© Oliver W. Schwarzmann - www.oliver-schwarzmann.de
Oliver W.
Schwarzmann
KOLUMNE Guttenberg und die Rhetorik der zweiten Chance Er hat es wieder einmal geschafft - Guttenberg ist in aller Munde. Er geistert durch die Talkshows, ohne selbst zu erscheinen. Einst vom Internetschwarm enttarnt, ist er nach wie vor umschwärmt. Und zur virtuellen Ikone aufgestiegen. Viele Menschen verbinden mit ihm das, was er wahrscheinlich nicht ist. Oder sein kann. Der Plagiator ist also zurück. Wie sein nahezu gleich klingender Namensvetter – der Terminator – hält er seine Versprechen: I’ll be back. Und wie bei seinem Roboterpendant geht es bei der Rückkehr um große Themen – wie etwa die Rettung der Welt. Angefangen von Europa aus, das durchaus einen Gesamtkönig in diesen schwierigen Zeiten vertragen könnte. Schließlich sind Verträge nicht alles, und Adel verpflichtet. Deswegen wählt er – genau wie der Terminator - den Alleingang. Wenn schon genügend Leute für einen Partei ergreifen, kann man auch gleich eine eigene Partei gründen. Und er hat ja irgendwie Recht: Wie soll die Partei, die ihn ja nicht mal stützen konnte, mit ihm mithalten können? Tja, er sei zu früh, kritisieren die Medien. Die, die immer das Gras wachsen hören, raten ihm nun längeres Gras über die Sache wachsen zu lassen. Aber wie es sich für einen Helden gebührt, taucht er im richtigen Moment auf, also immer dann, wenn’s den Gegnern nicht passt. Das ist der Sinn seines Daseins. Schließlich will der Plagiator sein Land nicht abschreiben. Zumindest nicht absichtlich.
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KOLUMNE Und Politiker haben eine zweite Chance verdient, da sind sich alle einig. Hat das aber nicht jeder? Auch eine dritte, vierte, fünfte …? Wenn er sie sich verdient? Und nicht nur daran verdient? Warum glauben Politiker immer, sie seien die Ausnahme? Vielleicht deswegen, weil sie sich mehr herausnehmen? Nun, auch Lichtgestalten werfen Schatten, aber sie tragen auch die Verantwortung dafür, wo er hinfällt. Wer nach oben will, muss aufrichtig sein. Auch Senkrechtstarter sollten mal die Treppe nehmen. Und wenn Politiker glauben, dass sie immer dann vom kleinen Mann reden müssen, wenn der Bürger zu ihnen aufschauen soll, dann haben sie sich geirrt. Wir sind das große Ganze. Und Politiker mit Doktortitel sind fürs ganz Große gar nicht nötig, wir brauchen Menschen, die anpacken können und nicht herumdoktern. Guttenberg soll sich seine Chancen verdienen, wie alle anderen auch. Er ist per se nicht besser oder schlechter als all die anderen, die redselig betonen, wie redlich sie sind. Schon gar nicht schlechter als die, die mit ihrem Finger auf andere zeigen, nur um ihre Hände im Spiel zu haben. Dass er besser ist, kann er nun zeigen. Die Krise ist die beste Bühne für jemanden, der beweisen will, dass er mehr Sein als Schein ist. Und wenn wir schon dabei sind: Jetzt sollen die, die hinterher immer alles besser wissen, mal zeigen, dass sie führen und nicht nur ablenken können. Die Krise ist ihre Bewährungsprobe, die sie nicht zum Ernstfall werden lassen dürfen. Wenn Guttenberg dazu Positives beitragen kann, kann er auch wieder Verantwortung tragen.
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KOLUMNE Sein Comeback ist damit keine Frage des Zeitpunkts, sondern eine, ob er in kurzer Zeit richtig punkten kann. Gut, manchmal ist es ein echter Fortschritt, zu gehen. Und ein gelungener Abschied ist oft besser, als das festhalten zu wollen, was einem schon durch die Finger geronnen ist. So wie Thomas Gottschalk, der zur Legende wird, weil er die Geschichte beendet hat und nicht umgekehrt. Deshalb täte das ZDF gut daran, die Erinnerung daran zu pflegen und eine neue Show ins Rennen zu schicken. So warm es einem beim Alten auch ums Herz wird, alles andere wird den Neuen nur verheizen. Doch – wie heißt es so schön? The show must go on. Aber um jeden Preis? Das geht nur auf Kosten anderer. Auf unsere Kosten. Und wir haben nun mal die Nase voll. Wir wollen eine neue Wirklichkeit erleben und keine Neu-Inszenierung des Bekannten konsumieren. Eine zweite Chance also für tatsächliche Helden. Die haben wir uns doch verdient. Oder?