev-energie.de

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Porträt

Zwickau –

Die Perle Südwest-

Am Zwickauer Rathaus hängt prunkvoll das Wappen der Stadt.

sachsens

Zwickau ist die Geburtsstadt von Robert Schumann. Überall erinnert die Stadt an ihren bekanntesten „Sohn“.

Der Zwickauer Dom wurde um 1180 erbaut – und ist damit fast so alt wie die sächsische Stadt.

immer einige skeptische Stimmen zu hören. Aber ich schätze die Kompetenz von Herrn Hentschel inzwischen sehr, er ist fit in technischen Fragen und entscheidet schnell“, sagt Loos. Für André Hentschel ist das Biomassekraftwerk ein Stück der Zukunftssicherung, allerdings nur ein Teil von vielen. „Wir haben natürlich noch andere Technik für die Energieerzeugung, wie zum Beispiel ein Blockheizkraftwerk, das mit Biomethan betrieben wird. Schließlich hängen fast die Hälfte der Wohnungen und auch öffentliche Gebäude am Fernwärmenetz. Und wir haben auch in andere Formen der erneuerbaren Energien investiert, indem wir uns an größeren Projekten mit Partnern beteiligt haben“, sagt er. Sogar eine Solartankstelle gibt es in der Stadt, zwei rein elektrisch getriebene VW up! sollen ab dem kommenden Frühjahr rollen. Doch das alles sei schließlich vor seiner Zeit auf den Weg gebracht worden, jetzt treibe ihn längst etwas anderes um: „Ich will als nächstes ein Contracting-Modell auf den Markt bringen, wie ich es schon aus meinem früheren Unternehmen kenne“, erzählt er. Spätestens bis Mitte nächsten Jahres soll dazu das Konzept stehen. Hentschel denkt unter anderem an Blockheizkraftwerke, die im autarken Inselbetrieb aus Gas besonders umweltschonend Wärme und Strom 26

erzeugen. „Das ist, wenn man die richtigen Bedingungen hat, letztlich auch ein durchaus profitables Geschäft“, versichert André Hentschel. Kurz nach Mittag steht ein ganz wichtiger „Antrittsbesuch“ auf dem Programm. Geschäftsführer Rudolf Vollnhals wartet schon im Foyer des August-Horch-Museums. Spätestens seit dem Neubau des Ausstellungs-Gebäudes gehört es zu einer der wichtigen kulturellen Institutionen in Zwickau. An den restaurierten Horch und DKW aus den Anfangsjahren kommt auch Hentschel bei seinem Geschäftsbesuch nicht ganz ohne gelegentliches Stehenbleiben und Staunen vorbei. Im Museum stehen absolute Raritäten wie ein Horch 930 S Stromlinie mit ausklappbarem Waschbecken. Und gleich nebenan, der blau lackierte H3A-Lkw aus den frühen 50er Jahren: Das weckt bei dem 43-jährigen sogar eine Erinnerung an die eigene Jugend: „Der sieht ja fast so aus wie der, auf dem ich mit 15 meinen Lkw-Führerschein gemacht habe“. Die Stadtwerke liefern von Anfang an Strom und Gas an das Museum, zu sehr guten Konditionen, wie Vollnhals bestätigt. Aber jetzt geht es um ein neues Projekt: Ein Erweiterungsbau ist bereits geplant, ein größerer Gasanschluss wird dafür ge-


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75.000 Besucher pro Jahr kommen ins HorchMuseum. Es erinnert an die Anfänge der sächsischen Automobilindustrie. Zwickau ist das Tor zum Erzgebirge. Die Holzschnitzkunst ist gerade zu Weihnachten allgegenwärtig.

Was macht für Sie den Reiz von Zwickau aus? Zwickau atmet überall Historie, was man sowohl an der großartigen Architektur als auch am HorchMuseum sehen kann. Zugleich verbindet sich hier das Alte mit Neuem, zum Beispiel durch das große, ständig wachsende VW-Werk oder dem studentischen Leben durch die Hochschule. Also ist Zwickau sogar eine kleine Reise wert? Ich denke schon. Wer an Autos interessiert ist, der wird sich im Horch-Museum sicher einige Stunden begeistern können, aber auch im Theater gibt es lohnenswerte Aufführungen. Wir haben auch zahlreiche sportliche Highlights. Die Stadt hat den großen Vorteil, im Umfeld großer kultureller Zentren wie Chemnitz und Leipzig zu liegen, gleichzeitig aber haben wir die Berge des Vogtlandes und das Westerzgebirge vor der Tür. Haben Sie bereits einen Lieblingsort? Ich lebe erst seit vier Monaten hier, und die Aufgabe als neuer Geschäftsführer lässt natürlich wenig Raum, die Stadt in allen Facetten kennenzulernen. Aber ich mag besonders den Park am Schwanenteich zum Ausspannen oder auch die Altstadt, in der es viele kleinere Geschäfte und gute Restaurants gibt.

braucht. „Der Gasanschluss mit 500 kW ist für uns schon eine sehr gute Größe, wir werden das schnell prüfen und dann auch realisieren, wenn alles so weit ist“, sagt Hentschel. Doch solche Entscheidungen fallen heute noch nicht, es geht erst einmal um ein grobes Kennenlernen der Pläne und Wünsche, aber auch der Entscheider. In den ersten Wochen als Geschäftsführer hat Hentschel viele Klinken geputzt, hat sich nicht nur mit der Oberbürgermeisterin und Chefin des Aufsichtsrates Pia Findeiß über die Strategie abgestimmt, sondern auch Beigeordnete und Unternehmer getroffen. „In einer Position als Geschäftsführer wird man natürlich von allen Vereinen, Schulen und auch vielen Unternehmen ständig umworben, weil wir einer der wichtigsten Sponsoren sind“, sagt Hentschel. Das Geld ist für die Handballfrauen (2. Bundesliga), das Zwickauer Stadtfest oder das große Kinderfest gut angelegt, denn auch dadurch erleben die Bürger die Verwurzelung des Unternehmens in der Stadt. „Wir liefern ja keine bessere Energie als andere, aber die Kunden wissen, dass wir einen möglichst großen Teil des verdienten Geldes hier in der Stadt belassen“, so Hentschel.

Wie beurteilen Sie die Perspektiven der Stadt? Zwickau hat wie viele andere Mittelstädte natürlich ein demografisches Problem. Die Zahl der Einwohner ist deutlich gesunken, die Bevölkerung altert. Aber anders als in vielen anderen Orten gibt es hier wirtschaftliches Wachstum, gut bezahlte Arbeit und Studienplätze. Damit wird sich die Bevölkerungsentwicklung, wie schon in den letzten Jahren, weiter stabilisieren.

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Hauptstadtgespräch

Brauchen wir ein Leitbild für die Energiewende? Das fragten wir Dietmar Kokott, den Vorstandsvorsitzenden vom Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik (WZGE) im Hauptstadtgespräch. Er ist davon überzeugt, dass Unternehmen ohne ethische Prinzipien nicht wettbewerbsfähig sind und dass das deutsche Mammutprojekt mehr Emotionalität braucht.

Herr Kokott, wie würden Sie Ihren Enkeln erklären, was ethisches Handeln ist? (Lacht). Das musste ich meinen Enkeln tatsächlich schon erklären, als sie mich gefragt haben, was ich den ganzen Tag so mache. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Ethisches Handeln ist glaubwürdiges Handeln. Man sollte nichts versprechen, was man nicht halten kann. Auch Lügen sind ethisch nicht korrekt. Dieses Verhalten schadet der Glaubwürdigkeit und lässt das Vertrauen sinken. Kinder verstehen das, weil für sie Vertrauen der wohl wichtigste Wert im Umgang miteinander ist. Das ist übrigens in der Wirtschaft nicht anders. Die besten Wirtschaftsbeziehungen bauen auf Vertrauen auf.

einem Meeting wurde der damalige Chef von Petronas gefragt, warum er das Joint Venture gerade mit der BASF eingegangen ist. Seine Antwort: „Wir sind nicht mit der BASF zusammengegangen, sondern mit dem Partner, dem wir am meisten vertrauen“. Wir hatten damals bereits ein weltweit etabliertes Wertemanagement etabliert, dass auf den Grundwerten „Integrität“, „Gegenseitiger Respekt

Sie sprechen hier aus Erfahrung… Ja… und ich habe wirklich sehr viele Geschichten erlebt, die beweisen, welche Wertigkeit es im Geschäftsalltag hat, ethisch zu handeln und damit Vertrauen zu schaffen.

und offener Dialog“ und „Interkulturelle Kompetenz“ basierte.

Zum Beispiel? Spontan fällt mir ein Ereignis ein, das ich bei BASF Ende der 1990er Jahre erlebt habe. Wir hatten gerade ein Joint Venture mit Petronas unterschrieben, dem führenden Chemieunternehmen in Malaysia. Auf 28

nehmen nach innen und außen zeigen, nach welchen Prinzipien es arbeitet, wofür es steht und welche Werte das Handeln bestimmen. Das bringt nicht nur Punkte bei Kunden und Anteilseignern, sondern auch bei den Mitarbeitern. Wie meinen Sie das? Ein Unternehmen ist erfolgreich, wenn es eine ausgeprägte Innovationskultur

„Jedes Unternehmen sollte nach innen und außen zei­ gen, nach welchen Prinzipien es arbeitet, wofür es steht und welche Werte das Handeln bestimmen.“

So gesehen heißt das: Kein ethisches Handeln, kein Vertrauen, kein wirtschaftlicher Erfolg. Wenn Sie so wollen, ja! Erfolg und das Handeln auf der Grundlage von Unternehmenswerten sind unabdingbar miteinander verknüpft und ohne artikulierte Ethik und ohne Wertemanagement erhöht sich auf Dauer die Wahrscheinlichkeit des Misserfolges. Deshalb sollte jedes Unter-

hat und seine Produkte und Leistungen besser gestaltet als der Wettbewerber. Um das zu schaffen, brauchen Unternehmen aber auch die besten Köpfe. Wenn sie jedoch auf den hintersten Plätzen der Reputationsskala der Republik stehen, dann werden sich die Spitzenabsolventen nicht bei ihnen bewerben. Und nur mit der zweiten oder dritten Garnitur wird man im Wettbewerb auf Dauer nicht bestehen. Zugegeben, das mag weit hergeholt sein. Aber selbst Meinungsforschungsinstitute haben bewiesen, dass sich viele Absol-


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Dietmar Kokott... ... hat lange Jahre bei Exxon und BASF gearbeitet. Als studierter Verfahrenstechniker war er für die industrielle Wasserwirtschaft zuständig, entwickelte Patente u. a. für die Erdgasaufbereitung und vertrat die Chemieindustrie zu Grundwasserumweltfragen. Später übernahm er als Personalchef der BASF die Personalverantwortung für die Obere Führung, Führungskräfteentwicklung und Führungsstrategien. Parallel dazu war er auch Vice Chairman des „Human Resources Global Council“ in New York. Seit 2008 ist er Vorstandsvorsitzender des Wittenberg-Zentrums für Globale Ethik.

venten bei ihren Bewerbungen am Ansehen und Ruf der Unternehmen orientieren. Hat sich eigentlich das Werteverständnis in den Unternehmen im Laufe der Jahre verändert? Ein klares Ja. Wir merken in unseren Gesprächen mit Unternehmen, dass das Thema wesentlich präsenter ist als früher. Viele Unternehmen haben sich mittlerweile ein nachhaltiges Leitbild gegeben und es in alle relevanten Führungsprozesse integriert, angefangen beim Recruiting über die Weiterbildung bis hin zur Führungskräfte­ entwicklung. Dass die Bedeutung von Unternehmenswerten gewachsen ist, liegt sicherlich auch daran, dass für die Generation, die jetzt in den Beruf einsteigt, das Werteverständnis ein ganz relevanter Aspekt ist. Nehmen Sie nur das Beispiel der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das war früher kein Thema in Unterneh-

men, weil ein Großteil der Frauen zuhause geblieben ist. Heute arbeiten meist beide Partner, deshalb ist die Vereinbarkeit für sie ein essentieller Wert. Sicherlich haben aber auch die vielen Korruptionsfälle der vergangenen Jahre dem Thema Werte­ management einen wichtigen Anschub gegeben und ein neues Werteverständnis in Unternehmen beeinflusst. Kommen wir einmal auf die Energiewirtschaft zu sprechen. Wie steht es hier Ihrer Meinung nach um das Thema Ethik und Vertrauen? Alles in allem nicht so gut. Die Branche ist in einer Situation, in der sie täglich Negativnachrichten über sich ergehen lassen muss. Sie wird eng mit den Folgen ihres Handels verknüpft und steckt in dem Dilemma, dass das falsche Handeln einzelner Unternehmen auf die ganze Branche übertragen wird. Brent Spar, Deepwater

Horizon oder Fukushima sind dafür sicherlich die besten Beispiele. Auch bei der Energiewende wird die Energiewirtschaft – insbesondere die Stromversorger – noch nicht als kompetenter Partner wahrgenommen. Woran liegt das? Ich stelle mir die Frage: War die Stromwirtschaft immer transparent genug und hat sie immer offen und ehrlich kommuniziert? Ich denke nicht. Anders ist es nicht zu erklären, dass ihre Glaubwürdigkeit bei den Regierenden in Berlin nach der Katastrophe von Fukushima nicht mehr so ausgeprägt war und kein Vertreter der Energiewirtschaft in der Ethikkommission vertreten war. Jene Kommission immerhin, die über nicht mehr und nicht weniger als ein neues Energiekonzept für Deutschland entschieden hatte. Im Grunde war die Nicht-Berücksichtigung 29


Hauptstadtgespräch

Leistungen zu machen. Das ist sicherlich ein erster Schritt. Aber das reicht bei weitem nicht aus.

in dieser Ethikkommission der Verlust der „Betriebslizenz“ – der Sachverstand der Energiewirtschaft war nicht mehr gefragt. Und nun ... ... werden der Energiewirtschaft nicht nur die politisch ausgelösten Veränderungen und vor allem Kosten zugeordnet, sondern sie muss auch noch einen Kraftakt beim Umbau der deutschen Energieversorgung bewältigen. Vor allem rückt jetzt auch die soziale Frage der Energiewende immer stärker in den Mittelpunkt: Energie wird durch die Förderung der erneuerbaren Energien teurer, viele Menschen können sich das nicht mehr leisten. Aber sie nehmen gar nicht wahr, dass die Mehrkosten staatlich auferlegt sind und nicht von den Energieunternehmen als Gewinn eingenommen werden. Hier müsste die Energiewirtschaft meines Erachtens anders kommunikativ agieren. Welche Kommunikationsstrategie aus ethischer Sicht schlagen sie vor? Dass die Energiewende von der Politik verordnet wurde, hilft nicht weiter. Gejammert wurde jetzt zwei Jahre lang, jetzt muss gehandelt werden. Alle Prozesse, Kosten und Maßnahmen, die für die Umstrukturierung notwendig sind, müssten offen und transparent vermittelt werden – und zwar im positiven Sinne. Mittlerweile haben die großen Stromversorger damit begonnen, Werbung für die Energiewende und für ihre 30

Was fehlt denn noch? Insbesondere die Eigeninitiative der Energiebranche. Wenn früher etwas teurer wurde, dann haben wir uns überlegt, wie man das kompensieren könnte – beispielsweise durch Technologien, Sparmaßnahmen oder durch andere Alternativen. Diesen Gedankenschritt haben die meisten Energieversorger noch nicht gemacht, obwohl sie es eigentlich leisten müssten und sicherlich auch könnten. Die Chemiebranche kann hierfür Pate stehen: Sie war in den 1980er Jahren aufgrund vieler Unfälle, reputationsmäßig absolut im Keller. Wir haben damals mit den anderen Chemieunternehmen entschieden, dass wir hier etwas ändern müssen. Also haben wir zunächst sichtbare Maßnahmen getroffen und die Missstände beseitigt. Wir sind dann auch neue Wege in der Öffentlichkeitsarbeit und der Verbändearbeit gegangen, haben mit den Behörden kooperiert und die internationale Initiative „Responsible Care“ vereinbart. So ist Schritt für Schritt sichtbar geworden, dass wir uns komplett umgekrempelt haben. Brauchen wir ein Leitbild für die Energiewende – mit einer Mission, einer Vision und gewissen Grundwerten wie Bezahlbarkeit und Wirtschaftlichkeit? Das ist gar nicht so abwegig, denn es fehlt meines Erachtens wirklich an einer Vision und einer Begeisterung für die Energiewende. Von Werten wie Bezahlbarkeit ganz zu schweigen. Wenn ich die Menschen für eine so große Sache wie den Umbau der Energieversorgung gewinnen möchte, dann muss ich bei ihnen das Feuer entfachen und sie emotional binden. Das ist bei der Energiewende bisher ein weißer Fleck, den es noch zu besetzen gilt. Technologisch wissen die Unternehmen sicherlich alle, was machbar ist und was nicht. Aber auf emotionaler Ebene muss noch mehr geschehen.

Noch hat das WZGE aber keinen Regierungsauftrag erhalten, ein solches Leitbild zu entwickeln? Nein. Das ist aber vielleicht auch nicht notwendig, denn das WZGE arbeitet bereits sehr eng mit einer Vielzahl von Energieversorgern zusammen. Viele von Ihnen, darunter E.ON, RWE und auch die VNG, haben das Leitbild für ethisches Handeln unterschrieben. Was jetzt notwendig ist, ist eine Initiative von Energieversorger, die die Menschen davon überzeugt, dass der Umbau zwar vorgegeben wurde, aber auch notwendig ist. Und dass das Handeln nicht nur mit Kosten verbunden ist, sondern mit vielen Werten, die uns wichtig sind und unsere Zukunft bestimmen. Die Energiewende kann zu einem Innovationsschub in Deutschland führen, der uns einen gewaltigen Schritt im weltweiten Wettbewerb nach vorne bringt. Davon bin ich überzeugt und davon müssen auch alle anderen Menschen überzeugt werden. Erlauben Sie uns noch eine abschließende, persönliche Frage: Welches Motto haben Sie persönlich im täglichen Umgang mit Ihren Mitmenschen? Ich nehme bei allen Menschen, denen ich begegne, keine Differenzierung vor. Ich versuche jeden Menschen so zu behandeln, dass seine Persönlichkeit gewahrt bleibt und zwar unabhängig vom Status. Jeder Mensch hat eine eigene Persönlichkeit und man darf jemanden nicht danach einstufen, was er ist und wie nützlich er sein könnte. Das Leitbild der VNG-Gruppe VNG hatte im Mai 2011 das „Leitbild für verantwortliches Handeln in der Wirtschaft“ beim WZGE unterzeichnet und sich damit verpflichtet, nachhaltig und verantwortungsvoll zu handeln. Mittlerweile hat die Unternehmensgruppe auch ein eigenes festgeschriebenes Leitbild. Nachzulesen unter: www.vnggruppe.de/leitbild


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Anatomie im Eiskanal TERMINE 2013/2014 Weltcup 24.11./30.11. Calgary (CAN) | 02.12./07.12. Park City (USA) | 10.12./15.12. Lake Placid (USA) | 31.12./05.01. Winterberg (D) | 07.01./12.01. St. Moritz (SUI) | 14.01./19.01. Igls (AUT) | 21.01./26.01. WELTCUP und EM Königssee (D) | XXII. Olympische Spiele 07.02./23.02. (RUS)


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