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VORDENKER

Österreich: 10,20 € Benelux: 10,40 € - Schweiz: 15,30 sfr

der Verständigung I 3. Jahrgang – ISBN 978-3-933452-36-8 Magie – Ausgabe 02_09 – 8,90 Euro – www.vordenker-welt.de

VORDENKER

DER

OLIVER W. SCHWARZMANN

Magie

der

Verständigung

Zukunftswelt Kommunikation



Magie der Verständigung

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„ Je mehr Informationen in unsere Welt strömen, desto größer ist unsere

Sehnsucht nach Geheimnissen.“ Oliver W. Schwarzmann

Im Zeichen der Kommunikation: Da diese VORDENKERExpertise ganz im „Zeichen der © Stephanie Bandmann - fotolia

Kommunikation“ steht, habe ich in vielen Textpassagen Dialoge, die sich bei Vorträgen und Meetings zu den jeweiligen Themen ereignet haben, nachgezeichnet. Mögen die Formulierungen die wunderbare Lebhaftigkeit dieser Gespräche wiedergeben.


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Magie der Verständigung

Magie der Verständigung Zukunftswelt Kommunikation

Seite Beginn

Die ersten Worte: Der geöffnete Kosmos

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Editorial: Betreff: Kommunikation

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IMPRESSUM

Expedition Zukunft

Zwischenruf Kraft der Nähe. Ein Rückblick.

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Titel Magie der Verständigung. Zukunftswelt Kommunikation

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Epilog Magie der Verständigung. Zukunftswelt Kommunikation

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Letzte Worte.

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Nachtrag.

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Verlag und Redaktion: Bley und Schwarzmann AG Im Raisger 29 71336 Waiblingen Telefon 07151-6040939 email: info@zukunftsnet.de Web: www.zukunftsnet.de Co-Herausgeber: Cellent AG, 70173 Stuttgart Heftpreis: 8,90 Euro - Inland

ISBN: 978-3-933452-36-8 email an die Redaktion: info@vordenker-welt.de Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2009 für alle Beiträge des Vordenkers. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für die Richtigkeit des Inhalts wird keine Haftung übernommen.


Magie der Verständigung

» Glaubwürdigkeit ist die Währung einer gemeinsamen Realität. «

Die ersten Worte:

Der geöffnete Kosmos. Ein geöffneter Kosmos? Die Fähigkeit zu sprechen ist eine der herausragendsten Eigenschaften des Menschen, ein signifikantes Merkmal seiner Intelligenz und nicht zuletzt das Attribut, das den Siegeszug des Homo sapiens durch die Abenteuer der Evolution überhaupt erst ermöglichte. Ohne Sprache hätte sich keine komplexe Kommunikation entwickeln können, ohne Kommunikation gäbe es keinen Gedankenaustausch – soziale Gemeinschaften, Staaten, Wirtschaftssysteme, Handel, Unternehmen, Muße und Kunst wären undenkbar. Mit der Sprache hat sich der Mensch nicht nur den Kosmos geöffnet, sondern unbegrenzte Sphären erschlossen. Mit ihr lässt sich beispielsweise die ansonsten unbezwingbare Zeit zur beherrschbaren Dimension wandeln: In Erzählungen bleibt die Vergangenheit lebendig, die Gegenwart entfaltet sich im unmittelbaren Reiz sprachlicher Gesten und die farbige Formulierung unserer Vorstellungen, Wünsche und Träume füllt die Vagheit einer möglichen Zukunft aus. Nicht nur das: Worte wirken. Denn Sprache ist auch Zauberei, ein magischer Raum der Poesie, in dem Fantasien, Fiktionen und Märchen ihren Platz finden und die uns als fabulierte Gestaltung des Unmöglichen auf wundersame Weise in ihren Bann ziehen. Auf diese geheimnisvolle Weise erzeugt Sprache Werte, Bilder und ganze Welten, die für uns wie reale Dinge wirken und die mit der Intensität ihrer Kommunikation besondere Bedeutsamkeit erlangen.

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Und was wäre das Wirtschaftsgeschehen ohne die Magie des gesprochenen Wortes? Verhandlungen, Argumente und nicht zuletzt Erfolge können nicht wirklich aus dem Gold des Schweigens entspringen – ein stummer Planet wäre ein Ort ohne Entfaltungsmöglichkeiten. Zweifellos – die Sprache ist ein Faszinosum, ebenso vielschichtig wie tiefgründig. Und ambivalent: Häufig wird ihre Macht zum Negativen missbraucht, Lüge, Betrug, Manipulation und Propaganda, Verdächtigungen, Gerüchte, Unterstellungen, Vorwürfe und Beleidigungen begleiten den Alltag des Menschen ebenso wie Komplimente, Kommentare und wohlmeinende Kritik. Doch nicht nur Inhalte entscheiden, in der Sprache modelliert das Gesagte die Botschaft, das Ausgesprochene kann auch das Gegenteil bedeuten und meist ist das Ungenannte wichtiger als das Plakative. Mimik, Gestik und Duktus des Sprechenden formen eine Menge an impliziten Codes, die als subliminale Signale dem Zuhörer den inneren Sinn einer Nachricht offenbaren. Das Wesen der Sprache liegt also nicht im bloßen Transfer von Daten, ihre Stärke speist sich aus rhetorischen Bedeutungen, Anspielungen und Pointen. Schon in der Antike waren die emotionalen Effekte der Sprache bekannt und wurden sehr geschätzt – die Rhetorik galt als Wissenschaft und hohe Kunst zugleich. Gefühle repräsentieren eine elementare, für mich die wesentlichste Charakteristik der Kommunikation: Inhalte sind schon wichtig, aber erst der sprachliche Ausdruck erzeugt die entscheidende Wirkung. Die richtigen Töne verzaubern nicht nur, sondern schaffen Berührung, Bindung und Gemeinschaft.

» In der Kommunikation drückt sich

die Kultur unseres zwischenmenschlichen Umgangs aus. «

Die Verständigung zwischen Menschen ist also ein hochkomplexer Prozess, zu dem eine Fülle an Gefühlen zwingend gehört, ebenso wie das Vertrauen zueinander, das in Glaubwürdigkeit einerseits und im Glauben schenken andererseits seine Geltung findet. Alles in allem: Sprache ist ein Medium für Realität und Identität, zugleich auch für Intimität und Fantasie, sie ist die Wiege geistiger und zivilisatorischer Kultur und ebenso der Ausdruck ihrer Entfaltung.


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Sprache und Technologie Einer Entfaltung, die sich in den letzten Jahrzehnten ausschließlich als Manöver des technologischen Fortschritts verstanden hat. Mit dem massiven Ausbreiten der elektronischen Kommunikation scheint die menschliche Sprache zurückgedrängt. Immer mehr Wörter verschwinden, ursprüngliche Muttersprachen und Dialekte sind bedroht; Schätzungen gehen davon aus, dass rund zwei Drittel der heute weltweit gesprochenen 6.500 Sprachen bis zum Ende unseres Jahrhunderts ausgestorben sein werden. Wird sich diese Entwicklung tatsächlich auf diese dramatische Art fortschreiben? Wie wird es mit unserem Sprachvermögen weitergehen? Natürlich, Sprachen sind lebendig, verändern sich permanent. So verliert das Gesprochene zunehmend an Präzision und Wortschatz, demgegenüber steht der Trend zur Mehrdeutigkeit – während die Anzahl der Worte zurückgeht, besitzen einzelne Begriffe eine wachsende Bedeutungsvielfalt. Ein Wandel vom Wortreichtum der Beschreibung zur Symbolik impliziter Botschaften. Diese Entwicklung geht auf den immensen Einfluss der Medien zurück – im Web wie auf den Minidisplays der Handys gilt es, viel Inhalt mit wenig Worten zu vermitteln. Zeichen, Symbole, interaktive Bilder und ihre komplexen, indirekten Bedeutungen repräsentieren die neue Choreografie der Mediensprache und lösen ganz nebenbei die Textfülle der historischen Buchwelt ab. Das ist auch der Grund, weshalb Kommunikationskonzepte, die in gedruckter Form hervorragend funktionieren, nicht mit gleichem Erfolg in den digitalen Internet-Kosmos übertragen werden können – im Web geht es nicht mehr um die raffinierte Collage von Wortmengen, sondern um das Arrangement virtueller Begegnungen. Inhalte werden heute und in Zukunft ohnehin völlig anders aufgenommen und gelernt – Infotainmentprogramme und interaktive Erlebniswelten übernehmen den Wissenstransfer. Dabei verlieren sogenannte „objektive“ Informationen zunehmend ihre eindeutige Beschreibungsfähigkeit, sie sind zukünftig nicht mehr das einzig legitime Abbildungsinstrument der Realität. Eine faszinierende Veränderung mit enormen Konsequenzen: Die inhaltliche Qualität des Wissens wird auf diesem Informationsniveau nicht mehr durch die klassischen Kriterien „richtig“, „falsch“, „wahr“ oder eben „nicht wahr“ beurteilt. Nein, es wird in der Mediengesellschaft darum gehen, Informationen als kreative Bausteine für den Entwurf gemeinsamer, neuer Erfahrungswelten zu nutzen – statt sie als Erklärungswerkzeuge einer objektiven, heißt bisher: unantastbaren Wirklichkeit zu betrachten. Aus

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dieser Strömung entsteht das Bild einer offenen Wissensgesellschaft, die sich nicht mehr mittels Eindeutigkeit auszeichnet, sondern durch Vieldeutigkeit glänzt. Was wahr, richtig oder falsch ist, wird zukünftig zwischen den Teilnehmern bzw. Kommunizierenden gemeinschaftlich verabredet. Was zweifellos einen hohen Anspruch für die Entwicklung der Kommunikationskultur mit sich bringt, muss sie doch in der Lage sein, in einer komplexen Bedeutungslage Verständigung herzustellen. Könnte es so kommen?

Eine Frage der Glaubwürdigkeit „Wenn ja“, so fragen mich immer wieder Zuhörer bei Vorträgen zu diesem Thema, „an welchen Maßstäben messen wir dann unser Wissen? Welche Werte haben noch Gültigkeit?“ „Nun, Werte sind keine Naturgesetze, sondern gesellschaftliche Vereinbarungen“, lautet darauf meine Antwort. Und ich füge an: „Es wird also auf die Gesellschaft selbst ankommen, wie sie ihr Wissen und ihre Wertemaßstäbe definiert. Entscheidend dabei sind ihre kommunikativen Fähigkeiten, mit denen sie vor allem Glaubwürdigkeit und in Folge kollektive Übereinstimmungen und Gemeinschaft herstellt. Wenn es dort so etwas wie Objektivität gibt, dann in einer Form von gemeinschaftlich vereinbarten Wahrheiten.“ Das sei ja eben das Dilemma, so befürchten Kritiker, der Glaube an eine unabhängige Objektivität werde durch die Massenmedialisierung zerstört. Sie argumentieren: „Die Zunahme an Meinungen und Betrachtungsweisen, die per Medien in die Öffentlichkeit gelangen, sorgen für eine Auflösung klarer, sachlicher Objektivität.“ Ich entgegne: „Sie meinen die Auflösung institutionalisierter Objektivität. Nun, Wahrheit ist eine Frage des persönlichen Glaubens, nicht im religiösen Kontext, sondern im Sinne von Glaubwürdigkeit. Wir dürfen den Menschen in seiner individuellen Wahrnehmung nicht unterschätzen, Aufmerksamkeit und persönlicher Glaube sind gerade in einer vielschichtigen Gesellschaft wesentliche Faktoren für die Realitätsbewertung. Nicht nur das: Selbst Objektivität benötigt zur eigenen Legitimation den Glauben an ihre Unbeeinflussbarkeit. Wahre Objektivität müsste allerdings über Glaubwürdigkeit und Wahrnehmung absolut erhaben sein. Ist sie das? Oder besser gefragt: Kann sie das überhaupt? Gibt es unabhängig der menschlichen Wahrnehmung tatsächlich eine objektive Welt? Falls ja, wem nützt sie? Sind es doch wiederum letztlich Menschen, die sie bewerten. Denken wir ein-


© Bryan Close - fotolia

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mal an Folgendes: Konsequente Objektivität machte uns doch nur zu lebenden Scannern, die unabhängig ihrer eigenen Sichtweise lediglich die Eindrücke eines unbeeinflussbaren Kosmos wiedergeben können. Bewusstsein, Fantasie und eigene Meinungen wären zwecklos. Ein Gedanke, der mir für den Menschen als kreatives Wesen zu schade ist. Nein, ich denke: Objektivität ist ebenfalls kein vorgegebenes, unverrückbares Naturgesetz. Von diesem Fokus müssen wir uns verabschieden, wollen wir eine offene und vielseitige Gesellschaft sein. Dort begreifen wir Sachlichkeit nicht mehr über unantastbare Definitionen, sondern über die jeweilig gemeinschaftlich vereinbarte Bedeutung. Und an diesem Punkt komme ich auf die Glaubwürdigkeit zurück – sie schafft Vertrauen und Transparenz. Sie ist die mentale Instanz, die die objektiven Kriterien „wahr“, „unwahr“, „richtig“ oder „falsch“ in einer vielfältigen Gesellschaft durch emotionale Codes ersetzt und damit die Grundlage für gemeinschaftliche Vereinbarungen legt. Glaubwürdigkeit avanciert also zum wichtigen Kompass in einer differenzierten Medienzivilisation, die folglich höhere emotionale Kompetenzen benötigt als eine rationale Industriegesellschaft.“ „Aber“, so ein weiterer häufig gestellter Einwand, „ist der Mensch zu diesen kollektiven Vereinbarungen überhaupt in der Lage? Und gibt es nicht gerade heute einen Mangel an Glaubwürdigkeit?“ „Tja, da haben Sie leider recht. Die Erfahrungen der Vergangenheit und der Blick in die Gegenwart zeigen, dass Glaubwürdigkeit ein ebenso hohes wie seltenes Gut ist und dass Gemeinschaften sich immer im Kampf mit ihren eigenen Egoismen befinden. Die Frage stellt sich daher tatsächlich, ob wir, die Menschheit, jemals fähig sein werden, Vertrauen und gut funktionierende Gemeinschaften – im kleinen wie im großen Stil – entwickeln und dauerhaft fortführen zu können. Doch, was sind die Alternativen? Ohne Vertrauen wird die Informationsgesellschaft an ihrer Vielschichtigkeit scheitern. Und falls die globale Gemeinschaft in den kommenden Jahrzehnten die bereits vorhandenen und sich ständig vergrößernden, ökonomischen und sozialen Ungleichheiten nicht produktiv auszugleichen vermag, wird das Ausmaß geo- und wirtschaftspolitischer Risiken extrem zunehmen. Ursachen für Krisen lassen sich immer wieder auf die gleichen Punkte verdichten: mangelnde Bereitschaft beziehungsweise die fehlende Fähigkeit, glaubwürdig zu sein und auf diese Weise zu kommunizieren und Beziehungen zu organisieren. Das gilt für den Globus ebenso wie für jedes Unternehmen.“

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