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Die Lilien
Gude!
Vergangenen Monat haben wir Neuzugang Thomas
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Isherwood vorgestellt, nun folgen die beiden Winterneuverpflichtungen Christian Clemens und Samuele
Campo. Während Isherwood langfristig verpflichtet wurde, laufen die Verträge von Clemens und
Isherwood zunächst nur bis Saisonende. Zukunft offen. Das gilt leider auch für die Lilien. Zu schwankend sind die Ergebnisse. Geht es also weiter gegen den Abstieg? Oder gelingt wie die vergangenen Jahre ein Endspurt? Nicht zuletzt die drei Spiele im März werden zeigen, wohin die Reise geht. Langweilig wird es jedenfalls nicht. Bleibt gesund! Stephan Köhnlein
Beide Mittelfeldspieler kamen in der Winterpause – beide vorerst nur bis Sommer Clemens und Campo – neue Offensivpower für die Lilien
Von Stephan Köhnlein
Der eine spielte für Köln, Schalke und Mainz in der Bundesliga, der andere für Basel in der ersten Schweizer Liga. Beide waren zuletzt bei ihren Vereinen nicht mehr gefragt und wollen beim SV Darmstadt 98 wieder Spielpraxis sammeln. Doch zumindest der Start bei den Lilien lief für Christian Clemens und Samuele Campo ganz unterschiedlich.
Christian Clemens teilt mit seinem Trainer Markus Anfang ein Trauma: Das heißt SV Darmstadt 98. Es war der 26. April 2019. Der 1. FC
Köln empfing am 31. Spieltag als Tabellenführer den SV Darmstadt 98, der zu diesem Zeitpunkt noch gegen den Abstieg kämpfte. Eine gute halbe Stunde war gespielt, als Flügelspieler Clemens mit Lilien-Kapitän Fabian Holland zusammenrasselte. Der Kölner musste vom Platz, seine Mannschaft verlor 1:2.
Darmstadt sicherte sich damit den Klassenerhalt. Trotz der Tabellenführung wurde der damalige Kölner Trainer Anfang nach dem
Spiel beurlaubt. Clemens erhielt wenig später die schockierende Diagnose: Kreuz- und Innenbandriss im Knie. Knapp zwei Jahre später sind Anfang und Clemens nun wieder vereint – und das ausgerechnet in Darmstadt.
Clemens moniert: Keine faire Chance mehr in Köln bekommen
Clemens – wie Anfang gebürtiger Kölner – fasste nach der Verletzung bei den Geißböcken nicht mehr richtig Fuß. In der Spielzeit 2019/20 kam er am letzten Spieltag auf einen Kurzeinsatz bei den Profis. In der laufenden Saison spielte er nur in der 2. Mannschaft in der Regionalliga. „Eine faire Chance habe ich in Köln danach leider nicht bekommen. Ich habe die Vorbereitung gespielt, Tore geschossen. Der Trainer hat sich anders entschieden, jüngeren Spielern eine Chance gegeben“, sagt Clemens.
Er habe das akzeptiert, keinen Ärger gemacht und auch in der Regionalliga gespielt: „Ich hätte ja auch sagen können: „Nö, leckt mich alle am Arsch. Ich sitze das aus.“ Doch in der Winterpause löste man den ohnehin nur bis zum Saisonende laufenden Vertrag auf. Sein Vertrag bei den Lilien läuft auch nur bis Saisonende, eine eher ungewöhnliche Konstellation.
Darmstadts Sportchef Carsten Wehlmann hatte bei der Verpflichtung von einer Win-win-Situation gesprochen: „Christian erhält hier in Darmstadt die Chance auf Einsatzzeiten in der 2. Bundesliga, und wir versprechen uns eine sofortige Unterstützung, bewahren uns aufgrund der Laufzeit aber weiterhin die in dieser Pandemie wichtige Flexibilität.“
CHRISTIAN CLEMENS
Christian Clemens kam am 4. August 1991 in Köln zur Welt. 2001 wechselte er in die Jugendabteilung des 1. FC Köln, später kam er zunächst in der zweiten Mannschaft der Geißböcke zum Einsatz. Sein Bundesligadebüt gab er am 12. September 2010 beim 1:0-Heimsieg gegen den FC St. Pauli. In der Sommerpause 2013 wechselte er zum FC Schalke 04. Aufgrund der großen Konkurrenz auf seiner Position mit Julian Draxler oder Leon Goretzka kam er jedoch nur selten zum Einsatz. In der Winterpause der Saison 2014/15 schloss er sich dem 1. FSV Mainz 05 an. Zum 1. Januar 2017 ging er zurück nach Köln. Nachdem er in Köln nicht mehr zum Zug kam, wechselte er Anfang Januar 2021 zum SV Darmstadt 98.
Luft nach oben und eine ungewisse Zukunft
So sieht es auch Clemens. „Für mich zählt, in den kommenden vier Monaten so viel zu spielen wie möglich, wieder Fuß zu fassen und mich zurück ins Rampenlicht zu spielen“, sagt er. Was nach dem halben Jahr komme, sei im Moment nicht so wichtig. In den ersten Spielen nach seiner Verpflichtung kam er stets zum Einsatz, erst als Einwechselspieler, dann in der Startformation, ehe ihn eine Oberschenkelverletzung zurückwarf.
„Klar ist, dass bei mir noch viel Luft nach oben ist“, lautete seine erste Bilanz. Er sei froh über jede Spielminute, werde sich sicher noch steigern. Was dann nach Ende der Saison komme, wisse er noch nicht. „Für mich zählt das Hier und Jetzt. Es war nicht so selbstverständlich von Darmstadt, jemandem die Chance geben, der eineinhalb Jahre quasi nicht mehr höherklassig gespielt hat. Deswegen bin ich dem Verein sehr dankbar und versuche, das Vertrauen zurückzuzahlen“, erklärt der frühere U21-Nationalspieler.
Campo nach gutem Saisonstart nicht mehr gefragt
Eine ähnliche Ausgangsposition bei seinem Wechsel zu den Lilien hatte Samuele Campo. Der FC Basel wollte ihn zuletzt nicht mehr haben. Bei den Lilien will er nun wieder die Freude am Fußball zurückgewinnen. Die Spielidee von Trainer Anfang kommt ihm nach eigener Aussage sehr entgegen. „Mir gefällt, wenn man probiert, von hinten herauszuspielen. Das hat mich von Beginn an angesprochen“, sagt der 25 Jahre alte Mittelfeldspieler, der kurz vor Ende der Wintertransferperiode zum SV Darmstadt 98 stieß und sich selbst als „richtigen Zehner“ bezeichnet.
Bei dem Schweizer Topclub war das Eigengewächs zuletzt nicht mehr gefragt. „Ich hatte in Basel immer verschiedene HalbjahresPhasen. Mal habe ich gespielt, dann wieder nicht“, sagt er. In den vergangenen Jahren habe es viel Unruhe gegeben, die ständigen Trainerwechsel hätten sich ausgewirkt. In die laufende Spielzeit sei er eigentlich gut gestartet. Aber dann habe er unter Trainer und Ex-Bundesliga-Profi Ciriaco Sforza plötzlich nicht mehr gespielt. Schließlich sei ihm klar mitgeteilt worden, dass man nicht mehr mit ihm plane.
Auf der Suche nach der verlorenen Spielfreude
In Darmstadt musste er sich zumindest zunächst in Geduld üben. Zwar saß er nach fünf Tagen Quarantäne gleich auf der Bank. Doch die ersten drei Spiele (bis Redaktionsschluss dieses Magazins) kam er nicht zum Einsatz. Dabei möchte er wie Clemens in Darmstadt vor allem wieder spielen. „Ich möchte meine Qualitäten einbringen, der Mannschaft helfen mit Toren und Assists und den Spielrhythmus und die Freude am Fußball wiederfinden“, sagt er.
Geholt hat man ihn ans Böllenfalltor auch, weil man auf seine Tore baut, für die bislang vor allem Serdar Dursun und Tobias Kempe verantwortlich zeichneten. Campo gilt auch als guter Standardschütze. Das Freistoßtor gegen Eintracht Frankfurt in der Europa League vor einem Jahr sei nicht sein einziges gewesen, sagt er schmunzelnd.
Noch keine Gedanken an die Zukunft
In Darmstadt trifft er auch Victor Palsson wieder, der in der Schweiz beim FC Zürich ein unangenehmer Gegenspieler war. „Es ist immer schön, solche Spieler in der eigenen Mannschaft zu haben“, sagt Campo lachend. Bis Saisonende läuft die Leihe zunächst, Darmstadt besitzt eine Kaufoption. Doch darüber macht er sich zunächst keine Gedanken. „Jetzt geht es erstmal darum, wieder Minuten in die Beine zu bekommen. Was im Sommer kommt, wird man sehen.“
SAMUELE CAMPO
Samuele Campo wurde am 6. Juli 1995 als Sohn einer Schweizerin und eines Italieners in Basel geboren. Bereits als Sechsjähriger wurde er vom FC Basel entdeckt, und wechselte in die Jugendabteilung des Klubs. Dort durchlief er sämtliche Juniorenstufen bis zur U21. In der Rückrunde der Saison 2015/16 wechselte Campo zum damaligen Zweitligisten FC Lausanne-Sport, wo er Stammspieler wurde
Fotos: Florian Ulrich
und am Saisonende aufstieg. In der Winterpause 2017/18 holte ihn sein Stammverein FC Basel zurück. Mit Basel gewann er 2019 den Schweizer Cup, spielte in der UEFA Europa League sowie in Qualifikationsspielen zur Champions League. Zum 1. Februar 2021 wurde Campo bis zum Saisonende an die Lilien verliehen.
Wiedersehen mit Heller und Schuster
Die drei Gegner des SV Darmstadt 98 im März
24. Spieltag
SV Paderborn – SV Darmstadt 98
Freitag, 5. März, 18.30 Uhr
Erst dreimal trafen beide Teams im Profifußball aufeinander: Zum Auftakt der Saison 2018/19 gewannen die Lilien durch ein Tor von Serdar Dursun 1:0. Die beiden Partien darauf gingen jedoch krachend verloren. Im Rückspiel gab es damals ein desaströses 2:6. Und in der Hinrunde der aktuellen Saison verloren die Lilien deutlich mit 0:4. Ein Wiedersehen gibt es möglicherweise mit Marcel Heller. Der Kult-Angreifer, der mit den Lilien von der 3. Liga bis in die Bundesliga aufstieg, steht seit vergangenem Herbst bei den Westfalen unter Vertrag, kam dort bislang jedoch nicht über die Rolle eines Ergänzungsspielers hinaus.
25. Spieltag
SV Darmstadt 98 – Erzgebirge Aue
Samstag, 13. März, 13 Uhr
Wiedersehen mit Dirk Schuster sind für den SV Darmstadt 98 immer etwas Besonderes: Immerhin steht der Coach für die erfolgreichste Zeit in der Geschichte der Lilien mit zwei Aufstiegen und dem Bundesliga-Klassenerhalt. Inzwischen arbeitet der gebürtige Sachse bei Erzgebirge Aue. Vergangene Saison verlor er beide Spiele gegen seinen Ex-Verein. In der Hinrunde der aktuellen Saison gab es jedoch ein klares 3:0 für Aue. Insgesamt ist die Bilanz gegen Aue klar positiv, in neun Zweitliga-Partien gab es sechs Lilien-Siege, ein Unentschieden und zwei Niederlagen.
26. Spieltag
Eintracht Braunschweig – SV Darmstadt 98
Samstag, 20. März, 13 Uhr
Eintracht Braunschweig und der SV Darmstadt 98 standen sich in den Spielzeiten 1978/79 und 1981/82 viermal in der Bundesliga gegenüber. Damals holten die Lilien gerade einen Punkt gegen die Niedersachsen. Besser sieht die Zweitliga-Bilanz aus. Die ist mit sechs Siegen, sechs Unentschieden und fünf Niederlagen knapp positiv für die Lilien. In der Hinrunde gab es ein klares 4:0 für die Lilien mit jeweils zwei Treffern von Serdar Dursun. Ein möglicher dritter Treffer blieb dem DeutschTürken verwehrt, weil Trainer Markus Anfang darauf beharrte, dass Tobias Kempe den Elfmeter schoss. Der traf ebenfalls doppelt – beide Male vom Punkt.
Umfrage: Mehrheit findet Coaching gut
Das lautstarke Coaching von Lilien-Trainer Markus Anfang war in den vergangenen Monaten immer wieder Anlass für Diskussionen.
Das Thema hat verschiedene Aspekte: Die leeren Stadien sorgen für eine ungewohnte Akustik. Wie genau man den Trainer hört, hängt auch davon ab, wie weit er von den Mikrofonen der Fernsehsender entfernt ist. Hinzu kommt, dass die Mannschaft des SV Darmstadt 98 selbst nicht besonders lautstark auf dem Platz agiert. Anfang selbst hat mit der Mannschaft über das Thema gesprochen. Ergebnis: Er soll weiter lautstarke Kommandos geben und von außen führen.
Losgelöst von diesen Aspekten wollte das Online-Magazin Lilienblog in einer Umfrage wissen, ob die Fans der Lilien grundsätzlich glauben, dass Coaching während des Spiels die Mannschaft überhaupt erreicht und ob es ihr dann tendenziell eher hilft oder eher schadet. Die Resonanz zeigte, dass das Coaching durchaus ein kontroverses Thema ist. Auf der Lilienblog-Homepage beteiligten sich in knapp zwei Tagen 157 User an der Umfrage, teils mit Kommentaren. Hinzu kamen zahlreiche Reaktionen auf Social-Media-Kanälen, die nicht erfasst werden konnten.
„Brüllen ja, wenn es taktisch sinnvoll ist …“
48 Prozent und damit die Mehrheit fanden zwar, dass lautstarkes Coaching der Mannschaft auf dem Platz tendenziell hilft. 33 Prozent waren aber der Meinung, dass es eher schadet. 18 Prozent fanden, dass es keine Rolle spielt. Es gab Verweise auf erfolgreiche, emotional-laute Trainer, ebenso darauf, dass der Trainer übernehmen müsse, wenn die Mannschaft auf dem Platz zu ruhig sei. Andere erklärten, dauerndes Hereinrufen sei irritierend. Ohnehin spielten Häufigkeit und Inhalte des Coachings in einigen Reaktionen eine Rolle. „Brüllen ja, wenn es taktisch sinnvoll ist, sonst verkommt es zum Hintergrundrauschen“, erklärte ein User. Und es wurde auch auf den Unterschied zwischen der Perspektive als Zuschauer bei Sky und der eines Spielers auf dem Platz hervorgehoben.
Foto: Florian Ulrich
Dass Ergebnis, dass doch deutlich mehr User in der Abstimmung das Coaching tendenziell für sinnvoll halten, war nach den vielen negativen Statements in verschiedenen (Internet-)Kanälen nicht unbedingt zu erwarten, wie der Lilienblog schreibt. Das hänge auch damit zusammen, dass Menschen eher schreiben, wenn sie etwas stört, als wenn sie etwas in Ordnung finden. „Letztlich“, so argumentiert der Lilienblog weiter, „entscheidet über die Beurteilung des Coachings auch, wie erfolgreich die Mannschaft spielt. Egal, ob der Trainer laut oder leise ist – wenn seine Mannschaft gewinnt, hat er es in der Regel richtig gemacht.“ ko