investnews Guide 2016 für Vermögensverwalter_SMA Gestion_DE

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PA R A B A N K E N U N D R E A L E V E R M Ö G E N S W E RT E

Rohstoffe –

ein erstklassiges Investment für Portfolios?

Angesichts der Talfahrt der Indizes ist eine stabile Performance über drei Jahre hinweg für einen Rohstoffmanager eine bemerkenswerte Leistung. Wie lautet das Geheimnis? Welche Funktion erfüllen Rohstoffe in einem global diversifizierten Portfolio? Diese und andere Fragen beantworten Philippe Desurmont (Bild: rechts), Generaldirektor und Leiter Aktien und Rohstoffe, sowie Sylvain Berthelet (Bild: links), Portfolio Manager Rohstoffe von SMA Gestion.

Investnews: Warum bilden Rohstoffe eine eigenständige Assetklasse? Sylvain Berthelet und Philippe Desurmont: Rohstoffe zeichnen sich durch einzigartige Merkmale aus: Als Realwerte werden sie in der Bilanz nicht passiviert und weisen somit weder Kredit-, Agentur- noch operative Risiken auf, die den von Unternehmen ausgegebenen Wertpapieren zugrunde liegen. Selbst wenn die Kurse zu einem Zeitpunkt „t“ durch die Stimmung der Marktteilnehmer beeinflusst werden, kann die physische Realität nicht lange ignoriert werden. Die fundamentale Situation des physischen Angebots und der Nachfrage sowie die logistischen Herausforderungen (Lagerung, Transport, Verfügbarkeit usw.) bewirken eine umgehende Korrektur eventueller Überreaktionen. Durch eben diese physischen und logistischen Besonderheiten lassen sich auch die meisten spezifischen Charakteristika wie Kursvolatilität, Carry-Gewinne oder -Kosten der Rohstoffpositionen erklären 1.

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Da nicht alle Rohstoffe der gleichen Logik folgen, wäre es nicht wünschenswert, sie im Rahmen der Assetallokation zu differenzieren?

Welche Rolle spielen Rohstoffe bei der globalen Assetallokation? Erstens ist es für einen Anleger sinnvoller, direkt in Rohstoffe anstatt in Förder- oder Vertriebsgesellschaften zu investieren. Letztere sind unter Umständen nicht in der Lage, den grösst­möglichen Profit mit den von ihnen geförderten Rohstoffen zu erzielen. Deshalb eliminiert ein Anleger, der direkt in einen Rohstoff anstatt in die Wertpapiere einer Fördergesellschaft investiert, von vornherein zahlreiche operative und Kreditrisiken. Darüber hinaus kann er vom Eintritt dieser Risiken sogar profitieren. So enttäuschte die von den beiden Rohstoffkonzernen Glencore und Anglo-American angekündigte Umstrukturierung ihrer Aktivitäten und die Drosselung ihrer Zink-Förderkapazitäten die Aktionäre. Da diese Ankündigungen aber eine Verknappung des Angebots implizierten, schnellte der Zinkkurs automatisch in die Höhe. FÜR EINEN ANLEGER SINNVOLLER, DIREKT [ ESIN IST ROHSTOFFE ANSTATT IN ROHSTOFFFÖRDERODER VERTRIEBSGESELLSCHAFTEN ZU INVESTIEREN

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Zweitens ermöglichen bestimmte Rohstoffe ein Engagement in sehr spezifischen Anlagethemen, die nicht mit der gesamtwirtschaftlichen Situation korrelieren. Dies ist bei Zuchtprodukten und bestimmten tropischen Produkten der Fall, die eigenen Produktions- und Verbrauchszyklen sowie besonderen Einflussfaktoren (wie Krankheiten, Dürren, Unwettern und vielen mehr) unterliegen. Umgekehrt ermöglichen andere, omnipräsente Rohstoffe wie Energie, Getreide oder Metalle eine Positionierung in verschiedenen makroökonomischen Anlagethemen. Dazu zählen unter anderem ein allgemeiner Anstieg oder Rückgang der Preise, das Wirtschaftswachstum, die Entwicklung des Konsums und der Investitionen oder auch die Auswirkungen von Geldpolitiken und der Zinsen. Drittens haben sich Rohstoffanlagen in Perioden erhöhter Wechselkursschwankungen als attraktive Ankerinvestments bewährt. Dies ist derzeit der Fall, da die Zentralbankentscheide dies- und jenseits des Juras und Pazifiks – gewollt oder ungewollt – Wechselkursturbulenzen ausgelöst haben. Insgesamt bietet das Rohstoffuniversum zahlreiche Anlagemöglichkeiten, die sich stark voneinander unterscheiden und somit ein hohes Diversifikationspotenzial bieten. 52

Bestimmte Rohstoffe werden an den globalen Märkten gehandelt und unterliegen somit den makroökonomischen Kräften sowie Arbitragen zwischen Assetklassen. Andere wiederum reagieren eher auf lokale Entwicklungen, da die unterschiedlichen regionalen Märkte aus logistischen und politischen Gründen (wie Förderquoten, Steuern, Subventionen usw.) abgeschottet sind. Gold und Silber stellen beispielsweise sehr spezifische Anlagewerte dar, die nicht den gleichen Angebots- und Nachfrageprinzipien folgen wie andere Rohstoffe. Für gängige Basisrohstoffe sind die Logistikkosten so hoch, dass die Inventarisierung der Lagerbestände auf dem wöchentlichen oder sogar monatlichen Bedarf beruht. Ferner können die Rohstoffpreise stark schwanken, sobald sich das Verhältnis zwischen Lagerbeständen und Nachfrage verändert. Ist diese Veränderung extrem, kommt es zu aussergewöhnlichen Situationen. So wurde 1932 die Hälfte der brasilianischen Kaffeebestände ins Meer geschüttet und die andere Hälfte als Brennstoff für Dampflokomotiven verwendet! Ganz anders stellt sich die Lage bei Gold und Silber dar, bei denen die bereits geförderten Bestände die Nachfrage noch 40 beziehungsweise 25 Jahre decken. Gold und Silber werden nicht verbraucht – sie wechseln lediglich den Besitzer und ändern ihre Form. Sie werden umgewandelt, transportiert, gehandelt und sind aufgrund ihrer relativ niedrigen Schmelzpunkte, ihrer Duktilität, Formbarkeit, Fungibilität, Beständigkeit und ihrem hohen Verkehrswert für kleine Volumina leicht zu lagern. All dies unterscheidet sie von anderen Rohstoffen einschliesslich Platin, Palladium und Edelsteinen. Die gesamte, seit der Antike geförderte Gold- und Silbermenge ist noch immer vorhanden. Bei einem bestimmten „Preis“ (bzw. einer bestimmten Parität) wird jeder kaufen, bei einem anderen Preis jedoch verkaufen. Die logistischen Aspekte sind im Gegensatz zur monetären Dimension somit kaum relevant. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass eine klare Differenzierung zwischen den einzelnen Rohstoffen wünschenswert ist, da sie nicht alle den gleichen Gesetzmässigkeiten folgen. Im Gegenzug sind aber die gleichen Methoden der Fundamentalanalyse der Märkte für sämtliche Rohstoffe anwendbar. Die gründliche Analyse des Angebots- und Nachfrageverhältnisses, dessen Anpassungskapazität sowie der Prämien und Abschläge (geografische Region, Qualität, Herkunft usw.) ermöglicht es, die Schlüsselfaktoren der Preisbildung sowie Anlagegelegenheiten zu identifizieren, die nicht durch makroökonomische oder charttechnische Analyseverfahren abgedeckt werden, auch wenn letztere zu einem besseren Verständnis bestimmter Kursschwankungen beitragen.


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Häufig beruhen Rohstoffanlagen, die im Rahmen von Investmentfonds angeboten werden, auf Indexprodukten. Welche Vorteile und Risiken gehen mit einer wirklich aktiven Verwaltung einher und wie misst man ihre Unabhängigkeit? Die gemeinhin als „aktiv“ bezeichnete Verwaltung entspricht einer Strategie, die in der Praxis nur geringfügig von den Referenzindizes abweicht und bisweilen sogar eine schlechtere Performance erzielt als die Indizes selbst. Um auf Dauer überzeugen zu können, muss sie – wie in allen anderen Assetklassen auch – eine deutliche Überperformance gegenüber dem Index erzielen. Warren Buffet und Charlie Munger haben dies an den Aktienmärkten eindrucksvoll bewiesen. Bei Rohstoffen schlagen Abweichungen von den Indizes sogar noch stärker zu Buche, da zahlreiche Benchmarks nicht strukturiert werden, um die beste Performance zu erzielen, sondern um möglichst repräsentativ zu sein. So ist die im Wirtschaftsleben allgegenwärtige Energie sehr hoch gewichtet, unabhängig von den Aussichten für die Kursentwicklung, und diese Gewichtung wird jedes Jahr angepasst. So wurde die Gewichtung von Rohöl in den Indizes nach dem Preisrückgang 2014 und 2015 trotz der Marktverzerrungen erhöht. Für vorsichtige Anleger hat sich eine Abkehr von den Indizes somit ausgezahlt. In unseren Rohstoffportfolios verfolgen wir diesen wirklich aktiven Ansatz. Hierzu setzen wir Directional Trading-, Kauf- und Verkaufsstrategien um, die den Gewinnerwartungen entsprechen, gleichzeitig aber auch spezifische Aspekte in Bezug auf Carry und Volatilität berücksichtigen, denen – so scheint es uns – in den Indizes ebenfalls kaum Rechnung getragen wird. Mit diesen Strategien ist es uns gelungen, den Nettoinventarwert des Fonds Bati Matières Premières in den letzten drei Jahren praktisch stabil zu halten, während der Referenzindex ganze 31,93 %verlor! Es ist jedoch schwierig, die Performance vollkommen unabhängig vom Index zu messen und die einzelnen Performanceelemente zu isolieren. Performanceunterschiede über einen möglichst langen Zeitraum liefern dagegen Anhaltspunkte, vor allem, wenn der betrachtete Zeitraum unterschiedliche Zyklusphasen umfasst. Kennzahlen wie der „Active Share“, der Gewichtungsunterschiede zwischen einem Portfolio und einem Referenzindex misst, können bei der Beurteilung des Unabhängigkeitsgrades einer Fondsverwaltung zum Referenzindex ebenfalls nützlich sein.

Wie schätzen Sie die Aussichten für die wichtigsten Rohstoffmärkte ein? Ist ein Ende des „Squeeze“ in Sicht? Allgemein scheint uns noch ein Angebotsüberhang vorhanden und die Nachfrage ist träge. Auf mittlere Sicht dürfte der Abwärtstrend der Kurse anhalten. Das Angebot muss sich noch anpassen, insbesondere an den Rohölund Metallmärkten. Allerdings vollzieht sich die Anpassung unterschiedlich schnell und einige Märkte sind in ihrem

Umstrukturierungsprozess bereits weit fortgeschritten. Dies ist wahrscheinlich bei Kohle der Fall. Andere Märkte weisen hingegen fundamentalere Rückstande auf, wobei die Kurse eine sehr düstere Zukunft und den Rückzug zahlreicher Akteure bereits eingepreist haben – dies trifft insbesondere auf Nickel zu.

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AUF MITTLERE SICHT DÜRFTE DER ABWÄRTSTREND DER KURSE ANHALTEN. ALLERDINGS VOLLZIEHT SICH DIE ANPASSUNG UNTERSCHIEDLICH SCHNELL UND EINIGE MÄRKTE SIND IN IHREM UMSTRUKTURIERUNGSPROZESS BEREITS WEIT FORTGESCHRITTEN

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Dennoch stehen an den meisten anderen Märkten bei zahlreichen Rohstoffproduzenten noch schmerzhafte Anpassungen ins Haus, sofern die Nachfrage nicht unerwartet ansteigt. Die Markteintrittsbarrieren sind häufig niedrig, die Austrittsbarrieren sind aber noch schwieriger zu überwinden: verlorene Investitionen, Sanierungskosten, Liquiditätsbedarf zur Bedienung fälliger Kredite, hohe Lizenzgebühren usw. Die Lage kann sich an den Rohstoffmärkten schnell ändern. Die attraktivsten Anlagen erfordern jedoch oftmals einige Geduld.

1 - Da der Kauf/Verkauf von Rohstoffen mittels Terminverträgen erfolgt, müssen letztere bei Fälligkeit verlängert werden, um die physische Lieferung des entsprechenden Rohstoffs zu vermeiden. Ist der neue Vertrag teurer als der vorherige (Terminstrukturkurve in Report oder «Contango»), entsteht ein Verlust, der sich negativ auf die Performance auswirkt. Ist im gegenteiligen Fall der Folgevertrag jedoch billiger (die Terminstrukturkurve in Depot oder «Backwardation»), erzielt man einen Gewinn. PHILIPPE DESURMONT Philippe Desurmont ist seit 2002 Generaldirektor von SMA Gestion und verantwortet das Aktien- und Rohstoffmanagement. Er entwickelte eine Verwaltungsmethode, die auf einer gründlichen Analyse der Einzeltitel und einer Bewertung einschliesslich einer Sicherheitsmarge beruht. Insgesamt beläuft sich der verwaltete Anlagenbestand auf fast 20 Milliarden Euro, die in europäische Anleihen und Aktien sowie in Rohstoffe investiert sind. SYLVAIN BERTHELET Sylvain Berthelet, CFA, kam 2005 als Analyst und Aktienmanager zu SMA Gestion. Ab 2006 hat er gemeinsam mit Philippe Desurmont das Rohstoffmanagement entwickelt. Das Verfahren der Fundamentalanalyse für jeden einzelnen Rohstoff wird auf die verschiedenen Portfolios und Fonds übertragen, deren Volumen insgesamt rund 110 Millionen Euro beträgt.

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