OLIVER W. SCHWARZMANN
VORDENKER
Österreich: 10,20 € - Benelux: 10,40 € - Schweiz: 15,30 sfr
2. Jahrgang – Ausgabe 03_08 – 8,90 Euro – www.vordenker-online.de Die Zukunft des Wohlstands I
VORDENKER
DER
Zukunftsatlas für die WirtschaftsWelt
OLIVER W. SCHWARZMANN
Zukunft Kampf ums Geld Wohlstands Die
des
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Die Zukunft des Wohlstands
Die Zukunft des Wohlstands
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» Geld regiert nicht mehr nur die Welt, es ist zu einem eigenen Universum geworden. Zu einem Universum, wie wir es aus der Astronomie kennen – mit Expansion, Anziehungskräften und eben auch mit schwarzen Löchern. «
Die ersten Worte:
Moderne Schatzinseln.
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Die Zukunft des Wohlstands
Kampf ums Geld:
Zukunft des Wohlstands Seite Beginn
Die ersten Worte: Moderne Schatzinseln.
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Editorial: Im Alltag des Geldes
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Expedition Zukunft
Kampf ums Geld: Die Zukunft des Wohlstands
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Was passiert an den Finanzmärkten? Eine Übersicht.
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Die Wohlstandsantwort.
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Das Reich der Mitte liegt ganz woanders und Mittelerde gibt es doch.
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Veränderte Perspektive.
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Die Weiterentwicklung des Wohlstands: Überleben und Ideale Überlebende? Kapitalismus und Sozialstaat – Gier auf Zukunft
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Insekten und die Entwicklung der Finanzen.
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Die Gier und evolutionäre Fantasien.
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Lemma und Dilemma.
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Das Ende nationaler Führung?
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Die innere Transformation des Kapitalismus I: Ressourcen zwischen Rationalisierung und Spekulation.
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Die innere Transformation des Kapitalismus II: Neue Faktoren.
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Die innere Transformation des Kapitalismus III: Vom Eigentum zur Verfügbarkeit.
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Die innere Transformation des Kapitalismus IV: Die Kraft der Beteiligung.
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Die Zukunft des Sozialstaates.
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Letzte Worte: Die Wirtschaft ist in uns.
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VORDENKER-Forum
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VORDENKER-Glossar
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Impressum
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Die Zukunft des Wohlstands
Als Kind habe ich den Abenteuerroman von Robert Louis Stevenson „Die Schatzinsel“ verschlungen; ich weiß noch, dass mich damals eine Krankheit ans Bett gefesselt hatte und ich mich dann auf eben jene faszinierende Reise begab, gemeinsam mit dem Schiffsjungen Jim Hawkins, dem in der Geschichte eine geheimnisvolle Schatzkarte des Seeräubers Flint in die Hände fällt und der mit ehrlichen Schiffsleuten in See sticht, um die in der Karte verzeichnete Schatzinsel zu erkunden, verfolgt von einer Meute gieriger Piraten. Tja, die Aussicht auf unermessliche Schätze trieb den Menschen schon immer um. Vor allem um die Welt, die größten Entdecker waren motiviert von einem unstillbaren Hunger nach Gold. Und Columbus ist nicht nur deswegen als Superentdecker in die glorreiche Historie eingegangen, weil er dem Globus einen neuen Kontinent hinzufügte, sondern vielmehr durch die Schätze, die die neue Welt zu bieten hatte, insbesondere das begehrte Edelmetall. Bei vielen Urvölkern war Gold seinerzeit hauptsächlich kulturelle, religiöse und spirituelle Währung, für die Inka beispielsweise bedeutete Gold nichts geringeres als die Tränen der Götter. Das seltene Metall war so attraktiv wegen seiner gelben Tönung – sie steht für die Farbe der in vielen Kulturkreisen als göttlich verehrten Sonne. Der Drang nach Gold als Symbol für Reichtum lässt den Menschen nicht los. Noch heute ist das uralte Edelmetall Indikator für den Finanzmarkt. Und wer träumte nicht schon davon, ein goldenes Händchen zu haben und die eigene, ganz persönliche Schatzinsel zu finden? Einmal im Leben den großen Treffer zu landen? Geld ist ein Spiegel. Der Umgang mit Geld reflektiert den Umgang mit uns selbst. In der Wirkung des Geldes drückt sich unser kollektives wie individuelles Selbstbewusstsein aus. Es kommt nicht von ungefähr, dass wir unser persönliches wie gesellschaftliches Prestige über den Vermögensstatus definieren. „Haste was, biste was“, so eindeutig verkündete es auch einst der Werbeslogan eines großen Kreditinstituts. Investitionen in Finanzanlagen sind auch nicht vom hehren Gedanken an eine sinnvolle Rücklage getrieben, sondern von der Spekulation, von der Hoffnung, ja von der Gier nach „Gold“. Noch immer wollen wir Schätze finden.
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Ein gutes Beispiel für moderne Schatzinseln ist die Börse, ein geradezu fantastisches Exempel war der Neue Markt, insbesondere zur Zeit der New Economy. Sie erinnern sich? Blicken wir einmal kurz zurück: Es begann mit einer neuen Art von Schatzkarte – Aktien wurden als gewinnbringende Volkspapiere angeboten und sie erschienen damals in den Neunzigern als sicherer Weg zu einer modernen Schatzinsel für jedermann. Alle konnten teilhaben an den neuen Reichtümern, von denen der Neue Markt in seinem Erfolgsjargon geradezu minütlich berichtete. Jede Neuemission war ein Treffer, Kurssprünge überschlugen sich, alles wirkte wie ein Märchen aus Tausend-und-einer-Nacht. Damals ließ sich in einer Stunde mehr Geld verdienen, als durch monatelangen Arbeitseinsatz. Im flirrenden Finanzmarkt zeigte sich das Geld endlich losgelöst von seiner bisherigen Dimension als Tausch- und Entlohnungsmittel. Ja, das Kapital schien befreit von Arbeit – es vermehrte sich durch sich selbst. Die Spekulation erschuf einen imaginären Geldkosmos. Ein eigenes Universum wundersamen Geldwachstums hatte sich offenbart. Doch nicht nur die Finanzwelt glühte vor Sensationen, auch die vielen neuen Unternehmen, zu deren Finanzierung der Neue Markt ja angetreten war, zeigten ungebrochene Abenteuerlust. Insbesondere das Internet galt zu jener Zeit als eine weitere Schatzinsel, nein, mehr noch – es präsentierte sich als unbegrenztes Schatzland, das es nun von einer neuen Firmengeneration zu erobern galt. Die Start-ups steckten dort schnell die Claims ab, virtuelle Goldgräber zogen ins digitale El Dorado, alles war möglich geworden. Werbeslogans erschienen nunmehr endlich Realität zu werden. Die neuen Firmen wurden nicht müde, reichlich Schatzkarten auszugeben, vor der begehrten Aktienverteilung in Form von Businessplänen. Dort, in den Schatzdokumenten, verzeichneten sie die Schritte – ihre Milestones – zum Ziel, zum Erfolg für alle. Eine gute, weil reich bebilderte und sprachlich kompliziert ausformulierte und daher geheimnisvoll wirkende Präsentation genügte, um Scharen von Investoren anzulocken. Die Schatzinsel war zum Greifen nahe. Doch nicht nur das: Der Neue Markt vollzog weitere Wunder. Über Nacht verwandelte er brave Sparer in internationale Investoren. Kaum jemand nutzte bei Gesprächen in Finanzdingen noch seine Muttersprache, alle redeten im feinsten British der angelsächsischen Investmentbanker (was alles noch geheimnisvoller machte, weil kaum mehr jemand irgendetwas verstand). Und jeder wusste Bescheid, wie es geht, schnell Geld zu machen. Das ist nun rund 10 Jahre her. Natürlich gab es Börse, Spekulanten, Berg- und Talfahrten schon vor der Hysterie der New Economy; da war die Tulpeneuphorie von 1634 – 1637 in Holland, die Eisenbahnhausse
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von 1835 – 1850 in England, der schwarze Freitag am 25.10.1929 an der Wall Street, der eine Weltwirtschaftskrise auslöste und der schwarze Montag am 19.10.1987, an dem der Dow Jones kurzerhand um über 500 Punkte fiel. Doch die Gegenwart übertrifft die Geschichte: Die aktuelle Kreditkrise, ursprünglich ausgelöst von einer geplatzten US-Immobilienblase, ist eine ebenso heikle wie brenzlige Angelegenheit und wird länger dauern als viele Finanzexperten bisher vermutet hatten, letztlich ist sie erst überwunden, wenn der letzte faule Kredit getilgt ist. Zunächst aber schwelte die Kreditkrise vor sich hin und wurde von Medien und Bevölkerung nicht so recht wahrgenommen. Anders als bei der damaligen Hightech-Hausse, sie erschien besonders konzentriert, vor allem zog sie viele deutsche Anleger, die zuvor mit Aktien rein gar nichts am Hut hatten, in ihren Bann (im Gegensatz etwa zu US-Bürgern, die schon von jeher mehr Aktien im Privatvermögen halten). Und ihr Absturz wirkte dann wie ein Kulturschock, denn vor ihrem Crash glaubten die Massen an die Geburt einer neuen Wirtschaftsform; alle bisherigen, traditionellen und klassischen Parameter der Industrieund Arbeitsgesellschaft waren nicht mehr gültig. Die Schatzinsel-Visionen einer virtuellen Ökonomie stellten alles auf den Kopf. Ganz im Gegensatz zur Ursache der aktuellen Krise, sie basiert auf einem klassischen Geschäft – der Finanzierung von Immobilien – niemand war dabei an der Erfindung einer neuen Wirtschaftsform interessiert. Nein, bei diesen Deals – Verbriefung und Handel von Hypothekarkrediten – ging es um pure Spekulation. Und die Welt ist erneut ausgenüchtert worden. Der Zusammenbruch der Finanzmärkte, der weltweit katastrophale Auswirkungen im Schlepptau hat, beendet nun aufs Neue das Märchen des schnellen Reichtums. Der Mythos, dass (imaginäre) Geldvermehrung ohne (reale) Produktivität möglich sei, zerstört sich selbst. Empörung, Wut, Hass und Misstrauen sind bei Krisen die Gefühle der ersten Stunde. Die Börse erlebt, was sie eigentlich immer wieder durchmacht und was als Bereinigung zum Kapitalismus gehört – eine Neubewertung. Und wiederholt ist das Vertrauen in die Finanzinstitutionen erschüttert. Vertrauen ist das, was Geld seinen wirklichen Wert verleiht; fehlt das Vertrauen, fällt alles in sich zusammen. Die Abwärtsspirale verläuft dann immer gleich, Krisen sind das Ergebnis eines Dominoeffekts, einer rasanten und unaufhaltsamen Selbstbeschleunigung. Sie verbrennen Milliarden. Zuerst Spekulationsmilliarden. Dann Realvermögen. Und schaffen somit Raum für erneutes Wachstum plus Spekulationen. Auch dieses Mal? Nun, heute stellen sich nicht nur Inhalt und Substanz der Finanzgeschäfte in Frage, sondern ihre kom-
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plette Struktur. Wir erleben eine völlige Entmystifizierung der unbegrenzten Kräfte des Turbokapitalismus. Und in der Weise, wie der virtuelle Kosmos damals, nach dem Ende des Neuen Marktes, jahrelang um Anerkennung und Wertschätzung ringen musste, wird die Finanzwelt zukünftig um das Vertrauen ihrer Märkte und Kunden kämpfen. Nicht nur das: Mit dem Eingriff des Staates und dessen Beteiligung an den maßgeblichen Finanzinstitutionen kommt die Kapitalismusdebatte in einer völlig neuen Form in Gang. Staatliche Regulierung und Kontrolle sind neben einer globalen Finanzaufsicht nur einige Stichworte im neuen Ordnungskatalog. Bei der Finanzkrise werden also nicht „nur“ Reichtumsfantasien zerstört, sondern es geht um die Zukunft des globalen Wirtschaftssystems. Und für nicht wenige, die ihre Investitionen in eben jene risikoreichen Papiere als vermeintliches Sparvermögen oder gar als Rücklage angelegt hatten, kommt es einem Supergau gleich. Sämtliche Wunder verpuffen, selbst die alte Börsenweisheit: „Greife nie in ein fallendes Messer!“ gilt nicht mehr. Die Aktienkurse fahren derzeit Achterbahn. Das ist ein Ausdruck dafür, dass ökonomische Kräfte immer noch stärker sind als mentale. Es wird aufgeräumt: Banker, Aufsichtsgremien und Ratingagenturen werden nun an den Pranger gestellt; gerade Banker gehören jetzt zu einer Gruppe, die nicht mehr für seriöse Geschäftsleute steht, sondern als Zockerbande gilt. Viele von ihnen werden sich in eine Traumwelt flüchten, sich zurückziehen auf eine ihrer imaginären Schatzinseln. Sie können vielleicht in die normale Welt nicht mehr zurückkehren. Sie sind Gestrandete in einer Pappkulisse. Einige werden die Lektion der Schatzinsel allerdings lernen: Ohne Vertrauen ist Geld nichts wert. Und – das möchte ich noch hinzufügen: Arroganz ist der Tod jeden Geschäfts. (Letzteres gilt für jede Form von Business). Diese VORDENKER-Themenexpedition widmet sich nun diesem heißen Thema – Geld. Auf VORDENKER-Art. Während der Vorbereitungen zu dieser Ausgabe fragte mich ein Zuhörer auf einem Vortrag, welcher Titel denn auf „Mythos Erfolg“ folgen würde. Als ich von Finanzen sprach, wollte er wissen, was ich denn zum Thema „Geld“ beizutragen beabsichtige. Nun, ich sagte ihm, dass ich mir noch nicht recht im Klaren sei, wie ich mich diesem Spektrum inhaltlich nähern würde, aber dass ich mich schon auf das Schreiben über Geld freuen würde – die Brisanz sei ja unübersehbar und ich fühlte mich dem Thema ohnehin verbunden.
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Vielleicht, weil ich einst eine Bankerausbildung absolviert und einige Jahre im Finanzmarkt zugebracht habe, oder vielleicht deshalb, weil ich biologischer Halbschwabe bin, geboren und aufgewachsen im Land von Viertele und Spätzle. Geld, so sagt man, liegt dem Schwaben ja geradezu im Blut. Die sprichwörtliche Sparsamkeit und der Drang zum „Häusle baue“ sind sozusagen genetisch bedingt. Fragt man ihn nach Erfolgsformeln im Umgang mit Geld oder wie man denn Wohlstand und Reichtum erzielen könne, so hat der Schwabe einfache Regeln anzubieten: „Von nix kommt nix“, also: „Schaffe, erbe oder reich heirate“ – denn „Schönheit vergeht, Hektar bleibt!“. Ergo: „Auf das Sichere achte“. Und „immer jammern“, natürlich. Inwieweit diese tiefen Weisheiten die VORDENKER-Themenexpedition begleiten könnten, wusste ich damals im Gespräch mit eben jenem Zuhörer noch nicht. Eines konnte ich ihm aber dann doch über das Thema sagen, und zwar, dass ich während meiner Banklehre irgendwie den Respekt vor Geld verloren hätte. Mir wurde damals schlagartig klar, dass es eigentlich nur bedrucktes Papier sei. Den Wall-Street-Bankern erging es wohl genauso. Nur in einer anderen Dimension. Ausgehend von diesem Gefühl würde ich wohl die VORDENKER-Expedition unternehmen, meinte ich. Der Zuhörer versicherte mir, er würde meine Gedanken gerne lesen wollen, denn er sei ein Banker aus Bayern. Ich bin natürlich schon, aber nicht nur auf das Urteil dieses Lesers gespannt, sondern freue mich auch auf Ihre Anregungen zum Thema, zu deren Zusendung ich Sie einladen möchte (Kontakt über www.vordenkerwelt.de). Vor allem viele Fragen zu Themen rund um den VORDENKER erreichen mich, hier in der Redaktion, auf Lesungen und bei Vorträgen. Deshalb haben wir uns entschlossen, ein VORDENKER-Forum direkt im Magazin einzurichten, in dem ich Fragen beantworte und Impulse kommentiere. Zudem gibt es ein VORDENKER-Glossar. Da ich viele Begriffe aus Wissenschaft, Kultur und Kunst verwende und ab und an auch ein eigenes Wort kreiere, ist es sinnvoll, die jeweilige VORDENKER-Bedeutung, also die Art und Weise, wie ich Sprache inhaltlich nutze, in einer kurzen Erklärung deutlich zu machen. Damit einerseits keine Fehldeutungen und Missverständnisse entstehen, andererseits ist das Glossar, neben allen Themenexpeditionen, eine weitere sehr persönliche Einladung in meine Gedankenwelt. Dabei wünsche ich Ihnen viele neue und vor allem diskussionsreiche Perspektiven. Ihr Vordenker Oliver W. Schwarzmann
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