investnews Guide 2016 für Vermögensverwalter_Altenburger_DE

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V E R M Ö G E N S V E R W A LT U N G : D I E R A H M E N B E D I N G U N G E N

Darf eine Bank Barabhebungen oder Überweisungen unversteuerter

Guthaben ablehnen?

RA STÉPHANIE HODARA EL BEZ, ALTENBURGER

I

Diese Frage ist seit mehreren Jahren Gegenstand von Debatten. Unlängst befassten sich damit auch zwei Bundesgerichtsentscheide (BGer) sowie zwei Gerichtsurteile erster Instanz in Genf, wie Ende Februar der Presse zu entnehmen war.

n seinen beiden Entscheiden vom 28. Oktober 2015 nahm unser höchstes Gericht Stellung zur Frage, ob eine Bank die Aushändigung der Guthaben ihrer Kunden in bar bei der Schliessung ihres Kontos ablehnen darf. Das BGer bestätigte bei dieser Gelegenheit zwei Urteile des Appellationsgerichts des Kantons Tessin, das zwei in Italien wohnhaften, italienischen Staatsbürgern im Rahmen eines Rechtsstreits mit der besagten Bank Recht gab. In beiden Fällen hatte die Bank ihre Kunden im Juni 2013 um die Unterzeichnung einer Selbstdeklaration zur Steuerkonformität gebeten, da sie die betreffenden Konten ansonsten schliessen müsse. Sie forderte ihre Kunden ferner auf, eine Bankverbindung für die Überweisung des

Kontosaldos anzugeben, mit dem Hinweis, dass eine Barab­ hebung im Einklang mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank nicht möglich sei. Die Kunden strengten daraufhin ein Verfahren vor den Tessiner Gerichten an, um ihr Recht bestätigen zu lassen, den Saldo ihres Kontos in bar zu beziehen und das Konto anschliessend zu schliessen. BESTÄTIGUNG DES RECHTS AUF ABHEBUNG? Auf Grund der unterschiedlichen Höhe der fraglichen Beträge nahmen die beiden Verfahren erstinstanzlich unterschiedliche Wege. Im ersten Fall wurde das Recht des Kunden auf Abhebung seiner Guthaben als „eindeutig“ im Sinne der Zivilprozessordnung erachtet, wobei das Tessiner Gericht 21


auch darauf hinwies, dass das fragliche Guthaben von knapp 75 000 EUR relativ moderat sei und dass die Bank aufgrund des privatrechtlichen Charakters der Vertragsbeziehung nicht einseitig neue allgemeine Geschäftsbedingungen oder interne Richtlinien geltend machen könne, ohne dass diese vom Kunden unterschrieben werden. Im zweiten Fall entschied der erstinstanzliche Richter, dass die Bank die Barauszahlung des gesamten Guthabens (rund 560 000 EUR) angesichts der Höhe des Betrags zu Recht ablehnte.

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Die Bank kann aufgrund des privatrechtlichen Charakters der Vertragsbeziehung nicht einseitig neue allgemeine Geschäftsbedingungen oder interne Richtlinien geltend machen, ohne dass diese vom Kunden unterschrieben wurden

]

Auf dem Rekursweg gab das Tessiner Berufungsgericht den beiden Kunden in zwei vom BGer bestätigten Entscheidungen Recht. Das BGer erinnerte dabei an den Grundsatz, dass der Kunde bei Beendigung der Bankbeziehung das Recht auf eine Barauszahlung seiner Guthaben hat, ohne dass er vorab einen Steuerkonformitätsnachweis erbringen muss. Das BGer prüfte danach, ob in den beiden konkreten Fällen den Kunden dieses Recht verweigert werden durfte. GRENZÜBERSCHREITENDE TÄTIGKEITEN: RECHTLICHE RISIKEN Die Ablehnung der Barauszahlungen begründete die Bank mit der notwendigen Gewähr einer einwandfreien Geschäftsführung und insbesondere mit der Stellungnahme der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA hinsichtlich der rechtlichen und Reputationsrisiken bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten (FINMA-Stellungnahme), in deren Rahmen die Bank eine vertiefte Analyse der Risiken grenzüberschreitender Bankbeziehungen durchführen und sich interne Verhaltensrichtlinien auferlegen muss, welche diese Risiken einschränken. Mit dieser Argumentation berief sich die Bank auf interne Richtlinien – die sie allerdings nicht vorgelegte – welche es ihr aber verbieten, in solchen Fällen Barauszahlungen zu genehmigen.

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Das BGer kam in seinen Erwägungen aber zum Schluss, dass die Bank weder einen Nachweis für ihre Risikoanalyse erbracht noch ihre internen Richtlinien vorgelegt habe und somit nicht beweisen konnte, dass die verlangte Barauszahlung gegen ihr Risikomanagement verstiess. Somit brauchte das BGer auch die Frage nicht weiter zu untersuchen, ob die internen Risikomanagementrichtlinien das Recht des Kunden, am Ende einer Bankbeziehung seine Guthaben in bar abzuheben, einschränken oder ganz ausschliessen dürfen. Die Bank machte ferner geltend, dass sie sich einer Strafverfolgung wegen Verletzung des italienischen Steuer- und Strafrechts aussetze, wenn sie den Anweisungen des Kunden Folge leistet und somit nicht unmittelbar in der Lage sei, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Diese Frage wurde vom BGer nicht weiter geprüft, indem es hervorhob, dass die Bank weder nachweisen konnte, dass das besagte ausländische Recht auf sie anwendbar ist, noch dass dieses Recht ihr verbieten würde, die Kundenanweisungen auszuführen. GWG UND ARTIKEL 305BIS DES STRAFGESETZBUCHES Im Übrigen warf die Bank den kantonalen Instanzen vor, die Schweizer Normen zur Geldwäscherei ignoriert zu haben und machte geltend, dass sie bei einer Barabhebung verpflichtet sei, den wirtschaftlichen Hintergrund der Transaktion zu prüfen. Sie fügte hinzu, dass die Schliessung eines Kontos einhergehend mit einer solchen Barabhebung dem Sinne des GwG widerspricht. Das BGer hielt diesbezüglich fest, dass es die Bank unterlassen hat, zu erklären, weshalb diese Vorschriften in dem Moment anzuwenden sind, in dem der Kunde seine Guthaben wieder in Besitz nehmen möchte, wenn die Bankbeziehung doch bereits seit mehreren Jahren besteht, ohne dass die Bank diese Bestimmungen zu einem früheren Zeitpunkt geltend gemacht hatte. In Bezug auf die Berufung der Bank auf den neuen Artikel 305bis des Strafgesetzbuches hielt das BGer fest, dass dieser Artikel erst im Januar 2016 in Kraft getreten ist, wobei das Strafrecht grundsätzlich nicht rückwirkend gilt und dass die Bank nicht nachgewiesen hat, ob die in dieser Bestimmung vorgesehene Obergrenze von CHF 300 000 im vorliegenden Fall erreicht wurde.


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Diese beiden ungeduldig erwarteten Bundesgerichtsentscheide haben somit die grundsätzliche Frage, die sich in solchen Fällen stellt, nicht wirklich beantwortet, ob eine Bank das Recht hat, sich auf interne Risikomanagementrichtlinien oder die potenzielle Verletzung ausländischen Rechts zu berufen, um Barauszahlungen an Kunden bei der Schliessung eines Kontos einzuschränken oder sogar ganz auszuschliessen. GENF ENTSCHEIDET Obwohl es sich um ein höchst politisches Thema handelt, beschloss ein Genfer Richter, diese Frage in zwei neueren Entscheiden des erstinstanzlichen Genfer Gerichts zu klären. Diese beiden Entscheide betrafen zwei ähnliche Fälle wie jene im Tessin, in denen französische Kunden von derselben Bank bei der Schliessung ihres Kontos die Überweisung ihrer Guthaben bzw. die Ausstellung eines Bankschecks verlangten. Das erstinstanzliche Genfer Gericht vertrat die Ansicht, dass die Bank die Ausführung der Kundenanweisungen nicht verweigern durfte. Auch in diesem Fall machte die Bank geltend, dass eine Verletzung des französischen Strafrechts sie in eine Lage bringe, die gegen die Gewähr einer einwandfreien Geschäftsführung verstosse, und dass es ihr daher nicht möglich sei, ihrer Verpflichtung zur Auszahlung der Guthaben nachzukommen. Das erstinstanzliche Genfer Gericht stellte zunächst fest, dass sich die Bestimmungen des französischen Straf- und Steuerrechts seit Aufnahme der Bankbeziehung nicht geändert haben. Daher kann die Bank das Zurückhalten der Kundenguthaben nicht damit begründen, dass ihr Transfer gegen französisches Recht verstosse, während sie diese Guthaben in ihr Depot aufgenommen und sie seit mehreren Jahren verwaltet hat. Der Genfer Richter erläuterte weiter, dass es in der Schweiz keine gültige Rechtsgrundlage gibt, die es Banken verbietet, möglicherweise unversteuerte Guthaben ihren Kunden zurückzugeben. Im Übrigen machte die Bank noch geltend, dass ihre Beteiligung an dem von den Kunden gewünschten Transfer ein Verstoss gegen die ausländische öffentliche Ordnung sei, weshalb sie zur Ablehnung des strittigen Transfers befugt ist. Das erstinstanzliche Genfer Gericht befand diesbezüglich, dass die betreffenden Bestimmungen des französischen Straf- und Steuerrechts keine zu berücksichtigenden Grundsätze einer ausländischen öffentlichen Ordnung seien.

In jedem Fall gelten die von der Bank ins Feld geführten Bestimmungen des französischen Strafrechts für den Transfer nicht deklarierter Guthaben und den einfachen Besitz dieser Guthaben. Da die Bank aber die fraglichen Geschäftsbeziehungen aufgenommen und über mehrere Jahre aufrechterhalten hat, befand das Gericht, dass es missbräuchlich wäre, wenn sie sich heute auf diese Bestimmungen des französischen öffentlichen Rechts beruft, um die Rückgabe der Guthaben abzulehnen. Die Bank konnte sich somit nicht rechtswirksam gegen die Rückgabe der Kundenguthaben wehren, und sie wurde vom erstinstanzlichen Genfer Gericht dazu verurteilt, die Kundenanweisungen zu vollziehen und die (für die gängige Praxis der Genfer Gerichte relativ hohen) Gerichts- und Prozesskosten zu tragen. DIE ZEIT DRÄNGT Diese beiden Entscheidungen werden massgebliche Folgen haben, sollten sie bestätigt werden (die Bank wird wahrscheinlich Berufung einlegen). Können es sich die Banken einstweilen noch erlauben, die Konten ihrer Kunden mit der Begründung zu sperren, dass ihre Guthaben unversteuert sind? Bieten im Gegenteil die obigen Entscheidungen nicht viel eher eine ausreichende Grundlage dafür, den Kundenanweisungen Folge zu leisten?

[ Da die Bank weder einen Nachweis für ihre Risikoanalyse erbracht, noch ihre internen Richtlinien vorgelegt hat, konnte sie nicht beweisen, dass die verlangte Barauszahlung gegen ihr Risikomanagement verstösst

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Diese Fragen stellen sich umso mehr, als die Zeit für etliche Kunden drängt, deren nicht deklarierte Konten nach wie vor in der Schweiz bestehen und ab 2018 Gegenstand des automatischen Informationsaustausches sind, für den bereits 2017 Informationen erfasst werden. Eines ist sicher: Die Banken müssen nicht nur darauf achten, dass sie keine ausländischen Steuergesetze verletzen, sondern künftig auch die Risiken von Verfahren berücksichtigen, die von ihren Kunden wegen Nichtausführung ihrer Anweisungen angestrengt werden.

STÉPHANIE HODARA Stéphanie Hodara, Mitverantwortliche des Teams für Bankund Finanzrecht, berät und vertritt ihre Kunden vor Gericht im Bereich des Banken- und Finanzrechtes sowie gemeinsamer Kapitalanlagen. Sie verfügt ferner über umfassende Erfahrung in den Bereichen Gesellschafts-, Ausländer-, Arbeits- und Immobilienrecht.

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