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OLIVER W. SCHWARZMANN

VORDENKER

VORDENKER

DER

I

Zukunftsatlas für die WirtschaftsWelt

OLIVER W. SCHWARZMANN

von Morgen * Märkte WO VERTRIEB ZUR KUNST

Abgefahren?

Über die Zukunft des Automobils

Expedition WIRD

Bewegte Welten

Die Zukunft Unserer Welt

Hyper-Kosmos –

die Evolution des Räumlichen

Zukunftsfrage

Mobilität Alles in Bewegung?


II


Beginn

Die ersten Worte

Magie der Beweglichkeit Beweglichkeit. Beweglichkeit ist eine ebenso wundervolle wie elementare Eigenschaft des Lebens. Und sie gilt als zentrales Prädikat dynamischer Zeiten und ist wesentliche Domäne moderner Gesellschaften. Alles ist in Bewegung – dieser kurze Satz birgt die komplette Bandbreite unserer heutigen Zeit; er beschreibt nicht nur den ersten Eindruck einer globalen, technologisch und ökonomisch unentwegt wachsenden Zivilisation, sondern öffnet auch ein Stück weit den Blick hinter ihren heutigen Fortschritt, vor allem auf die innere Unruhe und die Hektik und letztlich den Stress, der sich im Auge vieler massiv verbreitet. Die Welt ist ein dynamisches und komplexes Mobile geworden, das, angestoßen von einer globalen Ökonomie, immer schnellere Alltagsrhythmen erzeugt. Nichts steht mehr still. Alles bewegt sich.

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Index

Zukunftsfrage Mobilität Alles in Bewegung?

Seite

Beginn

Die ersten Worte: Magie der Beweglichkeit

01

Editorial: Vom Delegieren eines Privilegs

10

Märkte von Morgen

Moment der Bewegung

08

Abgefahren?

13

Über die Zukunft des Automobils Wenn es auf Geschwindigkeit nicht mehr ankommt ...

16

Expedition Zukunft

Bewegte Welten

33

Über die Zukunft der Welt

Hyper-Kosmos:

51

Über die Zukunft des mobilen Raums

Impressum Verlag und Redaktion: Bley und Schwarzmann AG Im Raisger 29 71336 Waiblingen Telefon 07151-6040939 Telefax 07151-9457608 email: info@zukunftsnet.de Web: www.zukunftsnet.de Co-Herausgeber: Cellent AG, 70173 Stuttgart Heftpreis: 6,90 Euro

Fotos: © gettyimages® Druck: Druckerei Göhring 71334 Waiblingen Vertrieb: Special-Interest GmbH, 64546 Mörfelden-Walldorf email an die Redaktion: redaktion@vordenker-online.de

© 2008 für alle Beiträge des Vordenkers. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Hinweis: Den Beiträgen, Charts, Tabellen liegen Informationen zugrunde, die die Redaktion für verlässlich hält. Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen kann für die Richtigkeit des Inhalts keine Haftung übernommen werden.


Beginn

Die ersten Worte

» Mobilität ist kein Zeichen für Geschwindigkeit, sie ist eine Kultur. « Oliver W. Schwarzmann

>

Mobilität ist allerdings von Grund auf kein Begriff

einstige, bevorstehende oder erdachte Geschehnisse,

für Geschwindigkeit; das Wort wurzelt im lateini-

Orte und Begebenheiten, nicht zuletzt konstruieren

schen mobilitas, welches Beweglichkeit im Sinne

wir daraus Kulturen, Künste und den Zauber neu-

von Flexibilität vermitteln will.

artiger Fantasiewelten.

Mobilität steht also im sprachlichen Licht gesehen für konkrete und abstrakte Freiheiten, umgesetzt als

Die Entwicklung moderner Zivilisationen drückt

Bewegung in physikalischen und virtuellen Räumen

sich allerdings mehr durch die Steigerung ihrer

oder als Fähigkeit, Gedanken und Ideen zu formu-

technologischen Mobilität aus. Im Allgemeinen

lieren.

verbindet der neuzeitliche Mensch damit die selbstbestimmte Bewegung zu den Plätzen seiner Wahl,

Mobilität findet ihre eigentliche Wirkungsstätte im

von hier nach dort, quer über den Globus, ganz zu

Kopf intelligenter Spezies, Beispiel Homo sapiens:

schweigen vom regen Austausch der Warenströme.

Unser Erinnerungsvermögen und unsere Vorstel-

Nach der pferdekraft- und dampfgetriebenen Mo-

lungskraft ermöglichen eine nahezu unbegrenzte

bilisierung der Masse im 19. Jahrhundert kam es im

und äußerst anregende Beweglichkeit durch

darauf folgenden 20. Jahrhundert zur motorisierten

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Beginn

schneller als die hierfür notwendige Infrastruktur. Diese Entwicklung formt seit Jahren eine beeindruckende Kulisse: In Deutschland bewegen sich derzeit rund 55,5 Millionen Fahrzeuge, davon rollen alleine etwa 46,6 Millionen Pkws über die Straßen. Das Bild des einsamen Reisenden gehört endgültig zu den Mythen der Vergangenheit. Doch selbst äußerst sparsame und umweltfreundliche Antriebstechnologien können das begonnene Szenario nicht bremsen: Sie reduzieren weder den Raumanspruch des einzelnen Automobils noch die Frequenz des Verkehrs. Auch völlig umweltneutrale Kraftfahrzeuge, sollten sie eines Tages existieren, führten zunächst in ein unbekümmertes Wachstum der Motorisierungsquote, scheiterten aber ebenfalls schnell an der dreidimensionalen Enge. Droht also ein Umkehreffekt – schränkt Massenmotorisierung die individuelle Mobilität früher oder später ein? Unterliegt die kommende IndiMassenmobilität: In deren Mittelpunkt stehen

vidualmotorisierung erheblichen Restriktionen,

auch im 21. Jahrhundert steigende Ansprüche

vom einfachen Parkplatznachweis bis zu generel-

des Einzelnen auf individuellen, bequemen und

len Zulassungsbeschränkungen nach dem Vorbild

multifunktionellen Transport seiner Person und

asiatischer Wirtschaftszentren?

denen, die ihn begleiten. Konsequenterweise ist

Oder avancieren die Kosten, respektive Einkom-

das Automobil zum gesellschaftlichen Inbegriff

men und Vermögen, zum Regulativ für die moto-

des technischen Mobilitätszeitalters geworden.

risierte Einzelmobilität? Reisen per Auto – Premi-

Doch der Druck aus Klimawandel, schrump-

umtransport der Zukunft, ein Luxusprivileg für

fenden Energiereserven und steigenden Kosten

die Reichen und Schönen unserer Welt?

drängt sich der mobilen Gesellschaft nun als

Bei dieser Vision höre ich bereits die Rufe nach

Überlebensfrage auf, explizit als Frage nach der

sozialer Mobilitätsgerechtigkeit.

Zukunft motorisierter Beweglichkeit. Neben Umwelt-, Kraftstoff- und Ausgabenpro-

Müssen wir die Zukunft der Mobilität etwa unab-

blemen wächst die Ausdehnung der Motorisierung

hängig vom Automobil denken?


Beginn

Doch – ist eine moderne Gesellschaft ohne Auto-

ökonomische Emigration in internationale Märk-

mobil überhaupt vorstellbar?

te, gleichzeitig birgt sie das Risiko der Migration

Abgesehen von einem rasant zunehmenden Wa-

neuer Wettbewerber.

renverkehr, fällt es ohnehin schwer, sich eine Zivilisation ohne Motorisierung auszumalen.

Die blitzartigen Bewegungen der globalen Welt-

Liegt die Zukunft der Mobilität in der Wiege in-

wirtschaft und noch viel mehr die hochkomplexe

tegrierter Verkehrskonzepte, im Schoß neuartiger

Beweglichkeit des Kapitals an den internationa-

Infrastrukturen oder kommt es doch zu herben

len Finanzmärkten repräsentieren eine neue Form

Einschnitten in der Einzelmotorisierung, wie etwa

von Mobilitätsdynamik. Es handelt sich um eine

die Trennung von persönlicher Beweglichkeit und

extreme Bewegungsmacht, die trotz ihrer Kraft

individuellem Autobesitz?

indirekt entsteht, keine eindeutigen Ursachen und

Endet das erste Jahrhundert des dritten Jahrtau-

Antriebe besitzt, sondern die in komplexen Wech-

sends möglicherweise mit dem Totalverlust der

selbeziehungen geboren wird, sich selbst beschleu-

Individualmobilität?

nigt und geradezu eigenwillig unkalkulierbare Entwicklungen mit unberechenbaren Geschwin-

Nun, wir sollten Mobilität nicht nur auf die moto-

digkeiten in Gang setzt. Diese weltweite Wirt-

risierte Welt beschränken. Bereits seit dem letzten

schaftsmobilität wird, nach ihrem euphorischen

Drittel des vergangenen Jahrhunderts erweitert

Ausbau in den 1980er bis 1990er Jahren, nun-

sich der Begriff des Mobilen um die Möglichkei-

mehr als Zwang, denn als Freiheit empfunden.

ten des multimedialen Kosmos.

Doch eines hat der bisherige Globalisierungs-

Daten rasen in Sekunden um die Welt; elektro-

prozess, geradezu ohne eigene Absicht, bewirkt

nische Kanäle bilden die Pfade der Zukunft, sie

– er schuf ein Bewusstsein für Regionalität. Die

definieren neue Räumlichkeiten, neue Zentren,

Globalisierungsmaschinerie hat sich zur Re-

neue Verbindungen – die körperlose Beweglich-

Regionalisierungsbewegung transformiert – das

keit repräsentiert eine völlig veränderte Form mo-

globale Dorf ist bereits heute und vielmehr in

biler Kultur.

Zukunft ein mobiles Netz aus Regionen.

Mobilität wird zur Kommunikation, einerseits,

Ein weltweiter Superorganismus.

denn sie ist nicht nur ein digitaler Informationsaustausch: Mobilität reift vielmehr zum Design

Und wie jeder mobile Organismus einen

von Zugängen.

bewegungsfähigen Körper benötigt, ist auch die

Der Zugang zur globalen Gegenwart und zu ihren

globale Mobilität grundlegend an die Dimension

internationalen Gemeinschaften beispielsweise ist

einer Infrastruktur gekoppelt, die aus allen

ein wesentlicher Aspekt unserer Wirtschaftswelt.

Aspekten räumlicher Verbindung bestehen kann:

Die Globalisierung ist eine Zugangs-Mobilität:

Man denke an die abenteuerlichen Routen von

Sie eröffnet Volkswirtschaften die Chance auf

Kontinent zu Kontinent, die geschichtsträchtigen

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Beginn

Pfade über Ländergrenzen hinweg oder die pul-

sind Zeitverbindungen. Auf diese Weise entsteht

sierenden Adern in den Ballungszentren, die gro-

ein neuer Zeitraum, der keinen chronologischen

ßen und kleinen Gassen in den Städten, Straßen,

Charakter besitzt, sondern sich vielmehr als eine

Schienen, Wasserwege, Luftkorridore, neuerdings

Art Zeit-Begegnung verstehen lässt.

elektronische Kanäle und Informationstechnologien, Handys und Taschencomputer, aber auch

Die Zeit avanciert in einer Fast-Life-Gesellschaft

Gesellschaften, ihre Kulturen und nicht zuletzt

ohnehin zur gefragten Ressource, mit ihrer Bedeu-

das menschliche Gehirn, eingebunden in einen

tung steigt automatisch ihre Knappheit. Maschi-

milliardenfach vernetzten Materie-Komplex.

nen werden immer schneller, ihre Produktivität

Zweifellos werden sich die unterschiedlichen

steigt unaufhaltsam, während der Mensch als bio-

Infrastrukturen und Mobilitätssysteme in Zukunft

logisches Wesen und kreativer Arbeiter völlig an-

weiter verkleinern, vernetzen und durchmischen,

deren Zeit-Rhythmen unterliegt. Wir können uns

ihre Grenzen verschwimmen, lösen sich auf:

nicht permanent dem Takt der Maschinen-Zeit

Städte werden zu Regionen, Wirtschaftszentren

anpassen, sondern wir brauchen ein neues Zeit-

gleichen urbanen Schwarmkörpern und Com-

Agreement zwischen automatisierter Produktion,

puter bilden eine neue Umwelt, die aus digitalen

globaler Kommunikationsgeschwindigkeit und

Räumen virtuelle Hyper-Kontinente gebärt.

menschlicher Wertschöpfung.

Welche Systeme und Strukturen sich auch in

Die Zukunft des Homo sapiens liegt nicht darin,

Zukunft verbinden und neue Sphären modellie-

immer schneller zu werden, sondern Zeit wirksam

ren mögen: Letztlich geht es um die Qualität be-

auszufüllen. Denn die Zeit vergeht immer – als

wegungsfähiger Verbindungen.

Fluss offener Möglichkeiten.

Und um Zeit.

Doch Schnelligkeit gehört nun mal zu unserem aktuellen Work- und Life-Style; in einer Welt, in

Zeit.

der alles zu jeder Zeit verfügbar scheint, sind wir

Die digitale Welt erhebt die Zeit nicht nur zur

auf Unmittelbarkeit getunt. Warten ist ein Er-

neuen Währung einer rastlosen Web-Society,

folgskiller, längere Zeitspannen sind nicht mehr

sondern stilisiert sie vor allem zu einer Aufmerk-

überschaubar. Kurzfristigkeit ist in, sogar langfris-

samkeitskunst: Medien verwandeln Zeit in mehr-

tig. Kein Wunder also, dass Unmengen von Orga-

dimensionale Wahrnehmbarkeit; in den Netzen

nisationskonzepten darauf abzielen, immer noch

ist es nicht mehr wichtig, wo man ist, sondern

mehr Zeit zu sparen. Doch Zeit kann man nicht

wann man ist.

tatsächlich sparen; man kann sie im besten Fall

Virtuelle Existenzen gleichen einem zeitlichen

klug, anregend und amüsant verbringen. Auch ich

Überall-Sein, digitale Wesen sind Zeit-Formen,

bin kein Freund von unnützem Warten, und ich

die sich in ihrer multimedialer Präsenz aus-

weiß, dass das menschliche Gehirn Zeit in sub-

drücken, und elektronische Gemeinschaften

jektiven Erlebniseinheiten misst. Es ist demnach


Beginn

nicht die Zeit – von welcher Physiker ohnehin

motorisierung liegt. Ich glaube daher, wir nutzen

annehmen, sie sei eine Illusion –, die wir gestalten

zukünftig keine hochmotorisierten Automobile

und beschleunigen, sondern die Begegnung mit

mehr, sondern komplex organisierte Mobilitäts-

unserer eigenen Wirklichkeit.

konzepte. Denn ich glaube, neue Infrastrukturen und Trans-

Wir bewegen uns nicht durch die Zeit, sondern

portsysteme ersetzen nach und nach den perma-

die Zeit bewegt sich durch uns.

nenten Ausbau asphaltierter Fläche.

Deshalb, so glaube ich, wandeln sich Zeitma-

Und – es bilden sich veränderte Mobilitätsideale.

nagementstrategien von der Steigerung effizienter

Ich glaube trotzdem nicht, dass es eine Gesell-

Dynamik zum Design effektiver Erlebnisdichte

schaft ohne Automobile auf absehbare Zeit geben

und nachhaltiger Entwicklungstiefe. Die Gestal-

wird.

tung qualitativer (Selbstverwirklichungs-)Fülle statt Beschleunigung von (Ökonomie-, Techno-

Deshalb glaube ich an die Notwendigkeit, eine

logie- und Konsum-)Geschwindigkeiten können

neue Mobilitätskultur zu entwickeln, die sowohl

wir daher als wesentlichen Trendfaktor sowohl in

dem modernen Menschen und seinen wachsen-

unserer Zeitwahrnehmung als auch in unserem

den Beweglichkeitsansprüchen gerecht werden

Mobilitätsverhalten ausmachen.

kann, als auch den Herausforderungen, die die

Ich glaube, dass wir in puncto Massenmobilität

Grenzen von Zeit, Fläche, Energie und Klima an

einer Phase gesellschaftlicher Re-Organisation

uns stellen.

entgegen gehen. Das Bild einer sich permanent

Hierfür reisen wir zu verschiedenen Facetten

beschleunigenden Wachstumsgesellschaft hat als

zukunftsweisender Beweglichkeit.

Ideal für Wirtschaftsentwicklung, Life-Style und

Lassen Sie uns dabei Mobilität neu denken.

Mobilität ausgedient.

Mit Ihrem Vordenker.

Wir werden uns neu definieren. Oliver W. Schwarzmann Nun, wie wird die mobile Gesellschaft der Zukunft aussehen? Und – was wird aus unserem geliebten Automobil? Tja, das Automobil. Ich glaube nicht, dass die Frage nach der Zukunft individueller Mobilität langfristig von neuen Antriebstechnologien beantwortet werden kann. Denn ich glaube, dass die Steigerung der Massenmobilität in einer Reduzierung der Massen-

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