Frankreich-Schweiz:
Wird im Private Banking dasselbe geboten?
NICOLAS WALTHER, AURIS GESTION PRIVÉE UND AURIS WEALTH MANAGEMENT
Kann man die Dienstleistungsqualität ausländischer Banken mit derjenigen der Schweizer Banken vergleichen? Erfahrungsbericht eines Schweizer Vermögensverwalters, der seit über zehn Jahren in Paris ansässig ist und kürzlich eine Niederlassung in Genf eröffnet hat.
28
P
rivate Banking-Dienstleistungen sind dies- und jenseits der Grenze oft sehr unterschiedlich. Im Folgenden sollen die wichtigsten Unterschiede aufgezeigt werden. Durch die internationale Kundschaft konnte in der Schweiz natürlich ein unvergleichliches Know-how aufgebaut werden. Obwohl sich die hiesigen Vermögensverwalter spezialisieren müssen, um ihre Effizienz zu steigern, sind sie jeweils mit verschiedenen Kulturen, Sprachen, Allokationsrastern und Regulierungen vertraut. Hierdurch steigen zwar die Produktionskosten, die Schweizer Vermögensverwalter können aber aufgrund der grösseren Kontenvolumina Leistungen anbieten, die in Frankreich weniger üblich sind, wie z.B. Lombardkredite oder eine Anlageberatung („advisory“).
V E R M Ö G E N S V E R W A LT U N G : D I E R A H M E N B E D I N G U N G E N
An europäischen Finanzplätzen tätige Banker arbeiten dagegen vor allem für inländische Kunden, deren Bedürfnisse je nach Umfang ihrer Portfolios oder Komplexität ihrer Vermögensstrukturen unterschiedlich sind. Dies führt zu einem stärker segmentierten Ansatz, der an ein bestimmtes Risikoprofil gebunden ist und auf lokalen „Sparprodukten“ basiert. Schweizer Vermögensverwalter sind es gewöhnt, Finanzarbitragen unabhängig von steuerlichen Auflagen vorzunehmen, so dass sie ihre Auswahl stärker aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen optimieren können. So wurde ihr Anlageuniversum grösser und internationaler, und mit ihren Kompetenzen bei der Anlageallokation lassen sie sich von institutionellen Investoren inspirieren wie z.B. Pensionsfonds.
[ Schweizer Vermögensverwalter
sind es gewöhnt, Finanzarbitragen unabhängig von steuerlichen Auflagen vorzunehmen, so dass sie ihre Auswahl stärker aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen optimieren können
]
In Frankreich muss ein Vermögensverwalter bei seinen Entscheidungen oft komplexe steuerliche Auflagen berücksichtigen. Das Anlageuniversum muss Sparprodukte und Lebensversicherungsverträge enthalten, um die Vermögensübertragung zu antizipieren. Die Vermögensverwaltungskompetenz richtet sich dabei oft auf die Auswahl von Wertpapieren aus, die eng an die Präferenzen und Vorgaben des Kunden gebunden sind und Steuervergünstigungen ermöglichen. So hat sich auf ganz natürliche Art eine regelrechte „Stock Picker“-Kompetenz entwickelt.
WENIGER BANKGEHEIMNIS, GRÖSSERE NÄHE Der Genfer „Private Banker“ war lange Zeit der Besitzer einer Bank und richtete seine Interessen an denjenigen seiner Kunden aus, wobei er über einen sehr langfristigen Anlagehorizont verfügte. Die geografische Entfernung hat dazu beigetragen, dass der Termin bei der Bank zu einer privilegierten und vertrauten Beziehung wurde, die mit dem Service in einem Luxushotel vergleichbar ist. Die Aufhebung des Bankgeheimnisses könnte diese Vertraulichkeit und Beziehungspflege infrage stellen. Aufgrund der Transparenz der Daten der Steuerpflichtigen gestaltet sich in Frankreich die Beziehung zwischen den Banken und ihren Kunden wesentlich weniger vertraulich. Die Dienstleistungen eines französischen Private Bankers ähneln also eher denen eines Generalisten, der sich auf einen Vermögensingenieur stützt und selbst als Integrator rechtlicher und steuerlicher Kompetenzen wirkt, die sich ständig weiterentwickeln. Angesichts dieser Situation ist die Vermögensverwaltung in Frankreich stärker zentralisiert, obwohl sich Unternehmen wie das unsere gegen den allgemeinen Trend stemmen. Einige dieser Elemente zeigen, wie unterschiedlich die Wertschöpfungsketten und Empfindlichkeiten sind, was schliesslich einen qualitativen Vergleich schwierig macht. Mit Blick in die Zukunft ist es allerdings vorstellbar, dass die immer stärker konvergierenden Anforderungen an die steuerliche Transparenz kundennahe Vermögensdienstleistungen begünstigen werden, die zunehmend lokal, in Regionen mit hoher Wertschöpfung, und nicht länger im „Cross Border“Modus auf unserem alten Kontinent angeboten werden.
NICOLAS WALTHER Nach seinem Diplomabschluss an der HEC Lausanne begann Nicolas Walther seine Karriere in der Schweiz im Bankdienstleistungssektor für multinationale französische und belgische Grosskonzerne. Anschliessend war er Abteilungsleiter bei Crédit Suisse First Boston in London und wechselte 1987 zu Paribas. 1996 übernahm er die Vertriebsleitung für die Finanzintermediäre von Lombard Odier, gründete und führte ab dem Jahr 2000 die Pariser Niederlassung Lombard Odier Gestion. 2004 gründete N. Walther die Auris Gestion Privée gemeinsam mit Marc de Saint Denis, Absolvent der EPFL, der seit 1995 Generaldirektor der französischen Niederlassung von Caixa Geral de Depositos in Paris war. Auris Gestion Privée ist eine unabhängige, inhabergeführte Vermögensverwaltungsgesellschaft und bietet Portfolioverwaltungsleistungen für private und institutionelle Kunden an. Das von ihr verwaltete Vermögen beläuft sich auf eine Milliarde Euro.
29