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Literatur

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Weihnachten 2021

Weihnachten 2021

Literatur Buchlos?

Geht ja gar nicht! Irgendeine Lektüre sollte man immer griffbereit haben. Gerade jetzt. Denn Dezember und Januar sind typische Lesemonate. An den Feiertagen und in den Ferien hat man endlich mal wieder Zeit, richtig zu schmökern und sich in die Geschichten zu vertiefen. Und das sollte man unbedingt tun. Also los geht´s – hier sind zwei Buchtipps! Anke Breitmaier

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Die Doppelbödigkeit des Doppellebens Erinnerung ist der brennende Muskel im Jetzt

2020 gewann er mit diesem Roman den renommierten Literaturpreis „Prix Goncourt“, aber bei uns ist der französische Autor ziemlich unbekannt. Das könnte sich jetzt ändern. Und das sollte es auch. Denn „Die Anomalie“ ist ein herausragender erzählerischer Coup.

Ausgangspunkt ist ein groteskes Gedankenspiel: Was, wenn man doppelt existiert, also wenn es zwei Mal die gleiche Person gibt? Es beginnt mit einem absurden Szenario: Eine Boing 787 gerät im März 2021 auf ihrem Flug von Paris nach New York in einen Wirbelsturm, trotzdem klappt die Landung. Im Juni des gleichen Jahres landet dieselbe Maschine ein zweites Mal – mit denselben Passagieren an Bord. Kein Wunder, dass dies im misstrauischen Amerika für Aufsehen sorgt. Mal abgesehen davon, dass so etwas ja eigentlich gar nicht möglich ist? Normal ist es jedenfalls nicht, und diese offensichtliche „Anomalie“ ruft das FBI auf den Plan, das die Maschine auf einem Luftwaffenstützpunkt abstellt, um das „Vorkommnis“ zu untersuchen. Im Flieger sitzen unter anderem ein Architekt mit seiner Geliebten, ein Auftragskiller, ein PopSänger, eine Schauspielerin und ein Schriftsteller. Aus deren Leben erzählt Tellier und lässt sie kollidieren mit dem, was ihre biografischen Doppelgänger sein könnten. Das wirft existenzielle Fragen auf, changiert vom Komischen ins Philosophische, ist mal satirisch, dann wieder nachdenklich. Genau das ist die Stärke dieses in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Romans, der eine abgefahrene Mischung aus Mystery, Thriller, Komödie und Gesellschaftssatire ist.

Anzeige Zwei Brüder – der ältere Francis ist tough und cool, der jüngere Michael dagegen ruhig und sensibel – wachsen in den 80er Jahren in Scarborough auf, einem Vorort von Toronto. Es ist ein multikulturelles Viertel, in dem die ungleichen Geschwister eine wechselvolle Kindheit verleben. Und es ist eine Gegend, in der Kriminalität und Gewalt an der Tagesordnung sind.

Ihr Vater hat die Familie sitzenlassen, die Mutter, eine schwarze Migrantin aus Trinidad, muss einige Jobs gleichzeitig wuppen, um den Lebensunterhalt zu verdienen für sich und ihre Söhne. Die sind oft auf sich allein gestellt, schlagen sich durch in dem heruntergekommenen Stadtviertel. Der hartgesottene Francis passt auf seinen kleinen Bruder auf, beschützt ihn vor den täglichen Angriffen – den Demütigungen, denen beide als junge schwarze Männer ausgesetzt sind, kann er jedoch nichts entgegensetzen. Trotz der schweren Umstände nimmt das Leben seinen Lauf: Michael verliebt sich zum ersten Mal und Francis versucht, den Traum von Anzeige einer Karriere im Hip-Hop-Business zu verwirklichen. Doch dann kommt es zu einer Tragödie und nichts ist mehr wie zuvor. Der kanadische Autor Chariandy, Literaturprofessor in Vancouver, kennt das Milieu aus eigener Erfahrung. Seine Eltern waren in den Sechzigerjahren aus Trinidad nach Toronto ausgewandert, er selbst wuchs in Scarborough auf, wo seine Geschichte spielt. Lakonisch, aber mit viel Herz erzählt er diese bewegende Familiengeschichte, die unter die Haut geht.

n David Chariandy: Francis | Claasen | 20 Euro

n Hervé Tellier: Die Anomalie | Rowohlt | 22 Euro

Darmstadts verschwundene Orte

Verschwundene Orte haben etwas Faszinierendes. Sie machen neugierig und man möchte ihre Geheimnisse lüften. Die Orte, um die es in diesem Buch geht, sind auf verschiedene Weise „verschwunden“: Viele Bauwerke wurden im Krieg zerstört. Andere Gebäude fielen der Abrissbirne zum Opfer, mussten weichen für Neues. Manche Plätze hat sich die Natur zurückgeholt. zur Aufgabe gemacht und sind auf Spurensuche gegangen. Orte wie Lopo´s Werkstatt und die Datterich-Klause haben sich in den Herzen der Heiner verankert. Das alte Palais oder das Rheintor haben einst das Stadtbild der ehemaligen Residenz geprägt. Und was hat es mit dem Flugzeug auf sich, das zu einem Restaurant wurde? Das Autoren-Duo hat die Antworten. Unterstützt wurden sie dabei von stadtkundigen Darmstädterinnen und Darmstädtern, die ihre Heimat kennen, lieben und ihr Wissen gerne teilten.

Fr., 3.12. | 19.30 Uhr | Schlösschen im PrinzEmil-Garten | Heidelberger Str. 56 | Darmstadt | Eintritt 12 Euro | Vorverkauf im Bessunger Buchladen | www.bessunger-buchladen.de

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