investnews Guide 2016 für Vermögensverwalter_KPMG_DE

Page 1

Finanzdienstleistungsgesetz:

Mit welchen Neuerungen unabhängige Vermögensverwalter rechnen müssen

ANN-MIRJAM LÉVY DUVERNAY UND YVAN MERMOD, KPMG

Mit dem Ziel, den Anlegerschutz zu verbessern, sieht der Entwurf des Finanzdienstleistungsgesetzes (FIDLEG) vor, die unabhängigen Vermögensverwalter zu mehr Transparenz und einer stärkeren Formalisierung zu verpflichten.

D

er Bundesrat hat am 4. November 2015 die Botschaft zum Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und zum Finanzinstitutsgesetz (FINIG) verabschiedet. Diese Texte werden derzeit in den eidgenössischen Räten diskutiert. Eines der Hauptziele des Entwurfs zum zukünftigen Finanzdienstleistungsgesetz besteht darin, die wichtigsten Bestimmungen der MiFID-II-Richtlinie der Europäischen Union umzusetzen. Mit dieser sollte die Situation nach der Finanzkrise 2007/2008 grundlegend neu gestaltet werden, wobei die Aufsichtsbehörden klar das Ziel verfolgten, die Anleger besser zu schützen. Über die Notwendigkeit hinaus, auch in der Schweiz die Anleger besser zu schützen, stellt sich die grundlegende Frage, ob die Schweiz von der Europäischen Union den Zugang zu den europäischen Märkten für grenzüberschreitende Geschäfte erhält. Unser Land muss dabei nachweisen können, dass seine Vorschriften denen der EU gleichwertig sind.

16

SEGMENTIERUNG, PRÜFUNG UND ANGEMESSENHEIT Das Transparenzprinzip ist der wichtigste Bestandteil des Anlegerschutzes. Es umfasst die Pflicht, die Kunden zu informieren, aber auch, sich über diese zu informieren, damit Anlageentscheide mit umfassender Sachkenntnis getroffen werden können. Die Kunden müssen insbesondere über den Anbieter der Finanzdienstleistungen selbst, über die angebotenen Finanzdienstleistungen und die damit verbundenen Risiken, die Produkte, die Kosten und die wirtschaftlichen Beziehungen zu Dritten informiert werden. Zusätzlich zu diesen allgemeinen Transparenzanforderungen verpflichtet das FIDLEG die Vermögensverwalter, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen.

[ Die Kunden müssen über den Anbieter

der Finanzdienstleistungen selbst, über die angebotenen Finanzdienstleistungen und die damit verbundenen Risiken, die Produkte, die Kosten und die wirtschaftlichen Beziehungen zu Dritten informiert werden

]


V E R M Ö G E N S V E R W A LT U N G : D I E R A H M E N B E D I N G U N G E N

Die Pflicht, sich über die Kunden zu informieren, ermöglicht die Umsetzung von drei wesentlichen Massnahmen im Zusammenhang mit diesem Gesetzesentwurf: die Kundensegmentierung (Privatkunden, institutionelle und professionelle Kunden), die Überprüfung der Dienstleistung und Beratung auf ihre Angemessenheit („appropriateness“) und auf ihre Eignung („suitability“). Der Begriff der Kundensegmentierung ist in der Schweiz nicht neu. Er wurde bereits 2007 im Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen eingeführt. Jetzt wurde der Begriff in einer allgemeineren Form in das Gesetz über die Finanzdienstleistungen aufgenommen, wobei die Definitionen mit jenen im geplanten europäischen Recht harmonisiert wurden. So können die unterschiedlichen Kundenkategorien von verschiedenen Dienstleistungs- und Schutzangeboten profitieren.

[ Die unterschiedlichen Kundenkategorien können von verschiedenen Dienstleistungsund Schutzangeboten profitieren ] Die Zusammensetzung eines Dienstleistungsangebots wird in Zukunft von einer Kombination aus Kundentyp (Privatkunde, professioneller oder institutioneller Kunde) und der Art der Dienstleistung, (Einzelberatung, umfassende Beratung oder Vermögensverwaltung) abhängen. Die Auswahl an verfügbaren Anlageprodukten wird sich insbesondere aus dieser Kombination ergeben, aber auch aus der Einschätzung des Dienstleisters hinsichtlich der Angemessenheit oder der Eignung des Produktes. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass in den Schweizer Gesetzesentwürfen – im Gegensatz zu den europäischen Vorschriften – die wichtige Unterscheidung zwischen komplexen und nicht komplexen Produkten weggelassen wurde. Für die Produkteanbieter wird es daher eine grosse Herausforderung sein, sicherzustellen, dass die Produkte korrekt identifizierten Anlegern angeboten werden können. Im Zusammenhang mit dem Anlegerschutz und der Anwendung von Verhaltensregeln sieht der Gesetzesentwurf auch eine Pflicht zur Aus- und Weiterbildung für Kundenberater vor. Die Verantwortung dafür tragen die Dienstleistungsanbieter, welche die Berater beschäftigen. Hinzu kommt eine Registrierungspflicht, d. h. die Eintragung der Berater nicht beaufsichtigter Finanzdienstleister in ein Register. RETROZESSIONEN UND MEHRWERT Unter den weiteren Neuerungen, die der Gesetzesentwurf vorsieht, zählt das Konzept der Retrozessionen wahrscheinlich zu den meistdiskutierten Themen im Zusammenhang mit der Regulierung der Finanzdienstleistungen. In bestimmten EU-Mitgliedstaaten wurde ein vollständiges Verbot der Retrozessionen beschlossen. Dies ist jedoch keine allgemeine, zwingende Regel. Das FIDLEG übernimmt in diesem Punkt den Wortlaut der MiFID II, indem es die Unabhängigkeit eines Finanzdienstleistungsunternehmens mit dem

Bestehen von Retrozessionen verknüpft. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Finanzdienstleister nur dann Vergütungen von Dritten annehmen dürfen, wenn sie die Kunden im Voraus ausdrücklich über diese Vergütung informiert haben oder wenn diese Vergütungen in voller Höhe an die Kunden weitergegeben werden. Im Gegensatz zum FIDLEG präzisiert die MiFID II den Begriff des Mehrwerts dahingehend, dass es im Rahmen der Finanzdienstleistungen möglich ist, erhaltene Retrozessionen einzubehalten, wenn diese einen Mehrwert für die Anleger generieren. Diese Prüfung muss insbesondere darstellen, in welchem Umfang die Produkte durch den Vermögensverwalter analysiert und welche Auswahlmethoden angewandt wurden, um einen Entscheid für das höherwertige Produkt zu fällen, und der gleichzeitig eine monetäre Vergütung rechtfertigt, die einbehalten werden darf. ZUNEHMENDE RECHTFERTIGUNGSBÜROKRATIE Die Botschaft des Bundesrates erwähnt, dass die Kosten, die durch die im FIDLEG vorgesehenen Anpassungen bei Struktur und Dokumentation entstehen, nur „marginal“ sein dürften. Für unabhängige Vermögensverwalter kommen diese zu den für die Zulassung anfallenden Aufwendungen hinzu. Die Richtlinien zur Umsetzung in der Praxis wurden bisher noch nicht veröffentlicht; dies wird erst im Rahmen der zukünftigen Finanzdienstleistungsverordnung geschehen. Die geplanten Massnahmen werden insgesamt und unbestritten zu höheren Kosten und Administrationsaufwänden führen. Dies geht leider mit der allgemeinen Tendenz der zunehmenden Rechtfertigungsbürokratie einher. Im Zusammenhang mit der grundlegenden, wiederholt gestellten Frage nach dem europäischen Marktzugang für in der Schweiz niedergelassene Dienstleister kann man zu Recht darüber nachdenken, wie nützlich und notwendig es ist, europäische Regeln systematisch in das Schweizer Recht zu übernehmen. Andererseits muss bedacht werden, dass es für einen Finanzplatz, der die Hauptrolle in der internationalen Vermögensverwaltungsbranche spielen möchte, schwer zu begründen ist, weshalb auf starke oder den internationalen Normen entsprechende Anlegerschutzvorschriften verzichtet wird.

YVAN MERMOD Yvan Mermod ist in der Romandie für die Dienstleistungen im Investment Management-Sektor von KPMG verantwortlich, für den er seit 1996 tätig ist. Er ist Mitglied der Expertengruppe GIPS der SBVg und Mitglied des europäischen Leadership von KPMG Investment Management. Y. Mermod ist von der FINMA zugelassener Prüfer für Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen, Fondsleitungen, Investmentfonds und Banken. ANN-MIRJAM LÉVY DUVERNAY Ann-Mirjam Lévy Duvernay verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung im Bank- und Finanzsektor bei KPMG. Sie ist für Audit, Fondsleitungen, kollektive Kapitalanlagen und KAGVermögensverwalter zuständig. Darüber hinaus ist sie von der FINMA zugelassene Prüferin für Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen, Fondsleitungen, Investmentfonds und Banken.

17


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.