© Oliver W. Schwarzmann - www.oliver-schwarzmann.de
Oliver W.
Schwarzmann
KOLUMNE Die Kultur der Ansprüche oder: Zu was sind wir wirklich fähig? Das Zeichen einer Entwicklung ist abgekürzt definiert als die Steigerung von Fähigkeiten in Umfang und Qualität. Mit der Steigerung von Fähigkeiten wachsen auch die Leistungen. Und mit besseren Leistungen erhöhen sich die Zukunftschancen. Das ist Evolution. Mit der Evolution gedeihen beim Menschen zugleich auch dessen Ansprüche. Der Luxus von heute ist der Standard von morgen. Das ist Wirtschaft. In der Wirtschaft ist Entwicklung gleich Wachstum. Es geht aber nicht um Entwicklungswachstum, sondern um wirtschaftliches Wachstum. Der Unterschied ist: Entwicklungswachstum ist, wenn unsere Ansprüche größer sind als unsere Fähigkeiten. Dann entstehen Sehnsüchte. Bedürfnisse. Nachfrage. Ansprüche schaffen Märkte. Märkte, denen unsere Fähigkeiten folgen. Das ist Fortschritt. Wirtschaftliches Wachstum ist, wenn für die Ansprüche mehr bezahlt wird als für Fähigkeiten. Das ist Effizienz. Effizienz in der Wirtschaft ist, mehr Gewinn zu machen bei höherer Qualität zu sinkenden Preisen. Letztlich hat das aber nichts mit realen Fähigkeiten und Entwicklung zu tun, sondern mit Zauberei, soll das langfristig zu einem ausgewogenen Fortschritt führen. Was sind eigentlich Fähigkeiten? Fähigkeiten, die zu tatsächlichem Fortschritt führen? Zu neuen Zukunftschancen? Mehr Wissen? Mehr Können? Mehr Einsicht? Mehr Sinn? Oder einfach nur bessere Anpassung? Würde es lediglich um die reine Reaktion auf Umweltzwänge gehen, verfügte der Mensch kaum über künstlerische Fähigkeiten. Und: Wäre die Entwicklung der Welt nur Notwendigkeiten gefolgt, gäbe es weder Vielfalt noch Schönheit. Was ist mit Wissen? Natürlich, Bildung ist das Zukunftsmeisterschlagwort.
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KOLUMNE Doch – was ist Bildung? Die Erhöhung der Informationssumme? Bei so vielen Informationen, die mittlerweile in unserer Datenwelt geboren werden, müssten wir wahre Bildungsüberwesen sind. Sind wir das? Und: Erhöhen die vielen Informationen unsere Zukunftschancen? Oder ist es gerade die Information, welche uns die vielen Probleme eingebrockt hat? Ausbeute und Raubbau werden ja erst durch entsprechendes Wissen möglich. Heißt das, wir sollten uns im Zweifel für die Dummheit entscheiden? Nun, Dummheit ist weder der Mangel an Information noch die Entscheidung hierfür, sondern die Entscheidung selbst. Dummheit ist, wider besseres Wissen zu handeln. Doch würden wir darauf verzichten, ginge uns eine Menge an notwendiger Erfahrung verloren. Allerdings sind unsere Spielräume für Dummheit begrenzt. Es wurden in Vergangenheit schon zu viele notwendige Erfahrungen gemacht. Manchmal ist es ja auch so, dass Wissen einem den Mut nimmt. Dass Wissen nicht das Mittel ist, das uns antreibt, sondern der Stoff ist, mit dem wir unsere Bedenken begründen. Bildung ist in unserer Zeit, in der schon alles enthüllt, beschrieben und definiert scheint, wohl mehr das Training von Orientierungskompetenz, Erfindungsreichtum, Gespür, Intuition und Vorstellungskraft. Also von Kreativität. Wir brauchen sie für neue Ideen für die Zukunft. Für Alternativen. Und Visionen. Da die Zeit der Gewissheiten vorbei ist, könnten wir die Zeit der Möglichkeiten erleben. Doch Möglichkeiten können nicht ohne Fantasie erkannt werden. Fantasie brauchen wir auch, um uns das Unmögliche vorzustellen, ansonsten sind wir nicht fähig, das Mögliche zu verstehen. Und Können? Können leitet sich nicht direkt ab von Wissen. Können ist in einer vollinformierten und hochautomatisierten Welt ein Synonym für – ja: für Besonderes vollbringen. Besonderes vollbringen. Was ist mit Einsicht und Sinn? Sie zeigen sich, wenn die Qualität der Fähigkeiten das Maß der Ansprüche übersteigt. Dann sind wir zur Zukunft fähig. Mehr Anspruch brauchen wir nicht.Sie wird sich neu erfinden müssen, um zu alter Stärke zurückkehren zu können.