November 2004
Der finale Altersvorsorgemarkt ist tot… Interview mit Vordenker Oliver W. Schwarzmann zur Zukunft des Altersvorsorgemarktes
Frage: Der Start des Alterseinkünftegesetz in 2005 wird den Vorsorgemarkt verändern. Sie prognostizieren schon seit längerem einen Wandel im Vorsorgegeschäft. Wie sieht die Zukunft nun aus?
Schwarzmann: Das neue Gesetz zielt auf Grund der demografischen Entwicklung und der aktuell hohen Abgabenlast auf die Verschiebung zur Altersbesteuerung und hat in 2004 für Vorzieheffekte beim LV-Business gesorgt. Alles drehte sich nur noch um die Steuerersparnis, doch der Markt geht schon länger in eine ganz andere Richtung.
Frage: In welche? Schwarzmann: Da gibt es mehrere Aspekte mit klarer Tendenz. Erstens, der Umgang mit den schnell steigenden Lebenserwartungsperspektiven ist noch immer Neuland. Eines ist deutlich: Das Alter ist negativ belegt, das zeigt allein schon die sehr starke Anti-Aging-Bewegung. Zweitens sind langfristige Zeitdimensionen unüberschaubar und unberechenbar geworden. Was lange Zeitspannen umfasst, wie etwa langfristige Vertragsverpflichtungen, ist nicht mehr fassbar, wird als Unflexibilität empfunden. Unmittelbare Perspektiven stehen im Fokus. Man kann also sagen: Zukunft statt Alter.
Frage: Was ist der Unterschied zwischen Alter und Zukunft? Schwarzmann: Die Zukunft ist viel positiver belegt als das Alter. Die Zukunft repräsentiert die Summe aller Möglichkeiten, sie ist offen, gestaltbar und in die Gegenwart gerückt. Das Alter hingegen wird weit weggeschoben, ist überwiegend von Aspekten des Verfalls geprägt. Selbst
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Senioren orientieren sich klar in Richtung Jugendlichkeit. Altersvorsorge hat den Charme von Endzeitabsicherung.
Frage: Was ist die Folge? Schwarzmann: Da sich Lebenssituationen immer schneller verändern und die mentale Distanz zum finalen Alter wächst, setzen die Menschen verstärkt auf kurzfristige und flexible Vermögensstrategien. Sie wollen ihre individuelle Zukunftsqualität kontinuierlich sichern und steigern, pflegen dabei ihre unmittelbaren Ressourcen.
Frage: Aber es ist doch offensichtlich, dass die staatliche Absicherung nicht ausreicht. Schwarzmann: Zweifellos. Aber die negative Rentenideologie ist mittlerweile verschlissen; die Absicherungsmotive entkoppeln sich immer mehr vom staatlichen Rentendesaster. Die Branche kann zunehmend weniger auf dem Rücken des staatlichen Renteninfernos argumentieren.
Frage: Die Rentenlücke wirkt nicht mehr? Schwarzmann: Die Botschaft der fernen Versorgungslücke kommt bei den Menschen nicht mehr an, vielmehr zählt die unmittelbare Zukunftssicherung. Das belegen alle unsere Befragungen. Zudem ist das Zukunftsqualitätsmotiv breiter angelegt: Es umfasst neben einem aktiven Finanzmanagement auch körperliche, geistige und soziale Zukunftsvorsorge. Es geht um den dauerhaften Erhalt persönlicher Produktivität.
Frage: Also keine Vorsorge mehr? Schwarzmann: Doch, aber anders. 90% der heute 20- bis 35-Jährigen haben keine klare Vorstellung, wie ihre Welt in 30 Jahren aussieht – und vorallem, was sie kosten wird. Wir werden immer mehr und insbesondere im Alter sehr viel Geld ausgeben für körperliche, geistige, mentale und soziale Fitness. Senioren von heute und morgen wollen Vitalität, Mobilität, Bildung, kulturelle Anregung und Beziehungen. Wer das nicht rechtzeitig vorbereitet und finanzieren kann, wird die Zukunft als persönliche Apokalypse erleben.
Frage: Was sind dann die Konsequenzen? Schwarzmann: Die Menschen stellen sich darauf ein, im Alter produktiv zu sein. Das ist nicht einmal ein Zwang, für viele ist es eine neue Freiheit. Der Bruch zwischen Arbeitsleben und Ruhestand verschwindet. Richtige Vorsorge ist für mich dabei die Entscheidung, ob ich im Alter
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arbeiten kann oder muss. Viele haben aber vor allem ihre Zukunftsqualität im Blick und investieren verstärkt in ihre körperliche, geistige und berufliche Vitalität, das ist eine Art von lebenslangem Zukunftsprogramm. Wichtig ist: Vorsorge und Produktivität verschmelzen. Daher wird ein neues Vorsorgemarketing kommen.
Frage: Welches? Schwarzmann: Der Altersvorsorgemarkt wandelt sich: Weg vom Produkt und Laufzeit hin zum Konzept und Management. Ich nenne das ‘Future Resourcing’. Nach dem Alterseinkünftegesetz ist eigentlich ein fantastischer Volumeneffekt zu erwarten: Die Menschen müssen länger und mehr sparen. Doch das passt nicht zu den Trends, die ich beschrieben habe. Deshalb müssen Versicherungsanbieter ihre Produkte nicht nur flexibler und multifunktioneller machen, sondern vor allem deren Langfristigkeit mit einer neuen Botschaft belegen: Langfristigkeit darf nicht mehr ‘lange” im Sinne einer viele Jahrzehnte andauernden Ansparphase darstellen, sondern es geht um strategische Überlegenheit.
Frage: Was bedeutet dies für Vorsorgeanbieter? Schwarzmann: Vorsorgeanbieter werden zu Assistenzpartnern für die Produktivität des Kunden, es geht nicht mehr nur um finale Geldleistungen, sondern auch um neue Serviceprogramme. Und will die Finanzbranche aus dem Vorsorgemarkt ein wirkliches Supergeschäft machen, muss sie sich von den negativen Botschaften des Alters, der Rentenlücke und des Vorsorgezwangs verabschieden zu Gunsten eines positiven, hochflexiblen Zukunftskonzepts. Diejenigen Vorsorgeanbieter, welche die attraktivste Zukunftsqualität verkaufen, werden gewinnen.
Frage: Welche neuen Trends sehen Sie noch im Kontext Vorsorge? Schwarzmann: Viele werden in den Markt für Zukunftsqualität einsteigen. Dabei koppeln sich die unterschiedlichsten Bereiche: Finanzen, Konsum, Services, Freizeit, Bildung, etc. Beispiel: Statt Boni gibt es im Handel Renten-Coupons: Der Rabatt wird in eine Rentenversicherung einbezahlt. Oder es kommt die Auto-Rente ...
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