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Erfolgsperspektive Deutschland

Oliver W. Schwarzmann, Zukunftspublizist, Vorstand Vordenker-Medien Bley und Schwarzmann AG und Initiator der Erfolgsperspektive Deutschland

Vorwort Unsicherheit und Orientierungslosigkeit sind das Ergebnis eines Mangels an Perspektiven – deshalb haben wir uns entschlossen, die Initiative „Erfolgsperspektive Deutschland“ ins Leben zu rufen. Diesem Aufruf, Perspektiven für die Zukunft unseres Landes zu formulieren, sind ausgewählte Verbände und Unternehmen mit der Formulierung von Einschätzungen gefolgt. Ihre Statements werden wir in verschiedenen Formaten veröffentlichen. Die Initiative „Erfolgsperspektive Deutschland“ soll ein Meinungs- und Zukunftsspiegel sein aus Sicht von Unternehmen, Verbänden und Forschungsinstituten. Unser Engagement ist weder politisch noch wirtschaftlich motiviert, sondern liegt im Versuch, eine Art „Perspektivenraum“ zu schaffen – mit der Veröffentlichung von Einschätzungen, Thesen und Meinungen. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen sehr herzlich bedanken, die dieser Initiative ihre Aufmerksamkeit gewidmet, uns ermuntert und motiviert haben und insbesondere sei den Personen, Verbänden und Unternehmen gedankt, die sich mit ihrer Einschätzung aktiv beteiligt haben.


Die Initiative ist mit der Erstveröffentlichung der vorliegenden Beträge nicht beendet, sondern findet darin ihren Anfang. Wir werden über die Webseite www.erfolgsperspektive-deutschland“ weitere Eindrücke einfangen und sie dort zur öffentlichen Lesung stellen. Mögen die Beiträge Impuls und Anregung sein. Verlautbarungen über die Krise gibt es reichlich, über ihre Ursachen und Effekte hören wir täglich, und viele Kommentatoren wussten schon unmittelbar nach ihrem Eintritt, wie die Misere zu vermeiden gewesen wäre. Diese Erkenntnisse nutzen uns nur, wenn wir sie nicht als rückwärtsgewandte Schuldzuweisungen formulieren, sondern vorwärts in unsere Zukunftsgestaltung einbringen. Ich trete dafür ein, die Krise als Impuls für einen Wandel zu verstehen. Für einen Wandel, bei dem es nicht darum geht, in einer Revolution Systeme und Methoden zu ändern. Nein, ich plädiere dafür, ihre Inhalte zu ändern. In den letzten VORDENKER-Publikationen („Die Zukunft des Wohlstands“, „Die neuen ZukunftsCodes“, „Kraft der Nähe“) habe ich Sichtweisen und Perspektiven dazu beschrieben, angeführt von zwei Grundsatzfragen, die mich als Autor antreiben: Was ist uns die Zukunft wert? Und was sind wir bereit, für diesen Wert zu tun? Zweifellos, die Krise offenbart unsere ökonomischen wie gesellschaftlichen Schwachpunkte, zeigt, dass es immer gefährlicher wird, die Zukunft aus der Vergangenheit hochrechnen zu wollen. Krisen entstehen nicht über Nacht, sondern verstärken schon lange in Gang gekommene Veränderungsprozesse. Die Welt befindet sich grundsätzlich in einem laufenden Prozess der Transformation. Heute, in einer eng vernetzten Welt, spielen sich diese Veränderungen nicht mehr isoliert ab, weder zeitlich noch regional. Sondern sie wechselwirken weltweit miteinander, und das immer intensiver und dynamischer, selbst unterschiedlichste Entwicklungen laufen nunmehr gleichzeitig ab. Die Urbanisierung dieser Komplexität ist eine zentrale Herausforderung unserer Zukunft. Und dabei wird es nicht darum gehen, diese Vielschichtigkeit durch Simplifizierung, Rationalisierung, Konzentration oder Institutionalisierung zu begrenzen, sondern Komplexität als Ressource und Wachstumsmotor zu erkennen. Nur in dynamischen und vielseitigen Märkten entstehen immer wieder neue Möglichkeiten der Entfaltung.


Diese Komplexität verändert die Rahmenbedingungen unserer Wirtschaftswelt, insbesondere das Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung lässt sich nicht mehr eindeutig erkennen. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir unsere Vorstellungen über die Mechanismen des Wirtschaftswachstums verändern müssen: Der Einsatz von Leistung und Kapital bringt nicht mehr zwingend Ergebnisse gleichen Umfangs. Die Zeit der Prinzipien von Investition und Akkumulation ist zu Ende. An deren Stelle tritt eine offene Kreativität in die Ökonomie, die statt auf die Ideologie der Vergrößerung und Vermehrung vielmehr auf Prozesse der Evolution und Kultivierung setzt. Warum dieser Wandel? Nun, das etablierte Kosten-Nutzen-Denken ist solange erfolgreich, wie es evolutionär angelegt ist, will heißen: solange es Innovation und eine ganzheitliche Entwicklung fördert. Fordern wir – Konsumenten und Unternehmen – allerdings Höchstrabatte beim Einkauf und zugleich Superrenditen an den Finanzmärkten wird die Wirtschaftswelt an den daraus entstehenden Disparitäten auseinanderbrechen. Wollen wir den erreichten Zustand weltweiter wirtschaftlicher Ungleichheit abmildern und dessen Ausweitung verhindern, werden wir lernen müssen, ganzheitlich und nachhaltig zu wirtschaften. Doch - was heißt das? Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit sind derzeit häufig bemühte Schlagworte – aber was sagen sie uns wirklich? Ganzheitlichkeit ist für mich grundsätzlich mit der Verantwortung für das eigene Handeln verbunden, also auch mit dem Weitblick für die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Nachhaltigkeit steht für mich nicht einfach 1:1 für Langfristigkeit, sondern für einen „Geist der substanziellen Verbesserung“. Diese Denkhaltung ist wichtiger, als die Dehnung von Zeitspannen. Die Dynamik der Welt lässt sich nicht einfach anhalten. Die negativen Folgen wären größer als die positiven Effekte. Wir müssen auch zukünftig unmittelbar handeln, aber eben im soeben beschriebenen Geist. Das wird die Qualität kurzfristiger Entscheidungen verändern. Im Angesicht dieser Ausführungen glaube ich, dass Weitblick, Kreativität, Offenheit, ganzheitliches Denken und die Fähigkeit zur Improvisation sowie für die Übernahme persönlicher Verant-


wortung zu den gefragten Attributen einer neuen, zukunftsweisenden Managementkultur gehören werden. Warten, bis die Krise irgendwie zu ihrem Ende kommt, um dann weiterzumachen wie bisher, scheint allerdings die eigentliche, geheime und weitverbreitete Maxime vieler Unternehmen zu sein. Wird das funktionieren? Schaffen wir damit die Basis für die angesprochene, ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung? Ich denke: Wir haben schon lange die Phase der Wirtschaftskonjunktur zugunsten einer Unternehmenskonjunktur verlassen und stehen nun in einer Ära der persönlichen Konjunktur. Bedeutet: Es gibt keine einheitliche Wirtschaftsentwicklung, keine großen, für alle Branchen und Gesellschaftsschichten gültigen Lösungen mehr; es gibt ebenso kein Massenwachstum und keine Dynamik mehr, die alle gleichermaßen mitreißt und wie von selbst in die Höhe trägt. Mitschwimmen, mitlaufen, sich im Windschatten mitziehen zu lassen, in der Masse unterzugehen oder sich in der Verwaltung großer Unternehmen unsichtbar zu machen, ist keine Zukunftsstrategie. Jeder Einzelne wird in den kommenden Jahren spüren, dass die Konjunktur nicht mehr an Institutionen zu delegieren ist. Mehr denn je stehen wir mit dem Beginn dieser Phase einer Zeit neuer Verantwortungen gegenüber. Das Denken in Ideologien, Institutionen und Bürokratien ist vorbei, vielmehr gilt: So wie der Einzelne mit der Wirtschaft umgeht, so wird diese mit ihm umgehen. Wie schon gesagt: Wer Tiefstpreise beim Einkauf und Superrenditen an den Finanzmärkten fordert, muss wissen, dass die Welt an den daraus entstehenden Ungleichheiten zerbrechen wird. Das Wirtschaftssystem bildet letztlich ab, was wir gestalten. Dabei ist der Wirtschaftskosmos in den letzten dreißig Jahren zu einer Papierwelt geworden. Während sich in dieser Zeitspanne die Gütermenge vervierfacht hat, wuchs die Geldmenge um das Vierzigfache, ganz abgesehen von der Entwicklung der Buchwerte. Gedruckte Versprechungen sehen zwar aus wie Füllhörner, sind aber keine Wundertüten. Irgendwann müssen alle gedruckten Versprechen real eingelöst werden. Ein wesentlicher Schritt in ein neues Wachstumszeitalter wird sein, eine substanzielle Balance zwischen virtuellen und realen Werten herzustellen.


Und - die Beziehung zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung darf nicht mehr nur über rigorose Preis- oder Spekulationsspiralen zerstört werden – aus Sicht eines falsch verstandenen, ökonomischen Wettbewerbs. Wettbewerb will Vielfalt, keine Rivalität. Die Beziehung zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung entsteht allerdings nicht von alleine, sondern muss – wie alle Verbindungen – gepflegt und ständig erneuert werden. Hierbei sind die Unternehmen gefragt: Nur wer eine einzigartige Wertschöpfung bietet, wird eine ebenso einzigartige Wertschätzung erzielen. Momentan fordert die Krise die moralische Reinigung von Märkten und ihrer Führung; für die Zukunft gilt es, sich auf die angesprochenen, komplexen Fragestellungen einzulassen. Dabei steht die Transformation unserer bisherigen Ansprüche auf Kontrolle und Macht in eine neue Offenheit und Kooperationsfähigkeit gleichermaßen auf der Agenda wie die Maßgabe, neue, einzigartige Märkte zu erfinden. Die Zukunft des Wachstums liegt nicht mehr im Rationalisierungspotenzial von Unternehmensstrukturen, sondern in dem Wunsch des Kunden, dem Besonderen zu begegnen. Heißt: Der Begriff der Innovation reflektiert sich nicht mehr nur im Synonym für technischen Fortschritt, sondern repräsentiert vielmehr die angesprochene Qualität unserer Weiterentwicklung. Und es geht um Glaubwürdigkeit. Nichts erzeugt mehr Transparenz in einer informationsüberlasteten Welt als der Umstand, jemandem oder an etwas glauben zu können. Nicht im religiösen Sinne. Sondern im Fokus der Souveränität, Integrität, des Zutrauens und der Zuverlässigkeit. In diesem Kontext höre ich viele Manager und Politiker von der notwendigen Rückkehr der Werte reden. Welche Werte sind gemeint? Moral, Ethik, Ehrlichkeit, Redlichkeit? Was verstehen wir darunter? Was versteht der Einzelne darunter? Unsere Welt ist komplex, vielschichtig, individualistisch und facettenreich geworden. Kann es da noch massentaugliche Werte geben? Und wenn ja, wer soll die Werte-Instanz der Zukunft sein? Die Politik? Der Staat? Die Wissenschaft? Kirchen? Religionen? Kulturkreise? Traditionen?


Werte sind gesellschaftliche Verabredungen. Und erst diese Verabredungen machen Regeln wirksam. Doch je stärker der Massenkern der Gesellschaft – nach wie vor als Mitte politisch mythologisiert – in Splittergruppen zerfällt, desto mehr Wertevorstellungen und Interessen suchen nach Akzeptanz und Einfluss. Umso wichtiger sind dann die gesellschaftlichen Verabredungen, die untereinander in den weitverzweigten Communitys, aber auch über sie hinaus zu vereinbaren sind. Und sie müssen – angesichts der sich schnell verändernden Welt – immer wieder neu getroffen werden. Orientieren werden sich diese Verabredungen an neuen Werte-Instanzen, die aus den historischen Institutionen hervorgehen – so könnten wir im Jahr 2069 einer weltumspannenden Hyper-Politik, einem kooperativen Staat, einer interdisziplinär und ganzheitlich angelegten Wissenschaft, kosmopolitischen Kirchen und symbiotischen Religionen sowie interregionalen Kulturkreisen und trans-virtuellen Traditionen begegnen. Wird es so kommen? Ich weiß es nicht. Nur eine bereits feststehende Zukunft ist eine prognostizierbare Zukunft. Und eine prognostizierbare Zukunft wäre eine Zukunft ohne freien Willen. Wollen wir eine solche Zukunft? Da die Frage, ob die Zukunft offen oder vorherbestimmt ist, unentscheidbar bleibt, verlangt sie nach einer persönlichen Wahl. Ich habe mich für das Bild einer offenen und gestaltbaren Zukunft entschieden. Wir werden also die Zukunft erleben, die wir uns gestalten. Hierfür sollen die „Erfolgsperspektive Deutschland“ und meine Ausführungen Anregungen sein. Ihr Oliver W. Schwarzmann Publizist Vorstand Vordenker-Medien Bley und Schwarzmann AG


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