© Oliver W. Schwarzmann - www.oliver-schwarzmann.de
Kommentare
Versenden
Download
Zeigt das Maß der Steuerhinterziehung den Grad politischen Versagens? Oder: Was ist los in Deutschland? Streit um Steuer-CD, Deba�e um Hartz IV und mehr Armut: Was ist los in Deutschland? Die Antwort ist bekannt: Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Während laut DIW in 2008 jeder Siebte an der Armutsgrenze lebte oder arm war, wuchs zeitgleich die Anzahl der Millionäre. Warum hält der Staat diese Entwicklung auf? Die Antwort ist eigentlich auch bekannt, aber wenig populär: Der Staat kann diese Entwicklung in einem freien, kapitalis�sch orien�erten Wirtscha�ssystem letztlich nicht au�alten. Denn sie basiert auf zwei wesentlichen Aspekten: Die strukturelle Unterschiedlichkeit ökonomischer Potenziale, wie Rohstoffe, Arbeitskrä�e, Absatzmärkte, und das Geschick, mit diesen Unterschieden umzugehen. Letzteres gilt vor allem für Unternehmen und Personen, also für Investoren und Konsumenten. So würde auch bei einer Stunde Null, in der jedem Bürger die gleiche Menge Geld zur Verfügung stünde, sich früher oder später eine Umverteilung des Kapitals in Gang setzen. Schuld sind hierfür allerdings nicht die Rahmenbedingungen: Die Struktur der unterschiedlichen ökonomischen Potenziale bildet lediglich die Grundlage für eine wirtscha�liche Entwicklung, deren Form wird jedoch durch das Verhalten der Menschen bes�mmt. So werden einige Bürger die bei Stunde Null gleich verteilten Mi�el in den Konsum stecken, während andere inves�eren, um gute Geschä�e machen zu können, indem sie beispielsweise a�rak�ve Waren auf den Markt bringen. Da solche Inves��onen das in unserem Beispiel zur Verfügung gestellte Kapitalvolumen zumeist übersteigen, kommen die Banken ins Spiel, die die entsprechenden Kredite zur Verfügung stellen. Das hierfür notwendige Geld erhalten die Finanzins�tute von denjenigen Bürgern, die einen Anteil ihres vorhandenen Kapitals bei ihnen angelegt haben. Die Zinskosten, die die Investoren für ihre Darlehen an die Banken zahlen müssen, rechnen diese wiederum auf die Preise ihrer Produkte an. Da Inves��onen auch mit Risiken beha�et sind, kommt es zur Auslese: Dabei setzen sich diejenigen Investoren beziehungsweise Unternehmer durch, die höheres Geschick bei ihren Investments beweisen, also die besseren Geschä�e machen, weil sie beispielsweise a�rak�vere Fabrikate als andere auf dem Markt platziert haben. Diese erfolgreichen Geschä�sleute inves�eren weiter, expandieren und stellen zunehmend neue und verbesserte Waren für den Konsum her, die die Verbraucher locken und veranlassen, mehr einzukaufen.
© Oliver W. Schwarzmann - www.oliver-schwarzmann.de
Kommentare
Versenden
Download
Auch bei den Konsumenten kommt es zur Auslese: Diejenigen, die fähig sind, ihre Arbeitskra� op�mal zu vermarkten, erwirtscha�en zusätzliche Mi�el, die sie ausgeben können. Auf diese Weise kommt es zu einem sich kumulierenden Zusammenspiel zwischen Inves��onen und Konsum, das den (klugen) Investor tendenziell begüns�gt: Seine Geldausgaben sind darauf angelegt, das Kapital zu vermehren, während der Kunde die Waren, die er konsumiert, verbraucht oder anderwei�g, aber immer zinslos beziehungsweise renditefrei nutzt. Dieses ökonomische Bild finden wir bereits in den an�ken Wirtscha�sgesellscha�en: Die Händler waren in aller Regel reicher als ihre Kunden, außer denen, die wiederum selbst als Händler agierten. In der Kapitalismustheorie sind die Chancen aller am Wirtscha�sprozess Beteiligten gleich, der Erfolg hängt in dieser Denkweise an Fähigkeit und Leistungswillen des Individuums. Da Mo�va�on und Kompetenz bei jedem Einzelnen unterschiedlich ausgeprägt sind, verschiebt und differenziert sich das System sehr schnell. Dieser Prozess nahm seinen Anfang schon in der Geschichte: Reiche Mitbürger entstammen entweder dem Adel, der sich das Kapital meistens angeeignet hat, oder es sind Nachkommen von Industriellen. Auch heute gibt es Belege für diese Systemverschiebung: Die Selbstständigkeitsquote liegt in Deutschland bei rd. 8% (ohne Landwirtscha�). Der Rest – 92% der Erwerbstä�gen - sind abhängig beschä�igt. Und: Mit nicht-selbstständiger Arbeit reich zu werden, ist eine absolute Ausnahme. Das Dilemma der Wirtscha�sentwicklung in den letzten Jahrzehnten lag zudem darin, dass immer mehr Inves��onen direkt in den Finanzmarkt flossen – Geld wurde in Geld angelegt und diente nicht mehr ausschließlich dazu, das Unternehmen zukun�sweisend weiterzuentwickeln. Das Kapital war nicht mehr Medium, sondern selbst zum Produkt geworden. Unternehmen wurden zugleich von Ra�onalisierungswellen heimgesucht und das hierüber ersparte Geld wurde wiederum zum Finanzmarkt transferiert, weil die Gewinnaussichten dort besser waren als am eigenen Markt. Die mit diesem Verhalten verknüp�en Renditeerwartungen zwangen die Wirtscha� zu einem immer schnelleren, effizienteren und gewinnmaximierten Wachstum. Denn irgendwo her musste die Verzinsung ja kommen. Diese Inves��onshaltung führt zwangsläufig zu Kostendruck und Ausbeute von Rohstoffen, überdies verursacht und verschär� sie ökonomische Ungleichheiten. Das Gleiche passiert, wenn Konsumenten Tiefstpreise im Handel fordern und zugleich Superrenditen an den Finanzmärkten erwarten. In Folge waren viele Unternehmensgewinne in den letzten Jahrzehnten reine Buchgewinne, also das Ergebnis von Kostensenkungsprogrammen und Bewertungsmanövern, nicht aber das Resultat echten Wachstums. Nicht nur das: Die hohen Inves��onen an den Finanzmärkten und die durch Gewinnversprechen der Unternehmen gepushten Ak�enkurse stellten keine Form realer Produk�vität dar. So verwandelte sich der Wirtscha�skosmos in eine Papierwelt: Während sich in den letzten dreißig Jahren die Gütermenge vervierfachte, hat sich die Geldmenge verfünfzigfacht.
© Oliver W. Schwarzmann - www.oliver-schwarzmann.de
Kommentare
Versenden
Download
Nun, gedruckte Versprechen mögen wie Wundertüten aussehen, sind aber keine produk�ven Füllhörner. Jedes dieser virtuellen Versprechen muss früher oder später real, sprich durch Substanz wie Eigenkapital oder per tatsächlicher Produk�vität wie strukturelles Wachstum, eingelöst werden. Eine Zeit lang ist es möglich, Ansprüche an die Produk�vitätssteigerung mi�els des Einsatzes von Effek�vitätstechnologien zu kompensieren. Doch es kommt der Punkt, an welchem die Dynamik des Fortschri�s es nicht mehr vermag, die Diskrepanz zwischen Kosten- und Renditeansprüchen auszugleichen. Das führt in Krisen, wie wir nunmehr eine davon in schwerer Form erleben. Natürlich ist es in einem sich kumulierenden System notwendig, dass Ausgleichsbewegungen sta�inden. Unbegrenztes Wachstum gibt es nicht. Ein prosperierender Wirtscha�skosmos wird daher immer seine eigenen Krisen zur Selbstreinigung erzeugen müssen – je größer die Spekula�onsblasen, desto größer die Krise. Kontraproduk�v sind dabei Subven�onen, die Märkte am Leben halten, die der ökonomischen Selek�on eigentlich zum Opfer fallen müssten. Zudem erzeugen Subven�onen Scheinmärkte, weil sie durch poli�sches Betreiben gedeihen und nicht auf marktsei�ger Inten�on basieren. Entscheidend ist bei diesen Betrachtungen die Erkenntnis, dass nicht ein System, sondern die Menschen selbst für die beschriebenen Entwicklungen verantwortlich sind. Wollen wir also die Wirtscha�swelt verändern, müssen wir uns verändern. Soll die ökonomische Zukun� eine gerechtere sein, liegt es an uns, neue Wachstumsideologien zu entwerfen. Sie sind der Ausgangspunkt, um die Spannung zwischen Kosten und Ertrag abzubauen sowie Inves��onen und Konsum in einen produk�ven und lebensqualitätssteigernden Zusammenhang zu stellen. Glücklichsein und gute Versorgung gehören zusammen, für jeden. Hierfür ist aber nicht der Staat, sondern die Wirtscha� geschaffen.