OLIVER W. SCHWARZMANN
VORDENKER
Ausgabe 02_07 - www.vordenker-online.de
VORDENKER
DER
Zukunftsatlas für die WirtschaftsWelt
OLIVER W. SCHWARZMANN
Business perspectives
Die Stunde der Meta-Leader Evolution Perspectives
Vom Traum zur Wertschöpfung
Education Perspectives
Zukunft der Bildung
Die neue
Produktivität Engagement statt Arbeit
Opening
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» Was ist Produktivität? Leistungsfähigkeit oder Wertschöpfung pro Zeiteinheit? Für mich ist Produktivität der Ausdruck einer inneren Haltung « Oliver W. Schwarzmann
PROLOG
Entfesselte Produktivität? Über die Zukunft der Arbeit wurde schon reichlich nachgedacht, berichtet, diskutiert. Zumeist gleicht die zukünftige Bühne der kommenden Arbeitswelt den vielen bekannten und austauschbaren High-Tech-Szenen mit Robotern, Automaten, virtuellen Agenten und intelligenten Maschinen. Doch wie ich bereits in der ersten Ausgabe des Vordenkers angemerkt habe, glaube ich nicht an die Verheißung der Super-Tech-Welt, will sagen: ich denke nicht, dass wir den heutigen, technologischen Fortschritt einfach so in die Zukunft weiterrechnen können. Zugegeben, es ist für den Entwurf einer kommenden Welt natürlich eindrucksvoller, gegenwärtige Technologien fortzuzeichnen statt sich auf die Unberechenbarkeit menschlicher Entwicklung einzulassen. Ein bisschen mehr Funktion hier, ein bisschen Science Fiction da – und fertig ist der futuristische Mix. Doch dieser Zukunftsbrei mag niemandem mehr wirklich schmecken und wir – die einstigen, euphorischen
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Index
Die neue Produktivität Engagement statt Arbeit
INDEX
Seite
Opening
Entfesselte Produktivität?
01
Editorial: Die Achillesferse produktiver Wirkungskreise
07
New Perspectives
Die neue Produktivität: Engagement statt Arbeit
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Produkte der Zukunft: Von der funktionalen Form zum morphologischen Design
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Meta-Bionik, Neuronik, Neurospace & Virtutope: Der Weg in transvirtuelle Landschaften
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Education Perspectives
Die Zukunft der Bildung: Abschied von der Wissensmasse
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business Perspectives
Von der Arbeit zur Wertschöpfung: Das Ende der Dogmen
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Human Perspectives
Bewegte Sphären die Evolution der Arbeit
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Evolution Perspectives
Kreative Plastizität: Von der Anpassung zur Super-Flexibilität Strömungs-Szenen: Der Sprung in die Gegenwart der Zukunftswelten
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Special Appearance
Hyper-Komplexität: Expedition zu einem Phänomen
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Management Perspectives
Die Stunde der Meta-Leader
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Flirrende Konsumenten Schwarmformen statt Kundenprofil
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Prognosen, Planung, Ziele Ist alles nur Zufall?
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Preview / Impressum
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Opening
Konsumenten des Fortschritts – suchen nun nach Sinn und Vereinfachung, orientieren uns verstärkt an historischen Mythen und deren Ikonen. Ganz im Fokus dieses Trends zierte der legendäre König Artus als Vorbild für das 21. Jahrhundert die Titelseite der Juni-2007-Ausgabe des P.M.-Magazins. Viele unter Ihnen kennen meine Sichtweise: Ich bin davon überzeugt, dass wir die Themen der Zukunft mental und kulturell auflösen müssen, denn für materielles Wachstum ist nur noch wenig potenzieller Erd-Raum vorhanden. Daher ist es notwendig, innovative Welt-Räume zu erschaffen, in denen neue Formen der Expansion möglich werden. In dieser Denkweise habe ich das Szenario des techno-mentalen Innovationskontinuums entworfen (vgl. Vordenker 1/2007), dem wir, so glaube ich, als kommende Evolutionsstufe entgegen streben. Freilich, auch die Verschmelzung von Kreativität und Virtualität, also die Interfusion von Mensch und Maschine, löst Ängste aus. Mit dem weiteren Ausbreiten virtueller Welten befürchten die einen den totalen Realitätsverlust, andere warnen vor der Übermacht intelligenter Programme und viele beschwören und re-mystifizieren die Natur als die tatsächlich reale Instanz, der es sich anzuschließen gilt, will man das authentische Menschsein als Existenzideal erheben. Doch gerade Befürchtungen sind verlässliche Boten für einen Wandel. Natürlich entstehen neue Welten, aber es sind keine ausschließlichen, technologischen Welten. Vielmehr koppeln wir das authentische Erleben einer realen, biosphärischen Umwelt mit den Erfahrungen virtueller Fantasien. Auf diese Weise entstehen transvirtuelle Räume, auf welche wir die Metaphysik und Sinnlichkeit der Natur sowie die Möglichkeiten computergenerierter, simulierter Fiktivwelten übertragen. Aus beiden Komponenten generieren
wir zukünftig unser Bewusstsein. So leben wir in einer konvergenten, sprich: sich gegenseitig durchdringenden, Schnittwelt, einem biovirtuellen Lebensraum, den ich „Virtutop“ nenne. Wichtig ist dabei, dass es sich beim Virtutop um einen Raum handelt, in dem nicht nur die individuelle Erfahrungswelt auf animierte Reflextechnologien trifft, sondern dass es dort zu Interaktionen, Austausch und Kommunikation mit anderen kommt, welche die eigene Evolution stimulieren. Denn Entwicklung und Produktivität der Zukunft entstehen nicht mehr in Maschinen, Körpern und Köpfen, sondern in ihren „Zwischenräumen“, will sagen: in ihrer kreativen Verbindung. Was hat das alles mit unserer Arbeit zu tun? Nun, Arbeit ist der produktive Ausdruck des Menschen. Die Arbeitswelt repräsentiert den Evolutionsstand der Zivilisation: sie zeigt uns die Praxis des technologischen Fortschritts und die psychische Verfassung von Gesellschaft und Individuum. Jede Evolutionsbzw. Innovationsphase bringt ihre ganz eigene Arbeitskultur hervor, mit spezifischen Gerätschaften, Organisationsstrukturen und Führungsmodellen.
Arbeit verwirklicht Innovation. Anders ausgedrückt: » In der Arbeit erfüllt sich die Evolution. « Ergo: Entwicklung vollzieht sich in der jeweiligen Produktivität ihrer Phase. Wenn sich nun Evolution in ihrer Produktivität ausdrückt, so liegt der Sinn von Arbeit im Streben nach Weiterentwicklung. Erfüllt sich dieser Evolutionscode im heutigen, von Erfolgs- und Zeitdruck geprägten, Berufskosmos? Zweifellos, wir finden in
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Opening
Umfrage: Wie groß schätzen Sie Ihr persönliches Weiterentwicklungs- / Selbstverwirklichungspotenzial in ihrer derzeitigen Tätigkeit ein?
Wunsch und Wirklichkeit – Viele suchen in ihren beruflichen Aufgaben Selbstverwirklichungsperspektiven, doch die gecastete Praxis zeichnet ein gegenläufiges und zweigeteiltes Szenario. Zunächst haben wir es mit dem bipolaren Bild des Spannungsfelds zwischen Existenzsicherung und Selbstentfaltung zu tun: Die Gruppe der nichtselbstständig Beschäftigten fällt über ihre persönlichen Weiterentwicklungsoptionen im Beruf ein vernichtendes Urteil, während Selbstständige mehr Sinn und Selbstverwirklichungswerte in ihrer Tätigkeit sehen. Der Gesamtwert von 2,02 =^ geringes Weiterentwicklungspotenzial drückt einen generellen Mangel an Entfaltungsoptionen in unserer Berufskultur aus. Auch was den jeweiligen Blick in die Zukunft angeht, wiederholen sich die Meinungskonturen: Während die Einschätzung von Angestellten und Arbeitern von getrübten Perspektiven gefärbt ist, votieren Selbstständige und Freiberufler für steigende Entfaltungsmöglichkeiten im eigenen Berufsumfeld. Einzig die Beamten bezeichnen ihr kommendes Selbstverwirklichungsniveau als gleich bleibend. © IFZ - 05 / 2007
Opening
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der täglichen Karriere- und Arbeitspraxis vermehrt Indizien für eine Trendorientierung zur persönlichen Selbstverwirklichung; eine zunehmende Anzahl von Arbeitenden sucht die Verknüpfung zwischen Sinn und Einkommen. Doch wie steht es wirklich um das individuelle Weiterentwicklungspotenzial im modernen Arbeitsstress?
Erstens: Arbeit & Selbstverwirklichung/Weiterentwicklung gehen noch nicht wirklich zusammen; zweitens: Selbstständigkeit ist die zukunftsfähigste, weil in der Eigenreflexion als vermehrt sinntragend empfundene Arbeitsform; drittens: das Gros der abhängig Beschäftigten unterwirft sich den scheinbaren Sicherheiten und offensichtlichen Zwängen des Ausbildungs- & Arbeitsmarktes.
Ein vom Institut für Zukunftskonditionierung durchgeführtes Demoskopie-Casting in 5 Berufsgruppen gibt einen ersten Aufschluss. Die nebenstehende Grafik lässt insgesamt auf drei Thesen schließen:
Neben der Castingkulisse zeigen Beobachtungen: Man hat sich – zumindest bisher - mit der Situation arrangiert. So gibt es in jeder Berufsgruppe einen Sockel an Tätigen, die sich gar nicht weiterentwickeln wollen. Der Rest verlagert seine
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Opening
Die Arbeitswelt der Zukunft funktioniert in der Symbiose von produktiven Kräften – Menschen mit individuellen Fähigkeiten, Engagement und ganzheitlichem Verständnis für ihr Tun. Diese Eigenschaften zählen zum kommenden Standard. Doch die symbiotischen Kooperationsformen von morgen basieren auf zwei weiteren Eigenschaften ihrer Akteure: Unabhängigkeit und Loyalität. Denn die innere Ausrichtung auf eine freie und gemeinschaftliche Wertschöpfung definiert die Wirkung äußerer Produktivität. Das gilt für Menschen wie Unternehmen.
Selbstverwirklichungsambitionen in die Freizeit: In diesem Marktsegment boomt im Grunde alles, was persönliche Entfaltung, kreatives Engagement, innovative Selbstgestaltung und Do-ityourself-Aktivitäten verspricht. Die Freizeit hat ihre wörtliche Bedeutung der „freien Zeit“ völlig verloren. Vielmehr heißt es nun:
Ich bin mir sicher: Könnten wir die entfesselte Produktivität der Freizeit in die jeweiligen Wirtschafts- und Berufsfelder transformieren, so läge das Wachstum unseres Bruttoinlandsprodukts im Schnitt um 1 – 3 Punkte pro Jahr höher.
einer Aufmerksamkeitsgesellschaft will man Aufmerksamkeit. Berühmt zu sein, ist darauf die Antwort. Ein Lebensziel, ein Berufsziel. Für viele Kids gilt die Arbeitskette von Schule, Ausbildung, Berufseinstieg, Karriere und Rente nicht mehr. Ein Arbeitsleben ist nicht mehr vorstellbar. Schulleistung und Karriereerfolg sind nicht mehr deckungsgleich. Lebensentfaltung und Berufsausübung driften mehr denn je auseinander. Und dabei geht es nicht um das traditionelle Auflehnen der jungen Generation gegen das spießige Establishment. Ich glaube, wir erleben die Geburt einer Neudefinition von Arbeit, Beruf, Ausbildung und Lebenszielen. Es geht um eine neue Dimension der Produktivität. Erkunden wir sie.
Hat das Zukunft?
Mit Ihrem Vordenker.
» Das Design von Freizeit wird zur ambitionierten Leistungsshow. «
Steigt die Selbstverwirklichungsproduktivität in der Freizeit weiter an, wird das traditionell Berufliche als Lebensziel mit Attributen wie Pflicht, Anerkennung, Karriere und Macht weiter an Bedeutung verlieren. Vor kurzem las ich von einer Befragung nach den Lebenszielen von Kids: Was stand wohl an erster Stelle? Nein, nicht Geld – sondern: prominent zu sein. Freilich, in
Oliver W. Schwarzmann