investnews Guide 2016 für Vermögensverwalter_KPMG_DE(1)

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V E R M Ö G E N S V E R W A LT U N G : D I E R A H M E N B E D I N G U N G E N

Folgen und Herausforderungen

des automatischen Informationsaustauschs RA JEAN-LUC EPARS, KPMG

Der automatische Informationsaustausch in Steuersachen (AIA) ist jetzt Realität! Das Bundesgesetz über den internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA-Gesetz) wurde am 18. Dezember 2015 vom Parlament verabschiedet. Die Referendumsfrist lief am 9. April 2016 ab. Es wurde aber kein Referendum gegen dieses Gesetz ergriffen.

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ie Schweiz wird den AIA zum 1. Januar 2017 mit den Staaten einführen, die ein diesbezügliches Abkommen mit unserem Land unterzeichnet haben. Die Daten über Kunden, natürliche und juristische Personen mit Sitz in den Ländern, die ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet haben, werden im Jahr 2017 gesammelt und 2018 mit den besagten Ländern ausgetauscht.

UNTERZEICHNERSTAATEN Zahlreiche Länder haben sich zur Umsetzung des AIA verpflichtet, manche sogar ab 2016 mit einem ersten Informationsaustausch im Jahr 2017. Andere Länder wie z. B. die Schweiz planen den ersten Datenaustausch für 2018.1 Es wurde bereits mehrfach betont: Die USA werden sich nicht an diesem Prozess beteiligen. Sie werden die im FATCA vorgesehenen Regeln zum automatischen Informationsaustausch anwenden und während einer Übergangszeit von gewissen Ausnahmen profitieren können.2

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Gemeinsame Abkommen zur Einführung des AIA hat die Schweiz bisher mit der Europäischen Union, Australien, den der britischen Krone unterstellten Gebieten Jersey, Guernsey und Isle of Man sowie mit Island, Norwegen, Japan, Kanada und Südkorea unterzeichnet. Weitere Länder werden zu dieser Liste hinzukommen. Bei den von ihm geführten Verhandlungen, stellt der Bundesrat den Zugang zu den Märkten der betreffenden Länder und die Möglichkeiten, die diese Länder für die Regularisierung der Vergangenheit gewähren, in den Vordergrund.3 ORGANISATION DER GESETZGEBUNG Aus gesetzge-

und bereits existierender Konten natürlicher und juristischer Personen) fest, mit denen die Anschrift des (Wohn-) Sitzes der Kontoinhaber festgestellt und die meldepflichtigen Konten identifiziert werden können. Die Anschrift des (Wohn-)Sitzes der Kontoinhaber (natürliche und juristische Personen) ist das grundlegende Element für den Austausch mit den Ländern, die mit der Schweiz ein Abkommen geschlossen haben. Es sei darauf hingewiesen, dass in Anwendung von Artikel 2 Absatz 2 AIA-Gesetz, der eine breitere Definition des Begriffs „teilnehmender Staat“ zulässt, der Bundesrat die Möglichkeit hat, die Anwendung des AIA auf Länder auszuweiten, die sich verpflichtet haben, den Prozess umzusetzen, aber noch kein Abkommen mit der Schweiz unterzeichnet haben.

berischer Sicht erforderte die Einführung des AIA in der Schweiz die parlamentarische Genehmigung des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen von OECD und Europarat. Das gleiche gilt für die multila- DIE AUSWIRKUNGEN FÜR UNABHÄNGIGE VERMÖGENSVERWALTER Natürlich stehen die Banken in diesem terale Vereinbarung der zuständigen Behörden über den Prozess an vorderster Front, besonders bei der Umsetzung automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten der angemessenen Verfahren zur sorgfältigen Prüfung. Sie (MCAA), die im Anhang den von der OECD erarbeiteten sind bereits jetzt mit sehr weitreigemeinsamen Meldestandard chenden Organisations-, Kommuenthält, ebenso wie jenen des Der Bundesrat hat die nikations- und EDV-Problemen AIA-Gesetzes. Möglichkeit, die Anwendung des konfrontiert. Für die Einführung des AIA AIA auf Länder auszuweiten, die Allerdings werden zweifellos zwischen der Schweiz und den sich verpflichtet haben, diesen auch die unabhängigen VermöStaaten, die ein Abkommen mit Prozess umzusetzen, aber noch kein gensverwalter, die privilegierte unserem Land unterzeichnen, Abkommen mit der Schweiz Beziehungen zu ihren Kunden kommen zwei verschiedene unterhalten, von den Banken in Modelle in Frage: (i) Abschluss unterzeichnet haben die besagten Verfahren einbeeines internationalen Vertrags zur zogen werden (Fragen, Erklärungen, Unterlagen, besonders Einführung des AIA (Bsp.: das für die Europäische Union vorgeschlagene Modell) oder (ii) Anwendung des Überein- um die Selbstauskunft bestimmter Kunden zu erhalten). Auf jeden Fall werden sie noch stärker einbezogen, wenn sie als kommens, des MCAA und bilaterale Aktivierung des AIA sogenanntes Investmentunternehmen tätig sind. durch Mitteilung an das OECD-Sekretariat. Die Verträge Der gemeinsame Meldestandard definiert den Begriff oder Abkommen, die aus dem einen oder anderen Modell „Investmentunternehmen“ wie folgt 4: entstehen, müssen vom Parlament genehmigt werden.

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DIE PRINZIPIEN DES AIA Zu den Prinzipien des AIA gehört, dass die meldenden Schweizer Finanzinstitute bestimmte persönliche Daten (des Kontoinhabers) und Finanzdaten (des Kontos) über die zu deklarierenden Konten sammeln. Sie sammeln die erforderlichen Daten für jedes Land, das mit der Schweiz ein Abkommen geschlossen hat und teilen diese Daten der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) mit, die sie an die zuständigen ausländischen Steuerbehörden weiterleitet. Die vorgenannten Begriffe werden im von der OECD erarbeiteten, gemeinsamen Meldestandard (der durch das AIA-Gesetz ergänzt wird) definiert. Dieser legt auch die angemessenen Verfahren zur sorgfältigen Prüfung (neuer

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• Jeder Rechtsträger, dessen Hauptaktivität die individu-

elle oder kollektive Vermögensverwaltung im Namen und auf Rechnung des Kunden ist oder sonstige Arten der Anlage oder Verwaltung von Finanzvermögen oder Kapital im Auftrag Dritter ausübt; oder • Jeder Rechtsträger, dessen Bruttoeinkünfte vorwie-

gend der Anlage oder Wiederanlage von Finanzvermögen oder dem Handel damit zuzurechnen sind, wenn der Rechtsträger von einem anderen Rechtsträger verwaltet wird, bei dem es sich um ein Einlageninstitut, ein Verwahrinstitut, eine spezifizierte Versicherungsgesellschaft oder ein Investmentunternehmen handelt.


V E R M Ö G E N S V E R W A LT U N G : D I E R A H M E N B E D I N G U N G E N

[ Ein unabhängiger Vermögensverwalter

könnte als Investmentunternehmen betrachtet werden. Aus dieser Situation dürften sich allerdings nur sehr beschränkte Folgen ergeben

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Diese Definition könnte für unabhängige Vermögensverwalter folgende Konsequenzen haben: Zunächst könnte ein unabhängiger Vermögensverwalter selbst als Investmentunternehmen betrachtet werden 5. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass nur das Investmentunternehmen, das die betroffenen Finanzkonten führt, der Meldepflicht nachkommen und angemessene Verfahren zur sorgfältigen Prüfung anwenden muss, so dass sich hier nur sehr beschränkte Folgen ergeben dürften (die Situation sollte in den Richtlinien klargestellt werden, welche die ESTV derzeit erarbeitet). Die (indirekten) Auswirkungen, die sich aus dem zweiten Teil der oben stehenden Definition für die unabhängigen Vermögensverwalter ergeben, könnten signifikanter sein. Eine Domizilgesellschaft, deren Aktivität sich auf das Verwalten des Guthabens ihres bzw. ihrer wirtschaftlichen Berechtigten beschränkt und die von einem unabhängigen Vermögensverwalter im Rahmen eines diskretionären Verwaltungsmandats verwaltet wird 6, könnte als Investmentunternehmen betrachtet werden. Das ist dann verpflichtet, die natürliche(n) Person(en) zu melden, die Kontrollinhaber ist/sind (meldendes Finanzinstitut) 7. Andere Aktivitäten, die insbesondere im Zusammenhang mit dem Verwalten derartiger Strukturen (auch Stiftungen oder Trusts) als Hauptaktivitäten gelten, könnten vergleichbare Folgen haben.

[ Unabhängige Vermögensverwalter sind

nicht meldepflichtig. Auf jeden Fall werden sie aber die ersten Ansprechpartner sein, um die Fragen ihrer Kunden zu beantworten

]

Unabhängige Vermögensverwalter sind nicht meldepflichtig. Dasselbe gilt für Banken, es sei denn, zwischen der Schweiz und dem Land, in dem sich der Sitz des Investmentunternehmens befindet, wurde kein Abkommen geschlossen. In diesem Fall ist die Bank verpflichtet, die Kontrollinhaber selbst zu melden. Dies in Anwendung des Prozesses für passive Rechtsträger, die keine Finanzinstitute (NFE) 8 sind (vorausgesetzt, die genannten Personen sind in Ländern ansässig, die mit der Schweiz ein AIA-Abkommen unterzeichnet haben). Auf jeden Fall werden die unabhängigen Vermögensverwalter aber die ersten Ansprechpartner sein, um Fragen der oben erwähnten Kunden (wirtschaftliche Berechtigte usw.) zu beantworten.

Daher ist es wichtig, dass die unabhängigen Vermögensverwalter diese Fragen antizipieren und die Situationen der entsprechenden Gesellschaften und Strukturen, für deren diskretionäre Verwaltung sie zuständig sind oder für die sie andere Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, umgehend klarstellen können.

Referenzen 1 - Zur Situation am 2. März 2016: siehe www.oecd.org/tax/transparency/AEOI-commitments.pdf 2 - Ve r n e h m l a s s u n g e n d e s B u n d e s r a t e s z u m A I A v o m 1 4 . Januar 2015 (https://www.news.admin.ch/message/index. html?lang=de&msg-id=55889) 3 - Botschaft des Bundesrats zur Genehmigung der MCAA vom 5. Juni 2015, Abs. 1.1, S. 5 4 - Gemeinsamer Meldestandard, Abschnitt VIII, Unterabschnitt A., Nr. 6; Kommentar zum gemeinsamen Meldestandard, Anhang Abschnitt VIII, Abs. 15 ff., S. 170 ff. 5 - Die Bedingung der individuellen Portfolioverwaltung im Rahmen eines diskretionären Mandats ist erfüllt. Es handelt sich um eine Hauptaktivität, wenn die durch die Portfolioverwaltung generierten Bruttoeinnahmen des Rechtsträgers während des kürzesten der beiden folgenden Zeiträume mindestens 50 % seiner Bruttoeinnahmen betragen: gesamte Zeit des Bestehens des Rechtsträgers, wenn diese kürzer als drei Jahre ist, oder Zeitraum von drei Jahren, der zum 31. Dezember des Jahres vor dem Jahr endet, in dem die Berechnung vorgenommen wird (siehe Kommentar zum gemeinsamen Meldestandard, Anhang Abschnitt VIII, Abs. 17 und 18, S. 171) 6 - Ein Rechtsträger wird von einem anderen Rechtsträger „verwaltet“, wenn der verwaltende Rechtsträger entweder direkt oder über einen Dienstleister eine Verwaltungsaktivität für den verwalteten Rechtsträger ausübt. Ein Rechtsträger verwaltet einen anderen Rechtsträger nicht, wenn er nicht über die diskretionäre Befugnis zur Verwaltung von dessen gesamtem Vermögen oder eines Teils davon verfügt; siehe Kommentar zum gemeinsamen Meldestandard, Anhang Abschnitt VIII, Abs. 17, S. 171) + Fussnote 5 oben in Bezug auf die Hauptaktivität 7 - Siehe Gemeinsamer Meldestandard, Abschnitt VIII, Unterabschnitt A Nr. 1, 3 und 6 + Unterabschnitt B (a contrario); Abschnitt VIII, Unterabschnitt C Nr. 1a; Implementation Handbook, Abs. 214 8 - Siehe Gemeinsamer Meldestandard, Abschnitte V, Unterabschnitt D Nr. 2 und VI Unterabschnitt A Nr. 2; Kommentar zum gemeinsamen Meldestandard, Anhang Abschnitte V Unterabschnitt D Nr. 2, S. 145 ff. und VI Unterabschnitt A Nr. 2, S. 152 ff.

JEAN-LUC EPARS Jean-Luc Epars ist Schweizer Rechtsanwalt und Partner bei KPMG, Legal und Financial Services in Genf. Er ist ferner Chefjurist der Finanzdienste für die französische Schweiz. Bevor Jean-Luc Epars zu KPMG stiess, arbeitete er als juristischer Berater bei einer Bank in Genf sowie im Wirtschafts- und Sicherheitsdepartement der Stadt Genf.

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