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Oliver W.

Schwarzmann

KOLUMNE Auf der Suche nach Sicherheit oder: Warum Angsthasen träumen Sicherheit? Wer wünscht sich das nicht? Beispielsweise als abgesicherte Zukunft, am besten über ein sicheres, heißt: regelmäßiges Einkommen. Aber sich auch der Sympathie, des Vertrauens und der Loyalität anderer sicher zu sein, sich zudem geschützt und behütet fühlen, sich also in Sicherheit wähnen – Spießerträume, zugegeben, doch Hand aufs Herz, wer kann sich ihnen wirklich entziehen? Ja, Sicherheit ist ein wertvolles Gut. Wenn wir sie aus Sicht des Risikos betrachten. Und da ist Sicherheit ein Big Business. Was wären Versicherungen ohne das große Argument des Risikos? Besser gesagt: dessen Vermeidung; Pardon, Versicherungen vermeiden nicht Risiken, sie berechnen sie. Und Erstere brauchen Letztere: Kein vernünftiger Mensch würde Geld in einen Vertrag einbezahlen, der lediglich eine Leistung im Konjunktiv verspricht, wenn die vermeintliche Bedrohung keine ebensolche Wirkung hätte. Die Wirkung macht es tatsächlich aus - stellen Sie sich vor: Was wäre, wenn …? Die meisten Vorstellungen über die Zukunft sind mit Risiken behaftet. Vor allem mit dem Risiko, dass sie meistens falsch sind. Denn was wir uns vorstellen, ist das, was wir schon kennen. Die Zukunft aber ist nicht die Einlösung unserer Träume von vergangenen, noch nicht eingetretenen Erwartungen; nein, sie ist unkalkulierbar, nicht vorhersehbar, unbekannt. Und das Unbekannte an sich ist schon ein Risiko. Es ist zwar der einzige Raum, in welchem wir uns noch frei bewegen können. Aber Freiheit verlangt nach Mut und Verantwortung. Und Mut und Verantwortung sind ein Wagnis – es besteht die Gefahr, dass wir, was den Mut anbetrifft, Gefallen am Gewagten finden, und, was die Verantwortung angeht, sie womöglich wirklich übernehmen müssen. Und es tritt ja immer genau das ein, was wir nicht möchten und zu verhindern suchen. Der beste Satz, um die Realität zu beschreiben, ist doch: Das kann nicht sein! Und der beste Satz, um die Zukunft vorherzusagen, lautet: Das wird nie passieren! Unsere Befürchtungen sind unsere Lehrmeister. Die Qualität von Realität und Zukunft hängt an der Güte unserer Sichtweise. Und wir sehen die Gefahr. Jedes Lebewesen ist natürlichen Gefahren ausgesetzt. Die Witterung derselben ist eine Gabe: Die Natur setzt Angst ein, um vorbereitet zu sein. Und Vorbereitung führt zur Entwicklung besserer Fähigkeiten.


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KOLUMNE Macht Evolution sicherer? Zumindest baute der Mensch im Laufe seines Fortschritts unzählige Schutzvorrichtungen, erfand jede Menge Waffen, erschuf Unmengen an Garantien und eben unzählige Versicherungen für oder gegen einfach alles. Wir möchten vorbereitet sein. Macht Evolution also sicherer? Nein. Denn auch Ängste entwickeln sich weiter. Da sind wir uns sicher. Aber nicht darauf vorbereitet. Unsere Gesellschaft ist verunsichert. Das Unbekannte ist nicht mehr das Risiko, sondern das Bekannte. Es ist bekannt, dass sich alles blitzschnell und tiefgreifend verändert, dass nichts mehr verlässlich ist. Je mehr wir wissen, desto mehr können wir befürchten. Und wir wissen, dass wir uns nicht mehr vorbereiten können. Es tritt ja zudem ein, was wir nicht möchten und zu verhindern suchen: Katastrophen, Kriege, Skandale – die Archäologen der Zukunft werden unsere Zeit für das Mittelalter halten. Doch Ängste sind so alt wie die Menschheit, sie verändern nur ihre Schlagzeilen: In der Fukushima-Krise meldet sich nun auch Tschernobyl zurück ins kollektive Bewusstsein. Tschernobyl, wiedererweckte Bedrohung und Mahnmal für Fortschrittsbefürchtungen, ein Angst-Ort und mittlerweile als gefährlichster Platz der Welt auch so etwas wie eine Touristenattraktion für Adrenalinsüchtige. Attraktive Gefahren - ein Weg zur Bewältigung von Ängsten? Zweifellos, Mut ist die Fähigkeit, Ängste zu überwinden. Ist Mut auch Draufgängertum? Oder geht es gar nicht um Überwindung, sondern um die Beweisbarkeit eigener Größenansprüche? Der beste Satz, um das Vorhandensein von Ängste zu beschreiben, ist: Kein Problem! Können wir mit all unseren Beweisbarkeiten und Errungenschaften wirklich Sicherheit erzeugen? Ich glaube, was wir damit erreichen, ist die Verdrängung von Unsicherheit. Eine Eigenversicherung sozusagen. Doch Versicherungen vermeiden Unsicherheit nicht, sie berechnen sie. Ist die Berechenbarkeit von Unsicherheit sogleich das Erzeugen von Sicherheit? Dann schon, wenn wir durch die Akzeptanz von Unsicherheit bereit sind, uns zu verändern. Sicherheit ist nicht das Beiseite schieben von Risiken, das Vermeiden von Gefahren, das Abwenden von Bedrohungen oder das Ausblenden von Befürchtungen, was ja nichts anderes ist, als der Beweis, dass wir zugleich mit ihrem Einritt rechnen. Sicherheit ist auch nicht der Lohn für den Kampf gegen Ängste. Ängste sind ein Blick in unsere Hoffnungen und Wünsche. Der Sieg über Ängste wäre eine Niederlage für unsere Träume.


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KOLUMNE Es gäbe nichts, was zu ändern wäre. Doch – wer das Unmögliche ausschließt, wird das Mögliche nie verstehen. Geschweige denn erleben. Sicherheit ist, sich seiner Veränderungsfähigkeit bewusst zu sein. Sicherheit ist Kreativität. Gestaltungskraft. Wenn wir unsere Ängste aus Sicht unserer Hoffnungen und Wünsche betrachten, wirken sie anders auf uns – als Anreiz. Als Anreiz, sich nicht ihrer Wirkung auszusetzen, sondern etwas zu bewirken. Ich glaube, wenn wir unsere Hoffnungen und Wünsche mit unserer Gestaltungskraft verbinden, erreichen wir etwas, was die Befürchtung wandelt – in Zuversicht. Und Zuversicht macht sicher. Selbstsicher. Selbstsichere Angsthasen träumen besser.


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