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© Oliver W. Schwarzmann - www.oliver-schwarzmann.de

Oliver W.

Schwarzmann

KOLUMNE Marvelousment – Oder: Schöne neue Trendwelt? Ein Phänomen-Monitoring Nein, nein, das ist kein Werbetext für ein Einrichtungshaus, sondern soll vielmehr ein, wenn möglich kurzer, Kommentar über das Phänomen „Trends“ werden. Trends sind etwas Faszinierendes. Sie sind nicht nur Entwicklungen, Veränderungsprozesse, Strömungen und Tendenzen oder mögliche Wegweiser in die Zukunft, nein, sie sind zuallererst ein Spiegel unserer aktuellen gesellschaftlichen Gemütslage. In dem, was wir im Allgemeinen unter dem Begriff „Trend“ verstehen, vollziehen sich Neigungen, Interessen, viele Sehnsüchte sind dabei, häufig offenbaren Trends verborgene Träume und schürfen geheimste Wünsche ans Tageslicht. Neues Verhalten entsteht ja nicht aus dem Nichts, sondern wir haben es bei der Genesis von Trends zumeist mit einer Art von angereiften Gesellschaftsfantasien zu tun, die von Meinungsmachern mit gutem Gespür dafür aufgestöbert und freigelegt werden. In ihrer öffentlichen Beschreibung oder Demonstration dann finden die Trends ihre gesellschaftliche Verankerung und – je nach Attraktivität, wenn sie den „Nerv der Zeit“ genau treffen, also die Fantasien der Gesellschaft befreien oder gar beflügeln – manifestieren sie sich in der Breite der Bevölkerung. Ihr struktureller Verstärkungseffekt liegt vor allem in einer Vereinheitlichung des Verhaltens, also in der Macht des Herdentriebs, die zwei wesentliche Ursachen hat: Zum einen wirkt die magische Gravitation der Masse, sie erzeugt einen geradezu mythischen Sog zur mutmaßlich überlegenen Mehrheit. Eine tief in uns verwurzelte Sicherheitsreaktion und ein Erbe aus entbehrungsreicher und gefahrvoller Urzeit des Menschen: Wo viele sind, muss es sicher sein, muss es etwas zu holen geben, muss sich zumindest was Interessantes tun. Zum anderen bezieht der Massendrang seine Kraft aus der Imitation des Angesagten und dem Wunsch des Uptodate- und Dabeiseins, die den Trend dann über eine gruppendynamische Lust-Oszillation schnell verbreiten. Vor allem im Bereich von Lifestyle-Moden findet sich das Phänomen der Trend-Mimikry, Show- und Popikonen liefern die Originale und setzen die Maßstäbe. Dabei handelt es sich um sogenannte „Epi-„ oder „Master-Trends“, die von Star-Vorbildern unabhängig von gängigen Strömungen inszeniert werden und mittels Bewunderung auf die Anhängerschaft einwirken, von ihr kopiert und auf deren Kontakte viral ausstrahlen. Je höher der Fan-Value desto größer die Ansteckung. Der Erfolg der Show- und Popbranche begründet sich daher nicht nur in kreativen Leistungen, ihre Faszination lebt vor allem durch die gesellschaftlichen Bewegungen, die sie jeweils als eigenen (Lebens-)Stil zu initiieren vermag und mit ihrer Kunst zu verbinden weiß. Auf diese Weise entstehen Identifikationsmythen, wie Legenden, Klassiker und Hymnen, die aufgrund ihres erreichten Unsterblichkeitsstatus jeglichem Zeitgeist– und Trendwandel erhaben sind. Nun, neben dem Trendsetting durch Show-, Pop- und Modeikonen haben Trends einen weiteren Ursprung als Reaktion auf technische Neuerungen. Man denke an das Aufkommen neuen Verhaltens durch Walkman, PC oder Handy. Die Basis ist Neugierde, in den letzten Jahrzehnten kam der Wunsch nach Prestige hinzu –


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KOLUMNE das Neueste und Innovativste zu besitzen, umgibt den Inhaber mit dem Charisma, selbst ein Trendsetter zu sein. So zumindest versuchen es Konsumreligion und Marketingglaube zu vermitteln. Und nicht zuletzt gibt es die „Bezeichnungs-Trends“: Das sind Trends, die ihre Öffentlichkeit und Legitimation, ein reales Ereignis zu sein, aus der bloßen Wirkung ihrer Bezeichnung beziehen. Gelingt es, den Reiz der Fantasie mit der Reflexion persönlicher Vorstellungen zu vermischen, entsteht Plausibilität. Diese Phänomenassoziation, am besten gekoppelt mit einer anerkannten Meinungspersönlichkeit oder Institution, färbt dann unsere Einschätzung der Trendbeschreibung: „Ja, das habe ich auch schon beobachtet …“, flüstern wir uns da selbst zu. Dieser Effekt wird gerne bei Werbung und Marketing genutzt, weshalb dort immer mehr Experten und Stars auftreten. Je höher die Reputation desto größer die Gefolgschaft. Und letztlich manifestiert sich der Trend, der am Anfang nur ein Name war, zur realen Strömung. Trends sind aber nicht nur Marketingstrategien, sondern sie charakterisieren durchaus oder formen sogar eine bestimmte Ära; sie sind Träger, zumindest Bestandteil oder, vor allem retrograd betrachtet, ein wichtiges Kennzeichen eines bestimmten Epochen-Codes (50er, 60er, 70er, 80er Jahre …). Heutige Trends haben irgendwie an prägender Zeitalter-Kontur verloren, was wohl daran liegt, dass sich Trends immer stärker durchmischen und auch Lebensstile viel komplexer und damit für eine Vielzahl gleichzeitiger Moden aufnahmefähiger geworden sind, als dies in früheren Jahrzehnten der Fall war. Nicht zu vergessen sind die globalen Einflüsse auf den lokalen Zeitgeist und dessen so gewachsene Vielseitigkeit, zusätzlich gekoppelt an die immense Beschleunigung des Wechsels von Life-Style-Moden – da blitzt hier mal was auf und mal dort. Schließlich kommt die massive Ausdifferenzierung der Gesellschaft durch die starke Individualisierungsbewegung der letzten Jahrzehnte (ein richtiger Trend) hinzu, die den Life-Style-Trend an sich zum Nischenphänomen verformte – mittlerweile zu klein, um eine kulturelle Richtungskraft für gesellschaftliche Massen zu entwickeln. Was sich in Zukunft durchaus wieder ändern könnte: Der Individualisierungstrend steht an einem Punkt, wo es nicht mehr um persönliche Abgrenzung, sondern um selbstbestimmte Zugehörigkeit geht. Aus dieser Zugehörigkeitssehnsucht nährt sich bereits der phänomenale Aufstieg der Sozialen Medien, die sich zu den zentralen Pools für Life-Style-Trends entwickeln. Im Mittelpunkt steht allerdings nicht die Technologie, sie spielt lediglich die Rolle der Ermöglicherin und Vereinfacherin. Nein, die Suche nach frischen und zukunftsfähigen Orientierungs- und Identitätsmodellen ist es, die neue Identifikationsmythen in einem neuen Umfeld entstehen lässt. Sie prägen das gesellschaftliche Verhalten der Zukunft – gerade als Masse. Ein neues Trendzeitalter bricht an. Statt also nur in neue Technologien zu investieren, um diese Marktkraft nutzen zu können, gilt für Unternehmen erst einmal über Zugehörigkeits– und Identifikationskonzepte nachzudenken. Nun, der Verstärkungseffekt von Trends ist zugleich auch ihre Schwäche: In jedem Trend steckt der Keim seines Gegentrends. Nach schneller gegenseitiger Verstärkung, schwächen sich beide bis zur Neutralisation. Nicht nur das: Mit wachsender Ausbreitung verlieren Trends an Attraktivität, nutzen sich rasant ab und verschleißen vollends durch die Langeweile des Bekannten. Gerade in schnell bewegten Zeiten wie den unseren.


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KOLUMNE Unternehmen, die mit Trends gute Geschäfte machen wollen, stehen nunmehr in der Aufgabe, ständig neue Strömungen in den Markt zu setzen, was in einer extrem dynamischen Welt die ohnehin begrenzte Inkubations- und Wirkungszeit von Moden weiter verkürzt und was wiederum den Hunger auf Neues erhöht. Neuheiten verändern zwar eingefahrene Gewohnheiten nicht grundsätzlich, wie oft angenommen wird, sondern variieren sie, wenn auch nur kurzzeitig. Der Mensch bleibt im Großen und Ganzen seinen Routinen treu. Deshalb repräsentieren diese geringen Verhaltensveränderungen ein wesentliches Businesspotenzial, weswegen wir ständig mit Neuheiten überschüttet werden. Nun, zum einen garantieren innovative Neuheiten zunächst einmal Aufmerksamkeit und besitzen – je nach Attraktivität - die Chance, den Kunden in seinem Verhalten zu beeinflussen, ihn im besten Fall zur Veränderung zu motivieren. Was keine leichte Aufgabe ist, denn in gesättigten Märkten geht es nur noch um diese Motivationen - der Kunde verspürt nicht mehr die klassische Form des Mangels. Vielleicht den des Sinn-Mangels, oft erst ausgelöst durch die Flut des Neuen. Wo also kein materieller Mangel herrscht, entscheiden mentale Motive. Innovationen finden also erst dann ihren Markt, wenn sie auch geistige Inspiration versprechen. Zum anderen sind die heutigen Innovationen nicht mehr mit den einstigen, großen, wegweisenden Erfindungen zu vergleichen. Gerade weil schon so viel Großes und Wegweisendes erfunden ist. Die Zukunft der Innovation liegt in der Umwandlung und Variation und da sind angesichts der bereits erreichten Fortschrittsdichte die Spielräume äußerst begrenzt. Unser Fortschrittsstreben kreist deshalb nicht mehr um das fundamental Neue, sondern fokussiert das – ja, ich nenne es: Das erneuernde Andere. Und das ist mit einer großen Herausforderung belegt: Gerade heute stehen wir wohl vor den entscheidendsten Innovationen für unsere Spezies, denn es geht nicht mehr nur darum, das Leben besser und bequemer zu machen, sondern die Zukunft zu sichern. Nun, Trends sind nach wie vor mächtig, und das gilt nicht nur für Mode-Unternehmen, sondern für die gesamte Wirtschaft: Gegen einen Trend zu verkaufen, ist schwierig. Neben den aktiven Trendsurfern besitzen die Strömungen durchaus Einfluss auf die mentale Verfassung passiver Trendkonsumenten, und das sind viele. Vor allem negative Strömungen beeindrucken die Mehrheit, sprechen sie doch die Urangst vor Sicherheitsverlust an. Die Finanzmärkte sind hierfür der offensichtliche Schauplatz – die Börsen sind von psychologischen Trends getrieben, die nicht nur Anleger betreffen, sondern gleich auch die gesamte Ökonomie mit entsprechenden Gefühlen versorgen. Für Unternehmen gilt also dasselbe, was in der Show- und Popkultur ebenfalls zum Ruhm gehört: Der Einzug in den Legenden-Olymp ist das Ziel, wo aus einem Künstler oder einer Marke glorifizierte, mythische Ikonen beziehungsweise Ideale werden. Und sie mit dem Privileg der Unsterblichkeit aller schnelllebigen Marktbewegungen enthebt. Das ist allerdings nur wenigen Stars und Produkten vergönnt. Trends sind auch deswegen nach wie vor attraktiv, verheißen sie doch eine Form von Orientierung oder versprechen gar die Entdeckung eines neuen Lebensgefühls. Gerade, wenn sie unsere innersten Sehnsüchte ansprechen. Und von denen gibt es noch jede Menge. Trends sind einfach ein Stück wahrgewordene Fantasie. Als solche sollten wir sie betrachten. Nicht mehr und nicht weniger.


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