Michael Vlastos
Sprechen – frei sprechen
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Soziale Kompetenz
Soziale Kompetenz 1
Sprechen – frei sprechen
Michael Vlastos
Sprechen – frei sprechen
Dieses Skriptum ist für die Verwendung im Rahmen der Bildungsarbeit des Österreichischen G ewerkschaftsbundes, der Gewerkschaften und der Kammern für Arbeiter und Angestellte bestimmt.
Inhaltliche Koordination: Peter Autengruber
Zeichenerklärung
Hinweise
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Beispiele Zitate
Fotonachweis: Alle Fotos, so nicht anders angegeben, Archiv des ÖGB. Die Abbildungen auf den Seiten 24 bis 27 entstammen dem Buch „Super Selling. Rhetorik, Dialektik, Verkaufspsychologie“, Wirtschaftsverlag Langen Müller/Herbig, München. Mit freundlicher Genehmigung des Autors, Herrn DDr. Wolf Ruede-Wissmann.
Stand: Jänner 2014 Nachdruck Oktober 2015 Impressum: Layout/Grafik: Dietmar Kreutzberger, Walter Schauer Layoutentwurf/Umschlaggestaltung: Kurt Schmidt Medieninhaber: Verlag des ÖGB GmbH, Wien © 2015 by Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes GmbH, Wien Herstellung: Printservice Verlags- und Herstellungsort: Wien Printed in Austria
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Inhalt Das Sender-Empfänger-Modell
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Kommunikationsarten 12 Verbale Kommunikation
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Nonverbale Kommunikation
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Hören – Hinhören – Zuhören
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Aktives Zuhören
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Die Botschaft
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Der Sender
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Der Empfänger
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Kommunikationsstörung – Kommunikationsverbesserung
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Sicht des Senders
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Sicht des Empfängers
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Die freie Rede
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Lampenfieber 53 Die Vorbereitung
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Die Rede (Actio)
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Das ##### ####### ### ## „Sender-Empfänger“-Modell ##### ##### Auf die Frage „Was ist Kommunikation?“ mag die Antwort häufig lauten: „Miteinander reden“. Das ist zu einfach: Kommunikation ist mehr. Damit ein Vorgang als Kommunikation bezeichnet werden kann, braucht es zunächst folgende Zutaten oder HauptdarstellerInnen: ➔ Ein Sender/Eine Senderin will einem Empfänger/einer Empfängerin etwas übermitteln. ➔ Der Sender/Die Senderin verschlüsselt seine/ihre Mitteilung in erkennbare Zeichen, einem Medium, zu einer Nachricht – einer Botschaft. ➔ Im Medium wird die Information dargestellt. ➔ Die Übertragung erfolgt über einen Kanal, dem Übertragungskanal. ➔ Der Empfänger/Die Empfängerin nimmt die Zeichen wahr und entschlüsselt sie. Wenden wir diese Begriffe zunächst einmal auf ein alltägliches Beispiel an: Ein Mann, der mit seiner Frau im Gasthaus sitzt, bestellt ein Bier. Er ist der Sen der. Die Botschaft ist die Aufforderung oder Bitte, ein Bier zu servieren, das Medium ist die Sprache, der Übertragungskanal sind Schallwellen und der Kellner oder die Kellnerin ist der Empfänger. Schauen wir uns nun die Hauptdarsteller der Kommunikation genauer an. ➔ Das Medium Die ausformulierte Information wird mittels eines geeigneten Mediums zum Empfänger/zur Empfängerin transportiert. Dieses Medium kann zum Beispiel die gesprochene Sprache sein, aber auch die geschriebene Sprache, ein Brief, eine Notiz oder eine E-Mail.
Kommunikation sind alle Vorgänge, durch die ein Sender, das ist der, der spricht, und ein Empfänger, das ist der, der zuhört, zueinander in Bezie hung treten.
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➔ Der Übertragungskanal Der Übertragungskanal wird oft mit einem Verkehrsmittel verglichen; so wie die Eisenbahn die Güter von Wien nach Linz fährt, so transportiert der Übertragungskanal die Gedanken von einem Gesprächspartner zum anderen. In den meisten Fällen übernehmen die Schallwellen den Transport unseres Mediums (Sprache), aber auch Licht kann den Transport von Bildern oder Schriftzeichen übernehmen. ➔ Der Sender Der Sender/Die Senderin ist derjenige/diejenige, welche/r eine bestimmte Idee oder eine Absicht verfolgt und übermitteln will. Wer spricht, will überzeugen, erklären oder überreden, fragen, um Informationen zu bekommen. Wer spricht, der möchte, dass andere hinterher etwas tun oder denken, was vom Sprecher gewünscht worden ist. Sprechen ist also „zweckorientiert“. Die Fähigkeit, z.B. in einer Diskussion den eigenen Standpunkt überzeugend zu vertreten oder in einer Rede das Denken und Handeln der Zuhörer und Zuhörerinnen in seinem Sinne zu beeinflussen, wird als Rhetorik bezeichnet. Wer es versteht, z. B. ein Gespräch oder eine öffentliche Rede informativ, verständlich und interessant zu gestalten, der verfügt über diese Fähigkeit. Die Theorie der Rhetorik ist eine wissenschaftliche Disziplin. Cicero schreibt über die Entwicklung der rhetorischen Theorie: „Die eigentliche Aufgabe aller Regeln sehe ich aber nicht darin, dass die Redner, die sich an sie hielten, Ruhm in der Redekunst erlangten, sondern darin, dass gewisse Leute das, was beredte Männer schon von sich aus taten, beobachteten und zusammenstellten. So ist nicht die Beredsamkeit aus einem theoretischen System, sondern das theore tische System aus der Beredsamkeit erwachsen.“ Rhetorik ist eine Technik: Das aus der Beobachtung gewonnene Regel system wird systematisiert und für die praktische Anwendung genutzt.
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Das ####### ######### „Sender-Empfänger“-Modell ######### ######## Wer etwas auszusagen hat, wer also spricht, sollte selbstbewusst auftreten: Der Sender/Die Senderin sollte eine positive Grundhaltung an den Tag legen:
Positive Grundeinstellung
A: Zu sich selbst als Sprecher B: Zum Gesprächspartner C: Zu dem, was er selbst sagt
➔ Die Beziehung zu sich selbst Effektive Kommunikation fließt aus einer Haltung, die sich in folgenden Sätzen widerspiegelt:
Ich bin wichtig
Ich bin gut so, wie ich bin
Alle meine Gefühle sind ok
Ich akzeptiere andere so, wie sie sind
Es gilt: Wirksam werden die Worte des Senders/der Senderin durch seine/ihre persönliche Ausstrahlung. Sie ist positiv, ➔ je mehr Selbstachtung er/sie hat, aber auch ➔ je mehr Freude er/sie hat, jemandem etwas mitzuteilen, ➔ je mehr es sein Anliegen ist, je mehr er/sie also motiviert ist, jeman dem etwas mitzuteilen, ➔ je mehr er/sie überzeugt ist von dem, was er/sie sagt. ➔ Die Beziehung zum Gesprächspartner Eine positive Beziehung ist die entscheidende Grundlage für das Gelingen eines Gespräches. Denn die besten Argumente nützen nichts, wenn der Gesprächs-
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partner oder die Gesprächspartnerin einen z.B. nicht als glaubwürdig akzeptiert, aber auch dann nicht, wenn er/sie nicht in Stimmung ist, sich mit dem Gesagten auseinanderzusetzen. Die innere Einstellung, die der Sender/die Senderin seinem/ihrem Gesprächspartner/ihrer Gesprächspartnerin gegenüber hat, teilt sich fast immer ohne Worte mit: z.B. durch Gestik und Mimik, Tonfall, Betonung oder wie die Pausen während des Sprechvorganges gesetzt werden. Die Menschen, mit denen oder zu denen gesprochen wird, spüren die Einstellung des Senders/der Senderin. „Die menschlich personenhafte Glaubwürdigkeit des Redners und damit auch die der von ihm vertretenen Sache hängt weitgehend davon ab, wie sich in seinen Gesten und Gebärden, in dem Mienenspiel seines Gesichts und der Haltung seines Körpers, dem Klang der Stimme und im Ausdruck seiner Augen sein Charakter vorstellt“ (G. Ueding, Einführung in die Rhetorik, Stuttgart 1976). Zur persönlichen Glaubwürdigkeit eines Redners tragen intonatorische und nonverbale Elemente bei. Man sollte deshalb nicht sofort zu sprechen beginnen, sondern erst einen Moment schweigen und seinen Gesprächspartner/seine Gesprächspartnerin betrachten. Dies ist der Moment, in dem der/die GesprächspartnerIn, also der Empfänger, spürt, wie der Sender zu ihm steht. Damit ein Gespräch und/oder eine Rede gut verläuft, sollte der Sender/die Senderin möglichst versuchen, ein positiver, fröhlicher, optimistischer und heiterer Mensch zu sein. Er/Sie kann seinen/ihren GesprächspartnerInnen Akzeptanz vermitteln, indem er/sie ihnen einfach nur zulächelt und als ein warmherziger freundlicher Mensch auftritt. Denn: wer jemandem gegenüber Zustimmung
Je besser die eigene Einstellung zur Information ist und je besser wir da rüber, also über das, worüber wir sprechen, Bescheid wissen, umso genauer und vollständiger kann die Formulierung und Übermittlung erfolgen.
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Das ##### ####### ### ## „Sender-Empfänger“-Modell ##### ##### ausdrückt, befriedigt ein starkes unterbewusstes Bedürfnis: Wird ein Mensch z.B. für eine Eigenschaft oder Leistung gelobt, erhält er Zustimmung, dann fühlt er sich glücklich. Wenn Leistungen und Eigenschaften einer Person bewundert werden, wird ihre Selbstachtung gesteigert. Mit ehrlicher Bewunderung, Anerkennung und Wertschätzung sowie Akzeptanz können Menschen positiv beeinflusst werden. Sie werden dem Sender/der Senderin gegenüber in dem Maße freundschaftliche Gefühle entwickeln, als er/sie ihnen angenehme Gefühle bezüglich ihrer Person und ihres Lebens vermitteln kann. Schließlich: „Jeder mag Komplimente und Wertschätzung.“ Die Beziehung zur Information Vielleicht konntest du dieses Phänomen schon an dir selber beobachten. Eine unangenehme Nachricht zu formulieren und zu überbringen, ist eine schwere Aufgabe. Wenn es sich jetzt noch um eine Sache handelt, die nicht deiner persönlichen Meinung entspricht, fällt es umso schwerer, diese Nachricht zu umschreiben. Somit können wir folgende Aussage bestätigen: Je besser die eigene Einstellung zur Information ist und je besser wir darüber, also über das, worüber wir sprechen, Bescheid wissen, umso genauer und vollständiger kann die Formulierung und Übermittlung erfolgen.
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SKRIPTEN ÜBERSICHT SOZIALRECHT
SR-1
Grundbegriffe des Sozialrechts
SR-2
Sozialpolitik im internationalen Vergleich
SR-3
Sozialversicherung – Beitragsrecht
SR-4
Pensionsversicherung I: Allgemeiner Teil
SR-5
Pensionsversicherung II: Leistungsrecht
SR-6
Pensionsversicherung III: Pensionshöhe
SR-7
Krankenversicherung I: Allgemeiner Teil
SR-8
Krankenversicherung II: Leistungsrecht
SR-9
Unfallversicherung
SR-10
Arbeitslosenversicherung I: Allgemeiner Teil
SR-11
Arbeitslosenversicherung II: Leistungsrecht
SR-12
Insolvenz-Entgeltsicherung
SR-13
Finanzierung des Sozialstaates
SR-14
Pflege und Betreuung
SR-15
Bedarfsorientierte Mindestsicherung
Die einzelnen Skripten werden laufend aktualisiert.
ARBEITSRECHT
AR-1 AR-2A AR-2B AR-2C AR-3 AR-4 AR-5 AR-6 AR-7 AR-8A AR-8B AR-9 AR-10 AR-11 AR-12 AR-13 AR-14 AR-15 AR-16 AR-18 AR-19 AR-21 AR-22
Kollektive Rechtsgestaltung Betriebliche Interessenvertretung Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates Rechtstellung des Betriebsrates Arbeitsvertrag Arbeitszeit Urlaubsrecht Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Gleichbehandlung im Arbeitsrecht ArbeitnehmerInnenschutz I: Überbetrieblicher ArbeitnehmerInnenschutz ArbeitnehmerInnenschutz II: Innerbetrieblicher ArbeitnehmerInnenschutz Beendigung des Arbeitsverhältnisses Arbeitskräfteüberlassung Betriebsvereinbarung Lohn(Gehalts)exekution Berufsausbildung Wichtiges aus dem Angestelltenrecht Betriebspensionsrecht I Betriebspensionsrecht II Abfertigung neu Betriebsrat – Personalvertretung Rechte und Pflichten Atypische Beschäftigung Die Behindertenvertrauenspersonen
GEWERKSCHAFTSKUNDE
GK-1 GK-2 GK-3
Was sind Gewerkschaften? Struktur und Aufbau der österreichischen Gewerkschaftsbewegung Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1945 Die Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung von 1945 bis heute
GK-4
Statuten und Geschäftsordnung des ÖGB
GK-5
Vom 1. bis zum 18. Bundeskongress
GK-7
Die Kammern für Arbeiter und Angestellte
GK-8
Die sozialpolitischen Errungenschaften des ÖGB
Die VÖGB-Skripten online lesen oder als Gewerkschaftsmitglied gratis bestellen: www.voegb.at/skripten
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## ##### ####### ### Kommunikationsarten ##### ##### Der Psychologe und Kommunikationsforscher Paul Watzlawick sagte einmal: „Man kann nicht nicht kommunizieren!“ D. h., alles, was man tut oder sagt, ist eine Nachricht. Es ist also nicht nur entscheidend, „was“ ich sage,
sondern auch – und vor allem
„wie“ ich es sage.
Kommunikation entwickelt sich durch den Austausch von Äußerungen. Eine solche Äußerung muss wie gesagt nicht unbedingt eine verbale, sprachliche sein. Oft ist es ein minimales körperliches Signal. Wir unterscheiden zwischen: verbaler Kommunikation,
und
nonverbaler Kommunikation
Ob verbal oder nonverbal, immer teile ich meinen Mitmenschen etwas mit. Kommunikation ist die Summe aller Ausdrucksformen.
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######Kommunikation Verbale ### #########
1 2.1
Die Sprache Sprachgewandtheit ist einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zum guten Kommunikator oder zur guten Kommunikatorin. Artikulatorische Merkmale Unsere Aussprache muss klar und deutlich sein. Ob unser Gesprächspartner oder unsere Gesprächspartnerin uns ohne Mühe verstehen kann, hängt auch davon ab, wie präzise wir artikulieren. Einige können das gar nicht gut, nuscheln immer und müssen sich dauernd sagen lassen: „Sprich doch etwas deutlicher.“ Wer so artikuliert, wirkt nicht sicher und überzeugend. Beispiel: Gerade die nachlässige Lautangleichung „p-b“ oder „d-t“ führt oft zu Missverständnissen. Man sagt: „... und denkbar wäre es.“ Doch der Zuhörer oder die Zuhörerin versteht: „... undenkbar wäre es.“ Wer spricht, muss darauf achten, dass die Konsonanten eindeutig voneinander unterschieden werden. Der oder die ZuhörerIn muss jede Silbe vernehmen und jedes Wort verstehen können. Ebenso sollte sich der Sender/die Senderin vor einer abgehackten Sprechweise hüten. Im Extremfall klingt das dann wie ein „zackiger“ Militärton. In der Stimm- und Sprachheilkunde bezeichnet man das als „krampfartige Ausdrucksneurose“. Der Sender/Die Senderin sollte fließend, gebunden und langsam sprechen, sodass die Sinneinheiten der Wortgruppen wie aus einem Guss wirken. Art der Sprache Sprechen ist abhängig von Breitengrad, Landschaft, Elternhaus, Schule, Ernährung, Gaumen, Lippen, Nase, Zahnstellung usw. Sprechen ist daher gefärbt und mit Eigentümlichkeiten durchsetzt. Wenn der Sender durch die Umstände gezwungen ist, eine Sprache zu sprechen, die ihm nicht liegt, ist Vorsicht geboten. Generell sollte man sich zwar immer auf die Zuhörer und Zuhörerinnen, also den Empfänger, einstellen. Prinzipiell gilt aber auch die Regel: Wir sprechen in unserer Sprache. Es scheint nicht zweckmäßig, eine gekünstelte Sprache für
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## ##### ####### ### Kommunikationsarten ##### ##### offizielle Anlässe zu wählen. Die Sprache muss dem Sprecher oder der Sprecherin auf den Leib geschrieben sein und zu ihm oder ihr passen. Er/Sie muss authentisch sein. Wortwahl Fremdwörter sollten nur dann verwendet werden, wenn es kein gleich geeignetes deutsches Wort dafür gibt. Und wenn der Sender/die Senderin Fremdwörter gebraucht, muss er/sie selbstverständlich ihre Bedeutung genau kennen und sie auch richtig aussprechen können. Begriffe Wenn Begriffe verwendet werden, deren Bedeutung dem/der ZuhörerIn nicht klar ist oder die nicht eindeutig sind, müssen sie unbedingt definiert werden, und die Definitionen sollten wiederholt werden. Wiederholungswörter Viele neigen zu sinnlosen Wortwiederholungen. Ein versierter Redner bzw. eine versierte Rednerin wird mit der Sprache spielen, einen Sachverhalt durch unterschiedliche, passende Worte beleuchten. Unsere Umgangssprache umfasst ca. 3500 Wörter. Die meistgebrauchten sind aber nur etwa 50 davon. Wenn wir professionell sprechen wollen, dann müssen wir immer am Ball bleiben, unseren Wortschatz ununterbrochen erweitern: „Übung macht den Meister“. Verlegenheitsfloskeln Verlegenheitsfloskeln wie „Ah“, „Äh“ oder „Öh“ dienen lediglich dem Überbrü cken von Denkpausen. Der Sender hat den nächsten Satzteil noch nicht „auf der Zunge“, meint aber wohl, es den Hörerinnen und Hörern schuldig zu sein,
Zur verbalen Kommunikation gehört alles, was wir mit Sprechen respek tive Hören übermitteln bzw. wahrnehmen können. Symbol der verbalen Kommunikation ist die Sprache.
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######Kommunikation Verbale ### #########
1 2.1
wenigstens irgendetwas von sich zu geben, und sei es auch nur ein Überbrü ckungs-„Urlaut“. Unsere GesprächspartnerInnen könnten durch unsere Verlegenheitsfloskeln abgelenkt werden. Satzlänge Künstlerisch gestaltete Schachtelsätze können in der geschriebenen Sprache ein wichtiges Stilelement sein. In der gesprochenen Sprache sind sie am fal schen Platz. Wie heißt es doch: „In der Kürze liegt die Würze.“ Je niedriger das Bildungsniveau der ZuhörerInnen, desto kürzer müssen die Sätze sein: Beispiel: „Wenn Sie, soweit Sie wollen, vor Ihren geistigen Augen alle Personen vorüberziehen lassen, mit denen Sie des Öfteren in einer Sitzung zusammensitzen oder gemeinsam in einem Lenkungsausschuss arbeiten, dann können Sie sich leicht an einen ganz bestimmten Gesprächspartner erinnern, der, ohne dass es von ihm beabsichtigt war – so wollen wir zumindest hoffen – bei all diesen Zusammenkünften und sogar am Telefon und auch sonst ohne Punkt und Komma redet, wie es so schön heißt, respektive ohne Betonung, sodass die Länge der gelangweilten Gesichter der zum Zuhören verurteilten Gesprächspartner mit der Länge seiner Bandwurm- und Schachtelsätze in Zusammenhang steht und es niemand, wirklich niemand, wagen würde, auf seine abschließende Frage, ob nun alles klar verstanden worden sei, mit einem vorsichtigen „Nein“ zu antworten.“ Mach die Probe aufs Exempel. Trag das obige 125 Wörter umfassende Satzmonstrum einer anderen Person vor. Der/Die ZuhörerIn wird nicht viel von dem Inhalt wiedergeben können. Das darf aber nicht zu seinem/ihrem Problem werden. Es ist allein Sache des oder der Sprechenden, künstlich in die Länge gezogene Sätze zu vermeiden, um verstanden zu werden. Beim „Band wurmstil“ sind die Sätze zu lang. Sie müssen zerschnitten werden. Gerade wenn wir jemanden überzeugen wollen, sind kurze Sätze in griffiger, prägnanter Formulierung am Platz.
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## ##### ####### ### Kommunikationsarten ##### ##### Sprechtempo Damit der/die SprecherIn verstanden wird, muss er oder sie auch auf das Sprechtempo achten: Unser Sprechtempo ist dafür verantwortlich, ob das, was wir sagen, von der Gesprächspartnerin oder vom Gesprächspartner verarbeitet werden kann. Wir können in einer bestimmten Zeit nur eine begrenzte Menge an Informationen verstehen und behalten. In indoeuropäischen Sprachen werden Sprechgeschwindigkeiten von 200-500 Silben pro Minute registriert. 200 Silben pro Minute ergeben also ein relativ langsames Sprechen. Bei 500 Silben pro Minute sprechen wir schnell. ➔ Es gilt die Faustregel: Je öfter jemand die gleiche Aussage macht, desto schneller wird er sprechen. ➔ Aber es gilt auch: Je unbekannter dem Zuhörer die Botschaft ist, desto langsamer muss gesprochen werden. Pausen Pausen und Sprechen gehören zusammen. Mit Pausen gliedert und struk turiert der/die SenderIn seine/ihre Äußerung. Mit Pausen gibt er dem/der GesprächspartnerIn auch Zeit, das, was er sagt, zu verarbeiten. Andererseits kann der Sender/die Senderin mit Pausen seiner/ihrer Äußerung einen bestimmten Sinn geben. Wann immer der Sender bewusst eine Pause macht, sieht er den angespro chenen an oder lässt seinen Blick durch das Auditorium schweifen. Die prädestiniertesten Stellen, um Pausen zu machen, sind Interpunktuationen, wie z. B. Beistriche, und besonders das Satzende. Fragen Fragen können unterschiedlich formuliert werden. Mit unterschiedlichen For mulierungen werden dem oder der Befragten unterschiedliche Antwortspielräume gegeben. Was für Fragen können nun gestellt werden?
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######Kommunikation Verbale ### ######### Geschlossene Fragen
➔
Offene Frage
➔
Suggestivfrage
➔
1 2.1
„Bist du Gewerkschaftsmitglied?“: Der/Die Befragte kann sich entscheiden zwischen der Antwort „Ja“ oder „Nein“. „Was verstehst du unter ,Gewerkschaft’?“: Hier kann z. B. mit einer Erklärung geantwortet werden. Hier kann nicht nur mit „Ja“ oder „Nein“ geantwortet werden. Der/Die Befragte kann auf eine Antwort festgelegt werden: „Du hast also nichts dagegen unternommen?“ „Möchtest du auch weiterhin xy bezahlen? Möchtest du auf wz verzichten?“
Rhetorische Darstellungsmittel dienen vor allem dem Zweck, den ZuhörerInnen den Redeinhalt anschaulich, spannend und eindringlich darzubieten und damit die Wirkung der Aussage zu steigern. Im Folgenden werden einige oft verwendete rhetorische Darstel lungsmittel angeführt: Vergleiche und Beispiele
➔
Klarheit wird geschaffen, da an Bekanntes angeknüpft wird. Das Bekannte dient als Brücke zur Verständigung. Dem Vergleich kommt nur selten Beweiskraft zu. Doch wegen seiner Anschaulichkeit und häufig auch Witzigkeit wird er gerne benutzt. Denn immer wieder kann festgestellt werden: Gerade der heitere Vergleich bleibt be sonders haften. „Du schwankst ja wie ein Rohr im Winde“; „Das ist ja wie ein Rennen nur mit einem Pferd“– der Sieger steht ja von vornherein fest.
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## ##### ####### ### Kommunikationsarten ##### ##### Bild-Bild-Reihe; die Metapher
➔
Gegensatz
➔
Eine Sonderform des Vergleichs ist das Bild. Die Metapher kommt ohne das Wort „wie“ aus. Wieder wird das Unbekannte mit dem Bekannten verknüpft. Wie beim Vergleich kann auch mit Bildern viel veranschaulicht werden, bewiesen jedoch nicht. Man sucht nach Bildern, die das Wesen ei ner Aussage verdeutlichen können. Womit kann das, was mitgeteilt werden soll, verglichen werden? Welche bildhafte Umschreibung ist möglich? Packende Bilder bleiben dem/der ZuhörerIn haften, abstrakte Denkaussagen jedoch meistens nicht. „Die Massen können nur in Bildern denken und lassen sich nur durch Bilder beeinflussen“, schrieb Ende des 19. Jahrhunderts der französische Philosoph Le Bon. Gute, treffende Bilder sind wirkungsvoll. Nur müssen die „schiefen“ vermieden werden. So manche/r SenderIn möchte bildkräftig sein und stolpert dabei von einem Bild zum anderen: „Der Zahn der Zeit hat schon so manche Träne getrocknet“, „Ich nehme mein krankes Bein auf die leichte Schulter“: Das ist schlichtweg Nonsens. Wie beim Vergleich und beim Bild kommt es auch hier darauf an, einen Gedankengang zu verdeut lichen. Der Gegensatz muss einerseits einleuchtend sein, andererseits aber auch einen Überraschungseffekt haben. „Pläne zu machen ist leicht, sie durchzuführen ist schwer.“ „Wir müssen einen kühlen Kopf und ein heißes Herz haben.“ „Die einzige Chance, dass ich nicht vergesse, was geschah, ist, dass du nicht vergisst, was mir geschah.“
######Kommunikation Verbale ### ######### Wiederholung
➔
Verdeutlichung
➔
Raffung
➔
Ausruf
➔
Zitat und Sprichwörter
➔
1 2.1
Wiederholungen rufen in Erinnerung und ver ankern die Kernaussage tiefer. Jeder Satzanfang beginnt mit dem gleichen Wort. „Mehr Internet. Mehr Kommunikation. Mehr als wir erwarten.“ „Der Betriebsrat vertritt deine Rechte. Der Betriebsrat schaut, dass sie umgesetzt werden.“ Die Verdeutlichung ist eine besondere Form der Wiederholung. Der Ausdruck, der ursprünglich gewählt worden ist, erscheint zu schwach. U.U. wird der Ausdruck zurückgenommen, verbessert und verdeutlicht: „Ich habe meine Mitarbeiterin ersucht, die Akten zu suchen, nein, ich habe sie nicht nur ersucht, ich habe sie aufgefordert, jetzt endlich die Akten herbeizuschaffen.“ Darunter verstehen wir eine zusammenfassende Wiederholung in wenigen prägnanten Sät zen. Ziel ist, eine kurze Orientierung über das Gesagte zu geben, ehe fortgefahren wird. Kurz und prägnant. Ausrufe sollen nicht häufig verwendet werden. „Denk daran!“ „Zum Teufel mit dem Neoliberalismus!“ Ein Mittel, der eigenen Meinung dadurch mehr Nachdruck zu verleihen, dass man sich auf die Aussage einer prominenten Persönlichkeit bezieht. Selbstverständlich muss immer angegeben werden, vom wem das Zitat stammt und/oder aus welcher Quelle.
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## ##### ####### ### Kommunikationsarten ##### ##### Steigerung
➔
Kette
➔
Wortspiel
➔
Stabreim
➔
Anspielung
➔
Umschreibung
➔
Die Aussagen müssen sich zum Schluss hin steigern. „Gut wäre es, du würdest es bis morgen machen, am besten wäre es, du würdest es sofort erledigen.“ „Überall gibt es Eifrige, Übereifrige und allzu Eifrige.“ Ein Gedankenglied greift in das andere, bis das letzte Glied der Gedankenkette erst den vollen Sinn klärt. „Wir folgen dir, weil wir dir glauben, wir glauben dir, weil du einer von uns bist.“ Wortspiele sind witzig und spritzig. Ein Wortspiel mit Tiefgang wird von der Gesprächspartnerin oder vom Gesprächspartner gern aufgenommen. „Kleine Schritte sind besser als keine Schritte.“ „Wir fürchten keine Verhandlungen, aber wir werden niemals aus Furcht verhandeln.“ „Wer glaubt, dass ein Abteilungsleiter eine Abteilung leitet, der glaubt auch, dass ein Zitronenfalter Zitronen faltet.“ Zur Verstärkung der Satzaussage werden mindestens zwei Anfangsbuchstaben oder Silben wiederholt. „Bei Wind und Wetter“; „Anschauen, anfassen, anwenden.“ Die Anspielung ist eine Form, um etwas an schaulich zu machen. Hier ist auch der Mitdenk reiz der ZuhörerInnen wichtig. „Diktatur ist aber kein Nationalsozialismus.“ Gemeint ist eine indirekte Mitteilung, oft mit einem ästhetischen Moment. „Im Land, wo die Zitronen blühen“ für Italien.
Verbale Kommunikation ###### ### ######### Nonverbale Kommunikation Übertreibung
➔
Scheinwiderspruch
➔
Scheinfrage/ rhetorische Frage
➔
Mitverstehen
➔
2.1 1 2.2
Eine Übertreibung veranschaulicht: „todmüde“; „Kann ich Armeen aus der Erde stampfen?“ „Da war die Hölle los.“ Eine besondere Art des Wortspiels. Die Gegensätze widersprechen sich nur scheinbar: „Weniger wäre mehr.“ „Keine Antwort ist auch eine Antwort.“ „Heiß geliebt und kalt getrunken.“ Auf eine Scheinfrage oder rhetorische Frage wird keine Antwort erwartet: „Sie werden sich sicherlich fragen, was meint die Referentin eigentlich, wenn sie erklärt, dass... Ich werde es Ihnen jetzt sagen.“ Gemeint ist eine verkürzende Ausdrucksweise, bei der man beim Empfänger voraussetzt, dass er versteht, was gemeint ist: „In Wien hat man beschlossen“, statt „im Parlament ist beschlossen worden.“
Nonverbale Kommunikation Die Erkenntnisse aus der Moderationstechnik, der Psychologie und der Kommunikationsforschung zeigen: Wir kommunizieren immer auf der verbalen inhaltlichen und der nonver balen Beziehungsebene gleichzeitig. Solange die nonverbale Beziehungse bene positiv bleibt, hat unsere Botschaft eine gute Chance, auf der „nicht blockierten“ Inhaltsebene durchzukommen. Wenn sich die Beziehungsebene negativiert, entwickelt sich nämlich, nach dem Psychologen Leonard Festinger, ein „Psychologischer Nebel“: Es wird schwieriger, eine Botschaft zu vermitteln. Der Großteil der Signale und Botschaften, die ein/e RednerIn aussendet, ist un bewusst. Durch Tonfall und Stimme, aber auch Gestik und Mimik sagt er/
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## ##### ####### ### Kommunikationsarten ##### ##### sie unterschwellig immer etwas aus (über sich und den/die KommunikationspartnerIn).
Sprechausdruckmittel sind z. B.: ➔ Die Tonhöhe Wenn wir aufgeregt sind oder wenn wir besonders laut sprechen wollen, steigt die Stimme automatisch. ➔ Die Melodieführung Jede Äußerung hat eine bestimmte Melodie. ➔ Der Stimmklang Der Klang einer Stimme ändert sich je nach Situation. Darüber hinaus gibt es aber auch die
Körpersprache Mit verschiedensten Methoden der Psychoanalyse wird heute versucht herauszufinden, ob Körpersprache, Gesicht oder Stimme verraten, wie ein Mensch tatsächlich ist. Durch aufmerksames Beachten der Körpersignale, so wird behauptet, wird der Körper zu einem wichtigen Informationsträger des Unbewussten. Schließlich ist die Verständigung durch Körpersignale die älteste Sprache. Charles Darwin hat die Ansicht vertreten, dass bestimmte Gesichtsausdrücke allen Menschen gemeinsam sind und von allen verstanden werden. Diese Ansicht wurde vom amerikanischen Forscher Paul Ekman bestätigt. Ekman zeigte Studentinnen und Studenten aus fünf verschiedenen Ländern dreißig Fotos, auf denen 16 verschiedene Personen Gefühle wie Glück, Furcht, Überraschung, Ekel Verbaler Ausdruck und nonverbaler Ausdruck sind in ihrer Aussagen bedeutung mindestens gleichrangig. Im Zweifelsfall ist die nonverbale Kommunikation, die Beziehungsebene, sogar wichtiger.
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###### ### Nonverbale Kommunikation #########
1 2.2
oder Zorn ausdrücken. Die StudentInnen ordneten den Bildern mit hoher Übereinstimmung die gleichen Gefühlsausdrücke zu. Körpersignale werden demnach auch als international und kulturübergreifend verstanden. Dass Körpersignale, Stimme, Gesichtszüge, Mimik und Gestik die persönlichen Gemütsbewegungen spiegeln, ist auch schon u. a. von dem europäischen Körpersprache-Experten Samy Molcho vermutet worden: Meist ergänzt und unterstützt die Körpersprache das Gesagte. Oft aber stehen das Wort und die Körper sprache im Widerspruch – Worte können lügen, die Körpersprache aber nicht (oder nur sehr schwer). Die Stimme, Gestik und Mimik sind automatisch syn chronisiert. Blick, Gestik, Stimme und Mimik stimmen überein, und der Körper spricht „richtig“. Kopf, Herz und Person bilden eine Einheit. Es gibt eine Fülle von körpersprachlichen „Dechiffrierlisten“. Obwohl es keine eindeutige gibt, ist es dennoch oft möglich, über die Körpersprache Wesentliches über einen Menschen zu erfahren. Mit Hilfe der nachfolgenden nonverbalen Merkmale kann der/die Sende rIn in einem Gespräch und/oder in einer Rede Unterschiedliches zum Aus druck bringen. ➔ Mimik, Gestik und Körperbewegung sowie Blickkontakt ➔ räumliche Distanz ➔ Körperkontakt ➔ Körperhaltung Mimik und Gestik Worte, Mimik und Gestik laufen nahezu synchron. Mimik ist das Gebärden- und Mienenspiel des Gesichts, Gestik hingegen ist die Körpersprache. Das Wissen über die Wirkung eines bestimmten Gesichtsausdruckes und bestimmter Gesten ermöglicht die gesteuerte Kommunikation – auch ohne das gesprochene Wort. Mimik „Das Gesicht ist der Spiegel der Seele“: Was der/die SenderIn denkt, kann an seinem/ihrem Gesicht abgelesen werden. Zwei der wichtigsten Grundregeln in
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## ##### ####### ### Kommunikationsarten ##### ##### der Kommunikation sind: Freundlichkeit und Lächeln. Der/Die SenderIn sollte aber kein verkrampftes Lächeln aufsetzen. Vielmehr ein warmes, sympathisches, direkt aus dem Herzen kommendes Lächeln. Und er sollte auch seine Mimik entsprechend den sich verändernden Gefühlslagen verändern.
... kein subtiles Dauergrinsen ...
... aber auch kein Pokerface ...
... Bleiben Sie natürlich, indem Sie natürlich lächeln und freundlich sind ...!
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###### ### Nonverbale Kommunikation #########
1 2.2
Gestik Der Bereich angenehmer Gestik liegt zwischen Bauch- und Brusthöhe.
Positive Ebene
Neutrale Ebene
Negative Ebene
Offene Körperhaltung signalisiert ➔ Offenheit ➔ Zuwendung ➔ Interesse
Verschlossene Körperhaltung signalisiert ➔ Verschlossenheit ➔ Ablehnung ➔ Unsicherheit
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## ##### ####### ### Kommunikationsarten ##### #####
1. Präzisieren
2. Drohen
3. Ausgleichen/beschwichtigen 4. Abwehren/ablehnen
5. Fragen/fordern
7. Konfrontation
9. Abwerten, dämpfen, beruhigen
8. Zusammenfassen/ verbinden
10. Belehren
6. Bitten
Der Körperausdruck regelt die Beziehungen Man hat größere Chancen, für ein Anliegen ein offenes Ohr zu finden, wenn es gelingt, mit jemandem einen guten „Rapport“ herzustellen. Was heißt „Rapport“? Dieser Ausdruck kommt aus dem Bereich der Hypnose. „Rapport“ ist die gefühlsmäßige und inhaltliche Übereinstimmung zwischen Hypnotiseur und Hypnotisand, und die drückt sich körperlich aus. Wenn sich z. B. Körperhaltung und -bewegung zweier Gesprächspartner einander angleichen, fühlen sich die beiden miteinander wohl. So kann die Entwicklung von gegenseitiger Sympathie aktiv unterstützt werden, wenn man sein Gegenüber körperlich, sprachlich, gedanklich, emotional spiegelt. Im Fachjargon heißt das „Pacing“.
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###### ### Nonverbale Kommunikation #########
1 2.2
Beispiel: Der/Die Vorgesetzte spricht mit einem Mitarbeiter und nimmt eine ähnliche Sitzposition ein, passt sich in Sprechtempo und Lautstärke an ihn an und folgt sogar seinen Bewegungen – mit einiger Verzögerung. Der Mitarbeiter fühlt sich wohl: denn, wie heißt es doch so schon: „Die beiden haben die gleiche „Wellenlänge“– mit dem so genannten „Pacing“ entwickelt.
Nähe und Distanz zum/zur GesprächspartnerIn wird durch Körpersprache bestimmt. Wir kennen alle die Situation im Aufzug: Man steigt in einen kleinen Aufzug, wo man sich nun mit einem Unbekannten etwas mehr als einen Quadratmeter teilen muss. Was machen wir? In der Regel werden wir uns einen Standplatz in möglichst großer Distanz zum Unbekannten suchen. Wenn der Aufzug in jedem Stockwerk immer voller wird, werden wir zu einer räumlichen Nähe zu den anderen „Passagieren“ genötigt. Jetzt studieren wir angestrengt die Anzeigetafel mit den Stockwerksnummern. Warum? Räumliche Distanz und Nähe sind als Abbildung emotionaler Distanz und Nähe zu verstehen.
Beispiel: Prinzipiell werden vier Distanzbereiche beschrieben: ➔ I ntim: bis 60 cm. Hier ist der Körperkontakt leicht herstellbar. ➔ P ersönlich: 60-150 cm. Bei nahen Beziehungen. ➔ S ozial-Beratend: 150-400 cm. Eher unpersönliche Beziehungen. ➔ Ö ffentlich: 400 cm und mehr. Bei öffentlichen Anlässen.
0-60 cm Intimzone 60-150 cm persönliche Zone 1,50-4,00 m gesellschaftliche Zone
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## ##### ####### ### Kommunikationsarten ##### ##### Durch räumliche Distanz und Nähe wird anderen unsere emotionale Dis tanz oder Nähe mitgeteilt. Um nun beim Gesprächspartner keine Abwehr reaktionen zu provozieren, empfiehlt es sich, die räumliche Distanz der Gesprächspartnerin oder des Gesprächspartners zu respektieren. Wenn z. B. ein/e Arbeitssuchende/r sich bei einem zukünftigen Arbeitgeber vorstellt, und dort einen Stuhl angeboten bekommt, der auf der anderen Seite des Schreibtisches steht, dann ist es für den/die JobanwärterIn ratsam, das zunächst zu akzeptieren. Denn der zukünftige Arbeitgeber könnte den Schreibtisch als Grenze seines persönlichen Territoriums ansehen. Wenn der/die Arbeitssuchende nachher mit der U-Bahn nach Hause fährt, wird er/sie seine/ihre Tasche vielleicht auf den Nebensitz stellen. Solche Grenzmarkierungen, oder auch „Sicherheitszonen“ genannt, gibt es also bei jedem. Wenn sich aber im Laufe des Gespräches zwischen Arbeitssuchendem und Arbeitgeber ein positiver „Rapport“ entwickelt, kann er seinem/ihrem GesprächspartnerIn etwas näher rücken. Wir benutzen aber auch andere Körpersignale, um Distanz und Nähe mitzuteilen: Blickkontakt und Körperorientierung „Körperorientierung“ heißt Zu- oder Abwendung vom/von der GesprächspartnerIn. Mit „Blickkontakt“ ist gemeint, dass wir z. B. bei einem Vortrag unseren Blick durch die Reihen wandern lassen und uns nicht scheuen, mit dem einen oder der anderen TeilnehmerIn auch längeren Blickkontakt zu halten.
Achtung! Wer sich während der Kommunikationsprozesse an zu viele Rat schläge hält, begeht den Fehler, die Hauptenergie für Dinge zu verwen den, die eigentlich automatisch stimmen. Jeder Laie, jeder Zuhörer und jede Zuhörerin erkennt gekünsteltes Verhalten. Bei Kommunikationspro zessen lohnt sich deshalb das „Falschspielen“ nicht. Einstudierte Gesten und Mimiken wirken aufgesetzt.
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###### ### Nonverbale Kommunikation #########
1 2.2
Der soziale Gestus Laut Bertolt Brecht versteht man unter Gestus einen Komplex von Gesten, Mimik und für gewöhnlich auch Aussagen, welche ein/e SenderIn an eine/n EmpfängerIn richtet. Wenn vom „Gestus in der Kommunikation“ gesprochen wird, so versteht man darunter die wesentliche innere Grundhaltung zu dem, worüber gesprochen wird. Wenn ich, als Redner, den richtigen Gestus zu meinem Thema habe, entstehen Mimik und Gestik, Tonfall und andere „Regieanweisungen“ von innen (aus meinem Gestus) heraus, d.h. von allein, sofern ich „es aus mir sprechen“ lasse. Brecht überträgt die stanislawskische Theatererfahrung: „Es spielt aus mir ...“: auf die Rhetorik: „Es spricht aus mir ...“
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1 3
## ##### ####### ### Hören Hinhören – Zuhören #####–##### Es kommt weit weniger Information beim Empfänger an, als der/die Sen derIn zu glauben bereit ist: im Durchschnitt nur 20 %. Angenommen, Walter, ein Mitarbeiter der Firma X, hat eine Idee, die er verkünden möchte. Selbst wenn er Gedanken gut in Worte fassen kann, wird er höchstens 80 % seiner Ideen in Worte fassen. Nun hört der Abteilungsleiter die Worte: Er wird nur Teile der Botschaft tatsächlich hören: Warum? Kaum jemand hört wirklich aufmerksam zu. Er entwickelt darüber hinaus sofort erste eigene Assoziationen, und das lenkt ab. Es verbleiben nunmehr 60 % der ursprünglichen Idee. Diese Restbotschaft muss nun vom Vorgesetzten interpretiert werden, sodass wieder ein Teil der ursprünglichen Botschaft verloren geht. Es bleiben 40 %. Und wenn der Abteilungsleiter mit seiner Sekretärin über Walters Idee spricht, werden weitere Ideen der Botschaft verloren gehen. Je mehr „Neues“ dem/der ZuhörerIn verkündet wird, desto weniger wird er/sie mitkriegen. Darum ist es bei einem neuen, noch unbekannten Thema angebracht, den Empfänger/die Empfängerin nicht mit Informationen und Argumenten zu überfluten. Das größte Kompliment macht der/die EmpfängerIn dem/der SenderIn, wenn er/sie sich auf ihn/ihr konzentriert. Wir müssen den Menschen zuhören!
Beispiel: „Ein Mann, der andauernde Streitigkeiten mit seiner Frau nicht länger ertragen konnte, bat einen Meister um Rat: „Kaum macht einer von uns den Mund auf, unterbricht ihn der andere schon. Ein Wort, dann haben wir gleich wieder Streit miteinander, und jeder von uns ist mürrisch und schlecht gelaunt“, sagte der Mann. „Dabei lieben wir uns doch, aber so kann es nicht weitergehen. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll.“ „Du musst lernen, deiner Frau zuzuhören,“ sagte der Meister. „Und wenn du sicher bist, dass du diese Regel beherrscht, dann komm wieder zu mir.“ Nach drei Monaten sprach der Mann wieder beim Meister vor und erklärte, er habe jetzt gelernt, auf jedes Wort, das seine Frau sagt, zu hören. „Gut“, sagte der Meister mit einem Lächeln. „Wenn du in einer glücklichen Ehe leben willst, musst du jetzt noch lernen, auf jedes Wort zu hören, das sie nicht sagt.“
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###### ### #########
3 1
Miteinander reden ist schwierig. Nicht nur, weil wir Mühe haben, das zu sagen, was wir meinen, sondern auch deshalb, weil wir eben nur miteinander reden und nicht aufeinander hören. Das Hören wird viel zu oft vernachlässigt. Es gibt einen Unterschied zwischen Hören, Hinhören und Zuhören.
Hören
➔
Hinhören
➔
Zuhören
➔
Hören ohne Hinhören kann heißen: mit sich selber beschäftigt zu sein, nur sporadisch aufzumerken und einem Gespräch nur so lange zu folgen, bis selbst geredet werden kann. Die Aufmerksamkeit ist nicht auf den Gesprächsinhalt, sondern auch auf die eigene Beschäftigung, die eigenen Gedanken und die Gelegenheit, zu Wort zu kommen, gerichtet. Hinhören ohne Zuhören heißt: aufnehmen, was die andere Person sagt, ohne sich zu bemühen herauszufinden, was der andere meint oder sagen will. Man ist gefühlsmäßig noch unbeteiligt, distanziert und abwartend. Zuhören heißt, sich in den Partner hineinzuversetzen, ihm volle Aufmerksamkeit zu schenken und dabei nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf Zwischen töne zu achten. Durch Haltung und Reaktion wird dem/der GesprächspartnerIn mitgeteilt, dass es im Moment nichts Wich tigeres gibt als sie oder ihn. Man wartet mit voreiligen Stellungnahmen.
Richtiges Zuhören heißt nicht, sich passiv zu verhalten und den/die GesprächspartnerIn reden zu lassen. Richtiges Zuhören heißt: Vom Hören über das Hinhören zum aktiven Zuhören zu kommen.
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1 3
## ##### ####### ### Hören Hinhören – Zuhören #####–##### Aktives Zuhören In der Psychotherapie wird die Methode des aktiven Zuhörens schon lange angewandt. Das aktive Zuhören hat einen festen Platz in der Gesprächstherapie. Für eine konstruktive Gesprächsführung ist das aufmerksame Zuhören ebenso wichtig wie das klare und verständliche Reden. „Aktives Zuhören“ bedeutet ➔ zu versuchen, sich in den Gesprächspartner einzufühlen; ➔ beim Gespräch mitzudenken; ➔ dem Gesprächspartner Aufmerksamkeit und Interesse entgegenzubringen. Durch verbale und nonverbale Aufmerksamkeitsreaktionen wird dem Sender gezeigt, dass man aufmerksam ist, dass man versucht zu verstehen und dass man Interesse und Anteilnahme hat. Die vier Stufen des aktiven Zuhörens sind: Wahrnehmung, Verstehen, Wertung, Reaktion. Wahrnehmung Wir nehmen selektiv wahr. Das ist auch sinnvoll, denn der Mensch wäre gar nicht fähig, auf alle Informationen, Reize, Eindrücke einzugehen. Verstehen Beim Verstehen wird das Gehörte aufgefasst und begriffen. Missverständnisse können zum Beispiel entstehen, wenn SenderIn und EmpfängerIn Begriffe verschieden definieren. Bewerten Wir tendieren dazu, alles zu bewerten, was wir gehört und verstanden haben. Reaktion Verbale und nonverbale Reaktionen: „Wirklich?“, „Aha!“, Kopfnicken, Blickkontakt etc. sind Techniken, die aktives Zuhören erleichtern.
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######Zuhören Aktives ### #########
1 3.1
➔ Feed-back hilft festzustellen, ob die Kommunikation erfolgreich verlaufen ist. Feed-back kann helfen, Missverständnissen vorzubeugen. Es übernimmt die Kontrollfunktion. Das heißt, es kann festgestellt werden, ob die Nachricht angekommen ist und vor allem, wie sie aufgenommen wurde. Mit Feed-back kann eine Rück meldung darüber erfolgen, ob der vom Empfänger/von der Empfängerin wahrgenommene Gedankeninhalt mit dem ursprünglichen Inhalt des Senders/der Senderin übereinstimmt. ➔ Das „Spiegeln“ von Aussagen (z.B. Paraphrasieren) Es heißt nicht, dass Aussagen einfach wortwörtlich wiederholt werden müssten. – „Habe ich richtig verstanden, dass ...?“ – hilft zu zeigen, dass die Aussage registriert wurde. Wer sieht, dass das Gehörte zusammengefasst werden kann, fühlt sich verstanden. Es wird bei Gesprächen letztlich zum Zeitgewinn.
Weitere Techniken des aktiven Zuhörens: Verbalisieren
➔
Nachfragen
➔
Zusammenfassen
➔
Klären
➔
Weiterführen
➔
Abwägen
➔
Die Gefühle, die Emotionen des Gegenübers werden gespiegelt. Z.B. „... und es hat dich maßlos geärgert.“ „Nachdem du das also gesagt hast, hat Sabine nicht reagiert?“ So wie in einem Zeitungsartikel unter dem Titel der Inhalt in geraffter Form gedruckt wird, kann bei Gesprächen das Gehörte mit wenigen Worten zusammengefasst werden. Unklares klären: „Du hast gesagt, Sabine hätte sofort reagiert. War das noch am gleichen Tag?“ „Dann hat Sabine das Gespräch gesucht. Wie hat sie sich verhalten?“ „War die Belästigung schlimmer als erwartet?“
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4
Die Botschaft Die Botschaft kann unterschiedlich formuliert und gestaltet werden: Ende der 60er-Jahre arbeiteten Paul Watzlawick, Janet H. Beavin und Don D. Jackson heraus, dass menschliche Kommunikation sowohl Inhalts- wie auch Beziehungs aspekte enthält. Grob vereinfacht kann auch gesagt werden: Der Inhalt ist die „Was“-Ebene. Der Beziehungsaspekt die „Wie“-Ebene. Es wird also zwischen einem „Inhaltsaspekt“ und einem „Beziehungsaspekt“ der Botschaft unterschieden. ➔ Der Inhaltsaspekt ist das, was an sachlichen Informationen übermittelt wird, also gewissermaßen der objektive (in der sprachlichen Kommunikation könnte man sagen: wortwörtliche) Inhalt der Botschaft. Wir erinnern uns an das Beispiel von ganz oben: Ein Mann bestellt in einem Wirtshaus ein Bier. Die Bot schaft ist die Aufforderung oder Bitte, ein Bier zu servieren: In unserem Beispiel ist der Inhaltsaspekt: „Bier her“. ➔ Als Beziehungsaspekt bezeichnet man Bedeutungen, die etwas darüber aussagen, was man über den anderen denkt, wie man sich selbst bewertet und welche Qualität die Beziehung zu dem Gegenüber hat. Diese können direkt aus dem Inhalt folgen, häufig handelt es sich jedoch um „Neben“bedeu tungen, die nicht offen ausgesprochen werden. Um auf unser Beispiel zurückzukommen: Wenn der Kunde seine Bestellung mit einem herzhaften „Bier her!“ aufgibt, fordert er die Kellnerin nicht nur zum Servieren eines Bieres auf (Inhaltsaspekt), gleichzeitig macht er deutlich, dass er ➔ keine gute Kinderstube hat, ➔ die Arbeit der Kellnerin nicht sonderlich wertschätzt und ➔ die Beziehung als die zwischen einem „Boss“ und einem Befehlsempfänger oder einer Befehlsempfängerin gestalten möchte.
Eine übermittelte Botschaft, Nachricht, enthält nicht nur eine Sachinfor mation, sondern gibt auch etwas über das Verhältnis zwischen SenderIn und EmpfängerIn wieder.
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Der Sender/Die Senderin
4.1
Die Tatsache, dass die menschliche Kommunikation sowohl Inhalts- als auch Beziehungsaspekte enthält, erweiterte Friedemann Schulz von Thun Anfang der 80er-Jahre um zwei weitere Aspekte. Eine Nachricht, eine Botschaft, enthält demnach vier Aspekte: ➔ Worüber ich informiere: Sachinhalt ➔ Was ich von dir halte, wie wir zueinander stehen: Beziehung ➔ Und: Was ich von mir selbst kundgebe: Selbstoffenbarung ➔ Sowie: Wozu ich dich veranlassen möchte: Appell
Der Sender/Die Senderin Zur Verdeutlichung ein Beispiel zunächst aus der Sicht des Senders/der Sen derin: Ein Ehepaar fährt mit dem Auto.
Fahre ich oder fährst du?
Sachinhalt Der Sachinhalt in unserem Beispiel ist einfach. Der Mann informiert seine Frau darüber, dass die Ampel grün ist. Diese Seite der Nachricht ist also unmissverständlich, geradezu banal. Der Sachinhalt einer Nachricht wird verständlich durch eine einfache, knappe und klar geordnete Formulierung: „Du, da vorne ist grün.“
Jede Botschaft oder Nachricht, die gesendet wird, enthält also immer eine Sachebene, Beziehungsebene, Selbstoffenbarungsebene und Appell ebene.
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1 4
## ##### ####### ### Die Botschaft ##### ##### Selbstoffenbarung Jede Nachricht verrät etwas über den Sender selbst. Bewusst oder meistens unbewusst gibt der/die SenderIn etwas von sich preis. Unserem Beispiel können wir entnehmen, dass der Sender deutschsprachig und fahrtüchtig ist, überhaupt dass er wach und aufmerksam ist. Vielleicht sogar, dass er es eilig hat. Diese Botschaft ist nicht ganz klar und seine Frau, die EmpfängerIn, muss sie eigentlich erraten. Beziehung Die Nachricht enthält auch eine Beziehungsbotschaft. Der Sender deutet an, wie er zur Empfängerin steht, was er von ihr hält. Beziehungsbotschaften enthalten Signale auf zwei Ebenen: ➔ „Das halte ich von dir“: Ich – Du-Ebene ➔ „So läuft das zwischen uns“: Wir-Ebene Dies zeigt sich meist in der Formulierung und im bewusst oder unbewusst angeschlagenen Tonfall und anderen nicht-sprachlichen Signalen. Genau für diese Seite der Nachricht hat der/die EmpfängerIn ein besonders empfindliches Ohr. Hier fühlt er/sie sich als Person in bestimmter Weise behandelt oder misshandelt. In unserem Beispiel gibt der Mann durch seinen Hinweis zu erkennen, dass er seiner Frau nicht so recht zutraut, ohne seine Hilfe den Wagen optimal zu fahren. Die Frau wiederum wehrt sich durch ihre Antwort „Fahre ich oder fährst Du?“ gegen die „Bevormundung“. Fazit: Eine Nachricht senden heißt auch immer, zu dem Angesprochenen eine bestimmte Art von Beziehung auszudrücken. Appell Letztendlich wird kaum etwas nur so gesagt. Fast alle Nachrichten enthalten auch einen Appell. Der/Die SenderIn möchte den/die EmpfängerIn beeinflussen, er möchte ihn/sie veranlassen, etwas zu tun, zu denken oder zu fühlen. In unserem Beispiel lautet der Appell vielleicht: „Gib ein bisschen mehr Gas, dann schaffen wir es noch bei Grün!“ Dieser Appellaspekt ist vom Beziehungsaspekt zu unter scheiden. Ein und denselben Appell kann man so senden, dass sich der/die EmpfängerIn herabgesetzt oder wertgeschätzt fühlt. In unserem Fall kann die Frau den Appell an sich vernünftig finden, aber empfindlich auf die Bevormundung reagieren. Oder sie könnte den Appell für unvernünftig halten („Ich sollte
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###### Der Sender/Die ### ######### Senderin
1 4.1
nicht mehr als 60 fahren“), aber es ganz in Ordnung finden, dass der Mann ihr auf diese Art Vorschläge zur Fahrweise macht. Wir haben dieses NachrichtenBeispiel überwiegend aus der Sicht des Senders betrachtet. Er teilt ➔ Sachinformationen mit, ➔ stellt sich gleichzeitig selbst dar, ➔ drückt aus, wie er zur Empfängerin steht, sodass sich diese in der einen oder anderen Weise behandelt fühlt. Außerdem ➔ versucht er auf das Denken, Fühlen und Handeln des anderen Einfluss zu nehmen. Der Empfänger/Die Empfängerin Was die menschliche Kommunikation so schwierig macht, ist hauptsächlich das, dass der/die EmpfängerIn auswählen kann, auf welchen Aspekt der Nachricht er/sie antworten will. Diese grundsätzliche „freie Auswahl“ führt unweigerlich zu Störungen, wenn der/die EmpfängerIn z. B. auf einen Aspekt reagiert, den der/ die SenderIn vielleicht gar nicht betonen wollte. Ganz besonders konfliktträchtig ist es, wenn der/die EmpfängerIn ständig eine einseitige Auswahl vornimmt, etwa immer nur den Sachverhalt wahrnimmt, auf ihn reagiert, jedoch den Appell, die Beziehung und die Selbstdarstellung ignoriert. Beleuchten wir unser Beispiel aus der Sicht des Empfängers: Je nachdem auf welchen Aspekt er besonders hört, ist seine Empfangstätigkeit eine andere: Den Sachinhalt sucht er zu verstehen. Sobald er die Nachricht auf die Selbstoffenbarungsseite hin „abklopft“, ist er personaldiagnostisch tätig („Was ist das für einer?“ bzw. „Was ist im Augenblick mit ihm los?“). Durch die Beziehungsseite ist der Empfänger persönlich besonders betroffen. („Wie steht der Sender zu mir, was hält er von mir, wen glaubt er vor sich zu haben, wie fühle ich mich behandelt und wertgeschätzt?“). Die Auswertung der Appellseite schließlich geschieht unter der Fragestellung („Wo will er mich hinhaben?“) bzw. in Hinblick auf die Informationsnutzung („Was sollte ich am besten tun, nachdem ich dies nun weiß?“). Je nachdem, welches seiner „vier“ Ohren der/die EmpfängerIn gerade vorrangig auf Empfang geschaltet hat, nimmt das Gespräch einen sehr unterschiedlichen Verlauf. Häufig ist dem/der EmpfängerIn gar nicht bewusst, dass er einige seiner/ihrer Ohren abgeschaltet hat und dadurch die Weichen für das zwischenmenschliche Geschehen stellt.
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## ##### ####### ### Die Botschaft ##### #####
Noch einmal zurück zu unserem Auto-Beispiel: „Du, da vorne ist grün“, hatte der Mann gesagt. Sachinhalt Hätte seine Frau zu dem Zeitpunkt nur mit dem Sachohr gehört, hätte die Antwort lauten können: „Ja, hier ist grüne Welle, das ist sehr angenehm.“
Ja. Hier ist grüne Welle. Das ist sehr angenehm.
Beziehungsinhalt Bei vielen EmpfängerInnen ist dieses Ohr besonders groß und überempfindlich, so auch bei der Frau am Steuer in unserem Beispiel. Diese Antwort ist uns ja bekannt: „Fahre ich oder fährst Du?“ Mit anderen Worten: „Du traust mir nicht einmal zu, dass ich richtig Auto fahren kann“ oder „Wenn dir nicht passt, wie ich fahre, dann fahre du doch das nächste Mal.“ Selbstoffenbarung Verglichen mit dem überempfindlichen „Beziehungs-Ohr“ wäre es seelisch gesünder, ein gut gewaschenes „Selbstoffenbarungs-Ohr“ zu haben, welches die Nachricht unter dem Aspekt aufnimmt „Was sagt mir die Person über sich?“
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###### Der Empfänger/Die ### ######### Empfängerin
1 4.2
Dieses Ohr ist diagnostisch tätig. Was ist mit dem Gegenüber los, welche Gefühle oder Motive sind mit der Äußerung verbunden? Hätte sie also nur mit dem „Selbstoffenbarungs-Ohr“ gehört, hätte sie geantwortet: „Du scheinst es aber eilig zu haben“ oder „Du bist sehr aufmerksam“. Appell Mit dem „Appell-Ohr“ hört man sehr deutlich die unausgesprochenen Wünsche und Erwartungen des Senders. Hätte die Frau am Steuer nur mit diesem Ohr gehört, wäre die Antwort vermutlich gewesen: „Ich geb ja schon Gas, damit wir noch drüber kommen.“ Dieses Ohr ist überhaupt empfänglich für den „Druck“, der sich mit einer Äußerung verbinden und/oder unter den sich der/die EmpfängerIn gesetzt fühlen kann.
Du scheinst es aber eilig zu haben.
In der Chemie ist das Phänomen bekannt, dass zwei für sich genommene harmlose Stoffe zu einer hochexplosiven Verbindung werden, wenn sie aufeinander treffen. In derselben Weise kann man sich die Vorgänge in der Kommunikation vorstellen: Was die Nachricht „anrichtet“, ist eine Art psycho-chemische Reaktion, die entsteht, wenn zwei „Stoffe“ zusammenkommen. Wenn der/ die EmpfängerIn die Nachricht einseitig empfängt (also ausschließlich nur mit einem der vier „Ohren“ hört), kann dies zu Kommunikationsstörungen führen. Alles, was ein/e SenderIn mit seiner/ihrer Botschaft anrichtet, richtet der/ die EmpfängerIn teilweise selber an. Die innere Reaktion erweist sich hier als „psycho-chemische Reaktion“.
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Kommunikationsstörung ## ##### ####### ### – ##### ##### Kommunikationsverbesserung In der Kommunikation tauchen Probleme auf, wenn: ➔ nicht richtig entschlüsselt wird – also der/die EmpfängerIn nicht das versteht, was der/die SenderIn gemeint hat; ➔ sich die GesprächspartnerInnen während und/oder nach dem Gespräch unwohl fühlen, wenn z. B. der/die GesprächspartnerIn entwertet oder die Meinung des anderen verworfen wird, wenn auf der Beziehungsebene mitgeteilt wird, dass man voneinander nichts halte; ➔ verbale und nonverbale Kommunikation nicht zusammenpassen – ein Widerspruch entsteht – dann fühlen wir uns nicht ernst genommen und wissen nicht, wie wir dran sind; ➔ die Ebenen nicht übereinstimmen.
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###### Sicht des ### Senders/der ######### Senderin
1 5.1
Viele Gespräche glücken nur dann, wenn sich der/die SenderIn vorher fragt: Welche Botschaft braucht die Gesprächspartnerin oder der Gesprächspart ner, um sich in einer bestimmten Situation verstanden und damit sicher zu fühlen? Während einer Prüfung z.B. wird der Schüler oder die Schülerin das Sachohr und das Appellohr geschärft einsetzen, aber in dieser Situation auf ein Zeichen von Menschlichkeit warten, auf eine Beziehungsbotschaft: Der/Die LehrerIn könnte mit Leichtigkeit eine Beziehung aufbauen durch: „Wie geht es dir, Michael?“ oder „Na, das werden wir schon machen.“ Sachbotschaften Jede Äußerung enthält eine Sachbotschaft, eine sachbezogene Information: Abteilungsleiter zur Sekretärin: „Traude, ich suche das Skript vom Franz.“ Zunächst ist der Sachbezug einmal klar: Es gibt ein Skript von Franz und der Abteilungschef sucht es. Aber durch die Art, wie er das sagt, liefert die Sachbotschaft lediglich den inhaltlichen Bezugspunkt, im Vordergrund stehen: ➔ „Ich bin sauer“ (Selbstoffenbarung) ➔ „Ich finde dich schlampig“(Beziehung) ➔ „Los, hilf mir suchen“(Appell) Eine sachlich gemeinte Äußerung bekommt schon durch die kleinste Beziehungs störung Vieldeutigkeit. Eine sachlich gemeinte Botschaft kann aber auch durch eine kleine zusätzliche Betonung eine nette Beziehungsbotschaft enthüllen: Beispiel: Abteilungsleiter: „Morgen werde ich (betont) mich darum kümmern“ (du bist ja nicht dazu fähig). Ganz anders klingt das, wenn man langsamer spricht und bei „ich“ die Stimme senkt. Dann offenbart sich eine andere Botschaft: Denn, wie heißt es doch so schön: „Der Ton macht die Musik.“ Wenn der Abteilungsleiter seinen jungen Mitarbeiter Walter z.B. fragt: „Musst du diese hässlichen Poster in deinem Büro aufhängen?“, spricht er in der Regel laut und schnell mit einer Betonung auf „musst“ und „Büro“. Walter wird das Ganze sicherlich nicht als Frage verstehen, sondern als Aufforderung. Das erschließt er aus dem spezifischen Zusammenhang der Sprechausdruckmittel.
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Kommunikationsstörung ## ##### ####### ### – ##### ##### Kommunikationsverbesserung Kehren wir zurück zu unserem Beispiel. Abteilungsleiter zu Walter: „Musst du diese hässlichen Poster in deinem Büro aufhängen?“ ➔ Durch seine Betonung gibt der Abteilungsleiter dieser Aussage eine bestimmte Bedeutung. „Musst du diese hässlichen Poster in deinem Büro aufhängen?“: Ist das wirklich nötig? Oder: „Musst du diese hässlichen Poster in deinem Büro aufhängen?“: Gibt es keine anderen? ➔ Der Abteilungsleiter übermittelt eine Selbstoffenbarung: In unserem Fall ist er empört. Er spricht schnell und laut mit starkem Akzent auf: „Musst ... Büro ...“ Dadurch macht er auch seine Einstellung zu solchen Handlungen deutlich: Das Büro mit Postern zuzupflastern, ist für ihn empörend. ➔ Er verdeutlicht seine Auffassung von der Beziehung zu Walter: Durch seine Lautstärke, die Intensität und die melodischen Akzente demonstriert er Dominanz, er drückt aus, dass er das Recht auf seiner Seite weiß. ➔ Er macht klar, welche Intention er hat, dass er seine Äußerung nicht als Frage, sondern als Appell verstanden haben will. „Weg mit den Postern.“ Das entscheidende Merkmal ist die Melodieführung. Wenn wir also wollen, dass unsere Gesprächspartnerin oder unser Gesprächspartner eine Äußerung in erster Linie als Sachaussage versteht, müssen wir ➔ explizit formulieren, was Sache ist, Verallgemeinerungen vermeiden. Ein Beispiel: „Walter, du bist einer der größten Traumwandler, der hier herumläuft.“ Hier wird nicht gerne um den heißen Brei geredet, der Abteilungsleiter kommt gleich zur Sache. Aber die Aussage ist eine weit überzogene Verallgemeinerung: Worauf bezieht sich denn das Etikett „größter Traumwandler“? Hier wird die ganze Person in Frage gestellt. Diese Botschaft könnte explizit so formuliert werden: „Du bist in letzter Zeit mit deinen Ge-
Wir erkennen das Modell der unterschiedlichen Botschaften von Friede mann Schulz von Thun. Mit diesem Beispiel sollte verdeutlicht werden: Welche Botschaften der/die SenderIn vermittelt, hängt wesentlich von seinem/ihrem Sprechausdruck ab.
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###### Sicht des ### Senders/der ######### Senderin
1 5.1
danken nicht bei der Arbeit.“ Jetzt ist der Sachbezug klar: Walter, du arbeitest unkonzentriert. ➔ möglichst sachlich sprechen, ➔ so deutlich wie möglich und ➔ auf bewertende verbale Beigaben verzichten. Einige Basisregeln, um Kommunikationsstörungen zu vermeiden: ➔ Ich-Aussagen Negativbeispiel:
➔
Positivbeispiel:
➔
„Walter, du zeigst zu wenig Engagement.“ Mit einer direkten Anrede „du“, stellen wir die gesamte Person in Frage. Wir haben es hier mit einer Beziehungsbotschaft zu tun. „Ich wünsche mir mehr Engagement.“ Mit der entsprechenden „Ich“-Aussage schränken wir den Bewertungsrahmen auf unsere persönliche Meinung ein. Der Abteilungsleiter spricht von sich selbst und von seinen Bedürfnissen und nicht über Walter. Die Aussage ist jetzt keine Beziehungsbotschaft mehr, jetzt wird ein Appell formuliert.
Tipp: Formen der Entpersönlichung, „Man“-Aussagen, sollten vermieden werden. Schließlich könnte hier immer die Frage erwidert werden: Wer ist „man“? Und noch ein Tipp: Oft beobachten wir, dass Menschen gerne „ich-steigern“. Das klingt dann so: „Ich persönlich bin der Auffassung ... Nein, „ich“ kann nicht gesteigert werden: Ich kann nicht unpersönlich der Auffassung sein. Tautolo gien, ähnlich wie der „weiße Schimmel“, erhöhen nicht die Aussagekraft. ➔ Passivkonstruktionen sollten vermieden werden. Wir sprechen im „Aktiv“. Obwohl Passivaussagen und Verallgemeinerungen auch einen Vorteil haben können. Wenn z.B. der Abteilungsleiter sagt: „Hier wird nur getratscht“, und Walter antwortet: „Wen
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Kommunikationsstörung ## ##### ####### ### – ##### ##### Kommunikationsverbesserung meinst du damit?“, kann der Vorgesetzte schnell dementieren: „Ich meine nicht dich. Mehr so allgemein!“ Menschen mit Selbstbewusstsein formulieren „Ich“-Aussagen immer aktiv: „Walter, ich habe das Gefühl, du bist mit deinen Gedanken nicht ganz bei der Arbeit.“ ➔ Konjunktiv – Indikativ Der Konjunktiv wird viel zu oft an falscher Stelle verwendet. Lebendige Kom munikation und der Gebrauch des Konjunktivs gehen nicht zusammen. Der Konjunktiv wirkt immer passiv. „Walter, könntest du mir bis morgen dies hier umschreiben?“ Walter darauf: „Das wäre schon möglich.“ Wenn der Abteilungsleiter ein klares „Ja“ erhalten möchte, ist eine deutliche Frage sinnvoller: „Walter, kannst du diese Rede bis morgen umschreiben?“ Wir sollten auch möglichst die Anwendung der Worte „möchten“, „wollen“ und „darf“ vermeiden. „Walter, ich möchte mich bei dir bedanken“, ist zwar höflich gemeint, aber nicht mehr als eine Absichtserklärung. Wenn sich der Abteilungsleiter bedanken will, dann soll er das auch tun. „Walter, danke, dass du mich unterstützt hast.“ „Darf ich noch kurz hinzufügen“, ist eine unnötige Aussage. Entweder füge ich hinzu oder nicht. ➔ Metakommunikation Wir können unsere Gesprächspartnerin oder unseren Gesprächspartner, um zu vermeiden, dass er oder sie eine Beziehungsbotschaft oder einen Appell in unserer Aussage hört, auch auf die Botschaft verbal vorbereiten:
In der Kommunikationswissenschaft nennt man das eine Äußerung auf der Meta-Ebene: Metakommunikation heißt: Wir sprechen über die Kommunikation, über das, was gerade im Gespräch läuft oder laufen soll, wie wir etwas meinen oder verstanden haben. Wir steigen also kurzfristig von der Stufe des/der Beteiligten auf die Stufe des Beobachters/der Beobachterin.
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###### Sicht des ### Senders/der ######### Senderin Beispiel:
➔
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Der Abteilungsleiter hat Angst, dass Walter folgende recht unangenehme Mitteilung als Kritik versteht, deshalb beginnt er so: „Walter, ich will mit dir darüber sprechen, wie wir das mit den Postern am besten lösen.“
Walter zum Abteilungsleiter: „Sepp, ich spreche jetzt über meine Gefühle ...“ Negativbeispiel:
➔
„Walter, bitte versteh mich nicht falsch, ich will dir keine Anweisungen geben, aber glaubst du, dass es angemessen ist, dieses Poster in deinem Büro aufzuhängen?“ Hier suggeriert der Vorgesetzte, dass Walter etwas falsch verstehen könnte – auf dem falschen Ohr wahrnehmen könnte. Walter wird es dann auch tatsächlich machen. Daher müssen wir unsere Metakommentare positiv formulieren.
Beziehungsbotschaften Negative, unangenehme Beziehungsbotschaften sind besonders heikel, weil dadurch der Wert des Partners/der Partnerin in Frage gestellt wird. Wir sollten auch hier: explizit formulieren, also Verallgemeinerungen vermeiden, Botschaften als „Ich“-Aussagen formulieren, generelle Wertschätzung signalisieren. ➔ Explizit formulieren: Nehmen wir unser oben schon angeführtes Beispiel: „Walter, du bist einer der größten Traumwandler, der hier herumläuft.“ Der Abteilungsleiter kommt gleich zur Sache. Aber die Aussage ist, wie gesagt, eine überzogene Verallgemeinerung. Die ganze Person wird in Frage gestellt. Diese Botschaft könnte explizit so formuliert werden: „Du bist in letzter Zeit mit deinen Gedanken nicht bei der Arbeit.“ Jetzt ist der Sachbezug klar: Walter, du arbeitest unkonzentriert. Aber es schwingt immer noch eine Unterstellung mit. Besser verträglich für Walter ist eine ➔ „Ich“-Aussage: „Ich habe das Gefühl, du bist in letzter Zeit mit deinen Gedanken nicht bei der Arbeit.“
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Kommunikationsstörung ## ##### ####### ### – ##### ##### Kommunikationsverbesserung ➔ „Walter, du weißt, ich schätze dich sehr, ich habe aber das Gefühl, du bist in letzter Zeit mit deinen Gedanken nicht bei der Arbeit. Was ist los mit dir?“ Jetzt wird auch Wertschätzung signalisiert. Positive Beziehungsbotschaften brauchen nicht versteckt zu werden: Oft werden positive Beziehungsbotschaften hinter Sachaussagen versteckt: „Gut, dass du den Artikel noch geschrieben hast, Walter.“ Das ist ein sachbezogenes Lob. Hier ist aber eine explizite Beziehungsbotschaft auch angemessen: „Walter, ich wollte dir schon immer sagen, dass du ein ausgezeichneter Mitarbeiter für mich bist.“ ➔ Fragen Mit gezielten Fragen können Beziehungen geschaffen, eine Brücke zwischen Menschen aufgebaut werden. Immer dann, wenn dem/der EmpfängerIn signalisiert wird: „Ich interessiere mich für dich als Person.“ ➔ Eine rhetorische Frage ist eine Frage, von welcher der/die Fragende nicht erwartet, dass sie beantwortet wird. Statt z.B. zu sagen: „Gremienarbeit funktioniert folgendermaßen ...“, kann auch gesagt werden: „Wie funktioniert Gremienarbeit?“ Die rhetorische Frage ermöglicht ein leichtes Überleiten von einem Thema zum anderen, die Aufmerksamkeit des Zuhörers wird gesteuert und
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###### Sicht des ### Senders/der ######### Senderin
1 5.1
es kann Zustimmung bei den Zuhörern eingefordert werden. Dazu wird die Position der Zuhörerin und des Zuhörers eingenommen, in dem er oder sie direkt angesprochen wird: „Kollege, du fragst dich jetzt, ist das denn tatsächlich so?“ Selbstoffenbarungsbotschaften Die Praxis zeigt, dass wir mit Selbstoffenbarungsbotschaften im beruflichen Alltag eher vorsichtig sind. Denn Äußerungen über die eigene Befindlichkeit werden gerade im beruflichen Alltag nicht selten als unangemessen bewertet, oft sogar als gefährlich. Schließlich könnten die anderen das als Mangel an Belastbarkeit interpretieren. Selbstoffenbarungsbotschaften sollten aber auch im Betrieb explizit formuliert werden. Hier kann das „Werkzeug“ der Metakom munikation (siehe oben) benutzt werden. Appellbotschaften Wir empfinden Appelle deshalb oft als unangemessen oder unhöflich, weil sie die versteckte Beziehungsbotschaft enthalten: Ich bin der, der hier Anwei-
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Kommunikationsstörung ## ##### ####### ### – ##### ##### Kommunikationsverbesserung sungen geben kann. Deshalb sollten wir Appelle einkleiden. Der andere erlebt uns eventuell partnerschaftlicher, wenn wir unseren Appell in eine Frage fassen: „Machst du mal einen Kaffee, Walter?“, oder sanfter: „Bist du so lieb und machst mal einen Kaffee, Walter?“ Auf diese Weise signalisieren wir unserem Partner Wertschätzung und lassen ihm einen Entscheidungsspielraum. Zusätzlich kann durch eine vorgelagerte Frage die Voraussetzung geklärt werden: „Sag mal, du gehst doch in die Küche?“ – „Ja, habe ich vorgehabt.“– „Könntest du mir einen Gefallen tun und, ...“ Gutes Verpackungsmaterial für Appellbotschaften ist auch die Begründung. Der „Arbeitsauftrag“ „Mach mal einen Kaffee, Walter“, wird ergänzt durch ein Argument für die Angemessenheit des Appells: „... Ich kann dann noch Korrekturlesen und ...“
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Sicht des Empfängers/ ###### ### ######### der Empfängerin
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Dass wir uns in einem Gespräch mit jemandem über etwas verständigen, ist nicht selbstverständlich. Jeder von uns nimmt das, was der andere sagt, durch seinen eigenen Wahrnehmungsfilter auf, versteht und interpretiert es nach seinen persönlichen Möglichkeiten und Interessen. Was der eine meint und sagt, ist vermutlich nie genau das, was der andere versteht. Beispiel: Michaels Frau schickt ihn zum Einkaufen und schreibt auf den Einkaufszettel: 2 Äpfel. Michael weiß, was und wie viel seine Frau haben möchte. Im Geschäft stellt er erstaunt fest, dass ihm zehn Sorten Äpfel zur Auswahl stehen. Er kauft einfach eine Sorte und geht nach Hause. Michaels Frau wollte aber eine ganz bestimmte Sorte und Michael hat die falsche mitgebracht. Denn mit den Äpfeln, die Michael gekauft hat, kann sie vielleicht einen Apfelstrudel machen, sie aber nicht den Kindern geben, so meint sie. Der Grund dieses Missverständnisses kann unterschiedliche Ursachen haben. Entweder hat Michaels Frau vorausgesetzt, dass er die Sorte kennt, die sie immer einkauft, oder sie hat vergessen zu erwähnen, welche Sorte sie will. Wenn Michaels Frau angenommen hat, dass er weiß, welche Äpfel sie haben möchte, Michael es aber nicht weiß, liegt das daran, dass beide über ein unterschiedliches Wissensniveau verfügen. Meist wird nur auf der Beziehungsebene und bestenfalls auf der Sach ebene empfangen – dies kann zu vielen Missverständnissen führen. Ganz besonders konfliktträchtig ist es, wenn der/die EmpfängerIn ständig eine einseitige Auswahl vornimmt, etwa immer nur den Sachverhalt wahrnimmt, auf ihn reagiert, jedoch den Appell, die Beziehung und die Selbstdarstellung ignoriert. Prinzipiell gilt nämlich die Regel: Man sollte auf allen vier Ebenen reagieren, um auf den/die GesprächspartnerIn eingehen zu können. Darum: MIT VIER OHREN EMPFANGEN! Man kann das auch anders sagen: Es sollten möglichst alle vier Ohren offen gehalten werden, dann kann man sich entscheiden, auf welcher der vier Ebenen man reagieren möchte.
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Kommunikationsstörung ## ##### ####### ### – ##### ##### Kommunikationsverbesserung Sachbotschaft Wenn man sicher sein möchte, ob man richtig gehört hat, dann nachfragen. Niemals sollte z.B. ein Gespräch und/oder eine Rede begonnen oder fortgesetzt werden, wenn die Bedeutung eines Begriffes unklar ist, oder wenn wir nicht wissen, ob der andere das Gleiche darunter versteht. Um zu überprüfen, ob eine Botschaft so verstanden worden ist, wie der/die SenderIn es sich erhofft, besteht die Möglichkeit des „Paraphrasierens“. Wir sagen dem anderen, was wir verstanden haben oder wie wir es verstanden haben, und versichern uns, ob das, was wir verstanden haben, auch das ist, was er gemeint hat. Der Abteilungsleiter zu Walter: „Bitte sag Huber, dass ich morgen erst um 15 Uhr da sein werde. Oder besser frag ihn, ob wir uns nicht zum Essen treffen könnten. Sag ihm, bei ,da Gino’... es hat ein paar Änderungen gegeben, er soll den Katalog noch mal mitnehmen ...“ Walter zum Abteilungsleiter: „Entweder um 15 Uhr oder bei ,da Gino’. Ich habe das so verstanden, dass dir das lieber wäre ... und den Katalog soll er mitnehmen. Ist das so ok?“ Walter wiederholt also mit eigenen Worten, was er verstanden hat, und bittet um Bestätigung. Solche zusammenfassenden Paraphrasen sind vor allem in schwierigen Gesprächen wichtig: Hier können sie der Ergebnissiche rung dienen. Die Paraphrase kann auch dazu dienen, die von uns erwartete Antwort oder unsere eigene Stellungnahme vorzubereiten. Wir gewinnen Zeit, indem wir etwas wiederholen. Wir können mit „Paraphrasieren“ aber auch Wertschätzung signalisieren: Wir zeigen dem/der SenderIn, dass wir seine/ihre Äußerung für wichtig halten, dass wir bereit sind, uns mit dem Inhalt dieser Äußerung und mit ihm/ihr als PartnerIn ernsthaft zu beschäftigen. Das schafft ein positives Gesprächsklima. Beziehungsbotschaft EmpfängerInnen mit empfindlichen Beziehungsohren machen den Fehler, dass sie einer Sachauseinandersetzung ausweichen und das Gespräch auf die Beziehungsebene verlagern. Eine sachliche Kritik wird nicht angenommen, sondern es erfolgt eine Reaktion auf der Beziehungsebene, die z.B. autoritär oder ironisch sein kann.
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Sicht des Empfängers/ ###### ### ######### der Empfängerin
1 5.2
Selbstoffenbarung Für den/die EmpfängerIn ist manchmal schwer zu entscheiden: Hat die Nachricht Selbstoffenbarungs- oder Beziehungscharakter? Dasselbe Verhalten kann als Selbstoffenbarung oder als Beziehungssignal aufgefasst werden.
Beispiel: Der Abteilungsleiter tritt auf einige Kugelschreiber im Büro von Walter, die Walter nicht weggeräumt hat: „Was ist denn das für eine Schweinerei!“ Statt auf Gefühlsausbrüche, Anklagen und Vorwürfe mit der Beziehungsseite zu reagieren, ist es für Walter besser, die Selbstoffenbarungsbotschaft aufzunehmen: Der Abteilungsleiter hält diesen Dreck nicht aus. Aber das Gegenteil ist auch schlecht: Auf dem Beziehungsohr überhaupt nicht zu hören und alles, was der andere sagt, gewissermaßen nur als Selbstoffenbarung zu diagnostizieren, ohne dass es meine Gefühlswelt erreicht. Man schaltet ab und erspart sich Betroffenheit. Als wichtigste Chance, die Selbstoffenbarung des anderen zu hören, ist das aktive Zuhören zu nennen.
Appell Wer immer nur das Appell-Ohr benutzt, macht sich bei jedem Satz des anderen Gedanken, was ich denn selbst zu tun habe und was ich tun kann, um dem Wunsch des anderen zu entsprechen. Man ist gewissermaßen auf dem „AppellSprung“. Kleinste Signale werden auf ihre Appell-Komponente hin untersucht. Der/Die EmpfängerIn hat keine Antenne für das, was er/sie selbst denkt und fühlt, ist nur für den anderen da.
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede ##### Eine Rede ist eine Kommunikationssituation, bei welcher der/die RednerIn als SenderIn und das Publikum als Empfänger fungieren. Auch hier gelten die Basisregeln der Kommunikation. Wir haben oben gelesen, dass das „Was“ und „Wie“ Bestandteile der Kommunikation sind. Das gilt auch für die Rede. Das „Wie“ ist für den Erfolg einer Rede wichtiger als das „Was“. Zu Recht: Es heißt, Menschen treffen Entscheidungen nur zu 10 % nach der Ratio, aber zu 90 % nach Gefühl. Selbstverständlich heißt das nicht, dass die Inhaltsseite keine Bedeutung hat. Ein Redner/Eine Rednerin darf nicht nur unterhalten. Er/Sie muss vor allem überzeugen und unter Umständen auch sachlich informieren können. Der Unterhaltungsaspekt gehört gewiss mit zur Rhetorik und damit auch zur freien Rede – er darf aber nicht zum Selbstzweck verkommen. So wie ein Seminar lustig sein darf und der Humor zum Lernprozess gehört, so darf eine Ausbildungssequenz nicht nur am Unterhaltungsaspekt gemessen werden. Der Inhalt hat immer erste Priorität. Wir benötigen lediglich sinnvolle Schmiermittel, welche die Übermittlung von abstrakten Botschaften erleichtern helfen.
Das Thema, der Inhalt, definiert das „Was“. Die Art der Darstellung, die Verpackung, ist das „Wie“ einer Rede.
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###### ### ######### Lampenfieber
1 6.1
Wenn wir erfolgreich reden wollen, müssen wir uns wohlfühlen. Nur dann werden wir eine positive Ausstrahlung haben – eine positive Beziehung zwischen RednerIn und ZuhörerInnen herbeiführen und damit jenes Kommunikationsklima schaffen, das unabdingbare Voraussetzung ist für eine erfolgreiche Rede. Wir übertragen nämlich unsere Stimmung auf unser Publikum. Wir werden uns andererseits beim Sprechen nur dann wohlfühlen, wenn wir selbstsicher sind. Lampenfieber ist ein Phänomen, das eine/n SchauspielerIn, eine/n MusikerIn, aber auch eine/n RednerIn vor einem Auftritt befallen kann. Biologisch kann Lampenfieber so erklärt werden: Lampenfieber ist eine andere Bezeichnung für „Stress“. Wenn eine Person einen exponierten Auftritt hat, so wird statt von „Stress“ von „Lampenfieber“ gesprochen. Der Hypothalamus, die „Steuerzentrale“ im Gehirn, löst eine Sympathicusreaktion aus, was zur Folge hat, dass die Nebennierenrinde (Nor)Adrenalin produziert. Das kann positive und negative Auswirkungen haben. Negative Auswirkungen des Lampenfiebers ➔ Stotterstimme ➔ zittrige Knie ➔ Blackout ➔ Herz rast ➔ Schweiß bricht aus ➔ Blut schießt in den Kopf ➔ Gedanken fehlen ➔ Atem stockt ➔ Schlaflosigkeit ➔ Verdauungsstörungen ➔ zu viel Lampenfieber lähmt die Kommunikationsprozesse Je mehr Freude ich habe, jemandem etwas mitzuteilen, desto wirksamer werden meine Worte.
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede ##### Das Lampenfieber kann und sollte trotz negativer Auswirkungen aber nicht verloren gehen. Denn gerade mit kontrolliertem Lampenfieber sind wir zu Höchstleistungen fähig. Ein wenig Nervosität ist hervorragend. Nervosität erzeugt nämlich Spannung. Vorteile des Lampenfiebers ➔ mehr Spannung ➔ mehr Kraft ➔ macht „wach“ ➔ kribbeln ist gut ➔ Lampenfieber ist gleichsam Aufputschmittel ➔ ohne Lampenfieber ist ein Auftritt oft „energielos“ Umgang mit Lampenfieber Ein/e geübte/r RednerIn wird sich auf den Moment der Anspannung freuen und lernen, ihn als normal zu empfinden. „Hilfsmittel“ wie Medikamente oder Alkohol machen alles nur noch schlimmer. Helfen kann nur viel Übung und gute Vorbereitung. ➔ Gute Vorbereitung Jemand, der weiß, wovon er redet, mag zwar eingangs nervös sein, wird aber im Laufe seiner Rede sicherer werden. Im Optimalfall sollte nur zu Themen gesprochen werden, zu denen bereits eine Wissensplattform erarbeitet worden ist. Die Kommunikationstrainerin Vera F. Birkenbihl spricht von einer Unterscheidung von „alten“ und „neuen“ Gedanken: Was konkret gemeint ist, kann anhand eines Beispieles verdeutlicht werden:
Gesucht ist eine gesunde Balance: So viel Lampenfieber wie nötig, aber nur so viel, dass es den Kommunikationsprozess nicht einschränkt.
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###### ### ######### Lampenfieber
1 6.1
„Stellen Sie sich vor, jeder neue Gedanke bahne sich quasi einen „Tram pelpfad“ durch das Dickicht Ihrer Nervenzellen. Wird dieser Gedanke öfter gedacht, dann wird der Trampelpfad ein „ausgetretener“ Weg. Wird dieser weiterhin regelmäßig benutzt, dann baut das Gehirn eine richtige „Straße“. (Birkenbihl; Redetraining für jeden Anlass, Berlin 1997 S. 47 ) In der Sprache der Forscher haben wir jetzt eine „bevorzugte Nervenbahn“ geschaffen. Ab jetzt fällt es uns immer leichter, diese Gedanken zu formulieren, bald haben wir (hierzu) eine regelrechte „Datenautobahn im Hirn“. Ist dieser Punkt einmal erreicht, dann können wir uns (zu diesem Thema) leicht und flüssig äußern. Somit gilt: „Je mangelhafter die allgemeine Vorbereitung zwangsläufig ist, wenn man neue Gedanken äußern soll... desto nervöser werden Sie. Also müssten wir unser Training so anlegen, dass wir unsere Ideen mehrmals formulieren – und zwar sprechend, damit die „Datenautobahn“ im Ge hirn angelegt werden kann.“ ➔ Nicht sprechen, wenn der/die RednerIn der Aufgabe nicht gewachsen ist (z.B. zu einem Thema, bei dem er/sie nicht kompetent ist). Wir sprechen als RednerIn – vor allem, wenn wir keine Übung in der freien Rede haben – nur über ein Thema, das wir gut kennen. ➔ Bewusste Atmung und Entspannungstechniken Verschiedene Entspannungstechniken können helfen, mit dem Lampenfieber umzugehen. Dabei geht es darum, sich zuerst anzuspannen, dann zu entspannen und richtig zu atmen. ➔ Sichere Bewegungen Der/Die RednerIn sollte die Ruhe selbst sein, und er/sie wird Sicherheit ausstrahlen. Bei einer Rede sollten schnelle und hektisch wirkende Bewegungen vermieden werden.
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede ##### ➔ Antizipieren Sich die Situation vorstellen, Fragen, Pannen einplanen. Vorüberlegen: „Was tue ich, wenn ...“ ➔ Authentisch sein Prinzipiell gilt: Der/Die RednerIn bleibt authentisch, versucht nicht anders zu wirken, als er/sie ist. Das heißt, wie am Beginn des Skriptums dargestellt: „Sprich die Sprache, die du gewohnt bist.“ ➔ Das Publikum erkennen Wer vor Publikum spricht, wird keine konkrete Zielgruppenanalyse machen, aber doch wissen müssen, vor wem er spricht und welche Erwartungen in ihn gesetzt werden. ➔ Verbündete suchen Ein wesentlicher Schritt, um Angst vor der Rede abzubauen, ist, vor einer Rede mit Leuten aus dem Publikum zu sprechen.
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###### Die Vorbereitung ### #########
1 6.2
Grundlegend für die Vorbereitung einer Rede sind fünf Phasen, fünf Arbeits schritte. Cicero teilt die gesamte Tätigkeit des Redners in fünf Teile: ...er müsse erstens finden, was er sagen wolle, zweitens das Gefundene nicht nur hinsichtlich der Anordnung, sondern auch nach der Bedeu tung und entsprechend seinem Urteil ordnen und zusammenstellen, es schließlich drittens in wirkungsvolle Worte kleiden, dann viertens im Gedächtnis aufbewahren und endlich würdevoll und elegant vortragen. Damit sind die Grundlagen für den Aufgabenbereich des Redners gelegt: Das Aktivitätsfeld der freien Rede gliedert sich in: Inventio, Dispositio, Elocutio, Memoria und Actio.
Ideen-Sammlung (Inventio) Gemeint ist die Sammlung der wesentlichen Gedanken, vor allem der Aspekte und Argumente. Gesammelt wird, was von der Sache her notwendig und im Hinblick auf die Zuhörerinnen und Zuhörer wirkungsvoll ist. Viele Reden und Vorträge kranken daran, dass sie offensichtlich zu kurzfristig vorbereitet sind. Prinzipiell sollte nicht nur Stoff für eine bestimmte Rede oder einen bestimmten Vortrag gesammelt, sondern durch eine weit verzweigte Stoffsammlung das Wissen erweitert werden. Wir müssen Material auf weite Sicht sammeln. Je länger unsere Rede wird, desto wichtiger wird es, dass wir weit mehr wissen, als wir sagen.
Redeabschnitte/Die Gliederung (Dispositio) Gliederung ist die Anordnung der einzelnen Redeteile. Die Struktur einer Rede wird in der Regel durch die Abschnitte ➔ Einleitung ➔ Hauptteil ➔ Schluss gegliedert. Das Längenverhältnis der drei Abschnitte gliedert sich wie folgt: Einleitung 30-35 % Hauptteil 60 % Schluss 5-10 %
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede ##### Einleitung Der Schlüssel für eine gute Rede ist der Einstieg. Der erste Eindruck ist wichtig. Jede Rede braucht eine einzigartige und packende Einleitung. Warum? Mit der Einleitung wird die Erwartungshaltung der Zuhörerinnen und Zuhörer geweckt, Spannung aufgebaut. Die Einleitung basiert also hauptsächlich auf dem „Wie“-Prinzip. Mit dem gelungenen Einstieg ziehen wir die ZuhörerInnen in unseren Bann. ➔ Guter Redeanfang Mit einem guten Anfang ist es leichter, den Einstieg in die Rede und den Zugang zum Publikum zu erhalten. Ein Anfang ist dann gelungen, wenn der/die ZuhörerIn zu sich selbst sagt: „Das klingt interessant – da muss ich aufpassen.“ Wie kann nun ein Anfang aussehen?
Beispiele: 1. Eine Zahl wird an den Anfang gestellt: „10.000, 30.000, nein, nahezu 50.000 Betriebsräte vertreten Ihre Interessen vor Ort.“ 2. Eine Anekdote erzählen – die ZuhörerInnen werden lachen, die Atmosphäre wird aufgelockert. 3. Überraschungseffekt: Durch eine überraschende Aussage die Neugierde wecken und/oder durch eine Frage die Aufmerksamkeit der ZuhörerInnen wecken: „Haben Sie schon einmal überlegt, was passiert, wenn Sie keinen betrieblichen Interessenvertreter vor Ort haben?“ „Schätzen Sie, wie viele Betriebe weniger als 5 Beschäftigte haben.“ Wer vor Publikum spricht, kann auch einen ungewöhnlichen Einstieg wählen, der von niemandem erwartet wird, z.B. zu sprechen beginnen, während er sich noch hinter der Bühne befindet oder im Rücken des Publikums steht. Es können auch Gegenstände miteinbezogen werden, die sich im Raum befinden, z.B. der Vorhang: „Vorhang auf, verschleiern hilft nicht mehr: Der Neoliberalismus startet einen Frontalangriff.“ Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt: Wir
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###### Die Vorbereitung ### #########
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müssen nur aufpassen, dass sie nicht ins Geschmacklose ausufert. Der originelle Anfang gibt uns zwar einen guten Einstieg, aber er sollte dem Inhalt und dem Publikum angemessen sein. ➔ Schlechter Anfang Mit negativen Anfängen gibt es nichts zu gewinnen, weil wir uns einerseits damit selbst degradieren, den Redeanlass bagatellisieren, und andererseits den ZuhörerInnen sagen, wie unwichtig sie sind: „Ich war gerade hier in der Gegend und dachte ...“ „Ich möchte Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen, aber ...“ Hauptteil Der Hauptteil beinhaltet die Aussagen zum Thema, die Substanz der Rede. Dieser Abschnitt wird vom „Was“, vom Inhalt, bestimmt. Hier zählen Fakten, Beweise, logische Folgerungen, sachliche Argumentationen, Beispiele, Behauptungen usw. Je einfacher und übersichtlicher die Struktur eines Vortrages ist, desto angenehmer ist das Zuhören. Das bedeutet, dass man die Kunst des Weglassens erlernen sollte. Die Devise ist: Wenn wir in unseren Erläuterungen unbedingte Vollständigkeit anstreben, dann ist es eher angebracht, ein Buch zu schreiben. Wir müssen uns also zunächst, noch bevor wir über die Einleitung nachdenken, überlegen, welche Argumente wir anführen wollen. Drei bis vier Argumente stellen im Normalfall den Hauptteil einer Rede dar. Auch wenn wir mehr Argumente haben: wir sollten niemals alle bringen. Ein Grund ist sicherlich der, dass ein/e RednerIn zu einem Thema immer mehr wissen muss, als er/sie dann tatsächlich sagt. Ein anderer Grund ist der, dass die Gedächtnisleistung unserer ZuhörerInnen keine 12 Argumente zulässt. Wir müssen davon ausgehen, dass unsere ZuhörerInnen nur drei bis vier Informationen gleichzeitig behalten können. Studien zeigen: auch wenn alle ZuhörerInnen nach 5 Minuten noch voll dabei sind, ist nur noch ein Fünftel nach 30 Minuten aufmerksam. Nach 45 Minuten Vortrag kann ein Durchschnitts mensch nur noch 20 % des Gehörten wiedergeben. Das beste Argument wird immer am Schluss gebracht, weil sich das der/die ZuhörerIn am leichtesten einprägen kann – einerseits. Andererseits ist der letzte Eindruck bleibend. Das zweitbeste Argument wird am Anfang gebracht.
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede #####
Wenn der/die RednerIn möchte, dass die ZuhörerInnen den Ausführungen bis zuletzt folgen, muss er/sie es ihnen so leicht wie möglich machen. Das bedeutet unter anderem auch: reden in einer klaren, einfachen Sprache, in kurzen Sätzen, möglichst in Hauptsätzen, Schachtelsätze vermeiden. Beim Sprechen Bilder verwenden, Geschichten, Vergleiche, Analogien. Die Lautstärke situations gerecht dem Publikum anpassen (Saalverhältnisse/Mikrofon), Spannung erzeugen, Lautstärke wechseln, Monotonie vermeiden. Z. B. sind rhetorische Fragen die Würze eines Vortrags. Sie bringen eine gewisse Dramatik in die Rede, veranlassen das Publikum in eine bestimmte Richtung weiterzudenken und sind gute Überleitungen. Andere Gliederungsarten für eine Rede Es gibt natürlich noch weitere Möglichkeiten, eine Rede zu strukturieren: AIDA/AITA-Schema Hier sollen die Zuhörer und Zuhörerinnen zum Handeln motiviert werden: „AIDA“ bedeutet: A : Aufmerksamkeit I : Interesse D : Desire: Wunsch A : Action: Aktion; Handlung Eingangs werden die Hörer und Hörerinnen zum Thema hingezogen, in der Mitte interessiert, und am Ende entweder motiviert und/oder sie kennen die wichtigsten Aspekte der Rede. An sich keine Abweichung vom „Standard-Schema“. Das „AIDA“-Schema enthält aber statt den drei Abschnitten Einleitung, Hauptteil und Schluss vier Teile: Der vierte Teil resultiert daraus, dass der Einleitungsteil in zwei Abschnitte zerlegt wird. ➔ Der Redner oder die Rednerin wird zunächst versuchen, auf sich aufmerksam zu machen. Um die Aufmerksamkeit der Zuhörer und Zuhörerinnen zu er-
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###### Die Vorbereitung ### #########
1 6.2
reichen ist z.B. eine Anekdote oder ein Zitat ein gutes Mittel. Der/Die RednerIn muss neugierig machen und die ZuhörerInnen „geistig fesseln“. ➔ Das heißt aber noch lange nicht, dass sich die HörerInnen auch für das, was der/die RednerIn zu sagen hat, interessieren. Deshalb muss der/die RednerIn die ZuhörerInnen jetzt für den Hauptteil seiner/ihrer Rede gewinnen. Hier kann wieder einmal eine rhetorische Frage sehr behilflich sein. Die schon erwähnte Kommunikationstrainerin Vera F. Birkenbihl hat die Variante „AITA“ in die Rhetorik-Literatur eingebracht: „T“ wie Theorie. Wer Informationen anbieten möchte, läuft Gefahr, diese langweilig, trocken oder unverständlich zu bringen. Daher soll uns das „T“ daran erinnern, dass Theorie leicht verständlich, also „hirngerecht“ aufbereitet werden kann. Was heißt das? Bekanntlich gibt es zwei verschiedene Gehirnhälften. Die linke ist die begrifflich denkende, sachliche. Die rechte Gehirnhälfte ist die bildhaft denkende, kreative. Noch stärker vereinfacht: Die linke Gehirnhälfte ist das „Was“, die rechte das „Wie“. „Hirngerecht“ aufbereiten heißt nun, das Zusammenspiel beider Gehirnhälften zu fördern, indem man einen Zusammenhang durch bildhaftes Sprechen einerseits, andererseits durch Analysieren und Abstrahieren erklärt. Schluss Der erste Eindruck ist wichtig. Der letzte Eindruck aber ist der bleibende. Die Einleitung schafft die Voraussetzungen für die Aufnahme beim Publikum. Mit dem Schluss kommt aber erst die Zustimmung, der Applaus usw. Also: Beim Schluss ist wieder das „Wie“ ausschlaggebend. Hier ist es wichtig, die Zuhörerinnen und Zuhörer wieder direkt anzusprechen. Beispiele für Redeschlüsse: 1. Je länger eine Rede ist, desto mehr eignet sich eine Zusammenfassung des Gesagten. 2. Appell geben: Damit erzielen wir als Redner oder Rednerin eine Aufbruchsstimmung. Wir zeigen gemeinsame Ziele und Wege auf, die unsere Zuhörer persönlich ansprechen. Wir formulieren Wünsche und Visionen für die Zukunft: „Lasst uns jetzt gemeinsam ...“; „Wenn jeder Einzelne mitmacht, dann ...“
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede ##### Beispiele für unterschiedliche Arten von Reden Es gibt verschiedene Arten von Reden, die jeweils unterschiedliche Gliede rungen haben. Nehmen wir als Beispiele: Eröffnungsrede, Tätigkeitsbericht, (Kurz)- Referat und die Ehrung. In der Praxis haben sich vor allem für Betriebsräte folgende Gliederungen bewährt:
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Eröffnungsrede
➔
Tätigkeitsbericht
➔
(Kurz-)Referat
➔
Eröffnung der Versammlung Begrüßung der Gäste und Teilnehmer Kontakt zu Zuhörern aufbauen, z.B. danken für das zahlreiche Erscheinen Tagesordnung Jemandem das Wort erteilen Einstieg Rückblick, z.B.: Was hat der Betriebsrat das letzte Jahr geleistet? Bedeutung der Arbeit, die geleistet worden ist, unterstreichen: Welche Auswirkungen die gute Arbeit auf den Einzelnen oder die Gesamtheit der Arbeitnehmer hat. Missstände aufzeigen: Welche davon konnten noch nicht beseitigt werden und warum? Vorschlag: Wie könnten diese Missstände beseitigt werden? Zukunft: Was wird in Angriff genommen werden? Einstieg Hauptteil: Rückblick, Ausblick, Zukunft: Verbesserungsvorschläge Schluss: Appell; Aufforderung, den Weg gemeinsam zu beschreiten
###### Die Vorbereitung ### ######### Ehrung
➔
1 6.2
Grund der Ehrung: Aus welchem Grund wird geehrt? Rückschau: Werdegang und Leistungen des Geehrten Überleitung zur Gegenwart: der Geehrte heute Zukunft: Vorausschau, alles Gute wünschen; an diesem Punkt wird auch die Auszeichnung überreicht
Die Sprachgestaltung (Elocutio) Sprachgestaltung ist das Ausformulieren der Rede – schriftlich, mündlich oder nur in Gedanken. Der/Die RednerIn sucht in Wortwahl, Satzbau und Stil nach der angemessenen Ausdrucksweise. Hauptsache verständlich!
Das Merken (Memoria) Merkphase: die Aneignung der Rede durch das Gedächtnis. Meist stützt sich der/die RednerIn auf eine Textvorlage oder einzelne Stichworte. Eine Rede sollte nicht auswendig gelernt werden. Gut einprägen sollte der/die RednerIn sich aber die Einleitung, einzelne Höhepunkte der Rede und den gezielten Schluss-Satz. Gerade der Ein- und der Ausstieg gehören nämlich zu den wichtigsten Momenten einer Rede. In der einschlägigen Literatur wird daher oft auch „Einleitung“ und „Schluss“ mit „Start“ und „Landung“ bei einem Flug verglichen. Freies Sprechen mit Netz Beachte aber als Redner oder Rednerin: ➔ Benutze Stichwortkarten im DIN-A6-Format – sie sind handlich, erlauben es aber auch, die Stichpunkte in ausreichender Größe darzustellen. ➔ Beschreibe immer nur eine Seite der Karten – ein Durcheinander der Zettel wäre vorprogrammiert.
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede ##### ➔ Schreibe jeweils nur einen Hauptgedanken auf eine Karte – so kannst du dich voll und ganz auf diesen Gedanken konzentrieren. ➔ Schreibe nur Stichworte auf eine Karte – ausformulierte Sätze bringen dich leicht aus dem Redefluss. ➔ Hebe die wichtigsten Stichworte z. B. farblich hervor – so wirst du daran erinnert, diese Punkte zu betonen. ➔ Nummeriere deine Karten – falls die Karten durcheinander geraten, kannst du die Reihenfolge leicht wieder herstellen. Das Probesprechen Probesprechen: Beim abschließenden Probesprechen werden Lautstärke, Betonung und Pausentechnik sowie Gestik, Mimik und Haltung geübt. Auch das Ausprobieren der Visualisierungshilfen und eine Zeitkontrolle gehören zu dieser letzten Vorbereitungsphase.
Überzeugend reden, heißt frei reden. Das bedeutet aber nicht, dass man seine Rede vollkommen aus dem Gedächtnis vortragen muss: Stichwort zettel als Gedächtnisstütze helfen, die innere Struktur der Rede zu ver folgen, und geben dem/der RednerIn gleichzeitig auch eine gewisse Sicherheit.
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###### Die Rede (Actio) ### #########
1 6.3
Die Vorstellung RednerInnen werden gewöhnlich vom Veranstalter eingeführt. Seine Aufgabe ist es, einen Übergang vom bisherigen Programm zur kommenden Präsentation herzustellen; darüber hinaus wird er für den Redner oder die Rednerin den Kontakt zu den Zuhörern und Zuhörerinnen aufbauen. Wer vorstellt, sollte Folgendes beachten: ➔ Das Thema nennen. ➔ Interesse am Thema wecken; z.B.: Warum ist das Thema so wichtig? Kann man ein Beispiel für einen Vorteil nennen? Gibt es ein persönliches Erlebnis? Dies sollte deutlich und erwartungsvoll geschehen. ➔ Die Qualifikation des/der Redners/Rednerin nennen; z.B.: Warum gerade diese/r RednerIn? Warum hat er/sie das Recht, darüber zu reden? ➔ Den Namen des/der Redners/Rednerin nennen. Wenn der Redner sich selbst vorstellen muss, wird er erwähnen: ➔ Namen, Firma, Institution und Position ➔ Das Thema der Rede ➔ Die Bedeutung des Themas für die HörerInnen ➔ Und auch: seine Qualifikation in Bezug auf das Thema Körpersprache Der/Die RednerIn geht mit Schwung nach vorne und nimmt diesen Schwung mit in die Rede. Schwung, Engagement, Gefühle – die TeilnehmerInnen spüren das. Er/Sie steht während des Vortrages auf beiden Beinen, das Gewicht ist gleich verteilt, Füße hüftbreit auseinander. Er/Sie sollte nicht auf und ab gehen, weil dies die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zieht. Wer mit dem Oberkörper hin- und herwackelt oder nervös mit seinen Händen spielt, macht auch keinen guten Eindruck. Die Körpersprache sollte nicht zu stark von dem Vortrag und seinen Inhalten ablenken. Möglich ist z.B., dass der/die RednerIn nach jedem Redeabschnitt seine/ihre Position im Raum verändert und den eigenen Raum erweitert. Die Hände hängen locker neben dem Körper, so können redebegleitende Gesten von unten begonnen werden. Übrigens sollte die Körperhaltung zur Person pas-
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede ##### sen. Der/Die RednerIn sollte nicht versuchen, jemand anderes zu sein. Lieber die eigenen Stärken trainieren und auf ein professionelles Feedback achten. Das Publikum sollte einbezogen werden: viele Sichtkontakte: Visier nicht auf Unendlich einstellen oder „gegen den Himmel“ richten. Mit einzelnen Personen richtig dialogisieren (Blick). Und der Redner oder die Rednerin sollte auch nicht den Blick ständig nach unten ins Manuskript senken. Schließlich: Wer ständig auf seinen Zettel starrt, macht keinen kompetenten und lebendigen Eindruck. Laut „Die Zeit“ vom Mai 1996 fand der Psychologe Jon Driver, dass Menschen einander besser verstehen, wenn sie die Münder ihrer Gegenüber sehen. Das liegt erstaunlicherweise nicht etwa daran, dass die Zuhörer und Zuhörerinnen dem Redner/der Rednerin von den Lippen ablesen. Vielmehr benutzt das Nervensystem einen Trick: Wenn die Eingangssignale zweier Sinnesorgane zusammenpassen, verstärken sie einander. Folglich kann das Publikum den Redner/ die Rednerin besser hören, wenn es ihn/sie deutlicher sieht. Deswegen sollte vom Veranstalter dafür gesorgt werden, dass jeder im Publikum freie Sicht auf den Redner/die Rednerin hat. Der Redner oder die Rednerin muss immer daran denken: Das gesprochene Wort ist flüchtig. Der Zuhörer kann also nicht nachlesen, was er nicht verstanden hat. Der Redner/Die Rednerin spricht deshalb so, dass der/die ZuhörerIn dem Vortrag auch dann folgen kann, wenn er/sie unkonzentriert, überarbeitet oder ungebildet ist. Stichwortliste zu den Redetechniken Sprechweise und Gestik können helfen, wichtige Punkte hervorzuheben. Betonungen und langsame Sprechweise sind dabei ebenso wichtig wie unterstreichende Gesten.
Damit das „Was“ der Rede beim Zuhörer/bei der Zuhörerin auch ankommt, muss es durch das „Wie“ unterstützt werden.
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###### Die Rede (Actio) ### ######### Blickkontakt
➔
Dialogisch präsentieren Lautstärke
➔ ➔
Sprache dem Publikum anpassen Pausentechnik
➔
Identifikation
➔
➔
1 6.3
Kein Scheibenwischerblick. Mit einer Person länger reden. Kein Ablesen. PartnerInnen wechseln. Je nach Situation unterschiedlich laut reden. Beim Gebrauch einer Verstärkeranlage im Kammerton sprechen. Ohne Verstärker entsprechend der Raumgröße sprechen. Zum Beispiel bei Anwesenheit von Nicht-Österreichern Standardsprache verwenden. Eine kurze Pause vor dem Redebeginn ist ein Muss. Pausen zwischen Gedanken einschalten. Eine richtige Pausentechnik ist ein Markenzeichen des guten Redners. Eigenes Denken und Fühlen muss mit der Aussage übereinstimmen. Präsentieren heißt immer Mitempfinden.
Pannen Was tun, wenn man während des Vortrags stecken bleibt? ➔ Die Gruppe miteinbeziehen: „Kann mir jemand weiterhelfen?“ ➔ Ein humorvolles Zitat oder eine Anekdote: „Bei meinem ersten Einstellungsgespräch habe ich auch nicht weitergewusst ...“ ➔ Rekapitulieren: Gesagtes wiederholen ➔ In die Pause retten ➔ Sprechpause machen: z. B. Wasser trinken Audiovisuelle Mittel Wer schwierige Inhalte vermitteln möchte, sollte nicht nur darüber sprechen, sondern diese auch sichtbar machen, also visualisieren. Der/Die ZuhörerIn behält mehr, wenn er oder sie Wesentliches auch sieht. Es heißt: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Denken wir an den
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede ##### visuellen Teil im täglichen Miteinander, den Bereich der nonverbalen Kommunikation. Was heißt nun „Visualisierung“? „Visualisierung“ heißt „bildhafte Darstel lung“. Diese optische Darstellung muss nicht das gesprochene Wort ersetzen, vielmehr ist es ihr Ziel, z.B. die Aufmerksamkeit der EmpfängerIn auf das Wesentliche zu konzentrieren, den Redeaufwand zu minimieren, Orientie rungshilfen zu geben, Gesagtes zu ergänzen und zu vertiefen und schließlich das Behalten zu fördern. Es ist erwiesen, dass der/die ZuhörerIn durch zusätzliche Visualisierung erheblich mehr Informationen aufnimmt als allein durch das gesprochene Wort. Studien haben ergeben, die Informationsaufnahme erfolgt im Durchschnitt zu rund ➔ 80 % über die Augen, ➔ 15 % über die Ohren, ➔ 15 % über andere Sinnesorgane. Der Mensch merkt sich ca. ➔ 10 % von dem, was er liest oder hört, ➔ 30 % von dem, was er sieht, ➔ 50 % von dem, was er sieht und hört, ➔ 90 % von dem, was er selber macht. Allerdings sollte sich der/die RednerIn nicht hinter seinen/ihren Bildern verstecken. Bilderreiches Sprechen hat übrigens einen ähnlichen Effekt wie die Visualisierung. Desto klarer und einprägsamer die Zusammenhänge sind, desto hörerfreundlicher ist der Vortrag. Präsentationstechniken Die älteste Präsentationstechnik ist wohl das „Zeigen eines Gegenstandes“. Bei der Leichenfeier für den ermordeten Caesar ließ Antonius dessen blutbeflecktes Gewand ausstellen und brauchte so nur wenige Worte, um das Volk gegen die Caesar-Mörder aufzupeitschen. Auch in der zeitgenössischen Politik wird die Zeigetechnik zunehmend angewandt. Wenn es über diese einfache Technik hinaus aber darum geht, wesentliche Aussagen in schriftlicher Form festzuhalten, dann bieten sich z.B. folgende Präsentationstechniken an:
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###### Die Rede (Actio) ### ######### Präsentationsmittel: Gedrucktes Material
➔
Tafel, White Board
➔
Flipchart
➔
Pinnwand
➔
Tageslicht-Projektor
➔
Computergestützte Präsentation
➔
1 6.3
Vorteil: Zuhörer und Zuhörerinnen haben etwas in der Hand. Anregungen aus dem Publikum können unmittelbar aufgegriffen werden. Inhalte können vorstrukturiert oder dauerhaft präsentiert werden. Es kann leicht vorgezeichnet werden, und die Blätter sind nachher als Poster verwendbar. Ideen können vor den Augen der ZuhörerInnen geordnet und gewichtet werden. Größere Textmengen können mit geringem Aufwand visualisiert werden. Es kann möglichst kleinschrittig visualisiert oder multimedial (Bilder, Videos und Audios) präsentiert werden.
Den Visualisierungsmöglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. ➔ Ideen zu Visualisierungsmöglichkeiten sammeln wir als RednerIn schon bei der Ideen- bzw. Materialsammlung; ➔ bei der Gliederung könnte man zur besseren Übersicht eine Folie entwickeln; ➔ beim Ausformulieren merkt man, dass eine Visualisierung schlaglichtartig verdeutlichen könnte, was nur umständlich mit Worten ausgedrückt wird; ➔ eine Visualisierung dient auch als „Stichwortzettel“. Fragen am Ende der Rede Durch die Beantwortung von Fragen am Ende unserer Rede haben wir die Möglichkeit zu erfahren, ob unsere Ausführungen richtig verstanden wurden. Das ist eine gute Gelegenheit, Unklarheiten und Missverständnisse auszuräumen. Die Eröffnungsfrage „Wer hat die erste Frage?“ beinhaltet schon, dass es durchaus noch mehrere Fragen geben kann, und ist daher besser als die Formulierung „Gibt es noch Fragen?“
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede ##### Wenn keine Fragen kommen, liegt es häufig daran, dass sich die Hörer und Hörerinnen nicht sicher genug fühlen, um Fragen zu formulieren. Dann kann es helfen, wenn der/die RednerIn die erste Frage selbst stellt. Oft ist dann das Eis gebrochen. Was tun bei lästigen Fragen? Mit Fragen kann in einer Kommunikationssituation viel erreicht werden. Fragen können aber auch sehr lästig sein. Der/Die RednerIn kann und soll sich dagegen folgendermaßen wehren:
Die Frage überhören
➔
Die Frage theoretisieren
➔
Die Inkompetenz des Fragestellers betonen Das Thema begrenzen
➔
Die Frage bewerten
➔
Die Frage interpretieren
➔
Die Frage ersetzen
➔
Die Frage neu adressieren
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➔
„Diese Frage geht am Kern der Sache vorbei. Wir reden von ... Hier müssen wir unbedingt ... erwähnen, dass ...“ „Recht theoretisch diese Frage! In der Praxis sehen wir, dass ...“ „Als Fachmann müssten Sie wissen, dass ...“
➔
„Du beleuchtest mit deiner Frage ein völlig themenfremdes Gebiet. In unserem Gespräch sprachen wir von ...“ „Entschuldigung. Diese Frage ist zu abstrakt. Die Bevölkerung möchte wissen, was ... Deshalb ...“ „Deine Frage bezieht sich auf ... Wir haben jedoch den ... Aspekt angesprochen. Dazu muss ich noch sagen: ...“ „Deine Frage streift das Thema nur. Die wichtigste Frage für das Publikum lautet: ... ?“ Hierauf kann die Antwort auf die Ersatzfrage gegeben werden. „Diese Frage musst du dem Präsidenten stellen. Wir können zu ... sagen, dass ...“
###### Die Rede (Actio) ### ######### Die Frage eingrenzen
➔
Die Frage einordnen
➔
Die Frage konkretisieren
➔
Die Frageabsicht aufde cken Die Frage zurückwerfen
➔ ➔
1 6.3
„Bevor wir auf diese Frage eingehen können, müsstest du zuerst klären, was du unter ... verstehst.“ „Du wiederholst diese Frage bereits zum dritten Mal. Nur mit anderen Worten. Ich denke, wir haben diese Thematik ausführlich diskutiert und abschließend beantwortet. Ich habe schon zweimal gesagt: ... (Kernaussage).“ „Um was geht es dir genau?“ oder: „Konkretisiere die Frage zu ...“ „Was bezweckst du mit dieser verletzenden Frage?“ „Mit deiner Frage sprichst du bereits die Maßnahmen an. Zuerst müssen wir noch ... thematisch abschließen.“
Abwehren rhetorischer Angriffe Die Rednerin oder der Redner hat jede Aussage zu würdigen. Manchmal kann es aber passieren, dass es zu pauschalen und abwertenden Angriffen unter die Gürtellinie kommt: Solche Angriffe ➔ bringen vom Thema ab oder machen mundtot; ➔ sind nicht an Inhalten, sondern an Emotionen orientiert; ➔ sollen den oder die RednerIn in die Defensive drängen. Angriffe z. B. mit Killerphrasen hinterlassen Betroffenheit, Hilflosigkeit,Verwirrung, Schuldgefühle, Kränkung, Empörung, Ärger, Zorn und Aggression. Der/Die RednerIn sollte nicht darauf einsteigen, was ausgesagt werden soll (Vermutung), sondern was tatsächlich gesagt wird. Bei solchen Angriffen ist zu empfehlen, sich als RednerIn nicht in Emotionen verstricken zu las sen und niemanden vor dem Publikum zu „zerlegen“.
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede ##### ➔ Gekonnt und klug reagieren! ➔ Emotionalen Abstand gewinnen! ➔ Aus der Defensive in die Offensive kommen! ➔ Keine Rechtfertigungen oder Erklärungen! Wie kann nun reagiert werden?
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Gemeinsamkeiten beto nen Alternativantwort
➔
Uneinigkeit Zwischenrufe
➔ ➔
„Klugscheißer“
➔
Kurz und sachlich einge hen, korrigieren, dann fortfahren
➔
Kurz und sachlich einge hen. Kurz und sachlich zurückweisen.
➔
➔
„Sind wir uns einig, dass ...“; „wir wollen beide, dass ...“ „Zu diesem Thema gibt es zwei (mehrere) Positionen.“ Es gibt Punkte, wo es keine Einigung gibt. „Das ist ein interessanter Aspekt, möchten Sie das näher erläutern?“ „Ich kenne die Studie nicht, aber wenn Sie meinen, ... erzählen Sie uns kurz ...“ Es kann nicht alles gewusst werden. „Das haben schon viele vor Ihnen versucht“ – „Das deckt sich nicht mit meinem Kenntnisstand ... bisher gab es keine Versuche ...“ „Wie du ausschaust!“ – „Mein Aussehen tut nichts zur Sache.“ „Warum machst du so viele Fehler?“ – „Ich sehe das anders“... „Danke für deinen Beitrag ... wir waren beim Thema ...“
###### Die Rede (Actio) ### ######### Absichtlich missverstehen oder falsch interpretieren
➔
Ebenen-Themenwechsel
➔
Laszivität
➔
HinterfragenRück-Nachfragen
➔
Nebeltaktik
➔
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„Das ist aber ein besonders nettes Kleid ...“ – Oh, es gefällt dir auch so gut wie mir ...“ „Na, da hat sich aber jemand besonders gut vorbereitet ...“ – Ja, ich habe mich tatsächlich ... beschäftigt. „Wie du schon wieder ausschaust!“ – „Das ist Mode, gefällt es dir auch so gut wie mir?“ „In Zeiten ... Rezession können sie doch nicht noch mehr Geld für Sozialleistungen fordern!“ – „Haben sie schon mal probiert von 700 � zu leben?“ „Reg dich doch nicht auf!“ – „Wo ich dich doch so aufregend finde.“ „So stellt sich der kleine Franzi das vor.“ – „Was geht dich mein kleiner Franzi an?“ „Was wollen Sie damit sagen?“ „Warum ziehen Sie diesen Schluss?“ „Warum kommen Sie jetzt darauf zu sprechen?“ „Wie du schon wieder ausschaust!“ – „Wie schaue ich denn aus?“ „Du bist so unflexibel.“ – „Was meinst du damit? Woran hast du diese Eigenschaft bemerkt?“ „Du bist schon wieder so emotional.“ – „Ich stimme dir zu, Menschen haben Emo tionen.“ „Sie machen doch hier nur für alle den Pausenclown.“ – „Ich stimme Ihnen zu, Menschen haben unterschiedliche Zugänge zu Humor.“
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## ##### ####### ### Die freie##### Rede ##### Aufdecken
➔
Kontern/Übertrumpfen
➔
Ins Lächerliche ziehen
➔
„Glauben Sie wirklich, dass Sie dem gewachsen sind?“ – „Sie haben mich gefragt ob ... damit unterstellen Sie mir, dass Sie mich nicht für qualifiziert genug halten ...“ „Haben Sie mir soeben Unwissen unterstellt?“ „Das war jetzt eine Killerphrase, kommen wir zurück zur Sache.“ „Wie du schon wieder ausschaust!“ – „Ich werte deinen Hinweis auf mein Äußeres als Ausweichmanöver, jetzt sollten wir aber zurück zum Thema kommen.“ „Ich habe den Eindruck, Sie sind überfordert.“ – „Bitte schließen Sie nicht von sich auf andere.“ „Du bist so naiv.“ – „Ich bin lieber naiv als so ein abgebrühter ...“ „Du bist so dominant.“ – „Hast du ein Problem mit dominanten Menschen ... mit dominanten Frauen ... War deine Mutter eine dominante Frau ... Willst du darüber sprechen ...?“ „Wie du schon wieder ausschaust!“ – „Schau dich doch selbst im Spiegel an.“ „Du bist so unflexibel.“ – „Dafür bist du ein angepasster Normenheini.“ „Typisch Frau!“ – „Wow, in Biologie immer eine Eins gehabt.“ „Du bist schon wieder so agressiv.“ – „Bis jetzt bin ich nur wütend, wenn ich aggressiv werde, fangen meine Augen an ...“
###### Die Rede (Actio) ### #########
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„Wie du schon wieder ausschaust!“ – „Ich gebe es ja zu, ich habe heute früh ganze drei Stunden gebraucht, um mich so herzurichten. Und alles nur für dich.“
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